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Full text of "Geschichte der römischen Litteratur bis zum Gesetzgebungswerk des Kaisers Justinian"

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HANDBUCH 

DER 

KLASSISCHEN 

AETEETÜMS-WISSENSC 

in  systematischer  Darstellung 

mit  besonderer  Rücksicht  auf  Geschichte  und  Methodik  der  einzelnen 

Disziplinen. 


In  Verbindung  mit  Gymn.-Rektor  Dr.  Autenrieth  f  (Nürnberg),  Prof.  Dr.  Ai 
Bauer  (Graz),  Prof.  Dr.  Blass  (Halle),  Prof.  Dr.  Brugmann  (Leipzig),  Prof.  DJ 
Busolt  (Kiel),  Prof.  Dr.  v.  Christ  (München),  Prof.  Dr.  Leop.  Cohn  (Breslaui 
Prof.  H.  Gleditsch  (Berlin),  Prof.  Dr.  0.  Gruppe  (Berlin),  Prof.  Dr.  Günthf 
(München),  Gymn.-Rektor  C  Hammer  (Würzburg),  Prof.  Dr.  Heerdegren  (B 
langen),  Prof.  Dr.  Hommel  (München),  Prof.  Dr.  Hübner  f  (Berlin),  Prof. 
Judeich  (Erlangen),  Prof.  Dr.  Jul.  Jung  (Prag),  Prof.  Dr.  Krumbache 
(München),  Prof.  Dr.  Larfeld  (Remscheid),  Dr.  Lolling  f  (Athen),  Prof. 
Niese  (Marburg),  Prof.  Dr.  Nissen  (Bonn),  Prof.  Dr.  Oberhummer  (WienJ 
Priv.-Doz.  Dr.  Ohmichen  (München),  Prof.  Dr.  Pöhlmann  (München),  Gymi] 
Dir.  Dr.  0.  Richter  (Berlin),  Prof.  Dr.  M.  von  Schanz  (Würzburg),  Prof. 
Schiller  t  (Leipzig),  Gymn.-Dir.  Schmalz  (Rastatt),  Prof.  Dr.  Sittlf  (Wüi 
bürg),  Prof.  Dr.  F.  Stengel  (Berlin),  Prof.  Dr.  Stolz  (Innsbruck),  Prof. 
ünger  (Würzburg),  Prof.  Dr.  v.  ürlichs  t  (Würzburg),  Prof.  Dr.  Morit 
Voigt  (Leipzig),  Gymn.-Dir.  Dr.  Volkmann  f  (Jauer),  Prof.  Dr.  Windelbai 

(Strassburg),  Prof.  Dr.  Wissowa  (Halle) 

herausgegeben  von 

Dr.  Iwan  von  Müller, 

ord.  Prof.  der  klassischen  Philologie  in  München. 


Achter  Band. 

Geschichte  der  römischen  Litteratur 

bis  zum  Gesetzgebungswerk  des  Kaisers  Justinian. 


MÜNCHEN  1904 
C.  H.  BECK'SCHE  VERLAGSBÜCHHANDLUNG 

OSKAB  BECK. 


GESCHICHTE 


DER 


KOMISCHEN  LITTERATUR 


Von 


Martin  Schanz, 

ord.  Profeasor  an  der  üniTerdtit  Wönburg. 


Vierter  Teil: 

Die  römische  Litteratur  von  Constantin  Ms  znm 

Gesetzgebnngswerk  Jnstinians. 

Erste  Hälfte:  Die  Litteratur  des  vierten  Jahrhunderts. 


Mit  alphabetischem  Register. 


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MÜNCHEN  1904 
C.  H.  BECK'SCHE  VERLAaSBÜCHHANDLüNG 

OSKAR  BECK. 


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Alle  Rechte  vorbehalten. 


C.  H.  Beck'sche  Baohdrackerei  in  N6rdlingen. 


A. 

ohaltsverzeichnis  zum  vierten  Teil,  erste  Hälfte. 


Einleitnngr.  Seite 

lentum  und  Christentum 1 

g  der  Litteratur 5 

demng «        .        .        .        .  6 

A.  Die  liltteratnr  des  Tlerten  Jahrhnnderls. 

Stellimg  der  einzelnen  Kaiser  znr  Litteratur. 

staDtin  und  Constantins  (324    361) 6 

anufl  (361—363)  8 

jntinian  und  Gratian  (364-383) 8 

odosius  der  Grosse  und  Eugenius  (379 — 395) 9 

1.  Die  nationale  Litteratar. 

a)  Die  Poesie. 

1.  Publilius  Optatianus  Porfyrius. 

Gedichtsammlung  des  Publilius  Optatianus  Porfyrius          ....  10 

rakteristik 11 

2.  Rufitts  Festus  Avienus. 

Lehrgedichte  des  Avienus 13 

3.  Decimus  Magnus  Ausonius. 

Leben  des  Ausonius 20 

Ausoniusausgaben 23 

Werke  des  Ausonius 26 

Mosella 36 

rakteristik     ...  38 

4.  Der  anonyme  Dichter  des  Querolus. 
Komddie  des  Querolus 40 

Ädere  Dichter  42. 

b)  Die  Prosa. 

ff)  Die  Historiker. 

1.   Julius  Valerius. 

Alezanderroman 43 

Metzer  Alexander-Epitome  46 

2.  Die  Scriptores  historiae  Augustae. 

Historia  Augusta 47 

rakteristik  der  Historia  Augusta 51 

3.  Der  Chronograph  Tom  Jahre  354. 
mder  und  andere  Verzeichnisse 56 


VI  InhaltsverBeichnis  zum  vierten  Teil,  erste  H&lfte. 

4.  Aurelius  Victor. 

797.  Historia  tripertita 

798.  Die  origo  gentis  romanae  

799.  De  yiris  illustribus  urbis  Romae 

800.  Die  Caesarea  des  Aurelius  Victor  .  

801.  Die  Epitome 

5.  Eutropius. 

802.  Das  Breviarium  Eutrops 

6.  Fest  US. 

803.  Das  Breviarium  des  Festus 

7.  Julius  Obsequens. 

804.  Das  Wunderbücblein  des  Julius  Obsequens  (liber  prodigiorum) 

8.  Lucius  Septimius. 

805.  Das  Tagebuch  des  Dictys  vom  troianischen  Krieg 

9.  Virius  Nicomachus  Flavianus  und  die  anderen  Nicomachi. 

806.  Die  Annalen  des  Nicomachus 

10.  Ammianus  Marcellinus. 

807.  Sein  Leben  ............. 

808.  Ammians  Werk 

809.  Charakteristik 

11.  Anonymus  Valesii. 

810.  Zwei  historische  Fragmente 

12.  Der  sog.  Hegesippus. 

811.  Die  Uebersetzung  von  Josephus*  jüdischem  Krieg 

ß)  Die  GeograpJien. 

Die  Itinerarien. 

812.  Die  Reisebecher,  das  Itinerarium  Antonini  und  Hierosolymitanum 

813.  Itinerarium  Alexandri 

y)  Die  Redner  {Deklamatoren). 

1.  Claudius  Mamertinus. 

814.  Danksagungsrede  des  Claudius  Mamertinus  für  das  ihm  von  Julian  verliehene 
Consulat      ............. 

2.  Latinius  Pacatus  Drepanius. 

815.  Der  Panegyricus  des  Latinius  Pacatus  Drepanius  auf  Theodosius 

3.  Q.  Aurelius  Symmachus. 

816.  Biographisches 

817.  Die  Reden  des  Symmachus 

818.  Die  Briefsammlung  des  Symmachus 

819.  Die  Relationes 

820.  Charakteristik 

<f)  Die  Philosophen. 
1.  Julius  Firmicus  Maternus. 

821.  Das  astrologische  Werk  des  Firmicus  Matemus  (matheseos  libri  VIII) 

822.  Ueber  den  Irrtum  der  heidnischen  Religionen  (de  errore  profanarum  religionum) 

2.  Chalcidius. 

823.  Uebersetzung  des  Timaeus  mit  Commentar 

3.  Vettius  Agorius  Praetextatus  und  andere  Philosophen. 

824.  Die  lateinische  Bearbeitung  der  aristotelischen  Kategorien  von  Praetextatus    . 

e)  Die  Fachgelehrten. 

1.  Die  Grammatiker  und  Metriker. 

825.  Allgemeines 


InhalUverseichnis  zum  vierten  Teil,  erste  Hälfte.  VU 

1.  Nonius  Marccllus.  s«*^« 

)Gndiosa  doctrina 181 

2.  A  t  i  I  i  u  8  F  0  r  t  u  n  A  t  i  a  n  11 B. 
rik  des  Atilius  Fortunatianus 136 

8.  C.  Mari  US  Victorinus. 

lisches 137 

grammatica  des  Marias  Victorinus 138 

tare,  üebersetzungen  und  philosophische  Schriften        ....  141 

►logischen  Scluriften  Victorins 148 

4.  Aelius  Donatus. 
mmatik  und  die  Commentare  des  Donatus 145 

5.  Flavius  Sosipater  Charisius. 
mmatik  dos  Charisius 149 

6.  Diomedes. 
mmatik  des  Diomedes 152 

7.  Servius. 
ellerei  des  Grammatikers  Servius 155 

8.  Dositheus  und  andere  Grammatiker, 
nmatik  des  Dositheus 159 

2.  Die  Rhetoren. 

1.  Aquila  Romanus, 
u-enlehre  des  Aquila  Romanus 162 

2.  Julius  Rufinianus. 

US  Rufinianus  Handbüchlein  über  die  Satzfiguren  .  .        164 

3.  Arusianus  Messius. 

mlung  von  grammatischen  Construktionen  des  Arusianus  Messius       .        164 

4.  C.  Chirius  Fortuna tianus. 
;onsche  Katechismus  des  Fortunatianus 166 

5.  Sulpitius  Victor. 

:orische  Handbuch  des  Sulpitius  Victor 167 

6.  C.  Julius  Victor. 

x)rische  Lehrbuch  des  C.  Julius  Victor 167 

!  Rhetoren  1(>8. 

3.  Die  Juristen. 

manischen  Fragmente 168 

4.  Die  Schriftsteller  der  realen  Fächer. 
1.  Palladius  Rutilius  Taurus  Aemilianus. 
tschaftsbuch  des  Palladius 170 

2.  Der  Veterinärmediziner  Pelagonius. 
^rinärmedizin  des  Pelagonius  .        .  .        .  173 

3.  Fl.  Vegetius  Renatus. 

tärische  Handbuch  des  Vegetius  175 

.'rinärracdizin  des  Vegetius  (ars  veterinaria  sive  mulomedicina)  178 

4.  Der  Compilator  der  Medicina  Plinii. 
icina  Plinii 181 

5.  Der  Arzt  Vindicianus. 
liehen  Fragmente  des  Vindicianus 184 

11.  Die  christliche  Litteratnr. 

a)  Die  Poesie. 

1.  Anonyme  Dichter, 
lomini 187 


VIII 

852. 
853. 
854. 

855. 
856. 
857. 


InhaltBverBeiohnia  Eum  Tierten  Teil,  erste  H&lfte. 


Sodoma 

De  Jona  

Das  Verhältnis  der  beiden  Gedichte  zu  einander 


858. 
859. 
860. 


861. 

862. 
863. 

864. 
865. 
866. 
867. 
868. 
869. 
870. 
871. 
872. 
873. 
874. 
875. 

876. 
877. 
878. 
879. 
880. 
881. 
882. 
883. 
884. 
885. 


2.  C.  Vettius  Aquilinus  Juvencus. 
Das  Evangelienbuch  des  Juvencus  (evangeliorum  libri  IV) 

3.  Damasus. 
Die  Epigramme  des  Damasus 

4.  Die  Dichterin  Proba  und  andere  christliche  Gentodichter. 
Der  Vergilcento  der  heiligen  Greschichte 

5.  Die  Invectivendichter  und  die  Polemiker. 

Invective  gegen  Nicomachus 

Invective  gegen  einen  abgefallenen  Senator 

Das  pseudotertullianische  Gedicht  gegen  Marcion 

6.  Hilarius  von  Poitiers. 
Das  Hymnenbuch  des  Hilarius 

7.  Ambrosius. 

Die  Hymnendichtung  des  Ambrosius 

Die  einzelnen  Hymnen 

8.  Aurelius  Prudentius  Glemens. 

Sein  Leben 

Gathemerinon  liber  (Tagzeitenbuch) 

Gharakteristik  des  Gathemerinon 

Peristephanon  (Ueber  die  Martyrerkronen) 

Gharakteristik  des  Peristephanon 

Die  Apotheosis 

Die  Hamartigenia 

Die  Psychomachia 

Die  beiden  Bücher  gegen  Symmachus 

Das  Dittochaeon 

Rttckblick 

Fortleben  des  Dichters 


9.  Meropius  Pontius  Paulinus. 

Biographisches 

Das  Gebet  des  Paulinus 

Die  poetischen  Briefe 

Epithalamium,  Propempticon  und  Gonsolatio 

Biblische  Stoffe 

Die  Gedichte  auf  den  heiligen  Felix  .... 

Epigrammatische  Dichtungen 

Die  prosaischen  Briefe  des  Paulinus  .        .        .        . 

Gharakteristik 

Rückblick 


886.  Die  collectio  Avellana 


b)  Die  Prosa. 


1.  Hilarius  von  Poitiers. 

887.  Biographisches 

888.  Uebersicht  der  Schriftstellerei  des  Hilarius 


889.  Gommentar  zu  Matthaeus 

890.  Tractatus  super  Psalmos 

891.  De  mysterüs 


a)  Exegetische  Schriften 


ß)  Polemische  Schriffcen. 

892.  Die  Denkschriften  an  GonstaJitius 

893.  Das  Pamphlet  gegen  Gonstantius 

894.  De  synodis 

895.  Die  Schrift  gegen  Anxentius  (Liber  contra  Auxentium) 

896.  Die  historischen  Fragmente 


Seite 

188 
189 

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248 
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253 

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265 


InhalUiTerBMohnis  snm  Yiertan  TeU,  erste  H&lftfi.  XX 

Seite 

De  trinitate  (de  fide) 268 

Cbarakterietik  des  Hilarios 270 

Das  ForÜeben  des  HUarios 272 

2.  Lucifer  von  Calaris. 

Biograühisches 274 

Die  ScJiriften  des  Lucifer           275 

Charakteristik 277 

8.  Die  Luciferianer. 

Die  Schriften  der  Luciferianer 278 

Faurtlnns  und  Maroellinaa.    Gregor  von  Elrir».    Diakon  Hiluliu. 

4.  Andere  Bekftmpfer  des  Arianismus. 

Die  Schrift  des  Phoebadius 281 

Altercatio  Heracliani  laici  cum  Germinio,  episcopo  Sinniensi    ....  281 

Die  Schriftstellerei  des  Eusebios  von  Vercellae 282 

5.  Arianen 

Arianische  Schriftstellerei            288 

Candldnf .    Potamiiit.    Htximinui.    BobbieaBiaQhe  Fragmente  u.  •. 

6.  Ambrosius. 

Biographisches 286 

Die  Schriftstellerei  des  Ambrosios 288 

€t)  Exegetische  Schriften. 

Allgemeines 290 

Exameron  1.  VI 291 

De  paradiso 294 

De  Cain  et  Abel 295 

De  Noe 295 

De  Abraham  1.  II 296 

De  Isaac  et  anima 297 

De  bono  mortis 297 

De  fuga  saeculi 298 

De  Jacob  et  vita  beato  1.  II 299 

De  Joseph  patriarcha 299 

De  patriarchis 300 

De  Helia  et  ieiunio 801 

De  Nabuthae 801 

De  Tobia 302 

De  interpellatione  Job  et  David 803 

Apologia  prophetae  David 804 

Die  unechte  Apologia  David  altera 804 

Enarrationes  in  XU  psalmos  Davidicos 805 

Ezpositio  in  psalmum  118 306 

Expoeitio  evangelü  secundum  Lucan  1.  X 807 

ß)  Moralisch-asketische  Schriften. 

De  officiis  ministrorum 808 

De  virginibus  1.  III 811 

De  viduis 812 

De  virginitate 812 

De  institutione  virginis 818 

Exhortatio  virginitatis 814 

Die  lapsu  virginis  consecratae .  314 

y)  Dogmatische  Schriften. 

Die  Schriften  Aber  die  Trinität 315 

Andere  dogmatische  Schriften 317 

d)  Reden  und  Briefe. 

Die  Trauerreden  auf  Satyrus  1.  II 819 

Die  Trauerrede  auf  Valentinian  II 320 

Die  Trauerrede  auf  Theodosius  den  Grossen 321 

Benno  contra  Auxentium  de  basilicis  tradendis 822 

Die  Correspondenz  des  Ambrosius 323 


Inbaltsverieichnifl  zam  vierten  Teil,  erste  Hälfte. 


e)  Schriften,  welche  irrtümlich  dem  AmbrosiuB  zugeteilt  wurden. 

945.  Der  sog.  Ambrosiaster 

946.  Mosaicarum  et  Romanarum  legum  coUatio 

947.  Charakteristik 

7.  Verfasser  von  Briefen  und  Predigten. 

948.  Briefe  und  Predigten  verschiedener  Verfasser 

949.  Die  Predigten  Zenos  

8.  Pacianus,  Bischof  von  Barcelona. 

950.  Die  Schriftstellerei  des  Pacianus 

9.  Priscillian  und  die  Priscillianisten. 

951.  Biographisches  über  Priscillian   . 

952.  Die  Ganones  zu  den  Briefen  des  Paulus 

953.  Die  Würzburger  Traktate  Priscillians 

954.  Die  Streitschriften  Priscillians    . 

955.  Die  Homilien  und  das  Gebet 

956.  Die  Priscillianisten  und  ihre  Gegner 

10.  Die  Donatisten. 

957.  Der  Donatismus 

958.  Die  Schriften  des  Tyconius 

11.  Optatus. 

959.  Das  antidonatistische  Werk  des  Optatus  

12.  Philastrius  und  Gaudentius. 

960.  Das  Ketzerbuch  des  Philastrius 

961.  Die  Predigten  des  Gaudentius 

13.  Die  Autoren  von  Wallfahrtsberichten  und  Beschreiber  des  hl.  Landes. 

962.  Wallfahrtsbericht  der  sog.  Silvia 

963.  Andere  Schriften  über  das  hl.  Land 

14.  Der  Bischof  Niceta  von  Remesiana. 

964.  Nicetas  Anweisungen  für  Taufkandidaten 

965.  Schreiben  an  eine  gefallene  Jungfrau 

966.  De  vigiliis  servorum  dei  und  de  psalmodiae  bono 

15.  Tyrannius  Rufinus  und  andere  Uebersetzer. 

967.  Rufins  Leben 

968.  Rufins  Uebersetzungen 

969.  Rufins  selbständige  Schriften 

970.  Charakteristik 

971.  Andere  Uebersetzungen 


SdU 

324 
327 

330 


332 
334 


33ö 


337 
340 
341 
344 
346 
346 


349 
350 


353 


357 
360 


361 
364 


367 
369 

370 

371 
374 
381 
384 
385 


16.  Hieronymus. 
972.  Biographisches 387 


973.  Die  Schriftstellerei  des  Hieronymus 

a)  Historische  Schriften. 

974.  Die  drei  Mönchslegenden 

975.  Die  Nekrologe 

976.  Das  Martyrologium  Hieronymianum    .        .        .        . 

977.  Die  Chronik  des  Hieronymus 

978.  De  viris  illustribus 

979.  Charakteristik  des  Werks 


ß)  Revision  und  Uebersetzung  der  hl.  Schrift. 

980.  Die  Vulgata 

y)  Die  exegetischen  Schriften. 

981.  Uebersetzungen  origenistischer  Homilien 

982.  Die  Commentare  zu  den  zwölf  kleinen  Propheten 

983.  Die  Commentare  zu  den  vier  grossen  Propheten 

984.  Der  Commentar  zum  Prediger  und  andere  alttestamentl.  Erläuterungsschriften 

985.  Schollen  zum  Psalter 


391 

392 
395 
398 
401 
404 
406 

408 


413 
415 
417 
420 
422 


InhaltsTerseiohnifl  mm  Tierten  Ttll,  erat«  HAlft«. 


986.  Hebrfiisclie  Stadien  zur  hl.  Schrift 

987.  Commentare  zu  vier  paulinischen  Briefen 

988.  Andere  neutestamentliche  Commentare 

989.  RückbUck 


<f)  Dogmatisch-polemißche  Schriften  und  Uebersetzungen  dogmatJuchor  Work 

990.  üeber  die  immerwährende  Jungfrauschaft  Marias  gegen  Holvidius 

991.  Die  zwei  BQcher  gegen  Jovinian 

992.  Die  Streitschriften  gegen  Johannes  von  Jerusalem  und  Kuflnus 

993.  Streitschrifk  gegen  Vigilantius 

994.  Die  Dialoge  gegen  die  Luciferianer  und  Pelagianer 

995.  Die  Uebersetzung  der  Schrift  des  Didymus  vom  hl.  Geist 

b)  Homilien  und  Briefe. 

996.  Die  Homilien  des  Hieronymus 

997.  Die  Correspondenz  des  Hieronymus 

998.  Charakteristik  des  Hieronymus 

999.  Fortleben  des  Hieronymus 


1000.  Rückblick 


Nachtrage  and  Beriditigimgeii 
Älphabetisdies  Register    . 


». 


XI 

4  2:1 

42(1 
42H 


42U 

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482 
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440 
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B. 

Zeittafel. 


200—300  Carmen  adversus  Marcionem. 
207  werden  Stücke  aoB  Hygin  ins  Griechische  übersetzt. 
238—244  Gordian. 
c.  250  lebt  der  Rhetor  Aquila  Romanus.    An  ihn  schliesst  sich   der  Rhetor  Julius  Rdi- 

nianns  an. 
284 — 305  Diokletian.    Scriptores  bist.  Aug. 
293  später  als  dieses  Jahr  fällt  das  Itinerarium  Antonini  Augusti,  das  der  diokletianischee 

Zeit  angehört. 
296 — 357  Osius,  Bischof  von   Gordova.     An  ihn  richtet  Ghalcidius  seine  üebersetzns^ 

und  Gommentar  des  piaton.  Timaeus. 
300 — 400  geschrieben  das  rhetorische  Lehrbuch  des  G.  Ghirius  Fortunatianus.    Der  RhetAr 

Sulpitius  Victor,  G.  Julius  Victor.   Querolus.   Julius  Obsequens.   Invective  gegen  eioea 

vom  Glauben  abgefallenen  Senator. 
300—350  schrieb  der  Verfasser  der  Medicina  Plinii. 

312  Ostertafel  des  Ghronographon  von  354. 

313  Toleranzedikt,  Gleichstellung  des  Ghristentums  mit  der  Staatsreligion. 

316  Q.  Aradius  Rufinus  cos.,  vielleicht  der  Adressat  des  Lucius  Septimius,  der  die  Ge- 
schichte des  troianischen  Kriegs  verfasst. 

316—326  fällt  das  Gedicht  laudes  domini. 

321  erteilt  Constantin  Privilegien  an  Aerzte  und  Professoren. 

324-337  Gonstantin.  Scriptores  historiae  Augustae.  Zeitgenosse  wahrscheinlich  der 
Anonymus  Valesii  (erstes  Fragment). 

324  wird  dem  Nonius  Marcellus  Herculius  eine  Inschrift  wegen  seiner  verdienst!.  Bau- 
thätigkeit  gesetzt;  vielleicht  identisch  mit  dem  Grammatiker  Nonius  Marcellus. 

325  dediciert  Publilius  Optatianus  Porfyrius  dem  Gonstantin  seine  Gedichte.  Gonril 
von  Nicaea. 

326  Tiberianus  comes  per  Africam,  vielleicht  auch  Dichter.  Privilegien  für  Aerzte  und 
Professoren.     Ermordung  des  Grispus,  des  Sohnes  Gonstantins. 

330  —  347  wird   in  Afrika  ein  Aktenfascikel  mit  dem  Titel  Gesta  purgationis  Gaeciliani 
Felicis  hergestellt, 
c.  330  dichtet  G.  Vettius  Aquilinus  Juvencus  sein   Evangelienbuch.    Vor  dieses  Jahr  fällt 
die  Redaktion  der  Hist.  Aug. 

333  Privilegien  für  Aerzte  und  Professoren.     Itinerarium  Hierosolymitanum. 
334—337  erscheint  das  astrologische  Werk  des  Julius  Firmicus  Matemus. 
334—357  notitia  regionum. 

334  Abfassung  der  Weltchronik  und  vielleicht  auch  der  Stadtchronik  im  Ghronographeo 
vom  Jahre  854. 

335 — 337  Geionius  Rufius  Albinus,  Stadtpräfekt,  vielleicht  identisch  mit  dem  Philosophen, 
der  geometrische  und  dialektische  Schriften  und  über  Musik  schrieb. 

335  lehrt  Patera  in  Rom  Rhetorik. 

337 — 361  Gonstans  und  Gonstantins.     Itinerarium  Alexandri. 

337  Ti.  Fabius  Titianus  cos.  Wahrscheinlich  identisch  mit  dem  von  Hieronymus  z.  J.  344 
aufgeführten  Titianus  vir  eloquens. 


Zeittafel.  XIII 

838  Polemius  cos.,  vielleicht  identiscli  mit  Jub'ns  Yalerios  Alexander  Polemius,  Bearbeiter 

des  Ps.-Callisthenes. 
841  antiochenische  Glaabensformel. 

846—350  schrieb  Julius  Firmicus  Matemus  de  errore  profanarum  religionum. 
850—353  tritt  der  Dichter  und  Redner  Attius  Tiro  Delphidius  in  den  Hofdiensi     Sein 

Vater  Delphidius  ebenfalls  Dichter  und  Redner. 

850 — 361  Abfassung  des  Kalenders  im  Chronographen  von  854. 

350—400  schrieb  der  Veterinärmediziner  Pelagonius. 

851  Clodius  Celsinus  Adelphius,  Stadtprftfekt.    Seine  Gemahlin  Dichterin  des  Vergilcentos. 

Erste  sirmische  Glaubensformel. 
852—366  Papst  Liberius. 

353  setzt  Hieronymus  die  Blflte  des  Rhetors  G.  Marius  Victorinus  Afer.  In  dasselbe  Jahr 
setzt  Hieronymus  die  Blüte  seines  Lehrers,  des  Grammatikers  Aelius  Donatus. 

354  begibt  sich  Lucifer  von  Calaris  im  Auftrage  des  Papstes  Liberius  zum  Kaiser  nach 
Arles,  um  die  Berufung  einer  Synode  zu  betreiben.  In  seiner  Begleitung  befand  sich 
der  Diakon  Hilarius  von  Rom.    Der  Chronograph. 

355  richtet  Hilarius  von  Poitiers  in  Glaubenssachen  eine  Bittschrift  an  den  Kaiser  Con- 
stantius.    Synode  zu  Mailand. 

356—860  lebt  Hilarius  von  Poitiers  im  Exil 

356  Synode  von  Biterrae  (Beziers).    Hilarius,  Bischof  von  Poitiers,  verbannt. 
357—403  Cnriosum  urbis  Romae. 

357  kommt  der  Historiker  Ammianus  Marcellinus  mit  Ursicinus  an  den  kaiserlichen  Hof 
nach  Sirmium.  Phoebadius  von  Agennum  schreibt  gegen  die  Arianer.  In  demselben 
Jahre  erschien  wahrscheinlich  Adversus  Arium  des  Marius  Victorinus.  Vor  diesem 
Jahr  trat  C.  Marius  Victorinus  zum  Christentum  über. 

358  rückt  Charistus  (wahrscheinlich  der  Grammatiker  Flavius  Sosipater  Charisius)  nach 
dem  Tode  des  Euanthius  in  dessen  Stelle  in  Constantinopel  ein.  Verwandtschaft  mit 
dem  Grammatiker  Charisius  zeigen  Diomedes  und  Dositheus.  Um  dieses  Jahr  schreiben 
gallische  Bischöfe  an  den  verbannten  Hilarius  in  Sachen  des  Glaubensstreites. 

359—360  verweilt  Hilarius  in  Constantinopel. 

359  die  Doppelsynode  zu  Seleucia  und  Rimini. 

360  Abfassung  der  Caesares  des  Aurelius  Victor.  Hilarius  von  Poitiers  kehrt  nach  Gallien 
zurück.     Um  dieses  Jahr  wird  der  Grammatiker  Servius  geboren. 

361—363  Julian. 

362—380  Zeno,  Bischof  von  Verona,  Verfasser  von  Predigten. 

362  Verordnung  Julians  über  die  Anstellung  der  öffentlichen  Lehrer.    Claudius  hält  seine 

Danksagungsrede  für  das  ihm  von  Julian  verliehene  Konsulat. 
863—364  Jovian. 
364—875  Valentinian  I. 
364 — 378  Valens.     In   seinem  Auftrage  schreiben  Eutrop  und  Festns   ihre   historischen 

Breviarien. 
366 — 384  Papst  und  Epigrammendichter  Damasus.    Unter  ihm  wirkt  der  Kalligraph  Furius 

Dionysius  Filocalus.    An  ihn  wenden  sich  Priscillian  imd  seine  Anhänger.    Unter 

seiner  Regierung  werden  der  Ambrosiaster  und  die  Quaestiones  veteris  et  novi  testa- 

menti  geschrieben. 
366  stirbt  Hilarius  von  Poitiers. 

367 — 375  wird  der  jüdische  Krieg  des  Josephus  ins  Lateinische  übertragen. 
367—383  Gratian. 

370 — 875  schreibt  Optatus,  Bischof  von  Mileve,  gegen  den  Donatismus. 
370—390  blühte  der  Donatist  Tyconius. 

370  oder  371  stirbt  Lucifer  von  Calaris.  Um  370  wird  der  arianische  Commentar  zu 
Lucas  geschrieben. 

371  wird  Pasiphilus  von  Ammianus  als  Philosoph  bezeichnet.  Wahrscheinlich  an  ihn 
richtet  PaUadius  Rutilius  Taurus  Aemilianus  sein  landwirtschaftliches  Werk.  Euse- 
bius,  Bischof  von  Vercellae  stirbt.  Rufinus  tritt  mit  Melania  eine  Reise  nach  dem 
Morgenland  an. 

372—438  die  vatikanischen  Fragmente. 

372  leitet  Isaak,  vielleicht  der  Verfasser  des  Ambrosiaster,  eine  gerichtliche  Klage  gegen 
Damasus  ein. 

874  wird  Ambrosius  Bischof  von  Mailand. 

375—378  AufenÜialt  des  Hieronymus  in  der  chalcidischen  Wüste. 

875-892  Valentinian  H. 

877  Nach  diesem  Jahr  schreibt  Pacianus,  Bischof  von  Barcelona,  über  den  Novatianismus. 


XIV  Zeittafel. 

378  sprechen  die  zu  einem  Concil  versammelten  Vftter  von  Isaaks  R&cktritt  zum  Jndeotu. 
379—387/88  Bericht  der  sog.  Silvia  über  eine  Reise  ins  hl.  Land. 
379 — 392  Pacianus,  Bischof  von  Barcelona. 
379—395  Theodosius  der  Grosse.    Die  Epitome  Caesanim. 

379  Ausonius  cos. 

380  wird  das  Concil  von  Saragossa  znr  Unterdrückung  der  Priscillianisten  abgehalten. 

381  Flavius  Afranius  Syagrius,  cos.,  Dichter.     Synode  zu  Aquileia  (3.  September). 
382—385  Aufenthalt  des  Hieronymus  in  Rom. 

382  werden  von  Gratian  die  heidnischen  Kulte  verboten,  die  priesterlichen  Einkünfte  e» 
gezogen  und  der  Altar  der  Victoria  entfernt.  Symmachus  begibt  sich  an  den  kaiser- 
lichen Hof,  um  die  Aufhebung  dieses  Dekrets  zu  erwirken. 

383  -  392  Valentinian  II.    Wohl  an  ihn  richtet  der  Arzt  Vindicianus  einen  Brief.    Deaui 

Schüler  ist  Theodorus  Priscianus. 
383—408  Kaiser  Arcadius;  er  lässt  sich  den  Cento  der  Proba  abschreiben. 
383—450  schrieb  Vegetius  sein  militärisches  Handbuch. 
383  Nicomachus  Flavianus  Proconsnl  von  Asien,  Recensent  des  Livios.    Streitschrift  des 

Arianers  Maximinus.     Der  Gothcnbischof  Ulfila  stirbt. 

383  oder  384  wenden  sich  die  Luciferianer  Faustinus  und  Marcellinus  an  die  Kaiser  oai 
flehen  sie  um  Schutz  an. 

384— 39S  Siricius,  Papst. 

384  richtet  Symmachus  eine  Vorstellung  an  Kaiser  Valentinian  II.  bezüglich  des  Altus 
der  Victoria.  Vettius  Agorius  Praetextatus  wird  zum  Gonsul  designiert;  er  bearbeiteit 
die  Kategorien  des  Aristoteles  nach  der  Paraphrase  des  Themistius.  Synode  t« 
Bordeaux  in  Sachen  des  Priscillianismus. 

385/86  Kämpfe  des  Ambrosius  gegen  die  Arianer. 
385—391  schreibt  Philastrius  seinen  Ketzerkatalog. 

385  Benevolus,  magister  memoriae  Valentinians  II.  An  ihn  richtet  Gaudentius,  Bischof 
von  Brescia,  seine  Predigten. 

386  KinfÜhrung  des  Hymnengesanges  durch  Ambrosius  in  Mailand, 
c.  387— 407  Chromatius,  Bischof  von  Aquileia. 
c.  387  schrieb  Rufius  Festus  Avienus  seine  Aratübersetzung. 

388  Aufruhr  in  Kallinikum. 

389  geht  der  Redner  Latinius  Pacatus  Drepanius  mit  einer  Abordnung  nach  Rom,  ob 
dem  Theodosius  zu  seinem  Siege  über  Maximus  Glück  zu  wünschen.  Hieronymss 
gründet  ein  Kloster  in  Bethlehem. 

890  Aufruhr  in  Thessalonich. 

391  Verordnung  Theodosius  d.  Gr.  gegen  den  heidnischen  Kultus.  Q.  Aurelius  Sm 
machus  cos. 

392—394  Eugenius. 

392  Neue  schäifere  Verordnung  Theodosius  des  Gr.  gegen  den  heidnischen  Kultus. 

394  Virius  Nicomachus  Flavianus  cos.,  Verfasser  von  Annalen  und  warmer  Anhänger  d« 
Heidentums.  Der  Dichter  Paulinus  begibt  sich  nach  Nola.  Um  dieses  Jahr  beginnen 
die  origenistischen  Streitigkeiten  in  Jerusalem  und  Bethlehem. 

394/95  wird  Virius  Nicomachus  Flavianus  in  einem  Gedicht  verspottet.  Collatio  MosaI- 
carum  et  Romanarum  legum. 

395  Olybrios  und  Probinus  cos.  Ihnen  widmet  Arusianus  Messius  seinen  Traktat  de 
elocutionibus. 

397  Brief  Augustins  an  Bischof  Simplicianus,  den  Nachfolger  des  Ambrosius.  Tod  des 
Bischofs  Ambrosius  von  Mailand  (4.  April).  Um  dieses  Jahr  kehren  Melania  und 
Rufinus  nach  Italien  zurück. 

898—401  Papst  Anastasius  I. 

398  kommt  der  Bischof  von  Dacien,  Niceta,  der  Verfasser  des  *Te  deum',  nach  Rom. 
Eusebius  von  Cremona  kehrt  vom  hl.  Land  nach  Rom  zurück. 

399—404  origenistische  Streitigkeiten  zwischen  Rufin  und  Hieronymus. 

400—409  Venerius,  Bischof  von  Mailand. 

402  recensiert  Julius  Tryfonianus  Sabinus  protector  domesticus,  der  Recensent   des  Per- 

sius,  den  Nonius  Marcellus.    Niceta  reist  neuerdings  nach  Italien. 
402/03  Reise  des  Dichters  Prudentius  nach  Rom. 

405  veranstaltete  Aurelius  Prudentius  Clemens  eine  Ausgabe  seiner  Gedichte, 
c.  406  schreibt  Augustin  gegen  den  Donatisten  Cresconius. 

408  werden  die  Einkünfte  der  Tempel  eingezogen. 

409  Attalus  von  Alarich   auf  den  Tnron  erhoben.    Paulinus  von  Nola  wird  zum  Bischof 
gewählt. 


Zeittafel.  XV 

410  stirbt  Rufinns  in  Sicilien. 

411  Religionsgespräch  in  Garthago. 

c.  415  schreibt  Orosias  ad  Angustinum  commonitorium  de  errore  Priscillianistarum  et  Ori- 
genistamm. 

416  wird  die  Zulassung  der  Heiden  zum  Militär-,  Verwaltungs-  und  Justizdienst  untersagt. 

418  widerlegt  Augustin  eine  arianische  Streitschrift. 

420  (30.  September)  stirbt  Hieron3rmus  in  Bethlehem. 

427  disputiert  der  Gothenbischof  Maximinus  mit  Augustin. 

481  erwirkt  Appius  Nicomachus  Dexter  einen  Erlass  der  Kaiser  an  den  Senat,  in  dem 
gestattet  wurde,  dass  dem  Virius  Nicomachus  Flavianus  wieder  ein  ehrendes  An- 
denken gewidmet  werde.    Tod  des  Paulinus  von  Nola  (22.  Juni). 

450  unterzieht  Eutropius  das  militärische  Handbuch  des  Vegetius  einer  krit.  Revision. 
Um  dieses  Jahr  stirbt  Eucherins,  Bischof  von  Lyon,  Verfasser  einer  Schrift  über  das 
hl.  Land.  Um  diese  Zeit  sind  Pastor,  Syagrius  und  Turibius  von  Astorga  gegen  den 
Priscillianismus  thätig. 

454 — 485  Nicetas,  Bischof  von  Aquileia. 

492 — 496  Papst  Gelasius;  bekannt  durch  das  decretum  Gelasianum. 
500-600  Anonymus  Valesii  (2.  Fragment). 

537-555  Vigilius,  Papst.    Um  diese  Zeit  entstand  die  collectio  Avellana,  welche  Akten- 
stücke ans  den  Jahren  867 --553  umfasst. 
563  wird  in  der  Synode  zu  Braga  der  Priscillianismus  niedergeworfen. 


{ 


Einleitung. 

776.  Heidentum  und  Christentum.  Durch  das  Mailänder  Toleranz- 
dikt  des  Jahres  313  war  das  Christentum  der  offiziellen  Staatsreligion 
Is  gleichberechtigt  an  die  Seite  gestellt  worden.  Die  Tragweite  dieses 
Dokuments  war  eine  ungeheuere,  da  der  römische  Staat  es  aufgab,  sich 
lit  dem  Kultus,  auf  dem  er  ruhte,  weiterhin  zu  identifizieren.  Zwar  ver- 
chwand  dieser  nicht  plötzlich,  allein  sein  Untergang  war  besiegelt,  die  Ver- 
indung  des  römischen  Imperium  mit  dem  Christentum  nur  noch  eine  Auf- 
abe  der  nächsten  Zeit.  Schon  bei  Constantin  (324 — 337)  bricht  diese 
dee  durch ;  denn  dadurch,  dass  er  sich  in  die  Streitigkeiten  der  Christen 
inmischte  und  ihre  Schlichtung  herbeiführte,  betrachtete  er  das  Christen- 
iim  als  eine  Staatssache.  Stückweise  bröckelte  das  Heidentum  ab,  die 
»arität  war  nur  ein  Schein,  das  Christentum  wurde  immer  mehr  ein  leben- 
iger Faktor  im  römischen  Staatsleben.  Während  Constantin  eine  direkt 
ggressive  Haltung  gegen  die  nationale  Religion  im  allgemeinen  vermied 
nd  auf  die  Selbstzersetzung  des  Heidentums  rechnete,  verfolgten  seine 
Fachfolger  Constans  und  Constantius  (337 — 361)  eine  Religionspolitik, 
'eiche  den  heidnischen  Kultus  gänzlich  beseitigen  sollte.  Eine  Reaktion 
-at  unter  Julian  (361 — 363)  ein.  Obwohl  in  der  christlichen  Religion 
nterrichtet,  hatte  er  doch  niemals  ein  inneres  Verhältnis  zum  Christentum 
ewonnen,  sein  Geist  lebte  in  der  hellenischen  Welt  und  in  der  neu- 
latonischen  Philosophie,  und  als  der  Druck  der  äusseren  Verhältnisse 
on  ihm  genommen  war,  legte  er  Hand  ans  Werk  und  suchte  das  ihm 
nsympathische  Christentum  aus  dem  römischen  Staate  auszumerzen.  Mit 
ohem  Zwang  wollte  er  im  grossen  Ganzen  nichts  zu  thun  haben  ;^)  die 
Jhristenverfolgungen  hatten  das  System  der  brutalen  Gewalt  für  alle  Zeiten 
erurteilt.  Die  Mittel  der  Ueberzeugung  und  der  Ueberredung  erschienen 
fim  zunächst  der  geeignetste  Weg  zu  sein,  das  grosse  Werk  durch- 
uführen;  so  schrieb  er  ein  Buch  gegen  die  Christen,  in  dem  er  die  Ver- 
:ehrtheit  der  neuen  Religion  darzuthun  suchte.  Allein  auch  stärkere 
Mittel  verschmähte  er  nicht;  mit   scharfem  Blicke  erkannte  er,   dass  der 


*)  Eatrop.  10, 16,  3  religionis  Christianae 
nsectator,  perinde  tarnen,  ut  cruore  abstine- 
et.  Hieronym  z.  J.  2378  =  361  (2  p.  196  Seh.) 
^uJiano  ad  idolorum  culium  converso  hlanda 

Handbuch  der  kla».  AltertunuwiaseDBcbaft.    VIII,  4. 


peraecutio  fuit  inliciena  magia  quam  impellans 
ad  aacrificandumf  in  qua  mtüti  tx  nosiria 
voluntate  proprio  conruerunt. 


2  Einleitnng.    (§776.) 

Hebel  bei  der  Schule  einzusetzen  sei  und  jede  Christianisierung  verhütet 
werden  müsse.  Er  gab  daher  im  Jahre  362  ein  Gesetz,  durch  welches  er 
die  Anstellung  der  öffentlichen  Lehrer  in  seine  Hand  nahm.  ^)  Diese  Mass- 
regel bedeutete  nichts  anderes  als  den  Ausschluss  der  christlichen  Gram- 
matiker und  Rhetoren  von  der  Schule.  Dass  er  auch  die  Christen  aas 
den  andern  öffentlichen  Aemtern  hinausdrängte,  ist  nicht  verwunderlich. 
Mehr  zu  tadeln  ist,  dass  er  durch  Zurückberufung  der  verbannten  Bischöfe 
die  Streitigkeiten  in  den  christlichen  Gemeinden  wieder  anfachte,  um  damit 
dem  neuen  Glauben  Abbruch  zu  thun.  Mit  der  Zurückdrängung  des 
Christentums  ging  Hand  in  Hand  das  eifrige  Bestreben  des  Kaisers,  das 
Heidentum  zu  erneuern  und  ihm  frische  Lebenssäfte  zuzuführen.  Die  Eulir 
handlungen  wurden  prunkvoll  gestaltet,  um  eine  Anziehungskraft  auf  die 
Menge  auszuüben.  Das  innere  Wesen  des  hellenischen  Götterglaubens 
sollte  mit  Hilfe  der  neuplatonischen  Philosophie  gekräftigt  werden;  selbst 
christliche  Einrichtungen  und  Sitten  verschmähte  Julian  nicht,  wenn  sie 
geeignet  waren,  den  alten  nationalen  Kultus  zu  stärken  und  zu  heben. 
Allein  so  rein  und  edel  auch  die  Absichten  des  merkwürdigen  Mannes 
waren:  den  Pulsschlag  der  Zeit  fühlte  er  nicht;  auch  wenn  seine  Regie- 
rung länger  gedauert  hätte,  würde  sein  Unternehmen  doch  fehlgeschlagen 
sein.  Die  Rolle  des  Heidentums  war  ausgespielt,  dem  Christentum  allein 
gehörte  die  Zukunft. 

Auf  Julian  folgte  wieder  ein  christlicher  Kaiser,  Jovian  (363 — 364); 
der  Reaktion  des  Heidentums  gegen  das  Christentum  war  damit  ein  Ende 
gemacht,  das  Christentum  wurde  wieder  in  den  Vordergrund  gestellt,  das 
Heidentum  aber  schonend  behandelt.  Diese  Politik,  die  Toleranz,  befolgten 
auch  die  Kaiser  Valentinian  (364-375)  und  Valens  (364—378),  die 
ebenfalls  beide  Christen  waren,  der  erste  nicänischen,  der  zweite  ariani- 
sehen  Bekenntnisses.  Freilich  ganz  streng  wurde  die  Toleranz  nicht  durch- 
geführt; so  hören  wir,  um  nur  ein  Beispiel  anzuführen,  von  dem  Verbot 
aller  Opfer  mit  Ausnahme  der  Rauchopfer.*)  Allein  im  grossen  Ganzen 
waren  die  Herrscher  der  Ansicht,  dass  man  den  nationalen  Kultus  ruhig 
dahinsiechen  lassen  könne;  sogar  ein  gewisser  Indifferentismus  tritt  zn 
Tage.  ^)  Die  Christianisierung  des  römischen  Staates  machte  weitere  Fort- 
schritte unter  dem  Sohne  Valentinians,  dem  Kaiser  Gratian  ^867— 383). 
Der  christliche  Glaube  wirkte  in  ihm  als  lebendige  Kraft  und  zwar  in 
einem    Grade,    dass    die   Toleranz    dabei    unmöglich    wurde.      Neben   der 


*)  Cod.  Theodos.  13,  3,  5  magistros  stu-   '   stros  rhetoricos  et  grammaticos  ritus  christi" 
diorum  doctoresque  excellere  oportet  morihus  \   ani  cultores. 
primunty  deinde  facundia;  sed,  quia  singulis  *)  Liban.  in   der  Rede   für   die  Tempel 


civitntibus  adease  ipse  non  possunif  iuheOf 
qutque  docere  vult,  non  repente  nee  temer e 
prosiliat  in  hoc  munuSj  sed  iudicio  ordinis 
probatua  decretum  curialium  mereatur,  opti- 
morum  conspirante  consensn;  hoc  enitn  decre- 
tum ad  me  tractanditm  referetury  ut  oltiore 
quodnm  honore  nostro  iudicio  studiis  ciri- 
tatum  accedat.  Vgl.  dazu  Amm.  Marc.  22, 
10,  7  illud  autem  erat  inclemenSf  ohruendum 
perenni  sHentiOj  quod  arcehat  docere  magi- 


1  p.  163  (ro  (^veiy)  intaXv^rj  nagu  xoTv  adeX' 
(poiv,  ttXX'  ov  To  Xtßm'toToy. 

•)  Amm.  Marc.  30,  9,  5  inclaruU  ( Valtn- 
tinianus)  quod  inter  religionum  diversUaUt 
medius  stetit  nee  quemquam  inquietavit  neqWy 
ut  hoc  coleretur,  imperavit  aut  illud:  nee 
interdictis  minacibus  subiectorum  cervieem 
ad  idy  quod  ipse  coluit,  inclinabaty  sed  in' 
temer atas  reliquit  has  partes  ut  repperit. 


Einleituig.    (§  776.)  3 

sehen  Kirche  sollte  keine  andere  christliche  Sekte  bestehen,  und 
[ist  die  heidnischen  Kaiser  gegen  die  Christen  vorgingen,  so  ging 
'istlicher  Kaiser  gegen  andersgesinnte  Christen  vor.  Weniger  Strenge 
jrte  der  Kampf  gegen  das  Heidentum,  seine  Kraft  war  schon  zu 
hen,  es  erschien  dem  christlichen  Imperium  nicht  mehr  sonderlich 
lieh.  Ohne  Bedenken  konnte  der  Kaiser  es  wagen,  aus  den  Attributen 
iserlichen  Gewalt  die  Würde  des  pontifex  maximus  auszuscheiden. 
3inmal  flammte  die  Liebe  zum  alten  nationalen  Kultus  auf,  als  der 
iev  Victoria  aus  der  Kurie  entfernt  wurde;  damit  war  ein  durch 
iten  geheiligtes  Symbol  der  ehrwürdigen  Roma  vernichtet  worden, 
rnehmen  Männer  des  alten  Glaubens  bäumten  sich  auf,  und  es  spielte 
3r  Kampf,  als  Gratian  im  Jahre  383  ermordet  war,  in  die  Regierung 
tinians  II.  (375—392)  hinüber.  Symmachus  war  es,  der  seine  be- 
)  Bittschrift  an  den  kaiserlichen  Hof  richtete;  es  ist  der  letzte 
;e  Notschrei,  den  das  niedergeworfene  Heidentum  pochend  auf  seine 
Vergangenheit  zu  erheben  wagte.  Aber  auch  die  Stimme  des 
mtums  Hess  sich  in  diesem  Streit  vernehmen;  der  grosse  Ambrosius 
e  zwei  Streitschriften  gegen  Symmachus  und  führte  mit  Meister- 
die  Sache  des  Christentums.  So  sehen  wir  das  grossartige  Schau- 
ines Kampfes,  in  dem  sich  zwei  Weltanschauungen  begegnen.  Auch 
em  Nachspiel  fehlte  es  dem  Kampfe  nicht;  sobald  sich  nur  irgend 
ünstige  Gelegenheit  einstellte,  erhob  die  heidnische  Partei  in  Rom 
rderung,  dass  der  Altar  der  Victoria  in  der  Kurie  wiederhergestellt 
Am  günstigsten  stand  ihre  Sache  unter  dem  Usurpator  Eugenius 
394),  den  der  mächtige  germanische  General  Arbogastes  nach  Hin- 
ng  Valentinians  II.  (15.  Mai  392)  auf  den  Thron  erhoben  hatte. 
ius,  obwohl  Christ,  glaubte,  durch  ein  freundliches  Verhältnis  zu 
ragenden  heidnischen  Männern  seinen  schwachen  Thron  zu  stützen; 
der  5.  September  des  Jahres  394  machte  auf  dem  Schlachtfelde 
quileja  seiner  Herrschaft  und  seinem  Leben  ein  Ende.  Damit  war 
aum  der  nationalen  Partei  verflogen;  der  Alleinherrscher  des  grossen 
s,  Theodosius  der  Grosse  (379—395),  liess  über  seine  Religions- 
keinen  Zweifel  aufkommen.  Er  bekämpfte  den  Götterglauben  durch 
sehe  Massregeln  ^)  und  warf  das  Heidentum  völlig  zu  Boden;  auf  der 
n  Seite  hob  er  die  Kirche  dadurch,  dass  er  durch  sein  Vorgehen 
die  Arianer  die  Einheit  der  katholischen  Kirche  erhielt  und  ihr  aus 
eidentum  stets  wachsenden  neuen  Zugang  verschaffte.  Die  Zersetzung 
identums  machte  seitdem  von  Tag  zu  Tag  grössere  Fortschritte,  und 
)e  wurde  schliesslich  in  die  Diaspora  gedrängt.  Auf  dem  Lande 
3  es  da  und  dort  noch  ein  kümmerliches  Leben;  die  in  der  Kirche 
lende  Missionsthätigkeit  suchte  auch  hier  aufzuräumen.  In  der 
eit  schien  noch  hie  und  da  ein  Hoffnungsstern  im  Heidentum  auf- 
iten;    so   stützten   sich   die  Usurpatoren   gern   auf  die  heidnischen 


[n    der  Verordnung   von    391    (Cod.  mortali  opere  formata  simulacra  suspiciat. 

.  16,  10,  10)  heisst  es:   nemo  se  ho-  Es  folgen  dann  die  Strafbesiammungen.  Noch  . 

luaty  nemo  insontem  victimam  caedatf  i   schärfer  ist  die  Verordnung  vom  10.  November  J 

eJuhra   adeat,   tempJa  perlustret,    et  '   392  (Cod.  Theodos.  16,  10,  12).  1 

1* 


4  Einleitimg.    (§  776.) 

Elemente.  Der  Empörer  Gildo  in  Afrika  bedrückte  die  Kirche;  auch  der 
von  Alarich  im  Jahre  409  auf  den  Thron  erhobene  Attalus  weckte  die 
Hoffnung  der  heidnischen  Partei  in  Rom.  Allein  das  waren  vorübergehende 
Erscheinungen,  die  Kraft  des  Heidentums  war  für  immer  gebrochen,  h 
den  beiden  Hälften  des  Reichs,  im  Ostreich  unter  Arcadius,  im  West- 
reich  unter  Honorius,  hat  die  Staatsgewalt  den  nationalen  Kultus  aas 
dem  öffentlichen  Leben  ausgeschieden  und  schliesslich  denselben  nicht  ein- 
mal im  Privatleben  geduldet.  Von  den  hieher  gehörigen  Gesetzen  sei  nur 
eines  vom  Jahre  408,  ein  anderes  von  416  erwähnt.  Durch  das  in  Born 
erlassene  Gesetz  von  408  werden  die  Einkünfte  der  Tempel  eingezogen 
und  dem  allgemeinen  Unterstützungsfonds  überwiesen.  Damit  wird  der 
nationale  Kultus  als  öffentliche  Institution  unmöglich  gemacht.  Die  Tempel- 
gebäude werden  als  Staatseigentum  erklärt,  Altäre  und  Götterbilder  sollen 
beseitigt  werden;  Festmahlzeiten  mit  heidnischen  Riten  sind  verboten. 
Was  aber  für  das  Edikt  besonders  charakteristisch  ist,  liegt  darin,  dass 
die  Bischöfe  bei  Zuwiderhandlungen  gegen  das  Gesetz  eingreifen  können 
und  dass  säumige  Richter  mit  Strafe  belegt  werden.^)  Das  zweite  unter 
Theodosius  H.  veröffentlichte  Gesetz  untersagt  die  Zulassung  der  Heiden  zmn 
Militär-,  Verwaltungs-  und  Justizdienst.*)  Durch  diese  Verordnung  ist  der 
höchste  Grad  der  Intoleranz  erreicht,  die  Göttergläubigen  sind  jetzt  zu 
Staatsbürgern  zweiter  Klasse  degradiert;  nicht  mehr  eine  strafbare  Hand- 
lung, sondern  eine  Gesinnung  wird  durch  das  Gesetz  getroffen.  Jet2t 
musste  der  Abbröckelungsprozess  des  Heidentums  rasch  dem  Ende  zueilen. 
Im  Osten  des  Reiches  vollzog  er  sich  im  allgemeinen  leichter  als  im 
Westen;  die  hereinbrechende  Flut  der  germanischen  Völker  trug  auch  das 
Ihrige  zur  Ausrottung  des  Heidentums  bei,  da  die  römische  Vergangenheit 
und  damit  der  römische  Nationalkultus  ihnen  fremd  war.  Charakteristisch 
ist  es,  dass  die  gesetzgeberische  Gewalt  jetzt  manchmal  nötig  hatte,  die 
Heiden  gegen  die  Christen  zu  schützen.  Gab  es  auch  noch  einzelne 
heidnisch  gesinnte  Leute,  das  Heidentum  zählte  nicht  mehr  als  Faktor  des 
Staatslebens;  immer  mehr  ging  die  Regierungspolitik  dahin,  den  katholi- 
schen Glauben  als  den  alleinigen  zu  dulden  und  die  ketzerischen  und  die 
heidnischen  Elemente  auszusondern.  Klar  und  deutlich  liegt  dies  in  der 
justinianischen  Gesetzgebung  vor.  Mit  der  Intoleranz  gegen  das  Christen- 
tum hatte  das  römische  Imperium  begonnen,  mit  der  Intoleranz  gegen 
das  Ketzer-  und  Heidentum  hat  es  geschlossen. 

Litteratur.  Lasaulx,  Der  Untergang  des  Hellenismus  und  die  Einziehung  seiner 
Tempelgiiter  durch  die  christlichen  Kaiser,  München  1854;  Richter,  Das  weström.  Reidi 
unter  den  Kaisern  Gratian,  Valentinian  IL  und  Maximus,  Berl.  1865;  F.  Chr.  Baur,  Die 
christliche  Kirche  vom  Anfang  des  4.  bis  zum  Ende  des  6.  Jahrhunderts,  Tübingen'  1863; 
V.  Schultze,  Gesch.  des  Untergangs  des  griechisch-römischen  Heidentums,  1.  Bd.  (Staat 
und  Kirche  im  Kampfe  mit  dem  Heidentum),  Jena  1887;  2.  Bd.  (Die  Ausgänge),  Jena  1892; 
G.  Boissier,  La  fin  du  Paganisme,  2  Bde.,  Paris  1891;  Ebert,  Allgem.  Gesch.  der  latt.  des 
Mittelalters  1^  (Leipzig  1889)  p.  105;  Arneth,  Das  klassische  Heidentum  und  die  christliclie 
Religion,  2  Bde.,  Wien  1895.  Ueber  eine  Festordnung  von  Campanien  aus  d.  J.  387  vgl. 
Mommsen,  Epigraphische  Analekten  (Ber.  über  die  Verh.  der  sächs.  Ges.  derWissensch.  1850 
p.  69);  Voigt,  Drei  epigraphische  Konstitutionen  Constantins  des  Gr.,  Leipz.  1860,  p.  35. 

^)  Cod.  Theodos.  16,  10,  19.  hoc  est  gentiles,  nee  ad  militiam  adtnittantur 

*)  Cod.  Theodos.  16,  10,  21  qui  profano      nee   administratoria  veJ  iudicis  hanore  dt' 
pagani  ritus  ei'rore  seu  crimine  poUuuniur,      corentur. 


Einleitmig.    (§777.)  5 

777.  Gang  der  Litteratur.  Zwei  Ereignisse  gewinnen  in  unserem 
Zeitraum  den  mächtigsten  Einfluss  auf  die  Litteratur:  das  Christentum 
und  die  Völkerwanderung;  beide  haben  zur  Auflösung  der  nationalen 
Litteratur  mächtig  beigetragen.  Die  Anschauungen  des  Christentums 
gingen  über  den  engen  nationalen  Horizont  hinaus  und  führten  zu  einer 
Umgestaltung  der  sozialen  und  politischen  Verhältnisse.  Es  entstand  eine 
neue  Welt,  die  sich  auch  der  Litteratur  bemächtigte;  doch  hat  sich  die 
christliche  Litteratur  nicht  ganz  von  der  profanen  losgerissen;  ist  auch 
der  Inhalt  ein  anderer,  so  wirkt  doch  die  Form  der  nationalen  Litteratur 
auf  sie  ein.  Noch  ruhte  der  Schulunterricht  auf  der  alten  Grundlage  und 
vermittelte  unterschiedslos  an  Heiden  und  Christen  die  rhetorische  Bildung; 
diese  rhetorische  Bildung  von  der  Hand  zu  weisen,  wäre  Thorheit  gewesen, 
denn  die  Propaganda  für  die  christlichen  Ideen  im  Kreise  der  Gebildeten 
wäre  alsdann  unmöglich  geworden,  i)  Was  in  der  vorigen  Epoche  sich 
bereits  angebahnt  hatte,  dass  die  christlichen  Schriftsteller  ihre  Ideen  auch 
in  schöner,  zum  mindesten  in  geniessbarer  Form  darzustellen  suchen,  tritt 
noch  mehr  in  dem  Beginn  unseres  Zeitraums  hervor,  in  dem  die  christlichen 
Schriftsteller  den  Principat  in  der  Litteratur  errungen  haben.  Ambrosius, 
Hieronymus  und  Augustinus  sind  nicht  bloss  bedeutende  Persönlichkeiten, 
sondern  auch  litt^rarische  Grössen.  Dieser  mächtig  aufblühenden  christlichen 
Litteratur  gegenüber  tritt  die  nationale  Litteratur  ganz  in  den  Hintergrund ; 
sie  konnte  nicht  mehr  mit  der  Zukunft  rechnen,  sondern  nur  noch  von  der 
Vergangenheit  zehren.  Die  Erinnerung  an  die  grosse  Vergangenheit  spendete 
den  nationalgesinnten  Römern  noch  einigen  Trost;  sie  redeten  sich  ein,  dass 
es  thöricht  sei,  den  alten  Kultus,  unter  dem  Rom  mächtig  geworden  sei, 
zu  verlassen.  Sie  griffen  auch  nach  den  alten  Schätzen  der  Litteratur,  und 
die  vornehmsten  Männer*)  nahmen  selbst  oder  mit  fremder  Hilfe  Revi- 
sionen der  alten  Klassikertexte  vor,  aber  für  grosse,  neue,  eigene  Produk- 
tionen reichte  die  Kraft  nicht  mehr  aus;  zwar  taucht  hie  und  da  noch  ein 
origineller  Geist  auf,  wie  z.  B.  der  Historiker  Ammianus  und  der  Dichter 
Claudianus,  allein  sonst  sind  es  nur  mittelmässige  Köpfe,  Abschreiber, 
Kompilatoren,  welche  sich  in  der  Litteratur  breit  machen.  Die  Poesie 
artet  zur  Spielerei  aus,  die  Geschichte  drängt  sich  zur  Epitome  zusammen, 
die  Rede  und  der  Brief  versinken  in  hohlen  Formkultus  und  in  Unnatur- 
lichkeit,  die  gelehrte  Litteratur  zehrt  von  den  Brosamen,  welche  von  der 
reichen  Tafel  der  Vergangenheit  abfallen.  Merkwürdig  ist  es,  dass  die 
Schriftsprache  auch  in  diesen  späten  Zeiten  noch  immer  ihren  wesent- 
lichen Charakter  beibehält,  so  dass,  wer  z.  B.  von  der  Klassikerlektüre 
an  Eutrop  herantritt,  kein  fremdartiges  Gebilde  vor  sich  hat.  Somit  war 
diese  Schriftsprache  ein  durchaus  künstliches,   dem  Leben   fremd  gegen- 


')  Bezeichnend  ist  das  Geständnis  des  i  p.  335).    Unsere  lateinischen  Handschriften 

Hieronvmas  epist.22  (ad Eustoch.),  30  (tom.  1  \  gehen  selten  über  das  4.  Jahrh.  zurück;  vgl. 

Sp.  llSVallarsi):  si  quando prophetas  |  das  Verzeichnis  bei  Hnebner,  Grundriss  zu 

i^ere  eo^isaem,  sermo  horrehat  incukus.  \  Vorlesungen  über  die  Gesch.  und  Encycl.  der 

')  z.  B.  dioNicomachi  und  dieSymmachi;  \  klass.  Philologie,  Berl.  1876,  p.  29;  Berl.' 
vgl.  0.  Jahn,  Ueber  die  Subskriptionen   in 


den  Handschriften  röm.  Klassiker  (Ber.  über 
die  Verh.  der  sftchs.  Ges.  der  Wissensch.  1851 


1889,  p.  49;  K.  Dziatzko,  Unters,  über 
ausgew.  Kapitel  des  antiken  Buchwesens, 
Leipz.  1900,  p.  185. 


6  Einleitung.    (§§778,779.) 

überstehendes  Produkt.  Solange  eine  feste  Einheit  des  Reiches  vorhanden 
war,  konnte  dieses  künstliche  Idiom  sich  halten  und  den  Bedürfnissen  ge- 
nügen; mit  der  Zersprengung  des  Reiches  war  auch  der  einheitUcheo 
Schriftsprache  das  Fundament  entzogen,  und  die  einzelnen  Provinze 
mussten  ihre  eigenen  Wege  gehen.  Gallien  bietet  hier  ein  belehrendes 
Beispiel.  Doch  noch  grösseren  Gefahren  und  Leiden  ging  die  römische 
Kultur  und  Litteratur  entgegen.  Barbarische  Völker  und  Stämme  brachen 
von  allen  Seiten  in  das  römische  Reich  ein  und  gaben  der  alten  Kultur 
den  Todesstoss.  Die  Litteratur  flüchtete  sich  in  die  Klöster,  wo  sie  treo 
gehütet  wurde,  bis  die  Zeit  kam,  welche  diese  verborgenen  Schätze 
heben  konnte.  Die  Volkssprache  macht  sich  bereits  in  der  Litteratur 
bemerkbar;  in  der  Poesie  führte  sie  seit  dem  vierten  Jahrhundert^)  das 
accentuierende  Prinzip  statt  des  quantitierenden  ein;  immer  weiter  dehnten 
die  verschiedenen  Provinzialdialekte,  nachdem  die  gemeinsame  Schrift- 
sprache abgestorben  war,  ihre  Bereiche  aus  und  entwickelten  sich  eben- 
falls zu  Schriftsprachen,   die  uns  in  den  romanischen  Idiomen   vorliegen. 

778.  Gliederung.  Der  vorliegende  letzte  Teil  unserer  Litteratur- 
geschichte  hat  den  Stoff  von  der  Alleinregierung  Constantins  (324)  bis  zum 
Gesetzgebungswerk  Justinians,  das  in  die  Jahre  533/34  fallt,  zu  behandeln. 
Also  das  litterarische  Schaffen  von  zwei  Jahrhunderten  ist  zur  Darstellung 
und  zur  Würdigung  zu  bringen.  Auch  hier  blicken  wir  nach  einem  Ruhe- 
punkt aus;  am  besten  werden  wir  denselben  in  der  christlichen  Litteratur 
suchen,  die  ja  in  unserer  Epoche  eine  dominierende  Stellung  einnimmt 
In  der  Geschichte  des  christlichen  Geistes  aber  knüpft  sich  ein  Wende- 
punkt an  die  grosse  Persönlichkeit  des  Augustinus;  seine  Lehren  von  der 
Gnade  und  Erlösung  sind  für  die  kommenden  Jahrhunderte  bestimmend 
gewesen.  Augustins  Wirken  gehört  sowohl  dem  vierten  als  dem  fünftes 
Jahrhundert  an,  allein  der  Schwerpunkt  seines  Schaffens  liegt  im  fünften 
Jahrhundert,  in  dem  seine  grundlegenden  Werke  erschienen  sind.  Mit 
diesem  Jahrhundert  werden  wir  also  einen  neuen  Abschnitt  beginnen, 
wobei  natürlich  auch  Schriftsteller,  die  beiden  Jahrhunderten  angehören, 
diesem  Teile  zugewiesen  werden  können.  Wir  bekommen  sonach  zwei 
Abschnitte,  die  Litteratur  des  vierten  Jahrhunderts  und  die  Litteratur 
des  fünften  und  sechsten  Jahrhunderts.  In  jedem  dieser  beiden  Abschnitte 
werden  wir,  wie  das  auch  in  dem  vorigen  Band  geschehen  ist,  die  natio- 
nale und  die  christliche  Litteratur  von  einander  trennen. 

Stellung*  der  einzelnen  Kaiser  zur  Litteratur. 

779.  Constantin  und  Constantius  (824—861).  Der  Kaiser  Con- 
stantin  hatte  in  seiner  Jugend  eine  sorgfältige  litterarische  Ausbildung 
erhalten  und  stand,  zur  Herrschaft  gelangt,  der  Litteratur  nicht  unfreund- 
lich gegenüber.  Als  der  Dichter  Optatianus  Porfyrius,  um  aus  seiner 
Verbannung  zurückberufen  zu  werden,  einen  Band  Gedichte  dem  Kaiser 
überschickte,  in  denen  die  raffiniertesten  Künsteleien,  ja  selbst  Darstellung 
äusserer  Figuren  zum  Ausdruck  kamen,  nahm  der  Kaiser  dieses  Geschenk 


*)  Huemer,  Untersuchungen  über  die  ältesten  lat-christl.  Rhythmen,  Wien  1879,  p.6. 


Einleitimg.    (§779.)  7 

8ehr  gnädig  auf  und  sprach  seine  hohe  Befriedigung  über  diese  neue 
Verstechnik  aus.  Er  verschmähte  es  nicht,  einen  gezierten  Brief  an  den 
Dichter  zu  richten  und  darin  von  seinem  Wohlwollen  gegen  Schriftsteller 
und  Redner  zu  sprechen.  Auch  aus  seiner  Gesetzgebung  leuchtet  dieses 
Wohlwollen  gegen  die  gelehrten  Berufe  hervor;  so  bestätigte  er  den 
Staatsprofessoren  und  Aerzten  mit  ihren  Familien  ihre  Privilegien.  Auch 
pflog  er  persönlichen  Verkehr  mit  dem  Neuplatoniker  Sopater,  dem  Schüler 
des  Jamblichus,  zeichnete  ihn  am  Hofe  mehrfach  aus  und  zog  ihn  bei  der 
lünweihung  von  Constantinopel  heran.  ^)  Die  grosse  Bedeutung  des  ge- 
sprochenen Wortes  seiner  Zeit  erkannte  er  dadurch  an,  dass  er  selbst  als 
Redner  oder,  richtiger  gesagt,  als  Prediger  auftrat.  Diese  Predigten,  die 
Constantin  vor  seinem  Hofe  und  vor  vielen  Zuhörern  hielt,  erschienen 
ihm  als*  ein  geeignetes  Mittel,  erziehend  auf  sein  Volk  einzuwirken  und 
seinen  Ansichten  wirksame  Verbreitung  zu  geben.  Gern  erörterte  er 
christliche  Themata.  Dolmetscher  übersetzten  diese  lateinisch  geschrie- 
benen Reden  ins  Griechische.  Auch  seine  Denkwürdigkeiten  schrieb  er, 
jedoch  haben  sich  nicht  viele  Spuren  derselben  erhalten.  Mit  dem  litte- 
rarischen Geschmack  Constantins  scheint  es  indessen  nicht  gut  bestellt 
gewesen  zu  sein;  das  Lob,  das  er  den  wunderlichen  Gedichten  des  Opta- 
tianus  gespendet,  macht  uns  skeptisch.  Auch  sind  die  kaiserlichen  Er- 
lasse keineswegs  ein  Muster  gerader  und  einfacher  Rede. 

Auch  der  Sohn  Constantins,  Constantius,  der  das  Reich  aus  seiner 
Zersplitterung  wieder  zur  Einheit  zusammenfasste,  war  litterarisch  ge-  . 
bildet;  freilich  über  seine  Beredsamkeit  lautet  das  Urteil  verschieden,  an 
einer  Stelle  wird  seine  Rede  als  sanft  und  angenehm  bezeichnet,  an  einer 
anderen  ihm  zwar  Streben  nach  Beredsamkeit  zuerkannt,  allein  sogleich 
bemerkt,  dass  sein  Streben  von  keinem  Erfolg  gekrönt  war,  und  dass  er 
infolgedessen  andere,  die  glücklicher  waren,  beneidete.  Der  kaiserliche 
Einfluss  auf  die  Litteratur  tritt  in  einem  Kalender  des  Jahres  354  zu 
Tage,  in  dem  die  heidnischen  Feste  bereits  ausgemerzt  sind,  allerdings 
ohne  dass  die  christlichen  ihre  Stelle  einnehmen. 

Constantins  Verliältnis  zur  Litteratur.  Ps.-Aurel.Victorepit.  41,14  »u/rir^ar/i» 
bimas,  praeciptie  studia  litter arum;  legere  ipse,  acribere,  meditari.  Eutrop.  10,  7  civilibus 
artibus  et  studiis  Uberalibus  deditus.  Optatianus  Porfyrius  p.  3,  6  (Müller)  Caelestis  iudicii 
dignatione  immensum  pondus  inpositum  est,  eius  imperatoris  teatimoniOj  qui  inter  belli 
pacUque  virtutes,  inter  triumphos  et  laureaa,  inier  legum  sanctianes  et  iura  etiam  Mtisis  tibi 
familiaribus  plaudis,  ut  inter  tot  divinae  maiestatia  inaignia,  quibua  et  inviciua  aemper  et 
primus  ea,  huiua  etiam  atudii  in  te  micet  aplendor  egregiua.  In  dem  Briefe,  den  der  Kaiser 
an  den  Versekfinstler  Optatianus  richtet,  heisst  es  (p.  4,  6  Müller) :  aaeculo  meo  acribentea 
dicenteaque  non  aliter  benignua  auditaa  quam  lenia  aura  proaequitur,  Denique  etiam  atudiis 
meritum  a  me  teaiimonium  non  negatur.  Der  Kaiser  fand  an  den  Künsteleien  des  Dichters 
Gefallen,  denn  es  heisst  weiter  (p.  4,  9):  Gratum  mihi  eat  atudiorum  tuorum  felicittäem  in 
ülud  exiaaey  ut  in  pangendia  veraibua  dum  antiqua  aervaret  etiam  nova  iura  aibi  conderet. 
üeber  die  Privilegien,  die  er  an  Aerzte  und  Professoren  verliehen,  vgl.  Cod.  Theodos.  13,  3 
aus  den  Jahren  321,  326  und  333;  an  dieser  letzteren  Stelle  (13,  3,  3)  heisst  es:  Beneficia 
divorum  retro  principum  confirmantea,  medicoa  et  profeaaorea  liiterarumy  uxorea  etiam  et 
filios  eorum  ab  omni  functione  H  ab  omnibua  muneribua  püblicia  vacare  praecipimus,  nee 
ad  militiam  comprehendi,  neque  hoapitea  redpere,  nee  ullo  fungi  munere,  quo  faciliua  Übe- 
raJibua  atudiia  et  memoratia  artibua  multoa  instituant, 

Constantins  Denkwürdigkeiten.    Lydus  de  magistr.  2,  30  ntig  (fiaXi^eai  Kwy- 


>)  Vgl.  ßurckhardt  p.  360. 


8  Einleitung.    (§§780,781.) 

ctayjiyovy  (ig  aviog  oixeiif  (patyj  yQaxjfag  dnoXskoiTtey.  3,  33  Ktorarayiiyog  ....  tog  aviö^ 
6  ßaffi.Xei'g  iy  rotg  iavrov  Xiyei  avyygdfifiaaiy  ....  noXvg  iSy  iy  r^  naidetiaet  Xoyatv,  Hier 
mag  auch  erwähnt  werden,  dass  im  spftten  Mittelalter  ein  Schriftchen  de  Constantiiio  eiusqne 
mab*e  Helena  entstand,  welches  Heydenreich  (Leipz.  1879)  herausgegeben  hat. 

Litteratur.  Spezialbiographien  von  Manso,  Bresl.  1817;  von  Bnrckhardt, 
Die  Zeit  Constantins  des  Grossen,  Leipz.'  1880.  Vgl.  noch  V.  Schnitze,  Gesch.  des  Unter- 
gangs des  griech.-röm.  Heidentums  1  (Jena  1887)  p.  28;  Seeck,  Gesch.  des  Untergangs 
der  antiken  Welt  1»,  Berl.  1897;  2,  Berl.  1901. 

Verhältnis  des  Gonstantius  zur  Litteratur.  Aurel.  Victor  Caes.  42,  23  lit- 
ierarum  ad  elegantiam  prudens  atque  orandi  genere  leni  iucundoque.  Epit.  42,  18  facundiat 
cupidus,  quam  cum  asaequi  tarditaie  ingenii  non  poaset,  aliis  invidebat. 

780.  Julianus  (861—868).  Man  kann  den  Kaiser  Julian  den  Phi- 
losophen auf  dem  Thron  nennen,  und  es  ist  ein  Unglück  seiner  Regierung 
gewesen,  dass  sich  der  Philosoph  vordringlich  in  die  Aufgaben  des  Herr- 
schers einmischte.  Er  verkehrte  gern  mit  den  Philosophen  und  Sophisteo. 
die  einen  grossen  Einfluss  auf  sein  Denken  gewannen,  und  glaubte,  mit 
Hilfe  der  neuplatonischen  Philosophie  die  alte  heidnische  Welt  retten  zu 
können.  Sein  Ideal  war  die  hellenische  Humanität  und  Schönheit;  die 
hellenische  Sprache  stand  ihm  daher  höher  als  die  lateinische.  In  dieser 
Sprache  verfasste  er  seine  geistigen  Produkte;  es  sind  Reden,  satirische 
Schriften  und  Briefe.  Für  das  geistige  Leben  der  Zeit,  für  die  Beurteilung 
der  kaiserlichen  Ideen  sind  diese  Briefe  eine  Fundgrube  von  nicht  zu 
unterschätzender  Bedeutung. 

Julians  Verhältnis  zur  Litteratur.  Eutrpp.  10,  16,  8  liheralihus  discipUni* 
apprime  eruditus,  Graecis  doctior  atque  adeo,  ut  Latina  eruditio  nequaquam  cutn  Graeca 
scientia  canveniretf  facundia  ingenti  et  prompta,  memoriae  tenacissimae,  in  quibusdam  phUo- 
sopho  propior,  Mamertinus  sagt  in  seiner  Lobrede  auf  Julian  (23  p.  268  Baehrens):  f«, 
tUf  inquam^  maxime  imperatoTy  exulantes  relegatasque  virtutes  ad  rem  publicam  quodam 
postliminio  reduxisti,  tu  extincta  iam  litterarum  studia  flammaati,  tu  philosophiam.  pauh 
ante  suspectam  ac  non  solum  spoliatam  honoribus,  sed  accusatam  ac  ream  non  modo  iudicio 
liberasti,  sed  amictam  purpura,  auro  gemmisque  redimitam  in  regali  solio  collocasti.  Ps.-AureL 
Victor  epit.  48,  5  fuerat  in  eo  litterarum  ac  negotiorum  ingens  scientin;  eo  iuverat  phih- 
sophos  et  Graecorum  sapientissimos.  —  Ausg.  seiner  griechischen  Schriften  von  F.  C.  Hert- 
lein,  2  Bde.,  Leipz.  1875/76;  Julian!  librorum  contra  Christianos  quae  supersunt  rec.  C.  J. 
Neumann,  Leipz.  1880;  vgl.  dazu  Gollwitzer,  Acta  seminarii  philol.  Erlangensis  4  (1886) 
p,  347.  —  Teuffei,  Kaiser  Julianus  (Stud.  u.  Charakt.,  Leipz.*  1889,  p.  224);  E.  Malier. 
Kaiser  Flavius  Claudius  Julianus.  Biographie  nebst  Auswahl  seiner  Schriften,  Hannover  1 901 ; 
Koch,  De  Juliane  imp.  scriptonim,  qui  res  in  Gallia  ab  eo  gestas  enarrarunt,  auctore  dis- 
putatio,  Leiden  1890;  Reinhardt,  Der  Tod  des  Kaisers  Julian,  Coethen  1891;  P.  Allard, 
Julien  r Apostat  I.,  Paris  1900;  Maass,  Analecta  sacra  et  profana,  Marb.  1901,  p.  12. 

781.  Valentinian  und  Ghratian  (864—383).  Valentinian  war  eine 
bedeutende  Herrschernatur;  auch  das  geistige  Leben  war  bei  ihm  reich 
entwickelt.  Er  schrieb  einen  schönen  Stil  und  verfügte  über  die  freie  Rede, 
wenn  die  Notwendigkeit  zu  sprechen  gegeben  war;  er  war  in  der  Malerei 
und  Bildhauerkunst  gleich  geschickt  und  erwarb  sich  sogar  den  Ruhm, 
neue  Waffen  erfunden  zu  haben.  Ein  Panegyriker  rühmt  ihm  nach,  dass 
er  der  öffentlichen  Beredsamkeit  freie  Bahn  geschaffen.  Seine  Sympathie 
für  Wissenschaft  und  Litteratur  bewies  er  auch  dadurch,  dass  er  seinem 
Sohne  Gratian  den  Dichter  Ausonius  zum  Erzieher  und  Lehrer  gab.  Er 
selbst  interessierte  sich  für  die  dichterische  Produktion  des  Ausonius  und 
regte  ihn  zu  dem  cento  nuptialis  an,  nachdem  er  selbst  einen  solchen  ver- 
fertigt hatte.  Der  Unterricht  des  berühmten  Dichters  trug  auch  seine 
Früchte  bei  Gratian;  er  war  ein  Freund  der  Wissenschaft,  der  auch  seinen 
Hof  litterarischen  Bestrebungen  zugängig  machte.    Er  selbst  verstand  die 


Einleitung.    (§782.)  9 

Kunst,  Verse  zu  machen,  konnte  gewählt  sprechen  und  war  mit  der  rhe- 
torischen Schultechnik  vertraut. 

Valentinians  Verhältnis  zur  Litteratur.  Amm.  Marc.  30,  9,  4  scribens  decore^ 
venusteque  pingens  et  fingens  et  novorum  inventor  armorum:  memoria  sermoneque  incitato 
quidem  sed  raro,  facundiae  proximo  vigens.  Symmach.  laudatio  in  Valentin.  2,  29  (p.  829 
Seeck)  sonet  apud  te  Ubertas  forensia  eloquii,  quam  dudum  exulem  trihunalihus  reddidisti! 
ruri  emeritus  torpebat  orator;  quibus  facundiam  natura  dederat,  officium  ius  negabat  .  nus- 
quam  maius  silentium  quam  in  sacrariis  litterar  um  ....  haec  alieni  temporis  vulnera  in 
Alamannicis  contemplatus  excubiis,  cum  aUigares  manus  hostium,  solvisti  vincla  linguarum 
....  par  fuit,  ut  eloquentiae  usum  redderes,  cum  iam  totiens  scribenda  geasisses.  silentium 
magnis  rebus  inimicum  est;  quid  est  gloria,  si  tacetur?  habes  tot  testimonia,  quot  ingenia 
liberasti.  lieber  seinen  cento  nnptialis  ans  Vergil  vgl.  §  788  p.  29;  ttber  seinen  Einfloss 
auf  Ausonius  §  786  p.  21. 

Gratians  Verhältnis  zur  Litteratur.  Ps.-Aurel.  Victor  epit.  47,  4  fuit  Gratianui* 
litteris  haud  mediocriter  institutus:  carmen  facere,  ornate  loqui,  explicare  controversias 
rhetorum  more.  Auson.  p.  194,  5  Seh.  bellandi  fandique  potens  Augtistus;  Auson.  grat.  actio 
15,  1  (p.  27  Seh.)  et  cUiqua  de  oratoriis  virtutibus  tuis  dicerem,  nisi  vei'erer  mihi  gratificari. 
nan  enim  Sülpieius  acrior  in  contionibus  nee  maioris  Gracchi  commendabilior  modestia  fuit 
nee  patris  tui  gravior  auctoritas.  qui  tenor  vocis,  cum  incitata  pronuntias!  quae  inflexio, 
cum  remissaf  quae  temperatio,  cum  utraque  dispensasf  quis  oratorum  laeta  iucundius^ 
facunda  cultius,  pugnantia  densius,  densata  glomeratius  aut  dixit  aut,  quod  est  liberius, 
cogitatit?   Symmach.  laud.  in  Grat.  7  (p.  331  Seeck)  tropaeis  et  litteris  occupatus  otiosa  cum 

bellicis  negotia  miscuisti historia  oblectaris  in  proeliis,  in  adhortatione  suasoriiSf  actio- 

nibus  in  conloquiis,  carminibus  in  triumphis;  Symmach.  epist.  10,  2,  5  (p.  278  S.)  nam^  quod 
sciam,  Musis  in  palatio  loca  lautia  tu  dedisti. 

782.  Theodosius  der  Grosse  und  Eugenius  (379~-395).  Auch  der 
grosse  Theodosius  stand  der  Litteratur  nicht  fremd  gegenüber;  er  besass 
nach  dem  Zeugnis  eines  Historikers  eine  gute  Durchschnittsbildung.  Ferner 
las  er  Werke  über  römische  Geschichte  und  las  sie  mit  einem  starken 
ethischen  Oefühl.  In  seinen  Unterhaltungen  war  er  erhaben  und  angenehm 
zugleich.  Gelehrte,  die  seinem  Ziele  nicht  entgegenstanden,  zeichnete  er 
aus.  So  ersuchte  er  in  einem  zierlichen  Schreiben  den  Dichter  Ausonius 
um  Uebersendung  seiner  Gedichte,  wofür  ihm  der  hocherfreute  Dichter 
ein  Danksagungsgedicht  überreichte.  Merkwürdig  ist,  dass  diese  bewegte 
Zeit  auch  einen  Humanisten  vorübergehend  auf  dem  Throne  sah,  den 
Gelehrten  Eugenius. 

Theodosius  Verhältnis  zur  Litteratur.  Ps.-Aurel.  Victor  epit. 48,  9  simplicia  in- 
genia aeque  diligere,  erudita  mirarif  sed  innoxia  ....  litteris,  si  nimium  perfectos  contem- 
plemur,  mediocriter  doctus;  sagax  plane,  multumque  diligens  ad  noscenda  maiorum  gesta. 
e  quilms  non  desinebat  execrari,  quorum  facta  superba,  crudelia,  libertatique  infesta  legerat, 
ut  Cinnam,  Marium,  Sullamque,  atque  universos  dominantium^  praecipue  tarnen  perfidos  et 
ingratos  ....  miscere  rolloquia  pro  personis,  studia  dignitatibus,  sermonS  cum  gravitate  iu- 
cundo,  Epist.  Theodosii  an  Auson.  p.  1  Seh.  amor  meus  qui  in  te  est  et  admiratio  ingenii 
atque  eruditionis  tuae,  quae  multo  maxima  sunt,  fecit,  parens  iucundissime,  ut  morem  prin- 
cipibus  aliis  solitum  sequestrarem  f amiliar emque  sermonem  autographum  ad  te  transmitterem, 
postulans  pro  iure  non  equidem  regio,  sed  ilUus  privatae  inter  nos  caritatis,  ne  fraudari 
me  seriptorum  tuorum  lectione  patiaris,  quae  olim  mihi  cognita  et  iam  per  tempus  oblita 
rurtum  desidero,  non  solum  ut  quae  sunt  nota  recolantur,  sed  etiam  ut  ea,  quae  fama  celebri 
adieeta  memorantur,  accipiam;  Auson.  an  Theodos.  p.  1  Seh.  scribere  me  Augustus  iubet  et 
mea  earmina  poscit,  paene  rogans. 

Verhältnis  des  Eugenius  zur  Litteratur.  Hist.  misc.  13,  11  grammaticus  qui- 
dam  nomine  Eugenius,  litterar  um  Latinarum  doctor,  ....  imperaioris  Valentiniani  anti- 
graphus  et  propter  eloquentiam  a  multis  honoi'atus. 


I. 

Die  nationale  Litteratur. 

a)  Die  Poesie. 

1.  Publilius  Optatianus  Porfyrius. 

783.    Die  Gedichtsammlung  des  Publilius  Optatianus  Porfyrius. 

Wir  haben  bereits  oben  §  512  gesehen,  dass  in  die  römische  Poesie  Vers- 
künsteleien eindrangen.  Auch  hier  waren  die  Griechen  die  Lehrmeister 
der  Römer;  denn  bei  den  Alexandrinern  fanden  die  Versspielereien  eine 
eifrige  Pflege  und  die  griechische  Anthologie  liefert  uns  viele  Beispiele 
dieser  Art  von  Poesie.  Bei  den  Römern  liegt  uns  das  merkwürdigste 
Beispiel  dieser  Verirrung  in  dem  Dichter  Publilius  Optatianus  Por- 
fyrius vor.  Wir  sind  nur  mangelhaft  über  seine  Lebensschicksale  unter- 
richtet. Höchst  wahrscheinlich  ist  er  identisch  mit  dem  Manne,  der  im 
Jahre  329  und  333  die  Stadtpräfektur  bekleidete.  Jedenfalls  war  er,  da 
ihn  der  Kaiser  in  einem  Briefe  mit  „frater  carissime"  anredet,  ein  Mann 
in  hochangesehener  Stellung.  Aus  seinen  Gedichten  erfahren  wir,  dass  er 
unter  Constantin  in  die  Verbannung  gehen  musste;  leider  teilt  er  uns 
nicht  mit,  warum  die  Strafe  des  Exils  über  ihn  verhängt  wurde  und 
welcher  Ort  ihm  für  dasselbe  angewiesen  war.  Er  begnügt  sich  hier  mit 
allgemeinen  Andeutungen;  er  will  ungerecht  verurteilt  sein  und  in  seinem 
Exil  will  er  nicht  die  nötigen  Materialien  gefunden  haben,  um  seiner  Ge- 
dichtsammlung eine  prächtige  Ausstattung  geben  zu  können.  ^)  Um  seine 
Zurückberufung  aus  dem  Exil  zu  bewirken,  nahm  er  zu  seiner  Kunst  seine 
Zuflucht;  er  erinnerte  sich,  dass  Constantin  einst  seine  dichterischen  Ver- 
suche mit  Wohlgefallen  aufgenommen.  Als  nun  Constantin  das  zwanzigste 
Jahr  seiner  Regierung  festlich  beging,  schrieb  der  Dichter  eine  Sammlung 
von  20  panegyrischen  Gedichten  und  überschickte  sie  dem  Kaiser.  Der  Dichter 
täuschte  sich  nicht  in  seiner  Berechnung.  Constantin  war  über  die  dich- 
terischen Künsteleien  des  Porfyrius  hocherfreut,  begnadigte  ihn  und  richtete 
sogar  ein  Schreiben  mit  zierlichen,  geschraubten  Phrasen  an  den  Dichter. 
Die  zwanzig  von  dem  Kaiser  so  beifallig  aufgenommenen  Gedichte  wurden  von 
Porfyrius  auch  in  die  Oeflfentlichkeit  hinausgegeben;   es  ist   nicht  zu  ver- 


*)  Als  besonders  schmerzlich  erscheint  ihm  die  Trennung  von  seinem  Sohn;  vgl.  1, 15. 


Publiliiu  Optatianas  Porfyrins.    (§§  783,  784.)  11 

wundern,  dass  er  auch  das  gnädige  Handschreiben  des  Kaisers  mit- 
erscheinen Hess,  denn  dasselbe  musste  ja  sein  Werk  dem  Publikum  un- 
gemein empfehlen.  Allein  der  eitle  Versifikator  ging  noch  einen  Schritt 
weiter;  er  hatte  einst  an  den  Kaiser  ein  Dankschreiben  gerichtet  für  die 
bisherige  gnädige  Aufnahme  seiner  Oedichte  und  den  Kaiser  darin  zugleich 
gebeten,  ein  neues  Werk  von  ihm  hinzunehmen.  Auch  dieses  Schreiben 
brachte  er  zur  Kenntnis  des  Publikums.  Selbstverständlich  musste  infolge- 
dessen der  Dichter  auch  aus  seinen  früheren  Schätzen  manches  mitteilen; 
er  fügte  daher  noch  sieben  Oedichte  hinzu,  welche  in  unserer  Sammlung 
die  Nummern  21 — 27  bilden.  Diese  Sammlung  wird  ergänzt  durch  ana- 
cyclische  Verse,  welche  in  der  Anthologie  des  Codex  Salmasianus  stehen 
und  dort  ausdrücklich  dem  „Porfirius**  beigelegt  werden,  ferner  durch  einige 
Fragmente,  welche  bei  Fulgentius  sich  finden.^)  Aus  der  Aufnahme  der 
anacyclischen  Verse  in  die  genannte  Anthologie  hat  man  die  Vermutung  ge- 
zogen, dass  der  Dichter  ein  Afrikaner  war;  denn  in  jener  Sammlung  sind, 
abgesehen  von  den  grossen  nationalen  Dichtern,  nur  Werke  afrikanischer 
Dichter  vereinigt. 

Für  die  Schreibang  Porfyrias  spricht  das  Gedicht  21,  wo  der  Name  Publilius 
Optatianus  Porfyrins  künstlich  eingewoben  ist. 

Ueber  das  £xil  sprechen  sich  die  Verse  2,  31  aus: 

Respice  me  falso  de  criminey  maxime  rector, 
ExulU  afflictum  poena. 
Vgl.  noch  20,  22.  Auf  die  Traurigkeit  des  Ortes,  in  dem  er  sich  im  Exil  befindet,  weist 
hin  1,  8.  Die  Begnadigung  ergibt  sich  aus  den  Schluss Worten  des  kaiserlichen  Briefes: 
Tu  cum  tibi  videas  operis  tut  gratiam,  quam  ex  meis  petiveras  auribus,  non  perisse,  et 
proventu  praesetUia  temporis  exuUare  debebis  et  non  indehitam  laudem  ingenii  exercHatione 
captare. 

Ueber  die  Widmung  der  Panegyrici.  Die  Gedichtsammlung  wurde  dem  Gon- 
stantin  zu  seinen  Yicennalien,  welche  im  Jahre  825  gefeiert  wurden,  dediciert;  vgl.  die 
Verse  9,  35: 

Sancte  paier,  rector  auperum,  vicennia  Jaeta 
Augusto  et  decies  crescant  sollemnia  natiaf 
und  16,  35:  Virtutum  meritis  vicennia  praecipe  vota. 
Die   Dedikation  erfolgte   sicherlich  vor   der  Ermordung  des  Grispus  durch   seinen  Vater 
Constantin,  welche  im  Jahre  326  stattfand;  vgl.  Burckhardt,  Die  Zeit  Constantins  d.  Gr., 
Leipz.'  1880,  p.  335;   denn  sonst  würde  der  Dichter  des  Crispus  nicht  in  auszeichnender 
Weise  Erwähnung  gethan  haben;  vgl.  5,  30;  5,  33;  9,  24.    In  dem  Briefe  des  Kaisers  an  Por- 
f^rrius  liegt  kein  Anzeichen  vor,   dass  die  Begnadigung  mehrere  Jahre  später,  nach  Ueber- 
reichung  der  Gedichtsammlung,  erfolgte.    Es  scheint  daher,  dass  Hieronymus  sich  täuschte. 
wenn  er  die  Zurückberufung   mit  den  Worten:   Porfyrius  misso  ad   Consiantinum   insigni 
volumine  exilio  Uberatur  (2  p.  192  Seh.)  z.  J.  Abr.  2345  =  328  setzt. 

Ueber  die  ausser  dem  Panegynkus  von  Porfyrius  verfassten  und  dem  Gonstantin 
überreichten  Gedichte  vergleiche  seinen  Brief  an  den  Kaiser,  wo  wir  lesen  (p.  3,  2  M.): 
j,quippe  cui  (Constantino)  satis  abundeque  suffecerat  Carmen  quod  artioribus  Musarum 
inligaveräm  vinculis^  —  und  weiterhin  (p.  3,  9):  „da  veniam  et  quae  nunc  quoque  pietatis 
tuae  favore  ausus  8um  versibus  inligare,  dignanter  admitte:  audaciae  meae  fomitem  auc- 
taritatis  tuae  dementia  suscitavit.**  Auch  1,  1  erwähnt  er  Gedichte,  die  früher  in  glän- 
zender Ausstattung  in  die  Hände  des  Kaisers  gelangten. 

In  dem  zweiten  Teil  der  Gedichtsammlung  erscheint  ein  Bassus,  von  dem  der  Dichter 
sagt  (21,  14):  „Sed  rursum  Bassus  nunc  prodere  Carmen  imperat.^  Ueber  diesen  Bassus 
vgL  Lncian  Mueller  in  seiner  Ausgabe  p.  IX. 

Die  versus  anacyclici  stehen  im  God.  Salmasianus;  vgl.  Anthol.  lat.  ed.  Riese 
No.  81;  Baehrens,  Poet.  lat.  min.  4  p.  268. 

784.  Charakteristik.  Porfyrius  ist  nicht  als  Dichter,  sondern  ledig- 
lich als  Versifikator  zu  würdigen.    Seine  Gedichte  sind  nichts  anderes  als 

_  • 

*)  Mythol.  2,  1  (p.  40  Helm).    De  continentia  Vergiliana  p.  100  H. 


12  Pnblilias  OptaUanas  Porfyriiu.    (§  784.) 

Spielereien;  er  wendet  sich  nicht  an  den  Geist  des  Lesers,  sondern  grössten- 
teils an  dessen  Auge.  Seine  Poesie  ist  daher  fast  nur  ai'chitektonisclier 
Natur.  Viele  seiner  Gedichte  stellen  Quadrate  dar,  indem  so  viele  Verse 
aneinandergereiht  sind,  als  jeder  Vers  Buchstaben  enthält.  Diese  Quadrate 
bilden  natürlich  auch  Acrosticha  und  Telesticha.  Aber  damit  gibt  sich 
der  Verseschmied  noch  nicht  zufrieden.  Auch  die  Diagonalen  sind  für 
sich  lesbar;  ausser  den  Diagonalen  heben  sich  noch  andere  geometrische 
Gebilde  heraus;  selbst  das  Monogramm  Christi  ist  dem  Kaiser  zuliebe  ein- 
gewoben.  Nicht  bloss  lateinische  Sätze,  sondern  sogar  griechische  werden 
auf  diese  Weise  hervorgezaubert.  Seine  Meisterstücke  liefert  aber  Por- 
fyrius,  wenn  er  durch  seine  Produkte  Gegenstände  nachbildet.  So  stellt 
uns  Gedicht  9  eine  Palme  dar,  Gedicht  20  eine  Wasserorgel,  Gedicht  26 
einen  Altar  und  Gedicht  27  eine  Hirtenflöte.  Ausser  den  architektonischen 
Kunststücken  hat  Porfyrius  noch  andere  Künsteleien  in  Anwendung  ge- 
bracht, er  baut  Verse,  die  vom  letzten  Wort  an  gelesen,  wieder  dasselbe 
Metrum  ohne  Aenderung  des  Sinnes  ergeben  (vgl.  13).     Aus 

Juatis  serene  populis,  favente  mundo 

wird  so: 

Mundo  favente  populis  serene  iustis. 

Ein  ganzes  Schock  von  Wunderlichkeiten  hat  der  Verskünstler  im  Ge- 
dicht 15  zusammengehäuft.  Die  ersten  vier  Verse  werden  so  gebaut 
dass  der  erste  aus  lauter  zweisilbigen,  der  zweite  aus  lauter  drei-,  der 
dritte  aus  lauter  vier-  und  der  vierte  aus  lauter  fünfsilbigen  Worten  be- 
steht. In  dem  fünften  Vers  erhalten  wir  einen  sogenannten  Keulenvers. 
Derselbe  entsteht  dadurch,  das  fünf  Worte  aneinandergereiht  werden,  von 
denen  das  erste  ein  einsilbiges,  das  zweite  ein  zweisilbiges,  das  dritte  ein 
dreisilbiges  u.  s.  f.  ist.  Der  siebente  Vers  gibt  uns  alle  acht  Redeteile.  Eine 
Reihe  von  Versen  ist  so  gebaut,  dass  sie  rückwärts  gelesen  wieder  einen 
Satz  mit  anderem  Metrum  ergeben.    So  wird  aus  dem  Hexameter  (Vs.  11): 

Est  placitum  superis  tunc  haec  in  gaudia  mundi 

rückwärts  gelesen  folgender  Pentameter: 

Mundi  gaudia  in  haec  tunc  superis  placitum  est. 

Natürlich  musste  der  Dichter  bei  solchen  Spielereien  den  Leser  eigens 
aufmerksam  machen,  d.  h.  eine  Gebrauchsanweisung  beilegen,  wie  dies  bei 
Gedicht  13,  15  und  25  in  prosaischer  Form  geschehen.  Bei  den  architek- 
tonischen Produkten  mussten  durch  Mennig  die  Künsteleien  veranschau- 
licht werden;  doch  werden  sie  hie  und  da  auch  im  Text^)  angedeutet. 
Doch  genug  von  den  Seltsamkeiten.  Verwunderlich  ist  es  nur,  dass  ein 
Mann  so  unendlichen  Fleiss  auf  solche  Abgeschmacktheiten  und  Nichtig- 
keiten verwenden  konnte;  noch  verwunderlicher  aber  ist,  dass  solche 
Thorheiten  am  Hofe  beifällige  Aufnahme  fanden.  Was  den  Inhalt  an- 
langt, so  kann  derselbe  der  ganzen  Sachlage  nach  nur  ein  dürftiger 
sein.  Dem  Panegyriker  fliesst  überdies  der  Stoff  leicht  zu.  Merkwürdig 
ist  die  Mischung  des  christlichen  und  heidnischen  Elements.  Man  sieht 
deutlich,  dass  die  lateinische  Poesie  ihren  Wort-  und  Phrasenschatz  aus 
der  Blütezeit  aufgespeichert  hatte,  von  dem  der  Dichter  nicht  abweichen 

__^___  .  * 

*)  Ged.  16;  17. 


Bnfliu  Festns  Avienas.    (§  785.)  13 

konnte.  Es  zeigen  sich  daher  bei  Porfyrius  sowohl  in  der  Sprache  wie 
im  Metrum  nur  wenig  Spuren  seiner  Zeit.  Selbstverständlich  mussten 
lie  technischen  Schwierigkeiten  oft  dunkle  und  geschraubte  Ausdrucks- 
nreise  herbeiführen. 

üeber  Porfyrius  vgl.  Lucian  Maeller  im  Prooemium  seiner  Ausgabe  und  dessen 
Infsatz  in  ,,Nord  und  Sfld'\  1878,  B^.IV  p.  84.  Weiterhin  Burckhardt,  Die  Zeit  Gon- 
rtantins  d.  Gr.,  Leipz.'  1880. 

Die  handschriftliche  Ueberlieferung.  Massgebend  sind  folgende  Codices:  der 
^emensis  212  s.  IX/X,  Eporadiensis  70  s.  X,  Philippicus  1815  s.  X,  Vaticanus  Reginensis  733 
1.x.  Vgl.  L.  Havet,  Revue  de  philol.  1  (1877)  p.  282;  Götz  und  Löwe,  Leipz.  Stud.  1 
1878)  p.  377. 

Ausgaben.  Poemata  vetera  ed.  Pithoeus,  Paris  1590  (Leyden  1596);  die  Ausgabe 
7on  Marcus  Welser  von  1595  (Marci  Welseri  opuscula,  Nürnberg  1682);  Migne  19,391; 
iie  neueste  Ausgabe  ist  die  von  Lucian  Müller,  Leipzig  1877,  wozu  zu  vgl.  Fröhner, 
?hllol.  Supplementbd.  5  (1889)  p.  74. 

2.  Rufius  Festus  Avienus. 

785.  Die  Lehrgedichte  des  Avienus.  In  einer  Weihinschrift  auf 
die  etruskische  Oöttin  Nortia,  die  wahrscheinlich  einem  Standbild  bei- 
gegeben war,  stellt  sich  uns  der  Dichter  vor,  den  wir  nach  der  Para- 
phrase des  ersten  Verses  als  Rufius^)  Festus  Avienus  bezeichnen 
müssen.  Es  besteht  kein  ernstlicher  Grund,  an  der  Identität  des  didak- 
tischen Dichters  mit  dem  der  Inschrift  zu  rütteln.  Aus  dieser  Inschrift  er- 
sehen wir,  dass  Avien  sein  Geschlecht  auf  den  Stoiker  C.  Musonius  Rufus 
zurückführt.  Wir  hören,  dass  seine  Heimat  Volsinii  in  Etrurien  ist, 
vroher  auch  der  genannte  Stoiker  stammt,  und  begreifen  es  demnach,  dass 
er  ein  Verehrer  der  etruskischen  Schicksalsgöttin  Nortia  war.  Wir  lesen 
Ferner,  dass  sein  Wohnort  Rom  war,  und  dass  er  auch  in  der  Staatslauf- 
bahn auf  eine  hohe  Sprosse  stieg,  indem  er  zweimal  das  Prokonsulat  er- 
langte, üeber  sein  Privatleben  vernehmen  wir,  dass  ihm  ein  reicher  Kinder- 
segen beschieden  war.  Einer  seiner  Söhne,  Placidus,  fügte  der  hexametri- 
schen Inschrift  des  Vaters  nach  dessen  Tode  zwei  Distichen  hinzu,  worin  er 
/erkündet,  dass  Juppiter  dem  Vater  eine  freundliche  Aufnahme  gewähren 
md  dass  ihm  der  Chor  der  Götter  die  Rechte  entgegenstrecken  werde. 

Von  den  Werken  des  Dichters  scheint  die  Aratübersetzung  das  be- 
rühmteste gewesen  zu  sein;  wir  schliessen  dies  daraus,  dassHieronymus  diese 
Jebersetzung  erwähnt,  ferner  daraus,  dass  sein  Sohn  Placidus  in  seinen 
Oistichen  das  genannte  Gedicht  des  Vaters  verwertet  hat.  Es  war  keine 
eichte  Aufgabe,  die  Avien  zu  lösen  hatte,  als  er  sich  zur  Bearbeitung  Arats*) 
intschloss.  Es  lagen  bereits  zwei  Uebersetzungen  der  römischen  Welt 
iOT,  die  Ciceros  (§  176)  und  die  des  Germanicus  (§  363).  Von  dem  Jugend- 
^erk  des  Kaisers  Gordian  (238 — 244),  der  ebenfalls  den  Arat  ins  Lateinische 
Ibertragen  hatte,  wollen  wir  dabei  ganz  absehen. 3)  Von  seinen  Vor- 
gängern musste  sich  also  Avien,    wenn   er   bei   dem    Publikum   Anklang 


')  Vgl.  Mommsen,   Hermes  16  (1881)       scripsit,  quae  omnia  extant,  et  quidem  cuncta 
X  605  Anm.  1.  !   illa  quae  Cicero,   id  est  Marium  et  Aratum 


*)  Ueber  denselben  vgl.  die  Litterator 
m  §  363  p.  18. 

»)  Hiat.  Aug.  Gordian.  3,  2  (II  p.  31  Peter) 
idülescens  cum  esset  Gordianus  ....  poemata 


et  Halcyonas  et  Ujcorium  et  Nilum.  quae 
quidem  ad  hoc  scripsit,  ut  Ciceronis  poemata 
nimis  anttqua  viderentur. 


14  Bofins  Festns  Ayieniui.    (§  785.) 

finden  wollte,  irgendwie  abheben;  er  wählte  das  Mittel  der  Erweiterung, 
wodurch  am  leichtesten  sein  Werk  einen  gewissen  originellen  Zug  erhaltai 
konnte.  Seine  Uebertragung  gewann  dadurch  einen  um  das  Doppelte 
grösseren  Umfang;  denn  über  700  Verse  konnte  der  Uebersetzer  als  sein 
Eigentum  bezeichnen.  Den  Stoff,  den  er  zu  seinen  Erweiterungen  brauchte, 
fand  er  in  nächster  Nähe;  die  Handschrift  des  griechischen  Dichters  war 
nämlich  mit  reichen  Schollen  ausgestattet,  die  nur  der  Einfügung  in  die 
Uebertragung  harrten. 

•  Als  Avien  an  der  Hand  Arats  die  Sternenwelt  dichterisch  bearbeitet 
hatte,  fasste  er  den  Plan,  auch  die  Erde  dem  Leser  in  poetischem  Ge- 
wände vorzuführen.  Eigenes  wollte  er  auch  hier  nicht  geben.  Wiederum 
griff  er  zu  einer  griechischen  Vorlage,  zu  der  in  hexametrischen  Versen 
geschriebenen  Periegese  des  Dionysius.  Dieser  Dichter  war  ein  Alexan- 
driner und  lebte  zur  Zeit  Hadrians.  In  versteckten  Akrosticha  seines 
Qedichtes  hat  er  selbst  diese  beiden  Thatsachen  verzeichnet.  Dieses  Ge- 
dicht nahm  also  der  Römer  vor  und  bearbeitete  es  in  freier  Weise.  Ve^ 
gleichen  wir  den  Umfang  des  Originals  und  der  Uebersetzung,  so  ent- 
hält die  Uebersetzung  über  200  Hexameter  mehr  als  das  Original;  doch 
schliesst  er  sich  an  Dionysius  enger  an  als  an  Arat.  Ein  starkes  geo- 
graphisches Interesse  drängte  den  Avien  nicht  zu  dem  Werke;  er  wollte 
nur  seine  dichterische  Kraft  bethätigen,  der  Stoff  ist  ihm  dabei  ziemlich 
gleichgültig.  Was  ihm  nicht  passend  erscheint,  lässt  er  weg ;  an  anderoi 
Orten  Tügt  er  wieder  Eigenes  hinzu,  kurz  er  schaltet  frei  mit  dem  Ori- 
ginal, und  fast  möchte  man  glauben,  dass  er  den  Schein  erwecken  wollte, 
sein  Gedicht  sei  eine  selbständige  Arbeit.  Den  Verfasser  des  Originals 
nennt  er  in  seiner  Uebersetzung  niemals,  erst  in  dem  auf  die  Periegese 
folgenden  Gedichte,  der  ora  maritima,  erscheint  der  Name  des  Dionysius. 
Auch  Priscian  hat,  wie  wir  später  sehen  werden,  die  Periegese  des  Dio- 
nysius bearbeitet;  allein  er  verfolgt  ein  anderes  Ziel  als  Avien,  da  er 
ein  geographisches  Schulbuch  geben  will. 

An  die  Descriptio  orbis  schloss  Avien  eine  Küstenbeschreibung,  ora 
maritima.  Sie  begann  ursprünglich  mit  Britannien  und  schloss  mit  den 
Küsten  des  Pontus  Euxinus.  Allein  von  diesem  Werk  ist  uns  nur  der 
erste  Teil  in  713  Versen  erhalten,  der  von  Britannien  an  den  Küsten 
Galliens  und  Spaniens  entlang  bis  zur  Südküste  Frankreichs  reicht  und 
mit  Massilia  abbricht.  Das  Werk  ist  in  jambischen  Senaren  geschriebea 
Da  Avien  in  den  beiden  vorausgegangenen  Stücken  den  Hexameter  im 
Anschluss  an  sein  Original  gebrauchte,  wird  man  auch  die  Wahl  des 
Jambus  mit  dem  Original  in  Verbindung  bringen  müssen,  d.  h.  seine  Vo^ 
läge  wird  schon  in  jambischen  Senaren  abgefasst  gewesen  sein.  Die  An- 
nahme, dass  Avien  erst  seinen  Stoff  aus  verschiedenen  Werken  zusammen- 
suchte, muss  gänzlich  abgewiesen  werden.  Obwohl  der  Dichter  bei  der 
Erwähnung  von  Gades  sich  auf  Autopsie  beruft,  so  ist  er  doch  keines- 
wegs als  Geograph  anzusehen;  er  ist  nichts  als  ein  Uebersetzer,  und  die 
geographischen  Blossen,   die   er  sich  gibt,   bekunden   dies  nur  zu  sehr.') 

»)  Vgl.  F.  Marx,  Rhein.  Mus.  50  (1895)  p.  327. 


Rufliw  Festns  ATienas.    (§  785.) 


15 


vien  schreibt  sein  Gedicht  zur  Belehrung  eines  ihm  befreundeten  und 
3rwandten  Probus  ;^)  statt  nun  nach  einem  Buche  zu  greifen,  das  den 
duesten  Stand  der  Geographie  enthielt,  griff  er  zu  einem  längst  veralteten 
Terke,  das  ihm  vielleicht  zufällig  in  die  Hände  fiel.  Das  Thörichte  dieser 
uswahl  im  Hinblick  auf  sein  Ziel  scheint  der  Dichter  nicht  bemerkt  zu 
iben;  aber  wir  wissen  es  dem  sonderbaren  Manne  Dank,  denn  er  hat 
18  damit  ein  für  die  Geschichte  der  Geographie  höchst  wichtiges  Denk- 
al  in  die  Hand  gedrückt,  aus  dem  wir  unsere  älteste  Kenntnis  von  dem 
^esten  Europas  schöpfen.  Der  griechische  Periplus  ist  es,  der  unsere 
ufmerksamkeit  anzieht,  nicht  die  Yersifikation  Aviens.  Dieser  Periplus 
ar  aber,  wenn  man  genauer  zusieht,  selber  wieder  kein  einheitliches 
rodukt,  sondern  aus  zwei  Periplen  zusammengesetzt;  >)  der  grössere  be- 
indelte  die  Küstenfläche,  die  schon  lange  bekannt  und  befahren  war, 
so  die  Küste  von  Gades  ab  ostwärts;  hier  hatten  Seefahrer  und  Geo- 
'aphen  schon  viel  brauchbares  Material  zusammengebracht;  er  wird  in 
>r  ersten  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  entstanden  sein.  Schlimmer 
Lgegen  war  es  mit  der  Westküste  Europas  bestellt;  über  dieses  Gebiet 
eiteten  Fabeleien  ihren  Schleier  aus,  erst  allmählich  drang  auch  in  diese 
Bgionen  das  Licht  der  Forschung,  besonders  seitdem  die  Römer  durch 
re  kriegerische  Politik  auch  in  diesen  Teil  der  Erde  geführt  wurden. 
3r  Teil  des  Gedichtes,  der  von  Britannien  bis  an  die  Säulen  des  Herkules 
icht,  muss  also  auf  einen  jüngeren  Periplus  zurückgehen;  es  wird  dieser 
^riplus  in  der  Zeit  zwischen  200  —  150  v.  Chr.  entstanden  sein.  Ein  wohl 
>r  augustischen  Zeit  angehörender  Gelehrter  vereinigte  beide  Periplen 
iteinander,  musste  aber,  um  den  jüngeren  Periplus  mit  deiti  älteren  in 
nklang  zu  bringen,  die  Route  ändern  und  von  Norden  nach  Süden  ver- 
breiten; dadurch  entstanden  vielfache  Verwirrungen  im  ersten  Teil.  In 
38er  letzten  Gestalt  nahm  Avien  das  Werk  zur  Bearbeitung  vor.  Gegen 
s  Ende  erschien  dem  Uebersetzer  die  Vorlage  der  Ergänzung  bedürftig; 

griff  daher  zu  Sallust,  der  einen  Exkurs  de  situ  Ponti  in  seinen  Hi- 
>rien  gegeben  hatte.  Diesen  Exkurs  goss  Avien  in  Jamben  um  und 
^  das  Stück  dem  Ganzen  hinzu. 

Die  Bearbeitung  eines  Stückes  aus  Sallust  scheint  in  Avien  den  Ge- 
nken zur  Entfaltung  gebracht  zu  haben,  auch  noch  andere  vaterländische 
itoren  dichterisch  umzugestalten; 3)  so  hob  er  aus  Vergil  die  einzelnen 
gen  aus  und  versifizierte  sie  ebenfalls  in  jambischen  Senaren.  Dann 
iff  er  zu  Livius,  um  die  wichtigsten  Epochen  der  römischen  Geschichte 

demselben  Versmass  dem  Leser  darzubieten.  Allein  diese  beiden  letzten 
erke  sind,  wie  der  Schluss  der  ora  maritima,  verloren  gegangen.  Da- 
gen  ist  uns  noch   ein  Gedicht  erhalten,   welches  in   der  Ueberlieferung 

der  Spitze  des  Corpus  erscheint;  es  ist  ein  Gedicht  von  31  Hexametern, 

dem  Avien  einen  Freund  um  üebersendung  afrikanischer  Granatäpfel 


>)  Näher  Ifisst  sich  derselbe  nicht  be- 
nmen;  wir  können  daher  auch  nicht  sagen, 
er  identisch  mit  dem  Konsul  des  Jahres 
(  ist. 

*)  Auf  die  Verschiedenheit  der  zwei  Teile 


macht  schon  Gutschmid  aufmerksam. 

')  Es  lag  das  fast  im  Geiste  der  Zeit; 
denn  auch  Paulinus  versifizierte  Suetons 
Bücher  de  regibus. 


16  Bafiiw  Festna  Arienns.    (§  785.) 

ersucht.  Der  Briefschreiber  hatte  nämlich  seinen  Magen  verdorben  und 
erhoffte  von  den  Granatäpfeln  Heilung  seines  Leidens.  Es  ist  ein  ge- 
spreiztes Gedicht,  und  es  ist  uns  nicht  klar,  warum  dasselbe  in  das  Corpus 
aufgenommen  wurde. 

Ueberschauen  wir  die  dichterischen  Leistungen  Aviens,  so  springt 
vor  allem  in  die  Augen,  dass  er  kein  origineller  Dichter  war.  Er  über- 
setzt aus  dem  Griechischen  ins  Lateinische  mit  Beibehaltung  des  Metrum, 
er  giesst  lateinische  Prosa  in  Poesie  um,  er  macht  aus  lateinischen  Hexa- 
metern lateinische  Jamben.  Also  nur  das  Verdienst  der  Formgebung  kann 
Avien  für  sich  in  Anspruch  nehmen.  Allein  seine  Poesie  ist  doch  nicht, 
wie  die  des  Ausonius,  ein  blosses  Spiel;  sie  verfolgt  eine  Idee:  das  Uni- 
versum, Himmel  und  Erde  und  die  römische  Welt  sollen  dem  Leser 
erschlossen  werden.  Dass  Avien  die  Sagen  Yergils  und  die  römische 
Geschichte  nach  Livius  in  poetischem  Gewände  vorführt,  ist  charak- 
teristisch. Wir  sehen  daraus,  dass  Avien  ein  Mann  ist,  den  der  Haach 
des  Christentums  nicht  berührt  hat  und  der  mit  ganzem  Herzen  sein^ 
Nation  zugethan  ist.  Interessant  ist  es,  dass  noch  auf  diesen  Römer 
die  Stoa  ihren  Einfluss  ausgeübt,  wie  aus  der  Weihinschrift  zu  er- 
sehen ist.^ 

Weihinschrift  an  Nortia.  Festus,  Musoni  suboles  prolesque  Avieni,  \  unde  tui 
latices  traxerunt,  Caesia,  notnen,  \  Nortia,  te  veneror,  lare  cretus  Vulsiniensi,  \  Romam  habi" 
tanSf  gemino  proconsulis  auettis  honoref  \  carmina  multa  serens,  vitam  insons,  integer  cievum^ 
coniugio  laetus  Placidae  numeroque  frequenti  |  natorum  exsultans.  vivax  ait  apirüus  oUis! 
cetera  composita  fatorum  lege  trahentur.  Vgl.  CIL  6  p.  537;  Dessau,  Inscriptiones  lat  selectae 
1  No.  2944;  Anthol.lat.  vol. 2  Carmina  epigraphica  ed.  Bücheler,  fasc.  2,  Leipz.  1897,  No.  1530. 
Nach  dieser  Inschrift  war  der  Dichter  ein  Nachkomme  des  Stoikers  C.  Mosonius  Rufbs 
(§  451).  Sehr  dunkel  ist  Vs.  2,  da  die  aqua  Caesia  gänzlich  unhekannt  ist;  es  scheint,  dass 
ein  Caesius  Avienus  den  Namen  gegeben.  Die  Heimat  des  Dichters  ist  nach  Vs.  3  in 
Vulsinii  in  £trurien.  Deber  die  Göttin  Nortia,  welche  eine  Fortuna,  der  von  Antiom  und 
Praeneste  ähnlich,  bedeutete,  vgl.  K.  O.Müller,  Die  Etrusker  2^  (Stuttgart  1877)  p.  52; 
Wagner  in  Roschers  Lexikon  der  griech.  u.  röm.  Mythol.  s.  v.  Schwierig  ist  die  Be- 
stimmung der  Worte  gemino  proconsulis  auctus  honore.  Ein  'Pov(piog  ^tjcjo^  be» 
kleidete  das  Prokonsulat  in  Achaia  (vgl.  CIG  372),  und  wenn  wir  nun  lesen  descriptio 
Vs.  603,  dass  Avien  den  delphischen  Apollo  selbst  gesehen  {illic  saepe  deum  conspeximut 
adridentem,  \  inter  turicremas  hie  Phoebum  vidimus  aras),  so  werden  wir  das  eine  Pro- 
konsulat des  Dichters  in  Achaia  zu  suchen  haben.  Für  das  zweite  Prokonsulat  fehlt 
es  an  einem  inschriftlichen  Zeugnis;  denn  der  Prokonsul  Africae  Festus  aus  den  Jahren 
366/67  ist  mit  unserem  Dichter  nicht  identisch,  sondern  C.  Julius  Festus  Hymetius  (CIL  6, 
1736;  8,  5336;  10609).  Es  bleibt  also  nur  eine  Stelle  übrig  (ora  marit.  Vs.  273),  an  der 
Avien  seine  Bekanntschaft  mit  dem  phönizischen  Herakles  von  Gades  auf  Autopsie  gründet 
{no8  hoc  locorum,  praeter  Herculaneam  solemnitatem,  vidimus  miri  nihil).  Daraus  machte 
man  schliessen,  dass  der  Dichter  Prokonsul  von  Baetica  war;  vgl.  F.  Marx  Sp.  2388.  Ueber 
die  ganze  Frage  vgl.  P.  Monceaux,  Revue  archöologique  9  (1887)  p.  191;  Kossi,  Amuüi 
deir  Instituto  21  (1849)  p.  345.  Den  Versen  des  Vaters  fügte  sein  Sohn  Placidus  folgende 
zwei  Distichen  hinzu:  Ibis  in  optatas  sedes:  nam  Juppiter  aethram  |  pandit,  Feste,  tUn, 
candidus  tU  venias.  \  Jamque  venia,  tendit  dextras  chorus  inde  deorum  \  et  toto  tibi  iam 
plauditur  ecce  polo.  In  diesen  Distichen  ist  unleugbar  Arat  Vs.  2  nachgeahmt  Darans 
und  aus  den  Worten  der  Inschrift  carmina  multa  serens  ergibt  sich,  dass  der  Yerfasser 
der  Weihinschrift  der  Dichter  des  Aratus  ist.  Wie  es  eine  weitverbreitete  Sitte  des  Alter 
tums  war,  einen  Schriftsteller  durch  ein  stillschweigendes  Citat  zu  ehren,  so  huldigt  der 
Sohn  dem  verstorbenen  Vater  dadurch,  dass  er  den  Anfang  seines  verbreitetsten  Gedichts 
in  den  Anfang  der  Distichen  hineinverwoben  hat.  —  Ueber  Avienus  im  allgemeinen  vgl 
Wernsdorf,  Poet.  lat.  min.  5  p.  621  und  F.  Marx,  Pauly-Wissowas  Realencycl.  2  Sp.  2886. 

Avieni  bei  anderen  Schriftstellern.  Amm.  Marc.  28,  1,  48  Eumenius  et  Abienut 
ambo  ex  coetu   amplissimo  infamati  sub  Maximino  in  Fausianam  feminam  non  obseuram, 

*)  Man  vgl.  den  Schluss  der  Inschrift:  Cetera  —  trahentur. 


Rnflas  FeatuB  ATienna.    (§  785.)  1 7 

Victorini  obitutn,  quo  tuvante  vixere  seeurius,  Simplicii  adventu  perterrefacti,  tum  secus 
itis  magna  cum  minis,  ad  secreta  receptacula  se  contulerunt;  vgl.  noch  das  Folgende. 
rob.  sat.  1,  6,  26  sie  Messdia  tuuSt  Äviene,  dictus  a  cognomento  Valerii  Maximi.  Seeck, 
g.  des  Symmachos  p.  GLXXXVT  identifiziert  den  Avien  bei  Ammian  mit  dem  Dichter. 
Avien  bei  Macrob  hält  F.  Marx  (1.  c.  Sp.  2887)  ftlr  einen  Sohn  des  Dichters.  Es  fragt 
noch,  in  welchem  Verhältnis  der  Verfasser  des  Breviarium  zu  unserem  Dichter  steht; 
I  Mommsen  (Hermes  16  (1881)  p.  605,  Anm.  2)  ist  der  Verfasser  identisch  mit  dem 
faaser  der  Weibinschrift,  dem  Prokonsal  von  Achaia  und  Afrika  (366).  Bezüglich  des 
ersetzers  des  Aratos  schwankt  Mommsen,  ob  derselbe  ebenfalls  identisch  oder  der 
IT  des  Verfassers  des  Breviarium  ist.    Die  letzte  Annahme  ist  ihm  die  wahrscheinlichere. 

Chronologie  der  Gedichte.  Da  ora  marit.  Vs.  71  die  descriptio  orbis  terrae 
ft  wird,  muss  dieses  Werk  der  ora  maritima  vorausgehen.  Höchst  wahrscheinlich  ist, 
t  der  Arat  der  descriptio  vorausgeht,  wie  dies  auch  in  der  handschriftlichen  Ueber- 
tnmg  der  Fall  ist;  wenn  dagegen  Winterfeld  (Philol.  58  (1899)  p.  281)  aus  den  Worten 
1)  auspiee  terraa  linquo  Jove  u.  s.  w.  schliessen  will,  dass  die  descriptio  und  die  ora 
itima  dem  Arat  vorausgingen,  so  ist  dieser  Schluss  keineswegs  zwingend.  Ebenso 
rscheinlicb  ist,  dass  die  in  Jamben  geschriebenen  Vergilsagen  und  die  römische  Oe- 
chie  nach  Livius  sich  an  die  ora  marit.  anschlössen,  welche  der  Dichter  ebenfalls  im 
[»ischen  Metrum  versifiziert  hat.  Genauer  lässt  sich  die  Abfassungszeit  des  Arat  be- 
men.  Da  nämlich  Hieronymus  in  einem  im  Jahre  387  publizierten  Commentar  den 
t  als  ein  neulich  (nuper)  erschienenes  Werk  bezeichnet,  wird  dieser  nicht  lange  vor 
em  Jahr  herausgekommen  sein.  Damit  stimmt,  dass  Lactantius  die  Uebersetzungen  des 
ro  (div.  inst.  5,  5  Brandt)  und  des  Germanicus  (1,  21)  erwähnt,  den  Avien  aber  nicht 
at.  (Buecheler  zu  carm.  epigr.  306,  7  (=  Damas.  epigr.  26  Ihm)  „num  Avienum  taxat 
ra  canentem  vetera?*) 

Der  Titel  Aratus.  Im  Vindobonensis  lautet  die  Ueberschrift:  Ruft  Festi  Arati 
pü  liber  primus  de  posiHone  ayderum;  im  wesentlichen  auch  so  im  Ambrosianus.  Die 
scriptio  lautet  in  der  editio  princeps:  Festi  Aratus  explicU;  im  wesentlichen  auch  so 
^mbroaianus.  Mit  Recht  hat  daraus  Breysig  geschlossen,  dass  Avien  seiner  lieber- 
ong  den  Titel  Aratus  gegeben.  Im  Gudianus  132  s.  X  lautet  die  Ueberschrift:  Rufi 
ti  Avieni  viri  clari  Arati  Phaenomena;  der  Text  hiezu  fehlt  aber;  vgl.  Breysig, 
nes  11  (1876)  p.  251. 

Die  Aratübersetzung.  Das  Original  umfasst  1154,  die  Uebersetzung  dagegen 
l  Verse  (Phainomena  1325,  Prognostica  553  Verse);  der  üeberschuss  der  Uebersetzung 
ägt  also  724  Verse.  Ueber  das  Verhältnis  des  Originals  zur  Uebersetzung  vgl.  G.  Sieg, 
Cicerone,  Germanico,  Avieno  Arati  interpretibus,  Halle  1886,  p.  30.  Ueber  die  Zusätze 
p.  35  und  p.  36.  Ueber  Eratosthenes  als  Quelle  von  Zusätzen  vgl.  C.  Robert,  Era- 
lenis  catasterismorum  reliquiae,  Berl.  1878,  p.  26;  Sieg  1.  c.  p.  36  und  p.  40.  Im  all- 
einen vgl.  Schaubach,  De  Arati  Solensis  interpretibus  romanis,  Cicerone,  Caesare 
nanico  et  Rufe  Feste  Avieno  commentatio,  Meiningen  1818,  p.  8.  Für  die  Benutzung 
hrter  Schollen  ist  belehrend  Vs.  582  cerni  sex  solas  carmine  Minthes  adserit,  Electram 
>  dbseessisse  profunda  oh  formidatum  memorat  prius  Oriona;  vgl.  auch  Schaubach 
p.  12;  Winterfeld  (Beitr.  zur  Quellen-  und  Textkritik  der  Wetterzeichen  Aviens,  Berl. 
1),  der  auf  Vs.  1606  f.,  1612  f.,  1682  f.,  1710  f.,  1794  f.,  1808  f.,  1813  f.,  1823  f.  auf- 
csam  macht. 

Descriptio  orbis.  Ueber  die  Zeit  und  Heimat  des  Periegeten  Dionysius  vgl. 
eae,  Philol.  42  (1884)  p.  175;  über  Alexandria  als  seine  Heimat,  die  sich  aus  einem 
Mitichon  ergibt,  vgl.  p.  176.  Ueber  das  Akrostichon,  das  die  Zeit  Hadrians  als  Ent- 
ODgBzeit  des  Werks  kundgibt,  vgl.  p.  177.  Das  Original  hat  1187,  die  Uebersetzung 
(  Verse.  Ueber  das  Verhältnis  des  Originals  zur  Uebersetzung  vgl.  Kosten,  De  Avieno 
lyaii  interprete,  Tübingen  1888,  p.  3.  Ueber  die  geringwertige  Handschrift,  die  der 
drsetzer  benutzte,  vgl.  Kosten  p.  3;  über  die  Missverständnisse  vgl.  p.  7;  über  die 
;la88ungen  vgl.  p.  29.  Im  Gedichte  selbst  wird  Dionysius  nicht  erwähnt,  wohl  aber 
marit.  Vs.  831.  Die  Uebersetzung  Priscians  steht  bei  Baehrens,  Poet.  lat.  min.  5 
75;  über  das  Verhältnis  dieser  Uebersetzung  und  der  Aviens  vgl.  Kosten  1.  c.  p.  2. 

Widmung  der  ora  maritima.  Ora  marit.  p.  144,  5  H.  subii  libenter  id  laboris, 
Ibi  {Probe)  desideratum  carmine  hoc  claresceret.  p.  145,  24  muha  ergo,  multa  compulere 
Probe,  effiagitatam  rem  tibi  ut  persolverem.  p.  146,  b\  hie  porro  habebis,  pars  mei 
lis  Probe,  quidquid  per  aequor  insularum  attollitur, 

Ausdehnung  des  Werks.    Dass  die  Beschreibung  der  Küsten  des  Pontus  Euxinus 

Schlufls  des  Werkes  bildete,   geht  hervor  aus   p.  146,  68  H.  laboris  autem  terminus 

ri  hie  erit,  Scyfhieum  ut  profundum,  et  aequor  Euadni  sali,   et  siquae  in  illo  marmore 

iae  tumetU,  edigserantur:  reliqua  porro  scripta  sunt  nobis  in  illo  plenius  volumine^  qu<Ki 

tifirf'r'u?*»  der  Irlii.  Altertamurteenaoluift.    VHI,  4.  ^ 


18  Bafina  Featna  Ayieniia.    (§  785.) 

de  orbis  oris  partibuaque  fecimu8.  Der  Ansicht  Müll en hoffe  (p.  76),  dass  sich  das  2.  Bach 
gleich  mit  den  Küsten  des  Pontus  Enxinns  beschäftigte,  haben  mit  Recht  A.  von  Gat- 
schmid,  Litt.  Zentralblatt  1871,  Sp.  523  =  El.  Sehr.  4  (1893)  p.  127  und  andere  Gelehrte 
sich  widersetzt. 

Der  Original-Periplns  Aviens.  Zum  erstenmal  hat  W.  Christ  über  die 
Quellen  des  Avien  in  methodischer  Weise  gehandelt,  auch  zur  Erklärung  des  Gedichtes 
manche  treffliche  Bemerkung  gegeben.  Bezüglich  der  Vorlage  des  Avien  geht  seine  Meinung 
dahin,  dass  er  in  der  Beschreibung  der  Westküste  Spaniens  dem  Eratosthenes  gefolgt  sei 
(p.  165),  Eratosthenes  aber  auf  Pytheas  zurückgehe  (p.  158).  Doch  lässt  Christ  (p.  176) 
eine  Mehrheit  der  Quellen  zu.  Zu  einem  ganz  anderen  Resultat  gelangte  Müllenhof f; 
er  statuiert,  dass  in  letzter  Linie  der  Bericht  Aviens  auf  einen  phönizischen,  auf  Autopsie 
beruhenden  Periplus  zurückzuführen  sei,  der  530—500  v.  Chr.  vor  Einwanderung  der  Eeltra 
in  Spanien  verfasst  worden.  Dieser  Periplus  sei  aber  von  einem  Griechen  wahrcheinlich  im 
5.  Jahrhundert  ins  Jonische  übersetzt  worden  (p.  202);  dieser  Periplus  sei  dann  im  3.  Jahr- 
hundert, vor  der  Gründung  von  Carthago  Nova,  von  einem  Griechen  vielfach  interpoliert 
worden  und  in  dieser  Gestalt  habe  der  Periplus  dem  Avien  vorgelegen,  der  Ihn  weiteriiin 
durch  Missverständnisse  und  Zusätze  entstellte  (vgl.  Unger  n.  193).  Gutschmid  (p.  130) 
bestreitet  den  punischen  Ursprung  des  Periplus  wegen  der  bei  Avien  erscheinenden  grie- 
chischen Namen  und  setzt  ein  griechisches  Original  voraus,  das  er  in  den  Anfang  des  5.  Jahr- 
hunderts verlegt.  Aber  auch  er  nimmt  Interpolierung  des  griechischen  Periplus  an.  Auch 
Unger  (p.  204)  erblickt  die  Quelle  Aviens  in  dem  Periplus  eines  Küstenfahrers,  der  «heim- 
gekehrt seine  Ergebnisse  mit  den  in  der  bisher  erschienenen  Litteratur  vorfindlichen  Angaben 
verglich  und  die  Abweichungen  anmerkte**.  Die  Abfassungszeit  des  Periplus  setzt  er  in  die 
Zeit  zwischen  390  und  370  (p.  196).  Eine  Interpolation  der  Vorlage  erkennt  Unger  nicht  an. 
Die  Ys.  42  fg.  angeführten  Quellenautoren  seien  schon  in  der  Vorlage  genannt  gewesen  (p.  202). 
Sonny  behauptet,  dass  der  dem  Avien  vorgelegene  Periplus  vor  dem  Einbruch  der  Gallier 
in  das  südliche  Gallien,  also  vor  Beginn  des  4.  Jahrhunderts,  verfasst  worden  sei  (p.  66). 
Derselbe  rühre  von  einem  Massalloten  her  (p.  69).  Atenstaedt  schreibt  bezüglich  der  Zeit 
des  Periplus  (p.  71):  „propter  ea,  quae  de  Massaliotarum  et  Carthaginiensium  rebus  in  ora 
Iberica  gestis  eruimus,  videtur  periplus  Avieni  sub  finem  quinti  aut  quarti  saeculi  initixim  esse 
compositus.**  Zuletzt  hat  unsere  Frage  F.  Marx  in  einer  vortrefflichen  Abhandlung  des  Rh^. 
Mus.  besprochen;  er  führt  aus,  dass  die  griechische  Vorlage,  die  Avien  übersetzte,  aus  zwei 
Periplen  zusammengesetzt  war;  der  grössere  ging  von  den  Säulen  des  Hercules,  bezw.  vod 
Gades  und  dem  gaditanischen  Gebiet  ab  ostwärts  und  umfasste  also  die  bekannte  Welt; 
der  kleinere  ging  etwa  von  Gades  ab  westwärts  und  nordwärts  (p.  329).  Der  kleinere 
Periplus  muss  nach  ihm  in  die  Zeit  bald  nach  Eratosthenes  und  vor  die  Mitte  des  zweiten 
Jahrnunderts  v.  Chr.,  d.  h.  vor  die  Zeit  der  Kriege  der  Römer  mit  den  Celtiberem  und  Lusi- 
taniem  gehören,  welche  erst  die  Nordküste,  Westküste  und  Südwestküste  der  Halbinsel  der 
Erdkunde  erschlossen  haben,  also  in  die  Zeit  von  200—150  v.  Chr.  (p.  345).  Die  grössere 
Vorlage  fällt  in  die  Zeit  zwischen  Herodot  einerseits  und  Scylax  und  Ephoros  anderseits, 
d.  h.  in  die  erste  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  (p.  346).  Da  die  griechische  Vorlage  des 
Avien,  um  den  ersten  Periplus  mit  dem  zweiten  zu  verbinden,  den  Weg  des  ersten  Periplus 
umkehren  musste,  waren  Verwirrungen  unvermeidlich  (p.  333).  Die  Verbindung  der  beiden 
Periplen  mit  der  Umkehr  des  ersten  soll  einem  Gelehrten  der  augustischen  Zeit  ange- 
hören; er  habe  die  punischen  Etymologien  von  Gadir  268  und  Abila  345  hinzugef!^, 
ausserdem  ein  Citat  aus  dem  punischen  Periplus  des  Himilco  an  verschiedenen  Stellen,  war 
also  ein  Gelehrter  nach  Art  des  Juba,  über  den  Avien  275  f.  berichtet.  Ob  derselbe  Gelehrte 
auch  das  Ganze  in  griechische  Verse  brachte  oder  ein  späterer  griechischer  Dichter  nach 
Art  des  Dionysius  sich  dieser  Aufgabe  unterzog,  lässt  Marx  unentschieden  (p.  347). 

Avien  und  Sallust.  Ora  marit.  p.  145,  32  Holder  Interrogastij  si  tenes,  Maeoiiei 
sUus  quis  esset  aequoris.  Sallustium  noram  id  dedisse^  dicta  et  eius  Omnibus  prcieiudicatae 
auctoritatis  ducier  non  abnuebam:  ad  eius  igitur  inclytam  descriptionem,  qua  loeorum  f&T' 
tnulam  imaginemque  expressor  efficax  stili  et  veritatis  paene  in  optutus  dedit  lepore  Hnguoi, 
niulta  verum  iunrimus,  ex  piuHmorum  sumpta  commentäriis.  Ueber  die  dann  folgenden 
elf  Autoren,  nämlich  Hecataeus,  Hellanicus,  Euctemon,  Phileus,  Scylax,  Damastus,  Herodot» 
Thucydides,  Bacoris,  Cleon,  Pausimachus,  vgl.  Unger  p.  201  und  F.  Marx  p.  346.  Sallast 
handelte  de  situ  Ponti  im  3.  Buch  der  Historien;  vgl.  Maurenbrecher,  Sallusti  historianun 
reliquiae,  Leipz.  1891/93,  p.  134. 

Litteratur  zur  ora  maritima.  Ukert,  Ueber  des  Aviens  ora  maritima  (Geo 
graphie  der  Griechen  und  Römer  2.  Teil,  1.  Abt.  (Weimar  1821)  p.  473);  Saulcy,  l^tude  topo- 
graphiquc  sur  l'Ora  maritima  de  Ruf.  Avien.  (Revue  archöol.  15  (1867)  p.  52  und  p.  81); 
W.  Christ,  Avien  und  die  ältesten  Nachrichten  über  Iberien  und  die  Westküste  Earopaa 
(Abb.  der  Münchener  Akad.  der  Wissensch.  11  (1868)  1.  Abt.  p.  113);  Müllenhoff,  Deutsche 
Vltertumskunde  1  (Berl.  1870)  p.  73;  vgl.  dazu  W.  Christ,  Fleckeis.  Jahrb.  103  (1871)  p.  710; 


Rnflna  Fest  na  Ayienaa.    (§  785.)  19 

C.  M(ftller),  Philol.  Anz.  3  (1871)  p.  456;  Gutschmid,  Kl.  Sehr.  4  (1893)  p.  127;  C.  M(üller), 
Die  ora  maritima  des  Avienus  (Philol.  32  (1873)  p.  106)  richtet  sich  gegen  MttUenhoffs 
Deutung  einzelner  Stellen;  G.  F.  Unger,  Der  Periplus  des  Avienus  (Philol.  Supplementbd. 
4  (1884)  p.  191);  A.  Sonny,  De  Massiüensium  rebus  quaest,  Dorpat  1887  (De  Avieni  ora 
maritima  p.  21);  Atenstaedt,  De  Hecataei  Milesii  fragmentis,  Leipz.  1891  (Quo  tempore 
Avieni  periplus  videatur  conditus  esse  quaeritur  p.  44);  Eimer,  Interne  all*  „Ora  mari- 
Üma*  di  Avieno  e  alle  sue  fonti  (Stndi  storici  2  (1893)  p.  358);  Ora  maritima.  Estudo  d'este 
poema  na  parte  respectiva  äs  costas  occidentaes  da  Europa.  Por  F.  M.  Sarmento.  2.  edi9. 
Forto  1896;  F.  Marx,  Aviens  ora  maritima  (Rhein.  Mus.  50  (1895)  p.  321);  Karten  zur  ora 
maritima  finden  sich  bei  Christ,  Abh.,  Müllenhof f.  I.e.  undW.  Sieglin  im  von  Spruner- 
Bchen  Handatlas,  Tafel  24,  1. 

Das  Einleitungsgedicht.  In  der  editio  princeps  geht  dem  Corpus  ein  Gedicht 
▼oraus,  welches  die  üeberschrift  trägt:  Rufus  Festus  Avienius  v.  c.  Flaviano  Myrmeico  v. 
c  suo  salutem.  Bei  dem  Adressaten  hat  man  an  den  Prokonsul  Africae  Flavianus  gedacht, 
fUr  dessen  Prokonsulat  wir  Daten  aus  den  Jahren  358  (Cod.  Theodos.  8,  5,  10)  und  361 
(Cod.  Theodos.  11,  36,  14)  haben;  femer  an  den  Flavianus,  der  im  Jahre  377  vic.  Africae 
war  (Cod.  Theodos.  16,  6,  2 ;  vgl.  Amm.  Marc.  28,  6,  28)  und  an  den,  der  382  praefectus  prae- 
torio  Illyrici  et  Italiae  war  (Cod.  Theodos.  9,  40,  13;  vgl.  noch  7,  18,  8;  9,  29,  2).  Vgl.  Mon- 
ceaux,  Revue  arch^ologique  9  (1887)  p.  194. 

Verlorene  Gedichte,  a)  Vergilsagen.  Serv.  zu  Verg.  Aen.  10,  272  stoici  dicunt 
h4MS  Stellas  (cometas)  esse  ultra  XXXII,  quarum  nomina  et  effectus  Avienus,  qui  iambis 
Mcripsit  VergUii  fahulas,  memorat  ....  sane  Avienus  cometarum  has  differentias  dicit, 
Serv.  zu  Verg.  georg.  1,  488  diri  cometae]  crinitae,  pessimae,  quia  sunt  et  bonae  ....  quam 
rem  plenissime  Avienus  exsequitur.  ß)  Liviusparaphrasen.  Serv.  zu  Verg.  Aen.  10,  388 
haec  fahtda  in  latinis  nusquam  invenitur  auctoribus.  Avienus  tarnen,  qui  totum  Livium 
iambis  scripsit,  hane  commemorat  dicens  graecam  esse.  Vielleicht  war  hier  Vorbild  Alphius 
Avitus  (§  513,  3). 

Die  zwei  apokryphen  Gedichte.  Mit  den  Ausgaben  des  Avien  werden  in  der 
Regel  noch  2  Gedichte  verbunden  (so  z.  B.  bei  Holder  p.  173  u.  p.  174),  allein  die  Ueber- 
lieferung  gewährt  keinen  festen  Anhalt  fQr  diese  Zuteilung.  Das  erste  Gedicht  wird  nur 
von  einem  Teil  der  Handschriften  unter  der  Aufschrift  Avieni  v.  c.  ad  amicos  de  agro 
aofgefahrt;  vgl.  Anthol.  lat.  ed.  Riese  No.  26  und  Baehrens,  Poet.  lat.  min.  4  p.  116.  Für 
das  zweite  Gedicht  de  Sirenis  scheint  sich  eine  handschriftliche  Zuteilung  an  Avien  über- 
hanpt  nicht  nachweisen  zu  lassen;  vgl.  Anthol.  lat.  ed.  Riese  No.  637  und  Baehrens, 
Poet.  lat.  min.  4  p.  154. 

Vorbilder.  Ora  marit.  Vs.  347  ut  auctor  Plautus  est.  Ueber  die  Nachahmung  des 
Lacrez  vgl.  Maass,  Aratea  p.  314;  F.  Marx  1.  c.  Sp.  2390.  BezQglich  der  Nachahmungen 
▼on  Cic.  Aratea  vgl.  z.  B.  Cic.  48  aecat  adra  pinnis  und  Avien.  Arat.  636  secat  aethera  pinnis. 
JHe  Benutzung  des  Germanicus  zeigt  sich  allenthalben.  Ueber  Nachahmungen  des  Vergil 
▼gl.  E.  Kosten,  De  Avieno  Dionvsii  interprete,  Tübingen  1888,  p.  16;  des  Horaz  Ausg.  von 
Keller-Holder  1*  (Leipz.  1899)  an  verschiedenen  Stellen,  z.  B.  epod.  3,  17. 

Die  Metrik  Aviens.  L.  Müller,  De  re  metrica,  Leipz.'  1894,  p.  99  und  p.  172; 
W.  Meyer,  Ueber  die  Beobachtung  des  Wortaccentes  in  der  altlateiniscnen  Poesie  (Abh. 
der  Münchener  Akad.  der  Wissensch.  17  (1886)  p.  113  (über  Betonungen)  und  p.  115); 
Hilberg,  Vorläufige  Mitteilungen  über  die  Tektonik  des  lateinischen  Hexameters  (Verh. 
der  39.  Philologenversammlung  p.  231);  Winterfeld,  Philol.  58  (1899)  p.  283. 

Fortleben  Aviens.  Hieronym.  ed.  Vallarsi  tom.  7  Sp.  706  D  ipsius  enim  et  genus 
9umus  [Act.  apost  17,  28]:  quod  hemistichium  in  Phaenomenis  Arati  legitur^  quem  Cicero  in 
laiinum  sermonem  transtulit,  et  Germanicus  Caesar,  et  nuper  Avienus  et  multi^  quos  enu- 
merare  perUmgum  est.    Ueber  das  Verhältnis  des  Avien  und  Ausonius  vgl.  Stahl,  De  Au- 

I  Bonianis  studiis  poetamm  graecorum,   Kiel  1886,  p.  19.    Bemerkt  sei,  dass  auch  Priscian 

,  seinen  Vorgänger  benutzte. 

Die  Ueberlieferung  ist  für  die  einzelnen  Gedichte  Aviens  verschieden,     n)  Für 

t  den  Arat  sind  Zeugen  der  Ambrosianus  D  52  inf.  s.  XV  (A),  der  Vindobonensis  117  s.  X  (V) 

:  und   die  editio  princeps  des  Georgius  Valla,  Venedig   1488  (E).    Winterfeld   (Do  Rufi 

\  Festi  Avieni  metaphrasi  arateorum  recensenda  et  emendanda,  Berl.  1895,  p.  4)  versucht  den 

Nachweis,  dass   der  Ambrosianus  aus  einem  vielfach  unlesbaren  und  24  Zeilen  auf  jeder 

Seite   enthaltenden  Apographon   des  Vindobonensis   geflossen   sei.    Allein   diese  Annahme 

findet  Breysig  (Berl.  philol.  Wochenschr.  1895  Sp.  1197)  bedenklich,  der  vielmehr  statuiert, 

dass  A  aus  derselben  Quelle  wie  V  stammt,   aber  nicht  direkt,  sondern   durch    mehrere 

\  Zwischenstufen,    ß)  Für  die  descriptio  sind  Zeugen  der  gen.  Ambrosianus  und  die  editio 

!    princeps;  hinzu  kommt  noch  ein  verloren   gegangener  Codex  Ortelianus,   dessen  Collation 

.   m  dem  Codex  Leidensis  Bnrmanni  21  enthalten  ist    y)  Für  die  ora  maritima  ist  allein 

2* 


{ 


20  Deoimns  Magnus  Aiuoiiiaa.    (§  786.) 

massgebend  die  editio  princeps  nnd  die  Vergleichnng  des  Orteliamis.    d)  Das  Gedickt 
an  Flavianns  Myrmeicns  ist  nur  durch  die  editio  princeps  überliefert^ 

Ausgaben,  a)  Gesamtaasgaben;  vgl.  A.  Holder,  Ausg.  p.  XVllL  Za  bemo-kee 
ist,  dass  von  den  7  Stücken,  die  dem  Festus  beigelegt  werden,  von  denen  aber  zwei  uo- 
kryph  sind,  die  Ansg.  nur  selten  alle  enthalten.  Besonders  fehlt  oft  das  inBchriftliche  Ge- 
dicht. Gesamtausg.  ist  daher  nicht  im  strengen  Wortsinne  aufzufassen.  Von  der  grSsaia 
Wichtigkeit  ist  die  editio  princeps  des  Georgias  Valla,  Venedig  1488.  An  die  ed.  piiic. 
reihen  wir  noch  die  Ausg.  des  P.  Pithoeus  in  den  Epigrammata  et  poemaiia  cetera,  Pan 
1590;  die  Melians,  Madrid  1634  (ohne  ki-itischen  Wert;  vgl.  Breysig,  Hermes  16  (1881 1 
p.  135).  Ausser  dem  Aratus  sind  alle  Werke  des  Avien  beiWernsdorf,  Poet.  lai.  voLh 
p.  1296,  p.  725,  p.  1157.  Alle  7  Nummern  sind  vereinigt  in  der  Ausg.  von  Gilea,  London  1848 
und  in  der  durch  den  kritischen  Apparat  massgebenden  Ausg.  A.  Holders,  Innsbmck  1887, 
der  auch  ein  ausführlicher  Wortindex  und  ausführliche  Bibliographie  (p.  XXXJ — LXY)  bd> 
gegeben  sind;  vgl.  dazu  Breysig,  Rhein.Mus.  55  (1900)  p.569;  56  (1901)  p. 563.  ß)  Spezial- 
ansgaben, a)  Des  Aratus.  Dieses  Werk  ist  öfters  mit  andern  Aratea  vereint,  z.  B.  im  Sji- 
tagma  Araieorum  des  Hugo  Grotius,  Leiden  1600  und  in  der  Aratausg.  von  Bnhle,  hagi 
1793—1801  und  in  der  von  F.  C.  Matthiae,  Frankfurt  1817.  Gesondert  ist  Aviens  Ante 
•publiziert  von  Breysig,  Leipz.  1882;  dazu  kommt  Avieni  prognostica  ed.  Breysig,  ESrfnrt  1882; 
vgl.  Novae  editiones  Arateorum  ....  ed.  J.  G.  Schaubach,  Meiningen  1817;  Jahns  Aickh 
12(1846)  p.  197;  Prosaische  Uebersetzung  I.Teil  von  P.  Gr.  Fischer  und  Fr.  Köppner, 
Eomotau  1893;  2.  Teil  von  P.  Gr.  Fischer,  Eomotau  1896;  Olivieri,  Sulla  tradnzioDe  ü 
R.  F.  Avieno  dei  vv.  1—732  di  Arato  (Rivista  di  storia  antica  3  (1898)  p.  182).  b)  Der 
descriptio.  Sie  steht  in  der  Ausg.  der  Geographi  graeci  minores  von  Bernhard^,  vd.1 
Dionys.  Perieget,  Leipz.  1828  und  Geographi  graeci  minores  von  C.  Müller  (P&hb*  1861) 
p.  177  f.  Ueber  eine  un  November  1513  in  Bologna  erschienene  Ausg.  mit  dem  Titel:  Situ 
orbis  Dionysii  Ruffo  Avieno  interprete,  deren  Herausgeber  Jo.  Antonius  Modeatns 
ist,  und  die  sehr  beachtenswerte  Lesarten  enth&lt,  vgl.  Breysig,  Rhein.  Mus.  55  (1900) 
p.  565.  Gesondert  wurde  die  descriptio  von  H.  Friesemann,!  Amsterdam  1786,  heran- 
gegeben; auch  in  der  Aratausg.  von  Matthiae  ist  die  Dionvsii  Orbis  teixamm  desoM 
beigegeben;  vgl.  auch  Wassii,  Miscellaneae  observationes  vol.  1  (Amsterdam  1732)  p.  773; 
vgl.  dazu  noch  die  Mitteilungen  p.  373;  vol.  5,  tom.  1  p.  64  und  p.  165.  Das  Einleitaiig» 
gedieht  ist  auch  abgedruckt  in  Anthol.  lat.  ed.  Riese  No.  876. 

3.  Decimus  Magnus  Ausonius. 

786.  Das  Leben  des  Ausonius.  Decimus  Magnus  Ausonius  war  zu 
Anfang  des  4.  Jahrhdts.  zu  Bordeaux  geboren.  Sein  Vater  Julius  Ausonius, 
von  dem  er  ein  schönes  Charakterbild  in  einem  Epicedion  entwirft,  war 
Arzt  und  erfreute  sich  als  Mensch  hohen  Ansehens.  Der  Sohn  erhielt  die 
rhetorische  Bildung  seiner  Zeit;  er  studierte  zuerst  in  Bordeaux,  dADn 
begab  er  sich  nach  Tolosa,  wo  sein  Onkel  Aemilius  Magnus  ALrborios^) 
eine  Professur  inne  hatte,  um  unter  dessen  höchst  wirksamer  Leitung  seine 
Studien  fortzusetzen.  Als  der  Onkel  nach  Constantinopel  berufen  wurde, 
kehrte  Ausonius  nach  Bordeaux  zurück  und  brachte  hier  seine  grammati- 
schen und  rhetorischen  Studien  zum  Abschluss.  Wie  der  Onkel,  so  wählte 
sich  auch  der  Neffe  die  Lehrthätigkeit  zum  Lebensberuf.  30  Jahre  lang 
bekleidete  er  eine  städtische  Professur  in  seiner  Vaterstadt,  zuerst  ose 
der  Grammatik,  dann  eine  der  Rhetorik.  Seine  Wirksamkeit  muss  eine 
glänzende  gewesen  sein,  weil  er  die  Aufmerksamkeit  des  Hofes  auf  sich 
zog.  In  der  Zeit  von  364—368  berief  ihn  der  Kaiser  Valentinian  nach  Trier, 
um  ihm  die  Erziehung  und  Ausbildung  seines  Sohnes  Gratian  zu  übertragen. 

*)  Patisson  veröffentlichte  im  Petron   I   antiken  meist  mittelalterliche  Gedichte  oit- 


(Paris  1587)  aus  einer  nnhekannten,  aber 
guten  Handschrift  ein  Liebesgedicht,  über 
welches  zu  vergleichen  Burckhardt,  Die 
Zeit  Constantins  d.  Gr.,  Leipz.«  1880,  p.  258. 
Spfiter  wurde  das  Gedicht  gefunden  in  einem 


Cod.  Remensis  743  s.  XY,  der  neben  einigen  |   5  p.  891. 


hält;  vgl.  Ellis,  Journal  of  nhiloL  9  (188(9 
p.  186.  Rivinus  schrieb  es  onne  Ghnmd  m- 
serem  Arborius  zu;  das  Gedicht  ist  jedod 
antik.  Abgedruckt  in  Anthol.  lat.  ed.  Ries« 
No.  897  und  bei  Baehrens,  Poet,  lat 


Deoimua  Magnus  Anaoniiui.    (§  786.) 


21 


Diese  Berufung  bedeutet  einen  wichtigen  Einschnitt  im  Leben  des  Ausonius. 
Seine  Stellung  sicherte  ihm  eine  glänzende  Zukunft.    Als  Valentinian  und 
Gratian  in   den  Jahren   868   und  369    im   Felde   gegen    die   Alamannen 
standen,  befand  sich  auch  unser  Dichter  im  kaiserlichen  Gefolge ;  als  Beute 
erhielt  er   ein  Schwabenmädchen  mit  Namen  Bissula,  dem  er   einen  an- 
ziehenden Liedercyclus  widmete.    Ehrenstellen  blieben  nicht  aus;  nachdem 
er  noch  zu  Lebzeiten  Yalentinians  comes  und  quaestor  sacri  palatii  ge- 
worden war,  erhielt  er  von  Oratian   die  Verwaltung  Oalliens   und  später 
in  Gemeinschaft  mit  seinem  Sohne  Hesperius  noch  die  Verwaltung  von 
Italien,  Dlyrien  und  Afrika.     Wahrscheinlich  erwies  sich  der  Sohn  geeig- 
neter als  der  Vater  und  geschah  die  Vereinigung  beider  Aemter  nur  zu 
dem   Zwecke,  um   den   Dichter  in    feiner  Form  bei   Seite   zu   schieben. 
Schliesslich  wurde  ihm   im  Jahre  379   sogar   das  Konsulat  zu  teil,  eine 
Auszeichnung,  die  den  alten  Schulmann  ausserordentlich  glücklich  machte. 
Als  Prinzenerzieher  fand  Ausonius  Zeit  genug,  £iich  in  rhetorischen  Dich- 
tungen und  Spielereien  zu  versuchen.    Selbst   der  Hof  nahm  Anteil  an 
diesen  Produktionen  und  veranlasste  das  eine  oder   das  andere  Gedicht; 
so  wurde  der  cento  nuptialis  auf  Anregung  Valentinians  geschrieben,  auch 
das  berühmte  Gedicht  über  die  Mosella  dürfte  höfischem  Einfluss  seinen 
Ursprung  verdanken.    Mit  der  Ermordung  seines  Gönners  Gratian  (383) 
hatte  auch  Ausonius  seine  Rolle  ausgespielt;  er  zog  sich  jetzt  vom  öffent- 
lichen Leben  zurück  und  suchte  wiederum  die  Stätte  seiner  Jugend,  Bor- 
deaux auf.    In  seiner  Heimat  lebte  er  als  feiner  Weltmann  ein  behag- 
liches Stilleben,  seine  Versifikationen  auch  hier  fortsetzend.    Unter  seinen 
Zeitgenossen  war  Ausonius  sehr  angesehen;  selbst  der  Kaiser  Theodosius 
bat  ihn  um  Uebersendung  seiner  Gedichte.     Zu  seinen  Freunden  zählte 
Ausonius  hochberühmte  Männer  seiner  Zeit;  wir  nennen  Symmachus,  ^)  den 
er  in  Trier  kennen  lernte,  und  seinen  eigenen  hochbegabten  Schüler  Paulinus, 
den  späteren  Bischof  von  Nola,  dessen  geistiges  Leben  später  eine  andere 
Kichtung  nahm  als  das   des  Lehrers.     Die  Briefe,  in   denen   sich  dieser 
Gegensatz  abspielte,  sind  für  uns  Dokumente  von  fast  welthistorischer  Be- 
deutung.   Gegen  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  (etwa  893)  erlöschen  die 
Spuren  des  Dichters.    Sein  Todesjahr  ist  uns  so  wenig  bekannt  wie  sein  Ge- 
burtsjahr.    Seine  Wirksamkeit  reicht  fast  durch  das  ganze  Jahrhundert. 

Allgemeine  Litteratur  über  Ausonins.  G.  G.  Heyne,  Censura  ingenii  et 
monun  Ansonii  (Opusc.  6  (1812)  p.  22);  J.  C.  Demogeot,  l^tudes  historiques  et  littäraires 
aar  Anaone,  Th^ae  Toulooae  1837;  Boecking  in  seiner  Aoag.  der  Mosella  (Jahrb.  des  Ver- 
eins  von  Altertomsfrennden  im  Rheinlande  7  (1845)  p.  60);  A.  Base,  Panlin  und  seine  Zeit 
1  (Regensb.  1856)  p.  119;  A.  Bacmeister,  Alemannische  Wanderungen,  Stuttgart  1867, 
p.  75  (Ein  alemannisches  Idyll  aus  dem  vierten  Jahrhundert);  P.  G.  Deydou,  Un  po^te 
bordelais  Ausone,  Bordeaux  1868;  G.  Kaufmann,  Rhetorenschulen  und  Klosterschulen  oder 


*)  EjMsi  1,  32  p.  18  S.  ewpertus  es  fidem 
meam  mentia  atque  dictorutn,  dum  in  camitatu 
degimua  ambo  aevo  dispari,  ubi  tu  veteris  mili' 
tiae  praemia  Uro  meruiati,  ego  tirociniutn 
iatn  peteranu8  exercui,  1, 14  p.  10  S.  schreibt 
Symmachus  bezüglich  der  vielen  in  der  Mo- 
sella aufgezählten  Fische :  atqui  in  tuis  mensis 
»aepe  versatus,  cum  pleraque  alia,  quae  tunc 
in  praetario  erant  esui  obieeta,  mirarerj  num- 
guam   hoc  genus  piscium  deprehendi.     Die 


Briefe  des  Symmachus  an  Ausonius  umfassen 
die  Nummern  1, 13—43  p.9ff.  S.  (1,  32  p.  17  S. 
Äu3oniu8  Symmacho).  Aus  denselben  sei 
sein  Urteil  über  Ausonius  angeführt  (epist. 
1,  20  p.  12  S.):  cui  tnorum  gravUas  et  disci- 
plinarum  vetustcts  curulis  sellae  insigne  pe- 
pererunt;  epist.  1,30  p.  16  S.:  aed  de  hoc  non 
lahorOy  quando  ita  es  ingenio  placahili  inter 
reliqua  pirtutum,  ut  hont  consulas  errata 
leviora. 


22  Decimna  Magnus  Ansoniiui.    (§  786.) 

heidnische  nnd  christliche  Eultor  in  Gallien  während  des  5.  und  6.  Jahrhunderts,  AoBonias 
und  seine  Zeit  (F.  Räume rs  historisches  Taschenbuch,  Leipz.  1869,  p.  8);  F.  Marx,  Pauly- 
Wissowas  Realencycl.  2  Sp.  2562;  R.  Dezeimeris,  Note  sur  Templacement  de  la  ▼ülnla 
d'Ausone,  Bordeaux  1869;  E.  Everat,  De  Ausonii  operibus  et  genere  dicendi,  Paris  1885; 
G.  Juli i an,  Ausone  et  son  temps,  I.  la  vie  d*un  Gallo-Romain  ä  la  fin  du  quatriöme  si^le 
(Revue  historique  47  (1891)  p.  241);  II.  la  vie  dans  une  cit^  Gallo-Romaine  ä  la  veille  des 
invasions  (L  c-  48  (1892)  p.  1);  Manitius,  Gesch.  der  christl.-lat.  Poesie,  Stuttgart  1891, 
p.  105;  0.  Denk,  (jesch.  des  gallo-fränkischen  Unterrichts-  und  Bildungswesens,  Mainz  1892- 
0.  Ribbeck,  Gesch.  der  röm.  Dicht.  3  (Stuttgart  1892)  p.  342;  C.  Hosius,  Einl.  zur  Mo- 
sella,  Marb.  1894,  p.  2;  Glover,  Life  and  letters  in  the  fourth  Century,  Cambridge  1901, 
p.  102;  M.  Duclaux,  La  Revue  de  Paris  8  (1901)  p.  512.  Eine  nützliche,  chronologische 
üebersicht  findet  sich  in  Peipers  Ausgabe  (Leipz.  1886)  p.  LXXXX. 

Biographisches.  Der  Dichter  heisst  Decimus  Magnus  Ausonius;  so  lesen  wir  im 
S.  Gallensis  899  und  Bruxellensis  5370  Decimi  Magni  Ausonii  Mosella;  über  den  Bei- 
namen Paeonius  und  seine  Entstellung  aus  Aeonius  vgl.  Brandes,  Auson.  qoaest.  spec.  1 
(Leipz.  Diss.  1876)  p.  8;  Fleckeis.  Jahrb.  123  (1881)  p.  77  und  Schenkl,  Ausg.  p.  V.  üeber 
sein  Leben  gibt  er  selbst  dem  Leser  ausführlichen  Bericht  (p.  2  Seh.).  Geboren  war  er  zu 
Burdigala:  3,  7  p.  2  ipse  ego  Burdigalae  genitua,  üeber  das  durch  weitläufige  Belnch- 
tungen  zu  bestimmende  Geburtsjahr  (etwa  310)  Brandes  L  c.  p.  15  und  Schenkl  p.  VI. 
üeber  seinen  Vater  Julius  Ausonius  15,  3  p.  41  Seh.;  3,  5  p.  2  Seh.:  Vasates  patria  est 
patri;  ibid.  Vs.  13  genitor  studuit  medieinae;  vgl.  15,  3,  13  p.  42  Seh.  üeber  das  Epicedion 
vgl.  p.  33  Seh.  üeber  seine  Mutter  Aemilia  Aeonia  vgl.  15,  4  p.  42  Seh.;  3,  5  p.  2  Seh.  gen$ 
Haedua  matri.  Ein  Stemma  der  Ausonier  bei  P  ei  per,  Ausg.  p.  CXV,  Schenkl  p.  XIV  und 
etwas  modifiziert  bei  Seeck,  Ausg.  des  Symmachus  p.  LXXVL  üeber  seine  Ausbildimg 
sagt  Ausonius  allgemein  3,  15  p.  2  Seh.  nos  ad  grammaticen  Studium  convertimus  et  mar  i 
rhetorices  etiam  quod  satis  attigimus,  üeber  seine  Lehrer  in  der  lateinischen  Grammatik 
vgl.  16,  11  p.  63  Seh.;  über  seine  Lehrer  im  Griechischen  und  über  seine  geringen  Fort- 
schritte in  dieser  Sprache  vgl.  16,  9  p.  62  Seh.  üeber  den  grossen  Einfluss,  den  der  ünt^- 
rieht  seines  Qpkels  Aemilius  Magnus  Arborius  auf  ihn  ausübte,  vgl.  15,  5  p.  42  Scb.  Da 
Ausonius  dem  Onkel  nach  Tolosa  folgte,  wo  derselbe  einen  Lehrstuhl  erhalten,  konnte  er 
19,  98  p.  101  Seh.  die  Stadt  seine  altrix  nennen.  Dass  Ausonius,  als  sein  Onkel  nach  Gon- 
stantinopel  berufen  wurde,  seine  Studien  in  Bordeaux  fortsetzte,  zeigt  Brandes  p.  28  auf 
Grund  von  16,  4  p.  57  Seh.  Bezüglich  seines  Berufs  als  Lehrer  der  Grammatik  sagt  er 
3,  17  p.  2  Seh. :  nee  fora  non  celebrata  mihi,  set  cura  docendi  |  cultior  et  nomen  grammatici 
merui  ....  exactisque  dehinc  per  trina  decennia  fastis  \  deserui  (so  Brandes  1.  c.  p.  30: 
adserui  V)  doctor  municipalem  operam  \  aurea  et  Augusti  palatia  iussus  ^dire  |  Augustam 
suholem  grammaticus  docui,  \  mox  etiam  rhetor.  Zuerst  lehrte  A.  in  Bordeaux  Grammi^, 
später  Rhetorik;  sein  Nachfolger  auf  dem  Lehrstuhl  der  Grammatik  war  Acilius  Glabrio;  vgl. 
16,  25,  5  p.  70  Seh.,  wo  er  diesen  anredet:  tu  quondam  puero  compar  mihi,  discipulus  mox  \ 
meque  dehinc  facto  rhetore  grammaticus.  Die  Berufung  des  A.  zur  Erziehung  Gratiazis  an  den 
Hof  zu  Trier  erfolgte  zwischen  364,  wo  Valentinian  zur  Regierung  kam,  und  368,  wo  A.  Yales- 
tinian  und  dessen  Sohn  Gratian  im  alamannischen  Krieg  begleitete,  doch  liegt  sie  nSlier  dem 
Endtermin,  vgl.  Seeck  p.  LXXIX.  Da  nun  A.  30  Jahre  hindurch  die  J^ofessur  in  Bordeaux 
bekleidete,  muss  er  diese  zwischen  384  und  338  erhalten  haben.  Die  Beteiligung  des  Ausomoe 
an  dem  alamannischen  Feldzug  in  den  Jahren  368  und  369  ergibt  sieh  aus  26, 1)  12  p.  128  Seh.; 
Moseila  422  p.  96  Seh.  üeber  die  Bissula  vgl.  25,  4  p.  126  Seh.  mit  der  späteren  Ueberschiift 
uhi  nata  sit  Bissula  et  quo  modo  in  manus  domini  venerit.  üeber  die  von  ihm  verwalteten 
Aemter  vgl.  3,  35  p.  3  Seh.:  cuius  (Gratianus)  ego  comes  et  quaestor  et  culmen  hanorum,  \ 
praefectus  Gallis  et  Libijae  et  Latio,  \  et  prior  indeptus  fasces  Latiamque  cunüem,  \  cohsmJ 
coUega  posteriore  fui.  Zur  Erläuterung  vgl.  0.  C lasen,  Heidelberger  Jahrb.  1872  p.  461. 
Gratiarum  actio  2,  11  p.  21  Seh.  tot  gradus  nomine  comitis  propter  tua  incrementa  congesti: 
ex  tuo  merito  te  ac  patre  principibus  quaestura  communis  et  tui  tantum  praefectura  hene- 
ficii.  Aus  dieser  Stelle  geht  hervor,  dass  A.  noch  zu  Lebzeiten  des  Valentinian,  ako 
nicht  nach  375  comes  und  quaestor  (saeri  palatii)  war,  dass  er  anderseits  erst  nach  dem 
Tode  Valentinians  zur  Präfektur  gelangte;  über  die  Präfektur  vgl.  11,  2,  42  p.  34  SgL: 
praefectus  Gallis  et  Libyae  et  Latio.  ^  13,  2,  91  p.  39  Seh.  spricht  A.  von  einer  duplex  prae- 
fectura. Zur  Erläuterung  dieser  Stellen  sei  bemerkt:  Im  Jahre  378  wurde  A.  mit  der 
praefectura  Galliarum  beti-aut.  Sein  Sohn  war  seit  377  praefectus  praetorio  Italiae,  Dly- 
rici,  Africae  (vgl.  jedoch  Brandes,  Paulin.  Euchar.  p.  269).  Beide  Präfekturen  wurden 
dann  vereinigt  und  unter  dem  Namen  einer  praefectura  Occidentis  Vater  und  Sohn  gemdn- 
schaftlich  übertragen.  Diese  Vereinigung  vollzog  sieh  zwischen  August  378  und  JoH  379; 
vgl.  die  Belegstellen  bei  Seeck,  Ausg.  des.  Symm.  p.  LXXX.  Sein  Konsulat  fiel  in  das  Jahr 
379;  sein  Kollege  war  A.  Clodius  Hermogenianus  Olybrius.  üeber  die  Danksagung  für  das 
ihm  verliehene  Konsulat  vgl.  unten  §  788  p.  30.  Auf  die  nach  dem  Tode  Gratians  etn^ 
tretene  Herrschaft  des  Maximus  bezieht  sieh  eine  merkwürdige  Notiz  vor  epist.  2  p.  158  ScL 


Deoimns  Magnus  Ausoniiui.    (§  787.) 


23 


cum  temporihus  ttfrannicia  ipse  TreverU  retnansisaet  et  filius  a  patre  profectus  esset.  Auf 
die  Niederwerfung  des  Maximus  durch  Theodosius  geht  19,  68  p.  100  Seh.  Ueber  die  Rück- 
kehr des  A.  in  seine  Heimat  und  über  seine  Landgüter  vgl.  P  ei  per,  Ausg.  p.  CYIIII;  12,  1 
p.  84  Seh.  heiast  es  einleitend:  cum  de  palatio  post  multos  annos  honoratissimus  quippe  tarn 
eamsul  redisset  ad  pcUriam.  Der  Briefwechsel  mit  Paulinus,  die  Briefe  an  Theon  u.  a.  haben 
die  Rückkehr  des  A.  in  seine  Heimat  zur  Voraussetzung. 

Selbstschilderung  des  Dichters.  11,  2,  41  p.  «S4  Seh.:  tnaximus  (der  Söhne  d.  h. 
Ansonius)  ad  sutnmum  columen  pervenit  honorum,  |  praefectus  Gallia  et  Libyae  et  Latio,  \ 
iranquillua,  Clemens,  oculis,  voce,  ore  serenus,  |  in  genUore  suo  mente  animoque  pater, 

1S1.  Die  Ausoninsausgaben.  Die  Herausgabe  der  ausonischen  Pro- 
dukte erfolgte  in  verschiedenen  Formen.  Hatte  Ausonius  ein  Oedicht  oder 
einen  Liederkranz  fertig,  so  teilte  er  sein  Produkt  zuerst  gern  einem  Freunde 
mit,  von  dessen  urteile  er,  um  bescheiden  zu  erscheinen,  es  abhängig 
machte,  ob  das  Werk  das  Licht  der  Oeffentlichkeit  erbUcken  oder  in  den 
Orkus  hinabsinken  sollte;  für  den  ersten  Fall  erbat  er  sich  zugleich  die 
bessernde  Hand  des  Freundes.  Allein  damit  war  schon  der  erste  Schritt  in 
die  Oeffentlichkeit  gethan;  denn  Ausonius  musste  wissen,  dass  der  Freund 
auch  andern  Bekannten  von  dem  neuesten  Erzeugnis  des  Dichters  Mitteilung 
machen  würde,  und  dass  viele  derselben  sich  beeilen  würden,  eine  Ab- 
schrift von  dem  bewunderten  Produkte  sich  zu  verschaffen.  So  hat  Auso- 
nius seinen  Cento  nuptialis  zwar  dem  Paulus  gewidmet,  allein  am  Schluss 
des  Gedichtes  wendet  er  sich  allgemein  an  den  Leser.  In  dem  einen  und 
in  dem  andern  Fall  mochte  dem  Ausonius  allerdings  die  Weiterverbreitung 
seines  Erzeugnisses  unangenehm  sein,  aber  im  allgemeinen  sah  er  es  sicher 
gern,  wenn  der  Freund  sich  um  dessen  Publizierung  bemühte.  In  Gegen- 
satz zu  dieser  Bekanntgebung  in  Freundeskreisen  tritt  die  buchhänd- 
lerische, ^)  welche  für  die  gesamte  Leserwelt  bestimmt  ist  und  sich  daher 
gern  in  einer  Vorrede  an  den  Leser  wendet.  Die  zwei  Publikationsarten 
gingen  auch  nebeneinander  her;  Symmachus  hatte  aus  Bekanntenkreis 
die  Mosella,  ehe  sie  auf  buchhändlerischem  Weg  nach  Rom  gelangte,  er- 
halten. *)  So  führten  die  verschiedenen  Gedichte  des  Ausonius  ein  verschie- 
denes Dasein.  Mit  der  Zeit  musste  der  Gedanke  erwachen,  diese  fliegenden 
Blätter  und  Bändchen  zu  einem  Corpus  zu  vereinigen,  um  sie  dadurch  von 
Ihrer  ephemeren  Existenz  zu  befreien;  und  wenn  nicht  alles  trügt,  hat 
Ausonius  selbst  vor  dem  Jahre  383  eine  Gesamtausgabe  seiner  Gedichte 
veranstaltet.  *)  Sie  liegt  uns  in  einer  Gruppe  von  Codices  vor,  deren  vor- 
nehmster Repräsentant  der  Tilianus  in  Leiden  ist.  Allein  die  Versifikation 
des  Ausonius  nahm  auch  nach  dieser  Zeit  ihren  Fortgang;  sie  bethätigte 
sich  sowohl  in  Anfertigung  neuer  Gedichte  als  in  Umarbeitung  alter.  Das 
eine  oder  das  andere  Produkt  blieb  unfertig  in  seinen  Papieren  liegen; 
auch  diese  Erzeugnisse  wurden  nach  dem  Tode  des  Dichters  zu  einer 
Ausgabe  vereinigt,  wahrscheinlich  rührt  dieselbe  von  des  Dichters  Sohn 
Hesperius  her.  Selbstverständlich  mussten  vor  allem  die  neuen  Gedichte 
aufgenommen  werden.  Auch  die  seit  dem  Erscheinen  der  ersten  Ausgabe 
umredigierten  opuscula  wollte  der  Herausgeber  nicht  ausschliessen,  ja  er 


»)  Seeck  (Gott.  gel.  Anz.  1887  p.  510) 
nennt  diese  beiden  Publikationen  die  ver- 
schämte und  die  offene. 

*)  Vgl.  epist.  1,  14  p.  9  Seeck. 

')  Dass  Ausonius  wirklich  seine  opus- 


cula in  neuen  Ausgaben  vereinigte,  ergibt 
sich  aus  11,  1,  8  p.  32  Seh.:  imagini  ipsius 
hi  versxis  subscripti  sunt  neque  minus  in 
opusculorum  fneorum  seriem  relati. 


24  Deoimns  Kagniui  Ansoniiui.    (§  787.) 

ging  in  seiner  Gewissenhaftigkeit  so  weit,  dass  er  selbst  unfertige  Kom- 
positionen dem  Publikum  mitteilen  zu  müssen  glaubte.  So  ist  diese  Sanun- 
lung  trotz  mancher  Doubletten  im  wesentlichen  eine  Ergänzung  der  erstes. 
Neben  diesen  beiden  Sammlungen  pflanzten  sich  einzelne  Gedichte  (2.E 
die  Mosella)  oder  GoUektionen  (z.  B.  solche  gleicher  Widmung)  in  ver- 
schiedenen Handschriften  fort.  Eine  Gesamtausgabe  der  ausonischen  Werke 
hat  es  im  Altertum  nicht  gegeben,  und  es  ist,  wie  ich  glaube,  verkehrt 
wenn  die  modernen  Herausgeber  eine  solche,  natürlich  jeder  in  seiner 
Weise,  herzustellen  suchen  und  dadurch  dem  Leser  die  Auffindung  der 
einzelnen  Stücke  so  sehr  erschweren.  Der  Herausgeber  kann  nur  die  zwä 
Ausgaben  unverkürzt  mitteilen  und  damit  die  wenigen  Nummern,  die  ausser- 
dem noch  von  Ausonius  herrühren,  verbinden.  Auch  die  antike  Ausgabe 
ist  ein  Stück  geistiger  Arbeit  und  verdient  eine  gewissenhafte,  anschau- 
liche Reproduktion.  1) 

Zur  Veröffentlichung  der  ausonischen  Gedichte.  Es  sind  2  Arten  za  miUi- 
scheiden:  a)  Uebergabe  an  Freunde:  20,  3  p.  104  Seh.  aequanimus  fiam  U  indiee,  m 
legenda  \  sive  tegenda  putes  carminay  quae  dedimus.  Im  folgenden  erwartet  er  von  Da 
Verbesserungen.  Epist.  21, 1  p.  182  Seh.  schreibt  Ausonius  dem  Paulinus:  de  quo  opuseulOf  u 
iubes,  faciam.  exquisititn  univeraa  limabo  et  quamvis  per  te  manus  summa  conügerit,  eadm 
superfluae  expolUianis  adhibebo,  magia  ut  tibi  paream,  quam  ut  perfectis  aliquid  adieitm] 
epigr.  35,  13  p.  205  Seh.  huius  {Proculua)  in  arbitrio  est,  seu  te  {libellus)  iuveneacere  eedro  |  m 
iubeat  duris  vermibus  esse  cibum.  \  huic  ego,  quod  nobis  super  est  ignobilis  oti,  \  depuio,  äet 
legat  quae  dabo  sive  tegat.  Am  Schluss  des  cento  nuptialis,  der  dem  Paulas  gewidiut 
ist,  heisst  es  (p.  146  Seh.):  cui  hie  ludus  noster  non  placet,  ne  legerit,  aui  eutn  I^fcri 
obliviscatur,  aut  non  oblitus  ignoscat.  Ausonius  schreibt  an  Synmiachus  epist.  17, 29  p.  178 Sek: 
sat  est  unius  erroris,  quod  aliquid  meorum  me  paenitente  vulgatum  est,  quod  bona  fortwu 
in  manus  amicorum  incidit.  Griphus  p.  127  Seh.  iste  nugator  libellus,  iam  diu  stenk 
quidem,  sed  vulgi  lectione  laceratus,  2>^fv^^i^  tandem  in  manus  tuas.  Quem  tu  aut  ut  Ätsett^ 
lapitis  redintegrabis  ad  vitam  aut  ut  Plato  iurante  Vulcano  liberabis  infamia,  si  pervemn 
non  debet  ad  famam,  /9)  Uebergabe  an  das  Publikum:  Diese  zweite  Form  kemueklDHi 
sich  dadurch,  dass  sich  der  Autor  an  den  Lector  wendet;  vgl.  3  p.  2  Seh.;  17,  1  p.  72  Sdk.; 
25,  3  p.  125  Seh. 

Die  Tilianusausgabe  (o)  bei  Schenkl,  Z  bei  Peiper).  Für  diese  Ansgibe 
steht  uns  eine  Reihe  von  jungen  Handschriften  zur  Verfügung,  von  denen  der  beste  Ver- 
treter ist  Leidensis  Vossianus  Q  107  s.  XV,  nach  seinem  frtlheren  Besitzer  Joannes  TOin 
(Du  Tillet)  Tilianus  genannt.  Die  Handschrift  wurde  bereits  von  Vinetos  benutzt;  ftbcr 
dieselbe  vgl.  Schenkl,  Ausg.  p.  XIX  und  Peiper,  Ausg.  p.  LXX.  Was  die  Zeit  der 
Sammlung  anlangt,  so  hat  Brandes  (Fleckeis.  Jahrb.  123  (1881)  p.  61)  gezeigt,  dass  die 
Sammlung  kein  einziges  Gedicht  enthält,  das  man  aus  irgend  welchem  Grunde  später  ak 
383  anseb^en  mOsste.  In  'das  Jahr  383  setzt  auf  Grund  von  epigr.  1,  7  p.  195  Seh.  Seeck 
(Gött.  gel.  Anz.  1887  p.  515)  die  Sammlung.  Sehr  wahrscheinbch  ist  es,  dass  die  Samm- 
lung von  dem  Dichter  selbst  herrflhrt;  vgl.  Seeck  1.  c.  p.  518.    Brandes  bezweifelt  ei. 

Die  Tilianusausgabe  umfasst  folgende  Bestandteile: 

1.  Eine  Epigrammensammlung,  eingeleitet  durch  ein  Gedicht  an  Gratian  Qp.  194  Sek); 
es  folgen  die  versus  paschales  (p.  30  Seh.);  die  einzelnen  Epigramme  sind  an^ezfthlt  tm 
Schenkl,  Ausg.  p.  AlX,  wo  auch  die  einzelnen  Lficken  angegeben  werden.  In  epigr.  2 
p.  195  Seh.  ist  eine  grössere  Lücke  zu  konstatieren,  indem  die  ersten  5  Verse  fehlen;  fibat 
die  Anordnung  der  Epigramme  vgl.  Brandes,  Fleckeis.  Jahrb.  123  (1881)  p.  74  und  daa 
Seeck,  Gött.  gel.  Anz.  1887  p.  513;   Marx,  Pauly-Wissowas  Realencycl.  2  Sp.  2567. 

2.  Liber  epistularum;  nach  den  versus  paschales  liest  man:  incipit  liber  epistularum] 
er  besteht  aus  12  Briefen  und  zwar:  a)  aus  3  Briefen  an  Paulus  (8,  10,  11  p.  166  Sek); 
eingeschoben  ist  nach  11,  16  p.  169  Seh.  semel  erubescerem  Gedicht  3  der  Bissola  p.  125; 
ß)  ein  Brief  an  Paulinus  (19  p.  179  Seh.);  y)  an  Ursulus  (18  p.  178  Seh.);  d)  zwei  Bnefe  n 
Paulinus  (21,  22  p.  181  Seh.);  e)  an  Tetradius  (15  p.  173  Seh.);  C)  an  Probus  (16  p.  174  Sek); 
r;)  drei  Briefe  an  Paulus  (12,  13,  14  p.  170  Seh.). 

3.  Die  monosticha  de  aerumnis  Herculis  (p.  153  Seh.). 


*)  Seeck  1.  c.  p.  519. 


Dedmos  Kagnns  Ausonins.    (§  787.)  25 

4.  Caesarea:  a)  3  Qrappen  von  je  12  Monosticha  ttber  die  12  Kaiser  Dach  Sueton 
mit  einer  Vorrede  an  Hespenns  (p.  112  Seh.);  ß)  6  Tetrasticha  über  die  Kaiser  von  Nerva 
bis  Conunodus  (p.  116  Seh.). 

5.  Verschiedene  Gedichte:  a)  epigr.  in  Scabiosnm  (107  p.  224  Seh.);  ß)  egloganun 
liber  11  de  menaihns  et  quattnor  anni  temporibus  (p.  14  Seh.);  y)  7  Epigramme  (108  -114 
p.  225  Seh.). 

6.  Qratianun  actio  (p.  19  Seh.). 

7.  Die  erste  Aasgabe  des  Technopaegnion,  die  dem  Paoünus  gewidmet  war  (27,  2—11 
p.  182  Seh.  nnd  18  p.  139  Seh.). 

8.  Griphns  temarii  nnmeri  (p.  127  Seh.). 

9.  Cenfco  nupiialis  (p.  140  Scn.). 

10.  2  Briefe:  a)  an  Theon  (4  p.  159  Seh.);  es  fehlen  die  Verse  69  und  87;  /9)  an 
Paalinos  (20  p.  181  Seh.). 

11.  Oratio  matatina  (4,  3  p.  4  Seh.);  die  Verse  8—16  fehlen. 

12.  Epicedion  in  patrem  ohne  die  praefatio  (p.  83  Seh.). 

13.  ProtrepUcns  ad  nepotem  (p.  36  Seh). 

14.  Cnpido  cmciatos,  dem  Proenlus  Gregorins  gewidmet  (der  Dichter  nennt  das  opus 
in  der  Vorrede  p.  121  Seh.  eine  egloga),  Beschreibung  eines  Gemäldes  aus  einem  Triclinium 
zu  Trier. 

15.  Die  Bissulalieder  mit  Ausnahme  des  Gedichtes,  welches  bei  Nummer  2  einge- 
schoben ist  (p.  125  Seh.),  am  Schluss  verstümmelt;  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  noch 
andere  Gediente  dadurch  verloren  gingen. 

Die  Vossianusausgabe  (V).  Dieselbe  ist  uns  erhalten  durch  Vossianus  111  s.  IX. 
Ein  Facsimile  findet  sich  vor  der  Ausg.  Schenkls  und  nach  der  Peipers;  die  Schrift  ist 
westgotisch;  vgl.  Rühl,  Fleckeis.  Jahrb.  137  (1888)  p.  338.  Ueber  die  Handschrift  vgl. 
C.  O.  Axt,  Quaest  Auson.  mazime  ad  cod.  Vossianum  111  spectantes,  Leipz.  1873;  Schenkl, 
Ausg.  p.  XXXII;  Peiper,  Ausg.  p.  XVIII;  Hartel,  Ausg.  des  Paulinus  2  (1894)  p.  V.  Dass 
diese  Ausgabe  erst  nach  dem  Tode  des  Dichters  entstanden,  ergibt  sich  aus  dem  Beisatz  zu 
ep]8t.2  p.  158Sch.:  hoc  incohaiutn  neque  inpleium  sie  de  liturariis  scriptum,  der  nicht  von 
einem  Abschreiber  herrühren  kann.  Ebenso  kann  die  Bemerkung  zu  epist.  2  p.  158  Seh.: 
cum  Umporihus  tyrannicis  ipse  Treveris  remansisset  et  filius  a  patre  profectus  esset  nicht 
von  Aoaonius  selbst  stammen.  War  die  V-Ausgabe  eine  postume,  so  erklärt  sich  auch 
leicht,  warum  hier  zweite  Ausgaben  von  Werken  und  die  in  die  späteste  Zeit  fallenden 
Gredi^te  des  A.  erscheinen  konnten.  Der  Charakter  der  V-Ausgabe  wurde  zuerst  richtig 
erkannt  von  Brandes,  Zur  handschriftlichen  Ueberlieferung  des  Ausonius  (Fleckeis.  Jahrb. 
123  (1881)  p.  59),  der  als  Herausgeber  des  Dichters  Sohn  Hesperius  vermutet.  Ueber  die 
Zeit  der  Ausgabe  (394)  vgl.  0.  Seeck,  Gott.  gel.  Anz.  1887  p.  516. 

Die  Vossianusausgabe  enthält  folgende  Bestandteile: 

1.  Die  Autobiographie  des  Dichters  in  elegischen  Distichen  (p.  2  Seh.). 

2.  Ein  Gedicht  an  Syagrius  (p.  3  Seh.). 

3.  Brief  an  den  Kaiser  Theodosius  (p.  1  Seh.). 

4.  Die  Ephemeris  (p.  3  Seh.). 

5.  Eglogarum  liber  1 — 10;  12—16  (p.  9  Seh.);  es  reihen  sich  an  die  Monosticha  de 
aenunnis  Hercnlis  (p.  153  Seh.),  an  die  sich  eglogarum  liber  17 — 19  schliesst. 

6.  Zwei  precationes  des  Konsul  Ausonius  pridie  Kai.  Januarias  und  Kai.  Januarüs 
(p.  17  Seh.). 

7.  Die  Parentalia  (p.  41  Seh.). 

8.  Commemoratio  professorum  Burdigalensium  (p.  55  Seh.),  an  welche  die  Epitaphia 
heroum  angeschlossen  sind  (p.  72  Seh.).  Zwischen  epitaph.  29  und  30  (p.  78  Seh.)  sind  epigr. 
49  und  50  (p.  209  Seh.)  eingeschoben. 

9.  Es  folgt  ein  neuer  liber  eglogarum;  er  besteht  aus  drei  Stücken  ethischen  In- 
halte, Pythagorica,  de  ambiguitate  vitae,  de  viro  bono  und  yal  xai  ov;  dazu  kommen  de 
aetatibuB  Hesiodion,  de  ratione  librae,  de  ratione  puerperii  (p.  147  Seh.).  Gewidmet  ist  diese 
Sammlung  dem  Pacatus  in  einem  aus  Hendecasyllaben  bestehenden  Gedicht  (p.  120  Seh.). 

10.  Es  folgt  de  herediolo,  vom  Nachlassammler  eingeleitet:  cum  de  palatio  post  multos 
annas  hanoraiissimus  quippe  iam  consul  redisset  ad  patriam,  mlluJam  quam  pater  liqua'at 
introgressus  his  versibus  lusit  Luciliano  stilo  (p.  34  Seh.);  versus  paschales  (p.  30  Seh.); 
oratio  consulis  Ausonii  versibus  rhopalicis  (p.  31  Seh.);  epicedion  in  patrem,  eingeleitet  durch 
eine  Vorrede,  in  der  es  heisst:  imagini  ipsius  hi  versus  subscripti  sunt  neque  minus  in 
opuscvlarum  meorum  seriem  relati  (p.  32  Seh.). 

11.  Ordo  urbium  nobilium  (p.  98  Seh.);  Technopaegnion  in  zweiter  Bearbeitung  dem 
Pacatus  gewidmet  (p.  132  Seh.). 

12.  Ludus  Septem  sapientum,  ebenfalls  dem  Pacatus  gewidmet  und  erweitert  (p.  104  Seh.). 

13.  Die  Caesarea,  seinem  Sohne  Hesperius  gewidmet  (p.  112  Seh.). 


26  Deoimns  Magnus  Aasonias.    (§  788.) 

14.  Zwei  Gedichte  zn  den  nicht  erhaltenen  fasti  consnlares  (p.  119  Seh.). 

15.  Griphos  temarii  nomeri  mit  einer  prosaischen  Widmung  an  Symmachas  (p.  127  Sek). 

16.  Briefe:  a)  ein  Brief  des  Symmachas  an  Ausonins  (epist.  1,  31  p.  16  Seeck);  b)  Ai- 
sonins  an  Symmachus  (epist.  1,  32  p.  17  S.;  p.  177  Seh.);  c)  Symmachas  an  Aasonias  (epiä 
1,  2.5  p.  14  S.);  d)  incipit  liber  epistalaram,  2  Briefe  an  Paalas  (N.  8  and  9  p.  166  Sck= 
Fünf  Briefe  an  Theon:  4  p.  159  Seh.;  7  p.  164  Seh.  (1  und  2);  5  p.  162  Seh.;  6  p.  163  Sek 

17.  Fünf  Familiengedichte:  a)  3  p.  158  Seh.;  b)  1  p.  157  Seh.;  c)  2  p.  158  Sek; 
d)  Protrepticus  an  Hesperias  (p.  36  Seh.);  e)  Genethliacus  ad  Ausonium  nepotem  (p.  40  Sek.  ( 

18.  Briefwechsel  mit  dem  nach  Spanien  ausgewanderten  Paulinus:  24  p.  187  Sek; 
25  p.  190  Seh.;  23  p.  186  Seh.,  auf  die  zwei  Briefe  des  Paulinus  folgen:  XI  p.  39  Haiul 
(Vs.  1—48);  X  p.  24  Hartel.  Den  Schluss  bildet  die  oratio  Paulini  (p.  3  H.),  ein  Gebet  nack 
dem  Muster  der  ausonischen  oratio  matutina. 

19.  Eine  Epigrammensammlung:  35,  8,  9,  71,  72,  73,  40,  44,  41,  47,  48,  42,  43,  21. 
84—89,  95,  68  (Schenk!  p.  205  u.  s.  w.). 

Ueber  die  V  und  to  gemeinsamen  Stücke  vgl.  Peiper,  Fleckeis.  Jahrb.  Snppk- 
mentbd.  11  (1880)  p.  281;  Brandes,  Fleckeis.  Jahrb.  128  (1881)  p.  69;  Berl.  philol.  Wo^ 
sehr.  1884  p.  593;  Seeck,  Gott.  gel.  Anz.  1887  p.  517. 

Die  übrigen  Sammlungen.  Auch  in  den  beiden  Sammlungen  sind  nicht  alk 
Gedichte  des  Ausonius  erhalten ;  sie  sind  zu  ergänzen  noch  durch  zwei  andere  Sammlongn. 
So  sind  die  Periochae  nur  erhalten  in  der  sog.  Pariser  Sammlung,  welche  vorliegt  im  Paiianii 
8500  s.  XIV  und  Harleianus  2613  s.  XV;  über  den  Parisinus  vgl.  Schenkl,  Aasg.  p.  XXXH: 
Peiper,  Ausg.  p.  XXXVI;  Hartel,  Ausg.  des  Paulinus  2  p.  X;  über  den  Harleianus  TgL 
Schenkl  p.  XL  Anm.  37;  Peiper  p.  XXXVIII;  Hartel  p.  XI.  Ausser  den  Periochae  ein- 
hält diese  Sammlung  noch  den  ludus  Septem  sapientum;  derselbe  hat  aber  eine  Erwei- 
terung erfahren  durch  die  nomina  et  sententiae  Septem  sapientum  eines  Anonymus  (p.  111 
Seh.);  femer  den  Briefwechsel  zwischen  Ausonius  und  Paulinus.  Zuerst  die  Briefe  da 
Paulinus  an  Ausonius  X  u.  XI  Hartel  und  die  des  Ausonius  an  Paulinus  23,  25,  24  Sek.; 
femer  den  Briefwechsel  des  Symmachus.  Zuerst  ein  Brief  des  Symmachas  an  Aosomu 
(1,  31  Seeck),  des  Ausonius  an  Symmachus  (177  Seh.),  des  Symmachus  an  Aasonias  (1, 2S 
Seeck);  dann  ein  Brief  des  Theodosius  an  Ausonius  und  dessen  Antwort.  Der  erste  Bnä 
(p.  1  Seh.)  ist  nur  hier  erhalten.  Weiter  enthält  die  Sammlung  den  GriphuB  (p.  127  Sek), 
epigr.  35  p.  205  Seh.,  Protrepticus  (p.  36  Seh.),  Genethliacus  (p.  40  Seh.),  egloga  de  ambi- 
guitate  vitae  (p.  147  Seh.),  der  am  Schlüsse  eine  Widerlegung  hinzugefügt  ist.  —  Die  zweite 
Sammlung  können  wir  die  Exzerptensammlung  nennen,  da  sie  mit  den  Worten  Inci- 
piunt  excerpta  de  opusciiUs  Decimi  Magni  Ausonii  eingeleitet  wird.  Für  dieselbe  habeii 
wir  zwei  Repräsentanten,  den  Sangallensis  899  s.  X  und  den  Bruxellensis  5369/73  s.  XII: 
über  die  beiden  Handschriften  vgl.  Schenkl  p.  XLIV;  Peiper  p.  LIII  und  p.  LIIII.  Diese 
Sammlung  enthält  die  Mosella  (p.  82  Seh.),  dann  den  Brief  des  Symmachus  an  Ausoniis 
(epjist.  1,  14  p.  9  Seeck;  p.  81  Seh.),  dann  die  Caesares  in  der  Redaktion  von  V  (p.  112  Sek). 
yal  xal  ov  (p.  150  Seh),  de  aetatibus  animantium  (p.  152  Seh.),  die  Monosticha  de  aerumnii 
Herculis  (p.  153  Seh.),  de  institutione  viri  boni  (p.  149  Seh.),  epigr.  68  (p.  214  Seh.)  und  2 
(p.  195  Seh.),  von  dem  die  ersten  5  Verse  nur  hier  überliefert  sind. 

788.  Die  Werke  des  Ausonius.  Wir  schreiten  zur  Besprechung 
der  Werke  1)  des  Dichters,  von  denen  der  grösste  Teil  in  gebundener 
Rede  abgefasst  ist.  Die  Gedichte  sind  in  der  Regel  zu  einzelnen  Gruppen 
zusammengeschlossen;  als  solche  ergeben  sich  von  selbst  Epigramme  und 
Briefe.  An  Epigrammen  haben  wir  über  100  Stück.  Ausser  einigen 
höfischen  Gedichten  und  einigen  auf  seine  Frau  haben  diese  Produkte 
nicht  viel  mit  dem  Leben  des  Dichters  zu  thun.  Nicht  wenige  sind 
üebersetzungen  aus  der  Anthologie;  diese  Dichtweise  läuft  oft  auf  Spie- 
lerei hinaus,  so  wenn  über  dasselbe  Thema  eine  ganze  Reihe  von  Epi- 
grammen gegeben  wird.  Auch  die  Mischung  von  Griechisch  und  Latei- 
nisch ist  hier  zur  Anwendung  gekommen,  manche  Epigramme  sind  ganz 
in  griechischer  Sprache  geschrieben.  Briefe  sind  uns  25  überliefert;  als 
Adressaten  erscheinen  Axius  Paulus,    Theon,    Tetradius,   Symmachus,  ür- 

^)  Vgl.  auch  E.  Evcrat,  De  D.  M.  Ausonii  operibus  et  genere  dicendi  (Th^se  Yon 
Clermont  1885)  p.  21. 


Deoimas  Magniui  Ansonins.    (§  788.)  27 

0ulu8  und  Probus.   Von  allen  Briefen  sind  am  interessantesten  diejenigen, 
welche    Ausonius    mit    Paulinus    wechselte.     Aus    dieser    Korrespondenz 
haben  aber   von  jeher   die   grösste   Bewunderung  diejenigen   drei  Num- 
mern erregt,   in  denen  Ausonius  seinen   ehemaligen  Schüler  Paulinus   zu 
seiner  Lebensführung    zurückzüleiten  sucht,    und    die  Paulinus   in    zwei 
Briefen  beantwortet.     Diese  Briefe,   die  ins  Jahr  393  fallen  werden,  sind 
das  letzte  Lebenszeichen,  das  wir  von  Ausonius  haben.    Ausser  den  Epi- 
grammen und  Briefen  heben  sich  in  dem  Corpus  Ausonianum  noch  andere 
Oruppen  ab.     Die  Ephemeris  oder  wie  zur  Erläuterung  später  hinzu- 
gefügt wurde  »Der  Geschäftskreis  des  ganzen  Tages'  besteht  aus  einem 
Cyklus   von   Gedichten   in   verschiedenen  Massen.     In   sapphischen  Stro- 
phen wird  der  Bursche  Parmeno  zum  Aufstehen  aufgefordert.     An  die 
sapphischen   Strophen   schliessen  sich  jambische  Dimeter,   in   denen   der 
Herr  dem  Diener  befiehlt,  ihm  Schuhe  und  Kleidung  zu  bringen;  er  will 
sich  waschen   und  dann  sein  Morgengebet   verrichten.     Dieses  in  Hexa- 
metern abgefasste  Gebet  wird  eingelegt;   dasselbe  trägt  durchaus  christ- 
liches Gepräge  und  ist  stark  dogmatisch  gehalten.     Die  jambischen  Di- 
meter nehmen  dann  wieder  ihren  Fortgang.    Der  Dichter  schickt  sich  nun 
zum  Ausgehen,   zum  Besuch  seiner  Freunde  an;   das  Gedicht  ist  jedoch 
durch  eine  Lücke  entstellt.     Es  folgen  jambische  Senare,  welche  die  Ein- 
ladung zum  Mahle  behandeln,  in  Distichen  ergeht  eine  Anweisung  an  den 
Koch.    Durch  eine  Lücke  ist  der  Schluss  und  damit  auch  der  Anfang  des 
folgenden  Gedichtes  verschlungen  worden.     In  Hexametern  erzählt  Auso- 
nius  die  Träume,  die  seinen  Schlaf  beunruhigen.    Die  Parentalia  sind 
eine   Sammlung  von  Gedächtnisepigrammen    auf  verstorbene  Angehörige 
und  Verwandte  des  Dichters.    Sie  werden  durch  eine  prosaische  und  durch 
eine    angeschlossene  poetische  Vorrede  eingeleitet.     Im   ganzen  sind  30 
Personen  besprochen,  und  wir  erhalten   dadurch  ein  klares  Bild  über  die 
verwandtschaftlichen  Beziehungen  des  Ausonims.    Es  weht  in  diesen  dich- 
terischen Erzeugnissen  heidnische  Anschauung,  doch  werden  Frauen  manch- 
mal so  charakterisiert,  dass  ihr  christliches  Bekenntnis  zu  Tage  tritt.    Das 
Metrum  der  meisten  Stücke  ist  das  elegische  Distichon,  unter  den  anderen 
Metra   ist  besonders   die  Nachahmung   eines    der   poetae  neoterici,    des 
Serenus,  bemerkenswert.     In  dieser  Sammlung  finden  wir  manche  Stelle, 
die  uns  wohlthuend  berührt,  doch  von  warmer  Herzenspoesie  ist  das  Ganze 
nicht  getragen.  Der  Cyklus  kam  nicht  vor  389  zur  Vollendung.  Andenseiben 
schloss  der  Dichter  die  Commemoratio  professorum  Burdigalensium. 
Auch  hier  handelt  es  sich  darum,  das  Andenken  an  verstorbene  Personen 
zu    ehren.     Charakterisiert   werden    die    Professoren   von   Bordeaux,    mit 
denen  Ausonius  in  irgend  welche  Beziehung  kam.    Sie  stammen  grössten- 
teils aus  Bordeaux  selbst,  sind  also  Landsleute  des  Dichters.    Doch  über- 
geht er  auch  die  nicht,   welche  aus  der  Fremde  kamen,   um  sich  in  Bor- 
deaux niederzulassen,  und  die,   welche  aus  Bordeaux  stammten,   aber  in 
der  Fremde  ihren  Lehrberuf  ausübten.     Die  Commemoratio  ist  ein  sehr 
interessantes,  kulturhistorisches  Denkmal,  weil  wir  mit  derselben  ein  üni- 
versitätsbild  aus  dem   vierten  Jahrhundert  erhalten.     Die  Charakteristik 
richtet  sich  sowohl  auf  die  wissenschaftliche  als  auf  die  moralische  Seite. 


28  Deoimas  MagniM  Amioniiui.    (§  788.) 

Metra  sind  in  dem  Cyklus  verschiedene  angewendet,  ausser  dem  elegischen 
Distichon  auch  die  sapphische  Strophe  und  die  Masse  der  neoterici.  Mit 
den  Professores  verband  Ausonius  noch  Epitaphien  auf  die  Helden, 
welche  den  trojanischen  Krieg  mitgemacht  hatten.  Er  legte  hier  eine 
griechische  Sammlung  zu  Orunde,  welche  in  den  unter  dem  Namen  des 
Aristoteles  gehenden  Peplos  eingereiht  war;  diese  Sammlung  fand  er  bei 
dem  von  Eustathius  benutzten  Porphyrius.  Die  Bearbeitung  der  griechi- 
schen Originale,  die  nur  einen  geringen  poetischen  Wert  haben,  ist  eine 
durchaus  freie  und  erweiternde.  Es  sind  26  Stück,  als  Versmass  erscheint 
das  Distichon,  seltener  der  Hexameter.  Mit  dieser  Sammlung  hat  eine 
fremde  Hand  noch  eine  kleine  Anzahl  anderer  Grabepigramme  verbunden, 
von  denen  einige  der  pfälzischen  Anthologie  nachgebildet  sind.  Zu  dieser 
Gruppe  von  Gedichten  stellen  wir  noch  das  Epicedion,  das  Ausonius 
seinem  Vater  gewidmet  hat.  Sehr  ansprechend  ist  der  Liedercyklus  auf 
das  Schwabenmädchen  Bissula.  Leider  ist  derselbe  nur  fragmentarisch 
erhalten.  Neben  den  Professores  ist  für  uns  am  belehrendsten  der  ordo 
nobilium  urbium,  ein  Charakterbild  der  berühmtesten  Städte  des  römi- 
schen Reiches.  Es  sind  20  Städte  behandelt,  Rom  macht  den  Anfang,  die 
Heimat  des  Dichters  den  Schluss. 

Der  ordo  nobilium  urbium  leitet  uns  zu  den  Gedichten  über,  welche 
mit  der  Lehrthätigkeit  des  Ausonius  in  Zusammenhang  stehen.  Es  sind 
versus  memoriales,  die  in  keiner  Weise  auf  dichterischen  Wert  Anspruch 
machen  können.  Hierher  gehören  die  in  dem  liber  eglogarum  ver- 
einigten Gedichte.  Sie  geben  die  für  den  Kalender  notwendigsten  Daten 
z.  B.  die  Namen  der  sieben  Wochentage,  die  Namen  der  Monate,^)  die 
Einteilung  der  Monate,  die  Tage  derselben  u.  s.  w.;  auch  der  Festkalender 
ist  nicht  übergangen.  Hieran  reihen  wir  die  Caesares,  welche  seinem 
Sohne  Hesperius  gewidmet  sind.  Zunächst  werden  die  zwölf  Caesares 
vorgeführt,  welche  Sueton  in  seinen  bekannten  Biographien  behandelt  hat 
Drei  Gruppen  von  je  zwölf  Monostichen  in  Hexametern  werden  dem  Leser 
dargeboten.  Die  erste  Gruppe  gibt  die  Reihenfolge  der  zwölf  Caesares, 
die  zweite  ihre  Regierungszeit,  ^)  die  dritte  ihren  Tod.  An  diese  Samm- 
lung schloss  Ausonius  eine  zweite  an,  in  der  er  über  den  Rahmen  der 
zwölf  Caesares  hinausgreift.  Hier  sind  jedem  Kaiser  zwei  Disticha  ge- 
widmet, so  dass  die  ganze  Sammlung  tetrastichisch  gehalten  ist.  Die  Reihe 
schliesst  mit  Antoninus  Heliogabalus.  Allein  die  Ueberlieferung  ist  am 
Schlüsse  lückenhaft.  Ein  Seitenstück  zu  den  Caesares  bilden  die  fasti  con- 
sulares,  von  denen  uns  aber  nur  die  vier  poetischen  Beigaben  erhalten  sind.') 
Sie  waren  in  mehreren  Ausgaben  vorhanden;  die  eine  war  seinem  Sohne 
Hesperius,  die  andere,  bis  382  erweiterte,*)  dem  Expräfekten  Proculus 
Gregorius  gewidmet.    Ein  Schulbuch  sind  die  Periochae  zu  den  einzelnen 

*)  Wir   verweisen   hier   auch    auf   das  '  *)  In  dieser  Gruppe  ist  ein  Vers  ans* 


Tetrastichon  authenticum  de  singulis  men- 
sibus  (Anthol.  lat.  ed.  Riese  No.  395;  Baeh- 
rens,  Poet.  lat.  min.  1  p.  206,  überh'efcrt 
im  Vossianus  Q  86  s.  IX).  Jedem  Monat  sind 
2  Distichen  gewidmet;  vgl.  auch  No.  11  u.  13 
bei  Baehrens. 


gefallen. 

»)  Vgl.  Sehen  kl,  Ausg.  p.  119. 

*)  Ausonius  war,  wie  er  in  der  Sab* 
scriptio  sagte,  als  quartus  ab  imo  zu  finden. 
Da  Ausonius  379  Konsul  war,  mossten  alBO 
noch  3  Jahre  folgen. 


XagBQs  Deoimns  Ansonins.    (§  788.) 


29 


n  der  Sias  und  der  Odyssee.    Sie  sind   in  Prosa  abgefasst,   doch 
diesen  prosaischen  Inhaltsangaben   die  Anfangsverse  der  einzelnen 
in  lateinischen  Versifikationen  voraus.    Aus  diesen  üebersetzungen 
t  man,  dass  der  Verfasser  seinen  Vergil  vollständig  inne  hatte ;  denn 
itnimmt  er  dem  Meister  Verse,  die  sich  mit  den  homerischen  decken, 
(trum  ist  glatt,  aber  der  üebersetzer  bleibt  doch  hinter  der  homeri- 
inmut  weit  zurück.     Eingeleitet  wird  das   Werkchen  durch   eine 
B  Über  den  Inhalt  der  Ilias  und  ihr  Verhältnis  zur  gesamten  Troja- 
illein  diese  Einleitung  ist  nicht  vollständig  überliefert.     Die  ganze 
wird  indes  neuerdings  nicht  dem  Ausonius  selbst,  sondern  einem 
oder  Verwandten  desselben  zugeteilt.    Eine  eigentümliche  Dichtung 
ludus  Septem  sapientum;   doch    auch  er  dürfte   seine  Wurzel 
iuUeben   haben.*)     Der  Cyklus  ist  dem  Drepanius,   Prokonsul  von 
im  Jahre  390,  gewidmet.    Die  Widmung  ist  in  elegischen  Distichen 
n,  der  ludus  selbst  in  jambischen  Senaren  geschrieben.   Es  ist  eine 
ippenspiel,   in   dem   nach  der  Ankündigung  des  Prologus  und    des 
die  sieben  Weisen   der  Reihe  nach  auftreten,   um   ihre  Sprüche 
agen.  Mit  der  Zeit  nimmt  es  der  Dichter  nicht  genau.   Sein  Pittacus 
sich  auf  Terenz  (Vs.  207),  ebenso  sein  Periander  (Vs.  220).     Auch 
rt  es  den  Poeten  nicht,   dass  Thaies  von  zwei  Vorgängern  spricht 
6),   während   doch  bereits  drei  Weise  aufgetreten  waren.     Merk- 
ist ferner,    dass  der  Ludius  einer  Discrepanz  in  Zuteilung   der 
3  an  Chilon  und  Selon  gedenkt  (Vs.  52).    Die  Sentenzen  der  Weisen 
zuerst  in  griechischer  Sprache  gegeben,  dann  übersetzt.    Das  Ganze 
mchen   komischen  Zug,    und   besonders  drollig  ist   es,   wenn   die 
das  Publikum  am  Schluss  zum  Klatschen  auffordern.    Aller  Wahr- 
chkeit  nach  war  die  Dichtung  für  ein  Schauspiel  bestimmt.     Im 
s  Senars  weicht  der  Dichter  in  Anlehnung  an  Plautus  von  seinen 
eobachteten  Regeln  erheblich  ab.    In  dieser  Gruppe  möge  auch  des 
pticus  an  seinen  Enkel  Erwähnung  geschehen. 
Jiv  kommen  zu  den  Spielereien  des  Ausonius  und  beginnen  mit  dem 
nuptialis.    Der  Kaiser  Valentinian  hatte  selbst   ein  solches  Ge- 
ns Vergil  zusammengesetzt  und  forderte  nun  den  Dichter  auf,  auch 
)its  ein  solches  Werk  abzufassen.    Die  Aufgabe  war  für  Ausonius 
ikle;  aber  er  löste  sie  in  geschickter  Weise.    Seine  Arbeit  legte 
einer  Widmung   dem  Valentinian   und  dem  Gratian  vor.     Als  er 
in  wieder  auf  das  Gedicht  in  seinen  Manuskripten  stiess,  zog  er  es 
Is  hervor  und   schickte  es  mit  einer  Vorrede,  in   der   er  sich  in 
lanter  Weise  über  die  Natur   des   Cento  ausspricht,  seinem  ver- 


T'n  vergleichen  das  Schanspiel  von 
)m  am  Geburtstag  ihres  Lehrers.  Es 
.2  Kämpfe  durchgeführt,  in  den  er- 
ist  das  Thema  gegeben,  in  dem  12. 
i,  der  poetische  Wettkampf  schliesst 
zten  Nummer  mit  der  Verherrlichung 
ers.  Die  Reihenfolge  der  Kämpfen- 
*  in  der  Weise,  dass  die  Ortung 
unpfes  zu  (jrunde  gelegt  wird  und 


in  jedem  folgenden  Kampf  der  erste  immer 
an  die  letzte  Stelle  rfickt.  Bei  den  Themen 
stossen  wir  selbstverständlich  auf  Vergil. 
Ueberliefert  ist  das  Schauspiel  unter  dem 
Titel:  carmina  duodecim  sapientum  de  dt- 
versis  catisis;  fiber  die  Ueberlieferung  vgl. 
Baehrens,  Poet.  lat.  min.  4  praef.  p.  19; 
abgedruckt  in  Anthol.  lat.  ed.  Riese  No.  495 
und  Baehrens  1.  c.  p.  119. 


30 


Deoimas  Kagnas  Aasoniiui.    (§  788.) 


trauten  Freunde  Axius  Paulus.  Nur  ein  Mann,  der  seinen  Yergil  ganz 
im  Gedächtnis  hatte,  konnte  sich  an  ein  solches  Werk  machen.  Auch 
das  Leserpublikum  musste,  wenn  es  die  Kunst  des  Dichters  bewundem 
sollte,  im  Yergil  durchaus  bewandert  sein.  Am  Schluss  folgt  eine  un- 
saubere Partie,  die  Ausonius  mit  Entschuldigungen  einleitet  und  mit  Ent- 
schuldigungen schliesst.  Aus  dem  keuschen  Yergil  ein  derartiges  Oedicht 
zusammenzuflicken,  machte  fQr  ihn  den  Höhepunkt  des  Cento  aus.^)  Eine 
Spielerei  nicht  in  der  Form,  aber  in  der  Sache,  ist  der  griphus  ternarii 
numeri.  In  allen  möglichen  Sphären  wird  die  Dreizahl  nachzuweisen 
gesucht.^)  Er  entstand  im  Jahre  368,  als  Ausonius  im  Feldlager  Yalen- 
tinians  weilte.  Auch  dieses  Produkt  lag  lange  in  den  Papieren  des  Yer- 
fassers,  bis  er  es  gelegentlich  wieder  hervorsuchte  und  mit  einer  Vorrede 
an  Symmachus  schickte.  Das  nichtswürdigste  Produkt  dieser  Spielereien 
ist  das  Technopaegnion.  Die  Künstelei  des  Dichters  besteht  darin,  dass 
alle  Hexameter  auf  ein  einsilbiges  Wort  ausgehen.  In  dem  ersten  Gedicht 
wird  die  Künstelei  so  weit  getrieben,  dass  das  einsilbige  Wort,  welches 
den  Yers  schliesst,  zugleich  den  Anfang  des  folgenden  bildet.  Natürlich 
musste  dieser  Zwang  nahezu  unerträglich  erscheinen.  In  einer  folgenden 
Gruppe  von  Stücken,  die  nach  sachlichen  Rubriken  geordnet  sind,  kommt 
dieser  Zwang  in  Fortfall,  und  wird  nur  der  Schluss  des  Hexameter  mit 
einem  einsilbigen  Worte  festgehalten.  Mit  Recht  nennt  der  Dichter  seine 
Arbeit  ein  unnützes  Werk  einer  geschäftslosen  Muse.  Ausonius  hatte 
diese  Spielereien  seinem  von  ihm  so  geliebten  Paulinus  zugeeignet.  Später 
im  Jahre  390  nahm  Ausonius  sein  Technopaegnion  nochmals  unter  die  Hand, 
besserte  daran,  machte  Zusätze  und  dedicierte  es  dem  Rhetor  Drepanius, 
der  damals  das  Prokonsulat  bekleidete.  Es  ist  ein  glücklicher  Zufall,  dass 
das  Gedicht  in  beiden  Sammlungen  erhalten  ist. 

Den  prosaischen  Stil  des  Ausonius  lernen  wir  aus  den  Yorreden  und 
Briefen,  am  besten  aus  der  Dank  rede,  welche  er  im  Jahre  379  an 
Gratian  für  das  empfangene  Konsulat  hielt,  kennen.  Dieselbe  ist 
in  sehr  geziertem  Latein  geschrieben  und  enthält  ausser  überschwenglichen 
Dankesbezeugungen  auch  einen  Panegyricus  auf  den  Kaiser.  Interessant 
ist,  wie  der  Rhetor  das  Ernennungsschreiben  des  Kaisers  interpretiert  und 
wie  er  die  stilistische  Kunst  in  demselben  bewundert. 

Die  Epigramme  des  Ausonius.  Wir  haben  zwei  Sammlungen,  eine  in  »,  eine 
in  V.  (Zur  Ueberlieferungsgeschichte  von  Epigr.  8  (p.  197  Seh.)  vgl.  Gottlieb,  Wien.  Stad. 
12  (1890)  p.  130.)  Die  in  V  stehende  umfasst  22  Epigramme  und  trägt  die  vom  Nachläss- 
Sammler  herrührende  Ueberschrift  de  diversia  rebus.  Die  Epigramme  sind  abgedruckt  in  der 
Reilienfolge  des  Vossianus  in  Peipers  Ausg.  p.  310,  wo  nur  21  und  22  p.  318  P.  anfliii- 
scheiden  sind.  Die  Sammlung  beginnt  mit  einem  Widmungsgedicht  35  p.  205  Seh.  Alle 
Epigramme  stehen  fibrigens  auch  in  ct>,  mit  Ausnahme  von  72  und  73  p.  216  ScL  Das 
Corpus  hat  unzüchtige  Gedichte  nicht  aufgenommen.  Die  oi-Sammlung  beginnt  mit  einem 
Widmungsgedicht  an  Gratian  (1  p.  194  Seh.).  Dasselbe  wird  in  die  Zeit  von  383  fallen;  vgl. 
Seeck,  Gott.  gel.  Anz.  1887  p.  515.  Es  schliessen  sich  an  die  versus  paschales  (p.  80  Sek), 
welche  nach  Vs.  25  nicht  vor  375,  in  welchem  Jahr  Gratian  zum  Augustus  erhoben  wurde, 
fallen.  In  einem  Einleitungsgedicht  sagt  Ausonius  (2  p.  195  Seh.):  laetis  seria  miseuimuSf 
temperte  ut  placeant.  noft  unus  vitae  coloi'  est  nee  carminis  unus  lector.  Der  Inhalt  der  Samm- 
lung ist  ein  sehr  verschiedener:  es  finden  sich  höfische  Gedichte;  vgl.  3 — 7  p.  195  Seh.;  Ge- 


*)  üeber  vergilische  Centonen  vgl.  Com- 
paretti,  Vergil  im  Mittelalter,  übers,  von 
U.  Dütschke,  Leipz.  1875,  p.  51. 


')  Eine  ähnliche  Spielerei  über  die  Drei- 
zahl findet  sich  in  dem  Austemgedicht  (epist 
7,  2  p.  164  Seh.). 


Decimas  Magnus  Amioniiis.    (§  788.)  31 

dichte  an  seine  Gattin  Attnsia  Lucana  Sabina,  welche  starb,  ehe  Auson  nach  Trier  kam: 
17,  18  p.  200  Seh.;  25,  26,  27  p.  203  Seh.;  auch  an  obscönen  Produkten  fehlt  es  nicht;  f&r 
eine  Reihe  von  Gredichten  lassen  sich  griechische  Vorbilder  in  der  Anthologie  nachweisen ; 
sie  tragen  sehr  oft  die  Ueberschrift  ex  Graeeo^  z.  B.  20  p.  201  Seh.;  21,  23  p.  202  Seh.; 
82-84  p.218  Seh.,  85—87  p.219  Scb.  Merkwürdig  sind  die  Variationen  über  dasselbe  Thema, 
so  56—63  p.  211  Seh.  in  Buculam  Myronis;  vgl.  auch  die  Gedichte  in  statuam  Ruft  und 
im  Bufi  imaginem  (p.  207  Seh.).  Auch  die  Mischung  des  Griechischen  und  Lateinischen  findet 
sich;  bald  ist  der  eine  Vers  lateinisch,  der  andere  griechisch  z.  B.  29  und  33  p.  204;  bald 
ist  der  eine  Vers  halb  griechisch,  halb  lateinisch,  so  37,  6  p.  206  Scb. ;  auch  ganz  grie- 
chische kommen  vor  z.  B.  31  und  32  p.  204  Scb.;  90  p.  220  Seh.  Aussei  den  versus  paschales 
tragen  die  Epigramme  kein  christliches  Gepräge.  Für  die  religiösen  Anschauungen  des 
Dichters  ist  b^nders  interessant  80  p.  204  Seh.  Mixoharharon  Liberi  patris  siyno  marmoreo 
in  riiia  nostra  omnium  deorum  argumenta  habenti,  fOr  welches  zu  vergleichen  Brandes, 
Beitr.  zu  Ausonins,  Wolfenbüttel  1895,  p.  5  (dagegen  Peiper,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1896 
Sp.  1421).  Ueber  eine  Lücke  der  Sammlung  vgl.  50  p.  209  Scb.  Die  meisten  Epigramme  sind 
in  elegischen  Distichen  abgefasst,  vereinzelt  finden  sich  aber  auch  andere  Masse,  z.  B.  114 
p.  226  Seh.;  81  p.  218  Scb.;  79  p.  217  Seh.;  62  und  63  p.  212  Scb.  --  R.  Peiper,  Fleckeis. 
Jahrfo.  Supplementbd.  11  (1880)  p.  229;  W.  Brandes,  Fleckeis.  Jahrb.  123  (1881)  p.  74; 
Rnbensohn,  Die  Grabschr.  des  Xanthias  und  des  Aus.  Verse  ,In  notarium*  (Aren,  für 
Stenogr.  53  (1901)  No.  2). 

Epigramme  der  Ausg.  In  den  Ausg.  des  H.  Avantius,  Venedig  1496  und  des 
Th.  Ugoletns,  Parma  1499  finden  sich  noch  Epigramme,  für  welche  wir  Handschriften 
nicht  nachweisen  können;  abgedruckt  in  den  Ausg.  von  Sehen  kl  p.  252,  Peiper  p.  419  und 
bei  Baehrens,  Poet  lat.  min.  5  p.  97.  Ueber  die  18  Epigramme  des  H.  Avantius  vgL 
Schenk  1  1.  c.  p.  XXX;  über  die  15  Epigramme  des  Ugoletus  vgl.  Schenkl  L  c.  Ueber 
die  Frage  der  Echtheit  vgl.  Peiper,  Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  11  (1880)  p.  226;  Ausg. 
p.  LXXXV.  Das  eine  oder  andere  Epigramm  kann  ja  ausonisch  sein,  die  Mehrzahl  ist 
sicher  unecht. 

Briefe  des  Ausonins.  Es  sind  im  ganzen  25  Stück  in  verschiedenen  Versmassen 
erhalten;  N.  17  p.  177  Scb.  ist  prosaisch,  auch  sonst  gehen  prosaische  Vorreden  den  Episteln 
voraus.  Ueber  das  aus  Griechisch  und  Lateinisch  gemischte  Gedicht  12  p.  170  Scb.  vgl. 
Wilamowitz,  Hermes  19  (1884)  p.  461.  Unter  den  Adressaten  heben  wir  hervor:  «)  Axius 
Paulus  (epist.  8 — 14  p.  166  Scb.).  An  ihn  gerichtet  sind  auch  die  Gedichte  über  die  Bis- 
Bula  (p.  125  Seh.)  und  der  Gento  nuptialis  (p.  140  Scb.).  Er  war  ein  Bigerritanus  (Bigerre 
11»  26  p.  170  Scb.).  Ueber  seine  Dichtung  Delirus  vgl.  epist.  11,9  p.  169  Seh.:  nisi  De- 
Ums  tuus  in  re  tenui  non  tenuiter  laborattis  opuscula  mea,  quae  promi  ttudtieras,  retar- 
dasset.  Nach  R.  Dezeimeris  (£tudes  sur  le  Querolus,  Bordeaux  1881)  soll  dieser  Delirus 
der  Querolus  sein  (§  32,  3);  vgl.  Bursians  Jahresber.  59.  Bd.  2.  Abt  (1890)  p.  48.  ß)  Theon 
(epist  4  —7  p.  159  Seh.),  y)  Tetradius  (15  p.  173  Seh.).  Er  stammt  aus  Ictdisma  (Angouldme); 
vgl.  Vb.  22.  Auf  seine  Satiren  bezieht  sich  Vs.  9 :  rttdes  camenas  qui  Sueasae  praevenis  \ 
aevoque  eedia,  non  stilo.  d)  Svmmachus  (17  p.  177  Scb.).  Der  prosaische  Brief  ist  auch 
bei  Symmachus  überliefert  (vgl.  Seeck,  Ausg.  p.  17,  wo  die  Briefe  des  Symmachus  an  Au- 
soniuB  13 — 43  p.  9  stehen).  Er  ist  die  Antwort  auf  den  Brief  des  Symmachus  1,  31  p.  16 
Seeck;  über  die  Zeit  vgL  Seeck  p.  LXXXII.  e)  Ursulus,  Grammaticus  Treverorum  (18 
p.  178  Scb.).  0  Sextus  Petronius  Probus,  praefectus  praetorio  und  Konsul  im  Jahre 
371  (16  p.  174  Seh.):  apologos  Titiani  et  Nepotia  chronica,  quasi  alios  apologos  (nam  et  ipsa 
instar  sunt  fabularum)  ad  nobilitatem  tuam  misi.  —  Die  Zeit  des  Briefwechsels  wird  be- 
sonders dadurch  bestimmt,  dass  sich  Ausonins  6  p.  163  Scb.;  13  p.  172;  15,  30  p.  174  Konsul 
nennt,  also  müssen  diese  Stücke  nach  379  fallen.  Epist.  4  p.  159  weist  Vs.  81  auf  den  Feldzug 
hin,  an  dem  sich  Ausonins  beteiligte,  kann  also  nicht  vor  368  geschrieben  sein.  Epist.  16, 
2,  20  p.  175  nennt  Ausonins  den  Probus  Konsul,  der  Brief  ist  also  nicht  vor  371  abgefasst. 
Epiat  1  p.  157  Scb.  ad  patrem  de  auscepto  filio  wird  in  die  Zeit  von  340 — 345  fallen;  vgl. 
Brandes,  Fleckeis.  Jahrb.  123  (1881)  p.  60.  Epist  2  p.  158  Scb.  ist  vor  Gratians  Ende  (383) 
al^efassi;  vf^  Brandes  p.  68  Anm.  10.  Epist.  18  p.  178  Scb.  ist  vor  375  geschrieben;  vgl. 
Brandes  p.  60;  epist.  9  p.  166  Seh.  fällt  nach  388;  vgl.  Peiper,  Ausg.  p.  CXII. 

Ausonins  und  Paulinus.  Suidas  s.  v.  Avaoyiog  aocpiatrjq  yeyQag)(og  iniatoXtlq  xai 
aXXa  tird  HQog  Noyyoy  (wo  Schenkl  richtig  NaXayoy  verbessert).  Erhalten  sind  uns 
sieben  Briefe  des  Ausonins  an  Paulinus  (epist  19—25  p.  179  Seh.;  23-29  p.  266  Peiper), 
femer  zwei  Antworten  des  Paulinus  (30  und  31  p.  289  P.;  carm.  10  und  11,  Bd.  2  p.  24  Ausg. 
des  Paulinus  von  Hartel,  Wien  1894).  Von  den  sieben  Briefen  sind  vier  durch  die  ct>- Aus- 
gabe, drei  durch  die  V- Ausgabe  überliefert. 

a)  Die  vier  Briefe  der  oi- Ausgabe.  Es  sind  die  Nummern  19  p.  179  Scb.;  20 
p.  181  Seh.;  21  und  22  p.  183  Seh.  Drei  Briefe  (N.  19  p.  179  Scb.,  21  p.  181  Seh.,  22  p.  183 
Scb.)  standen  in  einem  liber  epistularum,  der  dem  Axius  Paulus  gewidmet  war.    An  an- 


32  Deoimiui  Magnus  AoBoniiui.    (§  788.) 

derer  Stelle  stand  N.  20  p.  181  Seh.  Brief  N.  19  p.  179  Seh.  ist  die  Antwort  anf  UeW 
sendung  des  von  Paulinus  versifizierten  Buchs  Suetons  de  regibus  (§  533,  4);  vgL  p.  IbO,  U 
Seh.  hia  (litteris)  longe  iueundissimum  poema  subdideras,  quod  de  trtbiis  SuetonU  Ubru, 
quos  nie  de  regibus  dedit,  in  epitamen  eoegisti.  Ansonius  teilt  eine  Probe  ans  der  Bearbethng 
des  Paulinus  mit;  vgl.  Suetons  reliquiae  ed.  Reifferscheid,  Leipz.  1860,  p.  315.  N. 28 
p.  181  Seh.  beginnt  mit  den  Worten:  Paulino  Ausonius:  metrum  8%c  8uasit,  tU  esses  \  h 
prior  et  nomen  praegrederere  meum.  Daran  knüpft  der  Briefschreiber  grosse  Sehmeiehelda 
an  Paulinus:  Vs.  11  cedimus  ingenio,  quantum  praecedimus  aevo.  Da  Vs.  4  Ansonius  seiMi 
Konsulats  gedenkt,  ist  der  Brief  nach  379  geschrieben.  Er  eröffnete  wohl  eine  Sammliaig 
von  Briefen  an  Paulinus;  vgl.  Marx,  Pauly-Wissowas  Realencycl.  2  Sp.  2570.  In  Brief 
21  p.  182  Seh.  sagt  er:  illud  de  epistularum  tuarum  eruditione,  de  poematis  iucumdUak^ 
de  inventione  et  coneinnatione,  iura  omnia  nullt  umquam  imitcUfüe  ftUurum,  etsi  fateahr 
imitandum,  de  quo  opusculo,  ut  iubes,  faciam,  Exquisitim  univerea  Hmabo  et  quamvU  fir 
te  manus  summa  eoniigerit,  eaelum  superftuae  expolitionis  adhibebo,  magis  ut  tibi  pairtnm, 
quam  ut  perfectis  aliquid  adiciam.  interea  tarnen,  ne  sine  coroUario  poetieo  tabeflarius  tum 
redirety  paueis  iambicis  praeludendum  putavi,  dum  illud,  quod  a  me  heroieo  metro  desidem, 
incohatur.  N.  22  p.  183  Seh.  wendet  er  sich  in  der  Sache  Philos,  der  einst  Vilicus  da  \ 
Dichters  war,  an  Paulinus:  qui  apud  Ebromagum  eonditis  mereibus,  quas  per  agro9  diverm 
coemit,  concesso  ab  hominibus  tuis  usus  hospitio,  inmature  periclitatur  expelii  sowohl  ii 
prosaischer  als  in  poetischer  Form. 

ß)  Die  Briefe  der  V-Ausgabe.  Die  Sanunlung  umfasst  23  p.  186  Seh.,  24  p.  187  Sek. 
25  p.  190  Seh.  Sie  stehen  aber  in  V  in  der  Ordnung  24,  25,  23.  Aus  dem  Briefwedwi 
sind  uns  auch  durch  Paulinushandschriften  und  den  Yossianus  zwei  Stflcke  des  Paulin 
erhalten:  N.  10  p.  24,  N.  11  p.  39  Hartel.  N.  10  (Vs.  1—18)  besteht  aus  Distichen,  Va  19- 
102  folgen  iambische  Strophen,  aus  einem  Trimeter  und  Dimeter  bestehend,  Vs.  103—331 
haben  wir  eine  Partie  in  Hexametern.  Beide  Partien  kOndigt  er  in  den  EingangsdistidiM 
an  (Vs.  13):  ista  suo  reger enda  loco  tamen  et  graviore  \  vindieis  heroi  sunt  agitanda  tom.. 
interea  levior  paueis  praecurret  iambus  \  discreto  referens  mutua  verba  pede,  N.  11  b^ 
steht  Vs.  1 — 48  aus  Hexametern;  daran  reihen  sich  iambische  Strophen,  je  aus  einem  TH  \ 
meter  und  Dimeter  bestehend  (Vs.  49—68).  Im  Vossianus  folgen  sich  11  (Vs.  1 — 48),  dam 
10  (Vs.  103-331),  10  (Vs.  1—18)  und  10  (Vs.  19-102);  es  fehlt  also  von  11  die  iambisck 
Partie  (Vs.  49—68).  Am  voUsttodigsten  ist  dieser  Briefwechsel  durch  eine  Handschriften- 
gruppe des  Ansonius,  deren  Repräsentant  Parisinus  8500  s.  XIV  ist,  überliefert;  vgl.  Harteli 
Ausgabe  des  Paulinus  2  p.  X.  Ueber  den  Bestand  des  Briefwechsels  der  verschiedenen  An- 
sonius- und  Paulinushandschriften  vgl.  die  übersichtliche  Zusammenstellung  bei  Hartel  Lc 
p.  XV.  Wichtig  ist  die  Discrepanz  in  der  üeberlieferung  dieser  Briefe ;  besonders  bemerkem- 
wert  ist  der  Gegensatz  von  V  und  0  (Parisinus  2122  s.  X);  vgl.  Hartel  1.  c.  1  p.  VI.  Die 
stärkste  Abweichung  zeigt  N.  25  p.  190  Seh.  In  0  fehlen  die  Verse  6—19  und  38— IS, 
die  Verse  20,  24,  123,  130  haben  verschiedenen  Wortlaut.  Ueber  diese  Verschiedenhaitei 
vgl.  Leo,  Zum  Briefwechsel  des  Ansonius  und  Pauh'nus  (Nachr.  der  Qött  Ges.  der  WisseoflcL 
1896  p.  253)  und  dazu  Hartel,  Anz.  der  philos.-hist.  Classe  der  Wien.  Akad.  vom  19.  Mfll 
1897,  N.  XIV.  ^Es  ist  (in  0)  eine  bewusste  Redaktion  zum  Zwecke  kürzerer  Fassung,  nidit 
blosse  Interpolation  und  Streichung,  mit  der  wir  es  zu  thun  haben*  (Leo  p.  256). ^Die  Re- 
daktion deutet  auf  eine  Zeit,  die  nicht  viel  jünger  ist  als  die  des  Ansonius  und  Paulinu* 
(Leo  p.259).  Die  übrigen  Briefe  desAusonius  aus  dieser  Reihe  sind  nur  an  einzelnen  SteUoi 
überarbeitet,  und  es  steht  nicht  überall  fest,  ob  in  V  oder  in  0  das  ursprüngliche  erhaltei 
ist,  so  23,  34  (Leo  p.  262).  Ueber  die  chronologische  Reihenfolge  vgl.  Schenkl,  Praef.  p.X[; 
A.  Puech,  De  Paulini  Nolani  Ausoniique  epistularum  commercio  et  conmiunibus  studüs,  P^ 
1887,  p.  35;  R.  Peiper,  Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  11  (1880)  p.  326;  Hartel  (Aai^ 
p.  XVI)  statuiert  die  Reihe:  A.  24,  A.  23,  P.  10  und  die  Reihe:  P.  11,  A.  25;  Marx  lc 
Sp.  2575.  Dass  P.  11  auf  A.  25  folgt,  ist  zweifellos.  So  bezieht  sich  c.  11,  30  p.  40  BaM 
discussisse  iugum  querer is  me  auf  25,  1  p.  190  Seh.  discuiimus.  Pauline,  iugum,  Dagegei 
enthält  P.  10  Beziehungen  auf  A.  23  und  24.  Paulin.  10,  106  i  24,49;  10,  203  =  24,51; 
10,  192  II  23,  31.  Auch  der  Anfang  von  P.  10  klingt  an  den  Anfang  von  A.  24  an.  10,7 
sagt  Paulinus,  dass  er  drei  Briefe  auf  einmal  erhalten.  Allein  da  der  Brief  23  einen  Yoxaat- 
setzt,  und  der  Brief  24  als  der  vierte  bezeichnet  wird,  müssen  zwei  Briefe  verloren  gegaoges 
sein.  Die  Briefe  25  des  Ansonius  und  11  des  Paulinus  bilden  nicht  den  Anfang,  wie  Ebert 
will  (AUgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittelalters  P  (Leipz.  1889)  p.  298),  sondern  den  SdÜB» 
der  Korrespondenz.  Da  Paulinus  sich  etwa  389  nach  Spanien  begab  (Buse,  Paulin.  wU 
seine  Zeit  1  (Regensb.  1856)  p.  140),  und  Paulinus  10  vom  vierten  Sommer  spricht,  den  m 
in  Spanien  zubringe,  wird  die  Korrespondenz  ins  Jahr  393  fallen. 

Ephemeris  id  est  totius  diei  negotium.  Ueber  die  Abfassungszeit  vgl.  Her- 
tens, Zu  Ausonius  (Flcckeis.  Jahrb.  141  (1890)  p.  785).  Einen  Anhaltspunkt  bieten  £• 
Verse  1,  17  p.  8  Seh.,   wo   der  Dichter  träumt:   rursum  \  inter  captivos  trahor  exarmahu 


Deoimas  Magnue  AasonioB.    (§  788.)  33 

AUinos.  Im  Jahre  377  waren  wieder  nach  längerer  Pause  Alanen  über  die  Donau  ins 
iHmische  Gebiet  eingedrungen.  Da  die  zwei  letzten  Verse  auf  einen  Aufenthalt  in  Burdigala 
deaten,  so  wird  die  Ephemeris  Ende  379  entstanden  sein,  als  sich  Ausonius  nach  Burdigala 
iMgab,  um  sein  väterliches  Besitztum  zu  übernehmen.  Nachgeahmt  ist  die  oratio  matutina 
▼on  Paulin.  in  carm.  4,  2  p.  3  Hartel,  welches  ebenfalls  in  das  Jahr  379  gehören  wird;  vgl. 
Aoaon.  1  =  Paulin.  1 ;  Auson.  64  =  Paulin.  6.  Schon  auf  den  ersten  Blick  sieht  man,  dass  die 
Sphemeris  nicht  das  ganze  Tageswerk  des  Dichters  umfasst.  in  der  That  ist  zwischen  dem 
vorletzten  und  letzten  Gedicht  ein  Blatt  ausgefallen ;  über  eine  2.  Lücke  vgl.  Schenklp.  7.  Die 
omiio  matutina  ist  sowohl  in  der  Tilianus-  als  auch  in  der  Vossianusausg.  überliefert.  Ueber 
die  TJeberlieferung  in  anderen  Quellen  und  die  verschiedenen  Recensionen  vgl.  0.  Seeck,  Gott. 
gel.  Anz.  1887  p.  505.  Uebersetzung  bei  Baumgartner,  Gesch.  der  Weltlitt.  4  (1900) 
p.  187;  eine  Probe  auch  bei  Hey,  Blätter  für  das  bayr.  Gymnasialschulw.  38  (1902)  p.  241. 

Parentalia.  Ausonius  sagt  in  der  prosaischen  Vorrede  (p.  41  Seh.):  hoc  opusculum 
nme  nuUeria  amoenum  est  nee  appellatione  iticundum.  habet  maestam  religionemy  qua  carorum 
meorum  obittis  iristi  affectione  commemoro,  titultis  libelli  est  Parentalia,  antiquae  appeila- 
litknia  hie  dies  et  iam  inde  ah  Numa  cognatorum  inferiis  institutus:  nee  quicquam  sanctius 
%4Bbet  reverentia  superstitum  quam  ut  amissos  venerahiliter  recordetur.  Ueber  die  Ab- 
Gfteeungszeit  vgl.  Hertens,  Fleckeis.  Jahrb.  141  (1890)  p.  788.  6,  32  p.  44  Seh.  erwähnt  Au- 
lanias  sein  Konsulat.  Da  aber  Ausonius  sich  ungenau  Konsul  auch  nach  dem  Konsulatsjahr 
ftennt,  darf  nur  gefolgert  werden,  dass  die  Sammlung  nach  dem  Konsulatsjahr  379  ent- 
itanden  ist.  Eine  andere  Stelle  ist  11,  25  p.  46  Seh.,  wo  gesagt  wird,  dass  die  Gattin  des 
ausonius  Attusia  Lucana  Sabina  kurz  vor  der  Vollendung  des  28.  Lebenimhres  starb,  und  die 
Stelle  11,  8  p.  46  Seh.,  wo  der  Dichter  sagt,  dass  er  bereits  36  Jahre  Witwer  ist.  Würden 
■ir  das  Geburtsjahr  der  Sabina  genau  kennen,  so  könnte  die  Abfassungszeit  der  Parentalia 
^enau  fixiert  werden.  Jetzt  kann  diese  Rechnung  nur  approximativ  erfolgen;  auch  so  kommen 
irir  mit  Wahrscheinlichkeit  in  das  Jahr  879.  Mertens  hat  26,  5  p.  53  Seh.;  20,  9  p.  50  Seh. 
md  besonders  14,  11  p.  48  Seh.  herangezogen  und  ist  auf  Gnmd  der  letzten  Stelle  zu  der 
Sehlassfolgerung  gelangt,  dass  dieses  Gedicht  nicht  vor  dem  Jahre  389  anzusetzen  ist  und 
lass  die  Parentalia  nach  379  begonnen  und  nicht  vor  389  vollendet  wurden  (p.  790).  Ueber 
iie  Nachahmung  des  Serenus  in  29  p.  54  Seh.  vgl.  die  Note  Schenkls  und  L.  Müller, 
kasg.  des  Gl.  Rutilius  Namatianus  (Leipz.  1870)  p.  46.  Ueber  Frauen  christlichen  Bekennt- 
iiaeea  vgl.  14,  8  p.  48  Seh.;  vielleicht  auch  8,  8  p.  44  Seh.;  28,  3  p.  54  Seh. 

Commemoratio  professorum  Burdigalensium.  Der  Dichter  verbindet  deutlich 
iieee  Gedichte  von  verstorbenen  Professoren  mit  den  Parentalia;  vgl.  praef.  1  p.  55  Seh.: 
Vas  etiam,  quos  nuUa  mihi  cognatio  iunxit,  \  set  fama  et  earae  relUgio  patriae  \  et  Studium 
'm  lihris  et  sedula  cura  doeendi,  \  eommemorabo  viros  marte  obita  celebres,  Ueber  die  Ab- 
'easmigszeit  vgl.  Mertens,  Fleckeis.  Jahrb.  141  (1890)  p.  788.  6,  35  p.  59  Seh.  wird  auf 
Iie  im  Jahre  385  erfolgte  Hinrichtung  der  PriscillianiBten  angespielt;  vgl.  Richter,  Das 
reetxdniische  Reich,  Berl.  1865,  p.  635.  Da  die  Parentalia,  wie  wir  gesehen,  nicht  vor  389 
^llendet  wurden,  die  Professores  aber  sich  an  die  Parentalia  anschlössen,  müssen  dieselben 
mckk  389  entstanden  sein.  Damit  stimmt  die  Anspielung  auf  die  Tyrannei  des  Usurpators 
fajdmus  (383 — 888)  als  eine  abgeschlossene,  auf  die  wir  6,  23  p.  59  Seh.  stossen.  Einen 
Sinschnitt  macht  der  Dichter  mit  N.  21  p.  68  Seh.:  Hactenus  observata  mihi  lex  commemo- 
wmtii  I  eives,  sive  domi  seu  docuere  foris.  Von  den  charakterisierten  Personen  seien  ge- 
dumt:  Tiberius  Victor  Minervius  orator  (vgl.  auch  Hieronym.  z.  J.  2369  =  352  n.Chr.  (2 
u  194  Seh.)  und  Seeck,  Ausg.  des  Symmach.  p.  XLIV),  der  Lehrer  Julians  Latinus  Al- 
irnns  Alethius  rhetor  (vgl.  §  792,  4  p.  43),  Attius  Tiro  Delphidius  rhetor,  Leontius  gram- 
BAÜcns  cognomento  Lascivus  (vgl.  Buecheler,  Carm.  epigr.  No.631),  Jucundus  grammaticus 
rmter  Leonti,  Herculanus  sororis  filius  grammaticus.  Sowohl  in  den  Parentalia  (5  p.  42  Seh.  i 
Is  in  der  Commemoratio  (17  p.  66  Seh.)  ist  Aemilius  Magnus  Arborius  behandelt:  Inter 
tfg^tuMtas  iam  fletus,  avuncule^  manes,  \  inter  rhetoricos  nunc  memorandus  eris. 

Epitaphia.  In  einer  Vorrede  an  den  Leser  äussert  sich  Ausonius  p.  72  Seh.  also: 
cf  retn  pertinere  existimavi,  ut  vel  vanum  opusculum  materiae  congruentis  absoherem  et 
Ibelio,  qui  eommetnorationem  habet  eorum,  qui  vel  peregrini  <Burdigalae  vel>  Burdigalenses 
^reffre  docuerunt,  Epitaphia  subnecterem^  scilicet  titulos  sepulcrales  heroumy  qui 
ello  Troieo  interfuerunt.  quae  antiqua  cum  aput  phüologum  quendam  repperissem, 
miitu>  Sermone  converti,  non  ut  inservirent  ordini  persequendi,  set  ut  cohaererent  libere  nee 
herrarent.  Es  fragt  sich,  wer  der  Philologe  ist,  bei  dem  Ausonius  die  Epigramme  ge- 
anden.  Es  war  dies  Porphyrius,  welcher  diese  Epitaphiensammlung,  die  nach  Wendung 
E>e  Peplo  Aristotelico  quaest.  select.,  Strassb.  1891,  p.  58)  zwischen  250  und  150  entstanden 
md  in  den  prosaischen  Peplos,  ein  historisches  Miscellaneenbuch,  eingeschoben  wurde, 
Larana  entlehnt  hatte;  vgL  Wendling  1.  c.  p.  47  Anm.  1;  Bergk,  Poet.  lyr.  gr.  2^  p.  355 
knm.  63.  Ueber  die  griechischen  Sammlungen  vgl.  Bergk  1.  c.  p.  336;  Th.  Preger,  Zum 
tfiBtotelischen  Peplos  (Abh.  für  W.  Christ,  München  1891,  p.  58);   W.  Christ,  Gesch. 

Handbuch  der  klaai.  AltertumtwiMenachaft.    VIII.  4.  8 


34  DecimiM  Magnus  Ansonine.    (§  788.) 

der  griech.  Litt.,  M&nchen'  1898,  p.  484.  Ueber  das  Verhältnis  der  Bearbeitong  zam  grie- 
chischen Original  vgl.  Stahl,  De  Ansonianis  stadiis  poetamm  graeconun,  Kiel  1886,  p.  22. 
Der  Redaktor  der  Vossianussammlung  fügte  noch  einen  kleinen  Anhang  von  anderen  Crrabes- 
epigrammen  hinzu.  Manche  derselben  sind  uns  nur  durch  den  Vossianus  erhalten.  Yon 
diesen  Epigrammen  stellen  sich  einige  als  Uebersetzungen  der  Anthologie  dar;  vgl.  29  p.  78 
Seh.  =  Anthol.  Palat.  7,  64;  33  p.  80  Seh.  =  Anthol.  7,  228.  Aber  auch  eigene  Produkte 
finden  sich  unter  denselben;  merkwüdig  ist  32  p.  79  Seh.  itissu  Augusti  equo  ctdmirabüi, 

Gedichte  auf  die  Bissula.  Ausonius  schreibt  an  Paulus  (p.  125  Seh.):  poematia,  quae 
in  alumnam  meam  luseram,  rudia  et  incohata  ad  domesticae  aolacium  eantilenae,  cum  sine 
metu  ....  et  arcana  securitate  frtierentur,  proferri  ad  lucem  caligantia  coegisti.  Es  sind  sechs 
Stücke ;  am  interessantesten  ist  4  p.  126  Seh.  Die  Sammlung  ist  fragmentarisch.  Lateinischer 
Text  mit  deutscher  Uebertragung  in  Boeckings  Mosella  p.  69;  wohlgelnngene,  moderni- 
sierte Uebersetzung  bei  Bacmeister,  Alemannische  Wanderungen  1  (Stuttgart  1867)  p. 80. 

Ordo  urbium  nobilium  beschreibt  in  168  Hexameter  die  Städte:  Rom,  Constan- 
tinopel,  Carthago,  Antiochia,  Alexandria,  Treveris,  Mediolanum,  Gapua,  Aquileia,  AielAs, 
Hispalis,  Corduba,  Tarraco,  Bracara,  Athen,  Catina,  Syrakus,  Tolosa,  Narbo  und  Bnrdigili. 
Wie  Vs.  69  zeigt,  wurde  das  Gedicht  nach  der  Niederwerfung  des  Mazimua  888  abgefiust 
Vgl.  auch  Jahrb.  des  archaeol.  Inst.  1887,  Ergänzungsheft  1,  Tafel  4. 

Eclogarum  Hb  er.  Der  Titel  ist  urkundlich;  denn  in  V  heisst  es:  IneipU  egUh 
garum  de  nominibus  Septem  dierum.  Da  sich  alle  Gedichte  auf  den  Kalender  und  das 
damit  Zusammenhängende  beziehen,  hat  das  Buch,  wie  es  in  V  überliefert  ist,  einen  einheit- 
lichen Charakter;  nur  11  p.  14  Seh.  ist  nicht  in  V  erhalten.  Gegen  den  Charakter  des 
Buches  Verstössen  die  monosticha  de  aerumnis  Herculis,  welche  in  Y  zwischen  16  und 
17  Seh.  eingeschoben  sind.  In  die  Sammlung  sind  auch  aufgenommen  17  p.  16  8ch.,  Verse 
von  Q.  Cicero  (vgl.  Baehrens,  Poet.  rem.  fragm.  p.  315)  mit  folgender  üeMrschrift:  ^irtM^t 
Ciceronis  hi  versus  eo  pertinent,  ut  quod  Signum  quo  tempore  inlustre  sit,  noverimus.  Quod 
superius  quoque  nostris  versibus  expeditur.  Ueber  ein  mit  Unrecht  dem  Ausonius  bei- 
gelegtes Gedicht  de  signis  caelestibus  vgl.  P  ei  per,  Ausg.  p.  412.  Als  Quelle  wird  dem 
Ausonius  das  Pratum  Saetons  (§  534)  gedient  haben. 

Caesar  es.  Der  Sammlung  geht  eine  Vorrede  an  seinen  Sohn  Hesperios  vorana, 
in  der  es  heisst  (p.  112  Seh.):  sua  quemque  (dem  Kaiser)  monosticha  signant,  \  qu&rum  per 
plenam  seriem  Suetonius  olim  '\  nomina  res  gestas  vitamque  obitumque  peregit.  An  diese 
schliesst  sich  eine  zweite  Sammlung,  die  also  eingeleitet  ist  (p.  114  Scn.):  nunc  etpraedictos 
et  regni  sorte  sequenies  \  expediam,  series  quos  tenet  imperii.  \  incipiam  ab  divo  percurram- 
que  ordine  cunctoSy  \  novi  Romanae  quos  memor  historiae.  Eine  Vermutung  über  die  Quelle 
bei  Enmann,  Eine  verlorene  Gesch.  der  röm.  Kaiser  (Philol.  Supplementbd.  4  (1884)  p.  443). 

Periochae  Homeri  Iliadis  et  Odyssiae.  Diese  Schulschrift  wurde  zuerst  von 
Ugoletus  nach  einer  Handschrift  des  Antonius  Bemerius  herausgegeben;  vgl.  R.  Peiper, 
Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  11  (1880)  p.  208.  Zu  dieser  Textesquelle  kommen  noch  der 
Harleianus  2613  s.  XV  in  erster  und  Parisinus  8500  s.  XIV  in  zweiter  Linie;  vgl.  Brandes, 
Beitr.  zu  Ausonius.  lil.  Die  Periochae  Iliadis  et  Odyssiae,  Wolffenbüttel  1902,  p.  30.  In 
Parisinus  fehlt  jedoch  die  Ueberschrift.  Im  Harleianus  2613  lesen  wir  aber  (f.  19^):  Periodia 
Homerica  Iliadis  ab  Ausonio  und  f.  26^  Jneipit  periocha  Odyssiae  ab  Ausonio;  vgL  Peiper, 
Ausg.  p.XXXX.  Die  unvollständige  Einleitung  verspricht  (p.227  Seh.):  breviter  et  in  epOomat 
speciem  belli  Troiani  causam,  originis,  apparatus  quaeque  annis  superioribus  acciderunt,  retext- 
mus.  In  den  übersetzten  Anfangsversen  hat  der  Uebersetzer  manche  Stellen  der  Diditer 
verwertet.  Dias  8  =  Verg.  Aen.7,  26;  Ilias  11,  1  =  Verg.  Georg.  1,  447,  Aen.  4,  585;  Dias  19 
=  Verg.  Aen.  4,  129,  Aen.  11,  1;  Ilias  20,  2  =  Verg.  Aen.  2,  331;  Odyssee  13  =  Veif. 
Aen.  2,  1;  Odyssee  1  =  Horat.  de  arte  poet.  141;  vgl.  J.  Tolkiehn,  Homer  und  die  rOmische 
Poesie,  Leipz.  1900,  p.  126  Anm.  4;  Brandes  p.  21.  Ueber  Anklänge  an  Ver^  ygL  Tol- 
kiehn 1.  c.  p.  127  Anm.  2.  Merkwürdig  ist,  dass  der  lateinische  Vers  für  das  zwaniigita 
Buch  der  Odyssee  gar  nicht  mit  dem  griechischen  Text  übereinstimmt  Auch  findet  sich 
in  dem  Buch  selbst  keine  klare  Beziehung  auf  diesen  Vers;  vgl.  Tolkiehn  1.  c.  p.  128  Anm.1. 
Die  Echtheit  der  Schrift  wurde  zuerst  von  Peiper  (in  der  citierten  Abb.  p.  314)  beswetfdt; 
er  legt  sie  dem  Fulgentius  bei.  Seine  Ansicht  fand  Beifall  bei  Schenkl,  Ausg.  p.  LL 
Dagegen  hält  F.  Marx  (Pauly-Wissowas  Realencycl.  2  Sp.  2576)  das  Werk  fttr  ausonisck 
und  führt  hiefür  die  Anklänge  an  ausonische  Schriften  ins  Feld :  Ilias  2,  1  (p.  228  Sdu) 
caelestes  hominumque  gens  superabile  euris  =  epistula  19,  5  (p.  179  Seh.)  iam  volmertf 
hominumque  genus  superabile  curis;  Odyssee  10  (p.  238  Seh.)  patriamque  damum^ut  = 
Moseila  Vs.  440  patriaque  domoque;  Ilias  praef.  p.  227,  18  Scli.  plasma;  vgl.  eptsi.  10,  t 
(p.  168  Seh.).  Neuerdings  hat  Brandes  (1.  c.)  die  ganze  Frage  methodisch  untersucht  vbA 
mit  beachtenswerten  Gründen,  besonders  wegen  der  Stilverschiedenheit  (p.  18),  das  Weik- 
eben  dem  Ausonius  abgesprochen  (p.  19)  und  unter  Ablehnung  der  Fulgentius-Hypothese 
dasselbe  als  die  Arbeit  eines  Schülers  oder  Verwandten  des  Ausonius  erklärt  (p.  &). 


DeoimuB  Magnus  Ansonine.    (§  788.)  35 

Der  Indus  Septem  sapientum  erschien  zuerst  in  der  Ausg.  des  Th.  Ugoletus, 
Parma  1499.  Handscnriftliche  Quellen  für  denselben  sind  Yossianus  111  s.  IX  und  Parisinus 
8500  s.  XIV.  Da  der  Indus  dem  Prokonsul  Drepanius  von  Afrika  gewidmet  ist,  der  dieses 
Amt  im  Jahre  390  bekleidete  (vgl.  Cod.  Theodos.  9,  2,  4),  fällt  ^r  in  dieses  Jahr.  Ungenau 
nennt  sich  Ausonius  auch  hier  consul  statt  consularis;  vgl.  Brandes  p.  16.  In  der  Vorrede 
Bpncht  er  Aber  kritische  Zeichen;  vgl.  0.  Seeck,  Gott.  gel.  Anz.  1887  p.508  und  H.  Zimmer, 
Hermes  29  (1894)  P*  317.  Ueber  die  abweichende  Bildung  des  Trimeters  vgl.  Brandes, 
Beitr.  zu  Ausonius,  Wolfenbüttel  1895,  p.  22.  Ueber  den  archaistischen  Charakter  vgl.  Leo, 
Gott  gel.  Anz.  1896  p.  783.  Bezüglicn  der  den  Versen  eingefügten  griechischen  Worte 
inssert  sich  Brandes  also  (p.  29):  .Meines  Erachtens  hat  Ansonius  die  griechischen  Sen- 
tenzen nicht  sowohl  quantiüerend,  als  vielmehr  silbenzfthlend  in  seine  Jamben  eingefügt, 
indem  er  dabei  einzelne  Wortaccente,  die  für  das  Verständnis  wesentlich  sind,  an  Stelle  der 
metrischen  Accente  eintreten  liess.*'  Im  allgemeinen  urteilt  Brandes  also  (p.  30):  .Der 
Lndus  ist  ursprünglich  sicherlich  für  eine  Schuldeklamation  geschrieben,  ein  rasch  hin- 
ge^rorfenes  Gelegenheitsstück  —  daher  die  inhaltlichen  Widersprüche  und  Ungenauigkeiten 
(vgl.  über  dieselben  p.  19)  —  in  archaistischem  Versmass  und  Ton,  insofern  vergleichbar 
mit  unseren  Nachahmungen  Hans  Sachsens  seit  Groethes  Jugendzeit.**  —  Oft  werden  anter 
dem  Namen  Ausonius  ohne  jede  handschriftliche  Gewähr  die  Sprüche  der  sieben  Weisen 
in  je  sieben  Zeilen  in  verschiedenen  Massen  aufgeführt;  vgl.  dieselben  bei  Wölfflin, 
PabliliiSyri  sententiae,  Leipz.  1869,  p.  149,  bei  Baehrens,  Poet.  lat.  min. 3  p.  159;  Schenkl, 
Appendix  Ausonii  p.  246  und  Peiper,  Ausg.  des  Ausonius  p.  406;  vgl.  auch  W.  Brunco, 
Zwei  lat.  Spruchsammlungen,  BayreuÜi  1885,  p.  19.  Eine  zweite  ebenfalls  unrichtig  dem 
Ausonius  zugeteilte  Sammlung  enthält  nach  zwei  einleitenden  Hexametern  in  sieben  Mono- 
•tichen  die  Sprüche  der  sieben  Weisen,  welche  aus  der  Anth.  Pal.  9,  366  genommen  sind; 
vgL  Schenkl  1.  c.  p.  250  und  Peiper  1.  c.  p.  409.  Ueber  ein  von  Apollinaris  Sidonius 
benutztes  Exzerpt  vgl.  Manitius,  Fleckeis.  Jahrb.  137  (1888)  p.  80. 

Cento  nuptialis.  In  einem  Brief  an  Paulus  (p.  140,  8  Seh.)  sagt  Ausonius:  sanetus 
itnperator  VaUntinianus,  vir  meo  iudicio  eruditus,  nuptias  quondam  eiusmodi  ludo  descrip- 
serat,  aptis  equidem  versibus  et  compositione  festiva,  experiri  deinde  volens,  quantum  nostra 
contentione  praeeelleret,  simile  nos  de  eodem  coneinnare  praecepü  ....  hoc  tum  die  uno  et 
addUa  lucübratione  properatum  modo  inter  liturarios  meos  cum  repperiasemy  tanta  mihi 
eandoris  tui  et  amoris  fiducia  est^  ut  aeveritati  tuae  nee  ridenda  aubtraherem.  Es  folgt 
eine  Vorrede  an  die  beiden  Kaiser  Valentinian  und  Gratian.  Der  eigentliche  cento  zerfällt 
in  verschiedene  Unterabteilungen,  cena  nuptialis,  descriptio  egredientis  aponsae  und  aponai, 
obiaiio  munerum,  epiihcUamium,  ingreaaua  in  cubiculum.  Die  unsaubere  Partie  wird  durch 
eine  eigene  Vorrede  eingeleitet  (p.  145  Seh.):  Hactenua  caatia  auribua  audiendum  myate- 
rium  nuptiiüe  ambitu  loquendi  et  cireuitione  velavi.  verum  quoniam  et  feacenninoa  amat 
ceiebritaa  nuptialia  verborumque  petulantiam  notua  veter e  inatituto  ludua  admittit,  cetera 
guoque  eubiadi  et  leeiuli  operta  prodeniur.  Auch  am  Schluss  (p.  146  Seh.)  verwahrt  er 
aach  dagegen,  dass  die  Leser  ne  fortaaae  morea  meoa  apectent  de  earmine.  Der  cento  wird, 
"vie  der  Griphus,  368  entstanden  sein,  in  welchem  Jahr  Ausonius  den  Valentinian  im  Ala- 
mannenfeldzuge  begleitete. 

Griphus.  Ueber  die  Entstehung  sagt  er  in  einer  Vorrede  an  Symmachus  (p.  128 
8ch):  in  expeditione  (368),  quod  tempua,  ut  acia,  licentiae  militaria  eat,  auper  menaam  meam 
facta  eat  invitatio,  non  iUa  de  Bubrii  conviviOy  ut  Graeco  more  biberetur,  aet  illa  de  Flacci 
fig^oga,  in  qua  propter  mediam  noctem  et  novam  lunam  et  Murenae  auguratum  ternoa  ter 
epathoa  attonitua  petit  vatea,  hunc  locum  de  ternario  numero  ilico  noatra  iUa  poetica  aeabiea 
eoepii  exealpere.  Charakteristisch  ist  die  Aeusserung  (p.  128,  35  Seh.):  eiuamodi  epyllia,  niai 
mal  obscura  aint,  nihil  futura. 

Das  Technopaegnion  ist  in  beiden  Recensionen  überliefert.  Ueber  das  Verhältnis 
derselben  vgl.  Baehrens,  Fleckeis.  Jahrb.  113  (1876)  p.  152  und  richtiger  W.Brandes, 
Zor  handschriftlichen  Ueberlieferung  des  Ausonius  (Fleckeis.  Jahrb.  123  (1881)  p.  70).  Die 
ernte  Ausgabe  ist  dem  Paulinus  gewidmet;  hier  heisst  es  (p.  132  Seh):  miai  ad  te  Techno- 
paegnion, inertia  otii  mei  inutile  opuaculum.  Die  zweite  Ausgabe  ist  dem  Prokonsul  Pa- 
estns  (390)  gewidmet;  hier  heisst  es  (p.  132  Seh.):  libello  Technopaegnii  nomen  dedi,  ne 
ami  ludum  laboranti  aut  artem  crederea  defuiaae  ludenti.  Die  Paulinusrecension  ist  durch 
m,  die  Pacatusrecension  durch  V  überliefert.  Dass  die  Pacatusrecension  in  V  später  ist, 
geht  schon  daraus  hervor,  dass  in  der  Pacatusrecension  sich  der  Abschnitt  de  litteria 
numoagllabia  graecia  ac  latinia  (p.  138  Seh.)  hinzugesetzt  findet;  es  ist  aber  wenig  wahr- 
scheinlich, dass  Ausonius  von  seinen  mühsam  geschaffenen  Kunststücken  in  einer  neuen 
Ausgabe  eines  getilgt.  Auch  ist  das  acire  velim  catalepta  legena,  quid  aignificet  tau  der 
pAiilinusrecension  in  der  Pacatusrecension  erweitert  worden  zu:  die,  quid  significent  Cata- 
lepta Maronia?  in  hia  dl  \  Celtarum  poauit,  aequiiur  non  lucidiua  tau  (13,  5  p.  139  Seh.). 
Aach  hier  dürfte  es  misslich  sein,   die  erweiterte  Stelle  als  das  prius  anzusehen.    Ausser 

3* 


36  Deoimus  Magnne  AasoninB.    (§  789.) 

den  Erweiterungen  finden  sich  auch  Aendemngen.  So  moBste  13,  21  p.  139  Seh.  indulge, 
PauUne  in  der  Pacatusrecension  geändert  werden  in  indulge^  Pacaie.  Merkwürdig  iat,  dass 
p.  134  Seh.  auch  in  der  Paulinosrecension  Pacato  steht;  vgl.  eine  Vermutong  darfiber  bei 
Brandes  1.  c.  p.  71.  Ueber  seine  Kunststücke  spricht  er  sich  in  seinem  Brief  an  Paulinas 
also  aus  (p.  132  Seh.]:  versiculi  sunt  monosylJabis  eoepti  et  monosyUahis  ierminati,  nee  hie 
modo  stetit  scrupea  difficuUas,  sed  accessit  ad  miseriam  concinnandi,  ut  idem  nu>no9yUabon, 
quod  eiset  finis  extremi  versus,  principium  fieret  insequentis.  Dieser  höchsten  Stofe  von 
Künsteleien  tritt  eine  freiere  Gruppe  gegenüber,  die  er  durch  eine  Vorrede  einleitet»  wo  er 
sagt  (p.  133  Seh.) :  et  hi  versieuli  monosyllabis  terminanturf  exordio  tarnen  libero,  quamquam 
fine  legitimo.  Es  sind  sachliche  Rubriken  zu  gründe  gelegt,  z.  B.  de  membris,  de  dis,  dt 
cibiSy  de  historiis  u.  s.  w. 

Gratiarum  actio  dicta  domino  Gratiano  Augnsto.  Der  £[aiser  hatte  dem 
Ausonius  seine  Ernennung  zum  Konsul  mit  folgenden  Worten  mitgeteilt  (9  p.  25  Seh.) :  cum 
de  consulibus  in  annutn  ereandis  solus  mecutn  volutarem,  ut  tne  nosti,  [atque]  ut  faeere 
debui,  ut  velle  te  sciviy  consilium  meum  ad  deum  rettuH.  eius  auctaritati  obsecutus  te  am- 
suJem  designavi  et  declaravi  et  priorem  nuncupavi;  vgl.  auch  4  p.  22  Seh.:  solvere  te  quod 
debeas  et  adhuc  debere  quod  solveris.  Das  eigentliche  Lob  Gratians  wird  eingeleitet  durch 
die  Worte  (13  p.  26  Seh.):  existimant,  cum  ea,  quae  ad  grates  agendas  pertinebant,  sum- 
matim  lenuiore  filo  sicut  dicitur  deducta  Hbaverim,  aliqua  me  etiäm  de  maiestatis  tuae  laudibut 
debere  perstringere. 

Oratio  consulis  Ausonii  versibus  rhopalicis.  Das  Gedieht  steht  im  Voa- 
sianus  zwischen  den  versus  paschales  und  dem  Epicedion  in  patrem.  Es  ist  in  Kenleo- 
versen geschrieben,  d.  h.  in  Versen,  welche  mit  einem  einsilbigen  Worte  beginnen  und  n 
einem  2,  3,  4,  5silbigen  Worte  vorschreiten,  z.  B.  Spes,  DeuSy  aeternae  stationis  conciUator. 
Vgl.  oben  p.  12.  Das  Gedicht,  welches  durchaus  christlichen  Geist  atmet,  wird  eingehend 
erläutert  von  Brandes,  Beitr.  zu  Ausonius,  Wolfenbüttel  1895,  p.  12.  Die  Echtheit  des 
Gedichts  wird  von  Brandes  bezweifelt  (vgl.  auch  L.  Müller,  De  re  metrica,  Leipz.*  1894, 
p.  580);  er  hat  eine  Reihe  von  Verdachtsmomenten  zusammengestellt  (p.  18):  «Ein  grosser 
Teil  des  Wortschatzes  ist  dem  Ausonius  fremd  und  gehört  der  besonderen  Kirehensprache 
an;  die  Bedeutung  einzelner  Wörter  ist  eine  andere,  als  sonst  bei  ihm;  die  Metnk  ist 
schlecht  und  zeigt  ein  Nachlassen  nach  kurzem  Anlauf;  endlich  ist  der  Verfasser  der  Kenntnis 
späterer  Dichter  verdächtig.** 

Die  Ausoniana  der  Appendix  Vergiliana.  Erst  später  wurden  in  die  Appendix 
Vergiliana  aufgenommen  auch  die  Gedichte:  est  et  non,  de  viro  bono,  de  rosis  nascentibas; 
vgl.  Baehrens,  Poet.  lat.  min.  2  p.  9.  Weder  Servius  noch  Sueton  erwähnen  dieselben. 
Die  3  Gedichte  sind  abgedruckt  in  Anthol.  lat.  ed.  Riese  No.  644—646;  die  zwei  ersten 
Gedichte  auch  bei  Sehen  kl,  Ausg.  p.  149,  das  dritte  bei  Schenkl  p.  243.  Die  Gedichte 
„de  viro  bono*^  und  „est  et  non**  sind  durch  den  Vossianus  111  als  ausonisch  bezeugt,  und  wir 
haben  keinen  Grund,  sie  dem  Ausonius  abzusprechen;  dagegen  lässt  sich  das  dritte  Cre- 
dicht  „de  rosis*^  in  der  uns  erhaltenen  ausonischen  Ueberlieferung  nicht  nachweisen.  Die 
Zuteilung  an  Ausonius  beruht  lediglich  auf  der  Ausgabe  des  H.  Ale  an  der,  Paris  1511,  der 
sich  auf  die  fides  vetusti  codi  eis,  der  verschollen  ist,  beruft.  Schenkl,  Ausg.  p.  XXXVI: 
R.  Peiper,  Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  11  (1880)  p.  210  und  p.  305. 

Verlorene  Werke.  Die  Schrift  de  dubiis  nominibus  gibt  uns  drei  Fragmente  an 
die  Hand;  vgl.  Gramm,  lat.  5  p.  579,  3;  5  p.  582,  27;  5  p.  589,  6.  Die  Fragmente  sind  lo- 
samm engestellt  bei  Schenkl,  Ausg.  p.  226.  Auch  die  prosaischen  fasti  consulares  sind, 
wie  bereits  im  Text  angegeben,  nicht  erhalten. 

789.  Die  Moseila.  Rom  war  schon  lange  nicht  mehr  das  ZeDtrum 
des  Reiches,  andere  Städte  überstrahlten  es.  Unter  den  Nebenbuhlerinnen 
der  ewigen  Stadt  nimmt  Trier  eine  der  ersten  Stellen  ein.  Hier  resi- 
dierte der  Hof,  wissenschaftliches  und  künstlerisches  Leben  gelangten 
zu  einer  bemerkenswerten  Nachblüte.  Es  lag  daher  nahe,  diesen  neuen 
Mittelpunkt  des  römischen  Lebens  durch  ein  panegyrisches  Gedicht  zu 
feiern.  Für  die  Abfassung  eines  solchen  Panegyrikus  musste  Ausonius, 
der  als  Lehrer  Gratians  mit  dem  Hof  in  den  engsten  Beziehungen  stand, 
besonders  geeignet  erscheinen.  Er  löste  seine  Aufgabe  in  der  Weise,  das8 
er  sich  zum  Sänger  der  Mosel  aufwarf.  Er  schildert  den  schönen  Fluss  mit 
seiner  krystallenen  Flut,  beschreibt,  wohl  einer  gelehrten  Quelle  folgend,  die 
Fische,  die  in  seinem  Wasser  leben,  berührt  dann  die  am  Ufer  sich  hin- 


DeoimnB  Xagnae  AnBoniiM.    (§  789.)  37 

ziehenden  RebenhQgel,  malt  das  Treiben  der  Götter  und  Göttinnen  des 
Flusses,  führt  uns  die  Schifferkämpfe  und  Sehifferspiele  auf  dem  Strome, 
in  dem  sich  die  Rebenhügel  wunderbar  spiegeln,  in  anschaulicher  Weise  vor. 
Daran  reiht  sich  eine  wirkungsvolle  Schilderung  des  Fischfangs,  die  Be- 
trachtung der  Bauwerke  an  den  Ufern  der  Mosel,  die  sich  den  besten 
Erzeugnissen  des  Altertums  an  die  Seite  stellen  können,  die  Aufzählung 
der  hauptsächlichsten  Nebenflüsse  und  die  Charakterisierung  der  an- 
wohnenden Bevölkerung.  Ein  Epos  über  die  Thaten  hervorragender  Belgier 
verspart  er  sich  für  die  Zukunft.  Nachdem  der  Dichter  noch  die  Ver- 
einigung des  Rheines  und  der  Mosel  in  den  Bereich  seines  Gedichts  ge- 
zogen, stellt  er  sich  selbst  seinem  Lesepublikum  vor  und  verspricht, 
späterhin  nochmals  die  Mosel  zu  besingen. 

Das  Gedicht  übt  auf  uns  einen  eigentümlichen  Reiz  dadurch  aus, 
dass  wir  sehen,  wie  Natur  und  Oertlichkeiten,  die  uns  vertraut  und  wert 
geworden  sind,  schon  vor  anderthalbtausend  Jahren  dieselben  Eindrücke 
bei  dem  Beschauer  hinterliessen  wie  heutzutage.  Im  Grunde  genommen  ist 
aber  die  Poesie,  die  aus  dem  Gedichte  strömt,  eine  kalte,  weil  sie  über 
das  Beschreibende  nicht  hinauskommt.  Ein  Vergleich  unserer  Moseila  mit 
dem  Reisegedicht  des  Rutilius  Namatianus  zeigt,  wie  unendlich  höher 
dieser  zweite  Gallier  seine  Aufgabe  erfasst.  In  dem  Reisegedicht  bricht 
überall  eine  starke  Individualität  durch,  und  die  grossen  Weltbegeben- 
heiten bilden  den  Hintergrund,  in  der  Mosella  spiegeln  sich  weder  die 
Zeitereignisse  noch  die  Individualität  ab. 

Abfassungszeit  der  Moseila.  Da  nach  Vs.  450  Valentinian  I.  noch  am  Leben 
ist,  mofls  das  Qedicht  vor  375  fallen.  Ein  Jahr  vor  875  erhalten  wir  durch  Deutung 
der  Verse  409  ff.  auf  eine  bestimmte  Persönlichkeit.  Nach  Boecking  ist  dies  Sextus  Pe- 
tronius  Probus,  der  praefectus  praetorio  fOr  Italien,  Illyrien  und  Afrika  in  den  Jahren  368 
— 875  war.  Dieser  erreichte  das  Konsulat  im  Jahre  371,  und  auf  dasselbe  spielt  Ausonius 
Vb.  409  an.  Die  Richtigkeit  dieser  Identifizierung  ergibt  sich  besonders,  wenn  man  den 
Brief,  den  Ausonius  an  den  Genannten  schrieb  (16  p.  174  Seh.),  ins  Auge  fasst.  Darnach 
ist  die  Mosella  im  Jahre  871  geschrieben.  Damit  stimmt  auch  eine  andere  Erwägung. 
^vmmachos  schickt  nach  369  Ausonius  die  naturalis  historia  des  Plinius  (epist.  1,  24  p.  14  S.). 
mne  Benutzung  derselben  findet  sich  in  der  That  in  der  Mosella,  in  den  anderen  Gedichten 
aber  keine.  Von  der  Mosella  ist  im  Brief  noch  keine  Rede,  und  doch  wdrde  bei  den 
engen  Beziehungen,  die  sich  zwischen  Ausonius  und  Symmachus  herausgebildet  hatten,  eine 
Erwähnung  derselben  erfolgt  sein,  wenn  sie  .vorhanden  gewesen  wäre.  Damit  kommen  wir 
dem  Abfassnngsiahr  371  sehr  nahe.  Interessant  ist  der  Brief  (1,  14  p.  9  S.),  den  Symmachus 
nach  dem  Erscheinen  der  Mosella  an  Ausonius  richtet.  Es  heisst  hier  (p.  ip  S.):  volitat 
tuHM  Mosella  per  manus  sinusque  multorum  divinis  a  te  versihus  consecratus;  vgl.  C.  Ho- 
sius  TOT  seiner  Ausgabe  p.  17. 

Ueber  die  Ueberlieferung  siehe  oben  p.  26. 

Speziaiausg.  der  Mosella  von  Tross  (mit  Uebersetznng  und  Commentar],  Hamm 
1820  nnd  1824;  E  Böcking  (lateinisch  und  deutsch),  Berl.  1828;  Moselgedichte  des  Au- 
sonius und  Venantius  (lat  und  deutsch)  von  £.  Böcking  ( Jahrbücher  des  Vereins  von  Alter- 
tmnsfireunden  im  Rheinlande,  Anhang  zu  Heft  7  (Bonn  1845);  H.  de  la  Ville  de  Mirmont, 
Edition  critique,  pr^c^döe  d'une  introduction  avec  commentaire  et  omöe  d'une  carte  de 
laMoaelle  et  facsimil^  d'^ditions  anciennes,  Bordeaux  1889;  vgl.  dazu  dessen  Sur  quelques 
oorrections  apport^es  au  texte  de  la  Moselle  d'Ausone  (Annales  de  la  Facult^  de  Bordeaux 
1887,  N.  1);  erkl.  von  G.  Hosius,  angehängt  die  Moselgedichte  des  Venantius,  Marb.  1894. 

üebersetzungen  von  Oppen,  Göln  1837;  Hessel,  Bonn  1894;  von  R.  E.  Ott- 
mann, Trier  1895;  von  Th.  Vulpius  (Jahrb.  fUr  die  Gesch.  Elsass-Lothringens,  4.  Jahr- 
gang (1888)  1.  Artikel).  Französische  von  E.  F.  Corpet,  Paris  1887;  vgl.  den  nächsten  §; 
von  H.  de  la  Ville  de  Mirmont,  Bordeaux  1889.  Frei  nachgebildet  von  H.  Viehoff, 
Trier  1885  (sehr  gelungene  Uebertragung  in  Oktavreimen).  Eine  ausgezeichnete  Probe  einer 
fieien  Uebersetzung  in  achtzeiligen  Strophen  gibt  auch  Bacmeister,  Alemannische  Wan- 
deningen  1  (Stattgart  1867)  p.  86. 


38  Deoimos  Magnus  Ansoniiui.    (§  790.) 

Zur  Erläuterung.  A.  Riese,  Zu  Aus.  Moseila  418  ff.  (Korrespondenxbl.  der  westd. 
Zeitsclir.  7  (1888)  p.  128;  H.  de  la  Ville  de  Mirmont,  De  Ausonü  Mosella,  Paris  1892; 
W.  Haag,  Aus.  und  seine  Mosella  (Festsclir.  des  Friedrichs-Realgynmasinms  Berl.  1900). 
Ueber  das  Nai;urgef&hl  des  A.  vgl.  Riese,  Entwickl.  des  Naturgef&hls  bei  den  ROmera, 
Kiel  1884,  p.  183. 

790.  Charakteristik.  Wenn  nur  derjenige  den  Namen  eines  Dich- 
ters verdient,  der  uns  in  einer  schönen  Form  eine  innere  Welt  erschliessen 
kann,  so  hat  Ausonius  das  Recht  sich  nur  einmal  ^  erworben,  den  Dichter- 
namen zu  führen.  Es  war  dies,  als  unser  Poet  sah,  dass  sein  geliebtester 
und  talentvollster  Schüler  Paulinus  einen  ganz  anderen  Lebensweg  ein- 
geschlagen und  sich  ganz  anderen  Idealen  zugewandt  als  er.  Die  Ent- 
täuschung war  für  den  alten  Lehrer  eine  furchtbare,  und  er  liess  nichts 
unversucht,  den  Schüler  wieder  auf  die  alte  Bahn  zu  ziehen.  In  den 
Briefen,  die  er  zu  diesem  Zweck  schrieb,  bricht  eine  wahre  Herzens- 
empfindung durch  und  findet  den  angemessenen,  poetischen  Ausdruck.  Die 
Eindringlichkeit  ergreift  auch  den  Leser,  der  mit  Interesse  den  Kampf  zweier 
Weltanschauungen  verfolgt.  Abgesehen  von  diesen  Erzeugnissen  gähnt  nur 
zu  oft  aus  der  Poesie  des  Ausonius  eine  entsetzliche  Oede,  und  nicht  ein- 
mal in  der  metrischen  Form  finden  wir  Ersatz  für  den  mangelnden  Ge- 
dankeninhalt, da  auch  sie  von  Laune  und  Willkür  beherrscht  ist.  Ein 
grosser  Teil  seiner  Gedichte  ist  aus  der  Schulpraxis  entstanden.  Dass  es 
sich  in  diesen  Memorialversen  bloss  um  eine  formale  Thätigkeit  handelt, 
erhellt  besonders  daraus,  dass  auch  fremde  Erzeugnisse  versifiziert  wurden; 
so  bearbeitete  Ausonius  Suetons  Werk  über  die  Kaiser,  wie  sein  Schüler 
Paulinus  das  Buch  des  genannten  Historikers  über  die  Könige  in  Verse 
brachte.  Wenn  diese  Produkte  auch  vom  Standpunkt  des  Nutzens  aus 
eine  gewisse  Berechtigung  haben,  so  müssen  wir  strenger  mit  den  Ge- 
dichten ins  Gericht  gehen,  welche  auf  eine  eitle  Spielerei  hinauslaufen. 
Da  ist  der  Cento  nuptialis,  der  aus  lauter  Versen  und  Versteilen  Vergib 
zusammengestoppelt  ist.  Müssen  wir  einerseits  den  Dichter  bewundem, 
dass  er  den  ganzen  Vergil  ins  Gedächtnis  aufgenommen  hat  und  über 
denselben  mit  souveräner  Herrschaft  verfügt,  so  überkommt  uns  anderseits 
doch  ein  gelindes  Grauen,  wenn  wir  sehen,  dass  er  seine  Vergilkenntnis 
benutzt,  um  eine  schmutzige  Parodie  zusammenzuleimen.  Eine  nichtsnutzige 
Tändelei  ist  das  Technopaegnion  oder  das  Spiel  mit  einsilbigen  Worten 
am  Schluss  der  Verse.  Auch  die  Keulen verse,  wenn  sie  wirklich  von 
Ausonius  herrühren,  gehören  in  die  Gattung  dieser  thörichten  Versifika- 
tionen,  wie  das  Gedicht,  welches  Griechisch  und  Lateinisch  durcheinander 
mischt  und  den  Anfang  der  macaronischen  Poesie  darstellt.^)  Die  innere 
Hohlheit  des  Mannes  lässt  ihn  auch  da  nicht  das  rechte  Wort  finden»  wo 
der  StoS  einer  poetischen  Gestaltung  fähig  war.  Er  feiert  das  Andenken 
seiner  Verwandten  und  seiner  Lehrer;  welche  Welt  von  zarten  Empfin- 
dungen hätte  er  entfalten  können,  wenn  der  Fond,  aus  dem  er  schöpfte, 
ein  reicherer  gewesen  wäre!  Aber  selbst  die  Frage  über  die  Fortdauer 
nach  dem  Tode   ist   hier   nicht  wirkungsvoll  verwertet  worden,   und  um 

*)  Leo  (Nachr.  der  Gott.  Ges.  der  Wis-   |  genommen, 
sensch.  1896  p.  261)  sagt,  der  Brief  25  fp.  190  >)  Es  ist  Epistel   12  p.  170  Seh.;  Tgl 

Seh.)  hat  mehr  wahres  Gefühl  als  vielleicht  dazn  R.  Köhler,  Ausonius  und  die  maatfO> 

die  ührigeu  Verse  des  Ausonius  zusammen-  i  nische  Poesie  (Rhein.  Mus.  12  (1857)  p.  4S4). 


DeoimoB  MagnoB  Ansonins.    (§  790.) 


39 


auch  diese  Stücke  wieder  gewissennassen  in  ein  Nichts  aufzulösen,  fQgt 
er  noch  eine  Sammlung  von  Gedankenversen  über  die  Heroen,  welche  den 
trojanischen  Krieg  mitgemacht  haben,  bei.  Selbst  die  vielgelesene  Mosella 
dankt  ihren  Ruhm  nicht  sowohl  der  poetischen  Empfindung  als  lokal- 
patriotischem Interesse.  Die  tiefbewegte  Zeit,  in  der  Ausonius  lebte, 
bleibt  von  seiner  tändelnden  Poesie  fast  unberührt.  Hie  und  da  begegnet 
uns  eine  historische  Notiz,  aber  den  Pulsschlag  der  Zeit  fühlen  wir  nicht 
in  diesem  Schattenreich  der  Poesie.  Mehr  interessieren,  wie  es  scheint, 
den  Dichter  die  Bauten  und  Kunstwerke;  diesem  Interesse  verdanken  wir 
die  berühmte  Beschreibung  eines  Gemäldes  aus  einem  Triclinium  zu  Trier, 
welches  den  Amor  darstellt,  wie  er  in  der  Unterwelt  von  den  Heroinnen, 
denen  er  im  Leben  Leid  zugefügt,  gepeinigt  wird.  Am  merkwürdigsten 
ist  das  Verhältnis  des  Ausonius  zum  Christentum.  Wir  begegnen  in  dieser 
Epoche  Männern,  die  dem  Christentum  fremd  gegenüberstehen  und  sich 
mit  einem  philosophischen  Monotheismus  zufrieden  geben.  Ein  solcher 
Mann  war  z.  B.  Ammianus  Marcellinus.  Da  Ausonius  stark  von  der  alten, 
nationalen  Poesie  zehrt,  so  würde  es  selbstverständlich  sein,  wenn  wir 
auch  ihn  in  der  Reihe  dieser  am  Römertum  haftenden  Persönlichkeiten 
finden  würden.  Allein  er  ist,  wenn  es  darauf  ankommt  und  wenn  es  sein 
muss,  auch  Christ,  und  es  verdriesst  ihn  nicht,  zur  Abwechslung  auch  ein- 
mal ein  christliches  Gedicht  zu  fabrizieren.  Es  handelt  sieb  für  Ausonius 
ja  nur  um  Worte,  der  Stoff  ist  ihm  ziemlich  gleichgültig.  Wenn  der  alte 
Schulmeister  seinen  Zögling  Gratian  wegen  der  schönen  Phrasen,  die  er 
als  designierter  Konsul  in  seinem  Ernennungsdekret  gefunden,  in  enthu- 
siastischer Weise  belobt,  so  werden  wir  unwillkürlich  an  Fronte  erinnert. 
Fronto  und  Ausonius  sind  beide  Phraseologen;^)  jener  kultiviert  die  Phrase 
der  Rede,  dieser  die  Phrase  der  Poesie;  jenem  wird  sein  Schüler  Marc 
Aurel,  diesem  sein  Schüler  Paulin  abtrünnig.  Wir  begreifen  dies,  der 
tiefere  Geist  verlangt  Ideen,  nicht  Worte.  Für  die  absterbende  Litteratur 
des  Heidentums  ist  Ausonius  mit  seinem  poetischen  Dilettantismus  und 
seinen  Formspielereien  ein  beredter  Zeuge ;  für  die  verlorenen  Dichtungen 
der  poetae  neoterici  bietet  er  uns  einigermassen  Ersatz. 

Ausonius  und  das  Christentum.  Boecking,  Jahrb.  des  Vereins  von  Altertums- 
fremiden  im  ^einlande  7  (Bonn  1845)  p.  66;  H.  Speck,  Quaest.  Ausonianae,  Breslau  1874 
(De  Ausonii  religione  p.  1);  H.  Mertens,  Quaest.  Ausonianae,  Leipz.  1880;  £.  Everat, 
De  D.  M.  Ausonii  operibus  et  genere  dicendi,  "Didse  von  Glermont  1885,  p.  11;  W.  Brandes, 
Beitr.  zu  Ausonius,  Wolfenbttttel  1895  (Vom  Christentum  des  Ausonius  p.  8).  Wahrschein- 
lich hat  Ausonius  erst  spftter  das  Christentum  angenoinmen;  unter  Julian  (861—363)  scheint 
er  noch  nicht  Christ  gewesen  zu  sein,  denn  wäre  er  ein  solcher  gewesen,  so  hätte  er 
infolge  des  Dekrets  JuUans,  durch  das  den  Christen  unmöglich  gemacht  wurde,  Lehrstdhle 
der  Grammatik  und  Rhetorik  einzunehmen,  von  seiner  Lehrstelle  zu  Bordeaux  zurücktreten 
mllSBen.  Allein  von  einer  solchen  Unterbrechung  verlautet  nichts  bei  ihm;  vgl.  Brandes 
p.  6.  Das  Christentum  des  Ausonius  erhält  seinen  Ausdruck  in  folgenden  Produkten: 
1.  Im  Griphus  von  868  (Vs.  88  p.  182  Seh.).  2.  In  den  versus  paschales  (p.  80  Seh.).  8.  In 
der  oratio  matutina  (p.  4  Seh.).  4.  In  der  gratiarum  actio  18  p.  29  Seh.  5.  In  den  allerdings 
w^en  ihrer  Echtheit  verdächtigen  versus  rhopalici  (p.  31  Scn.).  Als  Gegenstttcke  können 
Epigr.  80  p.  204  Seh.  mit  seinem  synkretistisclien  Pantheus  und  precatio  eonsulis  designati 
(p.  17  Seh.)  angesehen   werden.    Auch   finden  sich   hin  und  wieder  Aeusserungen,   die  auf 


^)  Merkwürdig  ist  das  Selbstgeständnis 
des  Dichters  (13,  1,  6  p.  86  Seh.):  si  qua  tibi 
in   his   versieulis   videbuntur   fticatius   con- 


cinnata  quam  verius  et  plus  coloris  quam 
8uci  habere,  ipse  sciens  fluere  permisi,  venu- 
stula  ut  essent  magia  quam  forticula. 


40  ^^^  anonyme  Dichter  des  QueroloB.    (§  791.) 

einen  yerschwommenen  Monotheismus  hindeuten;  vgl.  Speck  1.  c  p.  19;  Brandes  p.i 
Erst  durch  den  Hofdienst  scheint  Ausonius  sich  ftusserlich  zum  Christentam  bekavt 
zu  haben. 

Stil.  Im  allgemeinen  vgl.  A.  M eurer,  De  Dec.  Magni  Ausoni  genere  dicendi quant 
Münster  1873,  p.  7;  E.  Everat,  De  D.  M.  Ausonii  operibus  et  genere  dicendi,  Th^e  m 
Glermont  1885,  p.  61.     Im  einzelnen  vgl.  Schenkl,  Ausg.  p.  286. 

Zur  metrischen  Gomposition  vgl.  im  allgemeinen  Th.  Raehse,  De  re  metna  } 
Ausonii,  Berl.  1868.  Richtig  urteilt  Brandes  (Gomment.  WoelfElinianae,  Leips.  1891,  p.lt9;:  I 
«Ausonius  ist  vielleicht  der  ausgeprägteste  Typus  eines  stillosen  Decadencepoeten,  den  iot 
Litteraturgeschichte  kennt.  Eine  spielende  Fertigkeit,  alle  möglichen  Dinge  in  allen  iiil|. 
liehen  Formen  und  Massen  zu  behandeln,  verbindet  sich  bei  ihm  mit  einer  ftsthetiicki 
Gewissenlosigkeit  ohne  gleichen.*  L.  Malier,  De  re  metrica,  Leipz.'  1894,  p.  413;  370; 
439;  H.  de  la  Ville  de  Mirmont,  De  Ausonii  Mosella  p.  107  (De  Auson.  Mos.  Hezamctn; 
Prosodisches  in  der  Appendix  G  p.  294.  üeber  die  Gaesur  des  Hexameter  in  der  Hoidh 
vgl.  W.  Meyer,  Sitzungsber.  der  MOnchener  Akad.  1884  p.  lOff.;  De  la  Ville  de  Mir-  j 
mont  1.  c.  p.  131;  W.  Brandes,  Beitr.  zu  Ausonius  (Der  jambische  Senar  des  AaMan.  I 
insbes.  im  Ludus  Septem  sapientum),  Wolfenbttttel  1895,  p.  19;  Leo,  GOtt  gel.  Anz.  ISM  / 
p.  778.  Ueber  die  strophische  Gliederung  der  precatio  consnlis  designati  des  Antens 
(p.  17  Seh.)  vgl.  Brandes,  Gomment.  Woelfflinianae  p.  189;  vgl.  auch  den  Index  in  Scheikli 
Ausg.  p.  286.  Ueber  Reimstrophen  vgl.  Brandes  (Beitrfige  p.  7),  der  epigr.  30  p.  204  Sek. 
und  4,  2,  15  p.  4  Seh.  heranzieht. 

Vorbilder.  Dass  Ausonius  in  den  alten  Dichtem  sehr  belesen  ist,  zeigen  diek 
den  Ausg.  von  Schenkl  und  Peiper  gesammelten  Parallelstellen;  vgL  auch  Zingerle,  Zi 
späteren  lat  Dichtem,  Innsbrack  1873«  p.  32  und  M.  Manitius,  Zu  spftÜateinischen  Diek- 
tem  (Zeitschr.  fQr  österr.  Gymn.  37  (1886)  p.  241).  Ganz  hat  er  in  sich  den  Veigfl  nt 
genommen,  wie  der  Gento  nuptialis  zeigt;  vgl.  Speck,  Quaest.  Auson.,  Breslaa  1874,  p.2L 
Ausser  Vergil  lassen  sich  noch  nachweisen  die  Spuren  von  Plautus,  Terenz  (LeoLc.; 
Tschern ajew,  Terentiana  11,  Eazan  1900),  Gatull  (vgl.  23  p.  120  Sch.)>  Lucrez,  Rom, 
Tibull,  Ovid,  Lucan,  Martial,  Statins,  JuvenaX  Gicero,  den  beiden  Plinius,  Apuleins  in  fo 
Periochae,  Sallost  und  Tacitus;  vgl.  Marx,  Pauly-Wissowas  Realencycl.  2  Sp.  2566.  üab« 
Ennius  vgl.  27,  13,  17  p.  139  Seh.  und  dazu  L.  Valmaggi,  Rivista  di  filol.  27  (1899) p.^ 
Afranius  wird  erwähnt  epigr.  67,  4  p.  214  Seh.  toga  facundi  «caenis  agitavit  AfranL  Oefin 
wird  des  Lucilius  gedacht  epist.  5, 88  p.  163  Seh.;  epigr.  65,  8  p. 213  Seh.;  epist.  15,  9  p  178Sck 
{nides  camenas  Suessae);  vgl.  L.  Müller,  Lucili  sat.  rel.,  Leipz.  1872^.  271.  Für  die  Mischmg 
von  Poesie  und  Prosa  (vgl.  epist.  19  p.  179  Seh.)  konnte  ihm  Seneca  YorbUd  sein.  Am  meistei 
werden  jedoch  sowohl  in  Bezog  auf  die  Metrik  als  auf  die  Sprache  die  poetae  neoterid  nf 
ihn  eingewirkt  haben.  Den  Ausdruck  opuseula  hat  er  mit  ihnen  gemeinsam.  Ueber  sau 
griechischen  Studien  vgl.  F.  Stahl,  De  Ausonianis  studiis  poetarum  Graecomm»  Kiel  1886. 

Fortleben  des  Ausonius.  Ueber  das  Fortleben  des  Ausonius  vgl.  Schenkl,  Aug. 
p.  XVII.  So  wurde  Ausonius  von  Glaudian  und  Rutilius  Namatianus  gelesen;  vgl.  da 
Index  von  Schenkl  1.  c.  p.  265.  Apollin.  Sid.  4,  14  p.  89  (Mohr)  stellt  den  Ausonins  aAt 
hoch.  Ueber  das  Fortleben  der  Mosella  vgl.  De  la  Ville  de  Mirmont,  De  Ausonii  Ib- 
sella,  Paris  1894 — 1895,  p.  169.  Ueber  Beziehungen  zwischen  A.  de  viro  bono  und  PaadiA- 
sius  Radbertus  vita  Walae  vgl.  B.  Simsen,  Rhein.  Mus.  41  (1886)  p.  688. 

Ausg.  Editio  princeps,  Venedig  1472;  vgl.  Peiper  11.  Suppl.  p.  191;  von  H.  Avin- 
tius,  Venedig  1496;  von  Th.  Ugoletus,  Parma  1499;  von  Pulmannus,  Antwerpen  1568; 
von  J.  Scaliger,  Leiden  1575;  dazu  lectiones  Auson.  liber  2,  Heidelberg  1588;  von  L 
Vinetos,  Bordeaux  1580,  1590;  von  J.  Tollius,  Amsterdam  1669;  von  J.  Floridns  vni 
J.  B.  Souchay,  Paris  1730;  editio  Bipontina  1785.  Neuere  Ausg.  von  E.  Schenkl,  Beri. 
1883  (Monumenta  Germaniae  historica  5  (1883)  2.  Teil)  und  R.  Peiper,  Leipz.  1886;  vgl 
dazu  die  wichtige  Besprechung  0.  Seecks  (Gott.  gel.  Anz.  1887  p.  497).  Ueber  die  Ausg. 
überhaupt  vgl.  Peiper,  Ausg.  p.  LXXXV;  Schenkl,  Ausg.  p.  XXX. 

Uebersetzungen.  Französische  von  Gorpet,  Paris  1887;  vgl.  Peiper,  Beil 
philol.  Wochenschr.  1888  Sp.  1241.  Mit  Auswahl  von  E.  Ducot^,  Paris  1897.  Anthologie p» 
Hovyn  de  Tranchiere  1898.   Italien.Uebers.  mit  ausf.Gomment.  von  Ganal,  Venedig I85S. 

4.  Der  anonyme  Dichter  des  Querolus. 

791.  Die  Komödie  des  Qnerolus.  Die  ausgezeichnete  plautiniscbe 
Komödie  Aulularia  reizte  einen  Dichter,  der  wahrscheinlich  dem  vierten 
Jahrhundert  angehört,  den  Stoff  in  etwas  anderer  Weise  zu  bearbeiten. 
Auch  hier  handelt  es  sich  um  einen  Goldtopf,  den  der  alte  Euclio  ver- 
borgen hatte,   als  er  in  das  Ausland  ging.     Doi*t  traf  er  mit  einem  Men- 


Der  anonyme  Dichter  des  Qnerolne.    (§  791.)  41 

sehen  Mandrogerus  zusammen,  den  er  über  den  Fundort  im  allgemeinen 
unterrichtete  und  den  er  schriftlich  zum  Miterben  einsetzte,  wenn  er  seinem 
Sohne  Querolus  den  Ort,  wo  der  Schatz  geborgen  sei,  kundgebe  und  so 
demselben  zur  Erlangung  dieses  Schatzes  behilflich  sei.  Aber  Mandro- 
gerus sinnt  mit  einer  Bande  auf  Betrug,  gibt  sich  als  Magier  aus  und 
weiss  so  die  Urne  aus  dem  Hause  hinauszuschaffen.  Bei  der  näheren  Be- 
sichtigung der  Urne  entdekt  er  eine  Inschrift,  welche  die  Urne  als  die 
eines  Verstorbenen  erscheinen  lässt;  er  glaubt  sich  getäuscht  und  lässt 
aus  Zorn  die  üme  zum  Fenster  des  Querolus  hineinwerfen.  Die  in  Stücke 
zersprungene  Urne  bringt  den  Schatz  zum  Vorschein.  Mandrogerus,  dem 
diese  Thatsache  zu  Ohren  gekommen,  möchte  nun  gern  seinen  Erbschein 
ausnützen,  aber  es  wird  ihm  mit  einer  Klage  wegen  Diebstahl  und  Grab- 
schändung gedroht.  Schliesslich  löst  sich  alles  in  Versöhnung  auf.  Die 
Composition  des  Stückes  ist  merkwürdig,  weil  es  in  einer  rhythmisierenden 
Prosa,  wie  wir  sie  auch  in  Inschriften  finden,  abgefasst  ist.  Die  Fabel 
des  Stückes  ist  schwach,  doch  finden  sich  einzelne  Züge,  die  unser  Inter- 
esse erregen,  und  die  Forderung  der  Barmherzigkeit  lässt  schon  den  Ein- 
fluss  christlicher  Ideen  erkennen.  Die  Figur  des  Parasiten  hat  einen  ganz 
anderen  Inhalt  bekommen  als  in  der  alten  Komödie.  Das  Stück  scheint 
nicht  für  die  Aufführung  bestimmt  gewesen  zu  sein,  sondern  zur  Unter- 
haltung beim  Mahle,  i) 

Der  Titel  der  Komödie,  p.  5,  9  F.  Aululariam  hodie  sumtis  acturi,  non  veterem  at 
rudern,  inventigatam  Plaut*  per  vestigia.  5,  22  Querolus  an  Äulularia  haec  dicatur  fahula, 
vestrum  (spectatores)  iudicium,  vestra  erit  sententia.  Im  Vossianas  und  Vaticanus  lautet 
die  Ueberschrift:  PlauH  Äulularia  incipit  feliciter, 

Autor  and  Zeit  der  Komödie.  Die  Schrift  ist  einem  Rutilius  gewidmet:  5,  1 
iuo  igitur  Butili  inlustris  libellus  iste  dedicatur  nomini.  Ohne  durchschlagende  Gründe 
versteht  P.Daniel  unter  diesem  Rutilius  den  Rutilius  Namatianus.  R.  Dezeimeris  (Sur 
l'autenr  de  Querolus,  Bordeaux  1876;  iStudes  sur  le  Querolus,  Bordeaux  1881)  denkt  an 
Axios  Paulus,  der  mit  Ausonius  in  näheren  Beziehungen  stand  und  der  einen  Delirus  ge- 
schrieben hatte;  vgl.  oben  §  788  p.  81.  Auf  einen  gallischen  Dichter  könnte  die  Erwähnung 
des  liger  (p.  16,  22)  gedeutet  werden.  Auch  diese  Identifizierung  lässt  sich  nicht  fest  be- 
gründen; mit  einer  allgemeinen  Andeutung  begnügt  sich  Fr.  Bücheier  (Rhein.  Mus.  27 
(1872)  p.  474),  wenn  er  sagt:  «Glodum  illum  pedem  quo  Querolus  fabula  composita  est 
cum  in  nulla  alia  orbis  terrarum  parte  quam  in  Africa  carmina  habeant  lapidaria,  Queroli 
scriptorem  Africanum  fuisse  existimo.*  üeber  die  Autorschaft  vgl.  noch  Wernsdorf  bei 
Peiper,  Praef.  p.  XXX  und  L.  Quicherat,  Mölanges  en  philologie,  Paris  1879,  p.  158. 

Die  Charakterfigur  des  Querolus.  p.  7,  3  Querolus  isie  noster,  sicut  nostis, 
omnüms  est  molestu»,  ipsi  si  fas  est  deo;  homo  ridicule  iracundus,  itaque  ridendus  magis. 

Die  äussere  Komposition  des  Stückes,  p.  5,  4  spectatores  noster  sermo poeticus 
rogat,  qui  Graeeorum  discipHnas  ore  narrat  harharo  et  Latinorum  vetusta  vestro  recolit 
tempore.  5,  28  prodire  autem  in  agendum  non  auderemus  cum  clodo  pede,  nisi  magnos 
praeclarosque  in  hae  parte  sequeremur  duces.  Allein  ein  Metrum  ist  nicht  streng  durch- 
geführt, sondern  nur  Schluss  und  Anfang  der  Sätze  metrisch  geformt;  wir  erhalten  jam- 
bische und  trochäische  Klauseln  und  metrische  Anfänge  und  manchmal  auch  beide  zu- 
sammen. Auch  auf  Inschriften  späterer  Zeit  findet  sich  diese  rhythmische  Prosa,  vgl.  CIL 
8,  646 — 648  (Carmina  epigraphica  ed.  Buecheler,  vol.  2  fasc.  1,  Leipz.  1895,  nr.  116),  wo 
Studemnnd  auf  die  Aehnlichkeit  mit  der  Kompositionsart  des  Querolus  hinweist  und  be- 
merkt: .Depromebant  verba  longe  plurima  ex  carminibus  iambicis,  qui  hanc  numerosam 
orationem  componebant,  atque  id  potissimum  adsequi  studebant,  ut  in  periodorum  clau- 
sulis  eoB  efficerent  pedes,  quos  in  fine  senariorum  et  septenariorum  collocari  fas  essef; 
vgL  denselben  Jenaer  Litteraturzeitung  1875,  p.  622.  Ueber  diese  rhythmisierende  Prosa 
vgl.  Norden,  Die  antike  Kunstprosa  1  (Leipz.  1898)  p.  680.  Verfehltes  Verfahren  Havets, 
Le  Querolus;  Com^die  latine  anonyme.  Texte  en  vers  rcstitu^  ....  pr^c^dö  d'un  examen 
litt^raire  de  la  piöce  (Biblioth^ue  de  TJ^cole  des  Hautes  l^tudes,  41.  Bd.,  Paris  1880). 

*)  p.  8,  16  (Peiper)  nos  fahelUs  atque  mensis  hunc  liheüum  scripsimus. 


l 

42  Andere  Dichter.    (§  791.) 

üeber  die  lex  convivalis,  welche  am  Schluss  des  St&ckee  angeliftiigt  ist,  r^ 
Fr.  Bttcheler,  Ind.  lect.  Bonn  1877,  p.  10,  abgedrackt  in  dessen  Ansg.  des  Fetnufli, 
Berl.»  1882,  p.  239. 

Fortleben  des  Querolns.  Peiper  (p.  XX)  führt  als  Ältesten  Zangen  flr  iu 
Fortleben  den  Servius  an:  Servias  ad  Vergjli  A.  III  226;  Plaatns  in  Qnenilo  de  ü- 
seribus  [30,  16]:  Cuncti  —  clangorihus.  Allein  in  der  Aosg.  Thilos  fehlen  diese  Worti. 
welche  in  den  Noten  als  ein  Zusatz  Daniels  bezeichnet  werden.  Den  ganzen  Qneroh§  | 
hatte  Johannes  Sansberiensis  gelesen.  Vitalis  brachte  den  Qnerolus  im  achten  oder  nemtei 
Jahrhundert  (vgl.  Peiper  p.  XXI)  in  elegische  Verse;  vgl.  Reinhardstöttner,  Phratoi 
Spätere  Bearbeitungen  plautinischer  Lustspiele,  Leipz.  1886,  p.  270.  Zuerst  verOffendick 
von  H.  Gommelinus  als  Anhang  zur  Querolusausg.  von  Rittershuis,  Heidelberg  159», 
wiederholt  von  Fr.  Osann  (zugleich  mit  dem  Amphitmo,  den  Vitalis  ebenfalls  im  dcgi- 
sehen  Versmass  bearbeitet  hatte),  Darmstadt  1836.  Diese  Bearbeitung  wurde  zaeni  nt- 
öfifentlicht  von  A.  Mai,  Classici  aucteres  5  p.  463,  dann  ausser  Osann  von  G.  £.  Hfiller. 
Analecta  Bemensia  2  (Bern  1840)  p.  10  und  von  E.  MQllenbach,  Bonn  1885.  V^.]iod 
A.  de  Montaiglon,  Bibliothdque  de  TlScole  des  chartes  4  (1847— 48)  P.  474;  5(1848-49) 
p.  425;  F.  Bücheier,  Grundriss  der  latein.  Deklination,  Bonn*  1879,  p.  20.  Ueber  diekni- 
schriftliche  üeberlieferung  vgl.  Peiper  p.  XXI. 

Ueberlieferung.  Die  massgebenden  Handschriften  sind:  Der  Vaticanos  4929  & I; 
vgl.  §  424  p.  201;  der  Leidensis  Vossianus  Q  88  s.  X;  weiterhin  der  Piüatinna  1615  i.X 
(vgl.  §  35  p.  65)  und  der  Parisinus  8121  A  s.  X;  vgl.  R.  Peiper,  Praef.  p.  IX.  Ueba 
die  Exzerpte  vgl.  denselben  p.  XIII.     Vgl.  auch  M.  Haupt,  Opuscula  3  (Leipz.  1876)  p.587. 

Ausg.    Editio  princeps  von  P.  Daniel,  Paris  1564;  vgl.  noch  H.  Hagen,  Der  Jirit 
Peter  Daniel  aus  Orleans,  Bern  1873,  p.  12;  rec.  et  illustr.  S.  G.  Klinkhammer,  Anut»  I 
dam  1829;  Aulularia  sive  Querolus  Theodosiani  aevi  comoedia  Rntilio  dedicata  ed.  R.  Peiper, 
Leipz.  1875;  vgl.  Praef.  p.  V. 

Andere  Dichter  dieses  Zeitraums  sind: 

1.  Tiberianus.  Unter  dem  Namen  des  Tiberianus  hat  Baehrena  (Poet.  Ist. 
3  p.  263)  vier  Gedichte  vereinigt;  die  ersten  drei  sind  von  ihm  zuerst  ans  Cod.  Harleiun 
3685  8.  XV  in  seinem  Buch:  Unedierte  latein.  Gedichte,  Leipz.  1877,  p.  27  veröffenÜidt 
worden.  Bei  dem  ersten  Gedichte  lesen  wir  die  Aufschrift  incipit  versus  Tiheriamj  bei 
dem  zweiten  incipit  rerswt  Sogratis  phihsophi,  bei  dem  dritten  endlich  incipit  DiseripS» 
de  Avicula.  Das  vierte  Gedicht  gab  zuerst  M.  Haupt  (Ovidii  Halieutica,  Gratii  et  Nent- 
siani  Cynegetica,  Leipz.  1838,  p.  65;  vgl.  auch  p.  XXVI)  heraus,  dann  Quicherat,  Bibüo- 
theque  de  T^cole  des  chartes  4  (1842 — i8)  p.  269;  abgedruckt  auch  in  Anthol.  lat.  ed.  Rieii 
No.  490.  Handschriftliche  Quellen  sind  Cod.  Reginensis  215  s.  IX,  Parisinns  2772  s.  XjXL 
Parisinus  17160  s.  XII  und  Vindobonensis  143  s.  Xlll.  Im  Parisinus  2772  lautet  die  üeJMr- 
Schrift:  Versus  Piatonis  a  quodam  tiberiano  de  graeco  in  latinum  translati;  ebenso  fteht 
im  Vindobonensis,  nur  dass  er  a  quendum  tyherianum  bietet.  Hiezu  kommen  noch  Fng- 
mente  aus  Servius  zur  Aeneis  und  Fuigentius;  vgl.  M.  Zink,  Der  Mytholog  Falgentnit 
WOrzb.  1867,  p.  69.  Alle  Gedichte  sind  letzt  vereinigt  bei  Baehrens,  Poet.  lat.  min.  3 
p.  264.  Das  erste  Gedicht  enthält  eine  hübsche  Naturschilderung  in  troch&ischen  Tefai- 
metem.  Das  zweite  Gedicht,  aus  Hexametern  bestehend,  handelt  in  nüchterner  Weise  ttlxr 
die  Verderblichkeit  des  Goldes.  Da  aus  diesem  Gedicht  der  dritte  Vers  von  Serr.  zu  Vei;. 
Aen.  6,  136  unter  dem  Namen  des  Tiberianus  angeführt  wird,  ist  ein  ftusseres  Zeugnis  f^ 
die  Auterschaft  des  Tiberianus  gegeben.  Ein  solches  fehlt  bei  dem  dritten  Gedi^t,  du 
in  Hendekasyllabcn  abgcfasst  ist.  Es  ist  ebenfalls  ein  sehr  massiges  Gedicht,  das  auf  eiu 
Nutzanwendung  hinausläuft.  Die  letzte  Nummer,  aus  32  Hexametern  bestehend,  ist  phik- 
sophischer  Natur  und  ergeht  sich  in  einer  Schilderung  des  höchsten  Wesens.  Es  fragt  sich, 
wer  der  genannte  Tiberianus  ist.  Hieronym.  z.  J.  2352  =  335  n.  Chr.  (2  p.  192  Seh.)  gibt 
folgende  Notiz:  Tiberianus,  vir  disertus,  praef ectus  praetorio  Gallias  regit.  Es  wird  dff- 
selbe  Tiberianus  sein,  der  326  comes  per  Africam  (Cod.  Theodos.  12,  5,  1),  332  comes  flispi* 
nianim  (Cod.  Just.  6,  1,6)  und  336  vicarius  Hispaniarum  war  (Cod.  Theodos.  8,  5,  5).  Frei- 
lich eine  unumstösslichc  Sicherheit  für  die  Auterschaft  dieses  Tiberianus  liegt  nicht  vor.  - 
R.  Gehler,  De  Tiberiani  quae  feruntur  fragmentis,  Halle  1879.  Dass  Ausonius  den  Tibe 
rianus  nachgeahmt,  zeigt  Schenkl,  Ausg.  des  Ausonius  p.  303.  Ueber  Beziehungen  n 
Tiberianus  von  Seiten  des  Prüden tius  vgl  Rossberg,  Fleckeis.  Jahrb.  127  (1883)  p.  771. 
Ohne  Grund  will  Baehrens  das  Pervigilium  Veneris  (§  540)  dem  Tiberianus  zuteilen. 

2.  Naucellius.  a)  Seine  Gedichte:  Symmach.  epist.  3,  11,  4  earminum  tuorum 
codicem  reportandum  puero  tradidi,  et  quia  eghgarum  confusus  ordo  est,  quem  deseripsimm^ 
simul  misif  ut  et  correctio  a  te  utrique  praestetur  et  aliorum,  quae  nunc  pangis,  adiecü». 
3,  13  dum  carmina  tua  ruminas,  dum  epigrammata  ohlatis  lucis  aut  amnibus  facis,  fdOUvr 
doctis  cogifationibus  set^sus  laboris. 


Julias  Yalerins.    (§  792.)  43 

ß)  Das  antiquarische  Werk.  Symmach.  epist.  8,  11,  3  non  silebo  alterum  munus 
ppuBCuli  tuif  quo  priscam  rem  ptiblicavn  cuiusqiie  f  huius  ex  libro  Graeco  in  Latium 
\tran8ttUisti.  arma  a  Samnitibus^  insignia  ah  Tusds,  leges  de  lare  Lycurgi  et  Solonis 
Mmmpseramus:  tuus  nobis  posthaec  addidit  labor  peregrina  monumenta,  quae  iam  sui  neseiunt. 
Mlfc  Rttckaicht  darauf  heisst  es  vorher:  itaque,  ut  ipse  nannutiquam  praedicas,  spectator 
Uki  vfterU  monetae  solus  supersum;  ceteroa  delinimetita  aurium  capiunt.  stet  igitur  inter 
«Mt  ista  paetio,  ut  me  quidem  luvet  vetustatis  exemplar  de  autographo  tuo  sumere,  te  autem 
mom  paeniteat  scriptorutn  tneorum  ferre  novitatem. 

3.  Flavius  A^franius  Syagrius,  cos.  381.  An  ihn  richtet  Sidonius  Apollinaris 
efaien  Brief  (epist.  5,  5  p.  108  Mohr),  in  dem  es  heisst:  cum  eis  igitur  e  semine  poetae,  cui 
proeul  dubio  statuas  dederant  litterae,  si  trabeae  non  dedisaent,  quod  etiam  nunc  auctoris 
«Mito  versibus  verba  testantur,  Ueber  seine  rhetorische  Ausbildung  vgl.  die  folgenden  Worte : 
pmtritiam  tuam  competenter  scholis  liberalibus  memini  imbuiam  et  saepenumero  acriter  elo- 
mienterque  deelamasne  coram  oratore  satis  habeo  compertum.  Auch  Symmachus,  der  an 
um  die  Briefe  1,  94 — 107  richtet,  rühmt  seine  Beredsamkeit;  vgl.  epist.  1,  96  non  mihi  ex 
mre  ieiuno  tributa  laudatio  est,  sed  de  faeundiae  penu  boni  iudicii  fructus  adrisit.  Ausonius 
lichtet  an  ihn  eine  Gedichtsammlung;  vgl.  Seeck,  Ausg.  des  Svmmach.  p.  CX.  Ueber 
^ymgrius  vgl.  Seeck  1.  c.  p.  GIX  und  R.  P  ei  per,  Die  handschriftliche  üeberlieferung  des 
Aiisonius  (Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  11  (1880)  p.  319);  0.  Glasen,  Heidelberger  Jahrb. 
1872  p.  867. 

4.  A  leim  US.  Diesem  Dichter  werden  einige  Epigramme  zugeteilt,  abgedruckt  in 
Anthol.  lat.  ed.  Riese  Nr.  713—715  (Nr.  233;  788);  740  und  bei  Baehrens,  Poet.  lat. 
vdo.  4  p.  105;  187.  Wernsdorf  hat  den  Dichter  mit  dem  Rhetor  identifiziert,  den  Hiero- 
■grm.  z.  J.  2371  =  355  n.  Chr.  (2  p.  195  Seh.)  neben  Delphidius  erwähnt:  Alrimus  et  Delfidius 
fJketores  in  Aquitanica  florentissime  docent,  (Ueber  Delphidius  vgl.  noch  Hieronym.  epist. 
120  praef.  (tom.  1  Sp.  812  Vallarsi)).  Derselbe  Rhetor  erscheint  auch  bei  Ausonius  als  Latinus 
Alcimus  Alethius;  er  feiert  ihn  als  Lehrer  Julians  (Profess.  Burdig.  3,  21  p.  57  Seh.)  und  des 
Sftllnst  (Ibid.  3,  23)>  der  322  cos.  war.  Vgl.  Apollin.  Sid.  epist.  8,  1 1  (p.  189  Mohr)  et  si  a 
te  insiructio  rhetorica  poscatur,  hi  Paulinumf  Uli  Alcimum  non  requirunt;  vgl.  noch  epist. 
%1  (p.  39M.);  epist  5,  10  (p.  115  M.).  Die  Identifizierung  des  Rhetor  und  des  Dichters 
Wird  oegflnstigt  durch  die  Worte  des  Ausonius  (Profess.  Burdig.  3,  7  p.  57  Seh.):  palmae 
forensis  et  camenarum  decus,  die  deutlich  die  oratorische  und  poetische  Thfttigkeit  des  Al- 
cimus bezeichnen.  Dem  Rhetor  werden  auch  die  in  einem  Bibliothekskatalog  s.  IX  (vgl. 
G.  Becker,  Catalogi  bibliothecarum  antiqui,  Bonn  1883,  p.  42)  erwähnten  Produkte,  die 
als  libri  Alchimi  angeführt  werden,  angehören.  Es  sind:  In  adulescentem  qui  in  publice 
patre  cadente  risit  et  languenti  puellae  amatorium  dedit  (nach  M.  Haupt  ein  Gedicht  oder 
eine  Declamatio)  und  die  controversia  Fullonis  vel  Galvi.  —  H.  Meyer  zur  Anthol.  lat.  254; 
Biese,  Zeitschr.  fOr  österr.  Gymn.  18  (1867)  p.  439;  M.  Haupt,  Opusc.  3  p.  427;  Jttlicher, 
PiMiIy-Wissowas  Realencycl.  1  Sp.  1544. 

5.  Sulpicius  Lnpercus  Servasius  iunior  (Servasius  Riese  statt  des  überlieferten 
9€rha8tus\  Scriverius:  Sebastus).  Im  Vossianus  111  s.  IX  sind  zwei  Gedichte  von  demselben 
fiberliefert,  das  eine  in  drei  sapphischen  Strophen  über  die  Vergänglichkeit  alles  Irdischen, 
ein  grosseres  in  Distichen  de  cupiditate  über  die  Habsucht.  Die  Produkte  haben  keinen 
dichterischen  Wert.  —  Anthol.  lat.  ed.  Riese  No.  648  und  649  und  Baehrens,  Poet.  lat. 
moML  4  p.  107. 

6.  Paulus  Qnaestor.  Aldhelmus  p.  239  Giles  Paulus  Quaestor  in  gratiarum  actione 
mU;  es  folgt  ein  Hexameter.  Ohne  Angabe  des  Gedichtes  citiert  Aldhelm  p.  231  und  p.  238 
Paulos  Quaestor,  indem  er  an  jeder  Stelle  wieder  einen  Hexameter  beibringt.   —  Baehrens, 

poet.  rom.  p.  407. 


b)  Die  Prosa. 

«)  Die  Historiker. 
1.  Julius  Valerius. 

792.  Der  Alezanderroman.  Schon  bald  nach  seinem  Tode  trat 
Alexander  in  das  Reich  der  Sage  ein.  Sein  phantastisches  Unternehmen 
reizte  die  Phantasie  der  Erzähler,  und  die  Nachrichten  von  den  fernen 
Ländern,  die  hier  zum  erstenmal  den  Griechen  bekannt  wurden,  fanden 
unwillkürlich  ihren  Weg  ins  Wunderbare;  selbst  romanhafte  Züge  mischten 
sich  in  die  Erzählungen  von  den  Thaten  des  Königs.  Etwa  im  dritten 
Jahrhundert  kam  ein  uns  unbekannter  Mann  auf  den  Gedanken,  aus  Ge- 


44  Julins  YalerioB.    (§  792.) 

schichts-  und  Wunderbüchern,  Briefen  u.  ä.  einen  ganzen  Alexanderroman 
zusammenzudichten.  Sein  Wissen  war  sehr  dürftig,  wie  merkwürdige  chro- 
nologische Verschiebungen  und  geographische  Irrtümer  leicht  darthun; 
lokale  Töne  weisen  auf  das  Land  Aegypten  hin.  In  späterer  Fassung  ist  uns 
dieser  Roman  in  griechischer  Ursprache  erhalten;  als  Verfasser  erscheint 
hier  manchmal  Callisthenes,  natürlich  eine  Fiktion.  Auch  Aristoteles  und 
Aesop  werden  mit  dem  griechischen  Roman  in  Verbindung  gebracht.  Dem 
sonderbaren  Machwerk  wurde  ein  Lauf  durch  die  ganze  Welt  beschieden; 
im  Morgen-  und  Abendlande  finden  wir  in  unzähligen  Verästelungen  unsem 
Roman.  Von  den  orientalischen  Produkten  nennen  wir  eine  armenische^) 
und  eine  syrische*)  Uebersetzung,  welche  den  Pseudo-Callisthenes  in  die 
weitesten  Kreise  brachten,  von  den  occidentalischen  die  lateinischen  eines 
Julius  Valerius  und  die  des  Archipresbyter  Leo,  von  denen  die  letztere, 
aus  dem  zehnten  Jahrhundert  stammende,  die  verbreitetste  war.  Ein  Aufent- 
halt in  Constantinopel,  wohin  Leo  durch  eine  diplomatische  Sendung  geführt 
wurde,  gab  ihm  Gelegenheit,  sich  mit  Pseudo-Callisthenes  zu  beschäftigen; 
er  schrieb  sich  denselben  ab.  Nach  seiner  Rückkehr  veranlasste  ihn  der 
Herzog  von  Kampanien,  der  sich  eine  Bibliothek  anlegen  wollte,  den 
griechischen  Roman  ins  Lateinische  zu  übersetzen.  Die  Bearbeitung  Leos 
ist  nicht  bloss  für  die  Ueberlieferungsgeschichte  des  griechischen  Textes 
von  Bedeutung,  sondern  noch  mehr  für  die  Verbreitung  der  Alexander- 
sage im  Mittelalter,  da  sich  auf  sie  eine  ganze  Reihe  solcher  Produkte 
stützt.  Neben  dieser  Uebersetzung  lief  noch  eine  Epitome  um,  welche 
aber  wegen  ihrer  Dürftigkeit  gegenüber  der  Arbeit  Leos  etwas  in  den 
Hintergrund  gedrängt  wurde.  Dieser  Epitome  lag  die  Uebersetzung  eines 
Julius  Valerius  oder  mit  vollem  Namen  Julius  Valerius  Alexander  Polemius 
zu  Grunde.  Dieser  Autor  wird  gegen  Ende  des  dritten  und  Anfang  des 
vierten  Jahrhunderts  gelebt  haben,  vielleicht  war  er  mit  dem  Konsul  des 
Jahres  338  Polemius  identisch.  Sein  Werk,  das  in  drei  Büchern  Geburt, 
Thaten  und  Hinscheiden  Alexanders  behandelt  und  auch  eingestreute 
Verse  enthält,  hat  für  uns  einen  doppelten  Nutzen ;  dasselbe  dient  zur  Re- 
konstruktion der  älteren  Fassung  des  Pseudo-Callisthenes,  statt  dessen  aber 
der  Uebersetzer  den  Aesop  als  Verfasser  nennt,  dann  liefert  es  aber  auch 
einen  wichtigen  Beitrag  zur  Sprachgeschichte ,  da  das  hier  gebrauchte  La- 
tein gegenüber  dem  Normallatein  bereits  erhebliche  Differenzen  aufweist 

Pseudo-Callisthenes.  J.  Zacher,  Pseudo-Callisthenes,  Halle  1867;  P.  Meyer, 
Alexandre  le  Grand  dans  la  litt^rature  fran^aise  du  moyen-ftge,  Paris  1886;  A.  Ausfeld, 
Zur  Kritik  des  griechischen  Alexanderromans,  Bruchsaler  Progr.  1894;  W.  Kroll,  Der 
griech.  Alexander- Roman  (Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  Nr.  38  (15.  Februar  1901)  p.  8); 
F.  Kampers,  Alexander  der  Grosse  und  die  Idee  des  Weltimperiums  in  Propheiie  und 
Sage  (Stud.  und  Darstellungen  aus  dem  Gebiete  der  Gesch.  von  H.  Grauert  1.  Bd.,  2.  nnd 
3.  Heft  (Freib.  i.  Br.  1901)  p.  55).  Der  griechische  Text  wurde  herausgegeben  von  C.  MQller 
hinter  der  Arrianausg.  von  Dttbner,  Paris  1846;  dass  diese  Ausg.  den  jetzigen  HedOrfiaiasen 
nicht  gentigt,  zeigt  W.  Kroll,  Zum  griech.  Alexanderroman  (Hermes  30  (1895)  p.  462),  von 
dem  eine  neue  Ausg.  zu  erwarten  steht. 

Zeugnisse  über  Julius  Valerius.     [Sergii]  explanat.  in  Donatum  lib.  II  (Gramm. 


*)  R.  Raabe,   'Jarogla  'jXe^dydgov^   die  '   Leipz.  1896. 

armenische    Uebersetzung    der    sagenhaften  ^)  W.  B  u  d  g  e ,  History  of  Alexander  the 

Alexanderbiographie(i'seudo-Callisthene8)auf  Great.  Being  theSyriac  Version  of  the  Pseudo- 

ihre  mutmasslicne  Grundlage  zurückgeführt,  |   Callisthenes,  Cambridge  1889. 


Julias  Yalerins.    (§  792.)  45 

L  4  p.  557,  24)  in  histaria  Älexandri  Magni  legitur  „iubet  omne  facessere  famulüium*' , 
est  procul  discedere,  „ut  arcanum  sermanem  tuto  committeret."  Diese  Stelle  bezieht  sich 
if  p.  3,  18  K. 

Die  Persönlichkeit  des  Julias  Valerins.  Im  Tariner  Palimpsest  heisst  es  am 
^aas  des  ersten  Buches:  Juli  Valeri  Älexandri  v,  c.  Polemi  Älexandri  Macedonis  oriua 
her  primus  explicit;  im  Ambrosianus  und  Parisinus  lautet  die  Subscriptio:  Julii  Valerii 
lexandri  Macedonis  Translatae  {translata:  Paris.)  ex  Aesopo  Graeco  Liber  primus  etc. 
US  den  Subscriptionen  des  Turiner  Palimpsestes  und  des  Ambrosianus  zum  zweiten  Buch 
:ellt  sich  keine  wesentliche  Verschiedenheit  heraus,  nur  dass  im  Turiner  Palimpsest  auch  auf 
ie  üebersetzung  aus  dem  Griechischen  hingewiesen  ist.  Aus  dem  Turiner  Palimpsest  ergibt 
ch,  dass  der  Verfasser  Julius  Valerius  Alexander  Polemius  hiess.  Es  ist  eine  be- 
:e€hende  Vermutung  Orions  (I  nobili  fatti  di  Alessandro  Magno,  Bologna  1872,  p.XXVIj,  dass 
alias  Valerius  Alexander  Polemius  mit  dem  Konsul  des  Janres  338  Polemius  identisch  war. 

Die  Zeit  des  Julius  Valerius.  Würde  die  Identifizierung  des  Julius  Valerius 
lit  dem  Konsul  des  Jahres  838  Polemius  sicher  sein,  so  wäre  auch  die  Zeit  des  Autors 
egeben.  Allein  da  diese  Identifizierung  nicht  sicher  erwiesen  werden  kann,  müssen  wir 
ach  unabhängig  davon  die  Zeit  des  Autors  zu  fixieren  suchen.  Ein  Terminus  ante  quem 
rgibt  sich  daraus,  dass  das  Itinerarium  Älexandri,  welches  an  den  Kaiser  Constantius  (887 
-361)  gerichtet  ist,  bereits  die  Alexandergeschichte  des  Julius  Valerius  kennt;  vgl.  Zacher, 
seudo-Callisthenes  p.  55.  Den  Terminus  post  quem  gibt  zunächst  die  Stelle  an  die  Hand 
l,  26  p.  36,  11  K.),  wo  von  der  Ausdehnung  Roms  gesprochen  wird  und  dann  die  Worte 
inamgefügt  werden:  nondum  adiectis  his  partibus,  quae  multum  congeminasse  maiestatis 
US  magnificentiam  visuntur;  diese  Worte  beziehen  sich  auf  die  Erweiterung  der  Stadt 
nter  Aorelian  (270—275);  vgl.  Boysen  p.  412.  Auf  die  aurelianische  Zeit  führen  auch 
ie  Titulaturen;  so  wenn  2,  33  p.  104,  19  Alexander  mit  victoriosissime  angeredet  wird  und 
arius  sich  als  dominus  et  deus  bezeichnet;  vgl.  Landgraf  p.  429  und  Schoener,  Ueber 
Ie  Titulaturen  der  röm.  Kaiser  (Acta  seminarii  philol.  Erlangensis  2  (1881)  p.  449).  Weniger 
eher  ist  der  Schluss,  der  aus  Nichtaufführung  Constantinopels  unter  den  grossen  Städten 
1  der  erwähnten  Stelle  1,  26  gezogen  wird;  man  meinte  nämlich,  dass,  als  Valerius  schrieb, 
e  Residenz  noch  nicht  nach  Constantinopel  veriegt  war  (380),  aber  auch  in  der  griechi- 
;hen  Vorlage  ist  Constantinopel  nicht  erwähnt;  vgl.  Boysen  1.  c. 

Ueber  die  Zierlichkeit  anstrebende  Sprache  handelt  Landgraf,  Zeitschr.  für 
iierr.  Gymn.  33  (1882)  p.  430  (vgl.  auch  Philol.  Rundschau  1881,  p.  126)  und  Kühlers  Index 
srbonun  et  locutionum,  p.  239.  Wir  finden  neue  Wortbildungen,  Verstösse  gegen  die  Formen- 
ihre,  eigentümliche  syntaktische  Wendungen  und  merkwürdige  Erscheinungen  in  der  Phraseo- 
>gie.  Ueber  Partikeln  vgl.  Kluge,  De  Itinerario  Älexandri  Magni,  Breslau  1861,  p.  86  und 
5;  über  Phraseologie  p.  51.  Emige  Beispiele:  p.  67,  81  K.  commilitium  =  militia;  8,  19 
tmtäitium  =  famuli;  9,  20  lubentia;  84,  2S  poculum  =  potio;  98,  2  recursare  —  in  mentem 
fnire;  11, 8  mi  muHer;  19, 4  mi  parentes;  75, 19  iubere  mit  Dativ;  144,  23  quam  blandius  = 
landissime;  123,  5  quanti  —  quot;  109,  5  virtutum  et  sapientiae  merito  (=  wegen);  84,  18 
\si  dcUur;  33,  29  datur  visere.  Dass  die  Latinität  des  Julius  Valerius  auf  Afrika  hinweise, 
ie  Landgraf  ani^immt,  kann  nicht  erhärtet  werden. 

Die  Ueberlieferung  des  Julius  Valerius  beruht  hauptsächlich  auf  drei  Hand- 
Driften,  dem  Turiner  Palimpsest  s.  VII  (von  dem  ein  Facsimile  sich  findet  in  Zange- 
leister-Wattenbachs  Exempla  codicum  lat.  tab.  25),  dem  Ambrosianus  P.49  sup.  s.  IX/X 
nd  dem  Parisinus  4880  s.  XIII.  Da  von  der  ersten  Handschrift  nur  Fragmente  erhalten 
nd,  sind  wir  im  wesentlichen  auf  die  zwei  letzten  angewiesen.  Ueber  die  Handschriften 
gl.  J.  Zacher,  Pseudo-Callisthenes,  Halle  1867,  p.  33;  B.  Kuebler,  Praef.  zu  seiner 
osg.  p.  IX,  femer  denselben  Hermes  22  (1887)  p.  627  (Ambrosianus);  Rivista  di  filol.  16 
.888)  p.  368  (über  den  Turiner  Palimpsest). 

Ausg.  des  Julius  Valerius  von  A.  Mai,  Mailand  1817  (Frankfurt  a/M.  1818, 
^hlechter  Nachdruck).  Die  zweite  Ausg.  von  Mai  in  den  Class.  auct.  tom.  7  (Rom  1885) 
.  61.  Auch  C.  Müller  edierte  den  Julius  Valerius  in  Dübners  Arrianausg.,  Paris  1846 
ihne  kritischen  Apparat).     Massgebende  Ausg.  von  B.  Kuebler,  Leipz.  1888. 

Auszüge.  Wir  haben  deren  zwei,  erstens  einen  vollständigeren  in  der  Oxforder 
Handschrift  des  Coli.  Corp.  Christi  82  s.  XII,  über  welchen  zu  vergleichen  D.  Volkmann, 
oL  Val.  adnotat.  crit.  (Festschr.  für  Karl  Peter)  und  von  dem  W.  Foerster  eine  Collation 
ßsitzt,  und  einen  in  einer  durch  viele  Handschriften  verbreiteten  Epitome,  welche  Zacher, 
Alle  1867  herausgegeben  hat.  Unter  dem  Titel  laus  Alexandriae  ist  aus  dem  Parisinus 
319  s.  XI  ein  Fragment  von  Riese  (Geographi  lat.  min.  p.  140)  und  anderen  herausgegeben 
orden.  Dieses  Fragment  entstammt  aber,  wie  K.  Boysen  (Philol.  42  (1884)  p.  411)  zeigt, 
18  Julius  Valerius. 

Die  Üebersetzung  des  Archipresbyter  Leo.  Ueber  die  Entstehung  der  Ueber- 
^tzong  gibt  der  Prolog  (p.  27  Landgraf)  Aufschluss.  Der  allgemein  übliche  Titel  der  Ueber- 


46  Julias  YalerioB.    (§  793.) 

Setzung  ist  Historia  de  preliis;  derselbe  erscheint  aber  erst  in  den  Ausg.  Im  Monacensis 
lautet  die  üeberschrift:  Vita  Alexandri  Magni  interprete  Leone  Arehipresbf^tero  Neapolitano. 
Herausgegeben  wurde  diese  üebersetzung  von  Landgraf,  Die  Vita  Alexandri  Magni  des 
Archipresbyter  Leo  (Historia  de  preliis)  nach  der  Bamberger  und  ältesten  Mttnchener  Hand- 
schrift, Erlangen  1885  (der  1.  Teil  als  Progr.  des  Gymnasiums  Schweinfurt  1884/85).  Die 
beiden  Handschriften  sind  Bambergensis  £.  lU,  14  s.  XI  und  Monacensis  23489  s.  XII/XIIL 

793.  Die  Metzer  Alezander-Epitome.  In  einer  Metzer  Handschrift 
des  zehnten  J[ahrhunderts,  und  wie  es  scheint  in  dieser  ganz  allein,  ist 
uns  die  Epitome  einer  Alexandergeschichte  erhalten.  Dieselbe  ist  aber 
am  Anfang  verstümmelt,  denn  die  Erzählung  beginnt  mit  den  Ereignissen 
nach  dem  Tode  des  Darius  und  führt  sie  fort  bis  zu  dem  Stadium  des 
indischen  Feldzugs,  in  welchem  Alexander  auf  seiner  Indusfahrt  nach 
Patala  gelangt;  es  folgt  dann  eine  Lücke.  Nach  derselben  bringt  die 
Erzählung  das  Komplott  zur  Vergiftung  Alexanders,  den  Tod  desselben  und 
sein  Testament.  Diese  beiden  Teile  zeigen  in  Bezug  auf  den  historischen 
Charakter  eine  Verschiedenheit.  Im  ersten  Teil  folgt  der  Auszug  dem  Be- 
richte, der  sich  auch  bei  Curtius,  Diodor,  Justin  und  Plutarch  findet,  und 
zwar  schliesst  er  sich  von  den  vier  genannten  Autoren  enger  an  Curtius 
und  Diodor  an;  in  dorn  zweiten  Teil  ist  der  Tod  Alexanders  ganz  so  ge- 
schildert, wie  es  in  der  ältesten  Fassung  des  dem  Pseudo-Callisthenes 
zugeschriebenen  Alexanderromans  der  Fall  ist.  Die  vorliegende  Schrift  ist 
wohl  aus  dem  Griechischen  übersetzt  und  wird  der  Zeit  des  vierten  oder 
fünften  Jahrhunderts  angehören.  Daraufhin  weisen  sprachliche  Eigentüm- 
lichkeiten ;  der  Stil  des  Verfassers  hat  einen  archaistischen  Beigeschmack. 

Zur  Charakteristik  des  vollständigen  Werkes  bemerkt  Wagner  (Proleg. 
p.  95):  „exstitisse  videtur  antiquitus  liber  quidam,  qui  inscribebatnr  ,de  rebus  gestis  Ale- 
xandri Magni  "y  cuius  auctor  quis  fuerit  quave  aetate  flonierit,  nescimus.  apparet  aatem 
hunc  scriptorem  iisdem  fere  auctoribas  in  enarranda  Alexandri  Magni  historia  usom  esse, 
ex  quibus  fluxerunt,  quae  a  Curtio  Diodoro  Jnstino  Plutarcho  tradita  sunt,  eomqne  artiiu 
cum  relationibus  Gurtii  et  Diodori  quam  cum  Justini  et  Plutarchi  cohaesisse,  quibnsdani 
tamen  locis  plura  quam  Curtium  et  ceteros  praebuisse,  aliis  qnamvis  paucis  cum  ArriaiM 
consensisse,  in  exitu  denique  vitae  Alexandri  exponendo  proxime  ad  eas  fabolas  accessisse, 
quas  de  ea  re  scriptores  quidem  deteriores  Graecorum  commenti  sunt,  quamm  fabulanm 
ii  scriptores,  qui  ad  nostram  aetatem  pervenerunt»  nisi  paucissimis  locis  mentionem  non 
fecerunt  earumque  vestigia  ampliora  adhuc  tantum  exstabant  in  libfo  illo,  quo  hlstorii 
Alexandri  in  fabulae  duicedinem  a  quodam  scriptore,  qui  vulgo,  ne  prorsns  nomine  carest, 
^Pseudo-Callisthenes'*  vocatur,  composita  est,  cuius  libri  complnres  recensiones  aetatem 
tulerunt/  Haltlose  Vermutungen  über  den  Verfasser  des  vollständigen  AlexanderbndiB 
werden  aufgestellt  von  G.  Landgraf,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1901  Sp.  413. 

üeber  das  Verhältnis  des  Pseudo-Callisthenes  und  der  Metzer  Epitome 
vgl.  W.  Kroll,  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  Nr.  88  (15.  Februar  1901)  p.  4;  Berl.  pliikL 
Wochenschi*.  1901,  Sp.  494.  Nach  Kroll  ist  es  nicht  zweifelhaft,  dass  Pseudo-CallisuifiDeB 
das  griechische  Original  unserer  Epitome  abgeschrieben  hat;  vgl.  dagegen  Ansfeld,  BheiD. 
Mus.  56  (1901)  p.  518.  Urheber  der  Vergiftungsgeschichte  war  wohl  Onesikritus;  §  97  p.  112 
iam  non  alienum  videtur  qui  fuerint  demonstrare,  quorum  Onesicritus  fugiena  simuUatem 
mentionem  facere  noluit. 

Ueber  die  Sprache  der  Epitome  vgl.  G.  Landgraf,  Berl.  philol.  Wochenschr. 
1901  Sp.  252. 

Ueberlieferung.  Die  Epitome  ist  nur  in  dem  Metzer  Miscellan-Godez  500  s.  X 
erhalten.  Alle  Nachforschungen  nach  einer  zweiten  Handschrift  waren  vergeblich;  vgl 
Wagner  p.  167.  Der  Traktat  beginnt  mit  den  Worten:  incipit  Alexandri  M<tgni  Mate- 
donis  epitomae  rerum  gestarum  liber  I,  das  aber  Reitzenstein  richtig  in  liber  II  verbeBsert 
hat.    Wagner  (p.  118)  hält  nicht  fOr  unmöglich,  dass  mit  §  87  ein  drittes  Buch  beginnt 

Ausg.  Zuerst  erschien  die  Epitome,  herausgegeben  von  Volkmann,  in  einer  Fest- 
schrift von  Schulpforta  für  H.  Bonitz.  Diese  Festschrift  kam  aber  nicht  in  den  Handel; 
dann  wurde  die  Epitome  mit  Prolegomena  und  Commentar  herausgegeben  von  0.  Wagner, 
Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  26  (1900)  p.  97. 


Die  ScriptoroB  bistoriae  AngnsUe.    (§  794.)  47 

2.  Die  Soriptores  historiae  Augustae. 

19i.  Die  Historia  Angusta.  Sueton  hatte  die  Kaiser  in  Biographien 
bis  Domitian  behandelt;  er  wurde  fortgesetzt  von  Marias  Maximus,  der 
die  Kaiser  von  Nerva  bis  Elagabal  zur  Darstellung  brachte  (§  546).  Das 
Buch  Suetons  ist  uns  erhalten,  das  des  Marius  Maximus  verloren  gegangen. 
Ausser  diesen  beiden  Werken  kennt  die  römische  Litteraturgeschichte  noch 
ein  drittes,  welches  man  gewöhnlich  Historia  Augusta^)  nennt.  Dasselbe 
umfasst  die  Periode  von  Hadrian  bis  Carus  und  seine  Söhne,  also  die  Zeit 
von  117 — 284.  Aber  nicht  bloss  die  Kaiser  haben  ihre  Biographien  er- 
halten, sondern  auch  die  Gaesaren  und  die  Usurpatoren;  selbstverständlich 
sind  die  Biographien  der  zweiten  Klasse  als  sekundäre,^)  die  der  ersten 
als  primäre  anzusehen.  Die  Sammlung  ist  in  der  Mitte  durch  den  Aus- 
fall einer  Blätterlage  verstümmelt;  damit  ist  die  Epoche  244 — 253  uns 
entzogen.  Vielleicht  sind  auch  am  Anfang  die  Biographien  Nervas  und 
Traians  mit  dem  ursprünglichen  Titel  untergegangen,  da  es  nicht  unwahr- 
scheinlich ist,  dass  auch  die  Historia  Augusta  an  Sueton  anknüpfte.^) 

Die  Biographien  folgen  sich  in  chronologischer  Ordnung,  nur  in  dem 
Teil,  welcher  durch  die  Biographien  von  Verus  und  Alexander  Severus  ein- 
geschlossen ist,  macht  sich  eine  Störung  bemerkbar.  Das  Charakteri- 
stische dieser  Sammlung  ist,  dass  sie  aus  dem  Werke  von  sechs  Autoren 
zusammengestellt  wurde.  Diese  sechs  Autoren  sind  Aelius  Spartianus, 
Yulcacius  Gallicanus,  Aelius  Lampridius,  Julius  Capitolinus,  Trebellius 
Pollio  und  Flavius  Vopiscus.  Von  diesen  Autoren  sind  aber  nur  die  Werke 
der  zwei  letzten  vollständig  in  die  Sammlung  aufgenommen  worden,  bei 
den  anderen  vier  Autoren  wurde  eine  Auswahl  getroffen.  Trebellius  Pollio 
und  Flavius  Vopiscus  stellen  sich  uns  schon  durch  ihre  rhetorische  Sprache 
deutlich  als  Individualitäten  dar.  Weniger  ausgeprägt  sind  charakteri- 
stische Eigenschaften  der  vier  übrigen  Historiker;  Sprache  und  Kom- 
position bewegen  sich  ziemlich  in  demselben  Geleise,  und  die  Scheidung 
derselben  ist  daher  bei  der  nicht  ganz  zuverlässigen  Ueberlieferung  stets 
ein  Problem  der  höheren  Kritik  gewesen,  das  bald  im  radikalen,  bald  in 
konservativem  Geiste  gelöst  wurde.  Die  Biographien  lassen  sich  in  zwei 
Hälften  zerlegen,  in  solche,  welche  Privatpersonen  gewidmet  sind,  und  in 
solche,  welche  eine  Dedikation  an  einen  Kaiser  enthalten.*)  In  die  erste 
Gruppe  gehören  die  vitae  des  Pollio  und  Vopiscus,  in  die  zweite  die  der 
übrigen  vier  Autoren.  Allein  auch  diese  Gruppe  zerfallt,  je  nachdem  eine 
Biographie  dem  Kaiser  Diokletian  oder  Constantin  gewidmet  ist,  in  eine 
diokletianische  und  in  eine  constantinische  Reihe.  Die  vitae  dieser 
Gruppen,  die  keine  Dedikation  enthalten,  lassen  sich  vermutungsweise  in 
eine  der  beiden  Reihen  einordnen. 

Entstanden  sind  alle  Biographien  in  einem  Zeitraum  von  40  Jahren, 
der  durch  die   Regierungen  Diokletians  und  Constantins  begrenzt   wird; 

*)  Der  Titel  ist  genommen  aus  Vopiscus  |  schlechter  als  die  primären;  vgl.  H.Peter, 

Tacitus  10, 3  (II  p.  192  Peter)  CJorneKwm  Toüi-  '  Die  Script,  p.  lU. 

tum,  scriptorem  historiae  Augustae.    üeber  ')  Peter,  Die  Scriptores  p.  143. 

ihre  Entstehung  in  Rom   vgl.  Peter,   Die  *)  Ueber  andere  Unterschiede  der  beiden 

Scriptores  p.  2 1 .  Hälften  vgl.  K 1  e  b  s ,  Rhein.  Mus.  47  ( 1 892)  p.  30. 

*)  Diese  sekundären  Biographien  sind  viel 


48 


Die  Soriptores  historiae  Angnstae.    (§  794.) 


^)  Da  Byzantium  in  der  Hist.  Aag.  vor- 
kommt (vgl.  den  Index  bei  Peter,  Ausg. 
p.  270),  nirgends  aber  Constantinopolis,  wird 
auch  die  Bedaktion  nicht  nach  330  erfolgt 
sein,  da  die  Grundsteinlegung  Constantinopels 
in  das  Jahr  326  und  die  Einweihung  in  das 
Jahr  830  fällt;  denn  der  neue  Name  würde 
wohl  substituiert  worden  sein;  vgl.  Peter, 
Die  Scriptores  p.  40  und  p.  145.  Zum  ersten- 
mal werden  die  Script,  hist.  Aug.  von  Sym- 
machus  (cos.  485)  benutzt;  vgl.  Seeck, 
Fleckeis.  Jahrb.  141  (1890)  p.  632. 

'^)  H.  Peter  (Die  Script,  p.  146)  nennt 
Capitolinus  als  Schlussredakteur.  Er  fasst 
(p.  79)  seine  Ansicht  dahin  zusammen,  „dass 
Capitolinus,  dessen  Schriftstellerei  sich  auf 
die  Zeit  des  Diocletian   und  Constantin  ver- 


teilt, in  seiner  zweiten  Periode  das  Onpoi 
zusammengefasst  und  zu  dem  Zweck  sowolil 
einige  Biographien,  welche  sich  von  d« 
früheren  durch  ihren  Schwulst  unterscheidea, 
neu  geschrieben,  als  auch  die  Werke  anderer 
mit  Zusätzen  versehen  hat.*  Vgl.  aach  dl  8L 
Eine  teilweise  Epitomiemng  der  Viten  kam 
mit  Linsen barth  (Der  röm.  Eaieerbiogr^ 
Fl.  Vopiscus,  Kreuznach  1876,  p.  7  n.  p.  18) 
und  Rühl,  Die  Zeit  des  Vopiacos  (Bbcn. 
Mus.  43  (1888)  p.  589)  nicht  angenomoMi 
werden.  Bezüglich  des  Vopiscus  vgjL  die 
Vermutung  Wölfflins  unter  der  Rabrik 
„Die  Hypothese  Dessaus*  (p.  55). 

»)  Vgl.  H.  Peter,  Die  i^cript  p.  144  xad 
Wölfflin  p.  477. 


die  Sammlung  dagegen  wurde  nicht  nach  330  veranstaltet.^)     Wer  der 
Sammler  war,  lässt  sich  nicht  ermitteln.^)     Eine  wichtige  Frage  ist,  in- 
wieweit derselbe  in  das  von  ihm  gesammelte  Material  eingegriffen  und  ob 
er  nicht  selbst  Biographien  zur  Vervollständigung  des  Ganzen  eingeschaltet  | 
hat.    Auch  diese  Frage  lässt  sich  nur  durch  Kombination  und  Hypothesen  | 
beantworten.  *) 

Litteratur  zur  Hist.  Aug.  D  od  well,  Praelectiones  Gamdenianae,  Oxford  169^ 
p.  32;  Dirksen,  Die  Script,  hist  Aug.  Andeutungen  zur  Texteskritik  und  Auslegmig  der- 
selben, Leipz.  1842;  6.  Bernhardy,  Prooemii  de  Script,  hist.  Aug.  I.  (Ind.  lect.  Halle  1846); 
Fr.  Richter,  lieber  die  Script.  VI  hist.  Aug.  (Rhein.  Mus.  7  (1850)  p.  16);  H.  Peter,  Hi- 
storia  critica  Script,  hist.  Aug.,  Leipz.  1860;  Plew,  De  diversitate  anctomm  hist  An^ 
Königsberg  1869;  Brooks,  De  quattuor  prioribus  hist.  Aug.  Script,  Königsberg  1869; 
Studien  zu  den  Script  hist.  Aug.,  Marien werder  1877;  Wissensch.  Monatsbl&tter  5  (1877) 
p.  119  und  6  (1878)  p.  60;  H.  Peter,  Die  Script  hist  Aug.,  Leipz.  1892;  GeschiehtL  Litt 
der  Eaiserz.,  Leipz.  1897;  vgl.  auch  dessen  Jahresber.  in  Philol.  48  (1884)  p.  137  md 
Bursians  Jahresber.  76.  Bd.  2.  Abt  (1894)  p.  119;  De  Sanctis,  Gli  scnpt.  hist.  Aug.  (Bi- 
vista  dl  storia  antica  1  (1896)  p.  90);  Drake,  Studios  in  the  Script,  hist  Aug.  (America 
Journal  of  philology  20  (1899)  p.  40;  Trope a,  Studi  sugli  Script  hist  Aug.,  Meflaina  1899, 
3  Hefte,  abgedr.  aus  der  Rivista  di  storia  antica.  I.  Sulla  personalita  degli  Script,  hial  Aa^ 
II.  1.  Antonini  nomen.  2.  La  data  della  composizione  dell'  ultima  biografia  negli  scripL 
hist  Aug.  Dati  cronologici  intomo  alla  yita  ed  alle  biografie  di  Vopisco,  Pollione  e  Liii- 
pridio.  3.  Per  la  data  del  passagio  del  nome  di  Scribae  pontificum  in  Pontifices  Minoni. 
4.  Sulla  interpretazione  di  un  passo  di  Sparziano  in  Vita  Severi  6,  9.  5.  A  propoeito  £ 
un  passo  di  Capitolino  in  Vita  Clod.  Alb.  12,  4 — 15.  III.  Mario  Massimo  vita  e  frammenti; 
vgl.  Peter,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1900  Sp.  685.  Dazu  kam  im  Jahre  1900  ein  4.  mid 
1901  ein  5.  Heft;  vgl.  Peter,  Beri.  philol.  Wochenschr.  1902  Sp.  488;  J.  M.  Heer,  Der 
histor.  Wert  der  Vita  Commodi  in  der  Sammlung  der  Script,  hist.  Aug.  (Philol.  Supplementbi 
9  (1901)  p.  1);  Jaenicke,  De  Aelio  Spartiano  (De  vitae  Hadrianeae  scriptoribna,  HiDi 
1875,  p.  11);  J.  Dürr,  I.  (juellenanalyse  von  Spart,  vit  Hadi.  cap.  5—14;  11.  üeber  dei 
Brief  Hadrians  bei  Vopiscus  vit.  Saturn,  c.  8  (Die  Reisen  des  Kaisers  Hadrian,  Wien  1881, 
p.  73  und  p.  88);  Zeitler,  Zu  Spartianus'  vita  Hadriani,  Eichstfttt  1875;  Plew,  QneUn- 
unters.  zur  Gesch.  des  Kaisers  Hadrian,  Strassb.  1889;  0.  Linsenbarth,  Der  römisdie 
Kaiserbiograph  Flavius  Vopiscus,  Kreuznach  1876;  A.  Gemoll,  Die  Script,  hist  Aug., 
I.  Striegau  1886;  Klebs,  Die  Vita  des  Avidius  Cassius  (Rhein.  Mus.  43  (1888)  p.  321). 

Der  Umfang  des  Corpus  wird  durch  den  vielleicht  nicht  ursprünglichen  (Momm- 
sen,  Hermes  13  (1878)  p.  301  will;  vitae  Caesarum)  Titel  vitae  diveraarum  prineipum  ä 
ti/rannorum  a  diro  Hadriano  usque  ad  Numerianum  a  diversis  conpositae  bestimmt  Durdt 
einen  Blätterausfall  sind  Philipp  (244—249),  Decius  (249-251),  Gallus  (251—253),  Aemilianv 
(253)  und  der  Anfang  des  Valerianus  (253—260)  verloren  gegangen.  Der  Schloss  der  Yt- 
leriani  und   der  Anfang   der  Gallieni  lassen  nur  einzelne  Worte  und  Buchstaben  erkenBca 

Die  Reihenfolge  der  Biographien  ist  die  chronologische;  nur  die  Biographiei, 
die  zwischen  Verus  und  Alexander  Severus  stehen,  zeigen  eine  gestörte  Reihenfolge.  Sie 
stehen  in  folgender  Reihe :  Didius  Julianus,  Commodus,  Pertinaz,  Avidius  Cassius,  Se^timiai 
Severus,  Pescennius  Niger,  Caracallus,  Geta,  Heliogabalus,  Diadumenus,   Macrinua,    Ulodin 


Die  Soriptores  historiae  Angastae.    (§  794.)  49 

Albinua,  Alexander  Severoa.  Durch  Verschiebung  einzelner  Lagen  wird  diese  Störung  er- 
klart von  Fr.  Richter,  Ueber  die  Script.  VI  bist.  Aug.  (Rhein.  Mus.  7  (1850)  p.  28).  H.  Peter 
(Hiatoria  critica  Script  bist.  Aug.,  Leipz.  1860,  p.  15)  nimmt  nur  eine  Störung  der  Reihen- 
folge der  vitae  des  AvidiUs  Gassiua  und  des  Didius  Julianus  an,  welche  ihre  Plätze  zu 
tauschen  hfttten.  Ausserdem  statuiert  er,  dass  die  vitae  des  Garacallus,  Geta,  Heliogabalus, 
Diadomenns,  Opilius  Macrinus  als  Antonine  zu  einem  Gorpus  zusammengefasst  gewesen 
seien,  welches  der  Redaktor  als  Ganzes  herfibemahm;  vgl.  Peter,  Ausg.  p.  XIII;  Die  script. 
hist  Aug.,  Leipz.  1892,  p.  149. 

üeber  die  Persönlichkeit  des  Vulcacius  Gallicanus  vgl.  Hudemann,  Philol. 
7  (1852)  p.  587.  Derselbe  wird  in  der  einzigen  von  ihm  mitgeteilten  Biogiaphie  vir  claris- 
simns  genannt.  Er  ist  vielleicht  verwandt  oder  identisch  mit  dem  Konsul  Gallicanus  des 
Jahres  317;  vgl.  Gordiani  tres  22,  8  (II  p.  46  Peter). 

üeber  die  Persönlichkeit  des  Trebellius  Pollio  vgl.  Wölfflin,  Mün- 
ebener  Sitznngsber.  1891  p.  480.  Er  scheint  Heide  gewesen  zu  sein;  denn  er  glaubt  an 
Orakel;  vgl.  Glaudius  10  (II  p.  140  P).  Sein  Grossvater  war  ein  Bekannter  des  Tetricus  iunior ; 
vgL  triginta  tyranni  25,  3  (H  p.  122).  Die  Persönlichkeiten,  denen  die  Gallieni  duo,  die 
30  Tyrannen  und  der  Glaudius  gewidmet  waren,  lassen  sich  durch  einen  Blattausfall  nicht 
mehr  feststellen;  ebenso  können  die  vobis  in  Valeriani  duo  7  (II  p.  77)  und  8,  5  (II  p.  78) 
aus  dem  gleichen  Grunde  nicht  ermittelt  werden.  Rhetorische  Kunst  lehnt  er  ab;  vgl. 
triginta  tyranni  33,  8  (II  p.  132)  libellum  non  tarn  diserte  quam  fideliter  scriptum,  neque 
ego  eloquentiam  mihi  videor  pollicittis  esse,  fted  rem.  Allein  diese  Ablehnung  ist  nur  eine 
Phrase.  Der  Historiker  besitzt  rhetorische  Bildung  und  citiert  viermal  Gicero  (Gallieni  20,  1 
(H  p.  96);  trig.  tyranni  8,  2  (H  p.  104);  22,  11  (p.  120);  Glaudius  2,  5  (II  p.  184)).  Vopiscus 
Aurel.  2,  1  (U  p.  149)  adserente  Tiberiano  {praefecto  urbis),  quod  Pollio  multa  incuriose, 
muUa  brevUer  prodidisaet,  üeber  zweifelhafte  Gitate  vgl.  Wölfflin  p.  485.  Seinen  Wahr- 
heitssinn hebt  er  hervor  Glaudius  11,  5  (H  p.  141)  vera  dici  fidea  cogit  ....  quod  historia 
diei  postulat,  non  tacere. 

Ueber  die  Persönlichkeit  des  Flavius  Vopiscus  vgl.  Wölfflin  p.  492.  Er 
wird  in  der  üeberlieferung  S3rracusius  genannt.  Er  war  Heide  (Aurel.  21,  4  (II  p.  163)); 
vgl.  H.  Peter,  Die  Scriptores  p.  22.  Auf  seinen  Grossvater  beruft  er  sich  Saturn.  9,  4 
(U  p.  226);  15,  4  (p.  230);  Garinus  13,  3  (II  p.  240).  Ueber  die  Aufforderung  des  Junius 
Tiberianus,  das  Leben  Aurelians  zu  schreiben,  vgl.  Aurel.  1,  1  (II  p.  148).  üeber  seine  an- 
gebliche Benutzung  der  bibliotheca  Ulpia  vgl.  Aurel.  1,  7  (II  p.  149);  Probus  2,  1  (II  p.  201). 
In  der  vita  Probi  ist  ein  Gelsinus  (1,  3  (II  p.  200)),  im  Firmus  (2,  1  (II  p.  221))  ein  Bassus 
angeredet  Aus  Probus  1,  5  (II  p.  201)  8i  vita  suppetet  kann  gefolgert  werden,  dass  er  als 
älterer  Mann  schrieb,  üeber  eine  Kritik  der  Zeitgenossen  vgl.  Garinus  18,  5  (II  p.  243). 
Von  der  Bedeutung  des  Senats  ist  er  am  meisten  erfüllt;  vgl.  Klebs,  Rhein.  Mus.  47 
(1892)  p.  6.  üeber  seine  Vorbilder  vgl.  Probus  2,  7  (II  p.  202)  et  mihi  quidem  id  animi 
fuit,  ui  non  SaUi4Stio8,  lAvios,  Tacitos,  Trogos  atque  omnes  disertissimos  imitarer  viros 
in  vita  principum  et  temporibus  disserendis,  sed  Marium  Maximum ^  Suetonium  Tran- 
quiüutn,  Fdbium  Mareellinum,  Gargilium  Martialem  [Julium  Capitolinum,  Aelium  Lampri- 
diurn]  eeterosque,  qui  haec  et  talia  non  tam  diserte  quam  vere  memoriae  tradiderunt.  Er 
lehnt  Beredsamkeit  ab;  vgl.  Probus  1,  6  (II  p.  201)  neque  ego  nunc  facultatem  eloquentiamque 
poUieeor  sed  res  gestas,  quas  perire  non  potior,  üeber  seine  fides  spricht  er  Aurel.  12,  4 
(H  p.  157);  17,  1  (p.  160);  20,  4  (p.  163);  35,  1  (p.  173);  Bonosus  15,  9  (II  p.  231).  üeber 
das  Gmndmotiv  seiner  Schriftstellerei,  die  curiositas,  vgl.  Garinus  21,  2  (II  p.  245)  habe, 
mi  atniei,  meum  munus,  quod  ego,  ut  saepe  dixi,  non  eloquentiae  causa  sed  curiositatis  in 
lumen  edidi.  üeber  seine  verdächtigen  Gitate  vgl.  Wölfflin  p.  495.  —  Linsenbarth 
p.  4;  BQhl,  Rhein.  Mus.  43  (1888)  p.  597;  Richter,  Rhein.  Mus.  7  (1850)  p.  17. 

Die  Verteilung  der  vitae  unter  die  sechs  Autoren.  Zweifellos  ist  der  Anteil 
des  Trebellius  Pollio  und  des  Vopiscus;  der  erste  behandelt  die  Biographien  von  den  Phi- 
lipp! bis  Glaudius,  diese  Partie  ist  aber  am  Anfang  verstümmelt;  der  zweite  behandelt  die 
von  Aurelian  bis  auf  Garns.  Von  den  übrigen  vier  Historikern  wird  dem  Vulcacius  Galli- 
canns  die  vita  des  Avidius  Gassius  (I  p.  84)  in  der  üeberlieferung  zugeteilt.  Ein  stri'^tiges 
Problem  ist  aber  die  Verteilung  der  vitae  unter  die  drei  übrigen  scriptores.  In  den  Hand- 
schriften tragen  den  Namen  des  Aelius  Spartianus  die  vita  des  Hadrian  (1  p.  3),  des  Helius 
oder  Aelius  (I  p.  29),  des  Didius  Julianus  (I  p.  127),  des  Severus  (I  p.  135),  des  Pescennius 
Niger  (I  p.  156),  des  Garacallus  (I  p.  181),  des  Geta  (I  p.  191);  vgl.  jedoch  gegen  diese 
Zuteilung  Peter,  Die  Scriptores  p.  25  Anm.  1.  Auf  Aelius  Lampridius  fallen  die  vitae  des 
Commodus  (I  p.  97),  des  Diadumenus  Antoninus  (I  p.  211),  des  Heliogabalus  (I  p.  220),  des 
Alexander  Severus  (I  p.  247).  Den  Namen  des  Julius  Gapitolinus  tragen  die  vitae  des 
Antoninns  Pins  (I  p.  36),  des  Marcus  Antoninus  (1  p.  47),  des  Verus  (I  p.  74),  des  Helvius 
Pertinax  (I  p.  114),  des  Glodius  Albinus  (I  p.  167),  des  Opilius  Macrinus  (I  p.  198),  der 
Maximini  (II  p.  3),   der  Gordiani  (U  p.  30),   des  Maximus  und  Balbinus  (II  p.  57).     Ueber 

Haodbacb  der  klaaa.  AUertumswiascnschafl.    VIII.  4.  \. 


50  I>i«  Soriptores  bistoriae  AagosUe.    (§  794.) 

die  Bedenken  gegen  diese  Verteilung  vgl.  Mommsen,  Hermes  25  (1890)  p.  248  und  Klebe, 
Rhein.  Mos.  45  (1890)  p.  446.  Zuletzt  hat  diese  Frage  Tropea  in  seinen  Stadi  sngli  Script 
hist.  Aug.,  Messina  1899  f.,  behandelt;  diese  Schrift  kenne  ich  aber  nur  ans  AnfÜhnmgen. 

Die  diokletianische  Reihe  der  Biographien.  Dem  Diokletian  siiid  gewidmet 
die  vita  Avidius  Gassius  des  Vulcacius  Gallicanus;  vgl.  3,  8  (I  p.  86)  praposui  enim,  Dio- 
cletiane  Auguste;  die  dem  Capitolinns  zugeteilten  vitae  Marcus;  vgl.  19,  12  (I  p.  65)  %a  tfobif 
ipsis,  aacratisaime  imperaior  Diocletiane,  et  semper  visum  est  et  videtur;  Veras;  vgl.  11,  4 
(I  p.  83)  praeter  vestram  clententiam,  Diocletiane  Auguste;  Opilius  Macrinns;  vgL  15,  4  (1 
p.  210)  serenitati  tuae,  Diocletiane  Auguste;  die  dem  Spaitian  zugeteilten  vitae  Aelins  mit 
der  einleitenden  Formel  (I  p.  29)  Diocletiano  Augusto  Aelius  Spartianus  suus  sal.;  Severus; 
vgl.  20,  4  (I  p.  151)  et  reputanti  mihi,  Diocletiane  Auguste;  Pescennins  Niger;  vgl.  9, 1 
(I  p.  163)  haec  sunt,  Diocletiane  maxime  Augustorum, 

Die  constantinische  Reihe  der  Biographien.  Dem  Constantin  sind  gewidmet 
die  dem  Spartianus  zugeteilte  vita  Geta;  vgl.  1,  1  (1  p.  191)  scio,  Constantine  Auguste.  Die 
dem  Lampridius  zugeteilten  vitae  Heliogabalus;  vgl.  2,  4  (I  p.  221)  quod  tu,  Constantine 
sacratissime,  ita  veneraris;  Alexander  Severus;  vgl.  65,  1  (1  p.  296)  soles  quaerere,  Con^ 
stantine  maxime;  die  dem  Gapitolinus  zugeschriebenen  vitae  Glodius;  vgl.  4,  2  (I  p.  169)  quae 
familia  hodie  quoque,  Constantine  maxime,  nobilissima  est;  Maximini;  vgl.  1,  1  (II  p.  8) 
clementiae  tuae,  Constantine  maxime;  Gordiani;  vgl.  34,  6  (II  p.  56)  quae  omniä,  Constantine 
maxime,  und  die  mit  den  beiden  vorausgehenden  Nummern  eng  zusammenhängende  vita 
Maximus  et  Balbinus. 

Die  Biographien  ohne  Anreden  sind:  1.  Hadrian,  2.  Pins,  8.  Gommodns,  4.  Per- 
tinax,  5.  Julianus,  6.  Caracallus,  7.  Diadumenus,  8.  Maximus  und  Balbinus.  Die  letztere 
vita  ist  mit  anderen  Viten,  welche  dem  Gonstantin  gewidmet  sind,  so  eng  verbanden,  dass 
wir  auch  diese  in  die  constantinische  Reihe  setzen  dürfen.  Von  den  übrigen  sieben  stellt 
Peter  in  die  diokletianische  Reihe  Hadrian,  Pius,  Pertinax,  Julianus,  Garacallas;  in  die 
constantinische  Reihe  Gommodus,  Diadumenus. 

Zeugnisse  über  die  Schriftstellerei  des  Spartianus.  Aelius  5,  5  (I  p.  83)  de 
quo  genere  cibi  alxter  refert  Marius  Maximus,  non  pentafarmacum  sed  tetrafarmacum  ap- 
pellans,  ut  et  nos  ipsi  in  eius  (Hadriani)  vita  persecuti  sumus;  vgl.  Hadrian.  21,  4  (I  p.  23). 
Aelius  1, 1  (I  p.  29)  in  animo  mihi  esty  Diocletiane  Auguste,  totprincipum  maxime,  non  solum 
eoSy  qui  principum  locum  in  hac  statione,  quam  temperas,  retentarunt,  ut  usque  ad  divum 
Hadrianum  feci,  sed  illos  etiam,  qui  vel  Caesarum  nomine  appellati  sunt  nee  prindpes  atä 
August l  fuerunt  vel  quolibet  alio  genere  aut  in  famam  aut  in  spem  prineipatus  venerunt, 
cognitioni  numinis  tui  sternere.  7,  5  (I  p.  35)  de  quo  idcirco  non  tacui,  quia  mihi  propo- 
situm  fuit  omnes,  qui  post  Caesarem  dictatorem,  hoc  est  divum  Julium,  vel  Caesares  vÄ 
Augusti  vel  principes  appellati  sunt,  qiiique  in  adoptionem  venerunt,  vel  imperatorum  fUii 
aut  parentes  Caesarum  nomine  consecrati  sunt,  singulis  libris  exponere,  meae  satisfaeiem 
conscientiae,  etiamsi  multis  nulla  sit  necessitas  talia  requirendi. 

Zeugnis  über  die  Schriftstellerei  des  Vulcacius  Gallicanus.  Avidius  Cu- 
sius  3,  3  (I  p.  86)  proposuiy  Diocletiane  Auguste,  omnes,  qui  imperatorium  nomen  sive  iutU 
ex  causa  sive  iniusta  habuerunt,  in  litteras  mitteile,  ut  omnes  purpuratos  Augustes  eognascertt. 

Zeugnisse  über  die  Schriftstellerei  des  Lampridius.  HeliogabaL  85,  1  (I 
p.  245)  cuius  (Heliogabali)  vitam  me  invitum  et  retractaiUem  ex  Graecis  Latinisque  coüeetam 
scribere  ac  tibi  (Constantino)  offerre  voluisti,  cum  iam  aliorum  ante  tulerimus.  seribsre  autem 
ordiar,  qui  post  sequentur,  quorum  Alexander  optxmus  et  cum  cura  dicendus  est  . , , .  Au- 
relianus  praecipuus  et  horum  omnium  decus  auctor  tui  generis  Claudius  ....  his  iungenii 
sunt  Diocletianus  ....  et  Maximianus  ....  ceterique  ad  pietatem  tuam,  te  vero,  Auguste 
venerabilis,  multis  paginis  isdemque  disertioribus  Uli  prosequentur,  quibus  id  felieior  natura 
detulerit.  his  addendi  sunt  Licinius  [Severus  Alexander^  atque  Maxentius,  Alex.  Sever.  64, 1 
([  p.  296)  Aurelianum  dico  et  deinceps,  de  quibus,  si  vita  subpeditaverit,  ea,  quae  eomperta 
fuerint,  publicabimus;  vgl.  auch  Heliogabal.  34,  6  (I  p.  245).  Gommod.  1,  1  (I  p.  97)  in  tita 
Marci  Antonini  satis  est  disputatum;  vgl.  noch  Diadumenus  6,  1  (I  p.  215). 

Zeugnisse  über  die  Schriftstellerei  des  Gapitolinus.  Opilius  1,1  (I  p.  198) 
vitae  illorum  principum  seu  tyrannorum  sive  Caesarum,  qui  non  diu  imperarunt,  in  ob- 
scuro  latent  ....  nos  tamen  ex  diver sis  historicis  eruta  in  lucem  proferemus,  et  ea  qmdem 
quae  memoratu  digna  erunt.  Maximini  1,  1  (II  p.  3)  ne  fastidiosum  esset  clementiae  tustj 
Constantine  maxime,  singulos  quosque  principes  vel  principum  liberos  per  lihros  singuks 
legere,   adhibui  moderationem,   qua  in  unum   volumen  duos  Maximinos,  patrem  filiwmqutf 

congererem quod   quidem   non   in   uno   tantum   libro  sed   etiam   in  plurimis  deinceps 

reservabo,  exceptis  magnis  imperatoribus,  quorum  res  gestae  plures  atque  clariores  longioret^ 
desiderant  textum;  vgl.  Gordiani  1,  3  (II  p.  30).  Marcus  19,  5  (I  p.  64)  ut  in  vita  eius  (Com- 
modi)  docebitur.  Glodius  1,  4  (I  p.  167)  inPescennii  vita  diximus;  12,  14  (I  p.  177)  quae  omnia 
in  vita  eius  {Severi)  posita  sunt.    Opilius  10,  6  (I  p.  206)  in  eius  {Diadumeni)  vita. 


Die  Soriptores  historiae  Angostae.    (§  795.)  51 

Zengnisse  Über  die  Schriftstellerei  des  Trebellias  Pollio  und  Vopiscns. 
VopiscuB  Aarelian  2, 1  (U  p.  149)  sermo  nobis  de  Trebellio  Polliane,  qui  a  dtiobua  Philippis 
U8^tte  ad  divum  Claudium  et  eitis  fratrem  Quintillum  imperatores  tarn  claroa  quam  obscuros 
memoriae  prodidit,  Pollio  triginta  tyr.  1,  2  (U  p.  99)  in  unum  eo8  libellum  eontuli  et  quidem 
brevem,  maxime  cum  vel  in  Valeriani  vel  in  Gallieni  vita  pleraque  de  his  dicta  nee  repetenda 
tanken  satis  eonstet,  81,  5  (p.  129)  haec  sunt  quae  de  triginta  tyrannis  dicenda  videbantur. 
guo9  ego  in  unum  volumen  idcirco  eontuli,  ne  de  singuHs  ....  nascerentur  indigna  fastidia 
. . . .  nunc  ad  Claudium  principem  redeo,  de  quo  speciale  mihi  volumen  ....  videtur  edendum 
addito  fratre.  81,  8  (p.  129)  quem  ad  modum  Valentem  superiorem  huic  volumini,  sie  post 
Cltiudium  et  Äurelianum  is,  qui  inter  Tacitum  et  Diocletianum  fuerunt,  addere  destinaveram. 
Pollio  Claudias  1,  1  (II  p.  183)  ventum  est  ad  principem  Claudium^  qui  nobis  intuitu  Con^ 
eianti  Caesaris  cum  cura  in  litteras  digerendus  est,  de  quo  ego  idcirco  recusare  non  potui, 
^uod  alioSf  tumtätuarios  videlicet  imperatores  ac  regulos,  scripseram  eo  libro,  quem  de  tri- 
fhUa  tyrannis  edidi,  üeber  den  Nachtrag  zu  den  80  Tyrannen  (81,  7—88,  8)  vgl.  Wölfflin 
p.  490  and  Beilage  2  p.  587.  Pollio  hatte  zwei  Franen  nnter  die  Tyrannen  anfgenommen 
and  als  man  dartlber  spöttelte  (31,  10  (II  p.  129)),  dieselben  durch  zwei  Tyrannen  ersetzt. 
Sein  Fortsetzer  ist  Vopiscus.  Vopiscus  Probus  1,  5  (11  p.  201)  sed  non  patiar  ego  iUe,  a 
quo  dudum  solus  Aurelianus  est  expetitus,  cutus  tntam  quantum  potui  persecutus,  Taciio 
Florianoque  iam  scriptis  non  me  ad  Probi  facta  conscendere,  si  vita  suppetet,  omnes,  qui 
Mupersunt  usque  ad  Maximianum  Diocletianumque,  dicturus,  Vopiscus  Bonosus  15,  10  (II 
p.  281)  supersunt  mihi  Carus^  Carinus  et  Numerianus,  nam  Diocletianus  et  qui  secuntur 
eiüo  maiore  dicendi  sunt.  Der  Fortsetzer  hat  aber  mit  Numerianus  abgeschlossen,  üeber 
die  GrOnde  vgl.  Carinus  18,  5  (11  p.  243). 

Die  Abfassungszeit.  Für  den  ersten  Teil  ist  die  Abfassungszeit  im  allgemeinen 
durch  die  Widmungen  an  die  Kaiser  bestimmt;  es  lassen  sich  aber  noch  einzelne  chronologische 
Daten  feststellen.  «)  Spartianus  Aelius  2,  2  (I  p.  30)  nostris  temporibus  a  vestra  dementia 
Maximianus  atque  Constantius  Caesar  es  dicti  sunt  (1.  März  298;  vgl.  Peter,  Die  Scriptores 
p.  30).  ß)  Julius  Capitolinus  Clodius  Albinus  4,  1  (I  p.  169)  Ceioniorum  quae  familia 
kodie  quoque,  Constantine  maxime,  nobilissima  est  et  per  te  aucta  et  augenda,  quae  per  Gal- 
Uenum  et  Gordianos  plurimum  crevit;  vgl.  Peter,  Die  Scr^>tores  p.  80.  ;^)  Aelius  La m- 
pridius  Heliogabalus  7,  7  (I  p.  225)  Orestam  (Orestes)  condidit  civitatem,  quam  saepe 
eruentari  hominum  sanguine  necesse  est.  et  Orestam  quidem  urbem  Hadrianus  suo  nomini 
Hndicari  iussit.  Wahrscheinlich  hat  Lampridius  die  Schlachten  zwischen  818  und  328  im 
Binn;  vgl.  Peter  p.  32.  —  Auch  bezüglich  des  zweiten  Teils  ergeben  sich  chronologische 
Anzeichen,  «)  fttr  Trebellius  Pollio  triginta  tyranni  21,  7  (II  p.  119)  nam  in  his  focis 
fuerunt,  in  quibus  thertnae  Dioeletianae  sunt  exaedificatae,  tarn  aeterni  nominis  quam  sacrati. 
Dieselben  wurden  von  Maximian  im  Jahre  298  angeordnet  und  zwischen  805  und  306 
Bingeweiht  Femer  wird  Constantius  an  mehreren  Stellen  als  Caesar  bezeichnet  (Gallieni 
7,  1  (II  p.  85);  Claudius  1,  1  (II  p.  188);  8,  1  (p.  184);  9,  9  (p.  140)),  dagegen  niemals  Au- 
KUstoB.  Consttfntius  war  aber  Caesar  293 — 805,  Augustus  1.  Mai  305  bis  25.  Juli  806.  Seine 
Sehriftstellerei  fällt  also  auch  unter  die  Regierung  Diocletians  (284—805);  vgl.  Peter  p.  36; 
IComnoisen  p.  280.    ß)  Für  Vopiscus.    Die  Schriftstellerei  des  Vopiscus  nahm  ihren  Aus- 

Bingspunkt  von  einem  Gespräch  mit   dem  Stadtpräfekten  Junius  Tiberianus;   derselbe   be- 
eidete sein  Amt  zweimal  291 — 292  und  308—804.    Da  die  Schriftstellerei  des  Vopiscus 
die  des  Pollio  anknüpft,   wird  nur  die  zweite  Präfektur  als  Ausgangspunkt  anzusehen 
;  vgl.  Mommsen,  Hermes  25  (1890)  p.  257  Anm.  1.    Er  verweist  femer  auf  Constan- 
als  Imperator  (Aurel.  44,  5  (U  p.  181)).     üeber  306  führen   keine  Spuren  hinaus;   vgl. 
mch  Fr.  Rühl,  Die  Zeit  des  Vopiscus  (Rhein.  Mus.  48  (1888)  p.  597). 

795.  Charakteristik  der  Historia  Angusta.  Das  .Urteil  über  die 
Scriptores  historiae  Augustae  ist  ein  einstimmig  vernichtendes,  und  die 
Kritiker  wetteifern  förmlich  in  den  Ausdrücken  der  tiefsten  Verachtung.^) 
Und  in  der  That  dürfte  es  schwer  halten,  irgend  eine  günstige  Seite  diesen 
alenden  Skribenten  abzugewinnen.  Vor  allem  ist  es  der  Mangel  an  jedem 
liistorischen  Sinn,  welcher  uns  die  Historia  Augusta  so  ungeniessbar  macht. 
Die  biographische  Geschichtsschreibung  hat  in  ihr  den  tiefsten  Verfall  er- 
reicht. Bereits  bei  Sueton  war  die  abschüssige  Bahn  vorgezeichnet;  es 
war  ihm  nicht  gelungen,  eine  Persönlichkeit  aus  dem  Inneren  heraus  zur 
Darstellung  zu  bringen,  statt  dessen  arbeitete  er  nach  einer  Schablone  und 


*)  üeber  ihre  Gedankenlosigkeiten  vgl.  Dessau,  Hermes  27  (1892)  p.  601. 

4* 


52  I>io  ScriptoreB  historiae  Angastae.    (§  795.) 

stellte  Anekdoten  zusammen.  Einen  weiteren  Schritt  nach  abwärts  that 
Marius  Maximus.  Während  Sueton  bei  seinem  Anekdotenkram  sich  einer 
rühmenswerten  Kürze  befleissigt  hatte,  entfaltete  Marius  Maximus  seinen 
nichtigen  Stoff  mit  der  grössten  Breite.  Auch  durch  das  unorganische 
Anhängen  von  Urkunden  an  die  Biographien  schuf  er  ein  Novum  gegen- 
über Sueton.  ^)  Noch  schlimmer  ging  es  der  Biographie  bei  Junius  Cordus; 
auch  dieser  wühlte  mit  Behagen  im  Schmutz  der  kleinlichsten  Hof- 
geschichten und  scheute  dabei  vor  Lügen  und  Erdichtungen,  die  übrigens 
auch  seinem  Vorgänger  nicht  ganz  fremd  gewesen  sein  werden,  >)  keines- 
wegs zurück.  In  diesem  6feleise  bewegen  sich  auch  die  Autoren  der 
Historia  Augusta.  Die  Grenze,  die  bei  uns  die  Tagespresse  von  der  Hi- 
storiographie scharf  scheidet,  wird  von  ihnen  nicht  beachtet.  Für  die 
Fragen  der  grossen  Politik  haben  sie  kein  Verständnis,  sie  haften  am 
Persönlichen,  sie  suchen  aber  auch  dieses  Persönliche  in  den  niederen 
Sphären  des  Lebens;  ihr  Hauptziel  ist,  die  Neugierde  (curiositas)  zu  be- 
friedigen. Zu  dem  Mangel  an  historischem  Sinn  tritt  die  Unkritik  und 
die  völlige  Gleichgültigkeit  gegen  die  Wahrheit.  Eifriges  Quellenstudium 
lag  ihnen  fern,  ihre  Hauptquelle  war  Marius  Maximus,  der  ihnen  den 
Stoff  von  Nerva  bis  zum  Kaiser  Elagabal  in  reicher  Fülle  darbot.  Auch 
die  Spuren  anderer  Schriftsteller  finden  sich  bei  ihnen,  z.  B.  die  des 
Junius  Cordus,  der  Griechen  Herodian  und  Dexippos;  auch  eine  Reihe  von 
Historikern,  die  sonst  ganz  unbekannt  sind,  wird  von  ihnen  gelegentlich 
citiert.  An  dem  einzigen  uns  erhaltenen  Herodian  lässt  sich  die  nach- 
lässige und  oberflächliche  Benutzung  nachweisen.  Aber  noch  beklagens- 
werter ist  es,  dass  diese  Schriftsteller  geradezu  als  Fälscher  auftreten; 
manchen  Nachrichten  sieht  man  es  sofort  an,  dass  sie  erdichtet  sind, 
andere  sind  höchst  zweifelhaft,  wie  die  Abstammung  des  Gonstantius 
vom  Gotenbesieger  Claudius,*)  welche  Trebellius  Pollio  allem  Anscheine 
nach  nur  in  dynastischem  Sinne  in  Umlauf  gesetzt  hat.  Am  schroff- 
sten stehen  sie  der  Wahrheit  mit  ihren  eingelegten  Urkunden  gegen- 
über. Die  antike  Historiographie  gestattete  auch,  um  die  Einheit  des 
Stils  zu  wahren,  Urkunden  mit  verändertem  Wortlaut  der  Darstellung 
einzufügen,  aber  sie  gestattete  nicht,  Urkunden  zu  fälschen.  Doch  auch 
diesen  schlüpfrigen  Weg  betraten  unsere  Historiker;  nicht  bloss  Briefe  und 
Reden,  sondern  auch  Urkunden  wurden  von  ihnen  erdichtet  oder  auch 
fingierte  Urkunden  von  ihnen  gläubig  hingenommen.  Fast  sämtliche  in 
der  Historia  Augusta  stehenden  Aktenstücke  scheiden  daher  für  den  die 


M   Der  Vorgang   wirkte   auch   bei    den  '   gehört  der  nachsuetoniscben  Kaiserbiographie 

Scriptores  nach;  vgl.  Vopiscus  Tacitos  12,  2  als  Grundzug,   und  es  ist  gar  keine  Veran- 

(II  p.  194)  plerasque  huius  modi  epistulas  in  |   lassung,    Marius    Maximus    davon    aosEa- 

fine  libri  pvsui;  18,  1  (p.  198)  et  quoniam  me  ,   nehmen/ 

promiai  aliquas  epistulas  esse positurum •)  Vgl.  H.  Peter,  Die  Scriptores  p.  10; 

his  additis  finem  scrihendi  faciam.     In  der  Mommsen,  R<)m.  Gesch.  5  (Berl.  1885)  p.227 

litterarischen    Biographie    waren    diese  An-  und    die   treffliche    Ausfdhrung  WOlfflins 

hänge  seit  längerer  Zeit  üblich  (Leo  p.  297).  p.  487;  Klebs,  Das  dynastische  Element  in 

^)   Vgl.   Leo    (Die    griechisch-römische  {   der  Geschichtschreibung  der  röm.  Kaieeneit 

Biographie  nach   ihrer  litterarischen   Form,  (Historische  Zeitschr.  61.  Bd.,  N.  F.  25  (1889) 

Leipz.  1901,  p.  278):    ,Die   freie  Erfindung,  p.  227). 

nenne  man  sie  Fälschung,  Märchen,  Roman,  ; 


Die  Soriptores  historiae  Angastae.    (§  795.)  53 

Wahrheit  suchenden  Historiker  aus.  Zu  dem  Inhalt  unserer  Kaiser- 
geschichte passt  auch  Komposition  und  Darstellung.  Die  Scriptores  stehen 
auf  einer  so  niedrigen  Stufe,  dass  ein  individueller  Stil  sich  nur  sehr 
schwach  bei  ihnen  bemerkbar  macht,  allein  dies  dürfen  wir  nicht  zu  auf- 
fällig finden;  wir  können  dieselbe  Erscheinung  in  Schülerarbeiten  und  in 
unserer  Tagespresse  beobachten,  wo  auch  nur  selten  sich  individuelle  Züge 
abheben.  Gleichgültigkeit  gegenüber  dem  Stoffe  erzeugt  auch  Gleichgültig- 
keit in  der  Behandlung.  Für  die  Komposition  war  die  von  Sueton  ge- 
schaffene Schablone  massgebend.^)  Doch  finden  sich  auch  Abbiegungen *) 
von  derselben  und  Aufnahme  von  Elementen,  die  sich  auf  anderem  Boden 
gebildet  haben.*)  Auch  der  Wortschatz  wurde  durch  die  Vorgänger,  be- 
sonders Sueton  und  Marius  Maximus,  beeinflusst.  Dieser  Wortschatz*) 
musste  eine  gewisse  Gleichförmigkeit  erhalten,  da  das  Persönliche,  in  dem 
sich  die  Biographien  bewegen,  viel  des  Gemeinsamen  b)  darbietet.  Allein 
das  Auge  des  scharfen  Beobachters  erkennt  doch  hinter  diesem  allgemeinen 
Typus  individuelle  Besonderheiten.  Die  Litteraturgeschichte  muss  daher 
eine  in  neuer  Zeit  mit  Scharfsinn  entwickelte  Hypothese,  dass  die  Historia 
Augusta  das  Werk  eines  einzigen  Fälschers  aus  der  valentinianisch- 
theodosischen  Zeit  sei,  zurückweisen. 

Zeugnisse  zur  Charakteristik  der  Historia  Augusta.  a)  Stoff:  Yopiscus 
Proculos  12,  6  (II  p.  228)  minima  quaeque  iocunda  sunt  atque  hahent  aliquid  gratiae  cum 
Uguntur,  Satuminus  11,  4  (II  p.  227}  longum  est  frivola  quaeque  conectere,  odioaum  dicere, 
quali  statura  fuerit,  quo  corpore,  quo  decore,  quid  biberit,  quid  comederit,  ab  aliis  isla 
dicantur,  Yopiscus  Aurelian  10,  1  (II  p.  155)  frivola  haee  fortasais  cuipiam  et  nimia  levia 
esse  videantur,  aed  curioaitas  nihil  recuaat;  vgl.  auch  die  Rubrik  «Persönlichkeit  des  Fl. 
Yopiscus*.  —  ß)  Darstellung:  Gapitolinus  Maximus  etBalbinus  4,  5  (II  p.  60)  aed priuaquam 
de  adibus  eorum  loquar,  placet  aliqua  dici  de  moribua  et  genere,  non  eo  modo  quo  Junius 
Cardus  est  persecutus  omnia,  aed  illo  quo  Suetoniua  Tranquillus  et  Valeriua  Marcellinua. 
Trebell.  Pollio  trig.  tyranni  1,  1  (11  p.  99)  acriptia  iam  pluribua  libria,  non  hiatorico  nee 
diserto  aed  pedestri  adloquio.  11,  6  (p.  110)  ut  fidelitaa  hiatorica  aervaretur,  quam  ego  prae 
eeteris  eustodiendam  putavi,  qui  quod  ad  eloquentiam  pertinet  nihil  curo.  33,  8  (p.  132) 
libellum  non  tarn  diserte  qtMm  fideliter  scriptum,  neque  ego  eloquentiam  mihi  videor  polli- 
citus  esse  sed  rem,  qui  hoa  libelloa,  quoa  de  vita  principum  edidi,  non  acribo  aed  dicto,  et 
diclo  cum  ea  featinatione  u.  s.  w. 

Quellen  der  Historia  Augusta.  Yulcacius  Gallic.  Avidins  Gassius  9,  5  (I  p.  91) 
si  qtiis  autem  omnem  hanc  historiam  acire  deaiderat,  legat  Mari  Maximi  aecundum  librum 
de  vita  Marci.  Spartianus  Hadrian.  2,  10  (I  p.  5)  ut  Mariua  Maximua  dicit;  12,  4  (p.  14) 
ut  verha  ipaa  ponit  Marius  Maximua.  Gapitolinus  Marcus  1,  6  (I  p.  48)  ut  Mariua  Maximus 
doeet,  Pertinax  15,  8  (I  p.  126)  horruiaae  autem  illum  imperium  epiatula  docet,  quae  vitae 
iüius  a  Mario  Maximo  apposita  est.  quam  ego  inaerere  ob  nimiam  longitudinem  nolui. 
Lampridius  Commodus  13,  2  (I  p.  108)  de  quibua  etiam  in  opere  auo  Mariua  Maximua  glo- 
riatur.  Junius  Gordus  (§  547)  ist  eine  Quelle  des  Julius  Gapitolinus;  vgl.  Glodius  7,  2 
(I  p.  172)  quarum  exemplum  hoc  eaae  Cordua  oatendit;  Maximini  4,  1  (II  p.  5)  ut  autem 
Cordtis  dicit;  Gordiani  4,  6  (II  p.  32)  Cordus  dicit.  Yulcacius  Gallicanus,  Lampridius  und 
Spartianus  dagegen  kennen  den  Gordus  nicht.   Mommsen  nimmt  unrichtig  an,  dass  Gapito- 

^)  Leo  p.  272.  '  praepositionum    usu   apud   sex    script.  bist. 

*)  Leo  p.  277.  i   Aug.,  Wien   1882;    Gotta,    Quaest.    gram- 

')  So  findet  der  dem  Plutarch  geläufige  |  maticae   et  criticae  de   vitis  a  scriptoribus 

moralische    Gesichtspunkt,     der    aber    dem  hist.  Aug.  conscriptis,  Bresl.  1883;  über  diese 

Sueton  gftnzlich  unbekannt  ist,  Berficksichti-  Schriften    vgl.   Lessing,    Studien    zu    den 

gnng  z.  B.  Gapitol.  Gordiani  21,  4  (II  p.  45)  Script,  hist.  Aug.,   Berl.  1889,   p.  4;    eigene 

$i  quidem   ea  debeant  in  historia  poni  ab  Beobachtungen  p.  6. 

historiografis,   quae   aut   fugienda    aint    aut  ^)    üeber   die    gemeinsamen    Züge    vgl. 

$equenda;  vgL  Leo  p.  279.  H.  Peter,  Die  Scriptores  p.  102  und  p.  239; 

«)  Ygl.  Paucker,   De   latinitate  scrip-  Elebs,  Rhein.  Mus.  47  (1892)  p.  26. 
tomm  hist.  Aug.,  Dorpat  1870;  Krauss,  De 


54  I^i®  Soriptores  hiatoriae  Aagastae.    (§  795.) 

linus  sich  in  diesem  Cordus  «einen  Gewfthrsmann  und  Prügelknaben'  geschaffen  habe;  vgl. 
dagegen  Elebs,  Rhein.  Mus.  47  (1892)  p.  21  Anm.  3  und  Peter,  Die  Scriptores  p.  287. 
üeber  die  anonyme  Eaiserchronik  als  Quelle  vgl.  Peter  p.  89.  Der  Nachweis  dieser 
Benutzung  ist  wichtig,  weil  sich  dadurch  das  Verhältnis  der  Historia  Augoista  zu  Eutrop 
und  Aurelius  Victor  (vgl.  Marcus  16,  3  (I  p.  61)  =  Eutrop  8,  11)  in  anderer  Weise  beetimmeii 
lässt,  als  Mommsen  und  Dessau  gethan;  vgl.  Elebs,  Rhein.  Mus.  45  (1890)  p.  444  (über 
Eutrop)  und  p.  446  (über  Aur.  Victor.);  Peter,  Die  Scriptores  p.  88  u.  94.  Dagegen  stellt 
sich  Leo  (Die  griechisch-rOm.  Biographie  nach  ihrer  litterarischen  Form,  Leipz.  1901,  p.  286 
Anm.  1)  in  Bezug  auf  Aur.  Victor  auf  Seite  Dessaus  und  Mommsen s.  Die  Benutzong 
des  Herodian  erhellt  aus  Capitolinus  Clodius  12,  14  (I  p.  177)  quae  qui  diligentiwt  sein 
velitf  legat  ....  de  Graecis  scriptoribus  Herodianum.  Maximus  et  Balbinus  15,  3  (U  p.  68) 
haec  sunt,  quae  de  Mcucimo  ex  Herodiano,  Graeco  scriptores  mcigna  ex  parte  colUgimu», 
Ueber  Capitolinus  als  Benutzer  Herodians  vgl.  Peter  p.  59;  Mommsen  p.  262;  Böhme, 
Dexippi  fragmenta  ex  Capit.,  Trebellio,  Syncello  coÜecta,  Leipz.  1882,  p.  55  and  Peter 
p.  68  und  p.  76.  Drei  Stellen  aus  Herodian  bei  Lampridius  Diadumenus  2,  5  (I  p.  212); 
Alexander  52,  2  (I  p.  287);  57,  3  (p.  291)  hftlt  Peter  (p.  79)  für  spätere  Einschiebsel.  Der 
griechische  Historiker  Dexippus  wird  citiert  Lampridius  Alex.  Severns  49,  3  (I  p.  285) 
Dexippus  dixit.  Capitolin.  Maximini  32,  3  (II  p.  28)  addidit  Dexippus;  Gordiani  2,  1  (II  p.  30) 
docente  item  Dexippo,  Graeco  auctore.  Treb.  Pollio  trig.  tyr.  32,  1  (II  p.  130)  docet  Dexippus; 

Claudius  12,  6  (II  p.  142)  Dexippus dicit.    Ueber  nachträgliche  Benutzung  dee  Dexippos 

durch  Capitolinus  vgl.  Peter,  Die  Scriptores  p.  60,  p.  61  und  p.  63.  Ueber  Dezippus  als 
Quelle  handelt  auch  C.  Martin,  De  fontibus  Zosimi,  Berl.  1866,  p.  5;  vgl.  auch  Mommsen 
p.  255.  Ueber  die  Schar  citierter  Autoren,  welche  meist  ganz  unbekannt  und  daher  ver- 
dächtig sind,  vgl.  §  548  und  Peter  p.  239;  Löcrivain,  Note  sur  Fhistorien  latin  AdiolinB, 
une  des  sources  de  Thistoire  Auguste  (Revue  des  ^tudes  anciennes  1  (1899)  p.  141).  Ueber 
die  Benutzung  mehrerer  Quellen  vgl.  H.  Peter,  Die  Scriptores  p.  100. 

Litteratur  zu  den  Quellen.  Erause,  De  fontibus  et  auctoritate  Script,  bist. 
Aug.,  Neustettin  1857  und  1874;  Plew,  Marius  Maximus  als  direkte  und  indirekte  Quelle 
der  Script  bist.  Aug.,  Strassb.  1878;  Rubel,  De  fontibus  quattuor  priorum  hist.  Aug.  scrip 
torum,  Bonn  1872;  J.  J.  Müller,  Der  Geschichtschreiber  L.  Marius  Maximus  (Büdingen 
Untersuchungen  zur  röm.  Eaisergesch.  3  (Leipz.  1870)  p.  33);  Dreinhoefer,  De  fontibiu 
et  auctoribus  vitarum  quae  feruntur  Spartiani,  Capitolini,  Gallicani,  Lampridii,  Halle  1875; 
Perino,  De  fontibus  vitarum  Hadriani  et  Septimii  Severi  imperatorum  ab  Aelio  Spar- 
tiano  coDScriptarum,  Heidelberg  1880;  0.  Hirschfeld,  Bemerk,  zu  der  Biogr.  des  Sept. 
Severus  (Wien.  Stud.  6  (1884)  p.  121);  C.  Giambelli,  Gli  scrittori  della  storia  AugosU 
studiati  principalmente  nelle  loro  fonti.  Accademia  dei  Lincei  1880 — 1881;  Enmann,  Die 
Eaisergesch.  und  die  Script,  hist.  Aug.  (Philol.  Supplementbd.  4  (1884)  p.  356);  Niehues, 
De  Vulcacii  Gallicani  vita  Avidü  Cassii  commentatio,  Münster  1885;  Elebs,  Die  vita  des 
Avidius  Cassius  (Rhein.  Mus.  43  (1888)  p.  321);  H.  Peter,  Das  Verhältnis  zu  den  Quellen 
(Script,  hist.  Aug.,  Leipz.  1892,  p.  49);  J.  M.  Heer,  Der  hist.  Wert  der  vita  Commodi  in  der 
Sammlung  der  Script,  hist.  Aug.,  Heidelberger  Diss.  1901.  Sehr  bedeutsame  Winke  zur  Quellen- 
kritik gibt  auch  Fr.  Leo  in  seiner  Analyse  der  Eomposition  verschiedener  Biographien 
(Die  griechisch-römische  Biographie  nach  ihrer  litterarischen  Form,  Leipz.  1901,  p.  282). 

Die  in  die  Scriptores  eingelegten  Dokumente.  „Von  den  ungeffthr  130  An- 
lagen sind  die  Mehrzahl  Briefe  (77),  meist  von  Eaisem  und  Angehörigen;  daran  schliesaen  sich 
der  Zahl  nach  Senatsverhandlungen  und  Orationes  (kaiserliche  Erlasse  an  den  Senat  31), 
Contiones  (10)  und  andere  Reden  (3),  Inschriften  (7)  und  Edikte  (2).  Von  ihnen  entfallen  3  wk 
Spartian  (alle  in  der  vita  Pescennii),  9  auf  Lampridius  (davon  5  in  der  vita  Diadumeni),  11  aof 
Vulcacius,  3  auf  die  frühere  Schriftstellerei  des  Capitolinus  (in  der  vita  Opilii),  48  auf  die 
spätere,  17  auf  Trebelllus,  44  auf  Vopiscus,  also  gar  keine  auf  11  Biographien  des  ersten 
Teils,  auf  die  5  ersten,  die  des  Hadr.,  Ael.,  Pius,  Marcus  und  Veius,  femer  auf  die  des 
Pertinax,  Didius,  Sept.  Severus  und  seiner  beiden  Söhne  Carac.  und  Geta,  Heliogabal.  Eine 
eigentümliche  Stellung  nehmen  die  Senatsverhandlungen  insofern  ein,  als  ihre  Zahl  in  keiner 
Biographie  die  2  überschreitet,  und  es  solche  und  nur  solche  sind,  wenn  in  einer  nicht 
mehr  Einlagen  vorhanden  sind,  während  die  anderen  gewöhnlich  in  grösserer  Zahl  und  in 
bunter  Mischung  auftreten"  (Peter  p.  154).  „Mit  sehr  geringen  Ausnahmen  (?)  sind  die  in 
der  H.  A.  eingefügten  Reden  und  Schriftstücke  Erfindungen"  (Feter  p.  231).  üeber  ge- 
legentliche Aeusserungen  von  Autoren  bezüglich  dieser  Schriftstücke  vgl.  Peter  p.  154 
(Kleb 8,  Rhein.  Mus.  47  (1892)  p.  21).  Im  Zusammenhang  wird  die  Frage  behandelt  f&r 
einzelne  Autoren  von  C.  Czwalina,  De  epistulanim  actorumque  quae  a  Script,  hist.  Aug. 
proferuntur,  fide  atque  auctoritate  part.  1  (Avidius  Cassius  des  Vulcatius  Gallicanua),  Bonn 
1870;  Wölfflin,  Die  Aktenstücke  des  Trebellius  Pollio  des  Vopiscus  (Münchener  Sitzmigsber. 
1891  p.  498);  im  vollen  Umfange  behandelt  von  H.  Peter,  Die  Script,  p.  153;  vgl.  jedodi 
Klebs,  Prosop.  imp.  r.  1  p.  21(5.  Ueber  den  Entwicklungsgang  der  Fälschung  vgl.  Leo, 
Die  ^echisch-römische  Biographie  nach  ihrer  litterarischen  Form,  Leipz.  1901,  p.  300. 


Die  Soriptores  historiae  Aagastae.    (§  795.)  55 

Die  Hypothese  Dessaus.  Dieser  Gelehrte  (Ueber  Zeit  und  Persönlichkeit  der 
Scriptores  historiae  Augostae,  Hermes  24  (1889)  p.  837)  hat  scharfsinnig  za  zeigen  gesucht, 
iass  die  Eaiserbiographien  auf  einer  Fälschung  beruhen,  dass  dieselben  nicht  der  constan- 
tiniach-diokletianischen,  sondern  der  valentinianisch-theodosischen  Zeit  angehören  und  dass 
üe  6  Historiker  keine  wirklichen  Persönlichkeiten  waren,  sondern  vom  Fälscher  erfunden 
wurden,  um  seiner  Arbeit  grösseren  Reiz  zu  verleihen.  Lebhafte  Zustimmung  fand  Dessau 
bei  Habel,  Wochenschr.  für  klass.  Philol.  1890  Sp.  418  und  Seeck,  III.  Die  Entstehungs- 
■eit  der  Hist.  Aug.  (Fleckeis.  Jahrb.  141  (1890)  p.  609),  der  (p.  631)  den  Satz  ausspricht, 
dass  alle  Biographien  auf  eine  einheitliche,  überall  durch  die  gleichen  anachronistischen 
Ajischauungen  bestimmte  Fälschung  zurückgehen.  Seeck  wandte  sich  in  seinem  Aufsatz 
besonders  gegen  Mommsen,  Die  Script,  hist.  Aug.  (Hermes  25  (1890)  p.  228)  und  in  einem 
Ajihang  gegen  Elebs,  Die  Sammlung  der  Script,  hist.  Aug.  (Rhein.  Mus.  45  (1890)  p.  436); 
Die  Script,  hist.  Aug.  (Rhein.  Mus.  47  (1892)  p.  1).  Beide  hatten  gegen  Dessau  Stellung 
genommen,  allerdings  in  verschiedener  Weise.  Mommsen  stellt  folgende  Hypothese 
Mif:  Die  Sammlung  ist  zwar  im  grossen  Ganzen  ein  Werk  der  diokletianisch -constan- 
fciiiischen  Zeit,  von  verschiedenen  Verfassern  herrührend,  hat  aber  eine  doppelte  Diaskeuase 
erfahren,  einmal  in  der  constantinischen  Zeit,  um  330,  wo  die  Sammlung  in  der  Form,  in 
der  sie  uns  vorliegt,  ihren  Abschluss  fand  (p.  270  und  p.  273),  dann  in  der  valentinianisch- 
theodosischen  Zeit.  Elebs  dagegen  kommt  zu  einer  gänzlichen  Verwerfung  der  Dessau- 
Behen  Hypothese  und  formuliert  seine  Ansicht  also  (p.  464):  «Unsere  Sammlung  ist  durch- 
MiB  ein  Eäreugnis  der  diokletianisch-constantinischen  Zeit;  sie  stellt  sich  dar  als  eine  rein 
ftOBserliche  ZusammenfÜgnng  verschiedener  Arbeiten,  bei  der  für  uns  Spuren  einer  einheit- 
lichen Redaktion  nicht  erkennbar  sind.''  Seine  Hypothese  verteidigt  gegen  Mommsen 
und  Klebs  Dessau,  Hermes  27  (1892)  p.  561.  Als  Gegner  Dessaus  erscheint  auch Wölfflin, 
Die  Script,  hist.  Aug.  (Sitzungsber.  der  Münchener  Akad.  1891  p.  465),  der  zumeist  von 
sprachlichen  Gesichtspunkten  aus  der  Frage  näher  trat.  Durch  emgehende  Untersuchungen 
wird  die  Individualität  des  Trebellius  PoUio  (p.  480)  und  des  Flavius  Vopiscus  (p.  492) 
festgestellt;  über  Spartianus  gibt  er  gewagte  Combinationen.  Ueber  Capitolinus  und  Lam- 
ptidius  versprach  Wölfflin  in  einem  zweiten  Aufsatze  zu  handeln;  allein  dieser  ist 
noch  nicht  erschienen.  Ueber  die  Entstehung  des  Corpus  äussert  er  sich  also  (p.  526): 
«Auf  Wunsch  des  praefectus  urbis  Tiberianus  hatte  sich  Vopiscus  zunächst  nur  entschlossen, 
den  Biographien  des  Trebellius  Pollio  eine  weitere  des  Aurelian  anzufügen,  und  er  that 
dies  auch,  indem  er  sich  den  Trebellius  zum  Vorbilde  nahm.  Er  setzte  dann  aber  seine 
Arbeitte  fort,  widmete  dieselben  verschiedenen  höher  gestellten  Personen  und  gedachte 
aach  noch  ein  ausgeftthrteres  Bild  des  Diocletian  zu  entwerfen,  doch  gelangte  der  Plan 
nicht  mehr  zur  Ausführung.*  Weiterhin  will  Wölfflin  gezeigt  haben,  .dass  Vopiscus 
ein  ganzes  Kaiserbuch  von  Hadrian  an  herausgab,  indem  er  die  vorhandenen  Biographien 
des  Spartian  durch  Noten  und  Anhänge  erweiterte,  auch  solche  von  Caesaren  und  Gegen- 
kaisem  neu  einschob. **  Eine  Verschiedenheit  der  Autoren  glaubt  auch  Frankfurter,  Zur 
FVage  der  Autorschaft  der  Script,  hist  Aug.  (Eranos  Vindobonensis,  Wien  1898,  p.  218)  aus 
Inhalt  und  Stil  einzelner  ausgewählter  Stücke  (p.  232)  zu  erkennen  und  stimmt  Mommsen 
darin  zu  (p.  220),  dass  die  Sammlung  in  der  diokletianisch -constantinischen  Zeit  ent- 
standen ist  und  eine  Ueberarbeitung  erfahren  hat  Ganz  auf  konservativem  Standpunkt 
steht  auch  Peter  (Die  Script,  hist.  Aug.,  Leipz.  1892,  p.  242),  der  die  Sammlung  als  ein 
Produkt  der  diokletianisch-constantinischen  Zeit  betrachtet  und  sie  mit  dem  Jahr  880  ab- 
geschlossen sein  lässt.  Nochmals  griff  Seeck,  Zur  Echtheitsfrage  der  Script,  hist.  Aug. 
(Rhein.  Mus.  49  (1894)  p.  208)  in  die  Debatte  ein,  indem  er  den  einen  Punkt,  ob  die  Samm- 
iong  von  einem  oder  mehreren  Fälschern  herrühre,  als  einen  nebensächlichen  ansieht  und 
den  ganzen  Schwerpimkt  seiner  Argumentation  auf  den  Satz  legt,  dass  die  Sammlung  nicht 
in  der  diokletianisch-constantinischen  Zeit  entstanden  sein  könne;  dies  ergebe  sich  aus  den 
Anachronismen.  Zuletzt  hat  unserem  Problem  gegenüber  Leo  Stellung  genommen;  er  er- 
blickt (p.  286  Anm.  1)  für  Spartianus  Severus  17,  5  (I  p.  148)— 19,  4  (p.  150)  die  Vorlage  in 
Victors  Caesarea  20,  1 — 31.  Daraus  folgert  er  zwar  nicht,  dass  das  ganze  Corpus  von  einem 
Pllscher  der  valentinianisch-theodosischen  Zeit  herrühre,  da  er  den  Nachweis,  dass  in  den 
Bciiptores  verschiedene  Individualitäten  stecken,  als  von  Elebs,  Wölfflin  und  Peter 
erbracht  ansieht,  zieht  aber  daraus  Folgerungen  für  die  Redaktion  des  Corpus  (p.  303).  Was 
mm  das  Hauptargument  Leos  anlangt,  so  möchte  ich  doch  Spartianus  Severus  17,  5  quod 
non  optinuit  eher  als  einen  Irrtum  der  Quelle,  d.  h.  der  Eaiserchronik  ansehen,  als  mit  Leo 
(p.  286  Anm.  1)  annehmen,  dass  Spartianus  die  von  Victor  begangene  Verwechslung  des 
Kmisers  und  des  Juristen  Julianus  richtig  erkannt,  trotzdem  aber  Victor  20,  I  quod  unum 
effiei  nequivit  durch  sein  quod  non  ohtinuU  in  ganz  anderem  Sinne  verwendet  habe. 

üeberlieferung.  Lange  war  die  Meinung  herrschend,  dass  für  die  Textkritik  der 
Bcriptores  zwei  Handschriften,  der  Bambergensis  E  III  19  und  der  Vaticanus-Palatinus  899, 
der  einst  im  Besitze  des  Gianozzo  Manetti  (t  1459)  und  wahrscheinlich  auch  im  Besitze 
Petrarcas  war  (vgl.  Nolhac,   P^trarque  et  rhumanisme,  Paris  1892,  p.  252),   massgebend 


56  I^dx*  Chronograph  Tom  Jahre  854.    (§  796.) 

seien,  da  beide  unabhängige  Abschriften  des  Archetypus  wären.  Auf  dieser  Anachammg 
ruht  z.  B.  die  Ausg.  Peters.  Neuerdings  wurde  von  Mommsen  (Heimes  25  (1890)  p.281}  . 
auf  Grund  eines  grösseren  neu  verglichenen  Stücks  die  Behauptung  aufgestellt,  dain  der  1 
Bambergensis  eher  eine  Abschrift  des  Palaiinus  sei.  Diese  Behauptung  Mommsens  worie  ' 
auf  Grund  einer  neuen  Vergleichung  des  Palatinus  von  Dessau,  Die  Ueberlieferung  der 
Script,  bist.  Aug.  (Hermes  29  ( 1894)  p.  393)  in  umsichtiger  Weise  bestätigt.  Damit  scheidet 
der  Bambergensis  als  selbständiger  Faktor  aus  der  Textkritik  der  Eüst.  Aug.  aus  und  dient 
nur  zur  Sicherstellung  der  ursprünglichen  Lesarten,  welche  in  dem  Palatinus  später,  nacb- 
dem  der  Bambergensis  abgeschrieben  war,  korrigiert  wurden,  und  der  Lesarten,  welcbe 
nach  dieser  Zeit  in  den  Text  gesetzt  wurden.  Irreführend  war  die  Zeitbestimmung  der 
beiden  Handschriften,  nach  der  der  Bambergensis  ein  höheres  Alter  hatte  als  der  Palatum; 
allein  wie  der  Bambergensis,  so  wird  auch  der  Palatinus  in  s.  IX  gehören;  vgl.  Dessii 
1.  c.  p.  398.  Auch  der  Vaticanus  5301,  welcher  die  Vorlage  fOr  die  editio  princeps  wmde, 
ist  aus  dem  Palatinus  abzuleiten;  vgl.  Dessau  p.  399.  Ueberhaupt  glaubt  Dessau,  dw 
die  übrigen  jüngeren  Handschriften  aus  dem  Palatinus  geflossen  sind  (p.  899).  Auch  & 
Excerpta  Palatina  des  Codex  Palatinus  886,  die  neben  Auszügen  aus  andern  SduiftsteDcn 
auch  Auszüge  aus  der  ersten  Hälfte  der  Hist.  Aug.  bis  zur  Vita  des  Maziminiis  darstellea, 
stehen  in  Abhängigkeit  vom  Palatinus  899.  Dagegen  liegen  Spuren  einer  vom  Palitijiii 
unabhängigen  Ueberlieferung  in  den  von  J.  Klein  (£ine  Handschrift  des  Nikolaus  von  Guei, 
Berl.  1866,  p.  95)  publizierten  Excerpta  Cusana  vor;  die  Quelle,  aus  der  sie  stammen,  wir 
aber  dem  Palatinus  sehr  ähnlich,  und  dieses  Florilegium  lag  auch  bereits  dem  Sedolin 
vor;  vgl.  M.  Haupt,  Hermes  1  (1866)  p.  43  ==  opusc.  3  p.  339.  Ueber  die  ganze  Frage 
vgL  Mommsen,  Hermes  13  (1878)  p.  298  und  Dessau  p.  414.  Auch  der  verachoUese 
Codex  Murbacensis  der  Abtei  Murbacn,  dessen  Lesarten  bis  zur  Vita  des  Diadnmenus  ind 
in  der  Baseler  Ausg.  1518  mitgeteilt  werden,  war  dem  Palatinus  nahe  verwandt.  And 
H.  Peter  (Berl.  phüoL  Wochenschr.  1897  Sp.  814)  hat  sich  übrigens  dieser  durchaus  an- 
leuchtenden Ansicht  Mommsens  und  Dessaus  angeschlossen,  nachdem  ihm  der  band- 
schriftenkundige  Rühl  auf  Grund  einer  Untersuchung  bestätigt  hatte,  dass  der  Bambergeon 
s.  X 1  angehöre,  während  Palatinus  in  s.  IX/X  zu  setzen  sei.  Im  Codex  Durlac.  86,  Rice.  619, 
Ottob.  1303  ist  eine  moderne  Umarbeitung  der  Rede  des  Nicomachus  bei  Vopiscas  Tadtos  6 
(II  p.  188)  enthalten;  sie  hat  für  die  Ueberlieferung  wenig  Wert;  vgl.  G.  Suster,  RiriaU 
di  filol.  17  (1889)  p.  247. 

Ausg.  £ditio  princeps  von  B.  Accursius,  Mailand  1475;  vgL  darüber  Peter  (Ansg. 
p.  XVIU),  der  zeigt,  dass  derselben  der  Vaticanus  5301  s.  XV  zu  Grunde  liegt;  Aldini, 
Venedig  1516  und  1519;  von  D.  Erasmus,  Basel  1518;  J.  Gruter,  Hannover  1611;  ?ob 
J.  Casaubonus,  Paris  1603,  cum  notis  Salmasii  1620.  Sammelausg.  Leiden  167 1;  rec 
H.  Jordan  und  F.  Eyssenhardt,  Berl.  1864;  rec.  H.  Peter,  Leipz.'  1884.  Seine  eigenei 
Konjekturen  begründet  Peter,  Fleckeis.  Jahrb.  129  (1884)  p.  75.  Dazu  vgl.  Spartiani  rita 
Hadr.  comm.  ill.  J.  Centerwall  1,  Ups.  1869.  Durch  die  Feststellung  der  Thatsache,  daai 
der  Bambergensis  aus  dem  Palatinus  stammt,  wird  der  kritische  Apparat  eine  weBentüdM 
Umgestaltung  erfahren.  Es  ist  daher  eine  neue  Ausg.  ein  Bedürftiis.  Ausserdem  braudiei 
wir,  wie  Mommsen  (Hermes  25  (1890)  p.  281)  sagt,  „einen  Commentar,  welcher  für  iede 
einzelne  Notiz  die  in  der  Sammlung  selbst  sowie  ausserhalb  derselben  auftretenden  Paralkl- 
stellen  vor  die  Augen  führt  oder  auch  deren  Mangel  constatiert,  und  wir  brauchen  ein  wenig- 
stens die  sachlich  wichtigen  Ausdrücke  vollständig  zusammenfassendes  und  chronologisch  kiio- 
trolierendes  Wortverzeichnis.'  Der  letzten  Forderung  Mommsens  wird  auf  Grandlage  da 
Palatinus  Lessing  nachkommen,  der  bereits  zwei  Fascikel  eines  Lexicons  (Leipz.  1901)02) 
erscheinen  liess. 

Uebersetzung  von  C.  Aug.  Closs,  Metzlerische  Sammlung  Stuttgart  1856. 

3.  Der  Chronograph  vom  Jahre  354. 

796.  Kalender  und  andere  Verzeichnisse.  Ein  ausserordentlich 
wichtiges  Büchlein  ist  ein  Kalender,  dem  noch  andere  Verzeichnisse  bei- 
gegeben sind.  Es  ist  fQr  den  täglichen  Gebrauch  des  Lebens  bestimmt  und 
zwar  zunächst  fQr  Rom;  dieses  Handbüchlein  ist  auch  mit  Bildern  ana- 
gestattet.  Auf  der  ersten  Seite  nennt  sich  ein  Furius  Dionysius  Philocalus; 
er  bezeichnet  seine  Thätigkeit  mit  „titulavit**.  Wir  kennen  diesen  Furius 
Dionysius  Philocalus  auch  als  einen  bei  Inschriften  ^)  thätigen  Kalligraphen. 


')  Es  kommen  zwei  Inschriften  der  Stadt  Rom  in  Betracht,  heide  publiziert  von  De 


Der  Chronograph  vom  Jahre  854.    (§  796.) 


57 


Nimmt  man  das  titulare  im  strengen  Wortsinn,  so  müsste  man  die  Thätig- 
keit  des  Kalligraphen  auf  das  Titelblatt  beschränken;  allein  möglicher- 
weise hat  Philocalus  das  ganze  Handbüchlein  geschrieben.  Das  Werkchen 
atammt  aus  dem  Jahre  354,  denn  hier  brechen  manche  Verzeichnisse  ab; 
66  wird  daher  von  Mommsen  „der  Chronograph  von  354 "*  genannt.  Allein 
leicht  begreiflich  ist  es,  dass  man  späterhin  manche  Verzeichnisse  weiter- 
f&hrte;  auch  lag  nahe,  eine  Erweiterung  des  Büchleins  durch  Aufnahme 
anderer  Dokumente  eintreten  zu  lassen.  Die  einzelnen  Bestandteile  des 
Chronographen  sind:  1.  Der  Kalender;  derselbe  hat  einen  offiziellen  Cha- 
rakter und  ist  in  Bezug  auf  das  Christen-  und  Heidentum  neutral  ge- 
halten, d.  h.  es  sind  die  heidnischen  Feste  und  Ceremonien  ausgemerzt, 
dafär  aber  nicht  die  christlichen  eingesetzt.  2.  Annalen,  von  denen  unter 
Nr.  8  die  Rede  sein  wird.  3.  Die  Konsularfasten;  dieselben  haben  als  die 
vollständigsten  und  zuverlässigsten  aller  Fasti  consulares  einen  hohen  Wert. 
4.  Eine  Ostertafel.  5.  Ein  Verzeichnis  der  Stadtpräfekten,  ebenfalls  ein 
sehr  wichtiges  Dokument.  6.  Es  folgen  zwei  Verzeichnisse  christlichen 
Charakters,  ein  Verzeichnis  der  Todesbige  und  Begräbnisstätten  a)  der 
römischen  Bischöfe,  b)  der  Märtyrer.  Die  beiden  Verzeichnisse  sind  die 
Qaelle  eines  ganzen  Litteraturzweigs,  der  Martyrologien,  geworden,  die 
sich  im  Laufe  der  Zeit  immer  mehr  erweiterten  und  schliesslich  zur  Le- 
gende führten.  7.  Das  Verzeichnis  der  römischen  Bischöfe;  aus  diesem 
Verzeichnis  ist  der  liber  Pontificalis  erwachsen.  8.  Annalen;  dieselben  liegen 
uns  im  Chronographen  in  zwei  Recensionen  vor,  von  denen  keine  vollständig 
ist,  die  eine  aber  die  andere  an  Reichhaltigkeit  übertrifft.  Für  die  spätere 
Zeit  ist  diese  Chronik  nicht  ohne  Wichtigkeit.  Da  dieselbe  auf  ganz  anderem 
Fandamente  ruht,  gehörte  sie  nicht  ursprünglich  zu  der  Sammlung,  sondern 
wurde  erst  später  mit  ihr  verbunden.  9.  Eine  im  Jahre  334  abgefasste  Welt- 
ehronik.  10.  Eine  Stadtgeschichte  Roms.  11.  Ein  Regionenverzeichnis  von  Rom. 
Diese  drei  Werke  gehören  allem  Anschein  nach  zusammen  und  werden  als 
^eichzeitige  Ergänzung  zu  dem  ursprünglichen  Bestände  zu  betrachten  sein. 

Ueber  die  einzelnen  Bestandteile  ist  im  besonderen  folgendes  zu  bemerken: 
X  Der  Kalender.  Er  besteht  aus  zwei  TeUen,  einem  astronomisch-astrologischen  und  einem 
^Ärgerlichen  Teil.  Der  Kalender  hat  Illustrationen  und  Beilagen,  z.  B.  die  Monatsbilder  mit 
^Dotrastichen  und  die  natales  Caesarum.  Die  letzten  schliessen  mit  Constantius  IL  (337—361). 
IDor  Kalender  muss  zwischen  350  und  361  entstanden  sein;  vgl.  Mommsen  p.  571.  Der  ur- 
Millngliche  Bestand  desselben  wird  von  Mommsen  1.  c.  zwischen  340  und  350  gesetzt. 
JLdh  besten  herausgegeben  von  Mommsen,  CIL  1  p.  334  und  verbessert  CIL  P  p.  256. 
Die  Bilder  sind  publiziert  von  Strzygowski,  Die  Kalenderbilder  des  Chronographen  vom  J. 
9b4  (Jahrb.  der  deutschen  archäol.  Inst.  1.  Ergänzungsheft,  Berl.  1888).  Ueber  die  Epigramme 
Tgl-Baehrens,  Poet lat.  min.  1  p.203.  Ueberdie  Ueberlief erung  vgl. Mommsen,  CIL  l'^p. 254. 

in.  Die  Konsularfasten  reichen  vom  Beginn  des  Konsulats  bis  zum  Jahre  354 
tt.  Chr.  und  führen  auch  den  Namen  Anonymus  Nonsianus  nach  dem  Herausgeber  Norisius, 
Florenz  1689.  .Dies  Konsularverzeichnis  ist  das  vollständigste  und  zuverlässigste  aller 
kftndsehriftlich  erhaltenen *"  (Mommsen  p.  572).  Dasselbe  geht  mit  den  fasti  capitolini  auf 
«ne Qaelle  zurück;  vgL  §  14  p.  26;  vgL  dazu  Mommsen,  CIL  P  p.  81 ;  Hermes  9  (1875)  p.  279. 

ly.  Einen  Anhang  zu  III  bildet  eine  Ostertafel  vom  Jahre  312  auf  100  Jahre 
berechnet.  Die  ursprüngliche  Aufzeichnung  reichte  bis  354.  Die  Ostertage  von  359 — 411 
sind  durch  Berechnung  gewonnen  und  fehlerhaft.  Dagegen  sind  die  Jahre  von  355 — 358 
xiehtig  bestimmt;  vgL  Mommsen,  Chronica  1  p.  62. 


Hossi,  Roma  sotterranea  1  p.  120;  2  tab.  III; 
*V]gl.  noch  p.  198.  In  der  zweiten  wird  ge- 
lesen :  Damast  sui  pappae  euUor  atque  amator 


Furius  Dionyaius  Filocalus  scribsit;  vgl.  auch 
Mommsen,  Chron.  min.  1  p.  15. 


58  Der  Chronograph  Tom  Jahre  854.    (§  796.) 

V.  Verzeichnis  der  Stadtpräfekten  von  254  —  354.  Die  üeberschrifl;  ist:  er 
temporibus  Gallieni  quis  quantum  temporis  praefecUiram  ürbis  adminUtraverU,  Wichtig 
ist  das  Verzeichnis  durch  die  Eonsularfasten,  die  es  mitenth&lt;  seit  288  erscheinen  andi 
Antrittstage  vermerkt. 

VI.  Depositio  episcoporum.  Item  depositio  martyrum,  ein  Verzeichnis  der 
Todestage  und  Begräbnisstätten  der  römischen  Bischöfe  und  Märtyrer,  das  für  die  Chiisteit 
Roms  bestimmt  war.  Beide  Verzeichnisse  gehören  zusammen.  Das  Verzeichnis  der  rÖiiD> 
sehen  Bischöfe  beginnt  mit  dem  Begräbnistage  des  Lucius  255,  folgt  dem  Kalender  (wie 
auch  die  depositio  martyrum)  und  reicht  bis  Silvester  335;  es  folgt  ein  Nachtrag  von  zwei 
Päpsten,  Marcus  336,  Julius  352.  Ueber  die  beiden  Verzeichnisse  als  Grundstock  der  Martm- 
logien  vgl.  Wattenbach,  Deutschlands  Geschichtsquellen  1*  (Berl.  1885)  p.  58;  Aehelii, 
Die  Martyrologien,  Berl.  1900,  p.  6.  Im  allgemeinen  vgl.  Rossi,  Roma  sotteiranea  1  (Bon 
1864)  p.  116;  2  (Rom  1867)  p.  UI. 

VII.  Ein  Verzeichnis  der  röm.  Bischöfe,  von  Christi  Tod  bis  anf  liberiu 
(352—366).  Es  wurde  unter  Idberius  redigiert,  da  es  seinen  Todestag  nicht  entliilt. 
Der  Quelle  und  der  Behandlung  nach  zerfällt  es  in  zwei  Teile,  von  denen  der  eiate  \m 
230  reicht,  der  zweite  die  Zeit  von  231  bis  Liberius  umfasst.  Dem  zweiten  Teil  Hega 
kirchliche  Aufzeichnungen  zu  Grunde.  Viel  schlechter  steht  es  mit  dem  ersten  Teil,  der  wä 
die  Chronik  des  Hippolytus  zurtlckgeht  (vgl.  dagegen  Döllinger,  Hippolytas  nnd  KalUstoi 
(Regensb.  1853)  p.  67)  und  zum  Teil  auf  Combinationen  beruht  Ueber  den  SLatalog  t^ 
Lipsius,  Chronologie  der  röm.  Bischöfe,  Kiel  1869,  p.  40;  G.  Waitz,  Neues  Archi?  fk 
ältere  deutsche  Gesch.  4  (1879)  p.  217;  9  (1884)  p.  459;  10  (1885)  p.  455;  11  (1886)  p.  217; 
Harnack,  Chronol.,  Leipz.  1897,  p.  149.  Üeber  das  Bischofsverzeichnia  als  Grnndstock  du 
liber  pontificalis  vgl.  Wattenbach,  Deutschlands  Geschichtsquellen  1*  p.  57.  Trefflick 
Ausg.  von  Duchesne,  Le  liber  pontificalis  1  (Paris  1886);  2  (1892);  vgl.  Bd.  1  p.  2. 

VIII.  Ursprünglich  nicht  im  Zusammenhang  mit  dem  Chronographen  stand  eine  CIitobL 
welche  uns  in  demselben  in  zwei  Recensionen  (11  u.  VIII)  Überliefert  ist.  Die  eine  mitar 
No.  II  reicht  von  Caesar  bis  539  n.  Chr.,  ist  lückenhaft  und  , versetzt*.  Die  voUstindiceR 
Recension  (VIII)  behandelt  nach  einem  Verzeichnis  der  Könige  die  Annalen  von  Caesar  )m 
403  und  dann  wieder  von  455—496.  Diese  Chronik  heisst  nach  dem  ersten  Heraos^el«  | 
Anonymus  Cuspiniani.  Da  sie  auf  Ravenna  als  Entstehungsort  hinweist,  heisst  sie  aaeh  I 
consmaria  Ravennatia;  vgl.  Frick,  Chronica  min.  1  p.  375.  Ueber  die  verschiedenen  Tcfli  I 
der  Kompilation  vgl.  Kaufmann,  Die  Fasten  von  Constantinopel  und  die  Fasten  von  Ri-  f 
venna  (Philol.  42  (1884)  p.  474).  Ausserdem  vgl.  Fall  mann,  Gesch.  der  Völkerwandflnsg 
2  (1864)  p.  196;  G.  Waitz,  Nachr.  der  Gott.  Ges.  der  Wissensch.  1865,  p.  81;  Kaufmtu, 
Philol.  34  (1876)  p.  398  und  p.  729;  Seeck,  Idacius  und  die  Chronik  von  Constantiuml 
(Fleckeis.  Jahrb.  139  (1889)  p.  601).  Zur  Ergänzung  des  Anonymus  Cusmniani  dient  im 
Excerptum  Sangallense,  welches  die  Jahre  390 — 573  umfasst;  abgedr.  von  Rossi,  Bnlletiii 
di  Archeologia  Cristiana  1867,  p.  17  und  Kaufmann,  Philol.  42  (1884)  p.  484.  Gegen  da 
Versuch  Holder-Eggers  (Neues  Archiv  für  ältere  deutsche  Gesch.  1  (1876)  p.  345),  ii 
Ravennater  Fasten  von  379—577  wiederherzustellen,  wendet  sich  Kaufmann,  Philol.  Lc 

IX.  Es  folgt  eine  Weltchronik  unter  dem  Namen  chronica  Horosii,  welche  sA 
an  die  Bibel  anschliesst  und  im  Jahre  834  abgefasst  ist.  Der  Grundstock  ist,  wie  ■■ 
bisher  allgemein  angenommen  hat,  eine  lateinische  Bearbeitung  des  Chronicon  von  H^pt* 
lytus;  vgl.  Harnack,  Gesch.  der  altchristl.  Litt.  I  (Leipz.  1893)  p.  626;  Mommsen,  Hemi 
21  (1886)  p.  142.  Diese  Ansicht  wird  aber  neuerdings  von  Frick  (Chronica  minora  1  (Ld|a 
1892)  p.  XXX)  bestritten,  es  wird  vielmehr  behauptet,  dass  eine  Kompilation  ans  deBMi 
Alex.  Strom.  I,  21,  109 — 136  und  Hippolyts  Chronik  vorliege;  vgl.  dazu  Harnack  p.  M 
Daneben  existiert  noch  eine  selbständige  ältere  Uebersetzung  desselben  Werks  im  sog.  \km 
generationis.  Ueber  die  beiden  Uebersetzungen  vgl.  Mommsen,  Chronica  minora  1  viO. 
Eine  dritte  Form  der  Uebersetzung  liegt  vor  in  dem  Chronicon  Alezandrinnm;  sie  niil 
sich  in  dem  im  Parisinus  4884  s.  VIl/VIII  überlieferten  Barbarus  Sciüigeri.  Eäne  Hai- 
schrift vertritt  auch  die  Kompilation  Fredegars  (vgl.  Mommsen,  Chronica  1  p.  781  ttv 
welche  zu  vergleichen  B.  Kr u seh.  Neues  Archiv  für  ältere,  deutsche  G^sch.  7  (1882yaMI 
u.  423  und  H.  Geiz  er,  Africanus  2  (1885)  p.  2.  Die  Völkertafel  wurde  publiziert  von  lu«H> 
Geograph!  lat.  min.  p.  160. 

X.  Eine  Stadtgeschichte  Roms.    Diese  Chronik  schliesst  mit  licinins*  Tod  (99 
ab;  sie  umfasst  die  fabelhafte  Königsgeschichte.     Eingestreute  Notizen  werden  aas  SofllM 
Buch  de  regibus  stammen.     Für   die  republikanische  Zeit  begnügt  sich  die  Chnmik  ^^tv 
eine  Reihe   von   Persönlichkeiten   ohne   alle  Ordnung   anzuführen.     Die  Regieronganit  #*^ 
Kaiser,  die  mit  Julius  Caesar  beginnen,  ist  genau  bestimmt.    Die  Ereignisse,  die  raitjpli 
werden,   sind  die   für  die  Stadt  Rom  interessanten.     In  der  Darstellung  der   alten  Zciti 
ein   euhemeristischer  Zug  bemerkbar.     Die  Chronik  bildet  gewissermaasen   einen  Teil  i 
Wcltchronik  und  ist  vielleicht  in  demselben  Jahre  (334)  verfasst;  vgl.  Seeck  8p.  24801 


Anrelins  Victor.    (§  797.)  59 

XI.  Das  Regionenverzeichnis  von  Rom.  Es  wurde  in  der  constantinischen 
t  ein  offizielles  Verzeichnis  der  von  Augustus  eingeführten  14  Regionen  der  Stadt  Rom, 
rin  zugleich  Umfang,  Bauten  u.  s.  w.  angegeben  waren,  angefertigt;  über  die  Anhänge  vgl. 
figmann,  Hermes  15  (1880)  p.  211.  Dieses  Verzeichnis  ist  auf  uns  in  zwei  Recensionen 
kommen,  in  der  sog.  notitia  regionum  und  dem  Curiosum  urbis  Romae  regionum  XIV 
tn  breviariis  suis,  a)  Notitia  regionum  ist  fiberliefert  in  den  Handschriften  der  notitia 
piitatnm  sowie  in  unserem  Chronographen.  Ihre  Abfassung  fällt  in  die  Jahre  334 — 357, 
Jirscheinlich  in  das  Jahr  834;  vgl.  Mommsen,  Abb.  p.  603.  Die  Ueberlieferung  des 
ronographen  bietet  den  besten  Text  der  ganzen  Familie,  ß)  Das  Curiosum  flillt  zwi- 
lien  357  (vgl.  Mommsen  p.  603)  und  403.  Es  gibt  die  gemeinsame  Vorlage  in  treuer 
»talt;  vereinigt  sind  beide  Recensionen  im  Laurentianus  89,  67.  Femer  wurde  durch 
Sätze  aus  der  basis  capitolina  und  Humanisten  des  15.  Jahrhunderts  ein  Kompendium 
r  römischen  Topographie  hergestellt.  Auch  unter  dem  Namen  Sex.  Rufus  erscheint  das 
iriosum;  diese  Zuteilung  ist  wohl  dadurch  zu  erklftren,  dass  das  Curiosum  auch  in  Hand- 
liriften  des  Breviarium  des  Festus  vorkommt;  vgl.  H.  Jordan,  Topographie  der  Stadt 
im  im  Altertum  2,  Berl.  1871;  Forma  Urbis  Romae  regionum  XIV,  Berl.  1874;  Urlichs, 
dex  urbis  Romae  topographicus,  Wttrzburg  1871;  Otto  Richter,  Handb.  der  klass. 
tertumsw.  Bd.  3*,  Abt.  8,  2.  Hälfte  (Mfinchen  1901)  p.  6  u.  371. 

Ueberlieferung.  Der  Chronograph  ist  uns  durch  keine  Handschrift  vollständig 
erliefert»  sein  Bestand  muss  vielmehr  aus  mehreren  Handschriften  gewonnen  werden.  In 
r  Geschichte  der  Ueberlieferung  laufen  alle  Fäden  in  einen  Codex  Luxemburgensis  zu- 
nmen,  der  in  den  Besitz  von  Peiresc  kam  und  seit  1627  verschollen  ist.  Es  besteht 
Dfise  Wahrscheinlichkeit,  «quidquid  ex  corpore  chronographi  a.  354  hodie  superest,  pro- 
iaci  ex  uno  exemplari  Luxemburgensi'  (Mommsen,  Chronica  min.  p.  33).  Die  Ableitung 
r  Handschriften  musste  auch  in  zwei  Schichten  erfolgt  sein ;  die  erste  Schicht  wurde  aus 
m  Luxemb.  abgeschrieben,  als  er  noch  vollständig  war.  Es  gehören  hieher  besonders 
r  Vindobonensis  3416  s.  XV,  die  Excerpta  des  Sangallensis  878  s.  IX,  der  Bemensis  108 
128  8.  X,  bei  dem  wohl  ein  verstümmeltes  Mittelglied  anzusetzen  ist.  Die  andere  Schicht 
tzt  bereits  eine  Verstümmelung  des  Luxemb.  voraus;  hieher  gehören  der  Bnixellensis 
24 — 55  s.  XVI  und  die  in  der  Barberina  XXXI  39  in  Rom  aufbewahrten  Bilder,  welche 
iresc  aus  ihnen  anfertigen  liess;  vgl.  Mommsen,  Chronica  1  p.  19;  Duchesne,  Le  über 
ntificalis  1  (Paris  1886)  p.  VI. 

Litteratur.  Ueber  die  älteren  Ausg.  vgl.  Mommsen,  Chronica  p.  84.    Grundlegend 

die  Mommsens,  Ueber  den  Chronographen  v.  J.  354  (Abb.  der  sächs.  Gres.  der  Wissensch., 

ipz.  1850),  die  der  Abhandlung  (p.  549)  beigegeben  ist  (p.  611);  neueste  Ausg.  von  Mommsen 

den  Chronica  min.  1  (Berl.  1892)  p.  15.    Vgl.  jetzt  auch  Seeck,  Pauly  Wissowas  Real- 

cycl.  3  Sp.  2477. 

4.  Aurelius  Victor. 

797.  Historia  tripertita.  Mannigfach,  besonders  in  den  Epochen 
^r  sinkenden  Litteratur  stellt  sich  das  Bedürfnis  geschichtlicher  Ueber- 
chten  ein.  Diesem  Bedürfnis  kann  in  zweifacher  Weise  entsprochen 
erden.  Man  exzerpiert  die  Werke,  welche  die  verschiedenen  Perioden 
»r  Geschichte  behandeln  und  verschmilzt  dieselben  zu  einer  einheitlichen 
arstellung.  Dieser  Weg  ist  der  gangbarste.  Daneben  gibt  es  aber  noch 
n  zweites  Verfahren,  jenes  Bedürfnis  zu  befriedigen ;  es  ist  dies  die  Zu- 
.mmenstellung  von  historischen  Werken,  welche  verschiedene  Zeiten  be- 
mdeln,  zu  einem  Ganzen;  damit  erhalten  wir  neben  der  Epitome  das 
)rpus.  Unsere  Periode  weist  ein  solches  Corpus  auf,  das  wir,  da  es 
'oi  Teile  in  sich  schliesst,  vielleicht  passend  als  historia  tripertita  be- 
dehnen  können.  Die  Grundlag-e  dieses  Corpus  waren  die  Caesares  des 
arelius  Victor,  welche  die  Kaisergeschichte  von  Augustus  bis  360  dar- 
ellen.  Die  Aufgabe  des  Redaktors  bestand  zunächst  darin,  dem  Werke  des 
arelius  Victor  eine  Geschichte  der  Republik  und  der  Königszeit  vorauszu- 
hicken.  Er  wählte  ein  Büchlein  mit  dem  Titel  de  viris  illustribus,  das  in  der 
3rm  der  Biographie  gehalten  war  und  daher  sich  gut  der  Kaisergeschichte 
ipasste.  Aber  damit  hatte  sich  der  Sammler  noch  nicht  genug  gethan; 
;  gab  eine  reiche  Litteratur  über  die  Anfänge  Roms  und  der  italischen 


60 


AnreliQB  Victor.    (§  797.) 


Geschichte,  welche  besonders  durch  Vergils  Aeneis  hervorgerufen  wurde. 
Der  Redaktor  hatte  selbst  auf  diesem  Gebiete  gearbeitet.  Es  ist  daher 
nicht  verwunderlich,  dass  er  auch  diesen  Zweig  der  historischen  Forschung 
berücksichtigte.  Er  wählte  ein  anonymes  Schriftchen  mit  dem  Titel  origo 
gentis  romanae  aus  und  schickte  dasselbe  seinem  Corpus  als  Einleitung 
voraus.  Für  seine  Auswahl  mögen  die  vielen  in  dem  Büchlein  citierten 
Autoren  massgebend  gewesen  sein;  denn  dass  diese  Eindruck  auf  ihn 
machten,  geht  daraus  hervor,  dass  er  mit  denselben  in  dem  Titel  seines 
Corpus  prunkte.  Doch  musste  der  Redaktor,  um  unser  Schriftchen  anzu- 
gliedern, Streichungen  vornehmen  und  zwar  am  Ende  der  origo  und  am 
Anfang  der  viri  illustres. 

Das  Corpus  hat  zweien  der  drei  Schriften,  der  origo  und  den  Cae- 
sares,  die  Fortdauer  gesichert.  Sie  erscheinen  nicht  ausserhalb  des  Corpus. 
Dagegen  ist  das  Büchlein  de  viris  illustribus  auch  für  sich  überliefert  und 
wird  nicht  selten  in  den  Handschriften  mit  Plinius  in  Verbindung  gebracht. 
Von  den  uns  nur  durch  das  Corpus  erhaltenen  Schriften  lassen  sich  auch 
Nachwirkungen  aufzeigen.  Die  Caesares  wurden  in  den  ersten  elf  Ka- 
piteln von  einem  späteren  Darsteller  der  Kaiserzeit  benutzt;  es  ist  dies 
die  sogenannte  Epitome  Caesarum,  welche  deshalb  in  der  Regel  mit  den 
Ausgaben  der  Historia  tripertita  verbunden  wird  und  die  wir  daher  auch 
hier  mit  besprechen  wollen.  Die  origo  wird  zwar  von  keinem  Schrift- 
steller erwähnt,  allein  wir  finden  ihre  Spuren  in  der  Historia  romana  des 
Paulus  Diaconus,  und  vielleicht  ist  der  Titel  unserer  Schrift  auch  Vorbild^) 
gewesen  für  den  Titel  origo  gentis  Langobardorum.*) 

Das  Corpus  der  historia  tripertita.  Der  Redaktor  gibt  über  seine  ThAtigkeü 
folgende  Auskunft  (Sepp  p.  V):  Origo  gentis  romanae  a  Jano  et  Saturno  coftditoribua,  per  suc- 
cedentes  sibimet  reges,  usque  ad  consulatum  deeimum  Constantii,  digesta  ex  auetoribus  Verrio 
FlaceOy  Antiate  ut  quidem  idem  Verrius  maluit  dicere  quam  Antia  tum  ex  annalibus pontifieum; 
dein  Cincio  Egnatio  Veratio  Fabio  Pietore  Licinio  Marco  Varrone  Caesare  Tuberone,  atque 
ex  omni  priscorum  historia;  proinde  ut  quisque  Neotericorum  asseveravit,  hoc  est  et  Ldviui 
et  Victor  Afer.  Hier  werden  deutlich  die  drei  Teile  des  Corpus  unterschieden:  1.  die  ori^ 
durch  die  in  derselben  benutzten  Autoren;  2.  die  Schrift  de  viris  illustribus  durch  LivioB; 
3.  die  Caesares  durch  Victor  Afer.  Der  Redaktor  glaubt  also,  dass  das  Büchlein  de  viris 
illustribus  aus  Livius,  der  dem  späteren  Geschlecht  fast  als  die  einzige  Quelle  der  republika- 
nischen Zeit  giltf  geschöpft  sei,  die  Caesares  bringt  er  mit  Victor  in  Verbindung.  Liyii» 
und  Victor  sind  ihm  gegenüber  den  alten  Autoren  der  origo  neoterici;  vgl.  Jordan,  Hermes 
«S  (1869)  p.  404.  Die  origo  schliesst  in  ihrer  gegenwärtigen  Gestalt  mit  der  Erwähnung  der 
verschiedenen  Ansichten  über  den  Ausgang  des  Streites  zwischen  Romulus  nnd  Remos. 
Da  dieser  Streit  auch  im  ersten  Kap.  der  viri  illustres  vorkam,  liess  der  Redaktor  dieses 
erste  Kap.  weg  und  stellte  einen  Uebergang  zwischen  dem  Schluss  der  origo,  den  er  auch 
kürzte  (vgl.  Mommsen),  und  dem  2.  Kap.  der  viri  illustres  mit  folgenden  Worten  her: 
Sed  horum  omnium  opinionibus  diversis  repugnat  nostrae  memoriae  procJamans  historia 
TAviana,  qtiae  testatur,  quod  auspicato  Romulus  ex  suo  nomine  Romam  vocavit,  eumque 
muniret  moenibus^  edixit,  ne  quis  Valium  transiliret.  quod  Remus  irridens  transUuit,  et  a 
Celere  centurione  rutro  vel  rastro  ferreo  (Schott:  fertur)  occisus.  An  diese  Worte  schliesst 
sich  das  2.  Kap.  der  viri  illustres  an.  Nach  der  Schrift  de  viris  illustribus  folgt  die  Sab- 
scriptio:  Finit  prima  pars  huius  operis,  incipit  secunda  Aurelii  Victoris.  Die  Ueberschrift 
der  Caesares  lautet,  wenn  man  von  unwesentlichen  Discrepanzen  absieht,  im  Bruxellensis 
und  Oxoniensis  so:  Aurelii  Victoris  historiae  abbreviatae  ab  Auguslo  Octaviano,  id  est  a 
fine  Tili  Livii  usque  ad  consulatum  deeimum  Constantii  Augusti  et  Juliani  Caesaris  ttrtium, 
—  Aus  diesem  Thatbestand  ergeben  sich  folgende  Schlüsse:  1.  dass  der  Redaktor  3  Schriften 
zu  einem  Corpus  verband;   2.  dass  von  diesen  3  Schriften  nur  eine  auf  einen  bestimmten 


»)  Mommsen,  Hermes  12  (1877)  p.  408. 
*)  Die    Schrift   steht  Monumenta  Ger- 


maniae   historica  (Scriptores    remm   Longo- 
bardicarum  et  Italicarum  s.  VI — IX)  p.  1. 


AureUna  Victor.    (§  798.) 


61 


Autor  zurQckgeftÜirt  war,  während  die  zwei  anderen  keinen  Verfassemamen  tragen ;  3.  dass 
der  Redaktor  nach  dem  Jahre  360  und  zwar,  wie  es  scheint,  nicht  lange  nach  demselben 
sein  Corpus  zusammenstellte,  da  er  doch  wohl  die  Geschichte  bis  a,vd  seine  Zeit  geben 
wollte;  4.  dass  der  Redaktor  nicht  der  Verfasser  der  origo  war;  denn  in  diesem  Fall  hätte 
er  sie  doch  wohl  vornherein  der  Schrift  de  viris  illustribus  angepasst. 

Die  Ueberlieferung  des  Corpus.  Die  3  Schriften  des  Corpus  sind  zusammen 
aberliefert  durch  den  BruxeUensis  9755 — 63  s.  XY  (Ende)  und  den  Oxoniensis  Canonic.  131 
8.  XIV. XV,  einst  im  Beratz  des  Kardinal  Bessarion.  Die  erste  Handschrift  wurde  zum  ersten- 
mal benutzt  von  Andreas  Schott  in  seiner  Ausg.  der  3  Schriften,  Antwerpen  1579.  Er 
hatte  sie  von  Th.  Pulmann  erhalten.  Von  da  an  blieb  sie  verschollen,  bis  Th.  Mommsen 
im  Jahre  ld50  sie  in  der  Bibliothek  zu  Brüssel  wieder  auffand;  vgl.  Mommsen,  Berl. 
Sitzungsber.  1884  p.  952;  Roth,  Zu  der  Schrift  de  origine  gentis  romanae  (Jahns  Jahrb. 
19  (1853)  p.  814).  Auch  der  Oxoniensis  wurde  erst  in  neuester  Zeit  durch  H.  Hildes- 
heimer  und  A.  Cohn  bekannt;  letzterer  hat  auch  die  Varianten  in  seiner  Schrift  „Quibus 
ex  fontibus  S.  Aurelii  Victoris  et  libri  de  Caesaribus  et  Epitomes  undecim  capita  priora 
fluxerint"  veröffentlicht;  vgl.  Mommsen  p.  953.  Beide  Handschriften  stammen  aus  ein  und 
derselben  Quelle;  vgl.  die  LQcke  Caes.  34,  7.  Durch  den  Oxoniensis  werden  verschiedene 
Lücken  des  BruxeUensis  ausgefüllt.  —  Haverfield,  Journal  of  philology  15  (1886)  p.  161; 
Opitz,  Die  Handschriften  der  Caes.  des  A.  V.  (Fleckeis.  Jahrb.  133  (1886)  p.  140). 

Ausg.  des  Corpus.  In  den  Ausg.  wird  mit  den  3  Schriften  des  Corpus  noch  die 
Epitome  verbunden.  Aeltere  Ausg.  sind  die  von  A.  S c h o 1 1 ,  Antwerpen  1 579 ;  S.  Pitiscus, 
Utrecht  1696;  J.  Arntzen,  Amsterdam  1733;  J.  F.  Grüner,  Coburg  1757;  F.  Schroeter, 
Leipz.  1829-31. 

798.  Die  origo  gentis  romanae.  Dem  Büchlein,  das  die  italische 
Sagengeschichte  behandelt  und  besonders  für  den  Aeneasmythus  von 
Wichtigkeit  ist,  war  kein  freundliches  Geschick  beschieden.  Das  Ver- 
dammungsurteil  des  grossen  Historikers  Niebuhr,  der  es  für  eine  Fälschung 
der  Humanistenzeit  erklärte,  lastete  schwer  auf  demselben.  Das  Werk- 
chen blieb  fast  unbeachtet  abseits  liegen.  Mit  der  Zeit  erkannte  das  un- 
befangene Auge  der  Forscher  den  FehlgriflF  des  berühmten  Kritikers;  die 
origo  wurde  wieder  dem  klassischen  Altertum  zugewiesen.  Allein  ein 
neuer  Bannstrahl,  von  dem  es  betroffen  wurde,  hemmte  wiederum  die 
richtige  Würdigung.  Man  erklärte  nämlich  die  Citate  für  gefälscht,  und 
wiederum  war  es  eine  gewichtige  Autorität,  nämlich  die  Mommsens,  welche 
das  Ansehen  des  Büchleins  untergrub.  Für  einen  Fälscher,  wenn  er  auch 
der  antiken  Welt  angehörte,  konnte  natürlich  das  Interesse  der  Philologen 
kein  grosses  sein.  Versuche,  dem  neuen  Bannstrahl  entgegenzutreten, 
fruchteten  nicht  viel,  weil  sie  über  das  Ziel  hinausschössen  und  die  Schrift 
dem  Verrius  Flaccus  zuteilen  wollten.  Allein,  wenn  nicht  alles  trügt,  wird 
sich  mit  der  Zeit  die  richtige  Ansicht  von  dem  Büchlein  durchringen.  Die 
Annahme,  dass  die  Citate  gefälscht  sind,  muss  zu  Voraussetzungen  greifen, 
welche  an  und  für  sich  unwahrscheinlich  erscheinen.  Keiner  der  citierten 
Autoren  erweist  sich  von  vornherein  als  unmöglich.  Auch  die  Reichhaltig- 
keit der  Quellenangaben  darf  uns  kein  Bedenken  einflössen,  da  der  Autor 
sich  nach  ausdrücklicher  Angabe  schon  früher  mit  einer  Ursprungsgeschichte 
befasst .  hat.  *)  Der  Autor  wird  kurz  vor  Hieronymus  gelebt  haben,  da 
wir  verwandte  Züge  der  Ursprungsgeschichte  bereits  bei  ihm  vorfinden.*) 

Ansichten  aber  die  origo.  Niebuhr  spricht  seine  Ansicht  über  die  Fälschung 
des  Bfichleins  in  seinen  Vorträgen  über  rOm.  Gesch.,  herausgegeben  von  Isler  1  (Berl  1846)  p.34 
also  ans:  , Durch  die  Aehnlichkeit,  die  das  Buch  mit  Fulgentius,  mit  dem  Scholiasten  zum 


*)  1,  Ö  quare  addiderit  tutus  suo  loco 
plenissime  cuinaiavimus  in  commentatione, 
quam  occepimus  scribere,  cognita  ex  eo  lihro, 
qui  inseriptus  est  de  origine  patavina. 


^)  Ueber  die  spätere  Ausbeutung  und 
Benutzung  der  origo  vgl.  Manitius,  Philo- 
logisches aus  alten  Bibliothekskatalogen 
(Rhein.  Mus.  47  (1892)  Ergänzungsh.  p.  152). 


62  Anrelias  Victor.    (§  798.) 

Ibis  und  anderen  Auslegern  der  Zeit  hat,  die  ebenfalls  bekannte  und  unbekannte  Schrift- 
steller citieren,  könnte  man  veranlasst  werden,  den  Verfasser  in  dieselbe  Zeit,  das  f&nfke 
oder  sechste  Jahrhundert,  zu  setzen.  Allein  das  ganze  Buch  ist  eine  Erdichtung  der  neueren 
Zeit,  nicht  von  Schottus  selbst,  sondern  von  einem  Betrüger,  wie  es  deren  zu  Ende  des 
f&nf zehnten  Jahrhunderts  so  manche  gab.*  Die  Niebuhrsche  HTpothese  wird  zurück- 
gewiesen von  Mähly,  De  auctore  libelli,  qui  inscribitur  de  origine  gentis  romanae  (Jahns 
Jahrb.  Supplementbd.  18  (1852)  p.  132);  vgl.  dazu  Roth,  Zu  dem  Schriftchen  de  origine 
gentis  romanae  (Jahns  Jahrb.  Supplementbd.  19  (1853)  p.  314);  von  Jordan,  üeber  das 
Buch  origo  gentis  romanae  (Hermes  3  (1869)  p.  389);  vgl.  dazu  Catonis,  quae  eztant, 
Leipz.  1860,  p.  XXIX;  Opitz,  Zu  der  Schrift  origo  gentis  romanae  (Rhein.  Mus.  29  (1874) 
p.  186)  und  Mommsen,  Zu  der  origo  gentis  romanae  (Hermes  12  (1877)  p.  401).  Die 
Unmöglichkeit  der  Niebuh rschen  Ansicht  ergibt  sich  schon  daraus,  dass  Pamus  Diaconus 
die  origo  bereits  benutzte;  vgl.  Mommsen  p.  405.  Vielleicht  kommen  wir  aber  noch  weiter 
zurück,  da  Hieronymus  in  seinen  Zusätzen  zur  Chronik  des  Eusebius  eine  historia  latina 
benutzte,  die  von  Janus  bis  auf  Romulus'  Tod  gereicht  hatte;  vgl.  Mommsen  p.  408  und 
dazu  Enmann,  Philol.  Supplementbd.  4  (1884)  p.  490.  Nachdem  die  Annahme  der  mo- 
dernen Fälschung  gefallen  war,  handelte  es  sich  darum,  die  Zeit  des  Autors  zu  fixieren. 
Mähly  (p.  152)  und  Jordan  (p.  390)  nehmen  an,  dass  die  Schrift  im  5.  oder  6.  Jahrh. 
entstanden  sei.  Diese  Zeit  wird  wesentlich  dadurch  bestimmt,  dass  beide  Grelehrte  den 
Ordner  des  Corpus  zugleich  für  den  Verfasser  der  origo  halten;  allein  diese  Ansicht  ist, 
wie  wir  bereits  sahen,  durchaus  fem  zu  halten.  Die  Möglichkeit  einer  früheren  Entstehung 
(in  der  Zeit  vor  Hieronymus)  ist  von  Mommsen  1.  c.  angedeutet  worden.  Am  weitesten 
geht  zurück  nach  dem  Vorgang  Sepps  (praef.  zur  1.  Ausg.  p.  IV)  Baehrens,  Zur  origo 
gentis  romanae  (Fleckeis.  Jahrb.  135  (1887)  p.  778),  der  die  Schrift  auf  den  berühmten 
Gl^rammatiker  Verrius  Flaccus  zurückführen  und  demgemäss  die  einleitenden  Worte  so  ge- 
stalten will,  dass  er  liest:  digesta  Verrio  Flacco  ex  auctoribus  Antiate  eic.  Allerdings  sidit 
er  das  Schriftchen  nur  als  einen  Auszug  aus  des  Verrius  Schrift  an  und  begegnet  sieh 
hierin  mit  Mommsen  (p.  408),  der  die  Schrift  ebenfalls  als  einen  Auszug  betrachtet  Wie 
Niebuhr,  so  irrt  auch  Baehrens.  Das  Büchlein  gehört  einer  späteren  Zeit  an,  wie  schon 
manche  Spuren  der  sinkenden  Latinität  verraten;  vgl.  Beck,  De  sermone  libelli  «origo 
gentis  romanae**  adnotatiunculae  (Mnemos.  1894  p.  340).  Ich  neige  mich  zu  der  Ansicht, 
dass  der  Schriftsteller  kurz  vor  Hieronvmus  lebte;  auch  Beck  spricht  sich  neuerdings  dafDr  ;^ 
aus;  er  nennt  (p.  339)  ihn:  „sed  Diocletiani  fere  vel  Lactantii  et  Hieronymi  aequiws*  und  ^, 
sagt  an  einer  anderen  Stelle  (p.  340):  „Haec  origo  condita  est  post  Apulei  aetatem  et  ante 
chronicon  ab  Hieronymo  latine  versum  et  auctum**.  Freilich  statuiert  Beck  (p.  888}  noch 
eine  Ueberarbeitung  des  Schriftchens,  indem  er  sagt:  «Agnosco  duas  manus,  qoamm  alten 
grata  simplicitate  proposuit  antiquae  urbis  fata,  altera  in  describendo  vel  excerpendo  omnia 
suis  flosculis  coDspersit**.  Rotter,  De  auctore  libelli  de  origine  gentis  romanae,  Crottbos  1858 
ist  mir  nicht  zugänglich. 

Die  Quellencitate  der  origo.  Vgl.  den  Index  bei  Jordan  p.  398  und  bei  Sepp, 
Ausg.^  p.  48.  Der  Titel  nennt  eine  Reihe  dieser  Autoren.  Es  ist  jedoch  im  Auge  in  oe- 
halten,  dass  im  Text  noch  andere  Autoren  erscheinen,  dann  dass  von  den  ««genannten  An- 
toren  Verrius  Flaccüs,  Varro  und  Veratius  im  Texte  nicht  angeführt  werden  (lälerdings  wird 
gegen  die  Ueberlieferung  Veratius  7,  1;  22,  2  eingeschoben).  Wir  geben  im  Folgenden  eine 
üebersicht  der  Citate,  wobei  wir  von  Homer,  Vergil,  Sallust,  Plautus  und  Ennius  abaehen. 
Bekannte  Schriftsteller  sind:    1.  Fahius  Pictor  libro  primo  20,  1  (§  64);  2.  CkUo  in  ari^m 

generis  romani  12,  5,  in  originibus  15,  5  (§  68);  8.  Cincii secundo  17,  3;  Lucius  Ci»- 

ciu8  libro  primo  (Sepp:  secundo)  18,  1  (§  64,  2);  4.  Cassius  libro  primo  6,  7,  wohl  L.  Cas- 
sius  Hemina  (§  71);  5.  Sextiis  Gellius  in  origine  gentis  romanae  16,  4;  in  der  Ausg.  Sepps 
wird  für  Sextus  gesetzt:  Cnaeus,  um  den  bekannten  Annalisten  (§  71,  4)  zu  erhalten;  da 
der  Oxoniensis  Sextus  Gallius  darbietet,  so  will  Baehrens  p.  775,  Anm.  10  Sextius  ChUut 
lesen,  der  aus  Gic.  pro  Mil.  31,  86  bekannt  sei,  wobei  er  noch  darauf  hinweist,  dass  ein 
SextiuSj  der  über  die  Argiver  von  Tibur  schrieb,  bei  Solin.  p.  33,  4  M.  erscheine;  6.  Piso  tnM 
13,  8;  epitomarum  Pisonis  secundo  18,  3;  ut  scribunt  ....  Acilius  Piso  10,  2,  wo  aber  ohne 
Zweifel  Acilius  et  Piso  zu  lesen  ist;  über  den  Annalisten  L.  Calpumius  Piso  Fmgi  r^ 
g  71,  2  und  über  C.  Acilius  §  64,  5.  7.  Licinius  Macer  libro  primo  23,  5;  vgl.  noch  19,5 
(§  112,  3).  8.  Valerius  Antias  libro  primo  19,  4;  vgl.  21,  1:  Valerius  tradU  (§  112, 2).  9.  Sm- 
pronius  10,  4;  ob  Sempronius  Asellio  §  72?  10.  Tuberonis  primo  17,  3  (§  112,  4).  11.  F«- 
nonius  20,  1  (§71,  5).  Die  Annalen  werden  an  folgenden  Stellen  citiert:  wt  seripium  ni 
in  nnnalium  pontificum  quarto  libro  17,  3;  vgl.  17,  5;  18,  3.  —  Können  diese  Namen  leicht 
identifiziert  werden,  so  stossen  wir  auf  Schwierigkeiten  bei  folgenden  citierten  Autoren: 
1.  Alexander  Ephesius  libro  primo  belli  Marsici  9,  1;  man  denkt  an  Alexander  mit  dem 
Beinamen  Lvchnos;  vgl.  Christ,  Gesch.  der  griech.  Litt,  München'  1898,  p.  588;  Maehly 
p.  142;  Jordan  p.  402.  2.  Vulcatius  10,  2.  Da  es  in  der  Stelle  Vulcatus  et  Acüiu$  Fi» 
heisst,   so  will  Roth  Vultacilius  et  Piso  (§  115)  lesen;   Jordan  (p.  402)  möchte   dagegen 


AnrelinB  Victor.    (§  799.)  63 

lesen  IaUgHus  et  Aeilius  et  Piso,  3.  M,  Octaviua  libro  primo  12,  2;  vgl.  19,  5.  Bekannt 
ist  Mn  Historiker  Octayius  Mnsa  §  881.  4.  Lutatius  libro  secundo  11,  8;  libro  tertio  18,  7; 
18,  1 ;  Tgl.  9, 2.  Die  Citate  werden  ans  den  communeB  historiae  des  Q.  Lutatius  Catolus  (§  78) 
stunmen.  5.  Julus  Postumius  in  eo  volumine,  quod  de  adventu  Äeneae  conscripsit  atque 
edidii  15,  4.  Auch  Serv.  z.  Yerg.  Aen.  9,  710  citiert  Posiumius  de  adventu  Aeneae;  gemeint 
wird  sein  A.  Postomios  Albinos  (§  64,  4).  6.  Egnatim  libro  primo  28,  6;  Macrob.  sat.  6,  5,  2 
EgnatiuB  de  rerum  natura  libro  primo  (§  110).  7.  Veratius  wird,  wie  bereits  gesagt,  in  dem 
ans  fiberlieferten  Texte  nicht  genannt,  aber  von  Sepp  an  folgenden  zwei  Stellen  einge- 
schoben: Veratii  libris  pontificalium  7,  1,  libro  secundo  pontificalium  22,  2.  Nun  lesen  wir 
bei  Macrob.  sat.  8,  6,  14  Veranius  pontificalium  eo  libro  quem  fecit  de  supplicationibus.  Aber 
die  UeberUefening  gibt  folgendes:  Veraeiua  pontifilie  in  eo  P,  Veratius  pontificalis  in  eo  B. 
Da  nun  orig.  c.  8,  2  dasselbe  erzählt  wird,  wie  hier,  so  haben  wir  es  bei  beiden  Schrift- 
stellern mit  demselben  Antor  zu  thun.  Obwohl  auch  8,  5,  6  Veranius  in  pontificalibus 
fuaesiionibus  die  ursprüngliche  Ueberliefening  auf  Veratius  fahrt,  wird  doch  nach  3,  2,  3; 
8, 20, 2  und  Fest.  289  Veranius  der  richtige  Name  sein  und  daher  auch  in  unserer  Ueberschrift 
richtig  am  setzen  sein  (§  200).  8.  Domitius  libro  primo  12,  3;  18,  4;  vgl.  12,  1.  Maehly 
(p.  143)  identifiziert  denselben  mit  DomitiOf  homini  docto  celebrique  in  urbe  Roma  grammatieo 
(Grellius  18,  7).  Baehrens  (p.  776)  meint,  dass  er  der  Konsul  des  Jahres  54  v.  Chr.,  L.  Do- 
mitias  Ahenobarbus  war.  9.  Aufidius  sane  in  epitomis  18,  4.  Dieser  Aufidius  kann  iden- 
tisch sein  mit  dem  von  Cic.  Tnsc.  5,  38,  1 12  erwsäinten  Verfasser  einer  römischen  Geschichte 
in  griechischer  Sprache,  Cn.  Aufidius  (§  113,  Anm.  2),  nicht  mit  Aufidius  Bassus  (§  440,  2). 
10.  Lucius  Caesar  libro  primo  15,  4.  Mit  dem  Pränomen  wird  Lucius  Caesar  auch  genannt: 
ut  scribit  Lucius  Caesar  in  libro  secundo  18,  5.  Ohne  Pränomen  erscheint  dagegen  Caesar 
an  folgenden  Stellen:  ut  scribit  Caesar  libro  primo  11,  3;  ut  scribit  Caesar  pontificalium 
libro  primo  9,6;  tU  scriptum  est  in  ....  Caesaris  secundo  17,3;  Caesar  secundo  20,3; 
vgL  auch  15,  5.  Ohne  Bnchangabe  wird  Caesar  angeführt:  14,  4.  Wahrscheinlich  ist  16,  4 
statt  Caius  Caesar  in  den  Text  Lucius  Caesar  zu  setzen,  was  Sepp  auch  gethan.  Wir 
kennen  einen  Auguralschriftsteller  Lucius  Caesar  (§  200);  es  steht  nichts  im  Weg,  dass 
derselbe  auch  pontificalis  libri  geschrieben;  vgl.  über  ihn  Jordan  p.  401  und  Baehrens 
p.  775.  —  Bei  diesem  Thatbestand  dürfte  es  schwer  sein,  die  Vorstellung  von  den  er- 
dichteten Citaten  aufrecht  zu  erhalten  und  mit  Recht  lehnen  Sepp,  Baehrens  und  neuer- 
dings Beck  (p.  839)  diese  Vorstellung  ab,  gegen  die  bereits  ein  so  ausgezeichneter  For- 
scher wie  Rnbino  (Beitr.  zur  Vorgeschichte  Italiens  (Leipz.  1868)  p.  107  Anm.)  Front  macht. 
Die  eine  oder  die  andere  Schwierigkeit,  die  noch  übrig  bleibt,  wird  sich  lösen  lassen;  so 
z.  B.  der  Widerspruch  zwischen  der  origo  und  Servius  über  die  Aeneassage  bei  Cato;  vgl. 
Maehly  p.  184;  149  und  dagegen  Baehrens  p.  770. 

Sonderausg.  von  Schott,  Douay  1577;  Sepp,  München  1879  und  Eichstädt  1885. 

799.  De  viris  Ulustribus  urbis  Bomae.  Das  Büchlein  verfolgt  das 
Ziel,  eine  Geschichte  der  Königszeit  und  der  Republik  in  Biographien  zu 
geben;  es  zieht  daher  auch  manchen  Nichtrömer  heran,  wenn  sein  Ein- 
greifen in  die  römische  Geschichte  von  Wichtigkeit  geworden  ist.  Mit 
dem  Albanerkönig  Procas  beginnt  die  Darstellung,  welche  in  86  Kapiteln 
bis  M.  Antonius  reicht.  Doch  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  die 
letzten  9  Kapitel  nur  durch  das  Corpus  überliefert  sind.  Wenn  es  auch 
in  der  Natur  der  Sache  liegt,  dass  das  Ziel,  eine  üebersicht  der  römischen 
Geschichte  in  der  Königszeit  und  der  Republik  zu  geben,  nur  unvollkommen 
erreicht  werden  kann,  so  gewahren  wir  doch  Lücken,  welche  mit  dem 
angedeuteten  Plane  gänzlich  unvereinbar  sind.  So  fehlen  Biographien, 
z.  B.  die  von  Crassus  und  Jugurtha,  welche  unmöglich  fehlen  können. 
Auch  in  den  einzelnen  Biographien  stösst  man  auf  Unklarheiten  und  Un- 
gleichheiten in  der  Ausführung,  welche  nur  durch  Weglassungen  und  Zu- 
sammenziehungen entstanden  sein  können.  Auch  aus  dem  Stil  des  Büch- 
leins blickt  die  Epitome  heraus.  Wenn  man  nun  weiter  erwägt,  dass 
Ampelius,  der  in  gewissen  Partien  mit  unserem  Auetor  zusammengeht, 
hier  manches  bietet,  was  wir  in  den  viri  illustres  vergebens  suchen,  so 
dürfte  der  Satz,  dass  uns  in  dem  Büchlein  eine  Epitome  vorliegt,  keinem 
begründeten  Zweifel  mehr   unterliegen.    Der  Wert  desselben   ruht  darin. 


64  Aarelias  Victor.    (§  799.) 

dass  es  uns  eine  Ueberlieferung  gibt,  welche  von  Livius  unabhängig  ist. 
Wir  finden  bei  ihm  auch  eine  Reihe  von  Thatsachen,  die  durch  ihn  allein 
bezeugt  sind.  >)  Es  dürfte  daher  sehr  wahrscheinlich  sein,  dass  der  Autor 
in  letzter  Instanz  auf  eine  Quelle  zurückgeht,  welche  vor  Livius  liegt. 
Sowohl  der  Autor  als  der  Epitomator  des  Büchleins  sind  unbekannt. 
Wenn  die  Schrift  mit  dem  jüngeren  Plinius  oder  mit  Aurelius  Victor  in 
Verbindung  gebracht  wird,  so  kann  der  Irrtum  dieser  Ansichten  leicht 
gezeigt  werden. 

Die  Autorschaft.  In  der  selbständigen  Ueberlieferung  wird  das  Schriftchen  in 
der  Regel  dem  jüngeren  Plinius  zugeteilt.  Diese  ZuteUung  beruht  wohl  auf  der  missver- 
standenen Stelle  epist.  6,  20,  5  poseo  librum  Tili  Livi  et  qtiasi  per  otium  lego  adque  etiam, 
ut  eoeperam,  excerpo-  Dass  unser  Werk  keinen  Auszug  aus  Livius  darstellt,  ist  zweifellos. 
Auch  würde  Plinius,  wenn  er  ein  solches  Werk  verfasst  hätte,  nicht  über  dasselbe  völlig 
schweigen.  Auch  mit  Aurelius  Victor  haben  die  viri  illustres  nichts  zu  thon.  Schon  aus 
der  Ueberschrift  des  Corpus  werden,  wie  wir  bereits  oben  gesehen  haben,  die  Caesarea  des 
Aurelius  Victor  von  den  viri  illustres  scharf  geschieden.  Auch  ist  der  Stil  in  beiden  Werken 
ein  völlig  verschiedener.  Femer  liegt  ein  Gegenbeweis  vor  in  dem  Widersprach  de  vir. 
ill.  79,  6  und  Caes.  1,  7.  Wenn  es  in  der  Subscriptio  der  viri  illustres  heisst:  Finü  prima 
pars  huius  operis,  incipit  secunda  Aurelii  Victor,  so  ist  klar,  dass  die  Worte  Aurelii  Vietw 
verbessert  werden  müssen  in  Aurelius  Victor;  vgl.  Opitz,  Quaest.  de  Sex.  Anrelio  Vic- 
tore p.  208. 

Die  Schrift  als  Exzerpt.  Die  Interpolationen,  üeber  die  Exzerptenfrage 
handelt  am  eingehendsten  Enmann  p.  469.  Er  verweist  für  den  epitomatorischen  Cha- 
rakter besonders  auf  die  Biographie  Sullas  (c.  75)  und  auf  das  Leben  des  Pompeius  (c.  77 j; 
vgl.  auch  Hildesheimer  p.  55;  Vinkesteyn  p.  86.  —  Ueber  die  Interpolationen  v^ 
Hildesheimer  p.  55  und  Enmann  p.  471;  vgl.  besonders  c.  35.  Ueber  die  Zusätze  in 
Bruxellensis  in  der  Historia  miscella  vgl.  Wijga,  Ausg.  der  viri  ill.  p.  7. 

Die  Quellen  der  viri  illustres.  Wir  geben  zunächst  eine  Geschichte  der  Quellen- 
frage.     Borghesi  (Oeuvres  1  p.  1)  behauptet,   dass  die  Biographien  der  viri  ill.  in  letzter 
Instanz  auf  die  Inschriften  (elogia)   der  Statuen   zurückgehen,   welche  auf  dem  Forum  des 
Auguätus  aufgestellt  waren.     Von  neueren  Gelehrten  billigt  Enmann  (p.  485)   die  Ansicht 
Borghesis;  vgl.  dagegen  Vinkesteyn  p.  4.    Auch  G.  Schoene  (Die  Elegien  des  Augusti»- 
forum  und  der  liber   de  viris  illustnbus  urbis  Romae,   Cilli  1895)  gehört  hieher;   er  meint, 
dass  Augustus  für  seine  Elegien  Atticus  benutzt  habe  und  dass  47  Kapitel  der  viri  ill.  eben- 
falls auf  Atticus  zurückgehen,   während   die  übrigen   mehr  die  Richtung  Varros  verfolgen, 
dass   aber  diese   beiden  Quellen  nicht  direkt  herangezogen   seien.     Mommsen,  Hermes  1 
(1866)  p.  168  =  Rom.  Forsch.  2  (1879)  p.  430  regte  die  Frage  an,   ob  nicht  überhaupt  ftr 
diejenigen  Bestandteile  der  Schrift  de  viris  ill.,   die  nicht  aus  Livius  entlehnt   sind,  Antiaa 
die  Hauptquelle  gewesen  ist.    Allein  nach  der  Mitteilung  Jordans  (Hermes  6  (1872)  p.  207) 
gab  Mommsen   späterhin  diese  Ansicht  auf  und   stellte  sich  auf  die  Seite  derer,   welche 
in  Cornelius  Nepos  die  Hauptquelle  erblicken.     Einen  anderen  Annalisten  brachte  Alden- 
hoven (Hermes  5  (1871)  p.  153)  auf,  indem   er  schreibt:    „es  scheint  mir  nicht  zweifel- 
haft, dass  die  Annalen  des  Calpumius  Piso  als  Hauptquelle  für  das  erste  Buch  des  Livios 
anzusehen  sind  und  somit  auch  der  Erzählung  des  Victor  zu  Grunde  liegen **.   Wölfflin  (De 
Lucii  Amp.  libr.  memor.  quaest.  crit.  et  bist.,  Gott.  1854,  p.  35)  nannte  zum  erstenmale  Hygin 
als  die  gemeinsame  Quelle  des  Ampelius  und   unseres  Anonymus.     Doch  war  von  den  ge- 
nannten Gelehrten  die  Quellenfrage  nur  nebenbei  behandelt  worden,  zum  erstenmale  wurde 
der  Gegenstand  in  systematischer  Weise  von  H.  Haupt  (im  Jahre  1876)  untersucht.    Der- 
selbe stellt  den  Satz  auf,  dass  unserer  Schrift  nur  eine  biographische  Hauptquelle  za  Grande 
liege,  und  dass  nur  wenige  Biographien  und  Zusätze  aus  IJvius  oder  anderen  Schriftatelleni 
hinzugekommen  seien  (p.  12).     Als  diese  biographische  Quelle  erkennt  er  Comelina  Nepos. 
Das  Verhältnis  des  Ampelius  und  des  Anonymus  bestimmt  er  dahin,  dass  auch  Ainpeliiis 
in  gewissen  Partien  seines  Werks  aus  Cornelius  Nepos  geschöpft  habe  (p.  27).     Die  Ueber- 
einstimm ung   des  Florus   und  des  Anonymus  führt  er  auf  Gemeinschaft  der  Quelle  zurflck 
(p.  18).     Für  Cornelius  Nepos  sprach  sich  auf  Grund  einer  Vergleichung  mit  Plutarch  auch 
Soltau  aus  (Nepos  und  Plutach,  Fleckeis.  Jahrb.  153  (1896)  p.  125).     Ein  Pendant  zur  Diss. 
Haupts  bildet  die  im  Jahre  1880  erschienene  Diss.  Hildesheimer s.     Er  nimmt  für  den 
grössten  Teil   unserer  Schrift  Hygin  als  Quelle  an,   nur  die  Kapitel  9,  14,  22  leitet  er  ans 
Livius  ab.   Aber  nicht  direkt  sei  Hygin  benutzt,  sondern  in  einer  mit  Benutzung  des  Florus 


^)  Hildesheimer  p.  57. 


AnreliiiB  Victor.    (§  800.)  65 

erfolgten  Umarbeitong,  aas  der  auch  Ampelius  und  andere  Autoren  schöpften.  Die  Hypo- 
these von  Hygin  als  Quelle  steht  aber  auf  sehr  schwachen  Ffissen.  —  Im  Jahre  1882  griff 
Rosenhauer  in  die  Frage  ein.  Während  durch  Haupt  und  Hildesheimer  alles  Schwer- 
gswicht  auf  eine  biographische  Hauptquelle  gelegt  wurde,  suchte  Rosenhauer  nachzu- 
«sisen,  dass  ausser  Biographien  in  dem  Anonymus  auch  ein  historisches  Werk  und  eine 
Betspielsammlung  verwertet  worden  seien  (p.  19  und  27).  Das  Verhältnis  des  Florus  und 
QBseres  Autors  bestimmt  Rosenhauer  dahin,  dass  beide  denselben  Historiker  zu  Rate 
logen  (p.  10).  Auch  die  Uebereinstimmung  des  Ampelius  und  des  Anonymus  führt  er  auf 
die  Benützung  desselben  Historikers  und  derselben  Biographien  zurück  (p.  25).  Von  der 
grOssten  Wichtigkeit  in  der  ganzen  Frage  ist  der  Nachweis  Rosenhauers,  dass  Livius  nicht 
benatst  sei  (p.  35).  —  Auf  dem  Standpunkt  einer  Mehrheit  von  Quellen  steht  Enmann, 
der  im  Jahre  1883  an  das  Problem  herantrat  (p.  485).  Der  letzte,  der  sich  in  die  Quellen- 
ftage  unseres  Autors  einliess,  ist  Vinkesteyn.  Nachdem  er  zuerst  versucht  hatte,  alle 
Kuerigen  Ansichten  zurückzuweisen,  stellte  er  seine  eigene  Hypothese  auf.  Auch  er  hält 
dirmii  fest,  dass  unser  Autor  und  Ampelius  aus  einer  gemeinsamen  Quelle  schöpften  (p.  40). 
Aneh  Florus  habe  manchmal  diese  Quelle  zu  Rate  gezogen.  £r  hält  weiter  daran  fest, 
ds88  unser  Büchlein  ein  Exzerpt  sei.  Als  die  gemeinsame  Quelle  bezeichnet  er  einen  nicht 
liher  bestimmbaren  Historiker,  welcher  die  Geschichte  der  Eönigszeit  und  Republik  in 
üogrmphiBcher  Form  dargestellt  habe.    Damit  ist  aber  die  Untersuchung  im  Sand  verlaufen. 

Litteratur.  H.  Haupt,  De  auctoris  de  viris  ill.  libro  quaest.  bist.,  Würzb.  1876; 
I-  Hildesheimer,  De  libro  qui  inscribitur  de  viris  ill.  urbis  Romas  quaest.  bist.,  Berl. 
880;  Tgl.  H.  Haupt,  Philol.  Anz.  10  (1880)  p.  402;  J.  Rosenhauer,  Symbolae  ad  quaest. 
e  fontibus  libri  qui  inscribitur  de  viris  Ul.  urbis  Romae,  Kempten  1882;  Enmann,  Eine 
erlorene  Gesch.  der  röm.  Kaiser  und  das  Buch  de  viris  ill.  urbis  Romae  (Philol.  Supple- 
lentbd.  4  (1884)  p.  460);  C.  J.  Vinkesteyn,  De  fontibus  ex  quibus  scriptor  libri  de  viris 
1.  urbis  Romae  hausisse  videtur,  Leiden  1886. 

Ueberlieferung.  Zwei  Ströme  der  Ueberlieferung  sind  zu  unterscheiden;  die 
dirift  erscheint  nämlich  einmal  im  Corpus  der  Historia  tripertita,  dann  auch  für  sich  selb- 
Andig.  In  erster  Beziehung  teilt  sie  oie  Schicksale  des  Corpus,  in  dem  sie  steht.  Das- 
»Ibe  ist  aber,  wie  wir  bereits  gesehen,  durch  den  Bruxellensis  und  Oxoniensis  überliefert. 
B  kommt  sonach  hier  nur  die  selbständige  Ueberlieferung  in  Frage.  Die  beiden  Ueber- 
Bferungskanäle  unterscheiden  sich  dadurch  von  einander,  dass  die  Kapitel  78 — 86  am  Schluss 
I  der  selbständigen  Klasse  fehlen,  während  in  dem  Corpus  1  und  16  vermisst  werden.  Die 
dbstindige  Klasse  zerfällt  wieder  in  zwei  Familien;  die  bessere  schliesst  77,  9  mit  den 
Porten  ad  PtoUnuieum  Alexandriae;  sie  wird  repräsentiert  durch  den  Laurenüanus  58,  29 
ad  Londiniensis  mus.  Brit.  Bum.  231,  dem  wohl  auch  Leop.  Med.  181  hinzuzufügen  ist. 
ie  achlechtere  Familie  führt  c.  77  zu  Ende,  aber  in  anderer  Weise  als  das  Corpus.  Sie 
st  für  die  Textkritik  keine  Bedeutung;  vgl.  Wijga  praef.  p.  5.  —  Ueber  die  Handschrift 
18  der  Augsburger  Stadtbibliothek  aus  dem  Jahre  1466  vgl.  Helmreich,  Philol.  39  (1880) 
.  161.  Sie  stimmt  vielfach  mit  Laur.  68,29  überein;  eine  Collation  bei  Helmreich  1.  c. 
.  162,  p.  549  und  Philol.  40  (1881)  p.  167.  —  Eine  Vergleichung  des  Bruxellensis  9755, 
Mir.  47,  32  und  Vaüc.  4498  gibt  Hildesheimer  1.  c.  p.  81. 

Spezialausgaben.  Für  Schulen  bearbeitet  von  Brohm,  Leipz.'  1860;  mit  Com- 
lentar  und  Beitr.  zur  Textkritik  von  E.  Keil,  Breslau'  1872.  Kritische  massgebende  Ausg. 
m  J.  R.  Wijga,  Diss.  Groningen  1890;  vgl.  dazu  Opitz,  Comment  Woelfflinianae,  Leipz. 
^l»p.  863  und  Helmreich,  Philol.  52  (1894)  p.  560.  ZurErläuterungvgl.nochPetschenig, 
rcfa.  für  lat.  Lexikographie  8  (1893)  p.  140;  Heraeus,  ebenda  9  (1896)  p.  134  (colligere, 
Uere).  Zu  c.  42  (Grab  Hannibals)  vgl.  Hülsen,  Beri.  philol.  Wochenschr.  1896  Sp.  28; 
.  Schwab,  ebenda  Sp.  1661. 

800.  Die  Caesarea  des  Aurelius  Victor.  Während  die  Verfasser  der 
Rrei  ersten  Schriften  unbekannt  sind,  nennt  uns  das  Corpus  als  den  Ver- 
is&er  der  dritten  Schrift,  der  Caesares,  Victor  Afer.  Dass  der  Historiker 
£rikaner  war,  ergibt  sich  aus  seiner  Darstellung  des  aus  Afrika  stammenden 
Bptimius  Severus,  den  er  als  seinen  Landsmann  behandelt.  Aus  den 
eberschriften  der  Caesares  und  der  Epitome  gewinnen  wir  als  vollen 
Famen  Sextus  Aurelius  Victor.  Sein  Büchlein  reicht  bis  zum  Jahre  360, 
nd  in  demselben  Jahre,  noch  unter  der  Regierung  des  Constantius,  ist 
B  auch  abgefasst.  Wie  der  Schriftsteller  selbst  sagt,  stammt  er  aus  einer 
ürftigen,  ländlichen  Familie,   konnte   aber  mit  einem   gewissen   Stolze^) 

^)  Aus  mancher  Aeusserung  geht  hervor,   wie  hoch  dem  Historiker  die  litterarische 

Rmndbnoh  der  klaoa.  AltertamswlaMnioliAft.    VUI.  4.  5 


66  AureUnB  Victor.    (§  800.) 

auf  seine  fleissigen  Studien  hinweisen.  Auch  sollte  er  bald  aus  seiner 
niedrigen  Lage  herausgerissen  werden.  Als  Julian  gegen  Gonstantios  im 
Jahre  361  zu  Felde  zog,  machte  Victor  seine  Bekanntschaft.  Der  Kaiser 
seheint  Gefallen  an  dem  Historiker  gefunden  zu  haben,  denn  er  liess  ihn  I 
bald  zu  sich  nach  Naissus  entbieten  und  übertrug  ihm  die  Verwaltung  der 
Pannonia  secunda  mit  dem  Bang  eines  Eonsularen,  auch  zeichnete  er  ihn 
durch  ein  ehernes  Standbild  aus.  Später,  im  Jahre  889,  war  Victor  Stadt- 
präfekt  in  Rom,  wo  ihn  Ammianus  Marcellinus  kennen  lernte.  Er  gedenkt 
desselben  mit  einem  Lobe  in  seinem  Geschichtswerk.  Auch  auf  einer  In- 
schrift, die  dem  Kaiser  Theodosius  gewidmet  ist,  erscheint  ein  Sextos 
Aurelius  Victor  als  urbi  praefectus  und  iudex  sacrarum  cognitionum,  und 
es  ist  kaum  einem  Zweifel  unterworfen,  dass  dieser  Sextus  Aurelius  Victor 
unser  Historiker  ist. 

Sextus  Aurelius  Victor  will  uns  eine  Beichsgeschichte  liefern.  Ob- 
wohl naturgemäss  das  Biographische  stark  hervortreten  muss,  so  löst  dck  jt 
doch  sein  Werk  nicht  in  Biographien  auf.  Quellenstudien  lagen  nicht  in 
seinem  Plan,  ihm  genügte  das  eine  oder  das  andere  ausführliche  Werk, 
da  es  ihm  ja  nur  um  eine  üebersicht  der  Kaisergeschichte  bis  auf  seine 
Zeit  zu  thun  war.  Er  ist  aber  nicht  als  ein  blosser  Epitomator  zu  be-  li 
trachten,  sondern  durchdringt  den  gesamten  Stoff  mit  seinem  Oeiste.  Der  '' 
Historiker  hat  seinen  individuellen  Stil;  derselbe  ist  aufgedunsen  >)  anl 
überladen  und  verrät  in  nicht  wenigen  Phrasen  das  Studium  SaUusts.') 
Mit  seinen  Anschauungen  hält  der  Autor  nicht  leicht  zurück  und  giU 
seiner  Arbeit  ein  stark  subjektives  Gepräge;  er  wendet  sich  nicht  selten  1» 
gegen  die  Verkommenheit  der  Zeit.  Auch  Ansätze  historischer  Kritä  ^ 
finden  sich  (5,  9;  14,  9).  An  allgemeinen  Betrachtungen  und  Reflexionei 
ist  das  Schriftchen  überreich.  Sein  religiöser  Standpunkt  ruht  noch  auf 
der  nationalen  Grundlage,  wie  sein  Glaube  an  die  Prodigien  erweist.')  Du 
Christentum  interessiert  ihn  offenbar  so  wenige)  wie  seinen  Zeitgenoaaei 
Ammian.     Die  Christenverfolgungen  finden  daher  bei  ihm  keine  Stelle. 

Das  Büchlein  fand  seine  Leser.    Es  wurde  von  Hieronymus  und  Paolos 
Diaconus  benutzt,   selbst  bei   einem  Griechen,   Lydus,  fand  es  Beachtung., 
Die  grösste  Wirkung  übte  es  auf  die  gleich  zu  besprechende  Epitome. 

Biograph  sches.  Ammian  21,  10,6  uhi  (in  Naissos  im  J.  361)  Vietorem  of^Y: 
Sirmium  visum  scriptorem  historicum  exindeque  venire  praeceptum,  Pannoniae  Beeunik 
consularem  praefecit  {Julianus)  et  honoramt  aenea  statua,  virum  sobrietcUia  gratia  aemtr 
landum,  multo  poat  (389;  vgl.  Cor  sin  i  p.  287)  urbi  praefectum.  Caes.  20,  5  Quo  hmm 
Omnibus  ac  mtfii  fidendum  magis,  qui  rure  ortus  tenui  atque  indocto  paire  in  haec  im- 
para  vitam  praestiti,  studiis  tantis  honestioretn  (auf  seine  Stadien  spielen  aach  die  Woiii 
mihi  audienti  legentique  an).  Quod  equidem  gentis  nostrae  reor,  qtme  fato  mkodam  hwih 
rum  parce  fecunda,  quos  eduxerit  tarnen j  quemque  ad  sua  celsos  liabet.  Yelut  Sevenm 
ipsum,  quo  praeclarior  in  republica  fuit  nemo.  Aus  den  letzten  Worten  ergibt  och,  -■ 
dass  Aurelius  Victor  und  Septimius  Severus  Landslente  waren.  Da  Septimius  ein  Afrikaw 
war,  musB  es  auch  Aurelius  Victor  gewesen  sein,  und  so  heisst  er  aucn  Afer  in  der  Uekr 
Schrift  des  Corpus.    Dessau,  Inscr.  lat.  sei.  1  No.  2945  veterum  prindpum   €iemmtimi\ 

Bildung  steht;  vgl.  z.  B.  20,  2  tantum  gratia  ,  p.  285;  Opitz,  Sali.  u.  Aur.  Victor  (Fleck«  p 

doctarum   ariium   valet,   ut  scriptoribus   ne  Jahrb.  127  (1883)  p.  217).  ■*» 

saevi  mores  quidem   ad  memoriam  officiant,  '  •)  5,  17;  28,  3;  38,  4;  41,  7;  41,  14ilU;|V 

^)  Einen  Fanatiker  der  Inconcinnität  nennt  39,  45;  vgl.  Opitz  p.  203. 

ihn  Pichlmayr,  Hermes  26  (1891)  p.  636.  '  *)  Vgl.  Opitz  p.  203. 

«)  Wölfflin,    Rhein.   Mus.   29    (1874)  , 


r-> 


.1 


AnreliQB  Victor.    (§  801.)  67 

va%eiÜHdmem  munificentiam  supergresso  d.  n.  (=  domino  nostro)  FL  Theodosio  pio  victori 
mtmper  Augusto,  Sex.  Äwr,  Victor  v.  c,  urhi  praef,  iudex  sacrarum  cognitionutn,  d.  n.  m. 
|.  e.  (=  divoius  numini  maiesttUique  eiua), 

Abfassungszeit.  Der  Titel  der  Schrift  ist:  Aurelii  Victoria  historiae  abbreviatae 
•6  Augusto  Octaviano,  id  est  a  fine  Titi  Livi  usque  ad  conaulatum  X  Constantii  Augusti  et 
hUiofni  Caeaaris  III,  Es  ist  dies  das  Jahr  860.  Von  vornherein  ist  es  nun  wahrscheinlich, 
in  diesem  Jahr  anch  die  Caesarea  geschrieben  wurden.  Denn  für  den  Abschlnss  mit 
Jahr  360  Ifisst  sich  kein  anderer  vernünftiger  Grund  beibringen  als  der,  dass  Victor 
in  diesem  Jahre  seine  Eaisergeschichte  schrieb.  Damit  stehen  im  Einklang  die  Worte 
48,  20:  At  Julius  Constantius,  annos  tres  atque  viginti  augustum  imperium  regens,  dum 
miemis  motibus,  modo  civüibus  exercetur,  aegre  ab  artnis  abest.  Er  spricht  auch  von 
Oonstantias  als  vom  noster  jprinceps;  vgl.  41,  10  imperatori  nostro  Constantio.  (Ueber 
aadere  Zeitanspielungen  vgl.  Opitz  p.  201.)  Dass  Julian  noch  nicht  zum  Augustus  aus- 
genifen  war,  ergibt  sich  aus  der  ijrt  und  Weise,  wie  der  Historiker  (42,  17)  die  Thaten 
laliAns  in  Gallien  darstellt:  quamquam  vi  eius  {Juliani),  fortuna  principis  tarnen  et  con- 
fOio  aecidere;  vgl.  Opitz  p.  205. 

Die  Quellen  der  Caesarea.  Hier  ist  zuerst  das  Verhältnis  zu  Sueton  und  den 
11  ersten  Kapiteln  der  Epitome  ins  Auge  zu  fassen ;  vgl.  was  wir  darüber  p.  68  beigebracht 
laben.  Weiterhin  sind  ins  Auge  zu  fassen  Eutrop  und  die  Scriptores  bist.  Aug.  Hier  greift 
Be  Hypothese  Enmanns  von  einer  verlorenen  Eaisergeschichte  ein.  Die  Uebereinsiimmung 
irlsGoen  Victor  und  Eutrop  erklärt  er  daraus,  dass  beide  aus  diesem  verloren  gegangenen 
V'erke  schöpften  (p.  847).  Auch  die  verwandten  Berichte  der  Script,  bist.  Aug.  zieht  En- 
lann  zur  Konstruktion  jener  Kaisergeschichte  heran  (p.  356,  396  u.  419).  Diese  verlorene 
kmisergeschichte  habe  der  Zeit  Diocletians  angehört  (n.  432),  von  Nerva  bis  Diocletian  ge- 
iidit  (p.  396),  sei  biographisch  und  schematisch  nach  dem  Muster  Suetons  (vgl.  darüber 
L  Schmidt,  De  Romanorum,  imprimis  Suetoni  arte  biographica,  Marb.  1891)  angelegt  ge- 
resen  (p.  433  u.  439),  von  einem  Gallier  oder  von  einem  in  Gallien  schreibenden  Historiker 
'«rfttsst  worden  (p.  435)  und  habe  wahrscheinlich  später  eine  Fortsetzung  erfahren  (p.  459). 
Jeber  das  Verhältnis  des  Eutrop  und  Victor  vgl.  Klebs,  Rhein.  Mus.  45  (1890)  p.  461 ;  über 
las  des  Victor  (Caesarea)  zu  Tacitus  vgl.  Wölfflin  p.  302.  üeber  das  Verhältnis  zwischen 
lern  Caesarea  und  den  Script  bist.  Aug.  vgl.  Dessau,  Hermes  24  (1889)  p.  361. 

Fortleben  des  Aurelius  Victor.  Hieronym.  epist.  ad  Paulum  Senem  Concor- 
Uae  X  (1,  24  Vall.)  et  neputes  modica  esse,  quae  deprecor,  margaritam  de  evangelio  postu- 
mris  ....  scüicet  commentarios  Fortunatiani  et  propter  notitiam  persecutorum  Aurelii  Vic- 
oris  hisioriam  simulqtie  epistulas  Novatiani.  Vgl.  A.  Schoene,  Die  Weltchronik  des  Eu- 
lebtns  in  ihrer  Bearbeitung  durch  Hieronvm.,  Berl.  1900,  p.  202.  Lydus  de  magistratibus  3,  7 
lr9«y  airioyai  ovg  OvIxtcjq  6  latogixdg  iv  xn  Urrogiif  tiöy  if4(pvXi(oy  (pQovfievragiovg  olde  ro 
i^»'  oyofAaa^yaiy  oti,  rtjg  rov  TtaXatiov  ev^tjyias  to  ngiy  ifpQoyrtCoy  =  39,  44.  —  Paul. 
'Hmc.  bist  Langob.  II,  18  (p.  83  Waitz)  Sunt  qui  Alpes  Cottias  et  Appenninas  unam  dicant 
ms€  provinciam;  sed  hosVictoris  revincit  historia,  quae  Alpes  Cottias  per  se  provinciam 
ippeüat  =  5,  2;  vgl.  Manitius,  Philologisches  aus  idten  Bibliothekskatalogen  (Rhein.  Mus. 
^7  (1892)  Ergänzungsheft  p.  152). 

Massgebende  Spezialausg.:  Sexti  Anr.  Victoris  de  Caesaribus  Über  ed.  F.  Pichl- 
aayr,  Progr.  des  Ludwigs-Gymnasiums  in  München  1892;  vgl.  auch  dessen  Aufsätze  im 
r«0tgrofls  des  Ludwigs-Gymnasiums  in  München  1891  und  in  den  Blättern  für  das  bayr. 
gymnasial -Schulw.  24  (1888)  p.  30.  Zur  Erklärung  des  Wortes  lautus  vgl.  Klebs,  Archiv 
ttr  lat  Lexikographie  7  (1892)  p.  438. 

801.  Die  Epitome.  Neben  den  Caesares  haben  wir  noch  eine  Dar- 
(tellung  der  Eaisergeschichte,  welche  von  Augustus  bis  auf  den  Tod  des 
rheodosius  (395)  reicht  und  um  diese  Zeit  wohl  auch  verfasst  wurde. 
n  den  ersten  elf  Kapiteln  zeigt  sie  Berührungen  mit  den  Caesares,  und 
laraus  ist  wahrscheinlich  der  Orund  abzuleiten,  dass  die  Schrift  in  der 
Teberlieferung  als  ein  Auszug  des  Aurelius  Victor  hingestellt  wird.  Allein 
lelbst  ein  flüchtiger  Blick  zeigt  uns,  dass  sie  nicht  als  ein  Werk  Victors,  auch 
licht  als  ein  aus  demselben  exzerpiertes  anzusehen  ist.  Während  Victor 
(eine  Individualität  in  starkem  Masse  ausprägt,  können  wir  bei  dem  Ver- 
ÜEUsser  der  Epitome  von  einer  eigenen  Individualität  gar  nicht  sprechen. 
Der  Epitomator  ist  ganz  von   seinen  Quellen   abhängig^)  und  sein  Werk 

^)  Der  Wechsel  der  Qaellen  kündigt  sich  oft  durch  den  Wechsel  der  Pronomina  an ; 
rgl.  Cohn  p.  28. 

5* 


68  Anreliiui  Victor.    (§  801.) 

mehr  als  Gento  denn  als  selbständige  Arbeit  aufzufassen.  Beim  Exzerpieroi 
verfährt  er  nicht  selten  gedankenlos.^)  Die  Komposition  ist  daher  in  den 
verschiedenen  Teilen,  deren  wir  vier  unterscheiden  können,  eine  anders 
geartete.  lieber  die  Quellen  erhalten  wir  keinen  Aufschluss;  ausser  den 
Beziehungen  zu  Aurelius  Victor  im  ersten  Teil  liegen  noch  klar  die  Be- 
rührungen mit  Eutrop  im  zweiten  und  dritten  vor.  Auch  die  Epitome  kann 
von  dem  Historiker  nicht  bei  Seite  geschoben  werden;  sie  hat  manche 
Notiz,  die  Beachtung  verdient.*) 

Das  Verhältnis  der  Epitome  zu  den  Caesares.  In  der  üeberschrift  finies 
wir  die  Epitome  bezeichnet  als  Hbellua  breviatus  ex  libris  Sex,  Äur,  Vietoris,  Man  sollte 
demnach  annehmen,  dass  die  Epitome  nur  einen  Auszug  aus  den  Caesares  des  Sex.  Anr. 
Victor  darstelle,  welcher  eine  Fortsetzung  erfahren  habe.  Allein  Wölfflin,  Rhein.  Ifai 
29  (l^*^^)  P-  "^^^  ^^^  gezeigt,  dass  wir  in  den  Caesares  und  der  Epitome  Ewei  ganz  fcr* 
schieden  geartete  Werke  vor  uns  haben,  indem  die  Caesares  anstreben,  eine  wirklieb 
Reichsgeschichte  zu  geben,  während  die  Epitome  sich  lediglich  aus  Biographien  zusamnui- 
setzt  (p.  284).  Auch  der  Stil  der  beiden  Werke  deutet  in  seinem  Kern  am  zwei  ursprtii- 
lieh  verschiedene  Verfasser  (p.  290).  Wenn  die  Epitome  als  einfacher  Auszug  ans  Aorel» 
Victor,  somit  als  ein  Werk  dieses  Autors  hingestellt  wird,  so  wird  der  Grand  darin  gelega 
haben,  dass  man  zwischen  den  Caesares  und  der  Epitome  Uebereinstimmnngen  erkamite. 
Allein  Mähly  (Jahns  Archiv  19  (1858)  p.  317)  hat  zuerst  das  fOr  das  Verhftltnifl  der  beida 
Schriften  bedeutsame  Moment  entdeckt,  dass  Uebereinstimmungen  mit  den  Caesares  nor  n 
den  ersten  1 1  Kapiteln  (also  bis  Domitian  einschliesslich)  zu  Tage  treten,  während  mit  den 
12.  Kapitel  die  Epitome  ihre  eigenen  Wege  gehe.  Diese  uebereinstimmnngen  werden  im 
Enmann,  Eine  verlorene  Geschichte  der  römischen  Kaiser  und  das  Buch  de  viiia  illiutiftii 
urbis  Romae  (Philol.  Supplementbd.  4  (1884)  p.  403)  also  charakterisiert:  ,J)ie  Entlehnongn  1 
....  beginnen  erst  mit  Tiberius.  Tib.  8  =  V.  2,  3;  9  =  V.  2,  1.  —  Calig.  2  =  V.  8,  4;  3  = 
V.  3,  4  und  7;  5  =  V.  3,  9.  —  CJaud.  2  =  V.  3,  15  und  16;  3  =  V.  4,  1;  5  =  V.  4,  2;  7  = 
V.  4,  5.  6;  8  =  V.  4,  7;  10  =  V.  4,  12;  12  =  V.  4,  10;  13  =  V.  4,  13.  —  Nero  2-4  =  Vid 
5,  2;  5  =  V.  5,  4.  5.  7;  7  =  V.  5,  15.  Dann  hören  die  Entlehnungen  auf  bei  Galba,  Otlu, 
VitcUius,  die  von  Victor  sehr  kurz  behandelt  waren.  Dem  Leben  des  Vitellina  §  6  ist  ea  ^ 
Satz  aus  Vict.  8,  7  angehängt."  Für  Vespasian,  Titus  und  Domitian  können  wieder  Ueber- 
einstimmungen aufgezeigt  werden,  besonders  bei  Vespasian  und  Domitian  treten  dieselbei 
stark  hervor;  vgl.  auch  H.  Peter,  Geschichtl.  Litt,  der  Kaiserz.  2  (1897)  p.  861.  Naek 
der  Entdeckung  Mählys  wurden  verschiedene  Versuche  gemacht,  das  Verhältnis  zwisdieo 
den  Caesares  und  der  Epitome  näher  zu  bestimmen.  Es  möge  eine  Uebersicht  derBeOw 
folgen.  Opitz  (Quaestionum  de  Sex.  Aur.  Victore  capita  tria  p.  210)  stellt  den  Satz  iit 
dass  sowohl  die  Caesares  als  die  ersten  11  Kapitel  der  Epitome  aus  einem  vollständigem 
Aur.  Victor  geschöpft  seien.  Obwohl  bei  den  Caesares  der  Beweis  nur  aus  den  ersteo  U 
Kapiteln  erbracht  werden  könne,  so  stehe  doch  nichts  im  Weg,  das  gewonnene  Renhii 
auf  die  c.  12 — 42  der  Schrift  zu  übertragen  (p.  226).  Auf  dem  Standpunkt,  den  Opitz  eis* 
genommen,  steht  auch  Wölfflin  p.  294.  Nur  die  eine  Modifikation  bringt  er  an,  derEp- 
tomator  habe,  um  persönliche  Züge  für  seine  Biographie  zu  erhalten,  zu  seinen  AnazSga 
aus  dem  vollständigen  Werk  des  Aur.  Victor  auch  direkt  manches  aus  Sueton  übemomnMB  t 
(p.  295).  Mit  Opitz  und  Wölfflin  geht  auch  zusammen  Armstedt,  Quae  ratio  intereedik 
inter  XI  capita  priora  Sext.  Aur.  Vietoris  et  libri  de  Caes.  et  Ep.,  quae  didtur,  Bfickebori 
1885;  er  gibt  (p.  30)  als  Resultat  seiner  Untersuchung  den  Satz:  Das  Büchlein  de  Cm& 
und  die  Ep.  sei  aus  dem  Geschichtswerk  des  Sex.  Aur.  Victor  abzuleiten  und  Sueton  Mi 
für  die  Ep.  nicht  Vorlage  gewesen.  Wohl  aber  sei  in  dem  Werk  des  Aur.  Victor  aoaser 
Tacitus  auch  Sueton  herangezogen  (p.  26).  Verwandt  ist  auch  die  Ansicht  Jeeps,  An. 
Vietoris  de  Caesaribus  historia  e  Tepitome  de  Caesaribus  (Rivista  dl  filologia  1  (1878)  p.  5141 
Er  nimmt  zwei  Werke  des  Aur.  Victor  an ;  das  eine,  welches  uns  in  den  Caesares  erhalieo 
wurde,  sei  in  der  Provinz  entstanden;  ein  grösseres  sei  in  Rom  mit  Hilfe  von  reicbera 
Hilfsmitteln  verfasst  worden;  dasselbe  sei  verloren  gegangen,  habe  aber  unserer  Epittae 
vorgelegen  (p.  8).  Einen  anderen  Weg  beschritt  A.  Cohn,  Quibus  ex  fontibus  S.  As. 
Vietoris  et  libri  de  Caes.  et  Epit.  XI  capita  priora  fluxerint,  Leipz.  1884.  Er  bestritt  anfi 
entschiedenste,  dass  die  Caesares  ein  Exzerpt  darstellen  (p.  16).  lieber  das  Verhältnis  der 
Caesares  und  der  Epitome  spricht  er  sich  dahin  aus,  dass  die  Epitome  neben  den  Caenrei 
noch    einen   erweiterten  Sueton   zu  Rate  zog  (p.  31).    Aur.  Victor  habe  den  Sueton  benntit 

^)  Vgl.  Cohn  p.  18  f.  I   Der  Sieg  über  die  Alamannen  im  Jahre 26$ 

*)  Vgl.  über  c.  34,  2  W.  Strootman,   |   (Hermes  30  (1895)  p.  356). 


Eatropiua.    (§  802.) 


69 


mI  MiBBerdem  die  gemeinsame  QueUe  des  Tacitus  und  Dies  (p.  58).  Auch  die  Zu8&t7.e  zu 
■eton  berfihren  sich  mit  Tacitus  und  Dio  (p.  45).  Aehnlich  meint  H.  Peter  (p.  363),  dass 
JU*.  Victor  und  die  Epitome  in  den  hetr.  Abschnitten  eine  Quelle  exzerpiert  hätten;  diese 
|v»Ile  sei  aber  „eine  durch  andere  Nachrichten  (namentlich  aus  Tacitus)  ergänzte  und  er- 
Wterte  Bearbeitung  des  Sueton  von  einem  unbekannten  Verfasser.'*  Dass  die  Caesarea 
bi  Anazug  seien,  leugnet  auch  Enmann  (p.  399),  erkennt  aber  die  Abhängigkeit  der  Epi- 
mmm  Ton  den  Caesarea  an  (p.  404).  Die  Hauptquelle  in  den  ersten  11  Kapiteln  der  Epi- 
ne  war  aber  nach  Enmann  Sueton,  wozu  noch  Zusätze  aus  Victor  kamen  (p.  405).  Ausser 
ietor  und  Sueton  seien  aber  noch  die  Spuren  zweier  anderer  QueUen  erkennbar  (p.  407  j ; 
SS*  dagegen  Ärmste  dt  p.  6. 

Quellen  der  Epitome.  Bei  der  Quellenuntersuchung  sind  die  4  verschiedenen 
^9iim  der  Schrift  auseinanderzuhalten;  1.  die  ersten  11  Kapitel  von  Augustus  bis  Domitian ; 

Kapitel  12 — 23  von  Nerva  bis  Heliogabalus;  3.  die  Kapitel  24—38  von  Alexander 
bis  Carinus;  4.  die  Kapitel  89 — 48  von  Diocletian  bis  Theodosius;  vgl.  Opitz  p.  266. 

4  Abschnitte  erhalten  ihre  Gestalt  durch  die  Verschiedenheit  der  Quellen.  Ueber 
ie  Quellen  des  1.  Abschnittes  ist  bereits  gehandelt  worden.  Was  nun  die  3  übrigen  Ab- 
dmitte  anlangt,  hat  Opitz  für  den  2.  Abschnitt,  der  die  Schilderung  der  Sitten  stark 
arv'ortreten  lässt,  als  Hauptquelle  den  Marius  Maximus  hingestellt,  zu  dem  auch  noch  Zu- 
itxe  aus  anderen  Autoren  gekommen  seien.  Für  den  3.  Teil,  der  die  Schilderung  der  Sitten 
ihr  sorücktreten  lasse,  vermag  er  die  Hauptquelle  nicht  zu  bestimmen.  Für  den  2.  und 
•  Abachnitt  sei  aber  noch  charakteristisch  (was  bereits  von  Mommsen  beachtet  wurde),  dasa 
ier  Eatrop  benutzt  worden  sei  (p.  267).  Der  4.  Teil  ist  nach  Opitz  aus  Ammian  und  der 
tetaetzung  seines  Geschichtswerkes  geflossen.  In  diesem  Abschnitt  nehmen  die  Charakter- 
bliflderungen  wieder  einen  grösseren  Raum  ein.  Gegen  die  im  4.  Abschnitt  angenommene 
taMÜe  wendet  sich  Mendelssohn,  Zosimi  historia  nova,  Leipz.  1887,  p.  XXXVI.  Auch 
V  jkchsmuth  (Einl.  in  das  Stud.  der  alten  Gesch.,  Leipz.  1895,  p.  674)  begnügt  sich  mit 
moi  Hinweis  auf  die  Beziehungen  zwischen  Ammian,  Zosimus  und  der  Epitome  in  den  letzten 
O  Kapiteln  besonders  c.  47  u.  48.  Für  die  Benutzung  Eutrops  im  2.  und  3.  Teil  und  die 
Lnunians  in  dem  letzten  spricht  sich  Enmann  aus  p.  404.  —  üeber  c  25  vgl.  Chauvin, 
Lor«lins  Victor  (Revue  de  philol.  1900  p.  60).    Vgl.  noch  Klebs,  Rhein.   Mus.  45  (1890) 

^  4eo. 

Ueberlieferung  der  Epitome.  Die  beste  Handschrift  ist  der  Gudiauus  84  s.  IX. 
Ke  Ueberschrift  lautet:  incipit  Hbeflus  de  vita  et  moribua  imperatorum  breviatus  ex  libris 
Xnr.  Aur.  Victoria  (über  einen  hier  von  Hancke  statuierten  Ausfall  von  anderen  Namen 
fj^.  Ärmste  dt  p.  2)  a  Caeaare  Aug.  usque  ad  Theodosium,  Ueber  das  im  Katalog  von 
laquier  aus  dem  J.  831  vorkommende  Plinius  de  moribus  et  vita  imperatorum  vgl. 
illlil,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1895  Sp.  469.  Weiterhin  sind  zu  verzeichnen  Gudianus 
181  8.  XI;  Bemensis  120  s.  XI;  Bemensis  104  s.  XIV;  Parisinus  Reg.  4955  s.  .XU;  Pari- 
fana  Sorb.  914  s.  XV  (wertlos);  Vossianus  96  s.  XII;  Vossianus  56  s.  XIV  (wertlos); 
ka^^oatodunensis  39  s.  XI.  Schon  der  Archetypus  dieser  Handschriften  war  durch  Lücken 
mteiellt  Diese  Handschriften  zerfallen  in  3  Familien;  zu  der  ersten  gehören  die  beiden 
akidiani  (und  die  editio  princeps),  massgebend  ist  nur  Gudianus  84.  Die  zweite  Familie 
Mist  sich  zusammen  aus  Parisinus  Reg.  4955,  Bemensis  120  und  Vossianus  96.  Die  Hand- 
idrifken  der  dritten  Familie  sind  für  die  Textkritik  von  keiner  Bedeutung.  Indirekte 
Bangen  sind  auch  die  Historia  miscella  und  der  Bambergensis  H.  E.  III.  14;  vgl.  Opitz 
IL  273. 

5.  Eutropius. 

802.  Das  Breviarium  Eutrops.  Der  Kaiser  Valens  (364—378) 
HFünschte  sich  einen  gedrängten  Abriss  der  römischen  Geschichte  bis  auf 
leine  Zeit.  Er  beauftragte  daher  seinen  magister  memoriae,  Eutropius, 
hin  einen  solchen  abzufassen.  Eutrop  kam  diesem  Auftrage  nach;  er 
rerfasste  ein  Werkchen  von  zehn  Büchern,  das  den  Titel  „Breviarium  ab 
irbe  condita'  führt,  ^)  und  legte  dasselbe  mit  einer  Dedikation  seinem 
kaiserlichen  Herrn  vor.  >)    Die  Verteilung  des  Stoffes  geschieht  in  folgender 


*)  Auf  diesen  Titel  führt  die  Ueber- 
iiefeniDg  im  Gothanus  und  Ftüdenais;  vgl. 
Drojsen,  Edit  maior,  p.  lY. 

^)  Auf  die  regierenden  Herrscher  Valens 
und  Valentinian    nimmt    das   Büchlein    nur 


noch  am  Schluss  und  1,  12  neque  quicquam 
8imiliu8  patest  dici  quam  dictatura  aniiqua 
huic  imperii  potestati  quam  nunc  tranquil- 
Utas  vestra  habet  Rücksicht. 


70  Eatropins.    (§802.) 

Weise.  Mit  Romulus  beginnt  die  Erzählung,  welche  in  dem  ersten  Bacbe 
bis  zur  Niederwerfung  der  Oallier  durch  Gamillus  gelangt.  Das  zweite 
Buch  schliesst  mit  dem  ersten,  das  dritte  mit  dem  zweiten  pumschen 
Kriege  ab.  Im  vierten  Buche  kommt  der  Verfasser  bis  zum  Siege  des 
Marius  über  Jugurtha,  im  fünften  bis  zum  Ende  des  Bürgerkrieges  zwischen 
Marius  und  Sulla.  Der  Tod  Caesars  bildet  den  Abschluss  des  sechsten 
Buches.  Die  Erzählung  steuert  jetzt  der  Eaisergeschichte  zu;  hier  sbd 
Ruhepunkte  der  Tod  Domitians  (7.  B.),  der  des  Alexander  Severus  (8.  B.), 
der  des  Diokletian  (9.  B.).  Das  zehnte  Buch  führt  endlich  die  Erzählung  Us 
zum  Tode  Jovians.  Die  Regierung  der  gegenwärtigen  Kaiser,  Valens  und 
Valentinian  (364 — 375),  zu  schildern,  lehnt  der  Autor  vorerst  ab,  behält 
sich  aber  die  Ausführung  dieser  Aufgabe  für  eine  spätere  Zeit  vor.  ^)  Für 
die  Abfassung  des  Schriftchens  konnte  natürlich  ein  ausgewähltes  QueUen- 
Studium  nicht  in  Frage  kommen;  es  sind  daher  nur  wenige  Werke,  die 
Eutrop  zu  Rate  gezogen,  nachzuweisen.  Für  die  Eönigszeit  und  die  Zeit 
der  Republik  griff  er  nach  einem  Auszug  aus  Livius,  der  das  Original  in 
späterer  Zeit  ganz  verdrängt  hatte.  Für  die  erste  bis  auf  Domitiaa 
reichende  Kaiserzeit  lag  ein  brauchbares  Buch  in  Suetons  Eaiserbiographien 
vor;  allein  auch  diese  scheint  er  nicht  direkt,  sondern  in  umgearbeiteter 
Gestalt  herangezogen  zu  haben.  In  der  Darstellung  der  folgenden  Epoche 
stossen  wir  auf  die  Spuren  einer  Kaiserchronik,  deren  Verfasser  für  ons 
verschollen  ist,  und  auf  eine  nicht  näher  zu  bestimmende  Famüien- 
geschichte  des  constantinischen  Hauses.  Im  letzten  Abschnitt,  besonders 
bei  der  Schilderung  Julians  und  Jovians,  konnte  Eutrop  auch  aus  eigener 
Anschauung  berichten.  Sein  Amt  hatte  ihm  sicherlich  Oelegenheit  gegeben, 
von  manchem  Kunde  zu  erhalten;  auch  hatte  er  sich  am  Zuge  Julians 
gegen  die  Perser  beteiligt.  Nebenquellen  blicken  hie  und  da  durch.  An- 
gaben über  Ortsentfernungen  von  Rom  und  chronologische  Daten  konnten 
leicht  aus  Handbüchern  entnommen  werden.  Das  Ziel,  das  dem  Autor 
gesteckt  wurde,  hat  er  unzweifelhaft  erreicht.  In  gewandter,  Wechad 
des  Ausdrucks  erstrebender  Darstellung^)  gibt  er  eine  klare  Uebersicht') 
über  die  gesamte  römische  Geschichte  bis  auf  seine  Zeit.  ^)  Auf  innere  Ver- 
hältnisse hat  er  sein  Augenmerk  nicht  gerichtet.  In  der  republikanischen  \ 
Zeit  beschränkt  sich  die  Darstellung  fast  nur  auf  die  Aufzählung  dar 
Kriege  und  Schlachten,  die  Zahl  der  Gefallenen  wird  hiebei  gewissenhaft 
vermerkt,  ja  selbst  der  eine  Tote  fehlt  nicht  (5,  3).  Eine  Charakteristik 
der  auftretenden  Persönlichkeiten  wird  selten  gegeben.  Mit  der  Kaise^ 
geschichte  tritt  das  Persönliche  stark  hervor,  und  der  Historiker  ve^ 
schmäht  selbst   das  Anekdotenhafte   nicht  (7,  18).^)     Je  näher    er  aber 


*)  10,  18  quia  ad  inclUos  principes 
venerandosque  perventum  est,  interim  operi 
modum  dabimus.  nam  reliqua  atllo  maiore 
dicenda  sunt,  quae  nunc  non  tarn  praeter- 
mittitnus  quam  ad  maiorem  scribendi  dili- 
gentiam   reservamtis,  . 

')  Ungenügend  Sorn,  Der  Sprachge- 
brauch des  Eutropius  I.  Hall  1888,  IL  Lai- 
bach 1889;  vgl.  Ruh  1,  Berl.  philoL  Wochen- 
schr.  1893  Sp.  1484. 


')  Peter,  Geschichtl.  Litt,  der  Sjösen. 
2  p.  136;  Wachsmath,  Einl.  in  das  Stad. 
der  alten  Gesch.  1895  p.  614. 

*)  Der  Historiker  unterlftsst  nicht,  flftm 
den  alten  Namen  die  zu  seiner  Zeit  gehriiick* 
liehen  gegenüberzustellen  (6,  17;  7,  11;  7, 15) 
und  auch  in  anderer  Beziehung  auf  die  Otgsa- 
wart  hinzuweisen  (1,  6;  7,  10;  8,  2;  8,  5; 
9,  23). 

^)  Auch  in  der  Epoche   der  RepaUik 


( 


Entropiaa.    (§  802.) 


71 


teiner  Zeit  kommt,  desto  mehr  gewinnen  seine  Charakterschilderungen  an 
Durchsichtigkeit  und  Schärfe. 

Es  ist  nicht  zu  verwundem,  dass  das  handliche  Büchlein  sich  grosser 
Beliebtheit  erfreute,  da  es  den  Bedürfnissen  eines  lesemüden  Publikums 
entgegenkam.  Eine  Reihe  von  lateinischen  Autoren  weist  Lesefrüchte 
ans  unserem  Breviarium  auf;  selbst  dem  griechischen  Osten  wurde  das 
Büchlein  durch  freie  Uebersetzungen  vermittelt.  Die  eine,  die  von  einem 
Zeitgenossen  Eutrops,  Paianios,  herrührt,  ist  noch  erhalten  und  leistet 
bei  der  Textkritik  gute  Dienste.  Eine  spätere,  von  Capito  verfasste,  liegt 
nns  nur  in  Fragmenten  vor.  Auch  im  Mittelalter  war  dem  Autor  ein 
reiches  Fortleben  beschieden.  ^)  Paulus  Diaconus  legte  das  Compendium 
seiner  Historia  Romana  zu  gründe,  indem  er  es  durch  Zusätze,  besonders 
ins  Orosius,  erweiterte  und  bis  Justinian  (553)  fortsetzte.  Das  Werk  des 
E^aulus  Diaconus  wurde  wiederum  die  Grundlage  für  eine  neue  Kompilation, 
lie  sogenannte  Historia  miscella  des  Landolfus  Sagax,  welche  um  das 
Fahr  1000  anzusetzen  ist.  Auch  hier  fand  sowohl  Erweiterung  als  Fort- 
setzung statt.  Die  neuere  Zeit,  die  bei  den  Historikern  den  Schwerpunkt 
Q  die  Quellenuntersuchungen  setzt,  hat  dem  Büchlein,  das  ihr  nicht  viel 
Irenes  bieten  kann,  einen  bescheideneren  Platz  angewiesen. 

Biographisches.  Suidas  s.  v.:  EihQomog,  liaXog,  aoqucxi^q  .  rtjy  ^tofitüxijy  lato- 
nar  hutofiuetog  rj  'fraiUiy  q>toyj  MyQtnpe,  xai  aXXa.  Welche  Scbriften  ausser  dem  Brevioriom 
Batrop  noch  geschrieben,  ist  anbekannt.  Eutrop.  10,  16,  1  Julianus  ....  Parthis  intulit 
i€ilum,  cui  expedüioni  ego  quoque  vnterfui.  Im  Bambergensis  III,  22  s.  X  nennt  Eutrop 
in  dem  Brief  an  Valens  sich  v.  c.  tnagister  memoriae,  Georgias  Codinas  (vgl.  Eram- 
bacher,  G«Bch.  der  byz.  Litt,  München'  1897,  p.  422)  p.  18  ed.  Bonn.:  Evigomog  6  aotpiaxfjg 
9  x^  ngoßatn  *lovXtayov  avunagtar  iv  TlBQaiSi  xai  6  inMtoXoyQdfpoc  Kiayaiayrlyov.  Ein 
mrichtiger  Zosatz  des  Codmas  ist  Kioyataytiyov.  lieber  den  Clarissimat  Eotrops  vgl. 
üommsen  beiDroysan  p.  11.  üeber  die  verschiedenen  Persönlichkeiten  des  Namens  Eu- 
tropiaB  im  4.  Jahrhundert  vgl.  Pirogoff  p.  5;  über  die  Identifizierang  des  Historikers  Eutrop 
mit  dem  Neffen  des  Redners  Akakios  p.  6;  über  den  Adressaten  des  Sjmmachus  ep.  3,  46 
—53  vgL  denselben  p.9  und  Seeck,  Ausg.  des  Symmachus,  Berl.  1883,  p.  CXXXII,  der  weiter- 
gehend als  Pirogoff  die  vermutliche  Laufbahn  Eutrops  darlegt.  Für  die  Identifizierung 
benrffc  man  sich  auf  3,  47  p.  86,  2  Seeck:  sed  haec  stilo  exequenda  tibi  ante  alias,  cui  pollet 
Minerva,  concedimus.  In  diesen  Worten  erblickt  man  eine  Anspielung  auf  den  Schluss 
des  Breviariam:  reliqua  stäo  maiore  dicenda  sunt,  quae  nunc  nan  tarn  praetermittimus 
quam  ad  maiorem  scribendi  düigentiam  reservamus.  Nikephoros  Gregoras  (Erumbacher 
l.  c  p.  101)  bei  Lambec.  comm.  de  bibL  Vindob.  8,  136  6  ao<p6g  Ertgoniog^  Ög  OvdXeyxi  fiiy 
^^Z9^^^  Y^yo^^it  "EXkfiy  &*tSy  irjy  ^Qt^xeiay  ....  /nytjc&ijaouai  Mg  lovyofiu  EvtQonlov 
ßgaj^vXoyiq  /^oi^f'ov  r^g  &Qfj<rx€iag  dxoiyaittjroy  xai  ngog  ye  dtä  ro  fjhxioStrjy  ofjiov  xai 
nl^BCuitfpf  *lovkiayov  ytyeyi^a&ai, 

Ziel  nnd  Umfang  der  Schrift.  In  der  Widmung  heisst  es:  Res  rom,  ex  voluntate 
manäuetudinis  tucLC  ab  urbe  candita  ad  nostram  memoriam,  quae  in  negotiis  vel  beUicis  vel 
dvüibus  emmehant,  per  ordinem  teniporum  brevi  narratione  collegi  strictim,  additis  etiam 
his,  quae  in  princ^m  tfUa  egregia  exHterunt  u.  s.  w.  Am  Schluss  des  Werkes  heisst  es: 
Hie  Status  erat  Bomamie  rei  Joviano  eodem  et  Varroniano  eonsulibus  anno  urbis  conditae 
mülesimo  centesimo  et  octavo  decimo  .  quia  autem  ad  inclüos  principes  venerandosque  per- 
ventum  est,  interim  operi  modum  dabimus.  nam  rdiqua  stüo  maiore  dicenda  sunt,  quae 
nunc  nan  tarn  praetermittimus  quam  ad  maiorem  scribendi  düigentiam  reservamus. 

Quellen.  Wir  haben  bei  der  Quellenuntersuchung  4  verschiedene  Abschnitte  aus- 
einander zu  halten.  1.  Die  Königszeit  und  die  Zeit  der  Republik.  Hier  ist  die  Hauptquelle 
die  lavina-Epitome  (vgL  §  324),  aus  der  auch  andere  Autoren  geschöpft  haben,  und  eine 
hfebenqaelle,  welche  auch  dem  Verfasser  der  Schrift  de  viris  illustribus  und  anderen  Histori- 
kern Torlag.    2.  Die  Kaiserzeit  bis  Domitian.    Hier  ist  die  Hauptquelle  Sueton,  aber,  wie  es 


konnte  sich  der  VerfBSser  hie  und  da  nicht 
rersagen,  «nen  interessanten  Zog  weiter  aus- 
snlfthren,  z.  B.  in  der  (Jeeehichte  des  Pyrrhus. 


^)  Manitius,  Beitrftge  zur  Gesch.  der 
röm.  Prosaiker  im  Mittelalter  (PhiloL  49  (1890) 
p.  191). 


72  Entropins.    (§802.) 

scheint,  ein  umgearbeiteter  and  mit  ZuBfttzen  versehener.  Ebeling,  Qnaest  Entropiaiuie, 
Halle  1881;  Cohn,  Qnibos  ex  fontibos  S.  Aurelii  Victoris  et  libri  de  Caeeaiibus  et  Epi- 
tomes  ondecim  capita  priora  fluxerint,  Berl.  1884  (Leipziger  Dias.),  üeber  die  Entiehniui^ 
von  zwei  Notizen  über  Bauten  in  Rom  (7,  14—23)  aus  der  Stadtchronik  des  Chronographen 
y.  J.  354  vgl.  Mommsen,  Abb.  der  sflchs.  GeB,  der  Wissensch.  1850  p.  600.  8.  Die  Zeit 
von  Nervs  bis  Diocletian.  Hier  ist  die  f&hrende  Quelle  eine  Eaiserchronik,  deren  Verfasser 
wir  nicht  kennen.  VieUeicht  stand  in  derselben  auch  die  umgearbeitete  und  Tennehrt« 
Partie  aus  Sueton.  Enmann,  Eine  verlorene  Geschichte  der  römischen  Kaiser  nnd  dia 
Buch  de  viris  illustribus  urbis  Romae  (Philol.  Supplementbd.  4,  1884).  Ueber  Herodian  irod 
Eutrop  vgl.  Neumann,  Rhein.  Mus.  35  (1880)  p.  485  und  Ebeling  1.  c.  p.  44.  Für  den 
letzten  Abschnitt  schöpft  Eutrop  aus  einer  FamUiengeschichte  Constantins  und  zuletzt  ans 
seinen  eigenen  Erlebnissen. 

Ueber  die  Queilenfrage  vgl.  das  sorgfältige  Referat  Wageners,  Philol.  45  (1886) 
p.  509;  das  Verhältnis  des  Livius  und  Eutrop  ist  untersucht  von  Pirogoff,  De  Entrofii 
breviarii  ab  u.  c.  indole  ac  fontibus  L,  Berl.  1873,  p.  39;  vgl.  im  allgemeinen  Peter,  6e- 
schichtl.  Litt,  der  Kaiserz.  2  (1897)  p.  348;  C.  Wachsmut h,  Einl.  in  das  Stnd.  der  alten 
Gesch.,  Leipz.  1895,  p.  613.  Ueber  das  Verhältnis  des  Eutrop  zu  Aurelius  Victor  vgl.  En- 
mann  1.  c.  p.  472. 

Die  griechische  Uebersetzung  des  Paianios.  Im  Jahre  1590  gab  Sylborf; 
(Roman,  bist.  Script,  min.  Frankf.,  vol.  HI,  p.  62)  eine  griechische  UebersetEung  Entrops  von 
Paianios  heraus;  die  Handschrift,  nach  der  er  den  Druck  besorgte,  hatte  er  durch  Vermitt- 
lung des  Opsopoeus  von  Pithoeus  erhalten.  Seitdem  bildet  diese  griechische  üebenetzong 
einen  fast  stehenden  Bestandteil  der  Eutropausgaben;  gesondert  wurde  sie  herausgegeben 
von  G.  F.  Schmidt  (Lauenb.  1786)  und  Ealtwasser  (Gotha  1780).  Bereits  Sylbarg 
hatte  erkannt,  dass  unser  Verfasser  der  Uebersetzung  über  seine  Zeit  selbst  Aufschli»  j 
erteile  durch  folgenden  Zusatz  zu  den  Worten  Eutrops  9,  24:  nannog  di  ovro^  (Naneii  ( 
IiinttiQi  iB  xal  'OpfdiaBq  toTg  eiV  Tijy  ijfÄeUQny  i^kixiay  dfputOfAiyois,  Ds  der  Tod  Sapon  j 
vor  380  fällt,  ist  Paianios  als  Zeitgenosse  Eutrops  zu  betrachten.  Vielleidit  ist  der  üeber-  1 
setzer  identisch  mit  dem  bei  Libanius  vorkommenden  Paianius;  v^.  E.  Schal tze,  De  Paianio 
Eutropii  interprete  (Philol.  29  (1870)  p.  287).  Die  Uebersetzung  ist  eine  freie;  sie  nhniot 
Kürzungen  und  Erweiterungen  vor.  Die  letzteren  stammen  zum  Teil  aus  Dio  Cassiiis;  vgl 
Schnitze  1.  c.  p.  296.  Ueber  die  handschriftliche  Grundlage  verbreitet  sich  ein^ead 
Schultze  p.  288  und  Droysen  edit.  mai.  p.  XXI.  Die  massgebende  Handschrift  ist  der 
an  einigen  Stellen  lückenhafte  Laurentianus  70,  5  s.  XV,  und  der  jetzt  verloren  gegangen 
Codex  Pithoei,  der  aber  vielleicht  aus  dem  Laurentianus  geflossen  ist.  Als  massgebende 
Ausgabe  ist  die  Droysens  in  seiner  grösseren  Eutropiusausgabe  zu  betrachten.  Ueber 
Exzerpte  des  Paianios  bei  Planudes  vgl.  H.  Haupt,  Ueber  die  Herkunft  der  dem  Dio  Ci»- 
sius  beigelegten  planudischen  Exzerpte  (Hermes  14  (1879)  p.  59)  und  Pirogoff  p.  90. 

Die  griechische  Uebersetzung  Capitos.  Suidas  s.  v.:  Kanirwr,  Avxiog,  int- 
Qtxo?'  ovtog  6y()a\pey'lanvQix((f  ßißXta  rj\  fA6tuq>gaciy  r^g  initofirjg  EvTQ<miov  ftOfiaTcti  ht- 
leuoytog  yilßioy  roV  PwfAmoy,  Dieser  Capito  lebte  vor  Stephanus  von  Bjzanz,  da  dieser 
ihn  sub  voce  ^*'ifAaf^a  citiert  Nach  der  Vermutung  C.  Müllers  (Frag.  bist.  Graec.  4  p.  138) 
schrieb  Capito  unter  Anastasius  (491—518)  oder  Justin  (518  -527).  Seine  Uebersetcong  st 
uns  nicht  direkt  erhalten,  sondern  liegt  uns  nach  einer  Beobachtung  des  Valesins  in  den  i 
Bruchstücken  der  Chronik  des  Johannes  von  Antiochia  (Krumbacher,  G^esch.  der  \(jt  I 
Litt.,  München'  1897.  p.  334)  vor;  soweit  wir  aus  diesen  Bruchstücken  nrteilen  ktann,  j 
bewegte  sich  Capito  seinem  Originale  gegenüber  mit  Freiheit  und  stattete  es  mit  ZnaÜni  I 
aus.  Ueber  die  falsche  Schlussfolgerung  Köchers  (De  Joannis  Antiocheni  aetate  fontibai 
auctoritate,  Bonn  1871)  aus  diesen  Zusätzen,  dass  der  Uebersetzer  einen  vollstindigera 
Eutrop  vor  sich  hatte  als  wir,  vgl.  Hartel,  Eutropius  und  Paulus  Diaconns 
der  Wiener  Akad.  Bd.  71  (1872)  p.  288).  Die  Bruchstücke  sind  gesammelt  in  der 
Eutropausgabe  Droysens.  Ueber  die  in  Fragmenten  des  Maximus  Planudes 
Eutropübersetzung  vgl.  H.  Haupt  1.  c.  p.  38  und  Droysens  grossere  Ausg.  p.  LXVUI.  8ie 
ist  wahrscheinlich  auch  die  Capitos;  vgl.  Droysen  p.  LXIX. 

Die  Historia  Romana  des  Paulus  und  die  Historia  miscella  des  Lao- 
dolfus  Sagax.  Ueber  sein  Werk  berichtet  uns  Paulus  Diaconns  in  einem  demselboi  yw- 
ausgeschickten  Briefe  an  die  Herzogin  Adelperga  von  Benevent,  wo  es  heisst:  legemdm 
tibi  Eutropii  historiam  optuli  .  .  .  .  at  ego  ....  paulo  superitis  ab  eiusdem  ttxtu  kittoria 
narraiionem  cnpiens  eamque  pro  loci  merito  extendens,  qiiaedam  etiam  temparünu  m» 
coyi^gruentia  e  divina  lege  interserens  eandem  sacratissimae  historiae  consanam  reddidi.  d 
quia  Eutropius  usque  ad  Valentis  tantummodo  imperium  narrationis  suae  m  ea  Mriem 
deduxit,  ego  deinceps  ....  sex  in  Ubellis  ....  usque  ad  Justiniani  ÄugusH  tempora  per- 
reiii.  Das  Geschichtswerk  wurde  verfasst  vor  774.  Bei  der  Bearbeitung  ging  Psnliis  •• 
zu  Werke,  dass  er  eine  Einleitung  vorausschickte,  in  der  er  sich  an  die  origo  gentis  Ronwiae 


Eatropiaa.    (§802.)  73 

and  zwar  an  eine  vollstftndigere  Fassung  anschloss;  vgl.  Mommsen,  Hermes  12  (1877) 
p.  407;  Droysen  edit.  maior  p.  XXXIX.  Es  folgt  dann  der  Text  Eutrops,  durch  Zusätze 
ans  Orosius,  Hieronymus,  Jordanes  und  anderen  Autoren  ausgestattet;  vgl.  Dropsen  1.  c 
p.  XXXVIII.  Hieran  scbliessen  sich  die  6  Bücher,  in  denen  Paulus  von  Eutrop  unabhängig 
ist  und  in  denen  er  den  Geschichtsstoff  bis  auf  Justinian  (553)  führte.  Die  Quellenanalyse 
hat  zunächst  die  Bücher  11,  12  und  13,  Kapitel  1  und  2  ins  Auge  zu  fassen.  In  dieser  Partie 
bfldet  Orosius  die  Grundlage,  zu  der  Zusätze,  wie  im  I.Teil  zu  Eutrop,  kamen;  vgl.  Droysen 
p.  XLI.  Im  Rest  des  13.  Buches  benutzt  er  da,  wo  Orosius  vers^e,  ein  vollständigeres 
Uhronikon  des  Prosper;  vgl.  Droysen  p.  L.  Auch  in  den  Büchern  14,  15  und  16  wird 
Paulus  so  veifahren  sein,  dass  er  eine  Hauptquelle  zu  Grunde  legte  und  dieselbe  mit  Zu- 
Bfttzen  versah.  Allein  die  Untersuchung  ist  hier  mit  grösseren  Schwierigkeiten  verknüpft; 
vgjt.  Droysen  p.  LVÜ.  Ueber  die  Exzerpte  aus  Beda,  Jordanes,  Prosper,  Isidor  vgl. 
Droysen  p.  LH.  —  Die  Handschriften  des  Paulus  zerfallen  in  2  Klassen.  Repräsentanten  der 
ersten  sind:  Bambergensis  E.  EI,  4.  518  s.  IX/X,  Vaticanus  3839  s.  XI,  Berolinensis  Lat.  4  ^ 
1  8.  XIII;  Vertreter  der  anderen  Familie  sind:  Laurentianus  65,  35  s.  XI,  Vaticanus  7312  s. 
KU,  Monacensis  3516  s.  XI;  vgl.  Droysen  p.  XXIX.  Vollständige  Ausgabe  von  Droysen, 
Berl.  1879;  unvollständig  liegt  sie  auch  vor  in  Droysen  s  edit.  maior  des  Eutrop  (B.  11  —  16 
p.  185).  Hartel,  Eutropius  und  Paulus  Diaconus ;  Bauch,  Ueber  die  Historia  Komana  des 
Paulus  Diaconus,  GOttingen  1873.  Die  Historia  Romana  des  Paulus  erfuhr  wiederum  Ver- 
kürzungen und  Umarbeitungen  in  barbarischer  Diktion ;  vgL  Droysen  p.  XXXII.  Ein  Un- 
bekannter machte  einen  Auszug  aus  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  und  fügte  sie 
als  17.  Buch  zu. der  Historia  Romana  hinzu,  abgedruckt  bei  Droysen  edit.  maior  p.  896. 
Wie  aber  Eutrop  für  die  Historia  Romana  des  Paulus  das  Fundament,  das  ergänzt  und 
fortgesetzt  wurde,  bildete,  so  bildete  die  Historia  Romana  des  Paulus  wiederum  in  gleicher 
Weise  das  Fundament  für  ein  Werk,  das  wahrscheinlich  nach  dem  Vorgang  des  Pithoeus 
gewöhnlich  Historia  miscella  genannt  wird  und  von  Landolfus  Sagax  ums  Jahr  1000  ver- 
£B88t  wurde.  Landolfus  fügte  zu  den  16  Büchern  der  Historia  Romana  8  neue  Bücher  hinzu, 
indem  er  die  Erzählung  bis  auf  die  Zeiten  Leos  des  Armeniers  (813 — 820)  führte.  Die  16 
Bficher  des  Paulus  wurden  erweitert,  durch  Zusätze  ausgestattet  und  das  7.  und  das  16.  Buch 
in  2  Bücher  zerlegt  Das  Ganze  umfasst  sonach  26  Bücher.  —  Massgebend  ist  der  Pala- 
tinus-Vaticanus  909,  wahrscheinlich  die  Originalhandschrift  des  Landolfus  Sagas  selbst; 
▼gl.  Droysen,  Hermes  12  (1877)  p.  390.  Ueber  sein  Verfahren  vgL  Droysen  edit  maior 
n.  LXV.  Ueber  die  QueUen  der  Zusätze  vgl.  ebenda.  Zum  Teil  sind  es  dieselben  Quellen, 
die  dem  Paulus  vorlagen.  —  Ausgaben  von  Muratori,  Script  rer.  Ital.  vol.  1  p.  100  und 
Ejssenhardt,  BerL  1869. 

Spuren  Eutrops  bei  anderen  Schriftstellern.  Gegen  die  angebliche  Benutzung 
Entrops  durch  Festus,  welche  Jacob i  (De  Festi  breviarii  fontibus  1874)  annimmt,  vgl. 
Mommsen  bei  Droysen  edit  maior  p.  XXV;  Elebs,  Rhein.  Mus.  45(1890)  p.  459;  es 
ist  vielmehr  eine  gemeinsame  Quelle  anzunehmen.  Zweifellos  dagegen  ist  die  Ausnutzung 
Entrops  durch  Hieronymus  in  seinem  Chronicon;  vgl.  Mommsen,  Ber.  der  sächs.  Ges. 
der  Wtssensch.  1850  p.  62  und  die  Ausgabe  des  Chronicon  von  A.  Schoene.  Orosius 
eitiert  Eutrop  an  2  Stellen  VII,  11  p.  484  und  VII,  20  p.  511;  vgl.  den  Index  scriptorum, 
qnibns  Orosius  usus  est  in  der  Ausgabe  von  C.  Zangemeister  p.  695-697.  Damach  ist 
Eutrop  in  allen  Büchern  benutzt,  das  erste  ausgenommen.  Ueber  den  geringen  Wert  der 
Citate  ftlr  die  Texteskonstituierung  vgl.  Wagener,  Philol.  42  (1884)  p.  523.  Die  Spuren 
Entrops  in  der  sogenannten  Epitome  des  Ps.-Aur.  Victor  sind  von  den  Forschem  mehr- 
fach beobachtet  worden;  Quellengemeinschaft  statuiert  Elebs  1.  c.  p.  460;  vgl.  Opitz, 
Quaest  de  Sext  Aurelio  Victore  (Acta  soc.  phil.  vol.  II,  fasc.  2  (Leipz.  1874)  p.  197)  und 
Wagener  1.  c.  p.  526.  Ueber  einige  Entlehnungen  aus  Eutrop  in  Augustins  De  civitate 
dei  VgL  Pirogoff  p.  87.  Ueber  Polemius  Silvius  und  Eutrop  vgl.  Mommsen,  Polemii 
Silvii  laterculus  (Abh.  der  sächs.  Ges.  der  Wissensch.  1857  p.  2H9).  Ueber  Cassiodor  und 
Eutrop  vgl.  Mommsen,  Die  Chronik  des  Cassiodor  (Abh.  der  sächs.  Ges.  der  Wissensch. 
1861  p.  568).  Ueber  Jordanes  und  Eutrop  vgl.  Mommsen  praef.  ad  Jordan,  p.  XXV.  Ueber 
Eutrop  als  Quelle  Isidors  vgl.  Hertzberg,  Ueber  die  Chroniken  des  Isidorus  von  Sevilla 
(Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  XV  p.  289—360)  und  Wagen  er  1.  c.  p.  529.  Ueber 
Beda  und  Eutropius  vgl.  Wagener  p.  532.  —  Ob  sich  Priscians  Stelle,  Gramm,  lat.  2,  8,  19 
id  etiam  Eutropius  confirmat  dict^n  auf  unseren  Eutrop,  der  allerdings  nach  Suidas  ausser 
dem  Breviarium  noch  anderes  geschrieben  hat,  bezieht,  ist  zweifelhaft.  Ueber  Eutrop  und 
Hieronymus  vgl.  Mommsen,  Hermes  16  (1881)  p.  608  Anm.  2.  Ueber  Eutrop  und  byzan- 
tinische Historiker  vgl.  C.  de  Boor,  Hermes  20  (1885)  p.  325. 

Ueberlieferung  des  Eutrop.  Nach  Mommsen  bei  Droysen,  proleg.  p.  XIV, 
liehen  die  Handschriften  Eutrops  auf  2  Archetypi  zurück;  der  erste  wird  repräsentiert 
durch  den  Gothanus  101  s.  IX,  den  ältesten  erhaltenen  Codex  Eutrops,  durch  den  verloren 
gegangenen  Fuldensis,   den   Sylburg   in   seiner  2.  Ausgabe  des  Breviarium  benutzte  (vgl. 


74  Festaa.    (§  808.) 

Lad  ecke,  SylburgB  Codex  des  EutropioB,  Fleckeis.  Jahrb.  111  (1875)  p.  874),  und  endlick 
durch  die  Handschrift  des  Paulus  Diaconus,  mit  dem  Vaticanns  1860  s.  XI V  zaBammen- 
zustellen  ist;  der  zweite  durch  den  Bertinianus  sive  Audomarensis  (St.  Omer)  697  8.  X/XI, 
den  Leidensis  141  s.  X  und  die  Vorlage  des  Uebersetzers  Paianios.  Die  zweite  Familie  ent- 
hftlt  eine  willkürliche  Textesrecension;  vgl.  Droysenp.  YI.  Von  Mommsen  unterscheidet 
sich  Droysen  dadurch,  dass  er  den  Vaticanns  1860  und  den  Codex  des  Paulus  als  eine 
eigene  Familie  C  konstruierte.  Allein  auch  die  Aufistellung  Mommsens  ist,  was  den  Codex 
des  Paianios  anlangt,  nicht  haltbar;  vgl.  Dunker,  De  Paianio  Eutropii  interprete,  Greiffen* 
bürg  1880;  Fleckeis.  Jahrb.  119  (1879)  p.  641  und  Wagener  (PhiloL  42  (1884)  p.  401). 
Man  wird  die  Trennung  der  Handschriften  in  2  Gruppen  nach  dem  Codex  des  Paianios  an- 
setzen und  daher  diesem  eine  von  den  Handschriften  abgesonderte  Stelle  einrftomen  mOssra; 
vgl.  auch  Rtthl,  Praef.  p.  VIII,  der  noch  andere  mit  den  Gothanus  und  Fuldensis  verwandte 
Handschriften  heranzieht.  —  Ueber  die  handschriftliche  Verbreitung  Eutrops  im  Mittelalter 
vgl.  Manitius,  Philologisches  aus  alten  Bibliothekskatalogen  (Rhein.  Mus.  47  (1892)  Er- 
gänzungsheft p.  88). 

Ausg.  Ed.  princeps  1471;  kritisch  wichtig  sind  die  Ausg.  von  Schonhovias  (Sdiooo- 
hoven),  Basel  1546  (benutet  den  Leidensis;  vgl.  Droysen,  Die  Ausgg.  von  Schoonhoven  und 
Vinetus,  Hermes  12  (1877)  p.  885),  die  von  Vinetus,  Poitiers  1553  (nach  einem  Codex  Bor- 
digalensis),  die  2.  Ausg.  von  Sylburg  1590  (der  Codex  Fuldensis  herangezogen).  Ohne 
kritische  Bedeutung  sind  die  Ausg.  von  Havercamp,  Leiden  1729,  Verheyk,  Leiden  1762, 
1793,  von  Tzschucke,  Leipz.  1796.  1804.  Kritische  Handausg.  von  Hartel,  Beil.  1872; 
vgl.  dazu  PhiloL  Anz.  4  (1872)  p.  250.  Massgebende  Ausgabe  ist  die  von  Droysen  (com 
versionibus  graecis  et  Pauli  Landolfique  additamentis),  Berl.  1879  (Monumenta  GermaniM 
Historica  vol.  2);  vgl.  dazu  Wagener,  Philol.  44  (1885)  p.  310.  Krit.  Handausg.  von  Droysen, 
Berl.  1878.  Textausg.  von  C.  Wagener,  Prag  1884,  von  F.  Rtthl,  Leipz.  1887;  eine  üeber- 
sieht  dei  Abweichungen  der  beiden  Herausg.  Rühl  und  Wagener  von  Droysen  gilrt 
Petschenig,  Bursians  Jahresber.  72.  Bd.  2.  Abt.  (1892)  p.  28.  Fttr  den  Schnlgebranch 
bearbeitet  von  Sichert,  Hanno v.  1871  (Ausg.  mit  Wörterbuch,  Breslau  1850). 

6.  Festus. 
803.  Das  Breviarium  des  Festus.  Noch  einen  anderen  Abriss 
der  römischen  Geschichte  hatte  der  Kaiser  Valens  veranlasst;  es  ist 
das  Breviarium  des  Festus.  Zwar  ist  der  Kaiser  in  dem  Büchlein  nicht 
genannt,  allein  derselbe  ist  so  deutlich  bezeichnet,  dass  über  seine  Per* 
sönlichkeit  kein  Zweifel  aufkommen  kann.  Das  Schriftchen  ist  wesentlich 
anderer  Art  als  das  Breviarium  Eutrops.  Während  dieses  ein  einheit- 
liches und  einen  bestimmten  Plan  streng  durchführendes  Werkchen  da^ 
stellt,  haben  wir  in  dem  Breviarium  des  Festus  nur  lose  zusammen- 
hängende Teile.  Nach  der  Anrede  an  den  Kaiser  gibt  der  Verfasser  in 
c.  2  eine  chronologische  Uebersicht  über  die  römische  Oeschichte.  Dann 
folgt  der  erste  Hauptteil  der  Schrift  (c.  3 — 14),  in  dem  das  Wachstum 
des  römischen  Reiches  dargelegt  wird  und  die  Kämpfe  geschildert  werden, 
welche  die  Römer  zu  führen  hatten,  um  die  verschiedenen  Länder  als 
Provinzen  dem  römischen  Reiche  einzuverleiben.  Mit  c.  15  hebt  ein  ganz 
neuer  Abschnitt  an,  der  auch  durch  eine  Anrede  an  den  Kaiser  noch  be- 
sonders hervorgehoben  wird.  Der  Autor  geht  jetzt  zu  einer  Schilderang 
der  Kämpfe  der  Römer  mit  dem  Osten,  besonders  mit  den  Parthem,  über. 
Bei  den  Thaten  des  Kaisers  auf  diesem  Gebiete  macht  der  Verfasser  Halt: 
ihre  Schilderung  behält  er  sich  für  eine  spätere  Zeit  vor.  Er  spricht 
aber  noch  den  Wunsch  aus,  dass  den  gegenwärtigen  Kämpfen  des  Kaisers 
dasselbe  glorreiche  Ende  beschieden  sein  möge,  wie  den  Kämpfen  mit  den 
Goten.  Zwei  Momente  erklären,  wie  mir  dünkt,  den  unorganischen  Auf- 
bau des  Ganzen,  das  Vorhandensein  des  Breviarium  Eutrops  und  das 
Eingreifen  des  Autors  in  die  Tagesgeschichte.  Lag  Eutrop  bereits  dem 
Publikum  vor,  so  musste  Festus  neue  Wege  wandeln,  wenn  er   seiner 


Featns.    (§  803.)  75 

Arbeit  einigermassen  einen  originellen  Charakter  beilegen  wollte.  Er  fand 
dieselben,  indem  er  dem  ersten  Teil  seiner  Darstellung  eine  geographische 
Unterlage  gab.  Die  Kämpfe  des  Valens  gegen  die  Parther  legten  es 
unserem  Autor  auch  nahe,  im  zweiten  Teil  eine  Geschichte  der  Beziehungen 
Roms  zu  dem  Orient  anzuhängen.  Hier  greift  er  in  die  Gegenwart  ein 
und  verleiht  seiner  Geschichte  ein  aktuelles  Interesse.  Durch  diese  Rück- 
sichtnahme des  Historikers  auf  seine  Zeit  gewinnen  wir  zugleich  die  Mög- 
lichkeit, die  Zeit  der  Fertigstellung  des  Schriftchens  genauer  zu  fixieren, 
wir  kommen  in  die  Jahre  nach  369.  Von  eigentlichen  Quellenstudien  kann 
bei  unserem  Breviarium  ebensowenig  die  Rede  sein  wie  bei  dem  Eutrops; 
einige  gangbare  Handbücher  genügten,  um  das  Material  bereit  zu  stellen, 
unter  denselben  figuriert  die  Epitome  Liviana  und  die  anonyme  Eaiser- 
chronik,  auch  Florus  hat  Manches  geliefert.  Im  ganzen  ist  das  Elaborat 
ein  durchaus  dürftiges,  das  weit  hinter  Eutrop  zurücksteht  und  den  Ver- 
fasser als  sehr  unbedeutend  erscheinen  lässt.  Trotzdem  ist  es  von  Ammian, 
Jordanes  und  Isidor^)  benutzt  worden.  Ueber  die  Lebensverhältnisse  des 
Festus  sind  wir  im  Unklaren.  Als  feststehend  kann  nur  erachtet  werden, 
dass  er  magister  memoriae  des  Kaisers  Valens  war,  alles  übrige  ist  ein 
Werk  der  Combination. 

Die  Persönlichkeit  des  Verfassers.  Die  massgebende  üeberliefemng  des  Namens 
ist  Festus.  So  wird  z.  B.  der  Verfasser  genannt  im  Bambergensis;  auch  der  Gothanus, 
der  im  Titel  keinen  Verfasser  nennt,  hat  am  oberen  Rand  einiger  Seiten  den  Namen  Festus. 
Im  Escorialensis  wird  das  Büchlein  eingeführt  als  Breviarium  Rufi  Festi;  dieses  Rufi  Festi 
ist  aufzulösen  Rufius  Festus,  wie  Mommsen  (Hermes  16  (1881)  p.  605  Anm.  1)  unter 
Vergleichung  von  CIGr.  872  =  CIA  3,  635  und  CIL  6,  537  bemerkt  Von  dieser  üeber- 
Ileferung  ausgehend  nimmt  Mommsen  weiter  an,  dass  derselbe  identisch  sei  mit  dem  Pro- 
konsul  von  Achaia  und  Afrika  (J.  366),  dem  Verfasser  des  Weihgedichts  an  die  Nortia 
(CIL  6,  537,  Dessau,  Inscr.  lat.  sei.  1,  BerL  1892,  No.  2944;  Anthol.  lat.  voL  2  Carmina 
epigraphica  ed.  Buecheler,  fasc.  2,  Leipz.  1897,  nr.  1530),  und  erachtet  es  für  mOglich, 
dass  dieser  Festus  auch  identisch  sei  mit  dem  Uebersetzer  des  Aratus  oder  noch  eher  mit 
dessen  Vater.  Allein  diese  Combination  entbehrt  der  kritischen  Grundlage,  die  es  allein 
mit  Festus  zu  thun  hat.  Es  fragt  sich  sonach,  ob  nicht  Festus  noch  näher  bestimmt 
^werden  kann.  Einen  solchen  Schritt  hat  Valesius  vorgenommen,  der  zu  Amm.  29,  2,  22 
den  Verfasser  des  Breviarium  mit  dem  Festus  identifizierte,  der  aus  Trient  stammte,  im 
J.  365  Syrien  verwaltete,  dann  magister  memoriae  wurde,  endlich  als  Prokonsul  von  Asien 
sich  grosser  Greuelthaten  schuldig  machte.  Diese  Vermutung  führte  näher  aus  Wagener, 
PhiloL  38  (1879)  p.  374;  vgL  auch  Peter,  Geschichtl.  Litt,  der  Eaiserz.  p.  133;  Wagener, 
PhiloL  42  (1884)  p.  521. 

Titel  der  Schrift.  In  der  besten  Handschrift,  im  Bambergensis,  ist  das  Werkchen 
betitelt:  Breviarium  Festi  v.  c.  magistri  memoria^;  in  der  Subscriptio  ist  noch  hinzugefügt: 
Ah  tMrhe  candita.  Im  Gothanus:  De  breviario  rerum  gestarum  populi  romani;  im  Pari- 
sinus: Breviarium  Festi;  endlich  im  Escorialensis:  Breviarium  Rufi  Festi  vic.  de  breviario 
rerum  gestarum  populi  romani.  Am  Schluss  heisst  es  dagegen:  Breviarium  Rufi  Festi  vic. 
Augusto  Volenti  scriptum. 

Die  Persönlichkeit  des  Adressaten  und  die  Zeit  des  Schriftchens. 
In  der  massgebenden  üeberlieferung  ist  der  Kaiser,  dem  das  Schriftchen  gewidmet  ist, 
nicht  genannt.  Doch  gibt  der  Verfasser  einige  Daten  über  ihn  an,  aus  denen  sich  seine 
Persönlichkeit  feststellen  lässt.  Am  Schluss  des  Schriftchens  heisst  es  in  der  Anrede  an 
den  Kaiser:  Maneat  modo  concessa  dei  ntUu  et  ab  amico^  cui  credis  et  creditus  es,  numine 
indulta  felicitas,  ut  ad  hanc  ingentem  de  Gothis  etiam  Babyloniae  tibi  palma  pacis  accedat. 
Nach  diesen  Worten  kommt  ein  Kaiser  in  Frage,  der  über  die  Goten  einen  Sieg  er- 
rangen und  mit  den  Persem  im  Kriege  steht.  Dies  trifft  bei  Valens  zu,  der  im  Jahre  369 
aber  die  Goten  einen  Sieg  errungen  (Wietersheim,  Geschichte  der  Volkerwanderung  III 

E.  414)  und  im  Jahre  371  kriegerische  Verwicklungen  mit  den  Persem  hatte;  vgl.  Wieters- 
eim  L  c.  p.  417.    Damit  steht  im  Einklang  10:   nunc  Boas  partes  totumque  Orientem 

*)  Vgl.  Wagen  er  praef.  p.  XIII. 


76  Jaliu»  Obaequens.    (§  804.) 

CLC  positas  8ub  tncino  sole  provincias,  qui  audores  sceptris  tuis  paraverint,  explicabo.  Aus 
diesen  Stellen  ergibt  sieb  zugleicb,  dass  die  in  Handschriften,  z.  B.  im  Vindobonensis  89 
s.  IX,  sieb  vorfindende  Ueberschrift:  Pio  perpetuo  datnino  Valentiniano  imp.  et  semper  aug. 
Rufus  FestiM  V.  c.  unrichtig  ist.  Die  massgebende  Ueberlieferong  kennt  dieae  Worte  nicht. 
Aus  dem  Gesagten  folgt  weiterhin,  dass  das  Schriftchen  nicht  vor  869,  sondern  einige  Jahre 
BD&ter  entstanden  ist;  vgl.  Wachsmuth,  Einl.  in  das  Stud.  der  alten  Oesch.  p.  614. 
änen  anderen  Weg  beschritt  Mommsen,  Provinzialverzeichnis  von  297  (Abb.  der  Berl. 
Akad.  1862  p.  517). 

Zeugnisse  des  Autors  über  sein  Schriftchen.  c.  1:  Brevem  fieri  de- 
mentia tua  praecepit,  Parebo  libens  praecepto,  quippe  cui  desit  facultas  loHus  eloquendi; 
ac  marem  secutiM  calculonum,  qui  ingentes  summas  aeris  brevioribua  exprimunt,  res  gestas 
signabo,  fwn  eloquar.  Accipe  ergo,  quod  breviter  dictis  brevius  computeturz  ut  annos  et 
aetatem  rei  publicae  ac  praeterüi  facta  temporis  non  tarn  legere  tibi,  glariosissime  prineeps, 
qtiam  numerare  videaris.  —  c.  15:  Scio  nunc,  inclyte  princeps,  quo  tua  pergat  intentio. 
Bequiris  profecto,  quotiens  Babyloniae  ac  Bomanorum  arma  conlata  sint  ei  quibus  vidbw 
sagittis  pila  contenderint.  Breviter  evenius  enumerabo  beüorum.  Furio  hostes  in  paucis 
invenies  esse  laetatos,  vera  autem  virtute  semper  Bomanos  probahis  exstitisse  victares.  — 
c.  30:  Quam  magno  deinceps  ore  tua,  princeps  invicte,  facta  s%mt  personanda!  Qwbw 
me  licet  imparem  dicendi  nisu  et  aevo  graviorem  parabo, 

Quellen  des  Festus.  Zuerst  ist  die  QueUenfrage  von  Jacobi,  De  Festi  breviarii 
fontibus,  Bonn  1874,  behandelt  worden.  Allein  manche  seiner  Ei^ebnisse  wurden  von  der 
Kritik  verworfen.  1.  Jacobi  (p.  14  u.  26)  im  Anschluss  an  Gardthausen,  Die  geo- 
graphischen Quellen  Anmiians  (Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  6  (1872—73)  p.  532),  statuierte 
für  die  geographische  Partie  Gemeinsamkeit  der  Quellen  zwischen  Ammian  und  Fesbu. 
Mommsen,  Hermes  16  (1881)  p.  605  weist  nach,  dass  Ammian  vielmehr  das  Büchlein  des 
Festus  benutzt  hat.  2.  Die  Abschnitte  20  —  24  (2.5)  leitet  Jacobi  (p.  45)  aus  Eutrop  ab; 
Mommsen  (Droysens  edit.  maior  des  Eutrop  p.  XXVI)  spricht  sich  dagegen  für  eine  ge- 
meinsame Quelle  aus;  vgl.  auch  Klebs,  Rhein.  Mus.  45  (1890)  p.  461.  3.  Jacobi  (p.  38) 
leugnet  die  Benutzung  des  Florus  durch  Festus  und  erklärt  die  gemeinsamen  BerflhnnigB- 
punkte  durch  Gemeinschaft  der  Quelle;  A.  Eussner  (Philol.  37  (1877)  p.  154)  macht  es  da- 
gegen wahrscheinlich,  dass  Florus  direkt  von  Festus  herangezogen  wurde;  vgl.  Wag  euer, 
Philol.  Anz.  7  (1876)  p.  51.  Zwei  Sätze  müssen  bezüglich  der  Quellen  des  FestoB  fest- 
gehalten werden:  1.  dass  dem  Festus  die  Epitome  Li viana  vorlag,  aus  der  eine  ganze  Reihe 
von  Autoren  schöpfte;  vgl.  §  324;  2.  dass  Festus  auch  die  anonyme  Kaiserchronik  vor  sich 
hatte,   die  auch  Aurelius  Victor  and  Eutrop  benutzten.    Wölfflin,  Archiv  13  (im  Druck). 

Ueberlieferung.  Zuerst  hat  W.  Foerster  in  der  Vorrede  zu  seiner  Ausg.  die 
handschriftliche  Grundlage  des  Schriftchens  dargelegt.  Die  Handschriften  zerfallen  in 
2  Familien;  zu  der  ersten  und  besseren  gehören  der  Gothanus  101  s.  IX,  Parisinas  6113* 
8.  X,  Vindobonensis  451  s.  XII,  welche  auf  ein  Exemplar  zurückgehen,  und  der  Bamberg^iais 
E  III  22  s.  XI.  Die  zweite  geringere  Familie  ist  vertreten  durch  den  Escorialensis  s.  VII,  dessen 
Collation  W.  Foerster,  Wien.  Stud.  1  (1879)  p.  303  mitgeteilt  hat.  Während  W.  Foerster 
den  Gothanus  sich  als  Führer  wählt,  weist  Wag  euer  die  erste  Stelle  dem  Bambergensis 
zu.  Ueber  die  Methode  der  R«cension  vgl.  Wagen  er  praef.  p.  XIII.  Ausser  der  direkten 
Ueberlieferung  ist  noch  eine  schwache,  indirekte  vorhanden,  z.  B.  bei  Jordanes,  der  den 
Festus  benutzte. 

Ausgaben.  Von  Cellarius,  Hai.  1698,  von  Tzschucke,  Leipz.  1798,  von 
Münnich,  Hann.  1815;  öfters  ist  das  Schriftchen  mit  Eutrop  vereinigt  Massgebende 
Ausg.  sind  die  von  W.  Foerster,  Progr.  d.  Josefst.  Gymn.,  Wien  1874  und  die  von 
C.  Wagen  er,  Leipz.  1886. 

7.  Julius  Obsequens. 

804.  Das  Wunderbüchlein  des  Julius  Obsequens  (liber  pro- 
digiorum).  In  die  livianische  Exzerptenlitteratur  gehört  auch  das  Wonder- 
büchlein des  Julius  Obsequens.  Wie  Eutrop,  so  schöpfte  auch  Julius 
Obsequens  aus  einem  Chronicon,  das  vornehmlich  auf  die  Epitome  Liviana 
zurückging.  Die  von  dem  Autor  verzeichneten  Prodigien  umspannen  die 
Zeit  von  190  —  12  v.  Chr.  In  seiner  Quelle  begannen  sie  aber  mit  dem 
Jahre  249;  es  ist  daher  nicht  unwahrscheinhch,  dass  der  Eingang  des 
Schriftchens  verloren  ging.  In  dem  Epitomator  ist  der  Prodigienglaube 
noch  lebendig,  die  Notwendigkeit  der  Sühne  steht  ihm  fest,  und  er  unter- 


Lnoiiis  Septimiiis.    (§  805.)  77 

läset  es  nicht,  oft  anzumerken,  dass  die  Sühne  von  Erfolg  begleitet  ge- 
wesen sei.  Julius  Obsequens  ist  also  Heide,  und  sein  Schriftchen,  das 
von  keinem  Autor  citiert  wird  und  kein  Zeitindicium  enthält,  dürfte  in  die 
Periode  fallen,  in  der  das  Heidentum  nochmals  seine  letzten  Kräfte  gegen 
das  Christentum  zusammenraffte,  also  in  das  vierte  Jahrhundert. 

Quelle  des  Jalias  Obsequens.  Dass  nicht  Livius  direkt,  sondern  eine  Epi- 
tome  Liviana  von  Julius  Obsequeus  ausgezogen  wurde,  hat  zuerst  Zangemeister,  l5ie^ 
Periochae  des  Livius  (Festschr.  für  die  Karlsruher  Philologenvers.,  Freib.  i.  B.  1882,  p.  101)* 
dargethan;  vgl.  §  324  (p.  257').  Rein  hold  (Das  Geschichtswerk  des  Livius  als  QueUe 
späterer  lÜstonker,  Berl.  1898,  p.  18)  statuiert  für  Julius  Obsequens  (wie  für  Eutrop,  Festus, 
C^usiodor)  noch  ein  weiteres  Mittelglied,  ein  Chronicon,  für  das  die  Epitome  Liviana  zwar 
die  Haupt-,  aber  nicht  die  ausschliessliche  Quelle  war.  Daher  stossen  wir  auf  manche  be- 
achtenswerte Notiz;  vgL  0.  Rossbach  p.  1. 

UnVollständigkeit  der  Sammlung.  Der  Titel  der  Handschrifi  lautet  nach 
der  Aldina:  Julii  Obseqtientis  ab  anno  urbis  conditae  quinquentesimo  quinto  prodigiorum 
liber  imperfecttu.  Das  Wort  ^imperfectus*  ist  natürlich  als  ein  Znsatz  des  Herausgebers 
zu  betrachten.  Dieser  Zusatz  mag  daher  rühren,  dass  der  Herausgeber  erkannte,  dass 
zwischen  dem  Titel  und  der  Aufzählung  der  prodigia  im  Büchlein  eine  Differenz  besteht. 
Der  Titel  lässt  die  prodigia  beginnen  mit  505  a.  u.  c.  =  249  v.  Chr.  Das  Büchlein  selbst 
setzt  ein  mit  einem  prodigium  des  Jahres  564  =190.  Es  ist  möglich,  dass  der  Anfang 
des  Büchleins  mit  einer  Einleitung  und  den  Prodigien  der  Jahre  249  —  191  verloren  ging; 
▼gl.  0.  Rossbach,  Der  prodigiorum  liber  des  Julius  Obsequens  (Rhein.  Mus.  52  (1897) 
p.  5).  Ueber  die  Ausfüllung  der  Lücke  durch  G.  Lycosthenes  vgl.  0.  Jahn  p.  XVI.  Das 
Jahr  505  =  249  war  wahrscheinlich  das  Jahr,  in  dem  die  pontiflces  anfingen,  regelmässig 
die  Prodigien  zu  verzeichnen.  In  diesem  an  Prodigien  reichen  Jahr  wurden  nämlich  die 
Säknlarspiele  eingeführt;  vgl.  Mommsen  bei  0.  Jahn  p.  XVIIII  und  J.  Bernays,  Ver- 
gleichung  der  Wunder  in  den  römischen  Annalen  (Rhein.  Mus.  12  (1857)  p.  436)  =  Ges. 
Abh.  2  (Berl.  1885)  p.  307. 

Religion  und  Zeit  des  Julius  Obsequens.  Ueber  die  Religion  vgL 
Mommsen  bei  0.  Jahn  p.  XVIIII;  Mommsen  vergleicht  Obsequens  mit  Orosius  und 
hält  ihn  für  einen  Christen.  Mit  Recht  nennt  ihn  aber  V ossius  (De  historicis  lat.,  Amster- 
dam 1697,  p.  220  Sp.  h)  einen  Heiden.  Der  Schriftsteller  legt  der  Sühnung  der  Prodigien 
wirkliche  Bedeutung  bei:  p.  118,  7  Jahn  prodigium  maioribus  hostiis  quadraginta  expiatum; 
p.  113,  15  supplicationibus  habitis  in  Hispania  et  Histria  bella  prospere  administrata; 
p.  115,  21  urbe  lustrata  nihil  triste  accidit;  vgl.  0.  Rossbach  p.  3.  üeber  die  Zeit  des 
Autors  sagt  Vossius  1.  c:  vixisse  (e^im)  minimum  ante  Honorii  tempora.  Ohne  beweis- 
kräftigen Grund  rückt  R  o  s  s  b  a  c  h  (p.  7)  ihn  etwa  in  die  Zeit  Hadrians  oder  der  ersten 
Antonine. 

üeberlieferung  und  Ausg.  des  Julius  Obsequens.  Von  Julius  Obsequens 
haben  wir  keine  Handschriften  mehr.  Wir  sind  daher  auf  die  Aldina  des  Jahres  1508  an- 
gewiesen. Diese  enthält  die  Briefe  des  jüngeren  Plinius  mit  seinem  Panegyrikus,  die  Schrift 
de  viris  illustribus,  das  Fragment  Suetons  de  grammaticis,  rhetoribus,  endlich  Julius  Ob- 
sequens. Die  Handschrift  dieses  Autors  hatte  Aldus  Pins  Manutius  von  Jucundus  (§  448) 
erhalten.  Sekundäre  Berichte  gewähren  hie  und  da  die  Schriftsteller,  welche  aus  derselben 
Quelle  wie  Obsequens  schöpften;  vgl.  die  Parallelstellen  ibei  0.  Jahn.  Aeltere  Ausg.  sind 
noch:  J.  Scheffer,  Amsterdam  1679;  F.  Oudendorp,  Leiden  1720;  Verbesserungen 
dazu  in  Acta  philologorum  Monacensium  2  (1816)  p.  291;  J.  Kapp,  Hof  1772;  vgl.  0.  Jahn, 
Ausg.  p.  XIUI.  Massgebende  Ausg.  von  0.  Jahn,  Leipz.  1853;  dazu  vgL  H.  Haupt, 
Animadversiones  in  Julii  Obsequent^  prodigiorum  librum,  Bautzen  1881  und  0.  Rossbach 
p.  8;  abgedruckt  ist  Obsequens  auch  im  10.  Bd.  des  Weissenbornschen  Livius,  besorgt 
von  H.  J.  Müller,  BerL  1881.  Ueber  die  Lücken  vgl.  H.  Haupt  L  c.  p.  1;  p.  2; 
O.  Jahn  p.  XVI. 

8.  Lucius  Septimius. 

806.  Das  Tagebuch  des  Dictys  vom  troianischen  Krieg.  Die 
Sage  vom  trojanischen  Krieg  war  eine  der  beliebtesten  des  Altertums. 
Durch  Homer  war  dieselbe  bei  den  Griechen  jedem  Kinde  bekannt,  bei 
den  Römern,  welche  Roma  als  eine  Fortsetzung  von  Ilion  betrachteten, 
war  sie  durch  Vergil  in  die  nationale  Bildung  verpflanzt  worden.  In  merk- 
würdiger Weise  wird  die  Sage  von  Lucius  Septimius  behandelt.     In  einer 


78  Laoiua  Septimiiis.    (§  805.) 

an  Q.  Aradius  Rufinus  gerichteten  Epistel  gibt  er  seine  Geschichte  als  eine 
Uebersetzung  eines  griechischen  Werkes,  das  ein  Teilnehmer  am  trojani- 
schen Kriege  selbst  verfasst  habe.  Die  Entstehung  des  griechischeD 
Werks,  welches  Ephemeris  belli  Troiani  betitelt  ist,  erzählt  uns  ein  Prolog 
in  folgender  Weise:  Der  Kreter  Dictys,  der  Genosse  des  Idomeneus  and 
Meriones  im  trojanischen  Kriege,  ein  der  phönizischen  Sprache  und  Schrift 
kundiger  Mann,  wurde  von  diesen  zwei  Helden  aufgefordert,  den  tro- 
janischen Krieg  zu  beschreiben.  Diesem  Wunsche  kam  er  nach  and 
fasste  in  phönizischer  Schrift  neun  Bücher  ab.  Nach  Kreta  zurückgekehrt 
befahl  er  bei  seinem  Tode,  das  Werk  ihm  ins  Grab  mitzugeben.  Der 
Befehl  wurde  auch  ausgeführt  und  das  auf  Lindenholz  geschriebene  Buch 
in  einem  zinnernen  Kästchen  ins  Grab  gelegt.  Im  13.  Regierungsjahre 
Neros  wurde  durch  ein  Erdbeben  das  Grab  gesprengt.  Vorübergehende 
Hirten  entdeckten  das  Buch  in  dem  Kästchen  und  brachten  es  zu  ihrem 
Herrn  Eupraxides;  dieser  überreichte  es  dem  Konsular  von  Kreta,  RutilioB 
Rufus,  welcher  den  Eupraxides  mit  seinem  Fund  zu  Nero  schickte.  Der 
Kaiser  liess  das  Werk  ins  griechische  Alphabet  umsetzen,^)  beschenkte 
den  Ueberbringer  mit  dem  römischen  Bürgerrecht  und  nahm  (Üe  Geschichte 
in  seine  griechische  Bibliothek  auf.  Etwas  abweichend  erzählt  der 
Schreiber  des  dem  Werke  vorausgeschickten  Briefes  die  Genesis  diesw 
trojanischen  Geschiebte  und  fährt  dann  fort,  das  Werk  sei  ihm  zufällig 
in  die  Hände  gekommen  und  er  habe  sich  zu  einer  lateinischen  Be- 
arbeitung desselben  entschlossen;  diese  habe  er  so  vorgenommen,  dass  er 
die  ersten  fünf  Bücher  des  Originals,  welche  die  Ereignisse  des  Krieges 
schilderten,  beibehielt,  die  übrigen  vier  (oder  fünf),  weiche  die  Rückfiüirt 
der  Helden  behandelten,  in  eines  zusammenzog.  Es  bildet  seit  längerer 
Zeit  eine  Streitfrage,  ob  die  Ephemeris  eine  Uebersetzung  aus  dem  Griechi- 
schen oder  ein  lateinisches  Originalwerk  sei.  Die  Frage  wurde  in  ver- 
schiedenen Zeiten  verschieden  beantwortet;  in  neuester  Zeit  schien  sich 
die  Ansicht  festsetzen  zu  wollen,  dass  das  vorliegende  Buch  keine  Ueber- 
setzung sei,  sondern  völlig  der  römischen  Litteratur  angehöre.  Aber  in 
den  letzten  Jahren  erhoben  sich  doch  gewichtige  Stimmen  gegen  diese 
Ansicht,  und  sie  werden,  so  weit  man  sehen  kann,  die  Oberhand  behalten. 
Die  Gründe,  die  gegen  eine  Uebersetzung  geltend  gemacht  wurden,  scheinen 
nicht  stichhaltig  zu  sein.  Man  hat  Anstoss  daran  genommen,  dass  das 
ganze  Colorit  der  Darstellung  sallustisches  Gepräge  an  sich  trage  und 
auch  vergilische  Nachahmungen  aufweise;  beides  sei  aber  mit  einer  Ueber- 
setzung nicht  gut  verträglich.  Allein  wenn  man  bedenkt,  dass  dem  Alter- 
tum die  wörtliche  Uebersetzung  so  gut  wie  unbekannt  war  und  die  freie 
Bearbeitung  an  deren  Stelle  trat,  so  werden  die  sallustischen  und  vergili- 
schen  Reminiscenzen  keinen  Anstoss  mehr  erregen.  Finden  wir  doch  aoch 
bei  dem  sog.  Hegesippus  (Ambrosius),  der  den  jüdischen  Krieg  des  Josephos 
frei  bearbeitete,   in   der  Diktion  Anlehnung  an  Sallust.    Nicht    viel  wfll 


^)   Es    heisst:    in  Graecum    sermonem  j  aber:  litteris  Phoeniceia;  auch  5,  17  werden 

transferri  iussitf    darnach    sollte    man   an-  {    der  oratio  die  litterae  Panicae    gegenQber* 

nehmen,  dass  die  Geschichte  in  phönizischer  i    gestellt;  vgl.  auch  Körting,  Dictys  o.  Dares 

Sprache  geschrieben   war.     Vorher  hiess  es  p.  48. 


LaoiQs  Septimias.    (§  805.)  79 

auch  der  Einwand  besagen,  dass  sich  von  dem  griechischen  Dictys  keine 
handschriftlichen  Spuren  aufweisen  lassen,  da  ja  auch  bei  anderen  Werken 
der  griechischen  Litteratur  diese  Erscheinung  Platz  greift  und  die  Papyrus- 
fiinde  uns  eines  andern  belehren.  Viel  entscheidender  aber  ist  das  Mo- 
ment, ob  neben  der  lateinischen  Quelle  auch  noch  eine  griechische  fiiesst, 
welche  uns  Nachrichten  überliefert,  die  in  der  lateinischen  fehlen  und 
daher  die  Annahme  ausschliessen,  dass  die  griechischen  Autoren  ihr 
Wissen  lediglich  aus  dem  lateinischen  Dictys  geschöpft  haben.  Das 
Problem,  das  sich  besonders  um  die  Chronik  des  Malalas  aus  dem  sechsten 
Jahrhundert  dreht,  ist  ein  sehr  verwickeltes,  da  auch  noch  eine  zweite 
Darstellung  des  trojanischen  Kriegs  des  Sisyphos  von  Eos  ^)  und  namentlich 
auch  die  besonders  schwierige  Johannes-Antiocbenusfrage  hier  hineinspielt. 
Trotz  mancher  noch  ungelösten  Schwierigkeiten  scheint  uns  doch  der  Nach- 
weis erbracht,  dass  wir  mit  dem  lateinischen  Dictys  allein  nicht  auskommen 
und  dass  den  Byzantinern  noch  der  griechische  Dictys  vorlag  und  von 
ihnen  benutzt  wurde.  Auch  folgendes  Moment  spricht  allem  Anschein 
nach  für  ein  griechisches  Original.  Wie  wir  oben  gesehen,  erhalten  wir 
sowohl  durch  eine  Epistel  als  durch  den  Prolog  eine  Geschichte  von  der 
Entstehung  und  dem  Bekanntwerden  des  Werks,  deren  Fassungen  aber 
von  einander  differieren.  Wäre  nur  das  lateinische  Original  vorhanden  ge- 
wesen, so  begreift  man  nicht,  woher  der  Prolog  mit  seinen  ausführlicheren 
und  mehrmals  abweichenden  Notizen  kommen  konnte;  anders,  wenn  wir 
eine  griechische  Vorlage  voraussetzen.  Der  Vorgang  war  dann  folgender: 
Septimius  musste  den  Prolog,  den  er  durch  seinen  Brief  ersetzt  hatte,  und 
der  wegen  der  von  dem  Uebersetzer  beliebten  Abweichungen  störend 
wirkte,  weglassen.^)  Später  wurde  derselbe  aus  dem  griechischen  Original 
übersetzt')  und  der  lateinischen  Bearbeitung  einverleibt.  Wenn  wir  so- 
nach die  Angabe  des  L.  Septimius,  dass  er  die  Bearbeitung  eines  griechi- 
schen Originals  gebe,  für  wahr  erachten,  so  ist  natürlich  anderseits  auch 
keinem  Zweifel  unterworfen,  dass  die  Einführung  des  Dictys  als  Erzählers 
eine  Fiktion  ist,  wie  die  ganze  Fundgeschichte.  ^)  Ueber  den  lateinischen 
Bearbeiter  fehlen  uns  nähere  Angaben;  wir  werden  ihn  wohl  unter  den 
Grammatikern  zu  suchen  haben.  Gelebt  hat  er  wahrscheinlich  im  vierten 
Jahrhundert. 

Dem  lateinischen  Dictys  war,  wie  dem  lateinischen  Dares,  ein  reiches 
Fortleben  im  Mittelalter  beschieden.     Die  Fiktion,  dass  hier  Berichte  von 


^)  Er  ist  citiert  117,  1;  119,  22;  182,  20;   |   es  keinen  griechischen  Dictys  gab.  Bekannt- 
vgl.  Fürst  p.  244.  schaft  mit  dem  Prolog  verrät  das  unter  der 


')  In  der  Ueberliefening  wurde  später- 
hin und  zwar  im  Sangallensis  und  im  Ber- 
nensis  der  Brief  weggelassen.  £.  W  ö  1  f  f  1  i  n , 
Frontins  Kriegslisten  (Hermes  9  (1875)  p.  89) 
nimmt  unrichtig  an,  dass  die  Epistel  erst 
bei  einer  neuen,  um  das  6.  Buch  vermehr- 
ten Auflage  hinzugekommen  sei.  Eine  ver- 
wickelte Hypothese  von  8  Ausg.,  einer  Ausg. 
der  5  ersten  Bücher,  einer  Ausg.  des  6.  Bu- 
ches und  einer  Gesamtausg.,  stellt  L.  Havet 
(Revue  de  philol.  3  (1879)  p.  81)  auf;  allein 
sie  ruht  auf  der  falschen  Grundlage,  dass 


Rubrik  „Zeugnisse*^  (P-81)  mitgeteilte  Scho- 
lion  des  AreÜias. 

')  Es  wäre  nicht  uninteressant  zu  unter- 
suchen, ob  in  Sprache  und  Stil  der  Prolog 
von  der  Darstellung  des  Septimius  abweicht. 

*)  Auch  in  der  römischen  Litteratur  be- 
gegnet uns  schon  frühzeitig  eine  solche  Fund- 
geschichte; so  wollte  man  die  Religions- 
bttcher  Numas  auf  dem  Janiculus  ausgegraben 
haben;  vgl.  Plin.  Nat  bist.  13,  84—87;  E 
Rohde,  Der  griech.  Roman,  Leipz.  1876. 
p.  272  Anm.  2. 


80  Luoins  Septimiiis.    (§  805.) 

Augenzeugen  vorlägen,  verfehlte  nicht  seinen  Eindruck  auf  jene  kritiklose 
Zeit.  Auch  gefiel  der  nüchterne  Ton  und  der  Ausschluss  der  homerischen 
Götterwelt  bei  Septimius. 

Die  Vorrede.  L,  Septimius  Q,  Äradio  s.  d,  Ephemerida  Belli  Troiani  Dietfi  Cre- 
tensis  ....  conscripsit  litteris  pu/nicis  ....  dein  post  mulia  aaecula  conlapso  per  vetutkUem 
apud  Crnoson,  olim  Cretensis  regni  sedem,  sepulchro  eius,  pastares  cum  eo  devenisseni,  forte 
inter  ceteram  ruinam  loctUum  stanno  affdbre  dausum  offendere  oc  theaaurum  roH  mox 
disaolvunt,  non  aurum  nee  aliud  quicquam  praedae,  sed  libros  ex  phüyra  in  lucem  pro- 
dituri,  at  ubi  spes  frustrcUa  est,  ad  Praxim  dominum  loci  eos  deferunt,  qui  commutaia 
litteris  Atticis,  nam  oratio  Graeca  fuerat,  Neroni  Bomano  Caesari  obtulit,  pro  quo  plu- 
rimis  ab  eo  donatiM  est  nobis  cum  in  manus  forte  libelli  venissent,  avidos  verae  historiae 
cupido  incessit  ea  uti  erant  Latine  disserere,  non  magis  confisi  ingenio,  quam  ut  otiosi 
animi  desidiam  discuteremiM.  itaque  priorum  quinque  voluminum,  quae  heüo  contractu 
i/estaque  sunt,  eundem  numerum  servavimus:  residua  quinque  (Dederich  nach  Siiidas: 
quatuor)  de  reditu  Graecorum  in  unum  redegimus  atque  ad  te  misimus:  tu,  Bufine  «u, 
ut  par  est,  fave  coeptis. 

Das  Verhältnis  des  Prologs  and  der  Epistel.  Bezüglich  der  üeberliefemiig 
ist  zu  hemerken,  dass  (vgl.  p.  79)  der  Brief  in  dem  besten  Codex  Sangallensis  und  auch  im 
Bemensis  fehlt  Die  Angaben  beider  Berichte  über  die  Geschichte  des  griechischen  Werb 
differieren  von  einander.  So  ist,  am  die  wesentlichen  Diskrepanzen  vorzofClhren,  in  dem  Prolog 
das  Grab  des  Dictys  mit  seinem  Schatze  darch  ein  Erdbeben  geöffnet  worden,  in  der  Epistel 
durch  das  Alter.  Im  Prolog  brachten  Hirten  den  Schatz,  den  sie  zafUlig  aufgefunden,  zo 
ihrem  Herrn  mit  Namen  Eapraxides,  in  der  Epistel  bringen  die  Hirten  ihren  Schatz  zom 
Besitzer  des  GrundstQcks  Praxis.  Nach  dem  Prolog  liess  Nora  das  Werk  ins  griechifiche 
Alphabet  umsetzen,  nach  der  Epistel  wird  die  Umsetzung  durch  Praxis  vorgenommen.  Eine 
falsche  Schlussfolgerung  ziehen  aus  diesen  Diskrepanzen  W.  Greif,  Nene  Unters,  zor 
Dictys-  u.  Daresfrage,  Berl.  1900,  p.  7  und  L.  Havet,  Revue  de  philol.  3  (1879)  p.  86. 

Zur  Fiktion.  5,  17  Juiec  ego  Gnosius  Dictys  comes  Idomenei  conscripn  aratione 
«a,  quam  maxime  inter  tam  diversa  loquendi  genera  consequi  ac  comprehendere  potuij 
litteris  Punicis  ab  Cadmo  Danaoque  traditis,  1,  18  eorum  {Idomenei  et  Merioms)  ego 
tiecuttis  comitatum  ea  quidem,  quae  antea  apud  Troiam  gesta  sunt,  ab  ülixe  cognita  quam 
diligentissime  retuli:  et  reliqua,  quae  deinceps  insecuta  sunt,  quoniam  ipse  inter fui  quam 
verissime  potero  exponam.  üeber  die  verschiedenen  Erfindungen,  die  Dictys  machte,  «um 
dem  Leser  die  Kenntnis  von  Vorgängen  erklärlich  erscheinen  zu  lassen,  deren  Aagenzeuge 
er  nicht  mehr  gewesen  sein  kann**,  vgl.  E.  Patzig,  Byzantin.  Zeitschr.  l  (1892)  p.  149; 
F.  Noack,  Philol.  Supplementbd.  6  (1891/93)  p.  445.  6,  10  haec  ego  cuncta  a6  Neaptolemo 
cognita  mihi  memoriae  mandavi.  Ebenda:  haec  de  Memnone  eiusque  sorore  comperta  wnhi 
per  Neoptolcmum;  vgl.  noch  H,  3;  6,4;  6,  5.  Ausser  dem  Proloe  und  der  Praef.  vgl.  Ober 
die  Fundgeschichte  noch  Suidas  s.  v.  inl  KXav6iov  r^g  Kgi^trjg  vno  aeic/Aov  xatsyex^eicijf, 
xai  noXXcjy  incptav  aveoi/i^eVraii',  evQe&tj  iy  iyl  rovruy  t6  avpxayfia  trjq  UtxoQiag  Jixrvog, 
Toy  Tgiütxoy  negie/oy  noXefAoy^  oneg  Xaßcjy  KXavdiog  i^edoixe  yQttqtsa&M. 

Die  Zeit  des  Septimius  ist  nicht  völlig  sicher  zu  bestinmien,  da  ea  an  fest» 
Daten  hiefÜr  fehlt.  Noch  am  besten  geht  man  von  dem  Adressaten  Q.  Aradius  Rofiniu 
aus.  Wir  kennen  einen  Mann  dieses  Namens,  der  Stadtpräfekt  in  Rom  im  Jahre  812  und 
818  war,  später  im  Jahre  316  auch  das  Konsulat  bekleidete;  vgl.  CDj  Vlll  Sappl.  14688; 
14689  =  10602;  Mommsen,  Chronica  minora  1  p.  67;  Synmiach.  epist.  1,  2,  3.  Auf 
diesen  Q.  Aradius  Rufinus  möchte  man  am  liebsten  den  Brief  des  L.  Septimius  beziehen. 
Weiterhin  möchte  man  an  die  Worte  des  Prologs  Rutilio  Bufo,  illius  instuae  (Cretae)  am- 
suluri  anknüpfen.  Bezüglich  der  Titulatur  tnr  consularis  bemerkt  nämlich  Marqnardt 
(Rom.  Staatsverwaltung  P  (Leipz.  1881)  p.  549):  ,Der  Titel  Consularis  ist  im  zweiten  Jahr- 
hundert genau  zu  verstehen  und  bezeichnet  einen  Statthalter,  welcher  erst  nach  der  Be- 
kleidung des  Konsulates  das  Kommando  erhält;  allmählich  aber  verliert  er  die  nrsprflng- 
liche  Bedeutung  und  wird  im  vierten  Jahrhundert  ein  offizielles  Prädikat  einer  bestimmteB 
Klasse  von  Provinzialstatthaltem,  welche  niemals  Konsuln  gewesen  waren.*  Im  Anachlan 
hieran  bemerkt  Havet,  Sur  la  date  du  Dictys  de  Septimius  (Revue  de  philoL  2  (1878) 
p.  239):  nSi  la  Substitution  du  titre  de  consularis  au  titre  de  proconsul  date  de  Ccn- 
stantin  (nach  einer  Bemerkung  von  L.  Renier),  l'oublie  de  cette  Substitution  doit  dtre 
notablement  post^rieur.  L'anachronisme  commis  par  Septimius  ne  pennet  gu^re  de  croire 
qu'il  ait  ^crit  dans  la  premi^ro  moitie  du  quatri^me  si^cle.*  Havet  will  ihn  dahor  mifc 
dem  Aradius  Rufinus  identifizieren,  von  dem  Amm.  Marc.  23,  1,  4  (zu  863)  sagt:  JRufinum 
Aradium  comitem  orientis  in  locum  avunculi  stn  luliani  recens  defuncti  provexit.  Die 
Schlussfolgerungen,  die  sich  aus  dem  Anachronismus  für  die  Chi'onologie  ziehen  lassen, 
können  zunächst  nur  auf  den  Prolog  bezogen  werden;  ihre  Bedeutung  erhalten  sie,  je  nadi- 


Luoias  Septimius.    (§  805.)  81 

dem  man  das  Verhftlüiis  der  Epistel  und  des  Prologs  zn  einander  anffasst  Ist  der  Prolog 
eine  Uebersetzung  ans  dem  Griechischen,  so  ergeben  sich  Scfalussfolgemngen  für  die  Zeit 
des  Originals  und  der  Uebersetzung;  wird  ein  griechisches  Original  geleugnet,  so  fragt  es 
äch,  ob  dasselbe  von  dem  Verfasser  der  £phemeris  herrührt;  in  diesem  Falle  gewinnen 
wir  ein  Moment  fttr  die  Zeitbestimmung  desselben.  ROhrt  der  Prolog  nicht  von  dem  Autor 
der  Ephemeris  her,  so  beweist  er  natürlich  nichts  fttr  die  Zeit  desselben.  Mit  dem  vierten 
JuliThandert  stimmt  auch  die  Sprache  der  Schrift,  welche  trotz  der  Nachahmung  alter 
Autoren  doch  schon  Spuren  der  sinkenden  Latinität  zeigt;  vgl.  die  fleissigen  Zusammen- 
etellnngen  Dederichs  vor  seiner  Ausg.  p.  XXXVIII.  Auch  Dunger  (Dictys-Septimius 
1878,  p.  53),  der  als  Grenzen  Philostrat  einerseits  und  Syrianus  anderseits  ansetzt  und  so 
die  Grenzen  250—400  gewinnt,   entscheidet  sich  fttr  das  vierte  Jahrhundert 

Zeugnisse.  Walz'  rhetores  graeci  4,  43,  3  tos  Jixrvg  iy  tatg  i(ptjfi€Qiai  (ftjaiy 
(=  Dictys  5,  17).  A.  Sonny  teilt  (Byzantin.  Zeitschr.  1  (1892)  p.  590)  uns  ein  Scholion 
des  Encbischofs  Arethas  (um  917)  zu  Dio  Ghrysostomus  or.  XI  g  92  mit,  welches  also  lautet: 
JiXfvg  di  oyofjLa  Kgrjg  og  TtaQatv^uiy  xm  TQtoixio  noXifjLt^  ygatpei  re  ta  ngax^iyta  ixel 
j^aXxoTs  7tiya(i  xttl  iavtio  cvydäntsi  '  oV  xai  evQBdrjaar  X9^*'V  f^'^'^Q^  vategoy  inl  Nigtoyog, 
i^  tay  xtti  ßißXiotg  xitteii&ijaay  avfjLtpmyoiq  xaia  ndyia  'OfAr]Q(p,  Suidas  sub  voce:  Jixtvg 
iaroQUtog  .  fyQa^ey  iqnjfiegiiftt  {iari  ifi  rd  fie^  "O/ÄijQoy  xitraXoyddfjy  iy  ßtßXioig  ^*),  'IraXixdy 
Tjpcui'xor  dtaxöauov  .  ovtjog  eyga^e  id  negl  xrjq  aQnayrjg  'EXeyrjs  xai  negi  M/iyeXdov  xai 
Mte^ff^  *lXtax^g  vnodicetog;  v^.  Aber  diese  Stelle  G.  Körting,  Dictys  u.  Dares  p.  56  und 
Patzig,  Byzantin.  Zeitschr.  1  (1892)  p.  140.  Ueber  das  wertlose  Zeugnis  im  Violarium  der 
Eodokia  vgl.  Pulch,  Zu  Eudokia,  Constantinns  Palaeocappa,  der  Verfasser  des  Violariums 
(Hermes  17  (1882)  p.  177);  Patzig  1.  c.  p.  132;  Noack,  Philol.  Supplementbd.  6  p.463; 
Tgl.  ein  Zeugnis  des  Ood.Vindob.  138  fol.  155  bei  Fürst,  Philol.  60  (N.  F.  14, 1901)  p.  231  Anm.  5. 

Vorbilder.  Die  Nachahmung  des  Sallust  ergibt  sich  dem  Leser  auf  den  ersten 
Blick.  Sie  erstreckt  sich  auf  Wörter  und  Wortverbindungen,  auf  Phrasen,  ja  ganze  S&tze, 
auf  grammatische  Eigentttmlichkeiten  und  auf  die  historische  Kunst,  z.  B.  die  Einschaltang 
von  Reden;  vgl.  H.  Pratje,  Quaest.  Sallust.  ad  Lucium  Septimium  et  Sulpicium  Severum 
6ai  Sallusti  Crispi  imitatores  spectantes,  Gott.  1874  und  besonders  die  eine  viel  bessere 
Methode  zeigende  Abhandlung  von  W.  Brttnnert,  Sallust  und  Dictys  Cretensis,  Erfurt 
1883.  Auch  F.  Meister  (Praef.  zu  seiner  Ausg.  p.  VIII)  gibt  eine  Sammlung  von  Stellen 
und  bemerkt:  ,quid  quod  haud  raro  quasi  quaedam  huius  (Sallusti)  imitationes  reperiuntur 
atqne  in  Agamemnonem  Ulixem  alios  ea  transferuntur  quae  ille  de  lugurtha  Mario  Gatilina 
dixit?*  Vgl.  auch  C.  Wagener,  Fleckeis.  Jahrb.  121  (1880)  p.  510.  Auch  mit  Vergil 
leigt  Septimius  sowohl  sachliche  als  sprachliche  Konkordanzen,  wie  dies  H.  D  u  n  g  e  r  (De 
Dictye-Septimio  Vergilii  imitatore,  Dresden  1886,  p.  VIII)  nachweist. 

Quellen  des  Dictys.  Dunger  (üeber  die  ursprttngl.  Abfassung  u.  die  Quellen 
der  Ephemeris  belli  Troiani  p.  38)  kommt  nach  einer  genauen  Quellenuntersuchung  zu  fol- 
gendem Resultat:  , Seine  Hauptquellen  sind  Homer,  ApoUodor,  Lykophron,  Ptolemaeus 
Ohennus,  Philostratus,  Virgil  und  ein  geographischer  Autor,  wahrscheinlich  Plinius;  viel- 
leicht hat  er  auch  Hygin  und  Ovid  benutzt.*  P.  51:  «Nicht  benutzt  hat  er  die  kyklischen 
Dichter  und  die  tragische  Litteratur  im  grossen  Ganzen  mit  Ausnahme  etwa  der  Andromache 
des  Enripides  oder  Ennius."  Vgl.  auch  R.  Horcher,  Ueber  die  Glaubwürdigkeit  der  Neuen 
Gesch.  des  Ptolemaeus  Chennus  (Jahns  Jahrb.  Supplementbd.  1  (1855/56)  p.  284).  In  ganz 
anderer  Weise  behandelt  die  Quellenfrage  Greif,  Untersuchungen  p.  33  und  35. 

Geschichte  der  Dictysfrage.  Einen  Abriss  gibt  uns  Dunger  im  Eingang 
SU  seiner  Abhandlung,  De  Dictye-Septimio  Vergilii  imitatore,  Dresden  1886,  ferner  Fürst 
p.  2S0.  Der  wesentliche  Punkt  in  dieser  Frage  ist,  ob  die  Angabe  des  L.  Septimius  richtig 
ut»  dass  er  seine  Schrift  nach  einem  griechischen  Original  verfasste,  und  ob  es  demnach  einen 
griechischen  Dictys  gegeben  hat  oder  nicht.  Fttr  das  griechische  Original  ist  J.  Peri- 
sonius  (De  Dictye  Cretensi  et  eius  interprete  Septimio,  abgedruckt  in  Dederichs  Ausg., 
Bonn  1833)  eingetreten,  ohne  jedoch  die  Angabe  von  der  Autopsie  und  der  Wiederaufflndung 
der  Schrift  als  einkleidende  Momente  zu  verkennen.  Ein  philologisches  Problem  wurde  die 
Frage  erst  durch  die  Abhandlung  Dungers,  Die  Sage  vom  troian.  Kriege  in  den  Bear- 
beitungen des  Mittelalters  und  ihre  antiken  (^eUen,  Dresden  1869  und  durch  Körting, 
Dictys  und  Dares.  Ein  Beitr.  z.  Gesch.  der  Troja-Sage  in  ihrem  Uebergange  aus  der  antiken 
in  die  romantische  Form,  Halle  1874.  Dunger  leugnete  den  griechischen  Dictys  und  be- 
trachtete demnach  die  Schrift  des  Septimius  als  Originaiarbeit;  Körting  dagegen  nimmt 
an,  dass  es  wirklich  einen  griechischen  Dictys  gegeben  und  dass  demnach  das  Buch  des 
Septimius  eine  Uebersetzung  sei.  Vor  dem  Erscheinen  der  Körtingschen  Abhandlung 
hstte  sich  bereits  A.  Joly,  Benott  de  Sainte  More  et  le  roman  de  Troie,  Paris  1870/71 
aof  Seite  Dungers  gestellt;  Meister  vor  seiner  Ausg.  p.  VII.  Im  Jahre  1878  griff  noch- 
mals Dunger,  Dictys-Septimius.  Ueber  die  ursprflngliche  Abfassung  und  die  Quellen  der 
Ephemeris  belli  Troiani  (Progr.  d.  Vitztumsg3rmnasiums  in  Dresden)  in  die  Frage  ein,  indem 

Haudbnch  der  klaos.  Aliertunuwissenflohaft.    Vni.  4.  6 


% 


82  LwAvM  Septimins.    (§  805.) 

er  sich  gegen  die  AosfOhrang  Körtings  wandte.  Seitdem  wurde  der  griec^iische  Dicijs 
als  abgeäan  betrachtet;  man  vgl.  z.  B.  Wagener,  Beitrag  zu  Dares  PhryginB  (PhfloL  a8 
(1879)  p.  108);  Havet,  Revue  de  philol.  2  (1878)  p.  288;  Lehrs,  KOnigsberger  win.  | 
Monatsbl.  1878  p.  131;  vgl.  jedoch  noch  Dunger,  De  Didye  1886  p.  VII;  H.  Haupt  in  ' 
seiner  Besprechung  des  Dung  ersehen  Aufsatzes  1878  (Philol.  Anz.  10  (1879/80)  p.  539); 
Zu  Jordanes  u.  Dictys  Cretensis  (Philol.  43  (1884)  p.  546);  Pratje,  Quaest.  Sallust,  (}dtt 
1874,  p.  6;  Brünnert,  Sallust  u.  Dictys  Cretensis,  Erfurt  1883  p.  18;  R.  Peiper,  Anz. 
für  deutsches  Altertum  und  deutsche  Litt.  6  (1880)  p.  76;  W.  Greif,  Die  mittelalterlichei 
Bearbeitungen  der  Troianersage,  Marb.  1886;  Collilieuz,  £tnde  sur  Dictys  de  Gr^  et 
Dares  de  Phrygie,  Grenoble  1886;  vgl.  dazu  Dunger,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1887  Sp.  1505. 
Nur  hie  und  da  erhoben  sich  Stimmen  ftlr  den  griechischen  Dictys,  z.  B.  Th.  Mommsen, 


Homerische  Unters.  (Philol.  Unters. H.  7  (Berl.  1884)  p.  192  Anm.84);  Ebert,  AUgem.  Gesch. 
der  Litt,  des  Mittelalters  P  (Leipz.  1889)  p.  609  Anm.  2.  Vgl.  noch  K.  Tümpel,  Achilleos 
u.  die  lesbische  Hierapolis  (Fleckeis.  Jahrb.  137  (1888)  p.  831).  Die  Frage  ruhte  längere 
Zeit,  bis  sie  1892  wiederum  in  Fluss  kam.  Zugleich,  aber  unabhängig  von  einander  giäeB 
in  das  Problem  ein  £.  Patzig,  Dictys  Oetensis  (Byzantin.  Zeitschr.  1  (1892)  p.  131)  imd 
F.  Noack,  Der  griechische  Dictys  (Philol.  Supplementbd.  6  (1891/93)  p.  408).  Im  Hinblick 
auf  diesen  Aufsah  geht  E.  Patzig,  Die  Hypothesis  in  Dindorfs  Ausg.  der  OdysseeacholicB 
(Byzantin.  Zeitschr.  2  (1893)  p.  413)  näher  auf  die  Quellenfrage  ein.  K.  Krumbacher 
(Gesch.  der  byzantin.  Litt,  München'  1897,  p.  845)  nennt  den  Nachweis  der  beiden  G^ 
lehrten,  dass  es  einen  ausführlicheren  griechischen  Dictys  gegeben  habe,  unanfechtbar;  ?gi. 
auch  denselben  Byzantin.  Zeitschr.  2  (1893)  p.  162.  Für  das  Hauptresultat,  dass  es  eines 
griechischen  Dictys  gegeben,  tritt  auch  J.  Fürst,  Unters,  zur  Ephemeris  des  Dictys  toi 
Kreta  (Philol.  60  (1901)  p.  236)  ein,  jedoch  im  einzelnen  an  den  Resultaten  seiner  Vor- 
gänger bessernd.  Dagegen  bleibt  auf  dem  Dung  ersehen  Standpunkt  W.  Greif  (Nene 
Unters,  zur  Dictys-  und  Daresfrage.  I.:  Dictys  Gretensis  bei  den  Byzantinern,  Berl.  1900) 
stehen.  Er  fasst  seine  Untersuchungen  in  folgende  Sätze  zusammen  (p,  40):  «Die  Ephemem 
des  Dictys,  deren  Verfasser  Septimius  ist,  war  den  Byzantinern  schon  bidd  nach  ihrer  Ab- 
fassung bekannt  geworden;  vom  5. — 7.  Jahrhundert  wurde  sie  nachweislich  von  ihnen  ver- 
wertet. Nach  diesem  Zeitraum  aber  ist  keine  Spur  mehr  einer  selbständigen  Benutzusg 
derselben  bei  ihnen  zu  konstatieren." 

Fortleben  des  Dictys.  Auch  hier  spielt  die  Frage,  ob  es  einen  griechischen 
Dictys  gegeben  oder  nicht,  herein.  Je  nach  der  Beantwortung  der  Frage  handelt  es  sich 
um  das  Fortleben  des  griechischen  und  des  lateinischen  Dictys  oder  des  lateinischen  Dictys 
allein.  Die  Frage,  ob  die  Byzantiner  aus  einem  griechischen  oder  aus  einem  lateiniscbeo 
Dictys  schöpften,  hat  die  Vorfrage  zur  Voraussetzung,  inwieweit  die  lateinische  Sprache 
denselben  geläufig  war.  In  erster  Linie  kommt  hier  Malalas  in  Betracht;  vgl.  G.  Körting. 
De  vocibus  latinis,  quae  apud  loannem  Malalam  chronographum  Byzantiniun  inveninntor 
(Ind.  lect.  Münster  1879);  Noack,  Philol.  Supplementbd.  6  (1891/93)  p.  448;  Fürst,  PhikL 
60  (1901)  p.  242.  Dass  die  Bekanntschaft  des  Malalas  mit  der  lateinischen  Sprache  fllr  die 
Quellenfrage  ohne  Bedeutung  ist,  haben  die  beiden  letzten  Gelehrten  gezeigt.  Noch  eb 
zweites  Problem  muss  hier  bei-ührt  werden,  ob  nämlich  noch  ein  ausführlicher,  lateinischer 
Dictys  existiert  habe,  wie  A.  v.  Gutschmid  angenommen.  Durch  die  Annahme  eines giie-  • 
chischen  Dictys  dürfte  dieses  Problem  in  V^egfall  kommen;  die  Personalbeschreibungoi 
sprechen  eher  für  einen  griechischen,  als  einen  ausführlicheren  lateinischen  Dictys  (Fürst, 
Philol.  61  (N.  F.  15, 1902)  p.  377).  Die  Dictysfrage  ist  für  die  byzantinische  Litteratur  noch  mit 
ungelösten  Schwierigkeiten  verknüpft,  da  hier  weitläufige  Quellenuntersuchungen  erforderiick 
sind.  Ausser  den  in  der  „Geschichte  der  Frage"  citierten  Hauptabhandlungen  eitleren  wir 
noch  folgende:  H.  Haupt,  Dares.  Malalas  nnd  Sisypbos  (Philol. 40  (1881)  p.  107);  £.  Patzig, 
Unerkannt  und  unbekannt  gebliebene  Malalasfragmente,  Leipz.  1891 ;  Johannes  AntiodieDOi 
und  Jobannes  Malalas,  ibid.  1892;  Die  Troica  des  Johannes  Antiochenus  (Byzantin.  Zeitschr.  4 
4  (1895)  p.  23);  A.Heinrich,  Die  Chronik  des  Johannes  Sikeliota  der  Wiener  Hofbihlio- 
thek,  Graz  1892;  C.  £.  Gleye,  Beitr.  zur  Johannesfrage  (Byzantin  Zeitschr.  5  (1896)  y.  428). 
lieber  das  Fortleben  des  Dictys  —  Septimius  im  Mittelalter  handeln  die  ebenfalls  in  da 
„Geschichte  der  Frage"  citierten  Abhandlungen  von  Joly,  Körting  und  Greif.  Eiae 
kurze  Zusammenfassung  siehe  bei  Meister,  Ausg.  p.  XI.  Vgl.  noch  £.  Gorra,  Testi  inediti 
di  Storia  Troiana,  Turin  1887  und  dazu  Greif  in  Kochs  Zeitschr.  f.  vergl.  Litt.-6esch.  N.F. 
Bd.  2  (1889)  p.  118;  M.  Gaster,  Die  rumänische  Version  der  troianischen  Sage  (Byzanüi. 
Zeitschr.  3  (1894)  p.  528). 

Ueberlieferung.    Der  zuverlässigste  Zeuge  ist  der  Sangallensis  205  s.  IX/X,  nnd 
ihm  ist  Meister  vorwiegend  in  seiner  Ausg.   gefolgt.     Ausser   demselben   hat  er  nodi 


Tirias  Nieomachiis  FlaviaBiia  und  die  anderen  Nioomaohi.    (§  806.)  88 

herugezogen  Bernensis  867,  den  yerstümmelten  Vraiaslayienais  IV  Q  47  und  einen  Berolineneis 
71  y  alle  8.  Xin,  hie  und  da  auch  einen  Argenioratensis  und  einen  zweiten  Sangallenflis,  heide 
B.  XV.     Eine  methodische  Darlegung  der  handschriftlichen  Ueberlieferung  fehlt  noch. 

Ausg.  Von  den  filteren  Ausg.  sind  namhaft  zu  machen  die  editio  princeps,  Köln  1470 
oder  1475;  eine  Mailänder  1477;  die  Baseler  oder  die  sog.  Oratandrina  1529,  meist  üher- 
räistimmend  mit  der  editio  Veneta  1499;  die  ausgezeichnete  Ausg.  des  Jos.  Mercerius, 
Paris  1618;  dann  die  Obrechts,  besorgt  von  Samuel  Artopoeus,  Strassb.  1691  und  die 
Amsterdamer  Ausg.  von  L.  Smids  1702.  Die  neueren  Ausg.  sind  die  von  A.  Dederich 
mit  der  Dissertatio  Perizonii  (p.  LVII)  und  einem  reichhaltigen  Glossar,  Bonn  1838  (vgl. 
G.  F.  Hildebrand,  Jahns  Jahrb.  23  (1838)  p.  276)  und  die  von  F.  Meister,  Leipz.  1872; 
vgl.  dazu  Philol  38  (1879)  p.  373;  H.  Dung  er,  De  locis  aliquot  Dictyis-Septimii  (Com- 
mentat.  Fleckeisen.  1890  p.  205). 

9.  Virius  Nicomachus  Flavianus  und  die  anderen  Nicomachi. 

806.  Die  Annalen  des  Nicomachus.  Zu  den  wärmsten  Anhängern 
der  alten  Religion  gehörte  neben  der  Familie  der  Symmachi  die  mit  ihr 
verschwägerte  der  Nicomachi.  Aus  dieser  Familie  greift  Virius  Nicoma- 
chus Flavianus  mit  starker  Hand  in  das  öffentliche  Leben  ein.  Unter 
Theodosius  hatte  er  es  zur  Quaestura  sacri  Palatii  gebracht  und  diesem 
Kaiser  ein  historisches  Werk,  seine  Annalen,  dediciert;  sie  trugen  ihm  in 
einer  Inschrift  den  Titel  eines  sehr  beredten  Historikers  ein.  Doch  der  ehr- 
geizige Mann  blieb  seinem  kaiserlichen  Herrn  nicht  treu ;  als  im  Jahre  392 
Arbogastes  den  Eugenius  zum  Kaiser  des  Westens  ausrufen  Hess,  schlug  er 
sich  auf  die  Seite  des  Usurpators  und  erlangte  unter  ihm  im  Jahre  394 
das  Konsulat.  Damals  setzte  ihm  der  Sohn  des  berühmten  Redners  Sym- 
machus,  Q.  Fab.  Memmius  Symmachus,  der  die  Enkelin  des  genannten  Nico- 
machus zur  Frau  hatte,  ein  inschriftliches  Denkmal,  das  noch  erhalten  ist. 
Allein  die  Herrschaft  des  Eugenius,  von  dem  die  nationale  Partei  einen 
Umschwung  der  Verhältnisse  erwartet  hatte,  dauerte  nicht  lange;  schon 
im  Jahre  394  wurde  er  von  Theodosius  aufs  Haupt  geschlagen  und  hin- 
gerichtet. Aber  bereits  früher  hatte  auch  Nicomachus  Flavianus  seinen 
Abfall  mit  dem  Leben  büssen  müssen.  Der  Fall  des  einflussreichen  heid- 
nischen Mannes  kam  den  Christen  sehr  gelegen;  unter  dem  frischen  Ein- 
druck der  Ereignisse  schrieb  ein  Christ  in  mangelhafter  Prosodie  und 
mangelhafter  Rede  eine  Invective  gegen  die  gestürzte  Grösse.  In  den 
christlichen  Kreisen  war  man  sich  klar,  dass  der  Fall  des  Nicomachus 
auch  eine  Niederlage  der  heidnischen  Partei  bedeute;  denn  Nicomachus 
hatte  alles  gethan,  um  die  alten  religiösen  Institutionen  wieder  aufzurichten, 
und  sogar  Christen  wieder  in  das  nationale  Lager  zurückgebracht.  Im 
Zusammenhang  mit  diesen  Bestrebungen  stand  gewiss  auch  seine  Be- 
schäftigung mit  Apollonius  von  Tyana.  Es  ist  bekannt,  dass  die  Heiden 
gern  diesen  Wunderthäter  Christus  gegenüberstellten.  Nicomachus  be- 
arbeitete daher  das  Leben  des  Apollonius  von  Philostratus  in  lateinischer 
Sprache;  sein  Werk  wurde  von  Victorianus  einer  Durchsicht  unterzogen. 
Dass  die  Bildung  des  Nicomachus  ganz  auf  nationaler  Grundlage  ruhte, 
ist  nach  dem  Gesagten  selbstverständlich ;  er  war  nicht  nur  in  der  Philo- 
sophie bewandert,  sondern  hatte  sich  auch  in  der  Auguraldisziplin  um- 
gesehen. In  der  Familie  der  Nicomachi  scheint  das  tragische  Geschick 
ihres  berühmten  Vorfahren  einen  Stachel  zurückgelassen  zu  haben;  sein 
Andenken  wieder  zu  Ehren  zu  bringen,  musste  das  Bestreben  derselben  sein. 


84  VirinB  Nicomaohas  Flavianas  und  die  anderen  Hieomaohi.    (§  806.) 

Das  Ziel  wurde  auch  erreicht;  im  Jahre  431  erwirkte  der  Enkel  dieses 
Nicomachus,  Appius  Nicomachus  Dexter,  einen  Erlass  der  Kaiser  an  den 
Senat,  in  dem  gestattet  wurde,  dass  dem  Nicomachus  wieder  ein  ehrendes 
Andenken  gewidmet  werde.  Der  Enkel  liess  daher  eine  neue  Inschrift 
errichten,  in  der  er  wiederum  die  Ehren  des  Nicomachus  verzeichnete, 
aber  begreiflicherweise  das  von  Eugenius  verliehene  Konsulat  wegliess; 
auch  das  anerkennende  Schreiben  der  Kaiser  an  den  Senat  wurde  der  In- 
schrift beigegeben.  Wie  der  Vater,  so  standen  auch  Sohn  und  Enkel  auf 
nationalem  Boden.  Die  vaterländische  Richtung  prägte  sich  auch  darin  aus, 
dass  man  die  alten  Autoren  hervorsuchte  und  korrekte  Exemplare  herzu- 
stellen bemüht  war;  auch  auf  diesem  Gebiet  finden  wir  die  Nicomachi 
thätig.  Der  Sohn  und  der  Enkel  des  Yirius  Nicomachus  Flavianus,  der 
jüngere  Nicomachus  Flavianus  und  Appius  Nicomachus  Dexter,  haben  sich 
mit  der  Revision  des  Livius  beschäftigt;  von  ihrer  Thätigkeit  legen  Sub- 
scriptionen  zu  einzelnen  Büchern  der  ersten  Dekade  Zeugnis  ab. 

Der  Historiker  Virius  Nicomachus  Flavianns,  derVater.  Ueber  seine 
amtliche  Laufbahn  erteilt  Aufschlnss  die  Inschrift  CIL  6,  1782;  Willmanns,  Exempla  io- 
scriptionum  lat.  645';  Dessau,  Inscr.  lat.  selectae  1  No.  2947:  Virio  Nicomacho  Flaviano 
V.  c.  quaest,,  praet.,  pontif.  maiari,  constUari  SicüicLe^  vicai^io  Äfricae,  quaestori  irUra  Pa- 
latiuin,  prctef,  praet.  iterum,  cos.  ord.,  historico  disertissimo,  Q.  Fab.  Metnmius  Symmachn^ 
V.  c.  prosocero  optimo.  Ueber  diese  Inschrift  vgl.  Rossi  p.  291 ;  Seeck,  Ausg.  des  Symmach. 
p.  CXI  f.  Als  Eonsular  leitete  er  Sizilien  im  Jahre  364;  vgl.  Seeck  p.  CXIV.  Vicarins 
Africae  war  er  im  Jahre  377.  Zur  Quaestura  sacri  Palatii  wurde  er  durch  Theodosius  be- 
fördert kurz  vor  383.  Zum  erstenmal  war  er  praefectus  praet.  883,  zum  zweitenmal  391  und 
392,  vielleicht  schon  389.  394  war  er  cos.  ord.  unter  Eugenius.  Da  die  Inschrift  dBS  Konsulat 
erwähnt,  das  Nicomachus  von  dem  Usurpator  Eugenius  erhielt,  wird  sie  kurz  vor  dem  Tode 
des  Eugenius  (394)  und  des  Nicomachus  gesetzt  sein.  Ueber  die  amtliche  Laufbahn  des  Nico- 
machus gibt  auch  eine  zweite  Inschrift  CIL  6,  1783;  Willmanns  645;  Dessau  2948 
Aufschluss;  durch  diese  Inschrift,  in  welcher  der  in  den  Fall  des  Eugenius  hineingezogene 
Nicomachus  im  Jahre  431  wieder  in  seine  Ehren  eingesetzt  erscheint,  werden  zwei  Aemter 
genauer  bestimmt;  statt  quaestori  intra  Palatium  lesen  wir  quaest.  aulae  divi  Theodosi,  statt 
praef.  j)ra€t.  iterum  steht  hier  praef.  praet.  Ital.  Illyr.  et  Afric.  Das  Konsulat  dagegen  ist 
in  der  zweiten  Inschrift,  weil  von  Eugenius  verliehen,  in  Wegfall  gekonmien.  Ans  dem 
Schreiben  der  Kaiser  Theodosius  II  und  Placidus  Valentinianus  an  den  Senat,  welches  der 
zweiten  Inschrift  beigegeben  ist,  heben  wir  folgendes  aus:  intellegüis  profecto,  quidquid 
in  restitutionem  pristini  honoris  inliistris  et  sanctissimae  aput  omnes  recordationis  Fla- 
Viani  senioris  adimus,  divi  avi  nostri  (sc.  Theodosii  maioris)  veneratumem  esse,  si  eum 
quem  vivere  nobis,  servarique  vobis  —  quae  verba  eius  aput  vos  fuisse  plerique  meministis 
—  optavit,  sie  in  monumenta  virtutum  suarum  titulosque  revocemus,  ut  quidquid  in  istum 
caeca  insimulatione  conmissum  est,  procul  ab  eius  principis  voto  fuisse  iudicetia;  euius  in 
eum  effusa  benivolentia,  et  usque  ad  annalium,  quos  consecrari  sibi  a  quaestore  et  prae- 
fecto  suo  voluit,  provecta,  excitavit  livorem  inproborum.  Seine  Gelehrsamkeit  berührt 
Macrob.  sat.  1,  5,  13  Flavianum  qui,  quantum  sit  mirando  viro  Venusto  patre  praestan" 
tior,  non  minus  omatu  morum  gravitateque  vitae  quam  copia  profundae  erudiUonis  ad- 
seruit;  vgl.  1,  24,  17  post  hunc  Flavianus  „apud  poetam  nostrum",  inquit,  ,^UnUam 
scientiam  iuris  nuguralis  invenio  ut,  si  aliarum  disdplinarum  doctrina  destitueretw,  haec 
illum  vel  sola  professio  sublimarei'* ;  vgl.  auch  Sozom.  7,  22  p.  307  Val.;  Nikeph.  Eist.  ecd. 
12,  39  (Migne,  Patrol.  gr.  146  Sp.  880).  Bezüglich  der  Uebersetzung  von  Philostratos'  Leben 
des  Apollonius  von  Tyana  vgl.  Apollin.  Sid.  epist.  8,  3  p.  173  Mohr:  Äpollonii  JPythagariei 
vitam,  non  ut  Nicomachus  senior  e  Philostrati,  sed  ut  Tascius  Victorianus  e  NieomadU 
schedio  exscripsit,  quia  iusseras,  misi^  wozu  Mommsen  in  der  Ausg.  des  Sidonios  Apol- 
linaris  von  Luetjohann  p.  420  bemerkt:  „significatur  opinor  Nicomachi  senioris  cnra  Plnlo- 
strati  Graeca  Latine  versa  esse,  Yictorianum  eam  versionem  recognovisse.*  Bei  Jcrfiamiee 
Saresberiensis  polier.  2,  26;  8,  11  wird  die  Schrift  de  vestigiis  sive  de  dogmate  philosophorum 
eines  Flavianus  erwähnt;  da  bei  Symmachus  epist.  2,  61  dem  Flavianus  philoaopliiBehe 
Kenntnis  zugesprochen  wird,  ist  es  nicht  unmöglich,  dass  Flavianus  eine  solche  Schrift 
geschrieben;  vgl.  A.  Reif f erscheid,  Rhein.  Mus.  16  (1861)  p.  23.  (Ueber  den  Grammatiker 
^vianus  vgl.  unten  bei  Charisius).  Ueber  das  gegen  unsem  Nicomachus  gerichtete  Oe- 
ieht  adversus  paganos  werden  wir  später  handeln. 


Ammianiia  Maroellinns.    (§  807.)  85 

Der  Recensent  des  Livius  Nicomachus  Flavianus,  der  Sohn,  lieber 
•eine  amtliche  Laufbahn  belehrt  uns  die  zweite  Inschrift  (CIL  6,  1783;  Wilmanns  645; 
Dessau  2948)  ....  m  honorem  fUii  Nicomachi  Flaviani  cons,  Camp.,  proconp,  Asiae, 
praef,  urhi  saepius,  nunc  praef,  praet.  Italiae  Ulyrici  et  Afrieae.  Vgl.  auch  noch  Liban. 
er.  27.  Sein  Prokonsulat  von  Asien  f&Ut  in  das  Jahr  383;  vgl.  cod.  Theodos.  12,  6,  18. 
BesQglich  der  Worte  praef.  urhi  saepius  ist  zu  bemerken,  dass  in  der  gleich  zu  er- 
wfthnenden  Subscriptio  dem  praef.  ein  III  hinzugefügt  wird.  431  war  er  praef.  praet. 
Unser  Nicomachus  war  mit  einer  Tochter  des  Redners  Synuoiachus  verheiratet  (vgl.  Seeck 

LLII),  wfthrend  Q.  Fab.  Memmius  Symmachus  die  Tochter  unseres  Nicomachus  zur  Frau 
tte.  Die  Verbindung  der  beiden  Familien  wird  durch  das  Diptychon  Meleretense  veran- 
schaulicht; vgl.  Gori,  Thesaurus  veteram  diptychorum  tom.  1  p.  203;  eine  Abbildung  auf 
Tafel  VI;  vgl.  auch  Borghesi,  Oeuvres  8  p.  198.  Die  Subscriptio  zum  6.,  7.  und  8.  Buch 
dee  Livius  lautet:  Nicomachus  Flavianus  v.  c.  III  praefect.  urbis  emendavi  apud  Hennam, 
Mit  ihr  vereinigt  steht  noch  die  Subscriptio:  Victor ianus  v.  c,  emendabam  domnis  Sym- 
maehiSt  welche  sich  unter  allen  10  Büchern  findet;  vgl.  §  828.  Die  Worte  apud  Hennam 
finden  ihre  Erklärung  durch  Symmach.  epist.  2,  30;  6,  57;  6,  66,  aus  denen  man  ersieht, 
daaa  die  Nicomachi  in  Sizilien  begütert  waren.  Da  Nicomachus  in  der  Subscriptio  nicht 
als  praef.  praet.  bezeichnet  wird,  ist  zu  schliessen,  dass  die  Recensio  vor  431  erfolgte;  vgl. 
O.  Jahn,  Die  Subscriptionen  in  den  Handschriften  rOm.  Klassiker  (Ber.  über  die  Verh.  der 
sichs.  Ges   der  Wissensch.  1851  p.  835). 

Der  Recensent  des  Livius  Appius  Nicomachus  Dexter,  der  Enkel. 
Der  Schluss  der  zweiten  Inschrift  lautet:  Äppius  Nicomachus  Dexter  v.  c.  ex  praef.  urbi 
uro  optima  (d.  h.  dem  zuerst  genannten  Nicomachus)  statuendam  curavi.  —  Septb,  Basso 
et  Antiocho  rr.  cc,  conss,  (i.  J.  431).  Er  war  der  Sohn  des  an  zweiter  Stelle  genannten, 
jüngeren  Nicomachus;  vgl.  Seeck  p.  LI.  Auch  dieser  Appius  Nicomachus  Dexter  beteiligte 
flieh  an  der  Verbesserung  der  ersten  Dekade  des  Livius.  Die  Subscriptio  Nicomachus  Dexter 
V.  e.  emendavi  ad  exemplum  parentis  mei  Clementiani  findet  sich  zu  den  Büchern  3,  4,  5, 
wo  aber  auch  die  Recension  des  Victorianus  angemerkt  ist.  Ueber  die  Deutung  der  Worte 
ad  exemplum  parentis  mei  Clementiani  vgl.  G.  B.  de  Rossi  1.  c.  p.  326,  der  vermutet, 
dass  Clementianus  ein  Rhetor  und  Lehrer  des  Nicomachus  Dexter  gewesen,  und  dass  daher 
d«r  Ausdruck  parene  in  zärtlichem,  nicht  in  verwandtschaftlichem  Sinn  zu  nehmen  sei;  vgl. 
dagegen  B.  Borghesi,  Oeuvres  8  p.  199. 

Litteratur  über  die  Nicomachi.  G.B.  de  Rossi,  Annali  dell' instituto  arch. 
21  (1849)  p.  285;  B.  Borghesi,  Oeuvres  8  p.  197;  0.  Jahn,  Üeber  die  Subscriptionen  in 
den  Handschriften  röm.  Klassiker  (Ber.  über  die  Verh.  der  sftchs.  Ges.  der  Wisseosch.  philoL- 
lust  Elass.  3  (1851)  n.  336);  E.  Morin,  iStude  sur  la  vie  et  sur  les  Berits  de  Symmaque, 
prüfet  de  Rome  en  384,  Paris  1847;  0.  C lasen,  Zur  Prosopographie  der  Briefe  des  Sym- 
machus (Heidelberger  Jahrb.  1872  p.  535);  0.  Seeck,  Ausg.  des  Symmachus  p.  LI;  ein 
Siemma  der  Symmachi  und  Nicomachi  p.  XL. 

10.  Ammianus  Marcellinus. 

807.  Sein  Leben.  Ammianus  Marcellinus  war  ein  Grieche  aus  Antiochia. 
£r  stammte  aus  einer  vornehmen  Familie.  Aufgenommen  unter  die  protec- 
tores  domestici  wurde  er  dem  magister  equitum  Ursicinus  beigegeben,  wel- 
cher damals  in  Nisibis,  einer  Stadt  Mesopotamiens,  stand.  Als  Ursicinus 
finde  353  oder  Anfang  354  nach  Antiochien  zur  Leitung  der  Hochverrats- 
prozesse berufen  wurde  (14,  9,  1),  folgte  ihm  Ammian.  Die  Furcht, 
Ursicinus  möchte  im  Orient  die  Macht  an  sich  reissen,  bestimmte  den 
Kaiser  Constantius,  den  Feldherrn  an  sein  Hoflager  in  Mailand  im  Jahre 
354  zu  berufen  (14,11,5);  unter  seiner  Begleitung  sehen  wir  unsern 
jungen  Offizier.  Damals  hatte  sich  Silvanus  in  Köln  die  Eaiserwürde  an- 
gemasst.  Um  dieses  Aufstandes  Herr  zu  werden,  schickte  der  Kaiser  den 
bewährten  Ursicinus  dorthin  ab;  in  seinem  Gefolge  befand  sich  unser 
Historiker  (15,  5,  22).  Ursicinus  Hess  den  Empörer  ermorden.  Mit  seinem 
Feldherrn  verweilte  Ammian  noch  in  Gallien,  als  der  Caesar  Julianus  sieg- 
reich gegen  die  Alamannen  vorging  (16,  2,  8).  Im  Jahre  357  kam  Ammian 
mit  Ursicinus  an  den  kaiserlichen  Hof  nach  Sirmium  und  schloss  sich  dei^ 


86  Ammianns  Maroelliniui.    (§  807.) 

Qeneral  an,  als  dieser  wieder  nach  dem  Orient  geschickt  wurde  (16,  10,21). 
Wiederum  von  dem  misstrauischen  Kaiser  zurückgerufen  (18,  5,  5),  erhielt 
jedoch  Ursicinus  auf  dem  Marsche  Gegenbefehl  (18,  6,  5)  und  leitete  aufs 
neue  die  Operationen  gegen  die  Perser.  Mit  lebhaften  Farben  erzählt  uns 
Ammian  seine  Erlebnisse  in  diesen  Kämpfen.  Besonders  interessant  ist 
seine  Schilderung,  die  er  von  der  Belagerung  Amidas  gibt  (i.  J.  359),  wohin 
er  sich  geflüchtet  hatte  (18,  8,  11).  Bei  der  Eroberung  der  Stadt  durch 
die  Perser  entkam  Ammian  und  rettete  sich  unter  grossen  Gefahren  nach 
Melitene  in  Kleinarmenien,  wo  sich  auch  Ursicinus  eingefunden  hatte. 
Mit  seinem  Feldherrn  begab  sich  Ammian  nach  Antiochia  (19,  8,  12).  Als 
Ursicinus  im  Jahre  360  seines  Postens  enthoben  wurde  (20,  2,  1),  scheint 
auch  Ammian  eine  Zeit  lang  dem  Militärdienst  Lebewohl  gesagt  zu  haben. 
In  kriegerischer  Thätigkeit  aber  finden  wir  ihn  wieder,  als  Julian  im  Jahre 
363  gegen  die  Perser  zu  Felde  zog,  und  seine  Berichte  sind  wieder  die 
eines  Augenzeugen  (21,  5,  7;  24,  1,  5;  24,  2,  1;  24,  5,  1;  24,  8,  4;  25,  1,  1; 
25,  2,  1 ;  25,  3,  1  u.  a.).  Sie  reichen  bis  zum  Rückzug  des  Kaisers  Jovian 
nach  Antiochia.  Es  ist  sonach  wahrscheinlich,  dass  Ammian  damals  aus 
dem  Militär  definitiv  austrat  und  sich  in  das  Privatleben  zurückzog.  Er 
lebte  anfangs  in  seiner  Vaterstadt  Antiochia  (29,  1,  24;  29,  2,  4;  30,  4,  4). 
Von  da  begab  er  sich  nach  Rom,  wo  er  der  Abfassung  seines  Geschichts- 
werkes oblag.  Er  trat  nicht  ganz  unvorbereitet  an  seine  Aufgabe  heran. 
Einen  grossen  Teil  der  in  seiner  Zeit  sich  abspielenden  Ereignisse  hatte 
er  miterlebt;  auf  seinen  Kriegszügen  waren  ihm  viele  Länder  des  römi- 
schen Reiches  durch  persönliche  Anschauung  bekannt  geworden,  und 
diese  so  gewonnene  Länderkunde  hatte  er  noch  durch  eigene  Reisen,  nach 
Aegypten,  dem  Peloponnes,  Thracien  erweitert.  Es  fehlte  nur  noch,  dass 
er  seine  litterarische  Bildung  vervollkommnete;  er  that  dies  auch,  indem 
er  sich  mit  staunenswertem  Fleisse  in  die  römische  Litteratur  hinein- 
arbeitete. Auch  mit  der  gebildeten  vornehmen  Welt  suchte  er  Fühlung 
zu  gewinnen.  Obwohl  der  orientalische  Grieche  manche  Demütigung  (14, 
6,  12)  hierbei  erfahren  musste,  kam  er  doch  mit  einigen  hochstehenden 
Persönlichkeiten  in  freundschaftlichen  Verkehr,  so  mit  Hypatius,  dem  Stadt- 
präfekten  vom  Jahre  379,  dem  nachmaligen  praefectus  praetorio  Italiae 
von  382—383  (29,  2,  16j.  Die  Frage,  wie  lange  Ammian  gelebt  habe,  lässt 
sich  nicht  direkt  beantworten,  da  es  hierüber  an  einer  positiven  Nach- 
richt gebricht.  Wir  können  nur  feststellen,  dass  die  Zeitindicien  in  seinem 
Werke  bis  zum  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  herabführen. 

AllgemeiDe  Litteratur  über  Ammian.  Chifflet,  DeA.  M.  vita  et  lifatiB, 
Löwen  1627.  Ausg.  von  Wagner-Erfurdt,  p.  LXXXV;  Ch.  Heyne,  Censura  ingenii 
et  historiarum  Ammiani  Marc.  (Opuscula),  Göttingen  1802;  Si  e  ve rs,  Das  Leben  des  Libanios, 
BerL  1868,  p.  271;  Ditki,  De  Amm.  Marc,  Rössel  1841;  C.  A.  Müller,  De  Amm.  Marc., 
Posen  1852;  £.  A.  W.  Möller,  De  Amm.  Man*.,  Diss.  Königsberg  1863;  R.  H.  Reuscher, 
Quaestiones  Amm.  I.  De  Ammiani  vita,  Frankfurt  a.  0.  1859;  Michael,  Beitrftge  nr 
Charakteristik  des  Amm.  Marc.  (Philol.  Abb.  M.  Hertz  dargebracht,  Berl.  1888,  p.  229); 
Gimazane,  Ammien  Marcellin,  sa  vie  et  son  oeuvre,  Th^se.  Bordeaux  1889;  Michael, 
Das  Leben  des  Amm.  Marc,  Fr.  Jauer  1895;  Wachsmuth,  Einl.  in  das  Stud.  der  alten 
Gesch.,  Leipz.  1895,  p.  682;  Bttdinger,  Amm.  Marc  und  die  Eigenart  seines  GeschichtB- 
Werkes,  eine  universal-hist.  Studie  (Denkschriften  der  phU.-hist.  Klasse  der  Wiener  Akad. 
Bd.  44  (1896)  Abb.  5);  Peter,  Geschichtl.  Litt,  der  röm.  Kaiserz.  Bd.  2  (1897)  p.  117; 
Norden,  Die  antike  Kunstprosa,  Leipz.  1898,  p.  646;  R.  v.  Scala,  Doxographische  und 
stoische  Reste  bei  Amm.  Marc.   £in  Beitrag  zur  Gesch.  der  allgemeinen  Bildung  des  4.  Jafarii. 


Ammianns  MaroellinuB.    (§  808.)  87 

(Festgaben  za  Ehren  Max  Bttdingers,  Innsbruck  1898);  Seeck,  Pauly-Wissowas  Realencycl. 
Bd.  I  Sp.  1845;  L.  Dautremer,  Ammien  Marcellin  (Th^se),  Lille  1899;  Leo,  Die  griech.-röm. 
Blogr., Leipz.  1901»p. 236;  Glover,  Life  and  letters  in  the  foorth centory,  Cambridge  1901,  p.  20. 

Biographisches,  a)  Der  volle  Name  Ammianus  Marcellinus  erscheint  in 
4er  Subsoriptio  des  Vaticanus;  bei  Libanius  nnd  Priscian  heisst  er  Marcellinus;  über 
Pereönlichkeiten  mit  gleichen  Namen  vgl.  Gutschmid,  Kl.  Sehr.  5  p.  568.  Seine  Heimat 
Antiochia  ergibt  sich  deutlich  aus  Libanius.  Der  Antiochener  Libanius  (ep.  983)  schreibt 
ea  Amm.  Marc:  tavti  di  ov  toy  avyyQatpia  xocfiei  uo^oy,  aXXä  xni  T^fing  uty  iariy  6 
mwyy^fpsvg  ....  dXX*  avrog  re  yiyyov  XafiTtQoieQog  xai  ijfity  tovio  Slöov  .  toiovxoy  ynQ 
ivelirfTc  fvdoxifAtSy  xocfiet  toTg  ttvTov  itjy  noXiy  ttjy  iavtov.  Er  selbst  nennt  sich  am 
ScMoaae  des  Werkes  (31,  16,  9)  einen  Griechen.  Dass  Amm.  von  vornehmer  Familie  war, 
«flipbt  dch  ans  19,  8,  6  tU  insuetus  ingenuus, 

p)  Ueber  Amm.  als  protector  domesticus  vgl.  14,  9,  1  a  Nisibi,  quam  tuehatur  accUus 
Unicinus,  eui  nos  obsecuturoa  iunxerat  imperiale  praeceptum.  15,  5,  22  bezeichnet  sich 
Amm.  aosdrflcklich  als  einen  domesticus  protector.  16,  10,  21  provectis  e  consortio  nostro 
md  regendos  müites  natu  maioribus,  adulescentes  cum  (Ursicinum)  sequi  iubemur.  Da 
Üraiciniis  das  Kommando  fOr  den  Orient  im  Jahre  350  erhielt,  und  die  militärische  Corri^re 
in  jenen  Zeiten  gewöhnlich  im  18.  Lebensjahre  angetreten  wurde,  wird  Amm.  ungefähr  um 
4bb  Jahr  332  geboren  sein;  vgl.  Gutschmid,  Kl.  Sehr.  p.  572. 

y)  Ueb^  seine  Ankimft  in  Antiochia  aus  dem  Feldzug  Julians  gegen  die  Perser 
▼gl.  25,  10,  1  Antiochiam  venimus.  Dass  er  sich  hier  längere  Zeit  aufhielt,  beweist  29, 1,  24, 
wo  er  von  den  Hochverratsprozessen  des  Jahres  371  sagt:  addici  post  cruciabües  poenas 
vidimus  multos,  Anch  im  J.  378  befand  sich  anscheinend  Amm.  noch  in  Antiochia;  vgl. 
Sl,  1,  2. 

<f)  Aufenthalt  in  Rom.  Liban.  epist.  983  (an  Amm.)  xai  ai  ^ijXtS  tov  'PwfÄijy  exeiy, 
Mttxtirfjy  tov  aä.  Der  Exkurs  über  das  Leben  der  Gesellschaft  in  Rom  (14,  6,  3—26  u.  28, 
4,6 — 35)  setzt  durchaus  die  Anwesenheit  Ammians  in  der  Hauptstadt  voraus;  vgl.  Gut- 
schmid, El.  Sehr.  p.  567.  Reisen  Ammians  17,  4,  6  {Thebis  hecatompylis)  ....  obeliscos 
wkNmus  plures.  22,  15,  1  Res  Aegyptiacae  tangantur,  quarum  notitiam  ....  degt^ssimus 
Imie  Visa  pUraque  narrantes,  26,  10,  19  Laconicam  prope  Mothonem  oppidum  nos  trans- 
tmndo  eonspeximus.  22,  8,  1  super  Thraciarum  extimis  situque  Pontici  sinus  risa  vel 
Ueta  quaedam  perspicua  fide  mofistrare;  vgl.  auch  27,  4,  2.  Vgl.  ausser  den  angegebenen, 
ellgemeinen  Schriften  über  Amm.  besonders  Cart,  Quaest.  Amm.  p.  6,  auch  Büdinger, 
Amm.  Marc.  p.  6. 

808.  Ammians  Werk.  Ammian  gibt  selbst  am  Schlüsse  seines  Werkes, 
dem  er  den  Titel  „Geschehnisse*  (res  gestae)  vorsetzt,  den  Inhalt  des- 
selben an,  indem  er  sagt:  »Ich,  ein  Grieche  und  ehemaliger  Soldat,  habe 
die  vorliegende  Geschichte  vom  Prinzipat  Nervas  bis  zum  Tode  des  Valens 
nach  Massgabe  meiner  Kräfte  dargelegt.*  Dieser  grosse  Zeitraum,  der 
sich  von  96 — 378  erstreckt,  nahm  31  Bücher  in  Anspruch;  von  denselben 
sind  uns  aber  nur  die  letzten  18,  also  B.  14—31,  in  welchen  die  Epoche 
358 — 378  geschildert  wird,  erhalten.  Dagegen  sind  uns  die  13  ersten 
Bücher  verloren  gegangen.  Wir  verschmerzen  diesen  Verlust,  da  der  wert- 
vollere Teil,  in  dem  Ammian  die  Ereignisse  seiner  Zeit  erzählt,  vom  Unter- 
gang verschont  blieb.  Eine  bewegte  Epoche  ist  es,  in  die  uns  der  Autor 
geleitet.  Bald  werden  wir  nach  Osten,  bald  nach  Westen  geführt;  die 
Kämpfe  mit  den  Alamannen,  Persern  und  Goten  treten  vor  unsere  Augen. 
Mit  der  Regierung  des  Constantius  setzt  das  Erhaltene  ein;  der  Tod  des 
CSaesar  Gallus  bildet  den  Höhepunkt  des  14.  Buches.  Mit  dem  15.  Buch 
wird  Julian  in  den  Vordergrund  gerückt,  er  bleibt  die  Hauptfigur  durch 
elf  Bücher  hindurch.  Der  Autor  gibt  uns  ein  farbenreiches  Gemälde 
von  der  siegreichen  Schlacht  Julians  gegen  die  Alamannen  (B.  16);  er 
verfolgt  dessen  kluges  und  umsichtiges  Vorgehen  in  Gallien  und  Ger- 
manien und  führt  den  Leser,  nachdem  auch  die  Ereignisse  im  Orient  in 
den  Kreis  der  Betrachtung  gezogen  sind,  zur  Katastrophe,  dem  Abfall 
Julians  vom  Kaiser  Constantius,   dessen  Tod  das  erschütterndste  Ereignis 


gg  Ammiaiiiis  XarcellinnB.    (§  808.) 

des  21.  Buches  ist.  Die  Erzählung  wendet  sich  zu  den  Kämpfen  Julians 
mit  den  Persern;  der  Tod  des  Kaisers  gibt  denselben  einen  tragischen 
Abschluss.  Die  Erhebung  Jovians  zum  Kaiser,  sein  unrühmlicher  Friedens- 
schluss  mit  den  Persern  und  sein  bald  eintretender  Tod  geben  uns  das 
Nachspiel  zu  dem  traurigen  Drama.  Mit  dem  26.  Buch  treten  wir  in  die 
Kegierungszeit  Yalentinians  ein,  der  seinen  Bruder  Valens  und  später 
seinen  Sohn  Qratian  zum  Mitregenten  annahm.  Ausser  den  Alamanoen 
erscheinen  jetzt  die  Gothen  auf  dem  Kampfylatz;  auch  die  Perser  bleiben 
nicht  unthätig.  Ein  plötzlicher  Tod  rafft  375  den  Kaiser  Yalentinian  hin- 
weg; neben  Gratian  wird  Yalentinian  II.  zum  Kaiser  ausgerufen.  Die 
Erzählung  erreicht  jetzt  die  höchste  Spannung,  die  beginnende  Yölker- 
wanderung  erschüttert  die  Grundfeste  des  römischen  Reiches.  Vor  den 
Hunnen  fliehend,  dringen  die  Goten  vorwärts;  Kaiser  Valens,  der  sich 
ihnen  entgegenstellt,  verliert  in  der  Schlacht  bei  Hadrianopolis  378  das 
Leben.  Bei  diesem  bedeutsamen  Ereignis  legt  der  Historiker  den  Griffel 
aus  der  Hand. 

Nur  einige  Züge  aus  dem  reichen  Inhalt  konnten  hier  gegeben 
werden ;  die  Fülle  des  Einzelnen  darzulegen  ist  unmöglich.  Aber  der  Ver- 
fasser hat  sich  nicht  auf  den  geschichtlichen  Stoff  beschränkt;  er  nimmt 
gern  die  Gelegenheit  wahr,  dem  Leser  auch  seine  durch  eifriges  Studium 
erworbene  Gelehrsamkeit  vorzuführen.  Er  flicht  daher  oft,  und  nicht  selten 
sogar  in  störender  Weise,  Exkurse  über  fast  alle  Gebiete  des  Wissens  ein: 
dadurch  erhält  sein  Werk  zugleich  den  Charakter  einer  kleinen  Encyclopädie. 

Ammian  verfasste  seine  Geschichte  in  Rom.  Aus  einem  Briefe  des 
Rhetors  Libanius,  der  im  Jahre  390  oder  391  geschrieben  ist,  lernen  wir 
die  Thatsache  kennen,  dass  Ammian  sein  Geschichtsbuch  in  Abschnitten 
vorlas  und  grossen  Beifall  erntete.  Als  Libanius  den  genannten  Brief 
abschickte,  wies  er  zugleich  auf  künftige  Vorlesungen  Ammians  hin,  so 
dass  wir  daraus  den  Schluss  ziehen  müssen,  die  Geschichte  Ammians  m 
in  dem  Jahre  390  oder  391  noch  nicht  vollendet  gewesen.  Und  in  der 
That  lässt  sich  wahrscheinlich  machen,  dass  er  erst  nach  dem  Tode  des 
Theodosius  mit  der  grossen  Aufgabe,  die  er  sich  gestellt  hatte,  zu  Ende 
kam.  Wenn  Ammian  durch  Recitation  abschnittweise  sein  Werk  zur  Kenntnis 
des  Publikums  brachte,  wird  dasselbe  auch  successive  in  den  Buchhandd 
gekommen  sein.  Dafür  finden  wir  Spuren  in  den  erhaltenen  Bfichern 
selbst;  so  macht  der  Autor  einen  Einschnitt  mit  dem  15.  Buch.  Noch 
bedeutungsvoller  ist  der,  welcher  im  Eingang  des  26.  Buches  zu  Tage  tritt 
Ammian  hatte  die  Absicht,  mit  dem  Tode  Jovians  seine  Erzählung  abzo- 
schliessen.  1)  Er  hatte  die  Thaten  berichtet,  an  denen  er  selbst  seinen 
Anteil  hatte  und  in  denen  die  glänzende  Gestalt  Julians  aufleuchtete.  Er 
war  der  Gegenwart  näher  gerückt  und  fürchtete  daher  die  Gefahren,  die 
mit  der  Verkündigung  der  Wahrheit  verbunden  sind.  Auch  der  Kritik 
sah  er  mit  Besorgnis  entgegen.  Doch  griflf  er,  vielleicht  durch  den  Bei- 
fall des  Publikums  ermuntert,  nochmals  zur  Feder,  um  die  Erzählung  bis 
zur  Schlacht  bei  Hadrianopolis  zu  führen. 

*)  Anders  Gatschmid,  Kl.  Sehr.  5  p.  571. 


Anunianiui  Maroellinns.    (§  808.)  89 

In  seiner  Darstellung  der  Ereignisse  konnte  Ammian  bei  einem 
grossen  Teil  derselben  auf  eigene  Erlebnisse  zurückgreifen,  und  diese 
Partien,  die  manchmal  an  das  Memoirenhafte  streifen,  haben  für  den 
Leser  einen  besonderen  Reiz.  Allein  um  die  ganze  Geschichte  einer  Zeit- 
epoche zu  schreiben,  reichten  die  persönlichen  Erinnerungen  des  Autors 
nicht  aus;  er  musste  sich  daher  auch  nach  litterarischen  Quellen  um- 
sehen.^) Da  hier  Ammian  sehr  schweigsam  ist,  können  wir  nur  mehr 
oder  weniger  wahrscheinlichere  Vermutungen  geben.  Für  die  Kämpfe 
Julians  mit  den  Alamannen  scheint  er  eine  Spezialschrift  seines  Helden 
verwertet  zu  haben;  für  die  Schilderung  des  Perserkriegs  Julians  wird  er 
wohl  das  Werk  des  Magnus  von  Carrhae  herangezogen  haben.  Auch 
mündliche  Berichte  mochten  ihm  zugeflossen  sein,  üeberall  aber  bewahrt 
sich  der  Historiker  ein  objektives  Urteil. 

Eine  ganz  andere  Persönlichkeit  tritt  uns  in  den  Exkursen  entgegen. 
In  denselben  ist  Ammian  fast  ganz  von  seinen  Quellen  abhängig')  und 
nur  selten  vermag  er  hier  Eigenes  zu  bieten.  In  diesen  Einlagen  will  der 
alte  Soldat  mit  seiner  mühsam  erworbenen  Gelehrsamkeit  glänzen  und 
er  schreibt  daher  manchmal  aus  seinen  Quellen  Dinge  ab,  die  er  selbst 
nicht  verstand. 

Umfang,  Gliederung  und  Titel  des  Werks.  31,  16,  9  haec  ut  miles  qitondam  et 
GraecuSf  a  principatu  Caesaris  Nervae  (96)  exorsus  ad  usque  Volenti»  interitum  (378)  pro 
virium  explieavi  mensura.  Einschnitte  gewanren  wir  noch  im  Eingang  des  15.  und  im  Eingang 
des  26.  Baches.  Der  erste  Teil,  der  also  die  Bücher  1  —  14  umfasst,  reicht  von  der  Re- 
gierang Nenras  bis  zom  Tod  des  Gallus,  also  von  96—354;  der  zweite  Teil,  der  die  Bücher 
15 — 25  in  sich  begreift,  von  dem  ersten  Auftreten  Jolians  bis  zum  Tode  Jovians,  also  von 
854—364;  der  dritte  Teil  endlich,  auf  den  die  Bücher  26—31  fallen,  von  Jovians  Tod  bis 
zum  Untergang  des  Kaisers  Valens,  also  von  364—  378.  Sonach  erstreckt  eich  das  Werk, 
soweit  es  erhidten  ist,  auf  den  Zeitraum  von  353—378,  behandelt  also  26  Jahre;  die  ver- 
lorenen 13  Bücher  umschlossen  dagegen  einen  Zeitraum  von  257  Jahren  (Fragm.  bei  Gardt- 
hausen,  Ausg.  1  p.  1;  Gimazane  p.  405).  Die  Annahme  Michaels  (Die  verlorenen  Bücher 
des  Amm.  Marc.,  Breslau  1880),  dass  die  verlorenen  Bücher  erst  mit  der  Zeit  von  Con- 
stantins  Tod  (337)  begonnen  hätten  und  dass  die  Ereignisse  von  Nervs  bis  zu  diesem  Zeit- 
punkt in  einem  zweiten  Werk  behandelt  worden  seien,  ist  unrichtig.  Michael  gelangt  zu 
seiner  Annahme  auf  Grund  der  Rückverweisungen  auf  die  verlorenen  Bücher  in  den  er- 
haltenen; dieselben  seien  besonders  zahlreich  für  die  Zeit  von  337—353  und  nötigten  uns, 
der  Darstellung  dieses  Zeitraums  eine  grössere  Anzahl  von  Büchern,  also  wohl  die  13  ver- 
loren gegangenen,  zu  geben,  so  dass  fttr  die  Zeit  von  Nervs  bis  zu  Constanüns  Tod  ein 
eigenes,  ebenfalls  verloren  gegangenes  Werk  angesetzt  werden  müsse.  Allein  die  Schluss- 
folgerung, die  Michael  aus  den  Rückverweisungen  zieht,  hält  einer  näheren  Prüfung  nicht 
Stuid;  vgl.  Jeep,  Rhein.  Mus.  43  (1888)  p.  60;  M.  Petschenig,  Bursians  Jahresber.  72.  Bd., 
2.  Abt.  (1892)  p.  1.  Auch  wäre  es  sonderbar,  wenn  von  diesem  zweiten  Werk  sich  alle 
Sparen  in  der  Litteratur  verloren  hätten.  Dass  Amm.  nur  ein  Geschichtswerk  geschrieben, 
ergibt  sich  übrigens  schon  aus  den  ausgeschriebenen  Schlussworten;  vgl.  auch  23,  6,  24. 
Noch  ist  die  Frage  zu  berühren,  ob  das  Werk  Ammians  aus  31  oder  32  Büchern  bestanden  hat. 
Chifflet  (De  Amm.  Marc,  vita  et  libris  rerum  gestarum  p.  112  in  der  Ausg.  von  Wagner) 
schliesst  daiaus,  dass  ein  28,  1,  57  gegebenes  Versprechen  nicht  eingelöst  wird,  dass  noch 
vieles  andere  vermisst  wird,  und  dass  der  Anfang  des  31.  Buches  nicht  zu  dem  voraus- 
gehenden passt,  Amm.  habe  32  Bücher  geschrieben  und  es  sei  ein  Buch  vor  dem  letzten 
mnsgefallen.  Auch  Valesius  p.  51  (in  der  Ausg.  von  Wagner)  stimmt  Chifflet  zu.  Von 
den  neueren  ist  Gutschmid  (Kl.  Sehr.  p.  572)  auf  die  Seite  Chifflets  getreten,  indem  er 
es  besonders  als  eine  Unmöglichkeit  ansieht,  dass  Amm.  die  Ereignisse  von  3  Jahren  (375 
— 378)  gänzlich  unberücksichtigt  gelassen.  Die  Lücke  wird  kaum  zu  leugnen  sein,  zumal 
da  wir  noch  eine  andere,  wenngleich  minder  grosse  24,  7,  2  (vgl.  24,  7,  8)  nachweisen  können. 
Ob  aber  die  Lücke  ein  ganzes  Buch  ausgefüllt  hat,  ist  mir  doch  zweifelhaft.  —  Das  Ge- 


')  Anders  Mommsen,  Hermes  16(1881)   \  ')  Vgl.  Michael,  Beiträge  zur  Charak- 

p.  602.  I  teristik  des  Amm.  Msxc.  ^.  2&\. 


90  Ammianaa  Xaroellinos.    (§  808.) 

Schichtswerk  wird  in  der  Subscriptio  des  VaticaDiis  durch  rerum  geftarum  (libri^  bezeichnet 
Auch  bei  Priscian,  Gramm,  lat.  2  p.  487,  1  heisst  es:  tU  „induisi  indulsum"  vel  „indultum'j 
unde  Marcellinus  rerum  gestarum  14  (1,  4)  „tamquam  lieentia  cruddüati  indüUaJ*  Wabr- 
scheinlich  enthielt  aber  der  Titel  noch  die  Einschränkung  ab  excessu  Nennte. 

Excurse.  Es  mag  hier  eine  Uebersicht  der  verschiedenen  Grmppen  derEzkaise  feiges. 

a)  Geographische: 


14,  4,  1  Ueber  die  Saracenen. 

22,  8,  1 

Ueber  Thracien  und    die   Lage  des 

14,  8,  1       „      die  orientalischen  Provinzen. 

pontischen  Meerbusens.    . 

15,  4,  1       „      den  Bodensee. 

22,15 

,      Aegypten. 

15, 9,  1       „      Gallien. 

28,6 

,      Persien. 

18, 9,  1       ,      Amida. 

27,  4, 1 

,      Thracien. 

21,  10,  8     s      den  Pass  bei  Succi. 

81,  2,  1 

„      die  Hunnen  und  Alanen. 

ß)  Physikalisch. mathematische: 
17,  7,  9  Ueber  Erdbeben.  schriftsteiler. 

20,  3,  1       ,       die  Sonnenfinsternis.  23,  6,  85  Ueber  die  Perlen. 
20,11,26    „      den  Regenbogen.                           25,2,5        ,      Meteore. 
23,4          „       Kriegsmaschinen;    abgedr.  n.      25,10,2      .      Kometen. 

übers,  bei  Köchly  u.  Rüstow,  Kriegs-      26,  1,  8        „      den  Schalttag. 

;')  Philosophisch-religiöse: 
14,  11,  25  Ueber  Adrastea  oder  Nemesis.  21,  14,  5  Ueber  die  Schutzgeister. 

21,  1,  7  n      die  Weissagung. 

(f)  Soziale: 
14,  6,  8  Ueber  das  Leben  in  Rom.  29,  4,  2  Ueber  die  Pest 

28,  4,  6      „      die  Sittenverderbnis  des  Adels      30,  4,  4      ,         ,    Advokaten  im  Orient 
und  des  gemeinen  Volks  in  Rom. 

Abfassungszeit.  In  dem  ersten  Teil  tritt  uns  ein  einziges  Zeitindidum  entgegen. 
16,  6,  19  wird  von  einer  vor  nicht  langer  Zeit  stattgehabten  Hungersnot  in  Rom  geeprodien; 
es  ist  die  des  Jahres  883.  Also  muss  das  14.  Buch  einige  Zeit  später  als  888  verfust 
sein.  Im  zweiten  Teil  (B.  15—25)  weiss  der  Historiker  nichts  von  der  Zerstörung  des  Seit- 
peum  (22,  16,  12),  welche  in  das  Jahr  391  gesetzt  wird;  vgl.  Cart,  Quaest  Amm.  p.  47. 
Dass  dieses  Schweigen  von  dem  Untergang  des  Serapeum  in  chronologischer  Beziehung 
durchaus  beweiskräftig  ist,  betont  mit  Recht  Mommsen,  Hermes  16  (1881)  p.  680  und 
ganz  besonders  Gutschmid,  Kl.  Sehr.  5  p.  366.  Also  muss  das  22.  Buch  vor  dem  Jthre 
391  liegen.  Im  letzten  Teil  (B.  26—31)  erhalten  wir  zwei  Zeitindicien.  26,  5,  14  wird  von 
Neoterius  als  postea  consul,  tunc  notariuSy  gesprochen.  Das  Konsulat  des  Neoterius  fiUt 
in  das  Jahr  390.  27,  11,  2  heisst  es  von  Probus:  quoad  vixU;  sein  Tod  war  also  dem 
Schriftsteller  schon  bekannt.  Derselbe  war  395  sicher  tot,  vielleicht  schon  geraume  Zeit; 
vgl.  Sievers,  Libanius  p.  273  und  Seeck,  Symmachus  p.  CiV.  Auf  die  Zeit  nach  395 
fuhrt  uns  auch  29,  6,  15,  wo  von  dem  nachmaligen  Kaiser  Theodosius  gesagt  wird :  prineeps 
p08tea  perspectissifftus;  hätte  Theodosius  in  der  Zeit  des  29.  Buchs  noch  regiert,  so  hätte 
Amm.  wohl  nunc  princepa  noster  gesagt;  vgl.  15,  2,  7;  16,  11,  6  und  Cart,  Quakest  Amm. 
p.  49.  Vielleicht  darf  auch  noch  ange^hrt  werden,  dass  Amm.  29,  5,  6  wie  21  und  24  von 
Gildos  späteren  Schicksalen  nichts  erwähnt;  der  Autor  scheint  also  vor  897,  da  der  Sentt 
den  Gildo  für  einen  hostis  publicus  erklärte,  geschrieben  zu  haben.  Sonach  wird  das  Weric 
gegen  Ende  des  4.  Jahrhunderts  zum  Abschluss  gekommen  sein.  Die  successive  Veröffent- 
lichung des  Werks  ergibt  sich  aus  den  Einleitungen  zu  den  Büchern  15  und  26,  wie  aneh 
aus  den  Zeitindicien;  vgl.  Seeck,  Paulys  Realencycl.  Sp.  1847. 

Die  Vorlesungen  des  Ammianus.  Schon  im  vorigen  §  haben  wir  den  983.  Brief 
des  Libanius  herangezogen  und  aus  ihm  erwiesen,  dass  Amm.  aus  Antiochia  stammt  und, 
als  der  Brief  geschrieben  wurde,  sich  in  Rom  befand.  Dass  sich  der  genannte  Brief  anf 
unsem  Historiker  bezieht,  ist  zweifellos;  dagegen  unterliegt  manchem  Bedenken,  ob  auch 
noch  andere  Briefe  des  Libanius  mit  Amm.  Marc,  in  Verbindung  gebracht  werden  ktaoen. 
Vermutungen  hierüber  bei  Mo  eil  er,  De  Amm.  Marc.  p.  18  und  Bttdinger,  Anun.  Marc.  p.  9. 
Der  Brief  983  ist  im  Jahre  390  oder  391  geschrieben;  vgl.  Mo  eil  er  L  c.  p.  19;  Sievers, 
Das  Leben  des  Libanius,  Berl.  1868,  p.  272.  Aus  diesem  Briefe  erfahren  wir  auch  die 
interessanten  Thatsachen,  erstens,  dass  das  Werk  in  Abschnitte  zerlegt  war,  zweitens,  dass 
die  Vorlesung  solcher  Abschnitte  bereits  stattgefunden  hatte,  drittens,  dass  solche  Vorlesungen 
noch  in  Aussicht  standen,  viertens,  dass  der  Vorleser  grossen  Beifall  fand.  Die  Wate 
lauten:  yvy  «f^,  i6g  tanv  nxovBi-y  ivüv  ixe?&cy  ärpixyovjLts'ytayf  avrog  tjfity  iy  ini&ei^eüt,  tmi 
uiy  ytyoyag,  taig  di  ean,  tijg  avyyQaqyrjg  eig  noXXd  TBifxrjuiytjgy  xal  tov  <p«r^yjo^  intuwB- 
&syiog  fxtQog  ^regoy  siaxctXovytog.  Weiter  heisst  es  über  den  Erfolg:  ^Axovto  dk  xtjy  'Ptifiiir 
nvtrjy  axeffayovy  aoi  roy  noyoy  xai  xeiadai  \prj(poy  avt^,  rcjy  fjiiy  ae  xexQcnfjxiratf  riir 
<f^  ov^  rJTtrja&ai. 


Ammianns  Xaroellinns.    (§  808.)  91 

Allgemeine  Zeugnisse  über  die  Quellen.  15,  1,  1  ütcumqu$  potuinius  veri- 
iatem  serutari,  ea  quae  videre  licuU  per  aetatem,  vel  perplexe  interrogando  versatos  in  medio 
9cire,  narravimus  ordine  casuum  exposüo  diversorum.  16,  1,  3  quidquid  narrabitur,  quod 
non  faUUas  arguta  eoncinnat,  sed  fides  integra  rerum  absolvU  documentis  evideniihus  fultOf 
ad  laudativam  paene  materiam  pertinebit. 

Quellenangaben.  15,  9,  2  ambigentes  super  ortgine  prima  Gallorum  scriptores 
weteres  notitiam  reliquere  negotii  semiplenam,  sed  postea  Timagenes  et  diligentia  Graecus 
tt  Hngua  haec  quae  diu  sunt  ignorata  eollegit  ex  muUiplicibus  libris.  cuius  fidem  seeuti 
obscuritate  dimota  eadem  distinete  docebimus  et  aperte,  17,  4,  17  qui  notarum  textus  obeliseo 
incisus  est  veteri,  quem  videmus  in  Circo,  Hermapionis  librum  seeuti  interpretatum  litteris 
subiecimus  Graecis.  Ueber  seine  Bekanntschaft  mit  Julians  Schriften  vgl.  22,  14,  2  volumen 
e&mposuit  invectivum,  quod  Antiochense  vel  Misopogonem  appellavit,  probra  civitatis  infensa 
mente  dinumerans  addensque  veritati  eomplura.  16,  5,  7  sed  tarnen  cum  haec  (philosophisches) 
effecte  pleneque  coUigeret,  nee  humiliora  despexit,  poeticam  mediocriter  et  rhetoricam  amavit 
(so  ergänzt  ron  Wagner;  tractavit:  Koch  p.  17)  —  ut  ostendit  orationum  epistularumque 
Hus  cum  gravitate  comitas  incorrupta  —  et  nostrarum  externarumque  rerum  historiam 
multiformem.  22,  8,  4  et  acta  super  eo  gesta  non  sine  magno  legebantur  horrore,  cum  id 
voluminis  pMici  contineret  exordium  „eonsulatu  Tauri  et  ilorenti  inducto  sub  praeconibus 
Tauro*'.     31,  10,  5  ut  quidam  laudes  extoUendo  principis  iactarunt. 

tt)  Quellen  der  Exkurse.  Bei  den  Quellenuntersuchungen  Ammians  hat  man 
strenge  zwischen  den  historischen  Partien  und  den  Exkursen  zu  scheiden.  Genauer  unter- 
sucht sind  die  geographischen  Quellen  von  Gardthausen  und  Mommsen.  Das  Resultat, 
SU  dem  Mommsen  nach  Rektifizierung  der  von  Gardthausen  vorgetragenen  Ansichten 
kommt,  ist  folgendes  (p.  634):  Die  geographischen  Abschnitte  Ammians  sind  schematisch 
gearbeitet  Dieses  Schema  hat  er  aber  nicht  bereits  vorgefunden,  sondern  selbst  sich  ge- 
bildet, sonach  kein  schematisches,  geographisches  Handbuch,  wie  Gardthausen  annimmt, 
zu  Grunde  gelegt.  , Vielmehr  hat  Ammian  zur  Grundlage  seiner  Arbeit  f&r  das  römische 
Reich  dessen  offizielle  Distrikts-  und  Stadtliste,  fttr  das  Ausland  die  analogen  ptolemäischen 
Listen  genommen  und  aus  dem  chorographisch  geordneten  Greschichtswerk  des  Rufius  Festus 
die  historischen  Notizen,  aus  den  ebenfalls  chorographisch  geordneten  plinisch-solinischen 
Memorabilien  die  Merkwürdigkeiten  hinzugefügt.  Ausserdem  hat  er  eine  oder  mehrere 
griechische  Ortsbeschreibungen  in  einzelnen  Abschnitten  hinzugezogen  und  benutzt  (z.  B. 
Timagenes  1.  c.  p.  620  f.) ;  es  ist  hauptsächlich  der  Einwirkung  der  letztgenannten  Quelle 
zuzuschreiben,  dass  der  Verfasser  sein  Schema  teilweise  selber  beiseite  gesetzt  hat.  End- 
lich begegnen  zahlreiche  sachliche  Entlehnungen  mehr  vereinzelter  Art,  nachweislich  aus 
Caesar,  Sallustius,  Livius.*  (Ueber  eine  Entlehnung  vgl.  Mommsen  1.  c.  p.  631  Anm.  1.) 
Die  anderen  Exkurse  harren  noch  eingehender  Untersuchungen;  doch  hat  neuerdings  Scala, 
Doxographische  und  stoische  Reste  bei  Amm.  Marc.  (Festgaben  zu  Ehren  MaxBttdingers, 
InnsbrucK  1898,  p.  119)  den  Versuch  gemacht,  eine  Reihe  dieser  Abschweifungen  mit  stoi- 
scher Färbung  ai^  ein  doxographisches  Handbuch  zurttckzuführen  (p.  149). 

Litteratur  über  die  geographischen  Quellen  Ammians.  Gardthausen, 
Die  geographischen  Quellen  Ammians  (Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  6  (1872/73)  p.  507); 
▼gl.  dazu  A.  V.  Gutschmid,  Kl.  Sehr.  5  (1894)  p.  366;  Schuf fner,  Amm.  Marc,  in  rerum 
gestarum  libris  quae  de  sedibus  ac  moribus  complurium  gentium  scripserit,  quibus  rebus 
differant  ab  aliis  scriptoribus,  quibus  cum  iis  congruant  exponitur,  Meiningen  1877;  Chri- 
stophe, Geographie  d'Ammien  Marcellin;  Asie  centrale,  ancienne  Gaule,  ^gypte,  Lyon 
1880;  Mommsen,  Ammians  Geographica  (Hermes  16  (1881)  p.  602);  Foucard,  Acad.  des 
Inscriptions  et  Belles-Lettres  1897.    (Ueber  Mygdus  26,  7,  14.) 

ß)  Quellen  der  historischen  Partien.  Wir  werden  hier  zwischen  den  drei  Teilen 
des  Werkes  zu  scheiden  haben.  Im  ersten  war  er  wesentlich  auf  die  Litteratur  angewiesen. 
Da  die  Bücher  dieses  Teils  bis  auf  eins  verloren  gegangen  sind,  ist  ein  Quellennachweis 
unmöglich.  In  dem  zweiten  Teil,  in  dem  Ammian  zum  Teil  als  Augenzeuge  berichten 
kann,  lassen  sich  einige  Vermutungen  über  die  Quellen,  die  er  benutzte,  aufstellen.  Nach 
dem  Vorgang  Heckers  (Zur  Geschichte  des  Kaiser  Julianus,  Kreuznach  1886)  sucht  Koch 
(De  Juliane  imperatore  scriptorum,  qui  res  in  Gallia  ab  eo  gestas  enarrarunt,  auctore  dispu- 
tatio,  Leiden  1890)  nachzuweisen,  dass  Julian  eine  eigene  Schrift  über  seinen  Krieg  gegen 
die  Alamannen,  besonders  über  die  Schlacht  bei  Strassburg  verfasst  habe  (Müller,  Fragm. 
Hist.  Graec.  4  p.  16),  welche  Ammian  benutzt  habe;  vgl.  p.  31  und  über  16,  12,  15  p.  48; 
Hecker  p.  25;  denselben.  Die  Alamannenschlacht  bei  Strassburg  (Fleckeis.  Jahrb.  139  (1889) 
p.  68  adnot.);  Wigand,  Die  Alamannenschlacht  vor  Strassburg  357  n.  Chr.  (Beitr.  zur  Landes- 
und Volkeskunde  von  Elsass-Lothringen  3  (Strassb.  1887)  p.  8).  Für  die  Darstellung  des 
persischen  Feldzugs  Julians  gibt  einen  Fingerzeig  Zosimus.  Dieser  stimmt  nämlich  hier 
auffallenderweise  mit  Ammian  überein.  Diese  Uebereinstimmung  kann  nur  durch  eine  ge- 
meinsame Quelle  erklärt  werden;  vgl.  Sudhaus,  De  ratione  quae  intercedat  inter  Zo»" 


92 


Ammianns  Xaroellinas.    (§  809.) 


et  Amm.  de  hello  a  Joliano  imp.  cum  Persis  gesio  rel.,  Bonn  1870,  p.  99.  Als  diese  ge- 
meinsame Quelle  wird  aber  nicht,  wie  Sudhaus  will,  Orihasius,  sondern  Magnus  von  Cairhae 
zu  betrachten  sein;  vgl.  Mendelssohn,  Praef.  zu  seiner  Ausg.  des  Zosimos,  Leipz.  1887, 
p.  39.  Wegen  der  zwiespältigen  (]lhronologie,  die  bald  Konsuln,  bald  Sommer  und  Winter 
anführt,  will  Seeck  Sp.  1849  in  den  Büchern  14 — 25  noch  eine  zweite  Quelle  annehmen, 
welche  bis  zur  Thronbesteigung  Valentinians  I.  gereicht  habe  und  mittelbar  auch  von 
Zonaras  benutzt  worden  sei.  Im  dritten  Teil  habe  Ammian,  da  die  Chronologie  hier  ganz 
aufhöre,  ausser  Panegyriken  wohl  gar  keine  schriftlichen  Quellen  benutzt,  was  mir  ganz 
unwahrscheinlich  dünkt,  da  Ammian  den  Ereignissen  des  letzten  Teiles  fem  gestanden. 

809.  Charakteristik.  Für  Ammian  nimmt  uns  schon  das  ein,  dass 
er,  der  doch  einen  Teil  seines  Lebens  im  Kriegsdienst  verbracht  hatte, 
von  einem  brennenden  Bildungsdrang  erfüllt  ist,  der  ihn  spotten  lässt  über 
die,  welche  keine  anderen  Autoren  als  Juvenal  und  Marius  lesen,  ^)  und 
über  jene  Ignoranten,  welche,  wenn  sie  zufallig  den  Namen  eines  alten 
Schriftstellers  hören,  damit  einen  Fisch  oder  ein  anderes  leckeres  Gericht 
bezeichnet  glauben.  ^)  Mit  rühmlichem  Fleisse  hat  unser  Autor  nicht  nur 
die  Litteratur  seines  Volkes,  sondern  auch  die  litterarischen  Schätze  der 
Römer  durchgearbeitet  und  sich  bemüht,  das  Wissen  seiner  Zeit  encyclo- 
pädisch  zu  umspannen.  Noch  mehr  steigert  sich  unsere  Bewunderung, 
wenn  wir  in  Betracht  ziehen,  welche  hohe  Aufgabe  er  sich  in  seiner  Ge- 
schichtschreibung gestellt.  Der  lateinische  Historiker  stand  damals  auf 
einer  sehr  niedrigen  Stufe;  er  war  entweder  Compendienschreiber  oder 
Anekdotenerzähler.  Von  beiden  scheiden  sich  Ammians  Wege,  und  der 
Kleinkram,  der  in  der  Historiographie  damals  im  Schwünge  war,  wird 
von  ihm  öfters  scharf  getadelt.  Er  selbst  hatte  sich  den  grössten  römi- 
schen Historiker,  Tacitus,  zu  seinem  Vorbilde  erkoren.  In  seinen  Fuss- 
tapfen  wollte  er  einherschreiten  und  er  schloss  daher  sein  Werk  an  das 
taciteische  an.  Blieb  Ammian,  wie  begreiflich,  auch  hinter  seinem  Vor- 
bilde zurück,  so  vereinigt  er  in  sich  doch  Vorzüge,  welche  ihn  in  dieser 
gesunkenen  Zeit  zu  einer  glänzenden  Erscheinung  erheben.  Vor  allem 
zieht  uns  das  biedere  Wesen  des  Mannes  an,  der  alle  krummen  Wege 
verabscheut,  dem  Schlechten  überall  den  Krieg  erklärt  und  besonders  den 
Höflingen  stark  zu  Leibe  geht.  ^)  Auch  das  freut  uns,  dass  der  geborene 
Grieche  als  fester  Soldat  treu  zu  Kaiser  und  Reich  hält  und  er  noch  immer 
zu  Rom  als  der  ewigen  Stadt  mit  Verehrung  emporblickt.*)  Am  meisten 
aber  erregt  unser  Staunen,  dass  der  Historiker  ein  so  feiner  Kenner  des 
menschlichen  Herzens  ist,*)  dass  er  sich  mit  den  grössten  Geschichts- 
schreibern auf  diesem  Gebiete  vergleichen  kann.  Keine  wichtige  Persön- 
lichkeit tritt  auf,  die  nicht  in  ihren  Charaktereigenschaften  mit  festen 
Strichen  gezeichnet  wird.  Besonders  glänzend  sind  die  ethischen  Porträts, 
welche  Ammian  von  den  Kaisern  entworfen  hat.  Sie  folgen  regelmässig 
der  Erzählung  von  ihrem   Tode  und   ziehen   die  Summe  ihres   Lebens.*) 


*)  Amm.  28,  4,  14  quidam  detestantes  ut 
venena  doctrinas,  luvenalem  et  Marium  Maxi- 
mum curatiore  studio  le^nt,  nülla  volumina 
praeter  haec  in  profunda  otio  contrectantes. 
So  sagt  er  14,  6,  1  von  Orfitus:  spUndore 
Uberalium  doctrinarum  minus  quam  nohilem 
decuerat  institutus. 

*}  Amm.  30,  4,  17  et  si  in  circulo  docto- 
rum  auctoris  veteris  inciderit  nomen,  piscis 


aut  edulii  peregrinum  esse  voeahulum  arhi- 
trantur, 

»)  Vgl.  z.  B.  18,  7. 

^)  Amm.  26,  1,  14  victura  Roma  adiu- 
mento  numinis  divini.  Besonders  intereflsant 
ist  die  Schilderang  des  Besuches  des  Kai- 
sers Gonstantias  in  Rom  (16,  10). 

')  Mommsen,  Hermes  16  (1881)  p.6$5f. 

^)  Bddinger,  Amm.  Marc.  p.  88. 


Ammianns  Maroellinus.    (§  809.) 


93 


Sind  sie  auch  nach  einer  bestimmten  Schablone  gearbeitet,^)  so  folgen 
wir  doch  mit  der  grössten  Spannung  den  Pinselstrichen  des  grossen 
Sittenmalers.  Auch  die  Fülle  der  Ereignisse,  die  sich  überwiegend  im 
chronologischen  Rahmen  hält,*)  übt  einen  eigentümlichen  Reiz  auf  den 
Leser  aus;  nirgends  gähnt  uns  Langweile  entgegen;  überall  gewahren  wir 
das  persönliche  Interesse  des  Autors,  der  Liebe  und  Hass  gleichmässig 
nach  Verdienst  austeilt.  Die  Partien,  in  denen  Ammian  uns  von  seinen 
eigenen  Lebensschicksalen  berichtet,  erreichen  mitunter  die  Spannung  des 
Romans.  Uneingeschränktes  Lob  muss  der  historischen  Zuverlässigkeit 
und  Objektivität  gespendet  werden;  wir  können  unserem  Historiker  kaum 
eine  wissentliche  Entstellung  der  Wahrheit  nachweisen ;  mit  Recht  hat  er 
am  Schlüsse  seines  Werkes  auf  seine  Wahrheitsliebe  hingewiesen.  Er 
bewundert  Julian,  allein  dies  hält  ihn  nicht  ab,  auch  dessen  Fehler  und 
Missgriffe  scharf  zu  rügen.  Seine  ruhige  Objektivität  tritt  auch  in  den 
religiösen  Anschauungen  zu  Tage,  welche  hier  etwas  eingehender  erörtert 
werden  sollen.  Die  Glaubenskämpfe,  die  damals  den  Erdkreis  aufregten, 
spielen  bei  ihm  nicht  die  Rolle,  die  man  erwarten  könnte.  Er  erkannte 
zwar  den  hohen  Wert  der  christlichen  Weltanschauung  und  nennt  die 
Religion  der  Christen  frei  und  einfach,  er  weist  auf  den  milden  Charakter 
derselben  hin,  er  streift  den  Heldenmut  der  Märtyrer,  allein  den  religiösen 
Streitigkeiten  schenkt  er  nur  insofern  Beachtung,  als  sie  mit  dem  öffent- 
lichen Literesse  in  Widerstreit  kommen.  So  ist  er  nicht  gut  auf  die 
Synoden  zu  sprechen,  weil  durch  das  Hin-  und  Hereilen  der  Bischöfe  das 
Ileichspostwesen  gestört  wird.  Auch  an  den  Kämpfen  um  den  Bischofs- 
stuhl in  Rom  konnte  er  nicht  mit  Stillschweigen  vorübergehen;  in  der 
Schilderung  dieser  Zwistigkeiten  stellte  er  dem  weltlichen  Leben  des 
römischen  Klerus  das  einfache  und  sittenstrenge  der  Provinzialbischöfe 
gegenüber.  Aus  verschiedenen  Aeusserungen  geht  hervor,  dass  Ammian 
in  religiösen  Dingen  tolerant  war;  er  verargt  es  daher  dem  Kaiser  Julian, 
dass  dieser  die  Christen  von  den  Lehrstühlen  ausgeschlossen  wissen  wollte. 
Nur  steht  ihm  das  öffentliche  Wohl  höher  als  das  religiöse  Bekenntnis. 
Was  die  eigentliche  religiöse  Anschauung  Ammians  betrifft,  so  gewinnen 
wir  kein  völlig  klares  Bild  von  derselben  aus  seinem  Werke.  Es  ist  dies 
auch  leicht  erklärlich,  da  der  Historiker  mit  philosophischen  Dingen  zw£^r 
vertraut,  aber  doch  kein  philosophischer  Kopf  ist.  So  viel  steht  fest,  dass 
die  antike  Qötterwelt,  wie  aus  den  rationalistischen  Deutungen  ersichtlich, 
keine  lebendige  Kraft  mehr  bei  ihm  darstellt.  An  ihre  Stelle  ist  ein 
göttliches  Wesen  getreten,  das  wenig  konkrete  Züge  zeigt.  Als  lebendige 
Persönlichkeiten  dagegen  erscheinen  die  Genien,  welche  den  einzelnen 
Menschen  zum  Schutze  beigegeben  sind.  Dem  Geiste*)  der  Zeit  ent- 
sprechend glaubt  Ammian  an  Vorbedeutungen;  auch  der  Glaube  an  eine 
bestimmte   Weltordnung,    an   ein   Fatum,   steht   ihm   fest.     Will   man  in 


^)  Michael,  Beiträge  zur  Charakteri- 
stik des  Amm.  Marc.  p.  232. 

*)  Nor  im  letzten  Teil  tritt  die  Chrono- 
logie sehr  znrftck. 

*)  Vgl.  Anun.  23,  1,  7  super   his   alia 


quoque  minora  signa  subinde  quid  accideret 
oatendebant;  vgl.  auch  noch  27,  3,  1.  Für 
den  Aberglauben  Ammians  ist  die  Stelle  28, 
1,  42  bezeichnend:  scopae  florere  sunt  visae, 
quibus  nobüitatis  curia  mundabatur. 


94  Ammianiui  XaroellinnB.    (§  809.) 

einem  Stichwort  die  religiösen  Anschauungen  Ammians  zusammenfassen, 
so  dürfte  « neutraler  Monotheismus''  ^)  der  beste  Ausdruck  sein.  Kehren 
wir  nach  dieser  Abschweifung  zur  Beurteilung  der  Gteschichte  Ammians 
zurück.  Ammian  will  Historiker,  nicht  Redner  sein.  Und  er  hat  die 
Historie  nicht  der  rhetorischen  Mache  überantwortet.  Beden,  die  fast 
durchweg  an  die  Soldaten  sich  richten,  sind  im  Ganzen  sparsam  ein- 
geschoben ;  im  letzten  Teil  des  Werkes,  wo  der  Autor  sichtlich  zum  Ende 
eilt,  hat  er  sie  vom  28.  Buche  an  weggelassen.  Diese  Beden  sind  im 
wesentlichen  das  geistige  Produkt*)  Ammians;  sie  treten  bei  passenden 
Situationen  zu  Tage  und  sind  gut  aus  denselben  heraus  entwickelt.  Auch 
in  den  Schlachtbeschreibungen  stellt  sich  uns  nicht  ein  Bhetor,  sondern 
ein  sachkundiger  Militär  dar. 

Hatten  wir  bisher  nur  Günstiges  zu  verzeichnen,  so  muss  unser  Urteil 
anders  lauten,  wenn  wir  die  Exkurse  und  die  historischen  Beispiele,  mit 
denen  die  Darstellung  geschmückt  werden  soll,  ins  Auge  fassen.  Ammian 
zeigt  hier  eine  unechte  Gelehrsamkeit')  am  unrechten  Orte.  Er  breitet 
ein  Wissen  aus,  das  er  sich  aus  Büchern  geholt;  mit  Bedauern  müssen 
wir  sehen,  wie  oft  er  strauchelt  und  in  Albernheiten  gerät.  Noch  mehr 
verletzt  den  Leser  die  ungeschickte  Art,  mit  der  diese  Abschweifungen 
ihm  aufoktroyiert  werden.  Auch  die  historischen  Beispiele  und  Analogien 
wirken  meist  störend^)  und  enthalten,  da  sie  in  der  Begel  aus  dem  Ge- 
dächtnisse^) stammen,  Irrtümer.^)  Auch  die  sprachliche  Darstellung  trübt 
das  Bild  des  Autors.  Bei  der  Beurteilung  derselben  muss  man  im  Auge 
behalten,  dass  Ammian  als  ein  geborener  Grieche  sein  Geschichtswerk 
schreibt.  Wenn  ihm  auch  das  Latein  als  die  offizielle  Sprache  des  Heeres 
geläufig  war,  so  besass  er  damit  noch  nicht  die  Fertigkeit,  das  Latem 
auch  in  Form  der  Schriftsprache  zu  handhaben;  diese  Fertigkeit  hat  sich 
Ammian  aus  vielen  lateinischen  Büchern  anzueignen  gesucht.  Seine  Phra- 
seologie ist  aus  lauter  Reminiscenzen  aufgebaut,  wie  sie  nur  ein  gutes 
Gedächtnis  an  die  Hand  geben  kann.  Der  Einwirkung  Ciceros,  des  Tacitns, 
Gellius  und  anderer  Autoren  begegnet  man  allenthalben;  dadurch  wird 
sein  Wortschatz  buntscheckig,  weil  derselbe  aus  den  verschiedensten  Ele- 
menten sich  zusammensetzt.  Aber  auch  die  Spuren  des  Lagerlebens  sind 
nicht  ganz  verwischt;  inkorrekte  Formen  und  Missbildungen  erinnern  oft 
sehr  an  die  Vulgärsprache.  Das  Griechentum  des  Verfassers  leuchtet  ans 
vielen  Wendungen  und  Konstruktionen  hervor.')  Die  Rede  Ammians  geht 
dem  Einfachen  und  Schlichten  aus  dem  Wege.  Da  sein  GeschichtsweiiL 
zu  Recitationen  verwendet  wurde,  musste  er  natürlich  nach  Mitteln  suchen, 
seine  Zuhörer  zu  reizen  und  zu  fesseln.    Solche  Mittel  *)  hatte  die  Bhetorik 


M  Witte  p.  59.  j  (25,  3,  8)  Epaminondas  herangezogen. 

*)  Schon  aus  den  Worten  docente  anti-  ')  Doch  vgl.  16,  7,  8  cui  spadanum  w- 

guttäte  (21,  13,  13)  erkennt  man  den  Amm.;  '  terum  hunc   comparare  debeam  antiquUata 

vgl.  Michael  1.  c.  p.  233.  i   replicando  complures  invenire  non  potui. 

»)  Mommsen,  Hermes  16  (1881)  p.  635.  «)  Michael  p.  234  u.  p.  235. 

*)  Man  vgl.  die  Beispiele,   die  30,  8,  4  ,  ')  Belehrende   Beispiele   bei    Norden, 

in     die    Charakteristik    Valentinians    einge-      Antike  Eunstprosa  p.  648. 
schaltet  sind;   ebenso   angeschickt  wird  bei  ^)  Allitteration  bei  Petschenig,  PhiloL 

der  Erzählung  von  der  Verwundung  Julians  ;   56  (1897)  p.  556  f. 


AmmianQB  Maroellinns.    (§  809.)  95 

seiner  Heimat  und  seiner  Zeit  in  Fülle  ausgebildet,  und  mancher  Schil- 
derung seines  Geschichtswerkes  sieht  man  es  an,  dass  ihr  Verfasser  die 
rhetorische  Technik  inne  hat.  Kühne  Metaphern  durchblitzen  die  Dar- 
stellung;^) Vergleiche,  meist  aus  dem  Tierleben  entnommen,')  sind  mit 
reicher  Hand  ausgestreut.  Die  Wortstellung  ist  eine  durchaus  gespreizte, 
da  sie  das  Zusammengehörige  auseinanderreisst  und  damit  allerdings  nicht 
selten  einen  wohlklingenderen  Rhythmus  erzielt.')  Durch  Häufung  der 
Worte  und  Einschachtelung  von  Nebenbestimmungen  werden  die  Perioden 
überladen  und  dunkel;  er  will  durch  das  Ungewöhnliche  wirken.  Der  Stil 
Ammians  ist  ein  bizarrer,  aber  doch  im  Ganzen  ein  origineller.  Auch  in 
dieser  wunderlichen  Mischung  gewahren  wir  die  siegreiche  Kraft  des, 
Geistes.  Die  schwerverständliche  Darstellung  Ammians  hat  seiner  Ver- 
breitung Eintrag  gethan;  citiert  wird  er  nur  einmal  von  dem  Grammatiker 
Priscian,  benutzt  und  stilistisch  nachgeahmt  von  Cassiodor.^) 

Zeugnisse  des  Autors  über  seine  Geschichtschreibung,  a)  Glaubwürdig- 
keit. 81,  16,  9  bezeichnet  Amm.  seine  Geschichte  als  optts  veritatem  professum  numquam, 
ui  arbiträr,  seiens  süentio  ausus  carrumpere  vel  mendacio,  scribant  reliqua  potior  es,  ctetate 
doctrinisque  florentes.  quoa  id,  si  Itbuerit^  adgressuros,  procudere  Hnguaa  ad  maiores  moneo 
9tüo8.  15,  10,  2  super  quibus  conperta  paulo  postea  referemus.  16,  1,2  sagt  er,  als  er  zu 
Julian  kommt:  singula  »erie  progrediente  monstrabOy  instrumenta  otnnia  mediocris  ingenii, 
«t  svffeeerint,  commoturus.  21,  o,  4  si  famae  solius  admütenda  est  fides.  27,  9,  4  et  quo- 
niam  adest  Über  locus  dicendi  quae  sentimus,  aperte  loquimur.  28,  1,  2  ac  licet  ab  hoc 
textu  cruento  gestorum  exquisite  narrando  iustus  me  retraheret  metus  multa  reputantem  et 
varia,  tarnen  praesentis  temporis  modestia  fretus^  carptim  ut  quaeque  memoria  digna  sunt, 
eseplanabo,  nee  pigebit,  quid  ex  his,  quae  apud  veteres  aceiderint,  timuerim,  docere  succincte. 
18,  6,  23  cum  nos  eauti  vel,  ut  verius  dixerim,  timidi  nihil  exaggeremus  praeter  ea  quae 
fidei  testimonia  neque  incerta  monstrarunt. 

ß)  Gegen  die  kleinliche  Geschichtsschreibung.  26,  1,  1  eonvenerat  iam  re- 
ferre  a  noiioribus  (die  jüngsten  Ereignisse)  pedem,  ut  et  pericula  declinentur  veritati  saepe 
c&ntigua,  et  examinatores  contexendi  operis  deinde  non  perferamus  intempestivos,  strepentes 
ut  Ulssos,  si  praeteritum  sit,  quod  locutus  est  imperator  in  cena,  vel  omissum  quam  ob  causam 
gregarU  milites  coerciti  sunt  apud  signa,  et  quod  non  decuerat  in  descriptione  multiplici 
regionum  super  exiguis  süere  castellis,  quodque  cunctorum  nomina,  qui  ad  urbani  praetoris 
officium  convenere,  non  sunt  expressa,  et  similia  plurima  praeceptis  historiae  dissonantia, 
discurrere  per  negotiorum  celsitudines  adsuetae,  non  humilium  minutias  indagare  causarum. 
27,  2,  11  praeter  haec  alia  multa  narratu  minus  digna  conserta  sunt  proelia  per  tractus 
varios  Galliarum,  quae  superfiuum  est  explicare,  cum  neque  operae  pretium  aliquod  eorum 
habuere  proventus,  nee  historiam  producere  per  miniUias  ignobiles  decet.  28,  1,  15  et  quo- 
niam  existimo,  forsitan  aliquos  haec  lecturos,  exquisite  scruiando  notare,  strepentes  id  actum 
esse  prius,  non  illud,  aut  ea,  quae  viderint  praetermissa:  hactenus  faciendum  est  satis  quod 
non  omnia  narratu  sunt  digna,  quae  per  squalidas  transiere  personas,  nee  si  fieri  fuisset 
necesse,  instruetiones  vel  ex  ipsis  tabulariis  suppeterent  publicis.  29,  1,  24  summatim  quia 
nos  penitissima  gestorum  memoria  fugit,  quae  recolere  possumus  eoepeditius  absolvemus. 
81,  5,  10  et  quoniam  ad  hos  partes  post  multiplices  ventum  est  actus^  id  lecturos  —  siqui 
erunt  umquam  —  obtestamur,  nequis  a  nobis  scrupulose  gesta  vel  numerum  exigat  peremp- 
torum,  qui  conprehendi  nullo  genere  potuit.  sufficiet  enim,  veritate  nuUo  velata  mendacio, 
ipsas  rerum  digerere  summitates:  cum  explicandae  rerum  memoriae  ubique  debeatur  inte- 
gritas  fida.  14,  9,  9  quae  singula  narrare  non  refert,  ne  professione  modum,  quod  evitandum 
est,  excedamus, 

y)  Anordnung  des  Stoffes.  26,  5,  15  quia  igitur  uno  eodemque  tempore  tUrubique 
turbines  exarsere  maestissimi,  competenti  loco  singula  digeremus,  nunc  partem  in  Oriente 
gestorum,  deinde  bella  barbarica  narraturi,  quoniam  pleraque  et  in  occidentali  et  in  eoo 
orbe  isdem  tnensibus  sunt  actitata,  ne  dum  ex  loco  subinde  saltuatim  redire  festinamus  in 

^)  Norden  1.  c.  p.  647.  I  Jordanem   et  Cassiodoriam  intercedat  com- 

»)  Michael  p.  288.  ment.,  Dorpat  1858,  p.  31.    Ueber  die  Frage, 

•)  Gutschmid,  Kl.  Sehr.  5  p.  583  ver-  ob  Ammian  vom  Anonymus  Valesii  benutzt 

gleicht  Amm.  mit  Grimm  eishausen.  ist,  vgl.  unten  §  810  p.  100. 

*)  Vgl.  Schirren,  De  ratione  quae  inter  | 


96  AmmiannB  Xaroellinus.    (§  809.) 

locum,  omnia  confundentes  aqualidüaie  maxima  rerum  ordines  inplicemus.  29,  5,  1  abhinc 
tnter  ....  proximo  haec  narratione  disseri  cantinua  pUicuit,  ne,  dum  negaüis  longe  di$creti$ 
et  locis  alia  subseruntur,  cognitio  multiplex  neces9ario  confundatur, 

Verhältnis  Ammians  znm  Christentum  und  zur  Religion,  a)  21,  16,  18  sagt 
Amm.  von  Constantius:  Christianam  religionem  absolutam  et  simplieem  anili  »uper- 
$titione  confundens.  22,  11,  5  ist  von  dem  Bischof  Georgius  von  Alezandrien  die  Bede  und 
von  ihm  gesagt:  professionisqus  8uae  oblitus,  quae  nihil  nisi  iuftum  suadet  et  fene,  22, 11, 10 
deviare  a  religione  compulsi  pertulere  crucidbiles  poenas,  ad  usque  glorio9am  tnortem  in- 
temerata  fide  progressi,  et  nunc  martyres  appellantur.  In  einem  Ebckurs  Aber  Aegjptea 
sagt  er  22,  16,  22  ex  his  Jesus  (dieses  Wort  ist  richtig  hinzugefügt  von  Gutschmid;  vgl 
Kl.  Sehr.  5  (1894)  p.  576)  fontibus  per  sublimia  gradiens  sermonum  ampliiudine  Jorü 
aemulus  non  visa  Aegypto  milüavit  sapientia  gloriosa;  vgl.  Büdinger  p.  15.  22,  10,7 
heisst  es  von  Julian :  illud  erat  inclemens,  obruendum  perenni  siUntio,  quod  arcebat  doetrt 
magistros  rhetoricos  et  grammaticos  ritus  christiani  cuUares;  vgl.  25,  4,  20.  80,  9,  5  sagt 
er  in  der  Charakteristik  Valentinians:  hoc  moderamine  principatus  inelaruit  quod  inttr 
religionum  diversitates  medius  stetit  nee  quemquam  inquietapit  neque,  ut  hoc  coleretur,  im- 
peravit  aut  illud:  nee  interdictitt  minacibus  subiectorum  cervicem  dtd  id,  quod  ipse  eoluü, 
inclinabat,  sed  intemeratas  reliquit  has  partes  ut  repperit.     14,  9,lut  appeUant  Christiani; 

15,  7,  7  synodus  ut  appellant;  vgl.  31,  12,  8.  Ueber  das  Verhältnis  des  ConatanüiiB  zu  Atlu- 
nasins  und  Liberius  vgl.  15,  7,  6—10.  Ueber  den  Kampf  des  Damasus  und  Uninus  um 
den  bischöflichen  Stuhl  in  Rom  vgl.  27,  3,  12;  hierbei  wird  das  ttppige  Leben  der  römischen 
Geistlichkeit  in  Gegensatz  zu  dem  strengen  Leben  der  Provinzialgeistlichkeit  gestellt.  Ueber 
die  Vertreibung  des  Ursinus  vgl.  27,  9,  9.  ß)  17,  7,  12  Neptunum  umentis  substantiat  pote- 
statem  Ennosigaeon  et  Sisichthona  poetae  veteres  et  theologi  nuncuparunt.  16,  5,  5  {JuHanui) 
occulie  Mercurio  supplicabat,  quem  mundi  velociorem  sensum  esse,  motum  mentium  susd- 
tantem  theologicae  prodidere  doctrinae.  21,  14,  3  ferunt  theologi  in  lucem  editis  hominilm 
cunctis  salva  firmitate  fatali  huitis  modi  quaedam  velut  actus  reetura  numina  80ciari;  (§  5) 
itidem  ex  sempiternis  Homeri  carminibus  intellegi  datur,  non  deos  caelestes  cum  viHs  fortÜbm 
conlocutos  nee  adfuisse  pugnantibus  vel  iuvisse,  sed  familiaris  genios  cum   isdem  versatot. 

16,  12,  13  salxUaris  quidam  genius praesens  ad  dimicandum  eos,  dum  adesse  potuit,  ineitabat; 
vgl.  20,  5,  10  und  25,  2,  3.  19,  10,  4  divini  arbitrio  numinis,  quod  auxit  ab  incunabulii 
Romam  perpetuamque  fore  respondit,  19,  12,  20  naseuntur  huius  modi  saepe  partenta  tWt- 
cantia  rerum  variarum  eventus,  quae  quoniam  expiantur,  ut  apud  veteres  puiliee,  inaudita 
praetereunt  et  incognita,  21,  1,  9  rolatus  avium  dirigit  deus  ....  amat  enim  berngniiat 
numinis,  seu  quod  merentur  homines  seu  quod  tangitur  eorum  adfectione,  his  quoque  artibus 
prodere  quae  impendent.  16,  1,  1  fatorum  ordine  contexto  versante  Caesar  apud  Viemnam. 
16,  1,  4  videtur  lex  quaedam  pitae  melioris  hunc  iuvenem  a  nobilibus  eunis  ad  usque  spiri- 
tum  comitata  supremum.  23,  5,  5  nulla  vis  humana  vel  virtns  meruisse  umquam  poimt, 
ut  quod  praescripsit  fatalis  ordo  non  fiat. 

Litteratur.  Cart,  Quaest.  Amm.,  Berlin  1868,  p.  23;  Gimazane,  Animien  Mar- 
cellin.,  Bordeaux  1889,  p.  67;  Witte,  Ammianus  Marcellinus  quid  iudicaverit  de  rebus 
divinis,  Jena  1892;  Bttdinger,  Ammianus  Marcellinus  p.  10;  Gutschmid,  Kl.  ScJir.  5 
(1894)  p.  575. 

Reden  und  Briefe.  14,  10,  11  Rede  des  Constantius  an  das  Heer,  um  den  Frieden- 
schluss  mit  den  Alamannen  zu  empfehlen. 

15,  8,  5  Rede  des  Kaisers  Constantius  an  das  Heer,  um  Julian  als  Caesar  zu  pro- 
klamieren. 

16,  12,  9  Rede  Julians  an  das  Heer  vor  der  Schlacht  bei  Strassburg. 

17,  5,  3  und  17,  5,  10  £in  beleidigender  Brief  Sapors  und  die  Antwort  des  Gonstantnis. 
17,  13,  26  Rede  des  Constantius  nach  dem  sarmatischen  Krieg. 

20,  5,  3  Rede  Julians  an  die  Soldaten,  die  ihn  zum  Augustus  ausgerufen  hatten. 

20,  8,  5  Schreiben  Julians  an  den  Kaiser  über  die  Vorgänge  in  Paris. 

21,  5,  2  Rede  Julians  an  die  Soldaten  vor  seinem  Abfall  vom  Kaiser  ConstanthiB. 
21,  13,  10  Rede  des  Constantius  an  die  Soldaten,  um  den  Abfall  Juliana  vom  SLaiser 

zu  verkünden. 

23,  5,  16  Anrede  Julians  an  die  Soldaten  über  den  persischen  Feldzug. 

24, 3,4  Rede  Julians  an  seine  Soldaten,  die  mit  dem  Geldgeschenk  nicht  zufrieden  waren. 

25,  3,  15  Kurze  Anrede  Julians  an  die  Umstehenden  vor  seinem  Tode. 

26,  2,  6  Rede  des  zum  Augustus  proklamierten  Valentinian. 

27,  6,  12  Valentinian  stellt  in  einer  Rede  an  seine  Soldaten  seinen  Sohn  Gratian  als 
Mitregenten  vor. 

Vorbilder.  Das  Werk  Ammians  schloss  sich  an  die  Historien  des  Tacitns  an. 
Schon  daraus  lässt  sich  vermuten,  dass  er  in  diesem  Historiker  sein  Vorbild  erblickte.  Und 
in  der  That  können  wir,  trotzdem  Tacitus  in  den  erhaltenen  Büchern  Ammians  niemals  ge- 


AmmiannB  Maroellinns.    (§  809.)  97 

nuint  wird,  den  Einfiuss  des  grossen  Historikers  auf  Ammian  nachweisen.  Alle  Schriften 
des  Tacitos  sind  henntzt,  ausgenommen  der  Dialog.  Am  meisten  sind  sprachlich  die  Hi- 
storien, welche  Ammian  fortsetzte,  ausgebeutet  worden.  Besonders  in  den  Anf&ngen  einiger 
Bücher  erkennt  man,  wie  Ammian  sein  Vorbild  kopiert;  vgl.  Büdinger,  Amm.  Marc.  p.  4. 
Auch  in  seinen  Charakteristiken  der  verstorbenen  Kaiser  schwebten  ihm  die  gleichartigen 
Sdiildemngen  des  Tacitus  als  Muster  vor;  vgl.  Büdinger  p.  33.  Wie  Sallust  auf  den 
Idstorischen  Stil  des  Tacitus  eingewirkt  hat,  so  zeigen  sich  auch  Spuren  der  sallustischen 
Diktion  bei  Ammian.  Hertz  (De  Amm.  Marc.  stud.  Sallust.)  sucht  zu  zeigen,  dass  Ammian 
die  Historien  Sallusts  ganz  gelesen  (p.  13);  femer,  dass  er  auch  den  Jugurtha  benutzt  habe 
(^  15),  wfthrend  ein  Studium  des  Catilina  sich  nicht  nachweisen  lasse  (p.  16);  vgl.  noch 
die  Zusammenfassung  p.  16  und  vor  ihm  Gardthausen,  Coniectanea  Amm.,  Kiel  1869, 
p.  36.  Besondere  Zuneigung  hegt  Ammian  fftr  Cicero;  derselbe  wird  an  mehr  als  30  Stellen 
Ten  ihm  citiert;  er  beruft  sich  gern  auf  ihn  als  Autorität  und  führt  deshalb  gern  Sätze 
ans  ihm  an  (vgl.  Michael  p.  6),  jedoch  auch  oft,  ohne  seine  Quelle  zu  nennen;  vgl. 
Michael  p.  7.  Auch  in  der  Phraseologie  lassen  sich  die  Spuren  Ciceros  aufiseigen;  vgl. 
Michael  p.  17.  Nächst  Cicero  ist  A.  Gellius  von  starker  Einwirkung  auf  Ammian  ge- 
wesen; in  Sachen,  Worten,  Wortverbindungen  und  Phrasen  lässt  sich  dies  erkennen;  vgl. 
Hertz,  A.  Gellius  und  Amm.  Marc.  p.  276.  Lesefrüchte  aus  anderen  Autoren  verzeichnen 
Hertz  p.  266;  Michael  (p.  3),  letzterer  z.  B.  aus  Livius  p.  4;  £.  Sehneider,  Quaest.  Amm., 
BerL  1879,  aus  Valerius  Mazimus  p.  12,  p.  34,  p.  35  u.  p.  38;  aus  Herodian  p.  44;  vgl.  auch 
Michael,  Beiträge  zur  Charakteristik  des  Anun.  Marc.  p.  237.  Hertz  zieht  aber  aus  seinen 
Beobachtungen  ganz  falsche  Schlüsse  für  die  Arbeitsweise  Ammians;  er  meint,  dass  Am- 
mian mit  einem  Zettelkasten  arbeitete  (p.  265),  dass  er  seine  erborgten  Phrasen  auf  ganz 
▼eTBchiedenartige  Dinge  anwandte  (p.  301),  dass  er  von  den  benutzten  Stellen  den  einen 
Teil  hier,  den  anderen  dort  verwertete  (p.  298),  dass  er  bei  seinen  Entlehnungen  Variationen 
ADhrachte  (p.  294)  und  sie  zu  verstecken  suchte  (p.  301),  und  kommt  schliesslich  dazu,  in 
Ammian  einen  «verschrobenen,  närrischen  Kauz**  (p.  302)  zu  erblicken.  Wer  aber  ohne  Vor- 
urteil Ammian  gelesen,  wird  leicht  zu  der  Ueberzeugung  kommen,  dass  der  Historiker  zu 
bedeutend  ist,  um  in  solcher  mechanischer  Art  zu  arbeiten.  Das  Richtige  ist,  dass  Ammian 
auf  Grund  der  eingehendsten  Lektüre  eine  Masse  Reminiscenzen  im  Kopfe  hat,  die  er  natür- 
lich unbewusst  verwertete;  vgl.  Mommsen,  Hermes  16  (1881)  p.  635  Anm.;  Michael, 
Beiträge  zur  Charakteristik  des  Amm.  Marc  p.  239;  Büdinger,  Amm.  Marc.  p.  32. 

Litteratur  über  die  Vorbilder  Ammians.  Michael,  De  Ammiani  Marcellini 
stndiia  Ciceronianis,  Breslau  1874;  M.  Hertz,  A.  Gellius  und  Amm.  Marc.  (Hermes  8  (1874) 
p.  257)  =  Opusc.  Gell.,  Berl.  1886,  p.  146;  De  Ammiani  Marcellini  studiis  Sallustianis  (Ind. 
lect,  Breslau  1874);  H.  Wirz,  Ammians  Beziehungen  zu  seinen  Vorbildern  Cicero,  Sallustius, 
Livius,  Tacitus  (Piniol.  36  (1877)  p.  627);  A.  Gerber,  Reminiscenzen  bei  Amm.  aus  Tacitus 
bei  Wulff lin  (Philol.  29  (1870)  p.  559).  Ueber  das  Verhältnis  zwischen  Velleius  und  Amm. 
iQSsert  sich  im  negativen  Sinn  Elebs,  Philol.  49  (1890)  p.  310  Anm.  Ueber  Florus  vgl. 
Norden,  Die  antike  Eunstprosa,  Leipz.  1898,  p.  646;  über  Apuleius  vgl.  F.  Gatscha, 
Dissert  phüol.  Vindob.  6  (1898)  p.  156. 

Stil.  Im  allgemeinen  vgl.  Valesius  in  der  Ausg.  von  Wagner  p.  LI;  Gutschmid, 
Kl.  Schi*.  5  p.  583;  Seeck  Sp.  1851;  Norden,  Antike  Eunstprosa  p.  647.  Ueber  seinen 
Wortschatz  vgl.  Liesenberg,  Die  Sprache  des  Amm.  Marc,  1.  Der  Wortschatz,  Blanken- 
btirg  1889,  II.  Syntax  und  Stil,  ebenda  1890  und  P.  Langen  (Emendationes  Amm.,  Düren 
1867),  der  die  bei  Ammian  allein  vorkommenden  WOrter  verzeichnet  (p.  5);  Schi c kinger, 
Die  Graecismen  des  Amm.  Marc,  Nikolsb.  1897;  vgL  eine  Einschränkung  bei  Elebs,  Philol. 
47  (1889)  p.  76;  einige  leitende  Gesichtspunkte  bei  Norden  p.  648.  Ueber  sachliche  Wieder- 
holungen handelt  Gardthausen,  Coniectanea  Amm.,  Eiel  1869,  p.  23;  Michael,  Beitr.  zur 
Charakteristik  des  Amm.  Marc.  p.  238.  Ueber  phraseologische  Wiederholungen  vgl.  Hertz, 
Hermes  8  (1874)  p.  269.  Ueber  die  Eonstruktionen  mit  quod  statt  des  Acc  m.  Inf.  vgl. 
Reiter,  De  Amm.  Marc,  usu  orationis  obliquae,  Würzb.  1887,  p.  41. 

Ueberlieferung.  Die  Frage  über  die  handschriftliche  Grundlage  des  Ammian 
war  längere  Zeit  Gegenstfmd  eingehender  Erörterungen,  an  denen  sich  besonders  Mommsen, 
Gardthausen,  Nissen  und  Rühl  beteiligten.  Es  handelt  sich  zunächst  um  zwei  Hand- 
schriften, um  einen  codex  Hersfeldensis  und  einen  Fuldensis;  der  letztere  ist  uns  noch  er- 
halten; er  kam  durch  Poggio  nach  Italien  vor  dem  Jahre  1417;  vgl.  den  Fundbericht  Poggios 
bei  Gardthausen,  Praef.  p.  XVII ;  Mai,  Spicileg.  rom.  X  p.  811;  Voigt,  Wiederbelebung 
des  klass.  Altertums  1*  (Berl.  1880)  p.  244.  Diese  Handschrift  befindet  sich  jetzt  unter 
Nummer  1873  im  Vatican;  über  die  Zeit  des  Vatic.  vgl.  Nissen  p.  18;  Facsimile  bei 
Chatelain,  Pal^ogr.  des  class.  latins,  Paris  1894-1900.  II  partie  pl.  195.  Von  dem  Hers- 
feldensis wussten  wir  bisher,  dass  Gelenius  ihn  bei  der  Herstellung  der  Basler  Frobenschen 
Ausg.  1533  benutzt  hatte.  Ein  glücklicher  Zufall  wollte,  dass  von  diesem  verschollenen  Codex 
noch  6  Blätter  von  Eoenneckeim  Archiv  von  Marburg  aufgefunden  wurden.    Sie  stamm« 

Handbuch  der  klMP.  ▲ItertamMwiflsemchAft.   VIII,  4.  7 


98  AmmiannB  lUroellinnB.    (§  809.) 

aus  Friedewald  im  Hersfeldischen,  wo  sie  als  Aktenrnnschläge  verwendet  worden.  Die 
6  Blätter  enthalten:  2.%  6,  37-45;  28,  4,  21—6,  5;  30,  2,  5-4,  2.  Sie  wurden  heransgegebes 
und  umsichtig  besprochen  von  H.  Nissen  im  Jahre  1876;  Aber  die  Zeit  dieser  Fragmente 
gehen  die  Ansichten  der  Forscher  auseinander;  vgl.  p.  16;  Rühl,  Fleckeis.  Jahrb.  113  (1376) 
p.  789.  Die  Frage  ist  nun  die,  ob  der  Fuldensis  aus  dem  Hersfeldensis  abgeschrieben  ist; 
Eysenhardt  (Ausg.  praef.  p.  IY)>  Gardthausen  und  Rtthl  (I.  c.  p.  792)  nehmen  eine  gt- 
meinsame  Quelle  für  neide  Handschriften  an.  Haupt  ((>puBC.  2  (1876)  p.  375),  Mommsea 
(Hermes  6  (1872)  p.232)  neigen  sich  zu  der  Annahme,  aass  derFuldenaiB  aus  dem  HerBfddeoai 
abgeschrieben  ist.  Bestimmt  spricht  diese  Ansicht  Nissen  p.  19  aus;  in  ebenso  beaUiumUr 
Weise  bestreitet  Rühl  (Fleckeis.  Jahrb.  113  (1876)  p.  799)  die  Abh&ngigkeit  des  Fuldenw 
vom  Hersfeldensis,  indem  er  sich  auf  zwei  Weglassungen  (29,  6,  11 ;  30,  8,  5)  stützt,  welch» 
gleichen  Umfang  einnehmen.  Doch  ist  die  Entscheidung  dieser  Frage  nicht  von  eriieblidur 
Wichtigkeit,  da  die  Hei^tellung  des  Hersfeldensis  aus  der  Ausg.  des  Oelenius  mit  be- 
sonderen Schwierigkeiten  verknüpft  ist  und  sichere  Resultate  oft  ^ar  nicht  erzielt  werdet 
können;  vgl.  Nissen  p.  28;  es  wird  sonach  immer  der  Fuldensis  miser  Führer  b  der 
Ammiankritik  sein  müssen.  Eine  zweite  Frage,  welche  die  Ammiankiitiker  beschäftigte, 
ist  die,  ob  ausser  dem  Hersfeldensis-Fuldensis  noch  ein  Strom  der  Ueberlieferong  f&r  Am- 
mian  fliesst.  Von  Gardthausen  wird  diese  Frage  bejaht.  Er  legt  neben  dem  Vaticams- 
Fuldensis  auch  der  verstümmelten  Klasse,  der  die  Bücher  27 — 31  fehlen,  kritischen  Wert 
bei  und  betrachtet  als  deren  Hauptreprftsentanten  den  codex  Petrinus  im  Archiv  der  Peter»- 
kirche  zu  Rom;  vgl.  Praef.  p.  XVIIl:  Neque  solus  c.  Petrinus  verum  etiam  archetypii 
huius  classis  scripti  sunt  eo  tempore  quo  c.  Vaticano-Fuldensis  latnit  in  «silvis  Germaniae'. 
Nissen  dagegen  schreibt  p.  24:  Si  integer  ezstaret  codex  Marburgensis  (i.  e.  Hersfeldensis), 
reliqui  Codices  omnes  abiciendi  essent.  Ebenso  hält  Seeck  (Panly-Wissowas  BealencjcL 
Sp.  1852)  den  Hersfeldensis  für  die  einzige  Textesquelle  Ammians  und  glaubt,  dass  alle  ttbr^ei 
Ausg.  und  Handschriften  auf  den  Fuldensis  zurückgehen.  Dass  neben  dem  HersfeldennS' 
Fuldensis  noch  eine  Quelle  anzunehmen  ist,  erscheint  wenig  wahrscheinlich;  vgL  Mommsen, 
Hermes  7  (1873)  p.  91.  Nach  brieflicher  Mitteilung  gibt  jetzt  Gardthausen  den  Petrinoi 
auf  und  will  ihn  durch  die  Lesarten  der  Ausg.  des  Accursius  ersetzt  wissen.  Die  ganze  Fr^» 
über  die  Ueberlieferung  Ammians  bedarf  noch  einer  neuen,  abschliessenden  Untersnchiug. 

Litteratur  zur  Ueberlieferung  Ammians.  M.  Haupt,  Opusc.  2  (1876)  p.  371; 
Gart,  Revue  critique  (lieber  die  französ.  Handschr.)  1870  p.  118;  Gardthausen,  Die 
Handschr.  des  A.  M.  (Fleckeis.  Jahrb.  103  (1871)  p.  829);  Th.  Mommsen,  üeber  den  kiit 
Apparat  zu  A.  (Hermes  6  (1872)  p.  231);  Gardthausen,  Wie  und  wann  kam  der  Fuldensis 
des  A.  M.  in  den  Vatican?  (Hermes  6  (1872)  p.  243);  Mommsen,  Weiteres  über  den 
Apparat  zu  A.  (Hermes  7  (1873)  p.  91);  Gardthausen,  Die  A mmianhandschiift  des  Ac 
cursius  (Hermes  7  (1873)  p.  168);  Mommsen,  Ueber  die  Anmiianhandschrift  des  Accursiitt 
(Hermes  7  (1873)  p.  171);  vgl.  dagegen  Rühl,  Rhein.  Mus.  28  (1873)  p.  337;  H.  Nissen, 
Ammiani  Marcellini  fragmenta  Marburgensia,  Berl.  1876;  vgl.  dazu  F.  Rühl,  Fleckeis.  Jahib. 
113  (1876)  p.  789;  Mommsen,  Zur  Kritik  Ammians  (Hermes  15  (1880}  p.  244). 

Ausg.  Die  Editio  princeps  wurde  von  Angelus  Sabinus  nacn  dem  Codex  Regi> 
nensis  1994  besorgt;  vgl.  Mommsen,  Hermes  7  (1873)  p.  92;  sie  erschien  in  Rom  1474. 
Es  folgte  die  Ausg.  des  Petrus  Castellus,  Bologna  1517  (durch  Konjekturen  willkfirlidi 
entstellt).  Auf  ihr  ruht  die  Ausg.  des  Erasmus,  Basel  1518.  Bisher  waren  nur  die  Bücher 
14 — 26  bekannt;  die  letzten  5  Bücher  kamen  zuerst  hinzu  in  der  Ausg.  des  Accursias, 
Augsb.  im  Mai  1533;  der  Text  Ammians  hat  hier  eine  ganz  neue  Grundlage  erhalten;  Aber 
seine  Quelle  vgl.  Gardthausen,  Ausg.  praef.  p.  21.  In  demselben  Jahre  (vgL  das  (je- 
nauere  bei  Nissen  p.  25)  trat  auch  die  Ausg.  des  S.  Geleniusim  Corpus  der  lat.  Historiker 
zu  Basel  bei  Frohen  im  Juli  ans  Licht;  in  derselben  war  der  Hersfeldensis  benutzt.  Von  den 
folgenden  Ausg.  sind  zu  verzeichnen:  Gum  notis  integris  F.  Lindenbrogii,  Hamb.  1609;  die 
Ausg.  der  Brüder  Valesii  1636  und  1681 ;  die  Ausg.  des  JakobGronov,  Leiden  1693;  Sammel- 
ausg.  des  J.  A.  Wagner,  vollendet  von  Erfurdt,  Leipz.  1808.  Die  neuesten  Ausg.  sind:  Rec. 
F.  Eyssenhardt,  Berl.  1871  (in  jeder  Beziehung  ungenügend);  vgL  dazu  A.  Kiessling, 
Fleckeis.  Jahrb.  103(1871)  p.  481;  Gardthausen,  Gott.  geL  Anz.  1871p.  1801;  klttnere 
Ausg.,  Berl.  1872;  die  massgebende  Ausg.  ist  jetzt  die  Gardthausens  mit  ausgewähltem 
krit.  Apparat,  Leipz.  1874;  vgl.  dazu  Eyssenhardt,  Fleckeis.  Jahrb.  111  (1875)  p.  509  nnd 
dagegen  Gardthausen  ebenda  p.  653;  Petschenig,  Bemerkungen  zum  Texte  des  Adud. 
Marc,  Philol.  48  (1889);  49  (1890);  50  (1891);  51  (1892);  52  (1893);  56  (1897)  und  59  (1900). 
Eine  neue  Ausg.  wird  von  Gardthausen  und  von  einem  Amerikaner  Clark  vorbereitet 

Zur  Erläuterung.  Seeck,  Die  Reihe  der  Stadtpräfekten  bei  Amm.  Marc.  (Hermes 
18  (1883)  p.  289);  Reiche,  Chronologie  der  letzten  6  Bücher  des  Amm.  Marc,  Jena  1889; 
A.  Klotz,  Rhein.  Mus.  56  (1901)  p.  639  (zur  Magie). 

Uebersetzungen  von  Tross-Büchele,  Stuttg.  (Metzler);  Tross,  Ulm*  1898. 
Einzelne  auf  die  deutsche  Geschichte  bezügliche  Stücke  übers,  von  Coste,  Geschichtschreiber 
der  deutschen  Vorzeit,  Leipz.  1879. 


AnonymuB  Valesii.    (§  810.)  99 

11.  Anonymus  Yalesii. 

810.  Zwei  historische  Fragmente.  Im  Jahre  1636  erschien  hinter 
1er  Aromianausgabe  des  H.  Yalesius  ein  historisches  Fragment,  das  man 
leitdem  mit  dem  Namen  „Anonymus  Valesii''  bezeichnet.  Der  Jesuit  Jakob 
firmond  hatte  das  Fragment  in  einem  Codex  gefunden  und  dasselbe  dem 
genannten  Yalesius  mitgeteilt.  Die  Handschrift  kam  im  Jahre  1764  in 
len  Besitz  Meermanns  in  Haag,  nach  dem  sie  manchmal  auch  benannt 
wird^  und  später  1824  in  die  Bibliothek  des  Handschriftensammlers  Thomas 
Philipps  nach  England;  hier  wurde  sie  von  Georg  Pertz  entdeckt.  Seit 
L887  befindet  sich  dieselbe  in  Berlin.  Das  Fragment  zerfällt  in  zwei  Zeit- 
ibechnitte;  der  eine  umschliesst  die  Jahre  298—387,  der  andere  die  Jahre 
174 — 526.  Der  erste  Teil  bezieht  sich  auf  die  Regierung  Constantins,  der 
Bweite  besonders  auf  die  Odovacars  und  Theoderichs.  Bis  in  die  neueste 
Zeit  herein  war  man  gewohnt,  die  beiden  Teile  als  die  Arbeit  eines  Yer- 
Eassers  zu  betrachten;  allein  schon  die  Sprache  legte  dagegen  ein  Yeto 
ain.  Während  in  dem  ersten  Bruchstück  die  Sprache  des  vierten  Jahr- 
bunderts  in  verhältnismässig  reiner  Gestalt  vorliegt,  weisen  die  Barbarismen 
ies  zweiten  auf  eine  viel  spätere  Zeit  hin.  Nicht  minder  konnten  aus 
der  üeberlieferungsgeschichte  und  aus  der  ganzen  Anlage  Momente  für 
den  verschiedenen  Ursprung  der  beiden  Ueberbleibsel  abgeleitet  werden. 
Erst  nach  der  Scheidung  der  beiden  Fragmente  gewannen  die  Unter- 
suchungen über  ihren  Charakter  einen  festen  Boden.  Eine  nähere  Prüfung 
des  constantinischen  Fragments  ergab,  dass  dasselbe  von  einem  christ- 
lichen Skribenten  aus  Orosius  in  roher  Weise  interpoliert  wurde.  Nach 
Ausmerzung  dieser  Interpolationen  kann  es  nicht  mehr  zweifelhaft  sein, 
disiss  das  Bruchstück  von  einem  Nichtchristen  herrührt.  Was  den  Ur- 
sprung desselben  anlangt,  so  wird  es  einer  in  biographischer  Form  ge- 
haltenen Eaisergeschichte  entnommen  sein.  Welche  Quellen  in  dem  Werk 
benutzt  waren,  lässt  sich  aus  den  Überresten  nicht  mehr  feststellen.  Da 
der  Autor  vermutlich  Zeitgenosse  Constantins  war,  wird  ihm  auch  für 
das  Erhaltene  mündliche  Tradition  zugeflossen  sein.  Das  zweite  Frag- 
ment hat  ohne  Zweifel  zum  Yerfasser  einen  Christen,  der  heftiger  Gegner 
der  Arianer  ist.  Er  wird  dem  sechsten  Jahrhundert  angehören  und  steht 
viel  tiefer  als  der  Schreiber  des  ersten  Bruchstücks.  Bezüglich  der  Quellen 
sehen  wir  klarer  als  bei  dem  ersten  Fragment;  so  benutzte  er  die  Bio- 
graphie Severins  von  Eugippius  und  mehrere  Chroniken.  Für  die  Geschichte 
sind  beide  Fragmente  von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung. 

Ueberliefernng.  Massgebend  für  beide  Fragmente  ist  der  Berolinensis  1885  s.  IX, 
dessen  Geschicke  im  Text  erzählt  sind.  Ueber  die  Handschrift  und  ihre  verschiedenen 
Tefle  vgl.  Rflhl,  Act.  soc.  Lips.,  tom.  4  (1875)  p.  368  (über  Fragm.  II)  und  besonders 
Mommsen,  Chron.  min.  vol.  I,  Berl.  1892  (Monumenta  Germaniae  historica)  p.  3.  In 
IVagm.  II  kommt  noch  hinzu  Vaticano-Palatinus  Lat.  927  s.  XII.  Ueber  denselben  vgl. 
Bethmann,  Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichte  2  (1877)  p.  113; 
Zangemeister,  Rhein.  Mus.  30  (1875)  p.  309.  Mommsenp.  260  glaubt,  dass  diese  Hand- 
schrift durch  ein  Mittelglied  aus  dem  Berolinensis  geflossen  sei.  Der  Palatinus  hat  Zusätze 
AUS  Jordanes  erhalten. 

Die  Trennung  der  beiden  Fragmente.  Dadurch,  dass  die  beiden  Fragmente 
miteinander  publiziert  wurden,  entstand  der  Glaube,  dass  dieselben  von  einem  Verfasser 
herrührten.  Allein  schon  die  Ueberliefernng  spricht  dagegen ;  denn  das  sogenannte  2.  Frag- 
ment geht  in  der  Handschrift  dem  1.  voraus;  es  wird  eingeführt  mit  den  Worten:  item  ex 

7* 


100  ^^'  ■<>£•  HegeBippns«    (§  811.) 

libris  chronicorum  inier  cetera,  wfihrend  dem  1.  Fragment  die  Worte  voraoBgehen:  origo 
Constantini  imperatoris;  auch  Sprache  und  Tendenz  ist  in  beiden  Fragmenten  gänzlich 
verschieden.  Die  Trennung  wird  daher  jetzt  allgemein  angenommen;  vgl.  Aber  die  Frage 
besonders  Gör  res,  Zur  Kritik  des  Anonymus  y&Lesii  (FlecKeis.  Jahrb.  111  (1875)  p.  201); 
Ohnesorge,  Der  Anonymus  Valesü  de  Constanüno,  Kiel  1885,  p.  1—82;  Mommsen,  Chron. 
min.  vol.  1,  Berl.  1892,  p.  5.  Der  Einspruch  Enmanns  (Philol.  Supplementbd.  4  (1884)  p.  460j 
und  Fricks  (Zur  Textluitik  und  Sprache  des  Anonymus  Yaleaianus,  Conmient.  Woelfflinianae, 
Leipz.  1891,  p.  350)  ist  abzuweisen;  vgl.  Mommsen  1.  c.  p.  VU  und  Gipolla,  Conaideraziom 
sulle  «Getica"  di  Jordanes  e  sulle  loro  relazioni  colla  Historica  Getarum  di  Cassiodoro  Seio- 
tore  ( Bulle ttino  del  instituto  storico  Italiano  1892  p.  7 — 98).  Ohne  Scheidung  der  beiden 
Fragmente  ist  jede  Untersuchung  wertlos,  wie  dies  die  Irrwege  Pallmanns  (Geschichte 
der  Völkei-wanderung  2  p.  248  f.)  zeigen. 

Die  Interpolationen  und  Kürzungen  im  constantiniachen  Fragment 
Klebs,  Das  valesische  Bruchstück  zur  Gesch.  Constantins  (Philol.  47  (1888)  p.  65)  hat  be- 
wiesen, dass  die  gS  20,  29,  33,  34,  35  wörtlich  aus  Orosius  eingeschoben  sind  und  dass  Orosias 
zur  Bemerkung  §  8  vermutlich  Anlass  und  Stoff  gab.  Eine  verkehrte  Ansicht  über  das  Ver- 
hältnis des  Anonymus  zu  Orosius  gibt  Gör  res  p.  203;  vgl.  auch  Mommsen  p.  5.  Aach 
Verkürzungen  des  Originals  werden  von  Klebs  p.  66  angenommen. 

Ueber  Zeit  und  Individualität  des  Verfassers  der  Fragmente.  FOr 
die  Zeitbestimmung  des  constantiniachen  Fragments  ist  der  Charakter  der  Sprache  ma» 
gebend  (Klebs  p.  72);  diese  weist  aber  auf  das  4.  Jahrhundert  hin  (Klebs  p.  79);  vgl 
auch  Gör  res  p.  207.  Auch  die  Nachrichten  deuten  vielfach  auf  einen  Zeitgenoasen.  Nach 
Ausscheidung  der  christlichen  Interpolationen  zeigt  sich,  dass  der  Verfasser  nicht  CSuist 
war;  vgl.  Klebs  p.  79.  Wahrscheinlich  stammt  das  Fragment  aus  einer  biograDhisch  ge- 
haltenen, ohne  besondere  stilistische  Kunst  geschriebenen  Kaisergeschichte  (Klebs  p.  71); 
vgl.  jedoch  C.  Wagener,  Philol.  45  (1886)  p.  545.  Was  die  Quellen  desselben  (Ohne- 
sorge p.  32)  anlangt,  so  liegt  die  Sache  nach  Ausscheidung  der  christlichen  Znsätze  ein- 
fach. Es  kann  sich  nur  um  einen  nichtchristlichen  Autor  als  Quelle  handeln;  als  solchoi 
hat  man  die  verlorenen  Bücher  Ammians  hinstellen  wollen;  vgl.  Opitz,  Act.  soc.  Lipa. 
fasc.  2  (1874)  p.  257;  vgl.  dagegen  Klebs  p.  68;  eine  andere  Vermutung  bei  Wagener. 
Philol.  45  (1886)  p.  546.  Eine  bestimmte  Quelle  lässt  sich  nicht  nachweisen;  vgl.  Klebs 
p.  68.  Ueber  die  Frage  vgl.  auch  Peter,  Geschichtl.  Litt,  der  röm.  Kaiserz.  2  (1897)  p.  149; 
Patzig,  Byzantin.  S^eitschr.  7  (1898)  p.  572.  Ueber  eine  Sammlung  von  Kaiserbiographien  ik 
Quelle  vgl.  Seeck,  Pauly-Wissowas  Realencycl.  1  Sp.  2334.  Zur  Zeitbestimm nng  des  2.  Frag- 
ments ist  von  wesentlicher  Bedeutung,  dass  Theodoricn  schon  in  das  Reich  der  Sage  eingetreten. 
Mommsen  (p.  261)  äussert  sich  in  dieser  Beziehung  folgendermassen:  «ut  scripeiase  videtor 
post  eversum  Gothorum  principatum  inter  turbas  bellorum  civilium  novas  sub  imperatoribni 
Constantinopolitanis" ;  vgl.  auch  Görres  p.  211.  Beiträge  zur  Charakteristik  der  Sprache 
der  beiden  Fragmente  geben  Ohnesorge  p.  10,  Frick  p.  343.  Ueber  die  Persönlichkot 
des  Verfassers  des  2.  Fragm.  schreibt  Mommsen  p.  261:  «homo  fuit  Christianus  parom 
cultus  et  superstitionis  anilis  et  osor  Arianorum  acerrimus,  scriptor  summae  infantiae*. 
Ueber  die  Quellen  sagt  derselbe  1.  c:  „Scriptorem  praeter  Eugippii  vitam  Severini  editam 
a.  511,  quam  citat  c.  45  (Glttck,  Wiener  Sitzungsber.  17  (1855)  p.  77  Anm.  3),  adhibmiBe 
chronica  Italica  cum  plura,  quae  habet  communia  mazime  cum  fastis  Vindobonensibas  et 
cum  Agnelüanis,  luculenter  oslendunt  tum  consulatus  duobus  locis  c.  53,  54  praescripti 
herum  capitum  originem  ex  consularibus  prae  se  ferentes*^. 

Ausg.  Die  beiden  Fragmente  stehen,  kritisch  revidiert,  in  der  Ausg.  Ammians  von 
Gardthausen,  Leipz.  1874,  vol.  2  p.280  u.289.  Getrennt  wurden  sie  ediert  von  Mommsen, 
Chron.  min.  vol.  1,  Berl.  1892,  und  zwar  das  erste  p.  7  und  das  zweite  p.  806 — 328. 

Ueber  Setzungen.  Hinter  der  Ammianübersetzung  von  Büchele  p.  949  (Meti- 
ler'sche  Samml.).  Prokop,  Gothenkrieg,  übers,  von  D.  Coste,  Leipz.  1885,  p.  874  (Die 
Geschichtsschreiber  der  deutschen  Vorzeit,  Bd.  3). 

12.  Der  sogenannte  Hegesippus. 

811.  Die  Übersetzung  von  Josephus'  jüdischem  Krieg.    Nach  367 

und  wahrscheinlich  vor  375  nahm  ein  Mann,  der  bereits  die  libri  regno- 
rum  bearbeitet  hatte,  des  Josephus  Geschichte  des  jüdischen  Kriegs^)  vor, 
um  dieselbe  in  das  Lateinische  zu  übersetzen.  An  der  Darstellung  fimd 
er  grossen  Gefallen,  allein  ihm   missfiel,   dass  Josephus  noch   immer  zu 


^)  Die  Benutzung  von  Rufins  lateini- 
scher Uebcrsetzung  des  jüdischen  Kriegs  ist 
ausgeschlossen,  ,quod  graeca   mensium  no- 


mina  retinet  a  Rufino  cum  romaniB  mntati' 
(Caesar,  Ausg.  p.  392).  Sein  Original  ftim 
der  Uebersetzer  öfters  namentlich  an. 


Der  sog.  Hegesippns.    (§811.)  101 

sehr  vom  jüdischen  Standpunkt  aus  seine  Geschichte  geschrieben  habe. 
Oer  üebersetzer  meint,  nur  ein  christliches  Auge  könne  aus  diesen 
K^hweren  Schicksalsschlägen  das  Walten  der  göttlichen  Gerechtigkeit  er- 
cennen,  und  als  Christ  tritt  er  daher  an  die  üebersetzung  des  Werkes 
leran.^)  Seine  üebersetzung  bewegt  sich  aber  dem  Original  gegenüber 
mit  grosser  Freiheit,  so  dass  sein  Werk  mehr  als  eine  Bearbeitung  denn 
sds  eine  üebersetzung  anzusehen  ist.  Er  gestattet  sich  sowohl  Eür- 
Eungen  des  Originals  als  auch  Erweiterungen^)  desselben  besonders  in 
den  Reden.s)  Auch  materielle  Zusätze,  wie  z.  B.  aus  der  Archäologie  des 
Josephus,  fügt  er  bei,  im  Aufbau  jedoch  schliesst  er  sich  im  grossen 
Ganzen  seiner  Vorlage  an.  Er  hat  sein  Werk  in  fünf  Bücher  geteilt,  von 
denen  die  vier  ersten  auch  den  vier  ersten  Büchern  des  Originals  ent- 
sprechen, das  fünfte  jedoch  fasst  den  Inhalt  der  Bücher  5,  6  und  7  der 
Originalscfarift  zusammen.  Als  Verfasser  der  Üebersetzung  kursiert  ein 
Hegesippus;  allein  dieser  Hegesippus  ist  ein  Phantom  und  beruht  auf  einer 
Entstellung  des  Namens  Josephus,  der  durch  die  Mittelstufen  'Ioi(rr]7Tog^ 
Josippus,  Egesippus,  schliesslich  sich  zu  einem  Hegesippus  umbildete.^) 
Eine  alte  üeberlieferung  bringt  die  üebersetzung  mit  Ambrosius  in  Zu- 
sammenhang, und  wir  haben  keinen  Grund,  diese  üeberlieferung  zu  ver- 
werfen; weder  chronologische  noch  sprachliche  Indicien  stellen  sich  uns 
in  den  Weg.  Als  Eatechumene  wird  Ambrosius  diese  üebersetzung  ge- 
fertigt haben,  die  natürlich  hinter  den  Originalwerken  des  Mailänder  Bischofs 
zurücktrat.  Doch  wurde  sie  nicht  bei  Seite  geschoben;  Gassiodor  und 
Isidor  kennen  diese  Bearbeitung,  und  die  Schriftsteller,  welche  die  heiligen, 
christlichen  Orte  beschreiben,  benutzen  gern  unseren  Autor. 

Urteil  des  üebersetzers  über  Josephus.  Prolog.  4  (p.  1  Weber)  reliqttorutn 
usque  cul  incendium  tetnpli  et  manubias  7\ti  Caesaris  relator  egregius  hiatorico  stilo  Jo- 
sephus utinam  tarn  religioni  et  veritati  attentus  quam  rerum  indagini  et  sermonum  sobrie- 
tat*,  consortem  se  enim  perfidiae  Judaeorum  etiam  in  ipso  sermone  exhibuit,  quem  de 
eorum  »uppUcio  manifestavit,  et  quorum  arrna  deseruit  eorum  tarnen  sacrilegia  non  dere- 
liquit,  deptaravit  fiebüüer  aerumnam  sed  ipsiua  causam  aerumnae  non  inteÜeodt, 

Standpunkt  des  üebersetzers.  Prolog.  10  (p.  2  W.)  unde  nobis  curae  fuit 
non  ingenü  ope  fretis  sed  fidei  intentione  in  historiam  Judaeorum  ultra  scripturae  seriem 
saerae  paülisper  introrsum  pergere,  ut  tamquam  in  spinis  rosam  quaerentes  inter  saeva  f 
inpiorum  facinora,   quae  digno  inpietatis  pretio  soluta  sunt,  eruamus  aliqua  t^el  de  re- 


>)  Bemerkt  sei,  dass  bei  der  Anführung 
der  Bibelstellen  Spuren  der  Hieronymusüber- 
setznng  nicht  zu  Tage  treten;  vgl.  Caesar 
1.  c.  p.  399. 

^)  Caesar  p.  391:  „neque  tarnen  verbum 
de  verbo  transtnlit,  sed  vel  e  pleniore  Jo- 
sephi  narratione  suam  excerpsit  vel  rhetorico 
more  mazime  locis  communibus  et  verborum 
sententiammque  floribus  nonnunquam  satis 
splendidis  adauxit,  id  quod  praesertim  in 
orationes  cadit  graecarum  modum  plerumque 
mnlto  superantes  vel  omnino  additas,  non- 
nnlla  ex  ultimis  Antiquitatum  Judaicamm 
libris  desumta  interposuit,  pauca  ad  Roma- 
norom  historiam  spectantia  aliunde  addidit, 
denique  qnavis  data  occasione  Christianum 
se  praebet  non  solum  res  gestas  commemo- 
rando,  ut  Christum  a  Judaeis  interfectum 
n,  12,   et  Petri  cum  Simone  mago  conten- 


tionem  atque  ipsius  Paulique  mortem  III,  2, 
sed  doctrinam  etiam  christianam  admiscendo, 
et  vel  maxime  perverses  Judaeorum  mores 
castigando.**  Vgl.  auch  Elebs,  Philol.  51 
(1892)  p.  152:  «Wie  Hegesippus  Sallust  in 
umfassender  Weise  sprachlich  ausbeutete, 
Tacitus  auch  sachlich  verwertete,  so  hat  er 
gelegentlich  Josephus  Angaben  durch  ein 
Curtius  entnommenes  Beispiel  erweitert.*' 
Jetzt  noch  Elebs  p.  214. 

•)  Vgl.  5,  53,  2  hunc  sermonem  adorsu^ 
est,  quem  nos  quasi  epüogum  quendam  clau- 
dendo  operi  deplorabilem  more  rJietorico 
non  praetermisimus. 

*)  Vogel,  De  Hegesippo  p.  48:  „omnibus 
autem  bis  rebus  perpensis  Hegesippi  nomen 
post  saeculum  decimum  in  consuetudinem 
venisse  mihi  comprobatum  est.*^ 


102  ^®'  BOS*  HegeBippns.    (§  811.) 

verentia  sacrtie  legis  vel  de  sanctae  religionis  constittUtoniaque  mtraciUo,  quae  magi»  \ißd 
heredibus  vel  in  adversis  obtentui  fuerint  vel  honori  m  prosperis  ....  ac  ne  qtiia  raeiHm 
fide  et  superfluum  putet  nos  suscepisse  negotium,  ideo  per  prindpes  duetum  Hebraeorwm 
genus  omne  consideremus,  ut  liquido  clareat  utrum  a  femoribus  Judae  ntisquam  genera- 
tionia  eius  successio  claudicaverit,  an  vero  offenderit  in  principutn  serie,  sed  mansenJt  tu 
eo,  cui  reposita  manebant  amnia  et  ipae  erat  apea  gentium. 

Die  Zeit  des  Uebersetzers.  Der  terminiiB  post  quem  ergibt  aieh  ans  mehreren 
Stellen.  3,  5,  11  wird  eine  Scbaospielergeschicbte  erzftnlt,  die  anf  einen  Einfall  der  Pener 
hindeutet;  diesen  Einfall  berührt  auch  Amm.  Marc.  (23,  5,  8)  und  verlegt  ihn  in  die  Zeit 
des  Gallienus  (254—268).  Also  kommen  wir  in  die  Zeit  nach  254.  Tiefer  herab  ftfart 
eine  zweite  Stelle  (8,  5,  28),  welche  die  Verlegung  der  Residenz  nach  Conatantinopel  im 
Jahre  880  voraussetzt.  Noch  um  eine  Stufe  tiefer  kommen  wir  herab,  wenn  wir  5,  15, 24 
ins  Auge  fassen.  Hier  wird  auf  die  Ereignisse  des  Jahres  867,  an  denen  der  Yi^  des 
Theodosius  beteiligt  war,  angespielt.  Es  handelt  sich  nur  noch,  den  terminua  ante  quem 
festzustellen.  Die  Völkerwanderung  scheint  dem  Verfasser,  um  ans  dem  Stülschweigen 
zu  schliessen,  noch  unbekannt  zu  sein;  es  wird  daher  die  Uebersetzung  wohl  vor  375  fallen. 
Vgl.  F.  Vogel,  De  Hegesippo  p.  8.    Sonach  fällt  die  Schrift  m  die  Zeit  von  367—875. 

Andere  Schriftstellerei.  Prolog.  1  (p.  1  Weber)  Quath^or  regnorum  libroij 
quoa  acriptura  complexa  est  aacra,  etiam  ipae  atüo  peraequutua  uaque  ctd  captivücUen 
Judaeorum  murique  excidium  et  Babylonia  triumphoa  hiatoriae  in  morem  compoaui.  VgL 
Klebs  p.  212. 

Die  Autorschaft  der  Uebersetzung.  Eine  Geschichte  dieser  Frage  gibt 
Vallarsius  (Migne,  Patrol.  lat.  21  p.  258);  vgl.  auch  Gronov,  Observafcorom  in  Script, 
eccles.,  Daventriae  1651  und  F.  Vogel,  De  Hegesippo  p.  1.  Gegen  die  Autorschaft  des 
Ambrosius  hat  sich  neuejrdings  besonders  F.  Vogel,  De  Hegesippo,  qui  dicitur,  Joseph! 
interprete,  München  1880;  Zeitschr.  für  österr.  Gymn.  84  (1883)  p.  241;  Roman.  Forsch. 
1  (1888)  p.415  erklärt;  femer  Elebs,  Das  lai  Geschichtswerk  über  den  jüd.  Krieg  (Festschr. 
für  L.  Friedlftnder,  Leipz.  1895,  p.  282).  Allein  die  Beweise  sind  nicht  durchschlagend; 
besonders  wichtig  erscheint  mir,  dass  eine  alte  Ueberlieferung  für  Ambrosiua  spricht.  So  steht 
im  Vaticanus-Palatinus  170  s.  IX/X:  Incipit  tractatu^a  ad  Ambroaii  epi  de  hiatoria  iosipyi 
captivi  iranalata  ab  ipso  ex  greco  in  latinum;  vgl.  Beiff erscheid,  Sitzongsber.  der  Wien. 
Akad.  der  Wissensch.  56  (1867)  p.  441.  Im  Mediolanensis  sive  Ambrosianus  C  105  inf.  steht 
im  jüngeren  Teile  (s.  VIII/IX) :  Egesippi  über  primtia  explicit,  Incipit  aecundua  Ämbrosi 
episcopi  de  grego  transtulit  in  latinum.  Ueber  Handschriften  aus  der  Zeit  nach  dem  12. 
Jahrb.,  welche  unsere  Uebersetzung  mit  Ambrosius  in  Verbindung  bringen,  vgl.  F.Vogel, 
Zeitschr.  für  österr.  Gymn.  84  (1888)  p.  245.  Schon  diese  Ueberlieferung  ftllt  zu  Gunsteo 
der  Autorschaft  des  Ambrosius  stark  ins  Gewicht,  da  sich  schwer  absehen  Ifisst,  warum 
Ambrosius  mit  dieser  Uebersetzung  ohne  Grund  in  Zusammenhang  gebracht  werden  konnte. 
Denn  was  F.  Vogel  (De  Hegesippo  p.  49)  sagt,  ist  unzulänglich.  Es  kommt  hinzu,  dass  die 
Zeit  der  Uebersetzung  mit  der  des  Ambrosius  zusammenfällt,  dass  also  Ambrosius  die  Ueber- 
setzung schreiben  konnte;  vgl.  F.  Vogel,  Zeitschr.  für  österr.  Gymn.  84  p.  241.  Endhch 
bietet  die  Sprache  soviel  Aehnlichkeit,  dass  wir  auch  in  der  Uebersetzung,  obwohl  sie  eine 
ganz  andere  Stilgattung  darstellt,  doch  den  Ambrosius  wiedererkennen;  vgl.  Ihm  p.  64. 
Selbst  die  Nachahmung  des  Sallustius  findet  sich  ebenso  bei  Ambrosius  wie  bei  unserem 
Uebersetzer;  vgl.  F.  Vogel,  'OfioiojrjTss  Sallust.  (Acta  seminarii  philol.  Erlangensis  1 
(1878)  p.  848);  (Elebs  p.  221).  Eine  auffallende  Aehnlichkeit  bieten  z.  B.  folgende  Stellen: 
De  hello  Judaico  5,  58,  58  unde  nonnullia  gentibtis  moa  eat,  ut  ortua  hotninum  fletibus 
occasua  gaudiis  2^rosequantur,  quod  illos  ad  aerumnam  generatoa  doleant,  hoa  ad  beati- 
tudinem  redisse  gratulefitur,  illorum  animas  ad  aervitutem  t^eniaae  ingemescant,  istarum 
ad  libertatem  egressas  gaudeant  =  Ambros.  de  exe.  Sat.  2,  5  fuiaae  etiam  quidam  fenmtur 
populi,  qui  orius  hominum  luger ent  obitusque  celebrarent.  Nee  imprudenter:  eoa  enim 
qui  in  hoc  vitae  salum  venissent,  maerendos  2)utabant;  eoa  vero  qui  ex  iatius  mundi  pro- 
cellis  et  fluctibus  emerstissent,  non  iniusto  gaudio  persequendoa  arbitrabantur.  Mit  Recht 
hat  daher  Ihm,  Studia  Ambrosiana  (Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  17  (1890)  p.  61)  die 
Anschauung  Vogels  bekämpft,  und  zutreffend  sagt  Rei  ff  er  scheid  1.  c.  p.  442:  «Dass 
der  Verfasser  dieses  Auszuges  aus  Joseph  (De  hello  Judaico)  Ambrosius  ist,  hätte  nie  be- 
zweifelt werden  sollen,  da  derselbe  durch  die  Autorität  der  ältesten  Handschriften  als  sol- 
cher beglaubigt  ist.*^  Entscheidend  für  Ambrosius  Landgraf,  Archiv  12  (1902)  p.  465.  7gL 
auch  Ron  seh,  Philol.  Rundschau  1881  p.  602;  Die  lexikal.  Eigentümlichkeiten  der  Latinittt 
des  Hegesippus,  Roman.  Forsch.  1  (1883)  p.  256  =  Collectanea  philol.,  Bremen  1891,  p.  32. 

Fortleben  des  Hegesippus.  In  einem  Palimpsest  des  Klosters  Bobbio,  der 
einen  Traktat  in  Lucae  evangelium  enthält,  erscheint  bereits  eine  Stelle  aus  der  Ueber- 
setzung; vgl.  Rönsch,  Zeitschr.  für  wiss.  Theol.  26  (1888j  p.  289.  Cassiodor.  instii  dir. 
litt.  17  (edit.  Garet.  2  p.  520)  qui  (Joaephua)  etiam  et  alios  aeptem  libroa  captwüatia  /«• 


Die  Itinerarien.    (§  812.) 


103 


daieae  mirahüi  nüore  conscripsit.  quorum  tranBlationem  alii  Hieronymo,  alii  Ambrosio,  alii 
deputant  Bufino;  quae  dum  tcUibua  adscribitur,  amnino  dictionis  eximiae  merüa  de- 
tiarantur.  Auch  Encherios,  der  im  5.  Jahrhundert  de  locis  aliquibus  sanctis  schrieb,  be- 
imtEte  unsere  Uebersetzung;  vgl.  F.  Vogel ,  De  Hegesippo  p.  34;  femer  finden  sich  auch  bei 
Udor  Spuren  des  Hegesipp;  vgl.  J.  Caesar  in  Webers  Ausg.  p.  394;  Vogel  1.  c.  p.  36. 
Üeber  Adaninanus  (605—705),  der  auch  über  die  heiligen  Orte  schrieb,  vgl.  Vogel  p.  42; 
P.  Geyer,  Adamnanus  1,  Augsb.  1895,  p.  31.  lieber  Beda  vgl.  Vogel  p.  44.  Ueber  Widu- 
kind  vgl.  Vogel  p.  46;  ttber  eine  metr.  Bearbeitung  Du  mm  1er,  Neues  Archiv  7  (1882) 
^  608.  Im  12.  Jahrhundert  lesen  wir  bei  Guilelmus  Malmesberiensis,  De  gest.  regum  Angl., 
nancof.  1601,  p.  138,  25:  «Cuius  situm  commemorarem,  nisi  aviditatem  meam  praeoccupasset 
Ambrosiana  in  Egesippo  facundia.**     Ueber  Joannes  Saresberiensis  vgl.  Vogel  p.  47. 

Die  Ueberlieferung  wird  von  Weber  auf  Cassellanus  s.  VIU/IX  basiert;  es 
kommen  aber  noch  hinzu  Mediolanensis  s.  VU/VIII,  Bemensis  s.  IX  und  Vaticanus  s.  IX/X; 
TgL  Weber,  Ausg.  praef.  p. III;  Caesar,  Ausg.  p.  399;  A.  Reifferscheid,  Sitzungsber.  der 
Wien.  Akad.  der  Wissensch.  56  (1867)  p.  441;  F.  Vogel,  De  Hegesippo  p.  4;  £.  Ealinka, 
Wien.  Stud.  16  (1894)  p.  93. 

Ausg.  Editio  princeps  von  J.  Ascensius,  Paris  1510.  Von  älteren  Ausg.  nennen 
wir  noch  die  in  der  BiblioÜieca  patr.  5  (1677)  p.  1123,  von  Gallandi  7  p.  653;  Migne  15 

S>  1962.    Spezialausg.  von  C.  F.  Weber  und  J.  Caesar,  Marb.  1864;   vgl.  dazu  Caesar, 
beervat.  nonnull.  de  Josephe  Latino emendando  (Ind.  lect.  Marb.  1878). 

ß)  Die  Geographen. 

Die   Itinerarien. 

812.  Die  Beisebecher,  das  Itinerarium  Antonini  und  Hierosoly- 
mitanum.  Die  wissenschaftlichen  Grundlagen  der  Geographie  sind  von 
den  Griechen  gelegt  worden,  und  die  Römer  haben  keinen  Anteil  daran. 
Allein  praktisch  haben  auch  die  Römer  sich  um  die  Geographie  verdient 
gemacht;  ihr  ruhmreiches  Werk  ist  das  weitverzweigte  Strassennetz,  das 
me  anlegten,  um  die  einzelnen  Teile  des  ungeheueren  Reiches  mit  ein- 
ander zu  verbinden.  Dieses  Strassennetz  mit  seinen  Meilensteinen  erzeugt 
auch  einen  Litteraturzweig,  das  Kursbuch,  in  dem  die  Strassen  und 
Stationen  wie  die  Entfernungen  i)  verzeichnet  waren.  Wir  haben  epi- 
graphische und  litterarische  Denkmäler  dieser  Art,  die  gewöhnlich  mit 
dem  Namen  Itinerarien  bezeichnet  werden.  Im  Schwefelbad  von  Vica- 
rello  (Aquae  ApoUinares)  am  See  von  Bracciano  (lacus  Sabatinus)  wurde 
im  Jahre  1852  eine  Masse  Münzen  und  Metallgegenstände  gefunden.  Den 
Fund  verdanken  wir  der  Sitte,  dass  die  Gäste  des  Bades  dem  Heilgotte 
eine  Spende  in  der  Weise  darbrachten,  dass  sie  dieselbe  in  die  Quelle 
warfen.  Von  den  Fundgegenständen  erregen  besondere  Aufmerksamkeit 
vier  silberne  Reisebecher,  welche  in  Form  von  Meilensteinen  gear- 
beitet waren  und  die  Route  von  Gades  bis  Rom  aufzeichnen.  Sie  gehören 
verschiedenen  Zeiten  an  und  bestimmen  daher  die  Route  nicht  überein- 
stimmend, da  ja  im  Laufe  der  Zeit  manche  Aenderung  in  der  Anlage  von 
Strassen  sich  vollzog,  doch  werden  sie  wohl  alle  in  das  3.  Jahrhundert 
gehören.  Die  Verwilderung  der  Sprache  deutet  auf  das  provinzielle  Latein. 
Litterarische  Itinerarien  sind  zwei  zu  verzeichnen;  das  eine  führt  den 
Namen  Itinerarium  provinciarum  Antonini  Augusti.  Man  denkt 
bei   den  letzten  Worten  gewöhnlich  an   Antoninus  Caracalla,   und  es  ist 


0  Ueber  die  Masse  sagt  Hieronymos  in 
seinem  Commentar  zu  Joel  c.  3  (6  Sp.  215  Yfdl.) : 
nee  mirum  si  unaquaeque  gens  certa  viarum 
gptUia  suis  appeUet  nominibus,  cum  et  Latini 


mille  passus  vocent,  et  Galli  leucas,  et  Persae 
parasangas,  et  rastas  universa  Germania. 
Lengen  finden  wir  im  Itinerarinm  Hierosoly- 
mitannm. 


104  I>ie  Itinerarien.    (§  812.) 

nicht  unmöglich,  die  Echtheit  des  Titels  vorausgesetzt,  dass  ein  der  Zeit 
Caracallas  angehörendes  Itinerar  benutzt  wurde.  Allein  so  wie  die  Re- 
cension  uns  jetzt  vorliegt,  gehört  sie  der  diokletianischen  Zeit  an,  denn 
sie  setzt  Diokletians  Reichseinteilung  voraus.  Mailand  und  Nicomedien 
treten  hervor,  während  Rom  in  den  Hintergrund  gerückt  ist.  Die  Ab- 
fassungszeit des  Itinerars  muss  daher  nach  293  erfolgt  sein.  Das  Kurs- 
buch enthält  ein  nach  Provinzen  geordnetes  Verzeichnis  der  Strassen  und 
Stationen  des  ganzen  Reiches;  die  Entfernungen  werden  mit  rundeo 
Zahlen  angegeben.  Mit  diesem  Itinerar  erscheint  in  alten  Handschriften 
auch  ein  Itinerarium  maritimum  verbunden,  das  aus  drei  Teilen  be- 
steht und  nicht  vollständig  ist.  Es  gibt  die  Entfernungen  der  Seestädte, 
die  Hafenplätze  und  die  Inseln  an.  Das  andere  litterarische  Kursbuch 
ist  das  sog.  Itinerarium  Hierosolymitanum  aus  dem  Jahre  833,  das 
eine  Reise  von  Bordeaux  nach  Jerusalem  und  die  Rückkehr  über  Rom 
nach  Mailand  enthält.  Es  rührt  von  einem  Christen  her,  wie  dies  aus 
der  Beschreibung  der  heiligen  Orte  hervorgeht.  Dies  Reisehandbuch  ver- 
zeichnet nicht  bloss  die  Poststationen  (mutationes)  und  die  Herbergen 
(mansiones)  mit  Angaben  der  Entfernung,  sondern  fügt  auch  hie  und  da 
Merkwürdigkeiten  hinzu.  Man  sieht  hier  schon  Ansätze  zu  dem  modernen 
Reisehandbuch. 

Reisebecher  als  Itinerarien.  Ueber  den  Fand  von  Yicarello  vgl.  Henzen. 
Altertümer  von  Yicarello  (Rhein.  Mus.  9  (1854)  p.  20);  über  die  Reisebecher  vgl.  p.  2t^. 
Henzen  waren  drei  Reisebecher  bekannt,  später  Kam  ein  vierter  hinzu;  vgl.  Garrncci. 
Sur  an  noavel  Itinöraire  d^couvert  dans  les  Aqaae  Apollinares  (Revue  archöoL  5  (1862) 
p.  254);  £.  Desjardins,  Explication  d'un  passage  de  Vltin^raire  insctit  sor  le  quatii^me 
vase  Apollinaire  de  Yicarello  (ebenda  22  (1870/71)  p.  124).  Publiziert  sind  die  vier  Reise- 
becher von  R.  Garracci,  Dissertazioni  archeologiche,  Rom  1864,  p.  161;  CIL  11,  3281— 
8284.  —  A.  Jacob,  Les  Itin^raires  des  Aqaae  Apollinares,  Paris  1859;  H.  Nissen,  Italische 
Landeskunde  1  (Berl.  1883)  p.  23. 

Itinerarium  provinciarum  Antonini  Augusti.  Die  Ueberliefemng  Antonini 
wird  von  A.  Riese  (Geographi  lat.  min.,  Heilbronn  1878,  proleg.  p.  XTJ  Anm.  1^  bestritteD 
und  derselben  kein  Wert  für  die  Zeitbestimmung  beigelegt.  Er  sagt:  «si  consideras  qiiae 
Parthey  et  Pinder  ex  codicibus  tradunt,  plerosque  libros  habere  Antonii  Augusti,  aUos 
nuUum  nomen,  solum  vero  Scorialensem  saec.  YlII  Antonini  Augusti,  atque  ne  eom 
quidem  illud  nomen  exhibere  nisi  in  inscriptione  Itinerarii  maritimi,  quod  ab  altero  illo 
diversum  alio  loco  posuit,  non  possumus  non  suspicari,  Antonii  genuinam  nomüus  formam 
esse,  quam  inde  ortam  puto  quia  in  Aetlüci  nostri  qui  dicitur,  qui  ante  Itinerarium  in  sylloga 
positus  est,  praefatione  Antonii  Caesarisque  nomina  et  Augusti  consulatus  cum  terrae 
mensuratione  coniunguntur.  Quare  cavendum  erit  abhinc,  ne  Antonini  nomine  abutamar 
ad  aetatem  Itinerarii  definiendam.  Quod  nomen  in  Scorialensi  e  coniectura  natom  esse 
existimo,  qua  librarius  aliquis  qui  Antonium  non  fuisse  imperatorem  probe  aciebat,  aptios 
nomen  imperatorium  restituere  sibi  visas  est  **  Ygl.  auch  noch  Bergk,  Zur  Gesch.  and 
Topographie  der  Rheinlande  in  röm.  Zeit,  Leipz.  1882,  p.  146.  Gewöhnlich  wird  Antoninas 
aufCaracalla  (211 — 217)  bezogen;  vgl.  Parthey,  Ausg.  p.  YT.  Dass  unsere  Recension  in 
die  Zeit  Diokletians  (284 — 305)  fällt,  erörtern  Parthey  l.  c,  der  bemerkt  (p.  VIH):  «non  ab 
uno  sed  a  compluribus  neque  eodem  tempore  opus,  quäle  nunc  habemuB,  confectum  esse 
patct"",  und  besonders  Bergk  1.  c.  p.  147;  p.  149:  „Das  Itinerar  kann  erst  nach  dem  Jahre 
293  abgefasst  sein.''  In  der  Ausg.  von  Parthey  und  Pinder  ist  ein  reiches  handschrift- 
liches Material  zusammengebracht  (über  40  Handschriften),  allein  es  fehlt  die  methodische 
Sichtung,  an  deren  Stelle  vielfach  ein  eklektisches  Yerfahren  getreten  ist.  Zum  erstenmil 
versuchte  Kubitschek,  Zur  Kritik  des  Itinerarium  Antonini  (Wien.  Stud.  13  (1891)  P*  177] 
eine  Gruppierung  und  Wertschätzung  der  Handschriften.  Das  Hauptresultat  seiner  Unter- 
suchungen ist  (p.  189),  «dass  von  dem  gemeinsamen  Archetypus  unserer  Handflchriftes, 
der  sich  selbst  schon  als  eine  nicht  sehr  vollkommene  Copie  des  Originals  und  hereits  in 
Yerbindung  mit  der  Cosmographia  des  Julius  Honorius  und  dem  Itinerarium  maritimniB 
gezeigt  hat,  zwei  jetzt  verlorene  Abschriften  anzunehmen  sind,  deren  eine  die  Quelle  ftr 
Parisinus  7230  s.  X  (D)  und  Scorialensis  II  R  18  s.  YIII  (P),   die  andere  f&r  die   fllnigeo 


Die  Itinerarien.    (§  813.)  105 

Handachriften  geworden  ist'  und  dass  (p.  193)  der  weitaas  bedeutendste  Vertreter  der  zweiten 
Klasse  die  Wiener  Handschrift  181  s.  VTII  (L)  ist  und  dass  aus  einer  von  L  nnabhftngigen 
Gruppe  der  zweiten  Familie  der  einst  im  Besitze  von  Conrad  Geltes  befindliche  Parisinus 
4807  8.  Vin/IX  (B)  herbeigezogen  werden  muss.  Einen  Stammbaum  gibt  er  p.  209. 
Ueber  die  Randbemerkungen  der  in  Deutschland  hergestellten  Handschriften  vgl.  Bergk 
p.  179;  184.  Zur  Kritik  der  Zahlenangaben  des  Itinerars  vgl.  Bergk  p.  178.  Möglicher- 
weise hat  auch  Einhart  das  Itinerar  benutzt;  vgl.  M.  Manitius,  Einharts  Werke  und  ihr 
Stil  (Neues  Archiv  der  Ges.  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  7  (1882)  p.  568  Anm.  1). 
üeber  das  in  älteren  Handschriften  damit  verbundene  Itinerarium  maritimum  und  seine 
drei  Teile  vgl.  Parthey  p.  IX.  —  Itinerarium  Antonini  Augusti  et  Hierosolymitanum  ex  libris 
mannscriptis  ediderunt  G.  Parthey  et  M.  Pinder,  Berl.  1848;  Raven,  Antonines  itine- 
rary,  Route  IX  (Britain.  archaeological  Journal  N.  185);  F.  P.  Garofalo,  Le  vie  romane 
in  Sicilia.  Studio  suir  «Itin.  Antonini',  Neapoli  1901;  desselben  Studio  sull'  «Itin.  Antonini*. 
Parte  relativa  all'  Italia  (Rendiconti  di  Istituto  Lomb.  ser.  U,  vol.  34,  1901). 

Itinerarium  Hierosolymitanum.  Ueberschrift:  Itinerarium  a  Burdigala  Hie- 
rusaJem  usque  et  ah  Heradea  per  Äülonam  et  per  urbem  Romam  Mediolanum  tisque. 
Zeitbestimmung  (p.  270  P.):  Item  ambülavimus  Dalmaiio  et  Zenofilo  cons.  III,  hol,  Jun. 
a  Calcidonia,  et  reversi  sumus  Constantinopolim  VII.  (Veron.:  VI  11)  kal,  Jan.  Cons. 
supraScript.  Von  den  Merkwürdigkeiten,  die  der  Verfasser  einfügt,  seien  folgende  vor- 
geführt (p.  271  P.):  ibi  positus  est  rex  Ännibalianus,  qui  fuit  Afrorum;  (p.  273)  ibi  est 
vtüa  Pampati,  unde  veniunt  equi  curules;  inde  fuit  Apollonius  magnus;  (p.  276)  in  tertio 
müiario  est  mons  Sifna,  übi  fons  est  in  quem  mulier  si  laverit,  gravida  fit;  (p.  285)  ibi 
positus  est  Euripidis  poeta.  Lange  Zeit  war  für  das  Itinerar  als  einzige  massgebende  Hand- 
schrift cod.  Parisinus  4808  s.  IX  bekannt,  der  den  Text  volbtändig  gibt.  In  neuester  Zeit 
kam  hinzu  eine  Handschrift  der  Eapitelsbibliothek  in  Verona  52  (60)  s.  IX/X;  vgl.  A.  de 
Barth^l^mv,  Itinöraire  de  Bordeaux  ä  Jerusalem  d'aprds  un  manuscrit  de  la  Biblioth^ue 
du  chapitre  de  Vörone.  Suivi  d'une  description  des  lieux  saints  tiröe  d'un  manuscrit  de  la 
Biblioth^ue  imperiale  (Revue  arch^ol.  10  (1864)  p.  98),  abgedruckt  p.  99.  Endlich  gesellten 
bieh  noch  hinzu  die  zwei  Fragmente  des  Sangallensis  732  aus  dem  Jahre  811.  Herausgegeben 
von  Parthey  und  Pinder,  vgl.  oben.  Itinera  Hierosolvmitana  rec.  Geyer  (Corp.  Script, 
eccles.  lat.  vol.  39,  1899).  —  L.  Renier,  Itinöraires  Romains  de  la  Gaule,  Paris  1850; 
A.  Bertrand,  Les  voies  Romaines  en  Gaule,  Paris  1863;  Aurds,  Concordance  des  voies 
Apollinaires  et  de  Titin^raire  de  Bordeaux  ä  Jerusalem  et  comparaison  de  ces  textes  avec 
riün.  d' Antonin  et  avec  la  table  Thöodosienne,  Ntmes  1868. 

Gesamtausg.  von  Wesseling,  Vetera  Romanorum  Itineraria  (It.  Antonini  Augusti, 
It.  Hieroeoljrmitanum  et  HierocUs  grammatici  synecdemus),  Amsterdam  1735;  Recueil  des 
itin^raires  anciens,  comprenant  Titin^raire  d' Antonin,  la  table  de  Peutinger  et  un  choix  de 
p^riples  grecs  avec  10  cartes  par  Fortia  d'Urban,  Paris  1845.  Eine  neue  Ausg.  der  Itine- 
rarien wird  vorbereitet  von  J.  W.  Eubitschek  und  Otto  Cuntz. 

813.  Itmerarium  AlezandrL  Als  im  Jahre  77  v.  Chr.  Pompeius 
einen  Zug  nach  Spanien  unternehmen  wollte,  gab  ihm  der  gelehrte  Varro 
ein  Geleitsbuch  mit,  eine  Ephemeris  navalis,  in  welcher  der  Feldherr  über 
die  Schiffahrt  und  die  dabei  in  Anwendung  kommenden  Vorsichtsmass- 
regeln belehrt  werden  sollte.  Dieses  Beispiel  fand  Nachahmung  in  der 
constantinischen  Zeit.  Als  der  Sohn  Constantins,  Constantius,  sich  zu 
einem  Feldzug  gegen  die  Perser  rüstete,  glaubte  ein  Mann  sich  die  Gunst 
des  Hofes  zu  erwerben,  wenn  er  dem  Kaiser  eine  Geschichte  der  FeldzUge 
AJexanders  des  Grossen  und  Traians  nach  Persien  unterbreiten  werde. 
Sein  Werk  ist  uns  erhalten,  den  Schluss  ausgenommen,  der  einen  Teil  der 
Alexandergeschichte  und  den  persischen  Feldzug  Traians  behandelt  hatte. 
Durch  eine  Verstümmelung  der  einzigen  Handschrift,  welche  uns  diesen 
Abriss  überliefert,  ist  dieser  Verlust  eingetreten.  Aus  Bescheidenheit  wählt 
der  Autor  statt  des  Titels  Breviarium  den  schlichten  Itinerarium,  ob- 
wohl er  keine  Reiseroute  gibt,  sondern  eine  zusammenhängende  Erzählung, 
in  der  er  übrigens  sich  nicht  auf  den  persischen  Feldzug  Alexanders  be- 
schränkt. Seine  Darstellung  ist  hart  und  unharmonisch  und  wimmelt  von 
Archaismen,  Gräcismen  und  Vulgarismen;  man  f        ^'  daher  zweifeln,  ob 


106  ^^  Itinerarien.    (§  818.) 

er  ein  geborener  Römer  war,  und  ihn  eher  für  einen  Griechen  halten,  der 
wie  Ammian  sich  das  Lateinische  erst  mühsam  angeeignet  hat.  Seine 
Hauptquelle  ist  Arrian,  daneben  hat  er  aber  auch  den  Pseudo-Callisthenes 
benutzt  und  zwar,  wie  wir  aus  einer  Stelle  sicher  nachweisen  können,  in 
der  lateinischen  Bearbeitung  des  Julius  Yalerius.  Vergleichen  wir  diesen 
Julius  Yalerius  mit  unserem  Autor,  so  zeigen  sich  so  viele  sprachliche 
Uebereinstimmungen,  dass  die  Vermutung  ausgesprochen  werden  konnte, 
der  Verfasser  unseres  Itinerarium  sei  Julius  Valerius,  und  in  der  Thai 
ist  diese  Ansicht  sehr  wahrscheinlich.  Obwohl  unsere  Kenntnis  von  den 
Thaten  Alexander  des  Grossen  keine  Bereicherung  erfährt,  so  liefert  doch 
auch    unser   Werkchen   einen   interessanten   Beitrag  zur   Geschichte  des 

geistigen  Lebens  im  4.  Jahrhundert. 

Veranlassung  des  Werks,  c.  1  Dextrum  admodum  scienSf  et  omen  (vgl.  Haase, 
Miscellan.  pliilol.  lib.  2,  Breslau  1858,  p.  20)  tibi  et  magisterium  futwrum,  domine  Ckmstanti 
bonia  melior  imperator,  si  orso  feliciter  tarn  accinctoque  persicam  expedüionem  itinerarium 
principum  eodem  opere  gloriosorum,  Alexandri  scüicet  magni  Traianique,  componerem, 
libens  sane  et  Iciboris  cum  amore  succubui.  c.  8  (p.  2  Volkmann)  m  Terentius  Varro  Gnaeo 
Pompeio  olim  per  Hispaniaa  müitatwo  librutn  iUum  Ephemeridoa  8ub  nomine  laborarit, 
ut  inJiabües  res  eidetn  ingressuro  scire  esset  ex  facUi  indinationem  oceani,  atque  omnes 
reliquos  motus  aSrios  praescientiae  fide  peteret  aut  declinaret:  cur  ego  tibi  rem  nostrae 
scdutis  adgresso  non  ut  ex  bona  flamma  virtutum  Turne  facem  praeferam? 

Zeit  des  Itinerars.  Da  das  Itinerar  an  den  dominus  Constantiua  gerichtet  ist, 
muss  es  in  dessen  Regierungszeit  337 — 361  fallen.  Allein  die  Abfassungszeit  kann  noch 
genauer  bestimmt  werden.  Nach  c.  2  p.  2  V.  war  Constantin,  der  Bruder  des  Constantiua, 
tot;  da  dessen  Tod  ins  Jahr  340  fftllt,  muss  diese  Schrift  nach  dieser  Zeit  entstanden  sein. 
Der  angeredete  Constantius  hat  sich  eben  zu  einer  Expedition  gegen  die  Perser  gerfistet 
(vgl.  c.  1  orso  feliciter  iam  accinctoque  persicam  expeditionetn);  die  Schrift  kann  sich  daher 
nur  auf  den  Feldzug  des  Constantius  gegen  die  Perser,  der  im  Jahre  346  oder  859  statt- 
fand, beziehen  und  wird  in  einem  dieser  Jahre  erschienen  sein;  vgl.  Letronne,  Jonmal 
des  savants  1818,  p.  403;  C.  Wachsmuth,  Einl.  in  das  Stud.  der  alten  Gresch.,  Leipz.  1895, 
p.  577.  Ohne  durchschlagende  Beweise  will  C.  Kluge  (De  Itinerario  Alexandri  Magni, 
Breslau  1861,  p.  33)  das  Itinerar  in  der  Gestalt,  in  der  es  uns  jetzt  vorliegt,  aus  sprach- 
lichen Gründen  einer  späteren  Zeit  zuweisen. 

Titel,  c.  2  (p.  1  V.)  Itinerarium  pro  Breviario  superscripsi  castigans  operis  eius 
etiam  nomine  facultatem. 

Der  Verfasser  des  Itinerars.  In  der  einzigen  Handschrift,  die  uns  das  Itine- 
rarium überliefert,  folgt  dasselbe  auf  die  Alexandergeschichte  des  Julius  Valerios,  und  zwar 
wird  dasselbe  eingeführt:  incipit  itinerarium  eiusdem;  vgl.  Volkmann  p.  I.  Damach  sollte 
man  meinen,  dass  auch  der  Verfasser  des  Itinerarium  Julius  Valerius  ist  Und  in  der  That 
finden  sich  zwischen  der  Alexandergeschichte  und  dem  Itinerar  die  auffallendsten  sprach- 
lichen Uebereinstimmungen;  vgl.  Kluge  p.  34,  der  aber  in  seinem  Urteil  schwankend  oleibt 
(p.  45);  J.  Grion,  I  nobili  fatti  di  Alessandro  Magno,  Bologna  1872,  p.  XXVI. 

Quellen  des  Itinerars.  c.  1  nee  de  loquacium  numero  viltbtM  usus  auctoribus, 
sed  quos  fidei  amicissimos  vetus  censura  prohuntiat,  quosque  istic  qua  potui  tibi  drcumdsa 
satis  curiositate  collegi.  c.  21  (p.  12)  denique  duos  corvos  draconesve  praevios  ivisse  atmt< 
inimici  fnbularum.  lieber  die  Benutzung  Arrians  vom  22.  Kapitel  an  vgl.  C.  Kluge  p.  4;  p.  9 
(wo  in  einer  Tabelle  die  übereinstimmenden  Kapitel  vorgeführt  werden);  p.  13;  15  und 
Letronne,  Journal  des  savants  1818,  p.  404.  Dass  die  Benutzung  Arrians  sich  durch 
das  ganze  Werk  hindurchzieht,  wenn  diese  auch  gegen  den  Schluss  des  Werkes  weniger 
hervortritt,  zeigt  J.  Zacher,  Pseudo-Callisthenes,  Halle  1867,  p.  57  und  p.  83;  über  die 
Nachlässigkeit  der  Benutzung  Kluge  p.  15.  Ueber  Pseudo-Callisthenes  als  Quelle  vgl. 
p.  20;  p.  26  „integrius  uberiusque  multis  locis  Ps.  Callisthenis  exemplar,  quam  qnale  codice 
A.  representatur,  Itin.  auctorem  ad  manum  habuisse  negari  vix  potest'' ;  vgl.  auch  p.  80. 
Ueber  die  Beziehungen  zu  Julius  Valerius  p.  28.  Dass  Jul.  Valerius  selbst  benutzt  wurde, 
kann  an  einem  sicheren  Beispiel  (c.  28,  29)  gezeigt  werden;  vgl.  J.  Zacher  1.  c.  p.  55;  57  und  83. 
Ueber  die  Beziehungen  zu  Curtius  vgl.  Kluge  p.  18,  über  die  zu  Diodor  Zacher  p.  57. 

Die  Sprache  des  Itinerars.  Beiträge  zur  Kenntnis  derselben  geben  Letronoe 
p.  409  und  Kluge  p.  46  und  54;  Volkmann  p.  VII.  Auch  Gräcismen  finden  sich,  so  dsss 
Kluge  (p.  54)  sich  zu  dem  Glauben  neigt,  das  Itinerar  sei  ursprünglich  vom  Griechischen 
ins  Lateinische  übersetzt.  Allein  diese  Gräcismen  können  auch  in  der  Benutzung  griechischer 


daadiiis  Maminriiiiiis.    (§  814.)  107 

Quellen  ihre  Erklinnig  finden.  Die  Worte  c.  1  ego  audctder  id  muneria  subeo,  non  meis 
fretus,  verum  extemi  ingemii  virilms  werden  nicht  anf  den  Uebersetzer  (vgl.  Haase,  Mis- 
celL  p.  20),  aondern  anf  den  Benutzer  Arrians  zn  deuten  sein. 

üeber  den  geschichtlichen  Wert  desitinerars  vgl.  Kluge  p.  31:  .Esse  eius 
generis  iam  TidemoB,  ut  nihil  fere  emolumenti  ex  Itinerario  nobis  redundet  ad  Alezandri 
faiBtorinm  angendam  et  locupletandam,  haud  spemenda  tarnen  auxüia  nacti  mmus  ad  Pseudo- 
Gallistfaeneae  historiae  vetostissmiam  formam  indagandam  et  restitnendam." 

üeberlieferung.  Einzige  Handschrift  ist  der  Ambrosianus  P.  49  sup.  s.  IX/X. 
Die  Schnft  bricht  am  Schluss  unvollständig  ab;  von  der  Lttcke  ist  der  ganze  Zug  Trajans 
gegen  die  Parther  verschlungen  worden.    Genaue  Beschreibung  bei  Volk  mann  p.  I. 

Ansg.  von  A.  Mai,  Itiuerarium  Alexandri  ad  Constantium  Augustum  Constantini 
Magni  filium,  Mailand  1817  (Frankfurt  a/M.  1818,  schlechter  Nachdruck).  Eine  zweite  Ausg. 
von  A.  Mai  findet  sich  in  den  Class.  auct.  tom.  7  (Rom  1835)  p.  1.  Neue  Ausg.  sind  die 
von  C.  Müller  in  der  Anianausg.  von  F.  Dflbner,  Paris  1846,  p.  115  (ohne  kritischen 
Apparat)  und  die  von  D.  Yolkmann  in  einem  Progr.  von  Schulpforta  1871  auf  Grund  einer 
neuen  von  R.  Schoell  gemachten  Collation  des  Ambrosianus;  in  der  Eapiteleinteiluug 
Bchliesst  er  sich  der  rOmischen  Ausg.  Mais  an. 

y)  Die  Redner  (Deklamatoren). 
1.   Claudius  Mamertinus. 

814«  Danksagungsrede  des  Claudius  Hamertmus  fttr  das  ihm  von 
Julian  verliehene  Konsulat.  Die  Rede  wurde  am  1.  Januar  862  in 
Constantinopel  gehalten.  Mit  ganz  besonderer  Befriedigung  konnte  Clau- 
dius Mamertinus  auf  das  abgelaufene  Jahr  zurückblicken;  denn  dasselbe 
hatte  ihm  drei  hohe  Würden  gebracht,  das  Amt  eines  comes  sacrarum 
largitionum,  das  Amt  eines  praefectus  praetorio  für  Italien,  Illyricum  und 
Afrika,  endlich  als  Krone  das  Konsulat.  Selbstverständlich  muss  der  Pane- 
gyriker  diese  Häufungen  von  Gunstbeweisungen  des  Kaisers  ins  helle 
licht  setzen,  und  er  spart  nicht  die  Worte,  um  dies  zu  thun,  wobei  auch 
seine  Person  nicht  in  den  Schatten  tritt.  Der  Kern  der  Rede  ist  das  Lob 
Julians.  Nachdem  er  seine  Ruhmesthaten  in  Qallien  geschildert,  verbreitet 
er  sich  ausführlich  über  die  ausgezeichneten  Tugenden  des  Herrschers, 
über  seine  Strenge  gegen  sich  selbst  und  seine  Milde  gegen  andere,  über 
seine  Sittenreinheit,  über  seine  Liebe  zur  Wissenschaft,  über  seine  Freundes- 
treue u.  8.  w. 

Der  Rede  gebricht  es  an  Einfachheit  der  Gedanken,  sie  ist  überladen 
und  trägt  das  Lob  zu  stark  auf.  Als  der  Panegyriker  seine  Rede  hielt, 
war  er  bereits  ein  bejahrter  Mann;^)  aber  sein  Leben  sollte  doch  nicht 
ohne  Schiffbruch  ablaufen.  Im  Jahre  368  wurde  er  in  einen  Prozess 
wegen  ünterschleifs  verwickelt.  Dies  zog  ihm  die  Ungnade  des  Kaisers 
zu,  der  an  seine  Stelle  als  praefectus  praetorio 'Vulcatius  berief. 

Biographisches.  Ueber  des  Redners  Rang  vgl.  3  p. 246,  25  B.  numquani  profecto 
liberi  cwis  et  boni  senatoris  officio  defutssem.  1  p.  245,  5  cum  me  aerarium  publicum  curare 
voluisti  , . , ,  at  cum  me  praetoriia  praefecisti.  Er  war  comes  sacranun  largitionam  (vgl. 
Aniinian21,8, 1  largüiones  curandaa)  und  praefectus  praetorio  Illyrici  etitaliae  361 — 365;  vgl. 
Symmachos  ep.  10,  40,  8  und  10,  40,  5;  Anunian  21,  12,  25  Mamertinum  praefectum  prae- 
torio per  Illyricum  designavit  coneulem\  21,  10,  8  Mamertino  in  consulatu  iunocit  Nevittam; 
26,  5,  5  ItcUiam  cum  Africa  et  Ulyrico  Mamertinus  {regebat).  Beide  Würden  wurden  dem 
Mamertinus  in  demselben  Jahre  361  verliehen.  22  p.  262,  7  B.  mihi  certe  tertia  uniua  anni 
ubertas  est  consulatus;  im  Nachfolgenden  werden  die  drei  Aemter  genannt.  Ammian  27, 
7,  1  (i.  J.  868)  vix  dies  intercessere  pauci,  cum  Mamertinum  praefectum  praetorio  ab  urbe 
regressum.  quo  quaedam  perrexerat  correcturus,  AmtianiM  ex  vicario  peculatus  detulerat 
reum.  <Mi  ideo  Vulcatius  stMicessit  Rufinus. 


*)  17  p.  257,  28  B.  a  teneris  annis  ad  hanc  i^que  canitiem  consuiatus  amore  flagravi. 


108  Latinins  Paoatas  DrepaniuB.    (§  815.) 

Ort  der  Rede  ist  Constantinopel;   denn   der  Redner  bezeichnet  die   Stadt,   wo  er 
spricht,  als  den  Gebortsort  Julians  (2  p.  245,  30). 

Ansg.  in  den  Panegyrici  latini  von  Baehrens  p.  244;  Mignes  Patrol.  18  p.  409. 

2.  Latinius  Pacatus  Drepanius. 

815.  Der  Panegyricus  des  Latinius  Pacatus  Drepanius  auf  Theo- 
dosius.  Als  der  merkwürdige  Usurpator  Maximus  von  Theodosius  im 
Jahre  388  niedergeworfen  und  ums  Leben  gekommen  war,  schickte  Gallien, 
das  von  dem  Tyrannen  am  meisten  zu  leiden  hatte,  im  Jahre  389  einen 
Abgesandten  nach  Rom,  wo  sich  damals  Theodosius  befand,  um  seine 
Glückwünsche  zu  dem  Siege  darzubringen.  Der  Abgesandte  war  der  gal- 
lische Redner  Latinius  Pacatus  Drepanius;  derselbe  stand  mit  Ausonius 
in  näheren  Beziehungen.  Dieser  widmete  dem  Rhetor  mehrere  Werke 
und  machte  ihm  auch  ob  seiner  dichterischen  Fähigkeit  ein  warmes 
Kompliment.  Auch  mit  Symmachus  war  der  Redner  vertraut,  und  die 
Briefsammlung  des  letzteren  weist  mehrere  Stücke  auf,  die  an  Pacatus 
gerichtet  sind.  Der  Panegyriker  hielt  seine  Rede  vor  dem  Kaiser  im 
römischen  Senat.  Nachdem  er  die  äusseren  und  inneren  Vorzüge  seines 
Helden  dargelegt  und  die  Erwählung  zum  Mitregenten  durch  Gratian  als 
eine  naturgemässe  Folge  dieser  Vorzüge  hingestellt  hat,  kommt  er  auf 
den  eigentlichen  Gegenstand  seiner  Rede,  den  Kampf  mit  dem  schlauen 
Maximus.  Nachdem  dieser  fast  ohne  Schwertstreich  Britannien  und  Gal- 
lien erobert,  Gratian  hingemordet  und  seine  Ernennung  zum  Mitaugustus 
durchgesetzt  hatte,  steckte  sich  sein  Ehrgeiz  noch  höhere  Ziele  und  strebte 
nach  der  Alleinherrschaft  über  das  gesamte  römische  Reich.  Jetzt  war 
es  Zeit  für  Theodosius  einzugreifen.  Maximus  war  Meister  auf  dem  Feld 
der  Intrigue,  aber  er  war  kein  Feldherr  und  unterlag  der  Strategie  des 
Theodosius.  Diese  wichtige  Episode  aus  der  Regierung  des  grossen 
Kaisers  erzählt  uns  der  Gallier  anschaulich  und  ausfiihrlich.  Die  Heimat 
des  Redners  war  ja  das  Operationsgebiet  des  Usurpators.  Der  Redner 
konnte  manche  Beobachtungen  sammeln;  seine  Erzählung  ist  daher  keine 
unwichtige  Geschichtsquelle.  Der  Panegyriker  spricht  gewandt  und  mit 
Aufgebot  aller  rhetorischen  Mittel;  doch  ist  die  Darstellung  nicht  zu  auf- 
gedunsen und  im  Ganzen  erträglich.  Die  grosse,  römische  Vergangenheit 
übt  auch  noch  auf  diesen  Spätling  ihren  Zauber  aus.^)  Das  Wehen  des 
christlichen  Geistes  gewahren  wir  dagegen  nirgends.*) 

Die  Rede  scheint  dem  Kaiser  gefallen  zu  haben.  Wir  finden  bald 
darauf  den  Gallier  als  Prokonsul  von  Afrika,  und  wir  werden  die  Ver- 
mutung wagen  dürfen,  dass  ihm  dieses  Amt  als  Belohnung  für  seine  red- 
nerische Leistung  verliehen  wurde.  Im  Jahre  393  war  Pacatus  comes 
rerum  privatarum,  damit  erlöschen  seine  Spuren  in  der  Geschichte. 

Biographisches.  In  der  Inscriptio  des  Panegyricus  wird  der  Verfasser  im  Grenitir 
angegeben   als  Latini  Pacati  Drepani  (Baehrens,  Ausg.  p.  XVII),   was   aufnilösen  ist 

*)  Ueber  die   Nachwirkung   der  Horaz-  '  ille  rerum  fabricator  indulsit;  21  p.  289,22 

lektüre  vgl.  M.  Hertz,  Analecta  ad  carmi-  |   dicata  numini  aummo   delvhra.     Die  Apo- 

num  Horat.  historiam,  particula  3  (Ind.  lect.  theose  des  Kaisers  findet  sich  auch  bei  ihm 

Breslau  1879  p.  15).  "*  P*  ^*^^'  ^^    deum   dedit   Hispania  quem 

^)  Nur  einige   monotheistische  Aeusse-  videmus. 

rungen  finden  wir,  wie  4  p.  274, 4  B.  supremus  \ 


Q.  Anrelins  Symmaohus.    (§  816.)  109 

Latinias  Pacatus  Drepanins;  vgl.  Seeck,  Ausg.  des  Symmach.  p.  CXGIII.  Seine  Heimat 
ist  Gallien;  vgl.  2  p.  27^,  7  B.  cum  admiratione  vvrtutum  tuarum  ab  ultimo  Oalliarum 
recesau,  qua  litus  oceani  cadentem  excipit  solem  et  defidentibus  terris  sociale  miscetur 
elementum,  ad  contuendum  te  adorandumque  properassem.  24  p.  293,  8  unde  ordiar 
tun  de  tuis,  mea  GeUlia,  media?  23  p.291,  28  triumphis  tuisGcdli  irascimur,  47  p.  314,  17 
qu€ie  reversus  urbibus  Oalliarum  dispenaabo  miracula.  Apollin.  Sid.  8,  11  p.  188  Mohr 
quid  agunt  Nitiobrogea  (jetzt  Agen),  quid  Veaunnid  tui  ....  tu  vero  utriaque  praeaentiam 
tuam  diapoaite  viciaaimqtie  partitua  nunc  Drepanium  ülia,  modo  iatia  reatüuia  Anthedium. 
Er  bekleidete  390  das  Prokonsolat  von  Afrika;  vgl.  cod.  Theodos.  9,  2,  4.  Auch  Ausonius 
erwfthnt  das  Prokonsulat  20  p.  104  Seh.;  27  p.  132  Seh.  Er  war  393  auch  comes  rerum 
privatamm  des  Theodosios;  vgl.  cod.  Theodos.  9,  42,  13. 

Pacatu«  undAusonins.  Mehrfach  erscheint  unser  Rhetor  in  der  Gedichtsamm- 
lung des  Ausonius.  p.  120  Seh.  wird  er  nach  der  Sitte  der  Zeit  in  sttsslicher  Weise  Dre- 
paniua  füiua  angeredet.  Der  Dichter  dediciert  dem  Redner  eine  nicht  näher  bezeichnete 
Gedichtsammlung;  er  geht  von  der  Widmung  Gatulls  aus,  zu  der  er  die  seinige  in  Gegen- 
satz stellt.  Dem  Adressaten  widmet  er  folgendes  Kompliment  (vs.  10) :  Imc  nulluA  mihi  carior 
ineorum,  \  quem  pluria  faciunt  novem  aororea,  \  qtMm  cunctoa  cUioa,  Marone  dempto.  Der 
Dichter  dediciert  dem  Prokonsul  Drepanius  seinen  luc|us  Septem  sapientum.  p.  205  Seh. 
dediciert  Ausonius  irgend  ein  poetisches  Werk,  das  er  vielleicht  später  dem  Proculus  wid- 
mete; vgl.  jedoch  die  Emendation  nach  Tollius.  Weiterhin  widmet  er  in  einem  prosaischen 
Briefe  p.  132  Seh.  dem  Pacato  proconauli  die  zweite  Ausgabe  des  Technopaegnium,  das 
er  früher  dem  Paulinus  überreicht  hatte.  Im  Technopaegnium  erscheint  Pacatus  noch 
p.  134  Seh.  und  p.  139  Seh.,  wo  aber  die  Ueberlieferung  zwischen  Paccde  und  Pauline 
schwankt. 

Pacatus  und  Symmach us.  An  Pacatus  sind  gerichtet  die  Briefe  8,  12  p.  217 
Seeck;  9,  61  p.  253;  9,  64  p.  254.  Ueber  das  Verhältnis  des  11.  und  12.  Briefes  vgl.  Seeck 
p.  CXGIII.    Dieser  Pacatus  ist  höchst  wahrscheinlich  identisch  mit  unserem  Rhetor. 

Ort  und  Zeit  der  Rede.  Die  Rede  wurde  in  Rom  gehalten  (47  p.  314,  20  Bomam 
vidi,  Theodoaium  vidi)  und  zwar  im  Senat  (1  p.  271,  16  huc  accedit  auditor  aenatiM),  Die 
Gegenwart  des  Kaisers  erhellt  gleich  aus  dem  Anfang:  ai  quia  umquam  fuit,  imperator  Au- 
guate,  qtU  te  praeaente  dicturua  iure  trepidaverit.  Die  Rede  fällt  nach  der  Ermordung  des 
Maximus,  welche  am  27.  August  oder  28.  Juli  388  stattfand;  vgl.  H.  Richter,  Das 
weströmische  Reich,  Berl.  1865,  p.  661.  Da  die  Rede  vor  Theodosius  in  Rom  gehalten  wurde, 
dieser  aber  im  Juni  389  nach  Rom  kam,  so  muss  die  Rede  in  dieses  Jahr  gehören. 

Sonderausg.  von  Scheffer,  Upsala' 1668;  Arntzen,  Amsterdam  1753.  Ueber 
Gresamtausg.  der  Pane^riker,  in  der  selbstverständlich  auch  unsere  Rede  ihren  Platz  ge- 
funden, vgl.  §  591.    Wir  citierten  nach  der  Ausg.  von  Baehrens. 

3.  Q.  Aurelius  Symmachus. 

816.  Biographisches.  Q.  Aurelius  Symmachus  stammte  aus  vor- 
nehmer, wenn  auch  nicht  alter  Familie.  Sein  Vater  Lucius  Aurelius  Avi- 
anius  Symmachus  war  in  hervorragenden,  amtlichen  Stellungen  thätig, 
selbst  das  Konsulat  wurde  ihm  zu  teil,  und  wir  haben  noch  Fragmente 
aus  der  Rede,  in  welcher  der  Sohn  für  diese  Auszeichnung  seinen  Dank 
ausspricht.  Wegen  seiner  Verdienste  wurde  ihm  eine  Statue  sowohl  in 
Rom  als  auch  in  Gonstantinopel  gesetzt.  Der  Historiker  Ammian  rühmt 
seine  Gelehrsamkeit  und  seine  massvolle  Haltung.  Er  war  aber  auch  ein 
tüchtiger  Redner  und  dilettierte  selbst  in  der  Poesie;  wir  haben  einen 
Brief  von  ihm  an  seinen  Sohn,  in  dem  er  diesem  fünf  Epigramme  auf 
angesehene  Zeitgenossen  zur  Beurteilung  vorlegt;  die  Hebdomaden  Varros 
schwebten  ihm  als  Muster  vor.  Es  sind  frostige  Produkte,  aus  denen 
kein  Hauch  dichterischen  Geistes  uns  entgegenweht.  Noch  stärker  griff 
dessen  etwa  um  340  geborener  Sohn  Q.  Aurelius  Symmachus  in  das  öffent- 
liche Leben  ein.  Auch  er,  der  von  einem  gallischen  Rhetor  in  der  Rhetorik 
seine  Ausbildung  erhalten  und  als  der  gefeiertste  Redner  seiner  Zeit  galt, 
brachte  es  zu  den  höchsten  Ehrenstellen.  Ueber  seine  amtliche  Laufbahn 
erhalten  wir  gesicherte  Kunde  durch  eine  Inschrift,   die   ihm  sein  Sohn 


110  Q.  AnreliuB  Symniaoliiis.    (§816.) 

Q.  Fabius  Memmius  Symmachus  setzen  Hess.  Im  Jahre  369  wurde  er  zur 
Feier  der  Quinquennalien  Valentinians  nach  Gallien  abgeschickt;  bei  dieser 
Gelegenheit  hielt  er  zwei  Panegyriken  auf  Yalentinian  und  Gratian.  Er 
wurde  in  die  dritte  Ordnung  des  Kronrats  berufen  und  kam  in  enge  Be- 
ziehungen zu  Ausonius;  von  dem  Wechsel  verkehr  beider  Männer  legen  die 
erhaltenen  Briefe  des  Symmachus  an  Ausonius  und  das  Gedicht  über  die 
Dreizahl,  das  Ausonius  dem  Symmachus  widmete,  Zeugnis  ab.  Auch  der  Feld- 
zug gegen  die  Alamannen,  den  beide  mitmachten,  wird  in  ihren  Schriften 
berücksichtigt.  Im  Jahre  370  hielt  Symmachus  wiederum  .  einen  Pane- 
gyricus  auf  das  dritte  Konsulat  Valentinians,  von  dem  uns  ebenfalls  Reste 
erhalten  sind.  Eine  schwierige  Mission  wurde  dem  Redner  im  Jahre  373 
zu  teil;  er  wurde  als  Prokonsul  nach  Afrika  geschickt,  wo  Firmus  die 
Fahne  der  Empörung  erhoben  hatte.  In  dem  erfolgreichen  Kampfe,  den 
Theodosius  gegen  den  Empörer  führte,  hatte  der  Prokonsul  wertvolle 
Dienste  geleistet.  Im  Jahre  375  verliess  er  die  Provinz;  in  diese  Zeit 
wird  seine  Vermählung  mit  Rusticiana,  der  zweiten  Tochter  des  Memmius 
Vitrasius  Orfitus,  fallen.  In  das  Leben  des  Symmachus  spielen  besonders 
die  kirchlichen  Kämpfe  hinein.  Er  war  dem  Christentum  fremd  gebUeben 
und  hatte  an  dem  alten  nationalen  Glauben  festgehalten.  Nachdem  die 
heidnische  Götterverehrung  von  Julian  wiederhergestellt  worden  war,  be- 
hauptete sie  ihren  Platz  neben  der  christlichen  Religion  und  wurde  auf 
Staatskosten  unterhalten;  auch  erblickte  man  in  der  Curie  den  Altar  der 
Victoria.  Allein  im  Jahre  382  wurden  von  Gratian  die  heidnischen  Kulte  ver- 
boten, die  priesterlichen  Einkünfte  eingezogen  und  der  Altar  der  Victoria 
entfernt.  Symmachus  wurde  mit  einer  Deputation  an  den  Kaiser  geschickt, 
um  die  Aufhebung  dieses  Dekrets  zu  erwirken.  Infolge  christlicher  Gegen- 
vorstellungen blieb  die  Gesandtschaft  ohne  jeden  Erfolg.  Als  383  Gratian 
einen  gewaltsamen  Tod  gefunden,  stieg  wieder  die  Hoffnung  der  nationalen 
Partei.  Im  Jahre  384  hielt  sie  den  Zeitpunkt  für  günstig,  die  Aufhebung  jenes 
gegen  den  alten  Glauben  gerichteten  Dekrets  zu  erwirken.  Symmachus 
richtete  eine  Vorstellung  an  den  Kaiser  Valentinianll.,*)  die  zu  den  schönsten 
Denkmälern  des  Altertums  gehört.  Allein  die  Zeit  des  Heidentums  war  voiv 
über;  der  grosse  Ambrosius  blieb  in  diesem  Kampfe  Sieger.  Die  letzten  Stadien 
des  Streites  fielen  in  die  Stadtpräfektur  des  Symmachus,  die  er  in  den  Jahren 
384  und  385  leitete.  Die  nächsten  Jahre  brachten  eine  schwere  Gefahr  über 
Symmachus.  Er  hatte  eine  Lobrede  auf  den  Usurpator  Maximus  gehalten, 
der  in  Italien  eingefallen  war  und  Valentinian  zur  Flucht  genötigt  hatte. 
Allein  als  Theodosius  den  Rebellen  niedergeworfen  hatte,  war  die  Lage  f&r 
Symmachus  eine  höchst  gefahrliche.  Nur  mit  Mühe  wehrte  er  seinen  Unter- 
gang ab;  durch  einen  Panegyricus  auf  Theodosius  suchte  er  seinen  Miss- 
griflf  in  Vergessenheit  zu  bringen.  Seine  politische  Laufbahn  wurde  in 
der  That  nicht  unterbrochen,  denn  er  erlangte  im  Jahre  391  die  höchste 
Ehrenstelle,  das  Konsulat.  Aus  dieser  letzten  Lebenszeit  stammt  der 
grösste  Teil  der  uns  erhaltenen  Briefe;  ihre  Spuren  erlöschen  mit  dem 
Jahre  402.  In  diesem  Jahre  wurde  Symmachus  mit  einer  Mission  nach 
Mailand  betraut,  kehrte  krank  nach  Rom  zurück  und  wird  in  dieser  Zeit 

»}  Vgl.  Seeck,  Ausg.  p.  XVII. 


Q.  AnrelinB  Symmaohns.    (§  816.)  Hl 

gestorben  sein.  Von  seinen  Kindern  hat  der  bereits  erwähnte  Sohn  Q.  Fabius 
Memmius  Symmachus,  auf  dessen  Ausbildung  der  Vater  die  grösste  Sorgfalt 
verwendet  hatte,  es  ebenfalls  in  der  politischen  Laufbahn  weit  gebracht. 
Er  trat  das  Prokonsulat  im  Jahre  415,  die  Stadtpräfektur  im  Jahre  418  an. 
Er  war  vermählt  mit  einer  Tochter  des  jüngeren  Nicomachus,  während 
dieser  selbst  eine  Tochter  des  Redners  Symmachus  zur  Frau  hatte. 

Lnciüs  Anrelins  Avianius  Symmachas,  der  Vater  des  Redners.  Ueber 
den  Vater  des  Redners  Symmachus,  der  die  Briefe  1,  1  und  1,  8 — 12  an  ihn  richtet,  belehrt, 
soweit  seine  amtliche  Laufbahn  in  Betracht  kommt,  die  Inschrift  CIL  6,  1698;  Wilmanns, 
Exempla  inscriptionum  lat  641 :  Fhosphorii.  —  Lucio  Aurelio  Avianio  Symmacho  v,  c, 
praefecto  urbi,  constUif  pro  praefectis  praetorio  in  urhe  Borna  finitimisque  provinciis,  prae- 
feeto  annomie  urbis  Ronune,  pontifici  maiori,  quindecimviro  sacris  fcunundis,  multis  lega- 
tionibus  pro  atnplissimi  ordinis  desideriis  apud  divos  principes  ftmcto,  qui  primus  in 
senatu  senUntiam  rogari  solitus  audorücUe  pritdentia  atque  eloqueniia  pro  dignitate  tanü 
ordinis  magnitudinem  loci  eius  itnpleverit,  auro  inlustrem  statuam,  quam  a  dominia  Ät*- 
gustisque  nostris  sencUus  amplisaimus  decreiis  frequentibus  impetrahü,  idem  triumfatores 
prmc^es  nostri  conißtitui  adposita  oratione  iusserunt,  quae  meriUM'um  eius  ordinetn  ac 
seriem  contineret.  quorum  perenne  iudidum  tanto  muneri  hoc  quoque  addidit,  ut  alteram 
sicUuam  pari  splendore  etiam  apud  Cot^tantinopolim  conlocaret.  —  dedicata  III  kal.  Maias 
d,  n.  Chratiano  IUI  et  Merobaude  consulibus  (a.  877).  Amm.  Marc.  21,  12,  24  ibi  (in 
NaiBSus)  Symmachum  repertum  et  Maximum  senatores  conspiciMS,  a  nobüüate  legatos  ad 
Constantium  missos,  eocinde  reversos  honorifice  vidit  (Julianus  a.  861).  Praefectus  urbi 
wurde  er  im  Jahre  364;  vgl.  Seeck,  Die  Reihe  der  Stadtpräfekten  bei  Amm.  Marc.  (Hermes 
18  (1888)  p.  802).  Ueber  seine  Verwaltung  der  Stadtpräfektur  vgl.  Amm.  Marc.  27,  8,  8 
Symmachus  Aproniano  successit,  inter  praecipua  nominandus  exempla  doctrinurum  atque 
modestiae;  vgl.  Symmach.  epist.  2,  44;  2,  88.  Ueber  sein  Konsulat,  das  in  das  Jahr  377 
fiült,  vgl.  die  Rede  des  Sohnes  pro  patre  (p.  332  Seeck).  Da  sein  Name  in  den  Fasten  nicht 
vorkommt,  vermutet  Seeck  (Ausg.  p.  XLIII),  dass  er  als  consul  designatus  gestorben  sei. 
Aus  dem  Brief  1,  101  des  Jahres  380  geht  hervor,  dass  damab  der  Vater  tot  war.  Von  dem 
Vater  existiert  in  der  Briefsammlung  des  Sohnes  ein  Brief  (1,  2),  in  dem  der  Vater  dem 
Sohne  5  Epigramme  auf  Zeitgenossen  seinem  Urteil  unterstellt.  Die  Personen,  denen  die 
Epigramme  gelten,  sind:  Aradius  Rufinus,  Valerius  Proculus,  Anicius  Julianus,  Petronius 
Probianus  und  Verinus.  Als  Muster  schweben  ihm  Varros  hebdomades  vor;  es  heisst  in 
dem  Brief:  quia  nihü  est,  quod  agam,  et  si  nihil  ugam,  subit  me  malorum  meorum  misera 
recordatio,  inveni,  quod  Ulis  libellis,  quos  nuper  dictaveram,  possimus  adicere.  scis  Teren- 
tium,  non  comicum,  sed  Beatinum  iUum  Romanae  eriAdüionis  parentem,  hebdomadon  libros 
epigrammatum  adiectione  condisse,  illud  nos,  si  fors  tulerit,  conamur  imitari.  Die  Epi- 
gramme, von  denen  jedes  6  Hexameter  umfasst,  sind  sehr  prosaisch  gehalten.  Solche 
Epigramme  scheinen  bei  den  Römern  sehr  beliebt  gewesen  zu  sein;  vgl.  eine  Sammlung  in 
Auuol.  lat.  ed.  Riese  No.  881;  Baehrens,  Poet.  lat.  min.  5  p.  894.  Auch  als  vorzüglichen 
Redner  stellt  der  Sohn  den  Vater  dar;  vgl.  Symmach.  epist.  1,  44  egit  ille  senatui  gratias 
ea  facundiae  gravitate  qua  notus  est. 

Der  Redner  Q.  Aurelius  Symmachus.  Ueber  die  amtliche  Laufbahn  desselben 
belehrt  uns  folgende  Inischrift  (CIL  6,  1699;  Wilmanns,  Exempla  inscriptionum  lat.  1235; 
Dessau,  Inscript.  lat.  selectae  1  No.  2946):  Eusebii,  Q.  Aur.  Symmacho  v,  c.  quaest., 
praet.,  pontifici  maiori,  correctori  Lucaniae  et  Brittiorum,  comiti  ordinis  tertii,  procons. 
Africae,  praef.  urb.,  cos.  ordinario,  oratori  disertissimo,  Q,  Fab.  Memm.  Symmadius  t?.  c. 
patri  optimo.  Das  Agnomen  Eusebii  ist  sonst  nicht  bekannt.  Bezüglich  der  Quästur  und 
Prfttur  vgl.  Seeck  p.  XLV:  ,,quaestura  et  praetura  tum  non  honores  erant,  sed  munera 
patrimonii,  quae  omnes  senatores  utrumqne,  si  locupletiores  erant,  sin  pauperiores,  prius 
tantum,  subire  cogebantur.''  Ueber  sein  Pontifikat  spricht  Symmachus  an  verschiedenen 
Stellen;  vgL  epist.  1,  47;  1,  49;  1,  51  und  andere  Stellen  bei  Seeck,  Ausg.  p.XLVI  Anm.  137. 
Corrector  Lucaniae  et  Brittiorum  war  Symmachus  im  Jahre  365 ;  vgl.  cod.  Theodos.  8,  5,  25. 
Ueber  die  correctores  vgl.  J.  Marquardt,  Rom.  Staatsverwaltung  P  (Leipz.  1881)  p.  228 
mid  besonders  p.  237  Anm.  8;  A.  v.  Premerstein,  Pauly-Wissowas  Realencycl.  4  Sp.  1646. 
Ueber  comes  tertii  ordinis  vgl.  Seeck,  Pauly-Wissowas  Realencycl.  4  Sp.  685 :  ,S3rmmachu8 
wurde  noch  im  J.  869  nur  mit  der  comitiva  ordinis  tertii  in  den  Eronrat  aufgenommen,  obgleich 
er  schon  vorher  die  Correctura  Lucaniae  et  Brittiorum  bekleidet  hatte."  Das  Prokonsulat 
von  Afrika  trat  er  an  im  Jahre  873;  vgl.  Cod. Theodos.  12, 1,  78  und  Seeck  p.  XL VII  Anm.  148 
erwähnt  wird  dasselbe  epist.  8,  5;  10,  1.  Praefectus  urbi  war  er  in  den  Jahren  384  und  385, 
consul  Ordinarius  891;  vgl.  epist.  2,  62;  2,  63;  2,  64;  5,  15.  Ueber  seine  Ausbildung  sagt  er 
epist.  9,  88,  8  praecepta  rhetoricae  pectori  meo  senex  olim  Garumnae  eUumnus  inmulsit. 


112  Q.  Anrelias  Symmaohiis.    (§817.) 

Ueber  die  Beziehungen  zu  AasoniuB  vgl.  die  Briefe  1,  18 — 48  and  den  gryphoa  temarii 
numeri,  der  dem  Symmachus  gewidmet  ist  (§  788  p.  85).  Ueber  beider  Teilnahme  an  dem 
Feldzage  gegen  die  Alamannen  berichtet  Aasonias  in  der  Mosella,  SymmachaB  in  der  zweiten 
Rede.  Vermählt  war  Symmachas  mit  Rasticiana,  einer  Tochter  des  Memmins  Vitrasias  Orfitos, 
der  zweimal  praefectas  arbi  358 — 55,  357 — 59  war;  vgl.  rel.  84,  12  pro  coniugia  meae  Rusti- 
cianae  c.  f.  parte  qucieaüa  sunt;  epist.  9,  150  soceri  mei  Orfiti;  vgl.  Seeck  p.  XUX,  der 
die  Vermählang  ins  Jahr  875  setzt.  Landgüter  besass  er  in  grosser  Anzahl;  vgl.  2,  57;  6,  60; 
6,  66;  6,  58;  7,  21;  1,  6;  2,  52;  6,  72;  4,  44;  7,  15;  9,  69;  6,  81;  1,  5  a.  s.  w.;  vgl.  Seeck, 
Aasg.  p.  XLV.  Seine  Wohnang  hatte  er  aaf  dem  mons  CaeÜas;  vgl.  epist  7,  18  regressus 
in  larem  Caelium;  vgl.  noch  7,  19.    Klagen  über  seine  Gesandheit  epist  6,  10;  6,  7;  5,  67; 

4,  54;  9,  127;  9,  128;  5,  96;  4,  18.  Da  die  Briefe  des  Symmachas  nicht  über  das  Jahr  402 
hinaasgehen,  wird  er  bald  nach  diesem  Jahre  gestorben  sein.  Ende  Febraar  402  kam  er  krank 
von  einer  Mission  nach  Mailand  in  Rom  an. 

Der  Sohn  des  Redners  Q.  Fabias  Memmius  Symmachus.    Symmach.  epist. 

5,  68  Cid  haec  etiam  Symmachum,  cum  sübcreverü,  quamquam  unicum  cohortabor.  Bezüg- 
lich des  unicum  vgl.  noch  6,  7.  Ausser  dem  Sohne  hatte  der  Redner  noch  eine  filiere  Tochter, 
welche  mit  dem  jüngeren  Nicomachus  vermählt  wurde;  vgl.  §  806  p.  85.  In  seiner  Kind- 
heit (898)  bekleidete  er  schon  die  Quästur;  vgl.  epist.  5,  22;  über  seine  Ausbildung  vgL  4,  20 
(aus  dem  Jahre  895)  dum  filius  meus  Graecis  lüteris  initiatur,  ego  me  denuo  stuaiis  eius 
velut  aequalis  adiunxi;  vgl.  auch  noch  5,  5  (aus  dem  Jahre  898);  6,  61  (ebenfalls  aus  dem 
Jahre  898).  6,  84  (aus  dem  Jahre  401)  ab  inlustri  viro  praefecto  Hadriano  GaUum  rhe- 
torem,  quem  proxime  ühMebius  noater  ingesserat,  poatulemus,  ne  pignorum  nostrarum  in- 
dolea  in  profectu  posita  deseratur.  Wie  sehr  der  Vater  auf  die  rhetorische  Ausbildung 
bedacht  war,  zeigt  7,  9.  Die  Prätur  bekleidete  er  im  Jahre  401;  vgl.  Seeck  p.  LXXII  und 
epist.  7,  1.  Wie  es  scheint,  heiratete  er  in  demselben  Jahre  die  Tochter  des  Nicomachoa 
Flavianus;  vgl.  Seeck  p.  LXXll.  Das  Prokonsulat  von  Afrika  hatte  er  415  inne;  vgji. 
Cod.  Theodos.  11,  80,  65.  Praef.  urbi  wurde  er  im  Jahre  418,  und  aus  dieser  Amtsth&tig- 
keit  sind  uns  Berichte  in  der  von  0.  Günther,  Wien  1895/98  edierten  collectio  Avellana 
erhalten;  vgl.  W. -Meyer,  Epistulae  imperatorum  rom.  ex  coUectione  canonum  Avellana 
(Ind.  lect  Göttingen  1888/89,  p.  6). 

Litteratur.  J.  Gothofredus,  Vita  Symmachi,  vor  der  Ausg.  des  Pareos,  Neu- 
stadt a.  H.  1617;  Suse,  De  vita  S3rmmachi,  Hamb.  1817;  E.  Morin,  £tudes  sur  Symxnaqne 
ou  recherches  biographiques  et  chronologiques  sur  la  seconde  moiti^  du  quatri^me  si^le, 
Paris  1847;  0.  Koren,  Quaest.  Symmachianae,  Wien  1874;  0.  Seeck,  Ausg.  p.  XXXIX; 
Glover,  Life  and  letters  in  the  fourth  Century,  Cambridge  1901,  p.  148. 

817.  Die  Beden  des  Symmachus.  Den  Ruhm  des  Symmachus  be- 
gründeten zunächst  seine  Reden,  die  er  vor  dem  Kaiser  oder  im  Senat 
hielt,  und  gern  wird,  wenn  Symmachus  von  den  Alten  citiert  wird,  dem- 
selben ein  seine  grosse  Redekunst  charakterisierendes  Epitheton  beigefügt 
Eine  von  ihm  gehaltene  Rede  Hess  Symmachus  zuerst  unter  den  Freunden 
cirkulieren,  um  deren  Urteil  mit  Spannung  zu  vernehmen.  Waren  so 
mehrere  Reden  zusammengekommen,  legte  er  dieselben  in  einem  Corpus 
einem  grösseren  Publikum  vor,  nicht  jedoch  ohne  Verbesserungen  und 
Aenderungen  vorgenommen  zu  haben.  Wir  haben  die  Ueberreste  von 
einem  solchen  Corpus  in  einem  Palimpsest  des  Klosters  Bobbio,  den  A.  Hai 
entdeckte;  dadurch  sind  uns  die  Fragmente  von  acht  Reden  erhalten,  drei 
davon  sind  Panegyriken  auf  das  Herrschergeschlecht,  zwei  auf  Valenti- 
nian  I.,  eine  auf  Gratian.  Die  Reden  auf  Valentinian  sind  im  Jahre  369 
und  370  gehalten  und  zwar  die  erste  auf  Valentinians  Quinquennalien,  die 
zweite  auf  dessen  drittes  Konsulat;  die  Rede  auf  Gratian  wurde  bei  Ge- 
legenheit des  ersten  Panegyricus  auf  Valentinian  gesprochen.  Die  vierte 
Rede,  die  ins  Jahr  376  fallt,  ist  eine  Danksagung  für  die  Wahl  seines 
Vaters  zum  Konsul;  die  fünfte  Rede  pro  Trygetio  aus  dem  Jahre  376, 
die  sechste  aus  der  Zeit  376—378  und  die  siebente  (vor  388)  sind  Em- 
pfehlungsreden im  Senat,  die  achte  enthält  kein  Zeitindicium.  Die  Reden 
sind  im  panegyrischen  Stil,  der  damals  üblich  war,  geschrieben.   Dass  auf 


Q.  Anreliiis  Symmaohns.    (§817.)  113 

I  Ausarbeitung  dieser  Produkte  die  grösste  Sorgfalt  verwendet  wurde, 
klar;  die  Sucht  nach  pikanten  Wendungen  hat  den  Redner  mitunter 
3h  auf  Abwege  gebracht. 

Zeugnisse  über  den  Redner  Symmachus.  CIL  6,  1699  heisst  Symmachiis 
tor  discrtissimus.  Olympiodor  bei  Photiiis  c.  80  nennt  ihn  6  Xoyoyqäfpog,  Socraies,  Hist. 
1.  5,  14  i^avfjux^sjo  di  inl  naidevaet  Xoyuty  *PmAMxtiy  *  xal  ydg  avtt^  noXXoi  Xoyoi 
y^yQafAfiiyoi  t^  'Patfiaitay  yhoavjn  xvyxävovaiv,  Pnident.  contra  Symmach.  2  praef.  56 
>  nunc  nemo  disertior  eocuUat,  fremü,  intoncU  ventiaque  eloquii  turnet;  644  praenobilis 
Senator  orandi  arte  potens;  andere  Stellen  bei  Seeck,  Aosg.  p.  Y  Anm.  4.  Ueber 
16  Empfehlung  des  Augustin  f&r  einen  rhetorischen  Lehrstuhl  in  Mailand  vgl.  Augustin. 
fess.  5,  23. 

Zeugnisse  ttber  die  Reden.  Or.  2,  2  (in  Valentinianum)  fuit  evidens  causa, 
\  fasces  sumere  tertio  cogereris;  vgl.  Seeck  p.  XLVII.  üeber  die  Panegyriken  auf  die 
ser  vgl.  Seeck  1.  c.  (fc.  4,  1  {pro  patre)  desinet  profecto  mirari,  non  unum  pro 
9ulatu  gratias  agere,  quem  tarn  miUtos  videat  dettUisse;  vgl.  Seeck  p.  XUII.  Or.  5,  4 
9  Trygetio)  sed  iam  satis  mtdta  de  nobis!  demus  cdiquid  operae,  aliquid  temporis  etiam 
fgetio  clarissimo  et  emendato  viro,  qui  vos  oraios  per  me  adque  exoratos  cupit,  ut  eius 
«m  functioni  praetoriae  destincUum  dedmus  annus  <iccipiat,  Epist.  1,  44  cum  familiaris 
\  Trygeti  filio  praetorio  candidato  operam  spopondissem;  vgl.  1,  105;  3,  7;  5,  43;  1,  52; 
)6;  1,  78.  Or.  6,  2  {pro  Flavio  Severe)  quania  verecundia  factum  putatis,  ut  tarn  sero 
fretur!  olim  pervectus  in  fastigia  summa  rei  publicae  adhuc  dubitat,  an  senatorem 
Sit  implere,  Or.  7,  3  {pro  Synesio)  non  ideo  Synesius  in  senatum  legendus  est,  quia 
if  amicitia  iungitur,  sed  ideo  amicus  est  mihi,  quia  dignus  est,  qui  legatur! 

Chronologie  der  Reden.  Seeck,  Ausg.  p.  X  ,ex  orationibus,  quae  supersunt, 
na  et  tertia  recitatae  sunt  a.  369,  secunda  a.  370,  quarta  et  quinta  a.  376,  sexta  inter 
108  376  et  378,  septima  ante  a.  388,  octava  nuUum  temporis  indicium  praefert''. 

Verlorene  Reden.  Epist.  4,  64  nee  tantum  epistulas  meas  poscis,  sed  oratiun- 
18  quoque  nostras  nondum  tibi  editas  deferri  in  manus  tuas  praecipis.  quae  res  videtur 
*ndere,  quid  iudicii  Jtabeas  de  iis,  quas  ante  sumpsisti  ....  misi  igitur  ex  recentioribus 
tiunciUis  meis  q;uinque  numero,  quarum  mihi  iam  fiduciam  fecit  publicus  favor.  Alle 
»e  5  Reden  sind  weder  der  Zeit  noch  dem  Inhalt  nach  bestimmbar.  Auch  der  Panegyri- 
,  auf  den  Cassiodor,  Var.  leci  XI  1  fin.  (p.  340  Seeck)  zu  deuten  scheint,  kann  nicht 
rakterisiert  werden.  Dagegen  kann  Genaueres  über  folgende  Reden  gesagt  werden: 
Panegyricus  in  Maximum  tyrannum.  Socrates  bist.  eccl.  5,  14  ßaaiXixov  ody  Xoyoy 
Mti^tfioy  in  neQioyra  yeyQUfftag  xai  öie^eXt^cay  xta  xrjq  xaSoaitiaetog  iyxXfjfjLaxt  lyoxog 
BQov  iye'ysxo;  vgl.  auch  Suidas  s.  v.  xa&oaiojaig;  Seeck  p.  LVII.  2.  Panegyricus  ad 
eodosium,  gehalten  gegen  Ende  388.  Socrates  1.  c.  avyyyaififjs  ovy  a^Ko^eig  o  Zvfifiaxog 
aTioXoyrjxixoy  Xoyoy  eig  xoy  avxoxQccxoQa  Seodoaioy  iyQatpey.  Epist.  2,  31  quod  in  pane- 
ici  defensione  non  tacui;  vgl.  auch  epist.  2,  13  cum  civües  et  bellicas  laudes  domini  nostri 
'odosii  stili  Jionore  percurrerem ;  vgl.  8,  69.  3.  Gratiarum  actio  pro  consulatu  (391). 
I  dieser  Rede  scheint  Arusianus  Messius  Fragmente  erhalten  zu  haben;  vgl.  Seeck, 
ig,  p.  VI.  4.  De  censura  non  restituenda;  vgl.  epist.  4,  29.  5.  Contra  Polybii 
um  praetorium  candidatum.  Beide  Reden  (No.  4  und  5),  die  Ende  397  oder  Anfang 
fallen,  gehören  zusammen.  Epist.  4,  45  misi  igitur  ad  eruditionem  tuam  duas  oratiun- 
is  nostras,  quarum  una  ad  Polybii  filium  pertinens  ex  recenti  negotio  nata  est,  altera 
lum,  cum  res  in  senatu  agitaretur,  a  me  parata  nunc  opere  largiore  aucta  processit, 
z  argumentum  est  repudiata  censura,  quam  tunc  totius  senatus  fugaint  auctoritas. 
duas  igitur  oratitmctdas  nuper  editas  a  nobis  misi.  earum  una  ad  urbanos  fasces 
dtantem  tenuit  candidatum,  alteri  argumentum  dedit  iam  pridem  decreto  senatus  im- 
bata  censura;  vgl.  7,  58. 

Ueberlieferung  der  Reden.  Die  Ueberreste  der  Reden  verdanken  wir  dem 
.  rescriptus  Bobiensis  s.  VI,  der  uns  auch  Cic.  de  rep.  (§  158)  und  Fronto  (§  550)  ge- 
idet  hat.  Für  Symmachus  kommen  27  Blätter  in  Betracht;  dieselben  befinden  sich  teils 
ilailand  (Ambros.  E  147  inf.),  teils  in  Rom  (Yaticanus  5750);  vgl.  auch  Naber,  Mnemo- 
ß  26  (1898)  p.  281. 

Ausg.  Q.  Aurelii  Symmachi  v.  c.  octo  orationum  ineditarum  partes  ed.  A.  Mai, 
Land  1815  (Frankfurt  a/M.  1816);  durch  die  vatikanischen  Fragmente  vermehrt  in 
ptorum  veterum  nova  collectio,  Rom  1825,  1831  und  in  der  Ausg.  Cicero  de  rep., 
1  1846;  Q.  Aurelii  Symmachi  VllI  orationum  fragmenta  Frontoms  reliquiis  adiecta 
B.  G.  Niebuhr,  Berl.  1816;  Ausg.  des  panegyricus  secundus  im  Valentinianum  von 
$ck,  Comment.  in  honorem  Tb.  Mommseni,  Berl.  1877,  p.  595.  Gesammelt  sind  die 
^ente  auch  bei  H.  Meyer,  Orat.  rom.  fragm.,  Zürich'  1842,  p.  627  und  in  Seecks 
g.  p.  318. 

SAndbuch  der  kUi«.  Aliertomswlaasenschaft.  Vin.  4.  8 


114  Q.  Aareliaa  Symmachns.    (§818.) 

818.  Die  Briefsammlung  des  Symmachns.  Nächst  der  Rede  war  es 
der  Brief,  in  dem  man  sein  stilistisches  Können  zu  zeigen  vermochte.  Auch 
dieser  Gattung  der  Rede  wandte  Symmachus  seine  ganze  Sorgfalt  zu.  Man 
wusste,  dass  der  Brief  auch  in  andere  Hände  als  die  des  Adressaten  ge- 
langen konnte;  man  musste  ihn  daher  so  abfassen,  als  ob  er  für  die 
Oeffentlichkeit  bestimmt  sei.  Die  Briefe,  die  Symmachus  schrieb,  waren 
ein  begehrenswerter  Artikel:  die  Freunde  hoben  sie  sorgfältig  auf,  man 
stellte  sogar  dem  Briefträger  nach,  um  in  den  Besitz  eines  Briefes  von 
Symmachus  zu  gelangen.  Bei  dieser  ausserordentlichen  Nachfrage  lag  die 
Gefahr  der  Fälschung  sehr  nahe,  so  dass  sich  Symmachus  sogar  einmal 
genötigt  sah,  gegen  den  Unfug  einzuschreiten.  Ein  Brief  war  daher  für 
Symmachus  immer  ein  Gegenstand,  der  die  grösste  Sorgfalt  erforderte. 
Er  pflegte  ihn  einem  Schreiber  zu  diktieren  und  nur,  wenn  es  notwendig 
erschien,  einen  Zusatz  mit  eigner  Hand  hinzuzufügen.  Es  ist  nahezu 
selbstverständlich,  dass  die  Konzepte  der  Briefe  in  der  Regel  aufbewahrt 
wurden;  so  kam  im  Laufe  der  Jahre  eine  grosse  Anzahl^)  der  Briefe  zu- 
sammen, so  dass  an  deren  Herausgabe  gedacht  werden  konnte.  Uns  hegt 
ein  solches  Corpus  in  zehn  Büchern  vor;  vom  zehnten  Buch  sind  uns 
aber  nur  zwei  Briefe  erhalten,  der  eine  an  Theodosius  Senior,  der  andere 
an  Gratian.  Wahrscheinlich  gehörten  aber  noch  dazu  die  uns  gesondert 
überlieferten,  amtlichen  Berichte,  die  sog.  Relationes.  Als  Herausgeber 
nennt  sich  in  Subskriptionen  der  Sohn  des  Redners  Q.  Fabius  Memmius 
Symmachus.  Die  Subskriptionen  enthalten  auch  eine  allgemeine  Angabe 
über  die  Zeit  der  Herausgabe,  sie  erfolgte  nach  dem  Tode  des  Autors;  wir 
können  aus  Indizien  hinzufügen:  zwischen  403  und  408.  Für  die  Bildung 
des  Corpus  scheint  das  des  jüngeren  Plinius  massgebend  gewesen  zu  sein; 
wie  bei  ihm  wurde  die  amtliche  Korrespondenz  der  übrigen  gegenüber- 
gestellt und  zu  einem  Buch  vereinigt.  Betrachtet  man  die  neun  Bücher 
der  Privatkorrospondenz,  so  gewahrt  man  Verschiedenheiten  in  der  Thätig- 
keit  des  Herausgebers  bei  den  sieben  ersten  Büchern  und  den  zwei  letzten; 
dort  finden  wir  die  Briefe  nach  den  Adressaten  zu  Gruppen  zusammen- 
geschlossen ohne  Rücksicht  auf  die  Zeitfolge,  hier  fehlen  diese  Gruppen, 
dafür  erscheinen  Briefe  ohne  Adresse,  die  Chronologie  tritt  uns  stärker 
entgegen,  mit  einem  Worte,  der  erste  Teil  ist  planmässiger  und  sorg- 
fältiger angelegt  als  der  zweite.  Bezeichnend  für  den  Charakter  des  zweiten 
Teils  ist,  dass  zwei  Entwürfe  für  eine  Einladung  zu  den  Feierlichkeiten, 
die  bei  dem  Antritt  der  Prätur  des  Sohnes  stattfinden  sollten,  neben  einander 
gestellt  sind.  Es  ist  keine  unwahrscheinliche  Annahme,  dass  der  erste 
Teil  der  Sammlung  noch  vom  Vater  entworfen  war,  welchem  der  Sohn  noch 
eine  Reihe  von  Briefen  hinzufügte,  die  entweder  der  Vater  ausgeschieden 
oder  übersehen  hatte. 

Zur  äasseren  Herstellung  der  Briefe.  Ueber  das  Briefmaterial  vgl.  8,  12, 2 
ipsa  etiam  verba  melius  ex  oris  fontibus  fluunt  quam  mandantur  textis  papyri.  4,  28, 4 
Aegyptus  papyri  volumina  bybliothecis  foroque  texuerit.  sufficiat  aliquando  cdebrcmdae 
amicitiae.  Dass  eine  pagina  gewöhnlich  him-eichte,  geht  hervor  aus  8,  23,  1  qua€  igitur 
V7i6&eatg  erit  paginae  Imigioris?  3,  75  nolo  enim  te  a  conloquiis  tuorum pagina  longioff 
producere.    Dass  die  Briefe  diktiert  wurden,  ergibt  sich  daraus,  dass  2,  31  ein  Zusatz  vob 

*)  Ausser  den  49  Relationes  circa  900  Stück. 


().  Anrelina  Symmaohiuu    (§819.)  115 

der  eigenen  Hand  des  Symmachofi  ansdrficklich  vermerkt  wird  mit  den  Worten:  Symmachus 

hoc  manu  sua  stibter  cidiecit;  vgl.  auch  noch  6,  58,  2  tinica  mihi  catisa  dictandae  episttdae 

fmt  ut,    6,  4  anonus  igitur  vulnere  animi  et  corporis  morbo  tisque  ad  sübscribendi  poesibili- 

taUm  litteras  differre  tion  potui,  sed  dictatione  properata  magis  soUicüudini  meae  quam 

eoH9%utudini  aatisfeci.    üeber  Sammlungen  von  Briefen  des  Symmachos  vgl.  2,  48,  1  qiuie, 

ut  canfido,  iam  iradita  sunt;  nisi  forte  denuo  aliquis  ex  urbanis  divitibus  insessor  viarum 

scripta  nostra  furaverit.    2,  12,  1  spatiari  in  foro  urbis  nostrae  post  acceptas  a  me  litteras 

pierosque  cognavi,  et  sie  nimis  vereor,  ne  quid  in  nos  fraudis  admiserit  simulata  ante 

properatio,  merito  apographa  epistvlarum  mearum  simulque  Twminum  nomina  vel  legenda 

tibi  vel  relegenda  subieci.  tu  vicissim  de  singulis  mihi  aut  inpleti  officii  fidem  nuntia  aut 

vidati  prode  perfidiam  etc.    5,  85,  1  (an  Helpidios)  quod  epistulas  meas  condis,  nmoris 

est  tui,  qui  describenda  nesdt  eligere  ....  eadem  mei  quoque  librarii  servare  dicayitur. 

5,  86  (an  denselben)  nee  vereor,  ne  temere  a  me  effusa  verba  in  paginas  librarii  tui  referas. 

4,  34,  8  (an  Protadins)  mandari  periturae  chartae  epistulas  quereris.    2,  85  ego  quoque  in 

seribendo  formam  vetustatis  amplector  nimisque  miror,  quod  mihi  librarii  error  obrepserit, 

qui  solitus  epistulis  meis  nomina  sola  praeponere,  fMum  simplicem  novella  adiectione  mutavit. 

Der  Heransgeber  und   die  Zeit  der  Herausgabe  der  Briefe.    In  der  Sub- 

aeriptio  zu  Buch  2  lesen  wir:   Q.  Aurelii  Symmachi  v.  c.  consülis  ordinarii  epistolarum 

W),  II  explieit  editus  post  eius  obitum  a  Q.  Fabio  Memmio  Symmacho  v.  c.  füio  incipit 

Hb,  III;  vgl.  auch  die  Aufschrift  zu  Buch  5  (p.  124  S.)  und  Buch  10  (p.  276).  —  Bezüglich 

der  Zeit  der  Herausgabe  sagt  See ck  (p.  XXIU):  «tempus  editionis  ea  re  definitur,  quod  epi- 

stnlae  ad  Attalum  (YU  15 — 25)  in  collectionem  receptae  sunt,  quae   postquam  Alaricho 

anctore  a.  409  purpuram  sumpsit,  aut  omitti  debuerunt  aut  certe  inscriptionibus  privari,  ut 

md  Maximum  et  Eugenium  satelütesque  eorum  scriptae  aut  desiderantur  aut  inter  anonymes 

librorum  octavi  et  noni  latent  ....  cum  igitur  Q.  Aurelius  Symmachus  a.  402  mortuus  sit, 

epistnlarum  corpus  inter  annos  408  et  408  prodüsse  debet.*  —  Ueber  die  Differenzen,   die 

in  dem  Corpus  der  Bücher  1  bis  7  und  den  Bachern  8  und  9  andererseits  auffallen  (Buch  10, 

das  nur  zwei  Briefe  umfasst,  scheidet  aus),  stellt  H.  Peter  (Der  Brief  in  der  röm.  Litt., 

Abh.  der  sächs.  Ges.  der  Wissensch.  Bd.  20  No.  III  (1901)  p.  144)   folgende  Hypothese  auf: 

ȧr  (der  Sohn)  fand  eine  geordnete  Sammlung  in   dem  Nachlasse  des  Vaters  vor,  konnte 

sich  aber  nicht  entschliessen,  die  von  ihm  ausgeschiedenen  Briefe  beiseite  zu  werfen  oder 

sie   wenigstens  einer  Auswahl  zu  unterziehen;   obwohl  sie  nach  Inhalt  und  Form  sich  als 

Mindergut  (?)  veiraten  mussten,  hat  er  sie  nach  den  ererbten  Eonzeptrollen  noch  abschreiben 

lassen  und  als  Buch  VIII  und  IX  mit  den  übrigen  zusammen  herausgegeben. '^    Nach  Seeck, 

Ausg.  p.  XXIII  ist  der  Unterschied  bloss  darauf  zurückzuführen,  dass  die  Briefe  der  ersten 

7  Bttcher  von  den  Empf&ngem  gesammelt,  die  des  8.  und  9.  Buchs  aus  den  zurückbehaltenen 

Konzepten  herausgegeben  sind. 

Das  zehnte  Buch.  Die  Ueberschrift  lautet:  Continens  epistulas  familiäres  ad 
imperatores,  sententias  senatorias  et  opuscula, 

Briefgruppen.  In  den  sieben  ersten  Büchern  sind  die  Briefe,  die  an  dieselbe 
Persönlichkeit  gerichtet  sind,  zu  Gruppen  zusammengefasst,  z.  B.  1)  1,  1—12  (mit  Aus- 
schluss von  1,  2)f  Briefe  an  seinen  Vater.  2)  1,  13 — 43  (1,  32  Ausonius  an  Symmachus), 
Briefe  an  Ausonius.  8)  1,  44—55,  Briefe  an  Praetextatus.  4)  1,  56—61,  Briefe  an  Probus. 
5)  1,  62—74,  Briefe  an  Celsinus  Titianus  frater.  6)  1,  75—88,  Briefe  an  Hesperius.  7)  1, 
89 — 93,  Briefe  an  Antonius.  8)  1,  94—107,  Briefe  an  Syagrius.  9)  zweites  Buch;  sämt- 
liche Briefe  an  Flavianus  frater.  10)  8,  1—9,  Briefe  an  Julianus.  11)  8,  10—16,  Briefe  an 
Naucellius  u. s.  w.  Auch  handschriftlich  werden  Gruppen  unterschieden;  vgl.  Seeck  p. XXV. 
Die  Adressaten.  Vgl.  Seeck,  Chronologia  et  prosopographia  Symmachiana 
p.  LXXni;  0.  C lasen.  Zur  Prosopographie  der  Briefe  des  Symmachus  (Heidelberger  Jahrb. 
1872  p.  461);  R.  P ei  per.  Zur  handschnftlichen  Ueberlieferung  des  Ausonius  (Briefwechsel 
des  Ausonius  mit  Symmachus,  Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  11  (1880)  p.  320). 

Ueberlieferung  der  Briefe.  Der  hervorragendste  Zeuge  ist  der  Parisinus  8628 
8.  IX;  vgl.  0.  Clason,  De  Symmachi  epistularum  codice  Parisino,  Bonn  1867;  Seeck, 
Ansg.  p.  XX VH;  ebenda  p.  XXVIU:  «praeter  Parisinum  nuUus  codex  manuscriptus  ad  nos 
pervenit,  qui  inscriptiones  integras  conservaverit;  reliqui  enim  neque  libros  diviaunt  et  epi- 
stulis nomina  nisi  rarissime  non  praeponunt."  Von  diesen  Handschriften  ist  der  beste  Ver- 
treter der  Vaticanus-Palatinus  1576  s.  XI.  Ausserdem  gibt  es  zahlreiche  Florilegien  aus 
den  Briefen  des  Symmachus;  vgl.  Seeck  p.  XXVUI.  Ueber  ein  Florilegium  im  cod.  Ber- 
tinianus  zu  St  Omer  686  s.  XH  vgl.  R.  Förster,  Rhein.  Mus.  30  (1875)  p.  466. 

819.  Die  Belationes.  Unter  den  Briefen  des  Symmachus  nehmen 
die  Relationes  die  wichtigste  Stelle  ein;  es  sind  die  Briefe,  welche  Sym- 
machus in  den  Jahren  384/85  als  praefectus  urbi  an  die  Kaiser  richtete. 
Im  Ganzen  sind  es  49  Stücke.   Sie  gewähren  uns  einen  Blick  in  die  Amts- 


o* 


116  Q.  Anrelina  Symmaphna.    (§819.) 

thätigkeit  des  Stadtpräfekten;  die  Rechtsfälle  nehmen  den  breitesten  Raum 
ein/ doch  treten  uns  auch  andere,  mitunter  sehr  interessante  Verwaltungs- 
angelegenheiten  entgegen.  Das  dritte  Stück  der  Sammlung  hat  welt- 
historisches Interesse,  da  es  in  den  grossen  Kampf  zwischen  Heidentum 
und  Christentum  eingreift;  es  ist  die  berühmte  Schutzrede  für  den  Altar 
der  Victoria  in  der  Kurie  und  die  Restituierung  der  eingezogenen  priester- 
lichen Einkünfte,  ein  Brief,  in  dem  das  heidnische  Rom  in  würdiger  Weise 
zum  letzten  Male  seine  Stimme  erhebt.^)  Nochmals  leuchtet  die  Erinnerung 
an  die  grosse  Vergangenheit  des  römischen  Volkes  auf;  aber  aus  der  ge- 
dämpften Stimme  glauben  wir  zu  vernehmen,  dass  auch  der  Briefschreiber 
dieselbe  für  unwiederbringlich  verloren  hält.  Noch  heute  ergreift  die  An- 
sprache, die  er  Rom  in  den  Mund  legt,  unser  Gemüt  wunderbar.  Noch 
mehr  Eindruck  machte  sie  auf  die  Zeitgenossen.  Die  Christen  fürchteten 
einen  Umschwung,  so  dass  es  Ambrosius  für  nötig  hielt,  auf  den  Kampf- 
platz zu  treten;  zwar  ging  die  unmittelbare  Gefahr  vorüber,  allein  diese 
offizielle  Verteidigung  des  Heidentums  konnte  doch  nicht  unerwidert  blei- 
ben, und  Ambrosius  Hess  eine  Gegenschrift  gegen  die  Relation  erscheinen. 
So  kam  dieses  wichtige  Aktenstück  zur  Kenntnis  der  gesamten,  damals 
lebenden,  gebildeten  Welt;  die  übrigen  Relationes  dagegen  traten  erst  an 
das  Licht  der  Oeffentlichkeit,  als  der  Sohn ')  des  Symmachus  die  Briefe  des 
Vaters  in  einer  Sammlung  vereinigte.  Er  stellte  die  Relationes  an  den  Schluss. 
Von  dieser  Einreihung  in  die  grosse  Briefsammlung  ist  noch  eine  schwache 
Spur  in  der  Ueberlieferung  erhalten  ;3)  abgesehen  davon  führen  diese  Briefe 
unter  dem  Titel  Q.  Aurelii  Symmachi  v.  c.  relationes  eine  handschrift- 
liche Sonderexistenz;  allein  schon  ein  Herausgeber,  Juretus,  hatte  erkannt, 
dass  diese  Sonderüberlieferung  keine  Berechtigung  habe,  und  daher  unsere 
Briefe  in  das  zehnte  Buch  der  Briefsammlung  gestellt. 

Zeugnisse  über  die  dritte  Relatio.  Pnidentius  c.  Symmach.  1,  648  inlaesua  ma- 
neat  über  exceUensque  vnlumen  obtineat  pariam  dicendi  fulmine  famam,  Ambrosius  adr. 
Symmachum  2  (epist.  18,  2;  16  Sp.  972  Migne)  aurea  . , . .  est  lingua  sapientium  lüteratorum, 
quae  phaleratis  dotata  sermonibus,  et  quodam  splendentis  eloquii  velut  coloris  pretmi 
corusco  resultans,  capit  animorum  oculos  specie  formosi,  visuque  perstringit. 

Die  Ueberlieferung  der  Relationes  basiert  auf  drei  Zeugen,  dem  cod.  Tegern- 
seensis-Monacensis  18787  s.  XI,  dem  Mettensis  500  s.  XI  und  der  editio  princeps  des  S.  Ge- 
lenius,  Basel  1549,  d.  h.  der  dieser  Ausg.  zu  Grunde  liegenden  Handschrift;  vgl.  L.  HaTet, 
Revue  critique  1873,  2  p.  252.  Dazu  kommt  noch  die  Ueberlieferung  der  dritten  Relatio 
durch  die  Codices  des  Ambrosius;  vgl.  Seeck,  Ausg.  p.  XIX.  Im  Tegemseensis  und  im 
Mettensis  lautet  die  Subscriptio  im  wesentlichen  übereinstimmend  so:  Quinti  Aur.  {Ah- 
relii:  M)  Symmachi  relationes  explicitae  sunt  feliciter, 

Spezialausg.  von  W.  Meyer,  Leipz.  1872.  —  Vgl.  Waltzing,  üne  lettre  de 
Symmaque  concemant  les  Corporati  Orbis  Romae  (Revue  de  Tinstruction  publique  en  Belgiqae 
35  (1892)  p.  217).     Zur  Geschichte  der  Relationes  vgl.  Seeck,  Ausg.  p.  XVI. 

^)  Ueber  den  Gang  der  Ereignisse  vgl.  ad  imperatores  miserat,    monobiblo   compo- 

Brockhaus,  Pnidentius,  Leipz.  1872,  p.  46;  suisse  videtur.*     Ich  bezweifle    die  Richtig- 

Seeck,  Ausg.  p.  LIII;  LVIII;  G.  Boissier,  ,   keit  dieser  Anschauung. 

La  fin  du  paganisme  2  (Paris  1891)  p.  317;  '           ^)  Seeck,  Ausg.  p.  XVII:   »in  florilegio 

A.  Ebert,  Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittel-  epistularum,  quod  e  codice  non  integro  qoi- 

alters  1*  (Leipz.  1889)  p.  169;   H.  Richter,  ,   dem  sed  pleniore  quam  onmes,   qui  in  8»e- 

Das  weström.  Reich,  Berl.  1865,  p.  551.  '   culum  sextum  decimum  duraveront,  excerp- 

^)  Seeck   nimmt  auch   eine  Ausg.  der  tum  est,  relatio  undecima  reperitor,  quae  si 

Relationes  durch  Symmachus  an;  vgl.  p. XVI  in  illo  codice  fuerat,   de  ceteris  relationibos 

flpraefectura  urbis  deposita  Symmachus  ipse  !   idem  praesumendum  est*, 

relationes  omnes,   quas  magistratus  tempore  j 


Q.  Anrelias  Symmaohns.    (§820.)  117 

820.  Charakteristik.  Es  war  eine  Zeit  grosser  Kämpfe,  in  der  Sym- 
machus  seine  Briefe  schrieb.  Das  Heidentum  raffte  nochmals  seine  letzte 
Kraft  zusammen,  um  den  Siegeslauf  des  Christentums  zu  hemmen.  Man 
griff  zu  den  alten  Autoren  und  verbreitete  sie  in  gereinigten  Abschriften, 
man  sonnte  sich  in  der  grossen  Vergangenheit  Roms  und  klammerte 
sich  krampfhaft  an  den  Kultus  an,  unter  dem  das  Vaterland  gross  ge- 
worden war.  Auch  an  politischen  Kämpfen  war  die  Zeit  reich.  Wir 
sehen  Usurpatoren  auf  dem  Kampfplatz  erscheinen,  und  mehr  als  einmal 
krachte  das  Reich  in  allen  Fugen.  Als  Anhänger  des  nationalen  Glaubens 
und  als  ein  Beamter  in  hohen  Stellungen  war  Symmachus  in  diese  Zeit- 
kämpfe verflochten.  Was  hätte  der  Mann  uns  nicht  alles  sagen  können, 
wenn  er  in  den  Briefen  sein  Herz  ausgeschüttet  hätte !  Allein  so  gut  wie 
niemals  fühlen  wir  den  Pulsschlag  jener  bewegten  Zeit  in  seinen  Briefen, 
die  Ausnahme  bildet  die  berühmte  Relatio  für  den  Altar  der  Victoria,  aus 
der  die  Sprache  des  Herzens  in  wirklich  grossartiger  Weise  herausklingt. 
Wir  wären  dem  Schriftsteller  auch  dankbar,  wenn  er  uns  in  das  Leben 
der  römischen  Gesellschaft  eingeführt  hätte;  allein  auch  hier  finden  wir 
uns  in  den  Erwartungen  getäuscht.  Abgesehen  von  den  Briefen  an  die 
Kaiser,  die  natürlich  amtliche  Dinge  berühren  müssen,  bieten  die  übrigen 
Briefe,  wie  der  Briefschreiber  richtig  sagt,  Worte  ohne  Inhalt;  ihr  einziges 
Ziel  ist  der  zierliche  Ausdruck  und  der  feine  Ton,  welcher  sich  nach  dem 
Adressaten  genau  abstuft.  Dem  Empfänger  soll  irgend  etwas  in  verbind- 
licher und  eleganter  Form  gesagt  werden.  Die  Klage  über  die  Seltenheit 
der  sehnsüchtig  erwarteten  Briefe,  über  ihre  Kürze  gibt  reichlich  Anlass, 
sein  stilistisches  Können  in  der  Varietät  des  Ausdrucks  zu  zeigen.  Nicht 
minder  ist  der  Empfehlungsbrief  geeignet,  in  feiner  und  urbaner  Diktion  zu 
glänzen.  Gegenseitige  Komplimente  der  Briefschreiber  über  den  schönen 
Stil  sind  ein  notwendiges  Beiwerk  dieser  Briefgattung.  Endlich  die  Dank-, 
Glückwunsch- und  Trostschreiben  haben  ihren  bestimmten  Vorrat  von  Worten 
und  Phrasen.  Die  grosse  Sorgfalt,  die  auf  den  Ausdruck  des  Briefes  ver- 
wandt werden  musste,  machte  es  fast  zur  Notwendigkeit,  dass  der  Brief 
kurz  gefasst  und  mehr  unserem  Billet  ähnlich  gemacht  wurde.  Rhetorische 
Abhandhingen  in  Briefform,  Chrien  bleiben  uns  erspart,  wir  erhalten  nur 
kurze  Stücke,  die  gern  mit  einem  allgemeinen  Satz  eröffnet  werden.  Selbst 
wenn  Symmachus  Gelegenheit  hätte,  eine  längere  Erzählung  auszuspinnen, 
geht  er  dem  aus  dem  Wege  und  begnügt  sich  mit  kurzen  Andeutungen. 
Sogar  der  Wort-  und  Phrasenschatz  zeigt  sich  bei  genauerer  Prüfung  als 
eng  begrenzt;  er  ringt  nach  der  klassischen  Form,  nimmt  aber  manchen 
archaistischen  Aufputz  hinzu  und  schöpft  auch  aus  der  Sprache  des  da- 
maligen Lebens. 

Es  ist  eine  kleine  Welt,  die  aus  diesen  Blättern  herausragt,  auch 
die  Persönlichkeit  des  Briefschreibers  ist  zwar  eine  gutmütige,  für  die 
Pflege  der  freundschaftlichen  Beziehungen  ängstlich  besorgte,  ehrliche, 
vornehme  und  gegen  anders  Meinende  tolerante,^)   aber  doch  eine  klein- 

^)  Epist.  1,  64  commendari  a  me  episco'  \   tuo  fratrem  meum  Seveintm  episcopum  om- 
pum  forte  mireris^   causa  istud  mihi  non      nium  sectarum  adtestatione  laudabilem, 
secta  persuasit.    7,  51  trado  aancto  pectori 


118  Q.  AnreliM  Symmaohna.    (§820.) 

liehe,  schwächliche  und  kurzsichtige.  Dass  das  Heidentum  reif  für  den 
Untergang  war,  zeigt  diese  an  Gedanken  so  arme,  nur  im  Phrasengeklingel 
sich  ergehende  Briefsammlung,  der  eine  christliche  Litteratur  gegenQber- 
trat,  reich  an  gährenden  Ideen. 

Zur  Charakteristik  der  Briefe.  Epist.  3, 10  quid  agat,  quo  se  vertat,  vin  m- 
moretur  cassa  rebus  oratio?  1,  15  deerant  digna  memoratu  et  in  defeetu  rerum  nihü 
operae  est  indulgere  verbis,  2,  35,  2  cum  alia  stilo  materia  suppetat.  at  olim  parentes 
etiam  patriae  negotia,  quae  nunc  angusta  vel  nuUa  sunt,  in  familiäres  paginaa  eonferdtant. 
6,  37  de  publicis  scribenda  non  suppetunt  absque  eo,  quod  in  Traiani  pkUea  ruina  uniwi 
instdae  pressit  Jiabüantes,  2,  69  ut  süere  non  possum,  quotiens  stüum  invüat  oecam, 
ita  si  desit  causa  longioris  adloquii,  seriem  pagina^  stringo  compendio.  2,  35,  2  quousque 
enim  dandae  ac  reddendae  salutationis  verba  blaterabimus,  cum  alia  stUo  materia  non 
suppetat?  ....  captanda  sunt  nobis  plerumque  intemptata  scribendi  semina^  quae  fasti- 
dium  tergeant  generalium  litterarum, 

Ueber  den  Stil.  Epiat.  3,  1 1  sumpsi parüer  geminas  lüteras  tuas  Nestorea^  ut  ita 
dixerim,  manu  scriptas,  quarum  sequi  gravitatem  Idboro.  irahit  enim  nos  U8us  temporis  in 
plausibilis  sermonis  argutias.  quare  aequiAS  admitte  linguam  saeculi  nostri  et  deesse  hdc 
epistulae  Atticam  sanitatem  boni  consule  ....  quodsi  novitatis  imptstiens  es,  eume  de  foro 
arbitros,  mihi  an  tibi  stili  venia  poscenda  sit.  crede,  calctUos  plures  merehor,  non  ex  aequo 
ac  bona,  sed  quia  plures  vitiis  communibus  favent,  itaque,  ut  ipse  non  numquam  praedicas, 
spectator  tibi  veteris  monetae  solus  supersum;  ceteros  delinimenta  aurium  capiunt,  stet 
igitur  inter  nos  ista  pactio,  ut  me  quidem  iuvet  vetustatis  exemplar  de  cnUographo  tw 
sumere,  te  autem  non  paeniteat  scriptorum  meorum  ferre  novitatem.  3,  44  ä^x^^f*^" 
scribendi  non  invitus  adfecto.  Seinem  Sohn  gibt  er  als  Lehren:  efUsL  7,  9  vdo,  ui  tu 
aliis  materiis  aculeis  orationis  utaris,  kuic  autem  generi  scriptionis  maturum  aUquid  ä 
comicum  misceas  ....  nam  ut  in  vestitu  Jwminum  ceteroque  vitae  cuUu  loco  ac  tempori 
apta  sumuntur,  ita  ingeniorum  varietas  in  familiaribus  scriptis  neglegentiam  quandam 
debet  imitari,  in  forensibus  vero  quatere  arma  facundiae.  YgL  E.  Th.  Schalze,  De  Q. 
Aurelii  Symmachi  yocabulorum  formationibus  ad  sermonem  vulgarem  _pertinentibii8,  Halle 
1884;  E.  Norden,  Die  antike  Eonstprosa  1  (Leipz.  1898)  p.  648;  H.  Peter,  Der  Brief  in 
der  röm.  Litt.  (Abh.  der  sfichs.  Ges.  der  Wissensch.  Bd.  20,  No.  III  (Leipz.  1901)  p.  141); 
vgl.  auch  C.  G.  Heyne,  Gensura  ingenii  et  morum  Symmachi  (Opusc.  6  (1812)  p.  6i: 
0.  Koren,  Quaest.  Symmachianae,  Wien  1874,  p.  39;  J.  Burckhardt,  Die  Zeit  Constan- 
tins  des  Grossen,  Leipz.'  1880,  p.  437;  G.  Boissier,  Journal  des  Savants  1888  p.  602; 
G.  B.  De  Rossi,  Ann.  dell'  inst.  arch.  21  (1849)  p.  283;  Melicus,  De  Q.  Aurelio  Sym- 
mache  postremo  apud  Romanos  veteris  humanitatis  magistro  ac  defensore  liber,  Sassari  1898. 

Urteile  über  den  Stil.  Macrob.  Sat.  5,  1,  7  pingue  et  floridum  (genus  dicendi) 
in  quo  Plinius  Secundus  quondam  et  nunc  nullo  veterum  minor  noster  Symmackus  luxuri- 
atur.  Prudentius  c.  Symmach.  1,  632  o  lingiMtm  miro  verborum  fönte  fluentem,  ApoUin. 
Sid.  epist.  1,  1  (p.  1  Mohr)  Quinti  Symmachi  rotunditatem, 

Ueber  den  rhythmischen  Satzschluss,  der  auf  Quantität  basiert,  vgL  L.  Haret, 
La  prose  m^trique  de  Symmaque  et  les  Origines  mötriques  du  Cursus  (94^  Fasciciile  de  la 
Biblioth^que  de  rj^cole  des  Hautes  J^tudes,  Paris  1892);  W.  Meyer,  Gott  geL  Ans.  1893  p.  1. 

Ueber  die  Vorbilder  vgl.  W.  Kroll,  De  Q.  Aurelii  Synmiachi  stadüa  graeds  et 
latinis  (Breslauer  philol.  Abh.  6.  Bd.,  2.  Heft  (1891)  p.  1).  Das  Resultat  seiner  üntereachongen 
fasst  er  zusammen  p.  98:  «Graecos  scriptores  si  ullos  perpaucos  novit,  e  Latinis  imprimia  eos 
qui  in  scholis  tractabantur:  Terentium  Vergilium  Sallustium  Ciceronem,  minus  Horatium  et 
Lucanum.  Historiae  notitiam  plerumque  e  Valerie  Maxime,  rarius  e  Cicerone  LivioPlinio  nuüore 
hausit.  Ex  ceteris  poetis  attigit  Ovidium  Silium  Juvenalem,  e  prosaicis  Pliniimi  minorem, 
Tacitum  Frontonem  atque  ut  videtur  Gellium.  Reliquorum  imitatio  minus  certa  est*  - 
P.  Tschern ajew,  Apul^e,  Ausone  et  Symmaque  comme  imitateurs  de  Törence,  Kasan  1900. 

Symmachus  und  Livius.  Epist.  9,  13  munus  totius  Liviani  operis,  quod  spo- 
pondi,  etiam  nunc  diligefitia  emendationis  inoratur.  Damit  steht  im  länklang'die  aUen 
10  Bflchem  der  ersten  Dekade  beigegebene  Subscriptio:  Victorianus  v,  c.  emefuUtbctm  dowinis 
Symmachis;  vgl.  §  823. 

Ausg.  A eitere  Ausg.  der  Briefe  und  Relationes  sind  die  von  J.  Schott,  Sinasb. 
1510,  von  S.  Gelenius  (libri  II),  Basel  1549,  von  J.  Juretus,  Paris  1580;  1604,  von 
J.  Lectius,  Genf  1587;  1598;  1601,  von  C.  Scioppius,  Mainz  1608,  v.  Ph.  Parena, 
Neustadt  a/H.  1617  (Frankfurt  1742),  von  G.  Wingendorp,  Leiden  1653,  von  Migne  18 
p.  145.  Massgebend  ist  Q.  Aurelii  Symmachi  quae  supersunt  ed.  0.  Seeck  (Monumenta 
Germaniae  historica  tom.  6,  pars  1,  Berl.  1883);  vgl.  dazu  G.  Boissier,  Journal  des  Savants 
1888  p.  402.  —  F.  C.  Hermann  in  der  Festschr.  der  königstädt  Realsch ,  Berl.  1882,  p.  293. 


Julius  Firmioiia  Maternns.    (§821.)  119 

Andere  l^edner,  von  denen  rednerische  Produkte  veröffentlicht  wurden,  sind: 

1.  ClaudiUB  Antonius,  praefectus  praet.  376  und  cos.  882.  Symmach.  epist.  1,  89 
nOH  ineognüo  quidem  nobia  eloquii  splendore  nituisti,  sed  magnis  rebus  adcommodam  et 
maiestatis  seripiia  aptatam  gloriam,  gnam  tnagisterio  ante  quaesisti,  recens  auxU  oratio, 
nam  praeter  hquetuli  phalercu,  quibus  te  natura  ditavU,  senile  quiddam  planeque  conveniens 
auribus  patrum  gravitate  sensuum  verborum  proprietate  sonuisti.  denique  etiam  hi,  quorum 
Minerva  raneidior  est,  non  negant,  facundiam  tuam  euriae  magis  quam  caveae  eonvenire. 
Aue  den  letzten  Worten  schliesst  Seeck  (p.  CIX):  ,tragoedias  eum  scripeisse,  Synimachus 
iodicare  yidetnr".    An  ihn  gerichtet  sind  oie  Briefe  I,  89 — 93. 

2.  Proculus  Gregorius,  quaestor  sacri  palatii  379  und  praefectus  praet.  von  Gallien 
383.  Symmach.  epist.  3,  18,  2  et  certe  interfuit  sollicitudinis  tuae  exerere  aliquid  verborum 
famüiarium,  cum  mihi  de  seriniis  tuis  profecta  delegaretur  oratio.  An  ihn  gerichtet  sind 
die  Briefe  3,  17—22.    Vgl.  Seeck  p.  CXXVI. 

8.  Ein  Anonymus,  der  zugleich  Redner  und  Geschichtschreiber  ist.  Symmach.  epist. 
9,  1 10,  2  pari  nitore  at^ue  gravitate  senatorias  actiones  et  Romanae  rei  monumenta  limasti. 

Von  kulturhistorischem  Interesse  ist  es,  dass  Griechen  sich  die  lateinische  Spiache 
so  aneignen,  dass  sie  in  derselben  die  Meisterschaft  erringen.  Ein  solcher  Mann  war 
HieriuB,  dem  Austin  seine  Schrift  de  pulchro  et  apto  um  das  Jahr  379  gewidmet  hat  und 
der  in  der  üeb^rliefeningsgeschichte  der  qnintilianischen  Deklamationen  erscheint  (§  485 
p.  358).  Von  ihm  sagt  Augustin  (confess.  4, 14,  21):  Hierium  romanae  urbis  oratorem .... 
efferebant  laudibus,  stupentes  quod  ex  homine  Syro^  docto  prius  graecae  facundiae,  postea 
in  laiina  etiam  dictor  mirabilis  extitisset.  Vgl.  Mommsen,  Hermes  4  (1870)  p.  359.  Dass 
aber  auch  Griechen  griechisch  in  Bom  deklamierten,  ist  nicht  zu  bezweifeln.  Zu  ihnen 
wird  gehören  der  Athener  Palladius,  der  es  im  Jahre  381  zum  comes  sacrarum  largitionum 
und  882  zum  magister  officiorum  brachte;  vgl.  Seeck  p.  CCII.  Von  einer  Deklamation 
sagt  Symmach.  ej^st.  1,  15:  movit  Xdyog  Athenaei  hospitis  Latiare  concilium  divisionis  arte, 
inventumum  copia,  gravitate  sensuum,  luce  verborum.  Erwähnt  wird  er  auch  von  Apolli- 
naris  Sidonius  epist.  5,  10  (p.  115  Mohr). 

Abgesehen  haben  wir  von  Rednern,  welche  nicht  litterarisch  sich  bethfttigt  haben, 
wie  z.  B.  von  Gennadius,  von  dem  Hieronym.  z.  J.  2369  =  352  n.  Chr.  (2  p.  194  Seh.) 
sagt:  Gennadius  forensis  orator  Romae  insignis  habetur, 

cf)  Die  Philosophen. 
1.   Julius  Firmicus  Maternus. 

821.  Das  astrologische  Werk  des  Firmicus  Matemus  (matheseos 
libri  Ym).  Auch  die  Astrologie  hat  bei  den  Römern  ihre  Bearbeitung  ge- 
funden. Unter  der  Regierung  des  Tiberius  schrieb  M.  Manilius  ein  Gedicht 
über  diese  DiscipUn  (§  364),  für  die  er  grosse  Begeisterung  hegte.  Der  Neu- 
platonismus  macht  es  erklärlich,  dass  in  einer  Zeit,  in  der  das  Christentum 
schon  die  Welt  erobert  hatte,  doch  noch  der  astrologische  Aberglaube  in  einem 
prosaischen  Werk  durch  Julius  Firmicus  Maternus  eine  Darstellung  fand.^) 
Der  genannte  Autor  stammt  aus  Sicilien,  und  zwar  ist  es  höchst  wahrschein- 
lich, dass  Syrakus  seine  Vaterstadt  ist.  Er  widmete  sich  zuerst  der  Advo- 
katur, allein  die  vielen  Unannehmlichkeiten  und^Anfeindungen,  welche  ihm 
dieser  Beruf  brachte,  veranlassten  ihn,  denselben  aufzugeben.  Er  fand  jetzt 
Müsse  zur  Schriftstellerei.  Angeregt  wurde  er  dazu  durch  den  Statthalter 
von  Eampanien,  Lollianus  Mavortius.  Bei  demselben  fand  Firmicus,  als  er 
Kampanien  aufsuchte,  eine  äusserst  freundliche  Aufnahme.  In  gelehrten 
Unterhaltungen  ergingen  sich  die  beiden  Männer  über  die  verschiedensten 
Naturphänomene.  Bei  einer  solchen  Unterredung  stellte  Firmicus  ein  Buch 
über  die  Astrologie  in  Aussicht;  aber  als  er  zur  Ausführung  schritt,  kamen 
ihm  manche  Bedenken,  und  gern  wäre  er  von  seinem  Versprechen  zurück- 
getreten.    Allein  sein  Gönner  Hess  nicht  ab,  ihn  anzuspornen,  und  so  er- 


^)  £e  darf  hier  auch  an  die  astrologische  1  vgl.  Bernays,  Ges.   Abh.  2   (Berl.   1885) 
Symbolik  des  Priscillianas  erinnert  werden;  |  p.  103  Ann» 


120  JaliuB  Firmicns  lUienins.    (§  821.) 

schien  endlich  zwischen  334  und  837  das  Werk.  Er  widmete  dasselbe 
seinem  Oönner,  Lollianus  Mavortius,  der  damals  Prokonsul  von  Afrika  war. 
Es  umfasst  acht  Bücher;  das  erste  Buch  ist  aber  als  Einleitung  anzu- 
sehen, in  welcher  der  Verfasser  die  Berechtigung  der  Astrologie  darzu- 
thun  sucht.  Die  Schwierigkeit,  die  Moral  mit  der  Astrologie  zu  vereinen, 
fühlt  der  Verfasser  wohl,  und  er  versucht  auch  einen  Ausgleich;  allein 
derselbe  ist  ein  schwächlicher.^)  Die  übrigen  sieben  Bücher  enthalten  das 
Technische  der  Disciplin.  Da  die  Astrologie  für  uns  eine  abgestorbene 
Wissenschaft  ist,  kann  uns  das  Stoffliche  nur  geringes  Interesse  einflössen. 
Uebrigens  gesteht  der  Verfasser  selbst  ein,  dass  seine  Kenntnis  auf  diesem 
Gebiet  eine  nur  massige  sei.  Er  ist  daher  auf  Quellen  angewiesen.  Ob- 
wohl sich  über  dieselben  hie  und  da  eine  allgemeine  Bemerkung  findet 
so  unterlässt  es  doch  der  Autor,  den  Leser  in  diesem  Punkte  genauer  zu 
unterrichten.  Das  astrologische  Gedicht  des  Manilius  ist  nirgends  erwähnt, 
und  doch  finden  wir  Partien,  in  denen  die  Mathesis  mit  dem  Dichter  in 
Uebereinstimmung  steht.  Die  Darstellung  leidet  an  Breite  und  Geschwätzig- 
keit, an  Rück-  und  Vorverweisungen  ist  kein  Mangel.  Interessant  ist, 
wie  sich  Firmicus  in  Bezug  auf  die  Astrologie  mit  dem  Kaiser  abfindet. 
Er  untersagt  dem  Astrologen,  politische  und  den  Kaiser  betreffende  Fragen 
zu  beantworten;  der  Kaiser  unterliege  nicht  der  Einwirkung  der  Gestirne, 
er  gehöre  ja  selbst  zu  den  Göttern.*)  Nicht  ohne  Wärme  spricht  der  Ver- 
fasser von  dem  sittlichen  Einfluss,  den  die  Astrologie  auf  ihre  Jünger 
äussern  muss;  wer  täglich  mit  den  Göttern  umgeht,  meint  er,  muss  ein 
in  jeder  Beziehung  lauterer  Charakter  sein.  Er  entwirft  einen  förmlichen 
Sittenkodex  für  seinen  Astrologen,  der  ein  helles  Streiflicht  auf  das  Treiben 
der  wahrsagenden  Schwindler  in  der  damaligen  Zeit  wirft.  Auch  die  Lehre 
der  Kunst  soll  nicht  jedermann  preisgegeben  werden:  so  verlangt  er  im 
Eingang  zum  siebenten  Buch  von  dem  Adressaten,  die  hier  ausgeführten 
Lehren  nur  unverdorbenen  Personen  mitzuteilen.*)  Im  Mittelalter  hat  das 
Buch  seine  Leser  gehabt;^)  die  Neuzeit  dagegen,  in  der  die  Astrologie 
von  der  Astronomie  aus  dem  Feld  geschlagen  wurde,  hat  den  Autor  zurück- 
geschoben, so  dass  selbst  das  Verlangen  nach  einer  neueren  Ausgabe  lange 
Zeit  nicht  rege  wurde.*)  Der  Kulturhistoriker  kann  an  dem  Werke  nicht 
vorübergehen;  denn  er  findet  dort  eine  reiche  Fundgrube. 

Biographisches.  1  proem.  p.  1,  20  K. S.  Siciliae  situntf  quam  incolo  et  undU  orirnndui 
8um,  6,  31  p.  173,  16  P.  Syracmanua  Archimedes  civia  meus  (so  richtig  Skutsch,  HennM 
31  (1896)  p.  646  statt  des  handschriftlichen  quia  meus),  qui  Romanos  exereitu$  ....  pro- 
stramt.  4  proem.  p.  195,  1  K.  S.  Patrocinia  traciantea  tenuerunt  causarum  eonflictatiome$ 
et  caninae,  ut  ita  dicam,  contentionis  inrgiosa  certaminaf  ex  quo  studio  nihil  mihi  aliud 
per  dies  singulos  nisi  periculorum  cumulus  et  grave  onus  invidiae  conferebatur  ....  Deserui 
itaque  hoc  Studium. 

1)  So  sagt  Sokrates  1,  6,  3  p.  18,  18  K.  S.  |  «)  Vgl.   Bouchö-Leclercq,    L'tstrol. 

„sed   haec  omnia   a  me  prudentiae  ac  vir-      grecque,  Paris  1899,  Schlnsskap. 
tutum  nuctoritate  superata  sunt,  et  quicquid  •)  Vgl.  auch  8,  33  p.  244  F. 

vitii    ex   prava   concretione    corpus    habuitj  *)  Er  wird  zuerst  erwähnt  im  18.  Jilir- 

animi  bene  sibi  conscia  divinitas  temperapit** ;  1   hundert  bei  Honorius  von  Autan,   De  philo- 

wozu  der  Schriftsteller  hinzufügt:   Hie  in-  .   sophia  mundi  2,  5. 

telfegi  datur   stellarum   quidem   esse,    quod  '  ')  Doch   hat  Lessing  (9  p.  421   Laeh- 

patimur,  [et]  quae  nos  incentivis  quibusdam      mann)  über  einige  Ergänzungen  (nach  einer 

ignibus  stimulant,  divinitatis  vero  esse  animi  i   handschriftlichen  Quelle)  gehandelt. 
^i/0{/  repugnamus. 


Jnlina  Firmioiia  lUteniiifl.    (§  821.)  121 

Genesis  des  Werks.  1  prooem.  p.  1, 1  E.  S.  Olim  tibi  hos  libeUos^  Mavorti  decus 
nasirum,  me  dieaturum  esse  promiseram,  verum  diu  me  inconstantia  vereeundiae  retardavit 
et  ab  isto  scrtbendi. studio  dubia  trepidatiane  revoeavit ....  cum  esses  in  Campaniae  provinciae 
fascibus  eonstitutus  ....  occurri  tibi  rigwre  hiemalium  pruinarum  et  prolixi  itineris  di- 
versitate  eonfectus  ....  haee  (naturwissenschaftliche  Prohleme)  cum  amnia  mihi  a  te,  Mavorti 
omamentum  bonorum,  facili  demonstrationis  magisterio  traderentur,  ausus  sum  etiam  ipse 
aliquid  inconsulti  sermonis  temeritate  proferre,  ut  promitterem  tibi  editurum  me,  quiequid 
Aegjfpti  veteres  sapientes  ac  divini  viri  Babyloniique  prudentes  de  vi  steUarum  ac  potestatibus 
divinae  nobis  doctrinae  magisterio  tradiderunt.  Fui  itaque,  sicut  ipse  novi,  in  ista  pro- 
missione  temerarius  et  me,  ut  verum  tecum  loquar,  frequenter  severa  obiurgaiione  reprehendi 
cupiebamque,  si  permiUerer,  mutare  promissum;  sed  trepidationem  meam  hortatio  tui  ser- 
monis erexit  eöigitque  aggredi  quod  frequenter  ex  desperatione  deserui.  Nam  cum  tibi  totius 
Orientis  gubemaeula  domini  atque  imperatoris  nostri  Constantini  Augusti  serena  ac  venera- 
bUia  iudicia  tradidissent,  nullum  praetermisisti  tempus,  quo  non  a  nobis  exigeres,  quod  tibi 
ineonsuUa  poüieitatione  promisimus.  Proconsuli  itaque  tibi  et  ordinario  consuli  designato 
promissa  reddimus,. 

Titel  und  Gliederung  des  Werks.  In  den  Subskriptionen  heisst  das  Werk 
matheseos  libri.  Der  Titel  ergibt  sich  aus  der  Prftf.  zu  B.  2  und  8.  Bezüglich  der  Glie- 
demng  vgL  8,  83  p.  244  P.  aceipe  itaque,  Mavorti ....  Septem  hos  libros^  ad  Septem  steUarum 
ordinem'  numerumque  compositos,  nam  primus  über  solum  patrocinium  defensionis  aceepit, 
in  eeteris  vero  libris  Romanis  hominibus  novi  operis  tradidimus  diseiplinam. 

Die  Chronologie  des  Werks.  1,  4,  10  p.  18,  20  K.  S.  cum  sol  medio  diei  tem- 
pore ....  mortalibus  fulgida  splendoris  sui  denegat  lumina  (quod  Optati  et  Paulini  con- 
sulatu,  ut  de  recentioribus  loquar,  cunctis  hominibus  futurum  mathematicorum  sagax 
praedixit  intentio).  Mit  diesen  Worten  deutet  der  Schriftsteller  auf  die  Sonnenfinsternis 
vom  17.  Juli  884  n.  Chr.  1  prooem.  p.  8,  22  K.  8.;  1,  10,  13  p.  87,  23  K.  S.  und  1,  10,  14 
p.  38,  21  K.  8.  wird  Constantm  noch  als  lebend  behandelt.  Da  Constantin  am  22.  Mai  337 
starb,  muss  das  erste  Buch  zwischen  834  und  337  fallen.  Mit  diesen  Datierungen  scheint 
die  Dedikation  an  Lollianus  in  Widerspruch  zu  stehen,  da  diese  auf  eine  viel  spätere  Zeit 
führt.  Wir  lesen  nämlich  1  prooem.  p.  3,  26  K.  8.  in  der  Anrede  an  Lollianus:  proconsuli 
itaque  tibi  et  ordinario  consuli  designato  promissa  reddimus ^  vgl.  damit  8,  15  Lollianus ^ 
qui  severitatis  merito  etiam  ordinarii  consulatus  insignia  consecutus  est.  Da  Q.  Flavius 
Maesius  (oder  Messius)  Egnatius  Lollianus  mit  dem  Beinamen  MavortiuS;  über  den  uns 
vier  Inschriften  (CIL  X  4752;  X  1695,  1696;  VI  1728)  belehren  (vgl.  Borghesi,  Oeuvres 
4  p.  519),  im  Jiüire  855  cos.  Ordinarius  war  (vgl.  Amm.  15,  8,  17),  hat  man  angenommen, 
dass  das  Werk  erst  im  Jahre  854,  in  das  man  die  Designation  setzte,  zum  Abschluss  kam. 
Allein  in  diesem  Falle  ist  es  doch  sehr  störend,  dass  die  Stelle  von  dem  noch  lebenden 
Constantin  nicht  geändert  wurde.  Mommsen  (Hermes  29  (1894)  p.  468)  hat  daher  Recht, 
wenn  er  an  der  Abfassung  der  Schrift  zu  Lebzeiten  des  Constantin  festiiält  und  an  jenen 
zwei  Stellen  nur  eine  Verheissung  des  Konsulats,  nicht  eine  förmliche  Designation,  aus- 
gesprochen findet.  Auf  die  Abfassungszeit  wirft  auch  ein  Licht  die  genitura  eines  Mannes, 
den  er  nicht  zu  nennen  braucht,  weil  ihn  Lollianus  von  selbst  kennt.  Aus  derselben  soll 
sich  die  Wiikung  der  antiscia  ergeben;  hier  heisst  es  nun  2,  29,  10  p.  81,  14  E.  S.  pater 
post  geminum  ordinarium  eonsülatum  in  exilium  datus  est,  sed  et  ipse  ob  adulterii  crimen 
in  exilium  datus  et  de  exilio  raptus  in  administrationem  Campaniae  primum  destinatus  est, 
deinde  Achaiae  proconsulatum,  post  vero  ad  Asiae  proconsulatum  et  praefecturam  urbi  Romae. 
Diese  genitura,  die  im  Nachfolgenden  noch  genauer  erläutert  wird,  bezieht  sich  nicht  auf 
Lollianus,  wie  man  gewöhnlich  will,  sondern  auf  C.  Ceionius  Rufius  Volusianus,  der  zwei- 
mal (311  und  814j  cos.  ord.  war,  und  auf  dessen  Sohn  Ceionius  Rufius  Albinus,  der  die 
Stadtpräfektnr  vom  80.  Dez.  885  bis  10.  März  337  bekleidete.  Wenn  nun  Firmicus  diesen 
Albinus  bei  der  genitura  im  Auge  hat,  so  muss  die  Abfassungszeit  des  zweiten  Buches 
zwischen  885  und  387  fallen.  Unrichtig  E.  Sittl,  Archiv  für  lat.  Lexikographie  4  (1887)  p. 610. 

Quellen.  4  prooem.  p.  196,  21  E.  8.  OmniOf  quae  Aesculapio  Mercurius  f  einhnus 
(Teuf fei  et  Hanubius;  vgl.  Kroll,  Catal.  cod.  astrol.  gr.  2  p.  159)  vix  tradiderunt,  quae 
Petasiris  expUeavit  et  Nechepso  et  quae  Abram,  Orfeus  et  Critodemus  ediderunt  [et]  ceterique 
omnes  huius  artis  scii,  perlecta  pariter  atque  collecta  et  contrariis  sententiarum  diversitatibus 
(omparata  iüis  perscripsimus  libris  divinam  scientiam  Romanis  omnibus  intimantes.  Ueber 
Petosiris  und  Nechepso  vgl.  noch  3  prooem.  p.  91,  3  E.  8.;  4, 22,  2  p.  264,  26  E.  S.;  8,  3  p.  215, 
41  P.;  8,  5  p.  216,  9  P.  und  Riess,  Nechepsonis  et  Petosiridis  fragmenta  magica  (Philol. 
Supplementbd.  6  (1892)  p.  328);  Eroll,  Neue  Jahrb.  1901  p.569;  Boll,  Sphaera,  Leipz.  1903, 
p.  372.  4,  17,  2  p.  238,  17  E.  8.  haec  omnia  divinus  ille  Abram  (vgl.  noch  4,  17,  5  p.  239, 
20  K.  S.;  8,  2  p.  213,  26  P.  und  Moore  p.  84)  et  prudentissimus  Achilles  rerissimis  conati 
sunt  ratianibus  invenire;  über  Achilles  vgl.  Di  eis,  Doxogr.gr.  p.  18;  Maass,  Comment. 
in  Arat.  rel,  Berl.  1898,  p.  XVI.     2,  29,  2  p.  77,  23  E.  8.  nam  et  Ptolomaeus  nullam  aliam 


122  Jnlins  Firmioofl  Mateniiis.    (9  821.) 

raiionem  sequitur  nisi  antiseiorum,  et  Antioehus,  cum  dieit  ....  DarUkeu»  wro  Sidaniut, 
vir  prudentiasimus  et  qui  apoteleamata  veiHssimis  et  disertinimis  versQms  seripfii,  anti- 
8ciorum  ratianem  manifestis  aententiis  explicavit,  in  libro  seUicet  quarto.  Ueber  die  Stelle 
vgl.  Moore  p.  35.  2  prooem.  p.  40,  8  E.  S.  Fronto  noster  Hipparehi  seeutus  antiseia  Ua 
apoteleamatum  aententias  protulit,  tamquam  cum  perfeetis  tarn  et  cum  perüis  loquereiur, 
nihil  de  institutione,  nihil  de  magisterio  praescribens.  8ed  nee  aliquia  paene  LaHnomm 
de  hac  arte  institutionis  libroe  acripsit  nisi  paueo»  versu»  Julius  Caesar  et  ipsos  tawun  de 
alieno  opere  mutuatos,  Marcus  vero  TulHus  ....  Unde  nos  omnia,  quae  de  ista  arte  Äegffptii 
Babyloniique  dixerunt,  docüis  sermonis  institutione  transferemus  ....  Antiseia  Hipparehi 
secutus  est  Fr&nto,  quae  nuUam  vim  habent  nullamque  substantiam;  et  sunt  quidem  in  Fron- 
tone  pronuntiationis  atque  apotelesnuUum  verae  senientiae,  antisdarum  vero  inefßeax  Studium; 
eum  enim  secutus  est,  qui  rationem  veram  non  fuerat  asseeutus  ....  Fronto  verissime  scripsU; 
vgl.  daza  Moore  p.  85.  Ueber  die  (stillschweigende)  Benatzung  des  Manilins  vod  Seiten 
des  Firmicos  vgl.  oben  §  864  p.  27.  Jedenfalls  ist  merkwürdig  die  Ansaenmg  5  prooem. 
p.  280,  28  K.  S.  scripsimus,  ne  omni  disciplinarum  arte  translata  solum  hoc  opus  extUistt 
videatur,  ad  quod  Romanum  non  adfeetasset  ingenium;  vgl.  8,  5  p.  216  P.  Die  l&tlelmiingeii 
sind  aus  N^methy,  der  in  dem  2.  Abschnitt  seiner  Schnft  (Quaestiones  de  Firmico  Matemo 
astrologo,  Budapest  1889,  p.  17)  De  Firmico  Matemo  Manilü  sectatore  handelt,  snsammeo- 
gestellt  von  Moore  p.  52;  vgl.  dazu  Bell,  Studien  Aber  Claudius  PtolemaeaB  (Fleekeis. 
Jahrb.  Supplementbd.  21  (1894)  p.  146),  der  den  Gesichtspunkt  einer  fOr  beide  Astrologen 
gemeinsamen  Quelle  erörtert,  und  denselben,  Sphaera  Kap.  14  p.  897;  p.  404,  wo  der  Nach- 
weis erbracht  wird,  dass  Firmicus  den  Manilius  benutzt  hat.  Ueber  Eameades  als  Gegner 
der  Astrologie  und  Firmicus  vgl.  Riess  1.  c.  und  Praechter,  Berl.  philol.  Wochenschr. 
1893  Sp.  617.  Die  Möglichkeit,  dass  Gemeinsamkeit  der  Quellen  vorliegt,  deutet  Moore  p.  37 
an.  Eine  neue  Untersuchung  der  Frage  wftre  erwünscht.  Ueber  die  Benutzung  des  Comeliiis 
Nepos  fttr  die  historischen  Beispiele  vgl.  Moore  p.  88.  Ueber  die  Benutzung  einer  livhis- 
epitome  vgl.  Moore  1.  c.  Ueber  das  Verhältnis  des  Firmicus  zu  Sallust  (Sulla)  TgL  F.  Vogel. 
Sallustiana  (Acta  seminarii  philol.  Erlangensis  2  (1881)  p.  411);  Maurenbrecher,  Sallnsti 
reliquiae,  Leipz.  1893,  p.  XIV  und  Moore  p.  89.  Sehr  wichtig  der  Anonymus  de  planeüa, 
weil  er  grosse  Uebereinstimmungen  mit  dem  6.  Buch  zeigt;  vgl.  Kroll  etOlivieri,  Codices 
Veneti  (Catalogus  codicum  astrologorum  graecorum  2  (Bruxelles  1900)  p.  159). 

Charakteristik  des  Werks.  1  prooem.  p.  4,  1  E.  S.  In  nobis  tenue  ingenium  et 
sermo  suhtilis  (Winterfeld,  Philol.  58  (1899)  p.  300)  ety  quod  vere  confitendum  est,  mathe- 
8608  f  permodica  (Winterfeld:  peritia  modica  velperitia  permodica;  Woelfflin:  mathesii 
permodica),  2,  30,  4  p.  86,  1  K.  S.  Cave  ne  quando  de  statu  reipublicae  vel  de  vita  Bomani 
imperatoris  aliquid  interroganti  respondeas;  non  enim  oportet  nee  licet,  ut  de  statu  reipu- 
blicae aliquid  nefaria  curiositate  discamus  ....  sed  nee  aliquia  mathematicus  verum  aUquid 
de  fato  imperatoris  definire  pottUt;  solus  enim  imperator  stellarum  non  subiaeet  cursibui 
et  solus  est,  in  cuitis  fato  stellae  decernendi  non  habeant  potestatem  ....  etiam  ipse  in  eorum 
deorum  numero  constitutus  est,  quos  ad  facienda  et  conservanda  omnia  divinitas  statuit 
principalis.  An  den  Jünger  der  Astrologie  stellt  der  Verfasser  grosse  ethische  Anforderungen ; 
vgl.  2,  80,  1  p.  85,  10  E.  S.  oportet  eum,  qui  cotidie  de  diis  vel  cum  diis  loquitur,  animum 
suum  ita  formare  atque  instruere,  ut  ad  imitationem  divinitatis  semper  aecedat  ....  esto 
pudicus  integer  sobrius,  parva  victu,  parvis  opibus  contentus,  ne  istius  divinae  seientiae 
gloriam  ignobilis  pecunlae  cupiditas  infamet  ....  antistitem  Solis  ac  Lunae  et  eeterorum 
deorum,  per  quos  terrena  omnia  gubernantur,  sie  oportet  animum  suum  semper  instruere, 
ut  dignus  esse  tantis  caerimoniis  omnium  hominum  testimoniis  comprobetur. 

Ueber  die  Sprache  vgl.  H.  Dressel,  Lexikalische  Bemerkungen  zu  Firmicos 
Matemus,  Zwickau  1882 ;  C  h  r.  E  e  1  b  e  r ,  Zu  Julius  Firmicus  Matemus  dem  Astrologen,  Erlangen 
1881;  Anfang  eines  Wörterbuches  zu  den  libri  matheseos  des  Julius  Firmicus  Matemos 
1883.     Feine  Beobachtungen  auch  bei  Moore  1.  c. 

Ueberlieferung.  Das  Werk  hat  keine  einheitliche  Ueberlieferung;  von  den  älteren 
Handschriften  geht  keine  über  4,  22,  16  =  p.  269,  19  E.  S.  hinaus.  Die  neuesten  Heraus- 
geber Er  oll  und  S  kutsch  haben  in  dem  ersten  Teil  folgende  Handschriften  zu  Grunde 
gelegt:  Montepessulanus  H  180  s.  XI;  Parisinus  7311  s.  XI;  Vaticanus  Reginensis  1244  8.X1; 
Vaticanus  3425  s.  XIII;  Parisinus  17867  s.  XIII.  Der  Bestand  dieser  Handschriften  ist  ver- 
schieden. Von  jüngeren  Handschriften,  welche  allein  die  acht  Bücher  liefern,  sind  von 
Eroll  und  Skutsch  folgende  herangezogen:  Norimbergensis  V  60  aus  dem  J.  1468;  Moni- 
censis  49  s.  XVI;  Vaticanus  2227  s.  XV/XVI;  Palatinus  1418  s.  XV;  Urbinas  268  s.  XV 
(teilweise  noch  Vindobonensis  3195  s.  XV).  Sie  zerfallen  in  zwei  Familien;  zu  der  einen 
gehören  der  Norimbergensis  und  der  Monacensis,  zu  der  anderen  Vaticanus,  Palatinus  nnd 
Urbinas.  Zu  der  ersten  Familie  gehört  noch  der  Neapolitanus  V  A  17  s.  XV/XVI,  zur  zweiten 
der  Oxoniensis  114  s.  XV.  Ueber  den  Monacensis  560  s.  XI  vgl.  Eelber,  Zu  Julias  Firmicns 
Matemus  dem  Astrologen.  Ueber  den  Montepessulanus  vgl.  Bonnet,  Revue  de  philologieS 
(1884)  p.  187;  Sittl,  Archiv  für  lat.  Lexikographie  4  (1887)  p.  610. 


Jaliiis  Firmicua  Maternna.    (§  822.) 


123 


Au8g.  Die  editio  princeps  (Venedig  1497)  hat  kritiachen  Wert;  die  Aldina  (die 
astronomici  veteres,  1497 — 99)  Btammt  aus  einem  anderen  sehr  interpolierten  Codex;  denn 
wir  lesen  in  der  Aldina,  dass  der  Heraasgeher  seinen  Autor  aus  extrema  Scytharum  fex 
herbeigeholt;  vgl.  Lessing,  9  p.  421  Laclmiann.  Von  der  Aldina  hängen  ab  die  stark  und 
willkQrlich  ergänzten  zwei  Ausg.  Pruckners,  die  ebenfalls  einer  Samnilung  einverleibt 
aind,  Basel  1533  und  1551.  Nachdem  mehrere  Jahrhunderte  keine  neue  Ausg.  mehr  er- 
schienen war,  trat  Leipz.  1894  die  Sittische  in  die  Oeffentlichkeit  und  zwar  pars  1  (B.  1—4); 
▼gl.  dazu  Mommsen,  Hermes  29  (1894)  p.  618;  Kroll  und  Skutsch,  In  Firmicum  Sit- 
telianum  emendationum  centuriae  duae  primae  (Hermes  29  (1894)  p.  517);  6.  N^methy, 
Novae  emendationes  in  Firmicum  Matemum  astrologum.  1.  S.-A.  aus  Egyetemes  Philologiai 
KtelOny  19  (1895)  p.  1-18;  H.  19  (1895)  p.  355—366.  Berl.  philol.  Wochenschr.  1895  Sp.  908. 
Massgebende  Ausg.  ist  letzt  die  von  Kroll  und  Skutsch,  Julii  Firmici  Matemi  matheseos 
libri  YHI,  fasc.  prior,  libros  lY  priores  et  quinti  prooemium  continens,  Leipz.  1897;  vgl. 
Boll,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1898  Sp.  199;  G.  r^^methy,  Specil.  crit.  in  Firmico  Ma- 
temo  astrologo.  S.-A.  ans  der  ungarischen  Zeitschr.  Egyetemes  Philologiai  KOzlöny  22  (1898) 
p.  1~19. 

Andere  astrologische  Schriften  des  Firmicus.  Es  sind  zu  unterscheiden  1.  die 
bereits  ausgeführten  und  2.  die  versprochenen.  Zu  der  ersten  Gruppe  gehören  a)  math.  4, 
20,  2  p.  258,  8  K.  S.  quae  omnia  ....  apecialiter  tarnen  in  singulari  libro,  quem  de  damino 
geniturae  et  chronocratare  ad  Murinum  nostrum  acripsimua,  et  comprehensa  8unt  et  explicata, 
ß)  7,  6  p.  200  P.  haee  tibi  omnia  ex  eo  libro  qui  de  fine  pitae  a  nobis  ecriptus  est  .... 
manifestius  intimantur.  Zur  zweiten  gehören  a)  math.  5,  1  p.  121  P.  cum  hoc  opus  ....  medio- 
criias  nostra  compleverit,  tunc  tibi  (Lolliane)  aliis  XII  libris  cetera  intimabo  secreta. 
ß)  8  prooem.  p.  212  P.  aliud  mihi  tempus  ad  explicandam  myriogenesin  reservavi,  y)  8,  3 
p.  215  P.  huius  (des  Nechepso)  ego  lü^ri  interpretationem  alio  tibi  tempore,  Mavorti  decus 
nostrum,  intimare  eurabo. 

Allgemeine  Litteratur.  J.  Burckhardt,  Die  Zeit  Constantins  des  Grossen,  Leipz.' 
1880,  p.  212;  L.  Friedlftnder,  Darstellungen  aus  der  Sittengesch.  Roms  1*  (Leipz.  1888) 
p.  365;  Riess  in  dem  Artikel  über  Astrologie  (Pauly-Wissowas  Realencycl.  2  Sp.  1826). 

822.  Ueber  den  Irrtum  der  heidnischen  Religionen  (de  errore 
profanarum  religionmn).  Seit  dem  Erscheinen  des  astrologischen  Werks 
waren  etwa  zehn  Jahre  verflossen,  da  trat  Firmicus  Maternus  mit  einer 
neuen  Schrift  über  den  Irrtum  der  heidnischen  Religionen  hervor.  Mittler- 
weile war  Firmicus  Christ  geworden,  und  diese  zweite  Schrift  atmet  daher 
einen  anderen  Geist.  Man  hat  sich  vielfach  gesträubt,  die  zwei  Schriften 
demselben  Autor  zuzuteilen,  und  zwei  Persönlichkeiten  des  Namens  Julius 
Firmicus  Maternus  angenommen.^)  Aber  die  Schwäche  dieser  Ansicht  geht 
schon  daraus  hervor,  dass  man  gezwungen  war,  die  beiden  Personen  zu 
Verwandten  mit  derselben  Heimat  zu  machen.')  Doch  wer  die  sprach- 
lichen Eigentümlichkeiten  der  beiden  Schriften  mit  scharfem  Blicke  mustert, 
wird  sofort  die  üeberzeugung  gewinnen,  dass  der  heidnische  und  der  christ- 
liche Schriftsteller  identisch  sind.  Nur  die  mangelhafte  Einsicht  in  die 
chronologischen  Verhältnisse  der  astrologischen  Bücher  hat  der  Wahrheit 
solange  die  Thüre  verschlossen.  Dass  aber  der  Geist  des  Fanatismus  in 
der  christlichen  Schrift  so  stark  weht,  dass  man  kaum  den  Autor  der 
astrologischen  Schrift  wiederzuerkennen  glaubt,  ist  eine  Erscheinung,  die 
doch  nicht  in  der  Geschichte  isoliert  dasteht.  Nicht  auf  dem  Wege  der 
Belehrung  will  sich  der  Verfasser  mit  dem  Heidentum  auseinandersetzen, 
sondern  er  versucht  es  lieber  mit  der  Denunziation.  Er  wendet  sich  daher 
in   der  Zeit  von  346 — 350  an  die  Kaiser  Constantius  und  Constans  und 


^)  Eigentümlich  ist  die  Ansicht  Eber ts 
(Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittelalters  1^ 
(Leipz.  1889)  p.  130  Anm.  3),  dass  vielleicht 
irrUbnlich  die  Schrift  de  errore  dem  Astro- 
logen  Julius  Firmicus  Maternus   beigelegt 


worden  sei ;  vgl.  dagegen  A.Rei  ff  erscheid, 
Bursians  Jahresber.  23.  Bd.  3.  Abt.  (1880) 
p.  258. 

')  Auch  de  errore  weist  auf  Sicilien  als 
Heimat  hin;  vgl.  c.  7. 


124 


JuliuB  Firmioua  Katemofl.    (§  822.) 


fordert  sie  auf,  durch  scharfe  Edikte  dem  Heidentum  den  Garaus  zu 
machen.  Die  Stimme  der  Intoleranz  lässt  sich  in  einer  Weise  vemehmeD, 
die  auch  anderen  Zeiten  nicht  fremd  ist.  Die  Ausrottung  wird  als  eine 
göttliche  Mission  der  Kaiser  erklärt  und  der  Segen  des  Himmels  ihnen 
dafür  in  Aussicht  gestellt.  Selbst  wider  ihren  Willen  müssen  die  Heiden 
bekehrt  werden,  sie  werden  ja  dadurch  vom  Verderben  gerettet.  Die 
Idololatrie  wird  als  ein  Werk  des  Teufels  gekennzeichnet.  Sogar  der 
materielle  Gewinn,  den  die  Konfiszierung  der  Götterbilder  und  Tempel- 
geräte mit  sich  bringt,  wird  gestreift.  Um  die  Kaiser  für  seine  Idee  zu 
gewinnen,  sucht  der  Fanatiker  von  allen  Seiten  belastendes  Material  gegen 
die  Heiden  zusammen  und  erstreckt  daher  seine  Betrachtungen  auf  die 
Aegypter  und  die  orientalischen  Völker,  während  der  römische  National- 
kultus nur  eine  nebensächliche  Behandlung  erfährt.  So  wird  gleich  im 
Eingang  der  Schrift,  der  uns  aber  verstümmelt  vorliegt,  die  göttliche  Ver- 
ehrung der  vier  Elemente  bei  den  verschiedenen  Nationen  gegeisselt.  Der 
Euhemerismus  liefert  unserem  Ankläger  manche  Waffe  in  die  Hand.  Er 
spricht  den  Gedanken  aus,  dass  viele  Kulte  im  Grunde  auf  eine  Toten- 
feier für  verruchte  Menschen  hinauslaufen.  Durch  lächerliche  Etymologien 
wird  eine  natürliche  Deutung  der  Götternamen  versucht,  um  sie  des  Nimbus 
zu  entkleiden  (c.  17).  Besonders  scharf  wendet  sich  Firmicus  gegen  die 
Geheimdienste.  Es  entging  ihm  wohl  nicht,  dass  das  Heidentum  in  den- 
selben nochmals  einen  Stützpunkt  gefunden  hatte;  auch  erschienen  ihm 
diese  Kulte  gefährlich,  weil  sie  manches  darboten,  was  an  das  Christen- 
tum erinnerte.  So  half  sich  nun  der  glaubenseifrige  Mann  damit,  dass  er 
ausführte,  der  Teufel  habe,  um  die  Menscheit  zu  täuschen,  absichtlich 
christliche  Gebräuche  nachgeäfft.^)  Mit  der  zelotischen  Gesinnung  des  Au- 
tors steht  auch  sein  Stil  im  Einklang;  er  geht  der  ruhigen  Auseinander- 
setzung aus  dem  Weg  und  spricht  in  aufgeregtem  Tone  mit  unnatürUchem 
Pathos.  Die  Apostrophe  wird  förmlich  zu  Tode  gehetzt.  Merkwürdig  ist. 
dass  auch  der  Sonne  eine  Anrede  an  die  Menschen  in  den  Mund  gelegt 
wird,  in  der  sie  sich  bitter  über  den  Kult,  den  man  mit  ihr  treibt,  beschwert 
und  erklärt,  sie  wolle  nichts  anderes  sein  als  wozu  sie  Gott  gemacht 

Die  Identität  der  Verfasser  der  astrologischen  und  der  christlichen 
Schrift.  Die  Frage  ist  seit  langem  controvers.  Von  älteren  Gelehrten  sprachen  sich  ftr 
die  Identität  ans  Gave  (Scriptorum  ecclesiasticorum  historia  latina  1  p.  205),  Fahricias 
(Bibliotheca  lat.  ed.  Ernesti  3  (Leipz.  1774)  p.  121).  Aber  seit  der  Ausg.  Bursians  worde 
die  Identität  der  beiden  Autoren  allgemein  aufgegeben.  Erst  als  Mommsen  über  die  Chrono- 
logie der  Schrift  Klarheit  verbreitete,  griff  man  wieder  auf  die  Identität  zurttck.  Eingehend 
und  völlig  überzeugend  ist  dieselbe  begründet  von  Mo'ore,  Julius  Firmicus,  der  Heide  und 
der  Christ,  München  1897,  p.  1.  Den  Entscheid  gibt  die  sprachliche  Compoaition  hei  dem 
Werke.  Math.  3,  1  ne  quid  autetn  a  nohis  praetermissum  esse  videatur,  omnia  explicandö 
sunt  —  de  errore  14,  1  Penates  qui  sint  explicare  contendam,  ne  quid  a  me  praetermiuum 
esse  rideatur.  Math.  1,  prooem.  sed  omnia  haec  ideo  brevi  oratione  persirinximus  =  de 
errore  7,  1  quod  quaienus  factum  sit  brevi  sermone  perstringam.  Maui.  4,  prooem.  libdlw 
scripsi,  ut  a  terrena  quodam  modo  conversatione  sepositus  =  de  errore  i9,  2  ui  in  ktif 
terrena  conversatione  opus  nostrum  per  dies  singulos  luceat.  Math.  7,  15  praepasteri  amcri* 
studiis  occupati  =  de  errore  7,  1  cum  praeposteri  amoris  coqueretur  incendiis  ....  virginem 
rapit.     Math.  1,  1  Scythae  soli   immani  feritatis  crudelitate  grassantur  =  de  errore  15,  1 


^)  21,  1  (Halm)  omnia  symhola  2)rofanae 
religionis  per  ordinem  suggerantur^  ut  pro- 
hemus  nequissimum  hostem  gener is  humani  de 


sanctis  haec  venerandisque  prophetarum  ora- 
culis  ad  contaminata  furoris  sui  gcelera 
transtulisse. 


Julina  Firmioua  Maternns.    (§  822.)  125 

efftra  gens  hominum  et  cruddi  atque  inhumana  semper  atrocUnte  grassata,  Math.  4,  1 
erae  infelicüatis  squalore  demersos  =  de  errore  5,  2  ohscuro  tenebrarum  squalore  demersi. 
h.  1,  8  aerpentis  ietus  ....  venas  stringit  in  mortem  =  de  errore  18,  2  hoe  ....  venam 
ngU  in  mortem;  vgl.  A.  Becker,  PhiloL  61  (N.  F.  15,  1902)  p.  478.  Math.  1,  prooem. 
»  rotata  vertigo  und  1,  4  rotatae  vertiginis  lapsum  =  de  errore  24,  2  praecipUtU  diem 
%di  (=:  caeli)  rotata  vertigo.  Math.  8,  17  flammie  üUricihue  eremabuntur  =  de  errore 
2  %U  perpetua  imitatione  flammarum  ....  flammte  uUricibus  coneremetur.  Diese  Paral- 
n,  die  nur  eine  Auswahl  aus  der  Beispielsammlung  Moores  darstellen,  finden  nicht 
ch  die  Annahme  einer  Verwandtschaft  der  beiden  Autoren  oder  durch  die  Annahme 
eher  Schulbildung  ihre  ErklArung,  sondern  nur  durch  die  Identifizierung  beider. 

Die  Adressaten  sind  Constantius  und  Constans,  die  mit  Namen  angeredet  werden: 
7  V08  nunc,  Constanti  et  Conetans  aacratisaimi  imperatorea.  Sonst  wählt  er  Bezeichnungen 
e  Namen  und  zwar  a)  aaeratiaaimi  imperatorea  6,  1;  7,  7;  8,  4;  16,  4;  24,  9;  25,  4; 
6;  29,  1;  29,  4.  p)  aacroaancti  imperatorea  18,  1.  y)  aacroaancti  principea  17,  1.  cf)  do- 
li imperatorea  25,  1. 

Zeitindicien.  28,  6  aub  remia  veatria  incogniti  tarn  nobia  paene  maria  unda  con- 
nuit  et  inaperatam  imperatoria  faciem  Britannua  expavU  bezieht  sich  auf  die  Expedition 
Constans  nach  Britimnien  im  Jahre  843.  20,  7  werden  die  Kaiser  Constantius  und 
istans  angeredet,  also  lebend  vorausgesetzt;  Constans  wurde  aber  im  Jahre  850  ermordet; 
ach  muss  die  Schrift  zwischen  die  Jahre  848  und  850  fallen.  Das  Intervallum  kann 
r  noch  eingeengt  werden  durch  folgende  Stelle:  29,  8  atrati  aunt  adveraantium  cunei 
rebellantia  ante  conapectum  veatrum  aemper  arma  ceciderunt,  miaai  aunt  auperbi  aub 
um  populi  et  Peraica  vota  conlapaa  aunt.  Diese  Worte  beziehen  sich  höchst  wahr- 
einlich  auf  die  Aufhebung  der  Belagerung  von  Nisibis  durch  Sapor  im  Jahre  346,  kaum 
den  im  Jahre  348  errungenen  Sieg,  dem  auch  Niederlagen  gegenüberstehen.  Hiemach 
rde  die  Schrift  zwischen  346  und  850  anzusetzen  sein. 

Ziel  des  Autors.  16,  4  amputanda  aunt  haec,  aaeratiaaimi  imperatorea,  penitua 
ue   delenda  et  aeveriaaimia  edictorum   veatrorum   legibua  corrigenda  ....   aub- 

ite  miaeria,  liberate  pereuntea:  ad  hoc  vobia  Deua  aummua  commiait  imperium meliua 

ut  liberetia  invitoa  quam  ut  volentibua  concedatia  exitium.  29,  1  hoc  vobia  {aaeratiaaimi 
teratorea)  Dei  aummi  lege  praecipitur,  ut  aeveritaa  veatra  idololatriae  facinua  omnifariam 
aequatur.    20,  7  modicum  tantum  aupereat  ut  legibua  veatria  funditua  proatratua  diabolua 

iat,  ut  extinctae  idololatriae  pereat  funeata  contagio erigite  vexillum  fidei,  vobia  hoc 

Initaa  reaervavit  ....  idololatriae  excidium  et  profanarum  aedium  ruinam  propitiua 
'iatua  populo  veatria  manibua  reaervavit.  28,  6  Tollite,  tollite  aecuri,  aaeratiaaimi  impe- 
yrea,  ornamenta  templorum:  deoa  iatoa  aut  monetae  ignia  aut  metallorum  coquat  flamma, 
aria  univeraa  ad  utilitatem  veatram  dominiumque  tranaferte.  poat  excidia  templorum  in 
\us  Dei  eatia  virtute  provecti. 

Quellen  der  christlichen  Schrift.  18,4  iata  eaae  Porphyriua,  defenaor  aimula- 
rum,  hoatia  dei,  veritatia  inimicua,  aceleratarum  artium  medialer,  manif eatia  nobia  pro- 
ionibua  prodidit.  in  libria  enim,  quoa  appellat  negl  tf^c  ix  Xoy'noy  (piXoaotpias,  maie- 
'em  eiua  praedicana  de  infirmitate  confeaaua  eat.  Für  die  Bibelstellen  lagen  ihm  als 
^hschlagebücher  Cyprians  testimonia  und  dessen  Schrift  ad  Fortunatnm  vor.  Dass  er 
selben  wirklich  benutzte,  dafür  legt  besonders  der  Umstand  Zeugnis  ab,  dass  bei  beiden 
elcitate  in  gleicher  Reihenfolge  erscheinen;  vgl.  B.  Dombart,  lieber  die  Bedeutung 
amodians  für  die  Textkritik  der  Testimonia  Cyprians  (Zeitschr.  für  wissenschaftl.  Theol. 
[Leipz.  1879)  p.  375).  Ueber  Berührungspunkte  der  Schrift  mit  Minucius  Felix  vgl.  Moore 
!9;  dagegen  bestehen  keine  Beziehungen  zwischen  de  errore  und  Tertullians  Schriften, 
nationes  und  Apologeticus;  vgl.  Moore  1.  c.  Ueber  Benutzung  Ps.-Quintilians  (declam. 
i.)  vgl.  Weyman,  Revue  d'histoire  et  de  litt,  relig.  3  (1898)  p.  383;  Becker  1.  c.  p.  476. 
>er  die  euhemeristischen  Bestandteile  vgl.  Moore  p.  31.  lieber  die  quinque  Minervae 
16)  v^.  R.  Foerster,  Der  Raub  und  die  Rückkehr  der  Persephone,  Stuttgart  1874,  p.  97. 

Ueberliefernng.  Zuerst  gab  Flacius  Illyricus  1562  den  Firmicus  zu  Strassburg 
codice  Mindensi"  heraus.  Der  Codex  war  längere  Zeit  verschollen,  bis  1856  C.  Bursian 
im  Vaticanus-Palatinus  165  s.  X  wiederauffand.  Da  die  zwei  ersten  Blätter  verloren 
;en  (vgl.  Reifferscheid,  Bibliotheca  patrum  1  (1865)  p.  268),  fehlt  der  Anfang  der 
rift.  Ueber  den  Inhalt  des  Fehlenden  vgl.  Ebert,  Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittel- 
»rs  IM).  131.  Der  Codex  ist  in  manchen  Partien  schwer  zu  entziffern;  vgl.  Weyman  1.  c. 
der  Üeberlieferung  lautet  die  Subscriptio:  Julii  Firmici  Materni  v.  c.  de  errore  pro- 
arum  religionum  explicit. 

Ausg.  Die  Schrift  wurde  in  der  Regel  mit  Minucius  Felix,  Cyprian  oder  Amobius 
ausgegeben;  z.  B.  mit  Minucius  Felix  in  der  Bibl.  Patrum  ecclesiast.  Lat.  sei.  von  F.  Gehler, 
pz.  1847  und  C.  Halm  im  corpus  scriptorum  ecclesiast.  lat.  vol.  2,  Wien  1867,  p.  75. 
gne  vol.  12.    Spezialausg.:  Von  Wower,  Hamb.  1603;  F.  Munter,  Kopenhagen  1826; 


126  Chaloidiiui.    (§828.) 

G.  Bursian,  Leipz.  1856.    (üeber  Commodian  und  Finn.  vgl.  Maass,  TageagOtter,  BerL 
1902,  p.  23.) 

Litteratur.  J.  M.  Hertz,  De  Julio  Finnico  Matemo  eioflqae  imiirimia  de  eirore 
profananim  religioniun  libello,  Kopenhagen  1817;  J.  Burckhardt,  Die  Zeit  Conatantins  des 
Grossen,  Leipz.>  1880,  p.  188;  230  Anm.  2;  861;  Ebert  p.  180. 

2.   Ghalcidius. 

823.  Uebersetzung  des  Timaens  mit  Commentar.  unter  den  pla- 
tonischen Dialogen  war  dem  Timaeus  das  reichste  Nachleben  beschieden. 
Die  tiefsinnige  Schöpfung  verlangte  ihre  Deutung,  und  Jahrhunderte  hin- 
durch ist  bei  den  Griechen  diese  Deutung  in  Gomnientaren  versucht  worden. 
Auch  bei  den  Römern  fand  der  Timaeus  Eingang;  Cicero  hatte  Teile  daraus 
übersetzt  (§  168),  wahrscheinlich  um  sie  in  einen  naturphilosophischen 
Dialog  hineinzuarbeiten.  Einige  Jahrhunderte  später  machte  sich  Ghalci- 
dius an  die  Bearbeitung  des  schwierigen  Werks.  Er  that  dies  auf  Ver- 
anlassung eines  Osius,  der  ursprünglich  selbst  beabsichtigt  hatte,  sich  dieser 
Aufgabe  zu  unterziehen.  Ghalcidius  übertrug  den  Dialog  bis  zu  53  C; 
ausser  der  Uebersetzung  gab  er  auch  noch  einen  Commentar,  der  eben- 
falls bis  53  G  reicht,  und  der  in  letzter  Linie  auf  den  Timaeuscommentar  des 
Posidonius  zurückzugehen  scheint.  Der  Arbeit  ist  ein  Widmungsschreiben 
an  den  genannten  Osius  vorausgeschickt.  Dass  Ghalcidius  und  Osius  Christen 
waren,  geht  aus  dem  Werke  deutlich  hervor.  Ueber  andere  persönliche  Ver- 
hältnisse aber  erhalten  wir  aus  der  Schrift  keine  Notizen;  dagegen  ist  uns 
durch  die  handschriftliche  Ueberlieferung  die  Nachricht  geworden,  dass 
Osius  Bischof  von  Cordova  war,  und  dass  Ghalcidius  die  Würde  eines  Arcbi- 
diacons  oder  Diacons  bekleidete.  Nichts  zwingt  uns,  diese  Angaben  als  un- 
wahrscheinlich hinzustellen ;  für  den  geistlichen  Stand  des  Ghalcidius  spricht 
überdies  seine  genaue  Kenntnis  der  hl.  Schrift  und  die  Benutzung  der 
Hexapla  des  Origenes  (f  254).  Ist  der  Adressat  unserer  Uebertragung 
wirklich  mit  dem  erwähnten  Bischof  identisch,  so  ist  damit  auch  die  Zeit  des 
Werks  gegeben.  Da  Osius  den  Bischofsstuhl  von  Cordova  von  296 — 357  inne 
hatte,   wird  es  in   den  Anfang  des  vierten  Jahrhunderts  zu  setzen  sein.*) 

Die  Arbeit  des  Ghalcidius,  obwohl  ganz  ohne  Selbständigkeit,  hatte 
eine  grosse  Zukunft.  Bis  zum  Ende  des  12.  Jahrhunderts  schöpfte  das 
Mittelalter  seine  Kenntnis  Piatos  nur  aus  derselben.  Selbst  durch  einen 
Commentar  wurde  Ghalcidius  im  12.  Jahrhundert  erläutert. 

Oslos  und  Ghalcidius.  Im  ViDdob.  278  steht  am  Rande  von  der  alten  Hand  ge- 
schrieben: Osii  episcopi  Corduhensis  rogatu  Calcidiiis  hunc  librum  suscepit  transferendum. 
Im  Riccardianus  139  lesen  wir  von  zweiter  Hand  za  Osius  über  der  ZeUe:  episcopo  hispaniae 
conflator  huiiis  operls  archidiaconns;  vgl.  Iw.  Müller,  Spec.  3  p.  5.  Auch  Fabracins 
bezeugt,  dass  in  dem  von  ihm  benutzten  Bodleianus  auf  der  ersten  Seite  die  Notiz  gestanden 
habe,  Ghalcidius  sei  der  Archidiacon  des  spanischen  Bischofs  Osius  gewesen.  In  den  Tat. 
Reg.  1861  s  X/XI,  1107  s.  XI  heisst  Osius  episcopus;  im  Vat.  2063  s.  XIII/XIV  epUe.  eordu- 
hemh,  Ghalcidius  im  Vat.  3815  s.  XI  diocottus;  vgl.  Tamilia  1.  c.  Wir  kennen  einen  Bischof 
von  Gordova  des  Namens  Osius,  der  den  Synoden  von  Nicaea  (325)  und  Sardica  (847)  bei- 
wohnte; vgl.  Gams,  Series  episcoporum,  Regensb.  1873.  Wir  haben  keinen  stichhaltigeii 
Grund,  diese  Identifizierung  für  unmöglich  zu  erachten.  Auch  dass  Chalcidins  ein  tk- 
riker  war,  ist  nicht  unwahrscheinlich,  üeber  seine  Bekanntschaft  mit  der  hl.  Schrift  vgl  c  55 
p.  122  Wr.  quod  quidem  verum  esse  testatur  eminens  quaedam  doctrina  sectae  sandicrii  rt 
in  comprehensione  dimnae  rei  prudentioris,  quae  perhibet  deum  ahaoluto  inlustratogue  tentiU 
mundo  genus   hominum    instituentem   corpus   quidem   eius  parte   humi  sumpta  iuxta  hanc 

')  Vgl.  Tamilia,  De  Ghalcidii  aetate  (Studi  ital.  di  filol.  class.  8  (1900)  p.  79). 


ChaloidiuB.    (§  828.)  127 

effigiem  aedifieasse  farmoMeque,  vitam  vero  eidem  ex  eonvexis  aceersisse  caelestUms  poatque 
iiUimis  eius  inspirationem  proprio  flatu  intimasaef  inapirationem  hane  dei  consilium  animae 
ratianemque  significana,  c.  126  p.  190  Wr.  eat  quoque  alia  aanctior  et  venerabilior  hiatoria, 
quae  perhibet  ortu  atellae  cuiuadatn  non  morboa  morteaque  denuntiaiaa,  aed  deacenaum  dei 
Ttnerahüis  ad  humanae  eonaervationia  rerumque  mortalium  grcUiam.  Nicht  minder  spricht 
daftkr,  dass  die  Hezapla  des  Origenes  c.  276  p.  806  Wr.  benutzt  sind.  Unter  allen  Umständen 
ist  aber  sicher,  dass  Chalcidius  Christ  war;  vgl.  Switalski  p.  5.  Auch  das  Christentum 
des  Oains  ISsst  sich  aus  folgenden  Worten  c.  188  p.  196  Wr.  deduzieren:  cum  angeli  partim 
dei  aint  miniatri,  —  qui  ita  aunt,  aaneti  vocantur  —  partim  adveraae  poteatatia  aatellitea  ut 
(^ime  noati. 

Ueber  das  Werk  spricht  sich  der  Autor  also  aus  (p.  4,  15  Wr.):  primaa  partea 
Timati  Platonia  adgreaaua  non  aolum  tranatuli,  aed  etiam  partia  eiuadem  commentarium 
feci  ....  Cauaa  vero  in  partea  dividendi  lihri  fuit  operia  prolixitaa,  aimul  quia  cautiua 
tidebatur  ease,  ai  tamquam  libamen  aliquod  ad  deguatandum  auribua  atque  animo  tuo  mit- 
Urem.  Quod  cum  non  diaplicuiaae  reaeriberelurj  faceret  audendi  maiorem  fidueiam,  Ueber 
den  Commentar  ftussert  er  sich  c.  4  p.  71  Wr.:  Itaque  quia  iubentibua  vobia  moa  erat  gerun- 
dua,  licet  ea  quae  iubebantur  potiora  eaaent,  quam  auatinere  mediocre  ingenium  valeret,  aola 
translatione  eontentua  non  fui  ratua  obacuri  minimeque  inluatria  exempli  aimulacrum  eine 
interpretatione  tranalatum  in  eiuadem  aut  etiam  maioria  obacuritatia  vitio  futurum. 

Quellen  des  Commentars.  Nach  dem  Vorgänge  Bergks  (Zeitschr.  f&r  die  Alter- 
tumsw.  1850  p.  176)  hat  Hiller,  De  Adrasti  Peripatetici  in  Piatonis  Timaeum  commentario 
(Rhein.  Mus.  26  (1871)  p.  582)  mit  unwiderleglichen  Beweisen  dargethan,  dass  Chalcidius 
den  Timaeoscommentar  des  Adrastos  aus  Aphrodisias,  eines  Peripatetikers,  der  um  die  Mitte 
des  2.  Jahrh.  lebte,  benutzt  hat(p.  584),  nicht  Theon,  wie  Martin  (in  seiner  Ausg.  Theons, 
Paris  1849,  p.  18)  annimmt.  Plotinos  wird  in  dem  Commentar  nicht  citiert.  Ueber  die  ge- 
meinschafÜiche  Quelle  des  Ch.  und  Favonius  vgl.  Skutsch,  Philol.  61  (1902)  p.  198.  Eine 
Untersuchung  Aber  die  Quellen  gibt  Switalski,  Des  Ch.  Commentar  zu  Plat.  Timaeus  (Beitr. 
zur  Gesch.  der  Philos.  des  Mittelalters  Bd.  3,  Heft  6  (Münster  1902)  p.  55)  und  gewinnt  fol- 
gendes Resultat  (p.  118):  Der  Commentar  geht  in  letzter  Linie  durch  die  Mittelstufen  Adrastns 
und  Albinus  auf  den  'Hmaeuscommentar  des  Posidonius  zurück,  in  erster  auf  einen  jungen 
Commentar,  in  dem  Numenius  (c.  295;  296;  297;  299)  benutzt  war  und  den  Chalcidius  im 
wesentlichen  bloss  übersetzte  (Gercke,  Rhein.  Mus.  41  (1886)  p.  269). 

Fortleben  des  Chalcidius.  Haur^au,  Histoire  de  la  philosophie  scolastique  1 
(Paris  1872)  p.  100  und  92  (über  Scotus  Erigena).  Aus  dem  12.  Jahrh.  stammt  ein  Commentar 
zum  Gh.;  vgl.  Cousin,  Fragments  philosophiques,  Paris'  1865,  p.  857.  Ueber  das  Fortleben 
des  Ch.  im  Mittelalter  gibt  Einiges  Wrobel,  Zeitschr.  für  österr.  Gymn.  26  (1875)  p.  178. 

Ueberliefernng.  Wrobel  benutzte  einen  cod.  Cracoviensis  529  s.  XI,  femer  einen 
zweiten  Cracoyiensis  665  s.  XV,  endlich  vier  Vindobonenses  und  zwar  folgende:  278  s.  XII; 
272  s.  XIII;  176  s.  XII;  448  s.  XI;  den  letzten  nimmt  er  als  Führer.  Fabricius  gründete 
seine  Ausg.  auf  einen  Bodleianus.  Auf  eine  Reihe  von  Handschriften  lenkte  die  Aufincrk- 
samkeit  in  einigen  Erlanger  Programmen  Iwan  Müller;  zuerst  besprach  er  (Quaest.  crit. 
de  Chalcidii  in  Timaeum  Piatonis  commentario,  spec.  1,  Erlangen  1875)  den  cod.  Bamber- 
gensis  M.  V.  15  s.  Xi  und  teilte  eine  teilweise  Collation  aus  demselben  mit,  welche  in  dem 
E^r«^rainm  des  Jahres  1876  fortgesetzt  wurde.  In  einem  dritten  Programm  des  Jahres  1877 
machte  er  auf  folgende  yier  Handschriften  aufmerksam:  Coloniensis  192  s.  XI;  Riccardianus 
139  s.  Xl/XIi;  Monacensis  6865  s.  XI;  Marcianus  469  s.  XIV,  aus  dem  Marcianus  VI  187 
stammt.  Von  diesen  vier  Handschriften  werden  die  CoUationen  mitgeteilt  und  manche 
sprachliche  Beobachtungen  angeschlossen.  Ueber  den  cod.  Parisinus  10195  s.  XI  vgl.  Bonnet, 
Hermes  14  (1879)  p.  158.  Ueber  10  Vaticani  vgl.  Tamilia  1.  c.  Eine  Sichtung  der  Hand- 
schriften, die  in  ihrem  Umfang  sehr  von  einander  differieren,  steht  noch  aus. 

Ausg.  Ed.  princeps  von  August  Justinianus,  Paris  1520;  es  folgten  die  Ausg.  von 
Menrsins,  Leiden  1617,  die  beachtenswerte  von  Fabricius  im  zweiten  Band  seiner  Ausg. 
des  Hippolytos,  Hamburg  1718;  von  Mullach,  Fragm.  philos.  graec.  2  (Berl.  1867)  p.  149; 
von  Wrobel,  Leipz.  1876  (mit  unmethodischem  Apparat);  vgl.  auch  dessen  Beitrag  zur  lat. 
Lexicographie  aus  Chalc.  (Zeitschr.  für  Osten*.  Gymn.  1875  p.  179  und  p.  258). 

Litteratur.  Fabricius,  Bibl.  lat.  8  p.  105;  Wrobel,  Ausg.  p.  VIII;  Freudenthal, 
Hellenist  Stad.  1  (BresL1875)  p.  180  Anm.;  Kroll,  Pauly  Wissowas  Realencycl.  8  Sp.  2042. 

Pseudo- Chalcidius.  In  der  appendix  ad  opera  ab  A.  Maio  edita  1  (Rom  1871) 
p.  19  wird  das  commentum  eines  Chalcidius  Neapolitanus  super  carmine  saeculari  (Horati) 
ans  dem  Vaticanus  2769  s.  XV  erwähnt.  Es  ist  dort  die  Vermutung  ausgesprochen,  dass  dieser 
Chalcidius  mit  dem  Platoübersetzer  identisch  sei.  Allein  Buecheler  (Rhein.  Mus.  85  (1880) 
p.  401)  hat  gezeigt,  dass  hier  die  Arbeit  eines  Humanisten  aus  der  Zeit  Papst  Paul  IL 
1464—1471  vorUegt. 

Ueber  den  Chalcidius  grammaticus  ist  bei  Fulgentius  zu  handeln. 


128  Vettiua  Agorina  Praetextätna.    (§  824.) 

3.  Vettius  Agorius  Praetextatus  und  andere  Philosophen. 

824.  Die  lateinische  Bearbeitung  der  aristotelischen  S^ategorien 
von  Praetextatus.  Unter  den  Männern,  welche  sich  dem  Christentum  gegen- 
über ablehnend  verhielten  und  dem  alten  Kultus  treu  blieben,  nimmt  Vettius 
Agorius  Praetextatus  eine  hervorragende  Stelle  ein.  Er  war  mit  Sym- 
machus  befreundet,  der  ein  Gesinnungsgenosse  von  ihm  war,  und  in  der 
letzten  Briefsammlung  erscheint  auch  Praetextatus  unter  den  Adressaten. 
Von  Macrobius  wird  er  in  den  Saturnalien  neben  anderen  heidnischen 
Celebritäten  als  Teilnehmer  an  den  Gesprächen  eingeführt.  Seine  amtliche 
Laufbahn,  über  die  wir  aus  Inschriften  genau  unterrichtet  sind,  führt  in 
die  verschiedensten  Zweige  der  Verwaltung;  für  das  Jahr  385  war  er  zum 
Konsul  designiert,  allein  er  starb  schon  im  Jahre  384,  ohne  sein  Amt  an- 
zutreten. Wir  besitzen  von  ihm  noch  eine  merkwürdige  Grabinschrift, 
der  ein  längeres  Gedicht  in  jambischen  Senaren  beigegeben  ist,  das  seinen 
Preis  enthält.  Aus  dieser  Inschrift  ersehen  wir  mit  Erstaunen,  an  wie  viel 
Kulten  Praetextatus  teilgenommen;  nicht  bloss  einheimische,  sondern  auch 
fremde  sind  vertreten.  Für  das  religiöse  Leben  ist  der  inschriftliche  Be- 
richt von  hohem  Interesse;  das  Heidentum  machte,  um  sich  des  Christen- 
tums zu  erwehren,  alle  Anstrengungen,  die  verschiedenen  Kulte  äusserlich 
zu  einer  Einheit  zusammenzuschmelzen;  die  Mysterien  spielten  hiebei  eine 
grosse  Rolle,  aber  auch  die  Philosophie  sollte  ihre  Dienste  leisten.  Natur- 
gemäss  war  daher  auch  Praetextatus  philosophischen  Studien  ergeben.  Er 
bearbeitete  die  Kategorien  des  Aristoteles  nach  der  Paraphrase  des  Themi- 
stius;  auch  bei  Macrobius  wird  er  als  Philosoph  kenntlich  gemacht.  Mit 
dem  Festhalten  an  dem  nationalen  Kultus  stand  auch  das  Bestreben  im 
Einklang,  den  nationalen  Autoren  sorgsame  Pflege  angedeihen  zu  lassen; 
man  suchte  die  alten  Litteraturschätze  durch  korrekte  Abschriften  zu  ver- 
breiten. Wie  die  vornehmen  Nicomachi,  so  beteiligte  sich  auch  Praetex- 
tatus an  dieser  Arbeit,  wenn  wir  auch  nicht  mehr  wissen,  welchen  Schrift- 
stellern seine  Thätigkeit  zugute  gekommen  ist. 

Neben  Praetextatus  tauchen  noch  andere  philosophisch  gebildete 
Männer  in  der  Litteratur  auf,  ohne  dass  wir  jedoch  von  wahrer  Förderung 
der  Philosophie  bei  ihnen  reden  können.  Durch  Aeusserlichkeiten  suchten 
sie  vielfach  zu  ersetzen,  was  ihnen  an  Geist  abging.^) 

Die  amtliche  Laufbahn  des  Vettius  Agorius  Praetextatus  wird  in  der 
Grabschrift  CIL  6,  1779  also  bestimmt:  Augur,  pontifex  Vestae,  pontifex  Solis,  quindecimfir, 
curialia  HercuUa,  sacratus  Libero  et  Eleusinis  hierophantay  neocorus,  tauroboliaius,  pater 
patrum,  in  repüblica  vero  quaestor  candidatus,  pretor  urbanus,  corrector  Tuseiae  et  ümbruUj 
consularis  Lusitaniae,  pro  consule  Achaiae  (362 — 364),  praefectus  urbi  (363  und  368), 
legatus  a  senatu  tnissus  F,  praefectus  praetorio  II  Italiae  et  llhjrici  (384),  eoH9ul  Ordinarius 
designatus  (für  885);  vgl.  auch  das  in  CIL  6,  1780  über  seine  Frau  Gesagte.  Er  steb  im 
Jahre  384.  lieber  die  Daten  der  amtlichen  Laufbahn  vgl.  Henzen  L  c.  und  Seeck,  Ausg. 
des  Symmach.  p.  LXXXVII. 

Die  litterarische  Wirksamkeit  des  Vettius  Agorius  Praetextatus. 
tt)  Philosophische  Studien:  Boethius,  De  interpretatione,  ed.  sec.  1  p.  289  Vettius Prae- 
textatu8  priores  postremosque  analyticos  non  vertendo  Aristotelem  latino  sermani  tradiditj 
sed  transferendo  Themistium.  Nach  einer  Vermutung  des  Fabricius  wtkrde  die  unter 
Augustins  Namen  erhaltene  Schrift  de  X  categorüs  ihm  gehören.    Macrob.  Sat.  1,  24,  21  preist 

^)  Augustin.  epist.  1,  1  hoc  saeculo  cum      amiculo   corporis,    quos   quidem    haiid  an- 
iam  nullos  videamus  ph'dosophos   nisi  forte   ,   suerim  dignos  tarn  venerabUi  nomine. 


Die  Grammatiker  und  Metriker.    (§  825.)  129 

er  als  Geeprftchsperson  die  Philosophie,  ß)  Ueber  seine  VerbeBserung  der  Hand- 
■ckriften  vgl.  die  Worte  des  Gedichtes  (CIL  6,  1779,  Anthol.  lat.,  vol.  2  Garmina  epi- 
grapliica  ed.  Bachelor,  fasc.  1,  Leipz.  1895,  No.  111  Vs.  8)  tu  namque  quidquid  lingua 
mräque  est  proditum  |  cura  »oforum,  porta  quis  eaeli  patet,  |  vel  quae  periti  condidere 
oargHinOf  \  vel  quae  solutis  vocibus  sunt  edita,  \  meliora  reddis  quam  legende  sumpseras. 
9|3rininach.  epist.  1,  53  remissa  iempora  et  ah  negotiis  publicis  feriata  Hbris  veterum  rumi- 
mandis  libenter  expendis. 

Zar  Gharakteristik  des  Vettius  Agorius  Praeteztatus.  Amm.  Marc.  22,  7,  6 
P^aetextatuSy  praeclarae  indolis  gravUatisque  priscat  Senator.  27,  9,  8  Praetextatus,  prae- 
ftcturam  urhis  sublimius  curans,  per  integritatis  mültiplices  actus  et  probitatis,  quibus  ab 
fuiuUscentiae  rudimentis  inclaruit,,  adeptus  est  id  quod  raro  contingit,  ut  cum  timeretur^ 
atmorem  nan  perderet  civium,  minus  firmari  solitum  erga  iudices  farmidatos.  Macrob.  sat.  1, 
24,  1  laudare  hie  memoriam,  iUe  doctrinam,  cuncti  religionem,  adfirmantes  hunc  esse  unum 
tureanae  deorum  naturae  conscium  qui  solus  divina  et  adsequi  animo  et  eloqui  passet  ingenio. 
1,  17,  1  et  quia  sacrorum  omnium  praesulem  esse  te,  Vetti  Praetextate,  divina  voluerunt, 
perge,  quaeso.  1,  11,  1  sagt  EaaDgelus  von  Praetextatns:  quia  princeps  religiosorum  pu" 
iatur,  non  nulla  iam  et  superstitionis  admiscet.  Gepriesen  wird  er  in  dem  inschriftlichen 
Qedicht  von  seiner  GemahUn  Aconia  Fabia  Paulina,  Tochter  des  Aconius  Gatullinos  Philo- 
matins,  als  ein  frommer  Mann,  der  auch  sie  in  verschiedene  Kulte  eingeführt.  Inschriften 
beleliren  ans  auch  über  die  Kulte,  denen  Aconia  Paulina  angehörte;   vgl.  0.  Jahn  p.  340. 

Litteratur.  G.  Jahn,  Ueber  die  Subscriptionen  in  den  Handschriften  römischer 
Klassiker  (Ber.  über  die  Yerh.  der  sftchs.  Ges.  der  Wissensch.  1851  p.  338);  H.  Richter, 
Das  westrOm.  Reich,  Berl.  1865,  p.  339;  Seeck  (Ausg.  des  Symmachus),  der  (p.  LXXXIII) 
alle  auf  Praetextatns  bezüglichen  Inschriften  zusammengestellt  hat. 

Andere  Philosophen  der  Zeit,   die  gelegentlich  erwfthnt  werden,  sind  folgende: 

1.  Hör  US.  Symmach.  epist.  2,  39  Horus  philosophus  vita  atque  eruditione  praecipuus  iamdiu 
tmihi  carus  et  amicus  est,  Macrob.  Sat.  1,  7,  3  Horus  ....  vir  corpore  atque  animo  iuxta 
validuSy  qui  post  innumeras  inter  pugiles  palmas  ad  philosophiae  studia  migravit,  sectamqne 
Antisthenis  et  Cratetis  atque  ipsius  Biogenis  secutus  inter  Cynicos  non  inlecebris  habebatur. 

2.  Barachas.  Symmach.  epist.  1,  29  nihil  moror  ceteros  vulgus  ig  nobile,  qui  philosophiam 
fasiu  et  habitu  mentiuntur.  paucos  et  in  his  praecipue  familiärem  meum  Barachum  nostra 
metiss  ittlit,  quorum  germana  sapientia  ad  vetustatem  vergeret,  3.  Eustathins.  Macrob. 
Sat.  1,  5,  13  Eustathium,  qui  tantus  in  omni  genere  philosophiae  est  ut  solus  nobis  reprae- 
mentei  ingenia  trium  philosophorum  (des  Akademikers  Gameades,  des  Stoikers  Diogenes, 
des  Peripatetikers  Gritolaus).  7,  1,  8  quia  te  unicum,  Eustathi,  sectatorem  philosophiae 
nostra  aetcis  tulU. 

In  den  Briefen  des  S^machus  werden  noch  andere  Männer  als  Philosophen  be- 
xeichnet,  allein  die  ihnen  erteilten  Lobsprüche  haben  in  Empfehlungen  ihre  Wurzel  und  sind 
daher  nicht  besonders  ernst  zu  nehmen. 

e)  Die  Fachgelehrten. 
I.  Die  Grammatiker  und  Metriker. 

825.  Allgemeines.  Indem  wir  zur  Behandlung  der  Grammatiker 
übergehen,  müssen  wir  die  Bemerkung  vorausschicken,  dass  die  Gram- 
matiker dieser  Periode  von  den  reichen  Vorräten  der  Vergangenheit  zehren; 
sie  sind  Compilatoren  und  bieten  daher  nur  wenig  Eigenes.  Sie  erhalten 
aber  für  uns  einen  hohen  Wert  dadurch,  dass  sie  uns  bedeutsame  Artes, 
die  verloren  gegangen  sind,  wenigstens  in  ihren  Umrissen  erkennen  lassen. 
Besonders  sind  es  die  Arbeiten  des  Remmius  Palaemon  (§  475),  Q.  Terentius 
Scaurus  (§  594)  und  Julius  Romanus  (§  603),  auf  die  sich  unsere  Aufmerk- 
samkeit richtet.  Ihre  Restituierung  wäre  sehr  erwünscht;  allein  die  man- 
gelnden Angaben  über  die  Quellen  bei  den  späteren  Ausschreibern  und 
der  verwandte  Inhalt  erschweren  uns  sehr  diese  Aufgabe.  Grosse  Ver- 
breitung scheint  auch  das  Schulbuch  eines  allem  Anschein  nach  jüngeren 
Grammatikers,  des  Cominianus,  gefunden  zu  haben.  Es  handelte  über 
die  acht  Redeteile  in  knapper  Form,  ohne  auf  Gelehrsamkeit  Anspruch  zu 
erheben;  wir  kennen  das  Büchlein  nur  durch  Charisius. 

Handbnch  der  klase.  AltertnmnrlMentchaft.   Vni,  4.  9 


180  l>i®  Grammatiker  und  Metriker.    ((825.) 

Cominianus.  Die  Stelleo,  an  denen  Charisius  den  CJominianns  dfciert,  sind  bei 
Charisius  (p.  151)  angegeben.  DasB  ChariBiuB  unsere  einzige  Qnelle  fOrCominian  ist  und  spStere 
Citate  des  Cominian  auf  diesen  zurückgehen,  bemerkt  H.  Keil,  Gramm,  lat.  1  p.  XLVUI. 
Ueber  die  Verwechslung  des  Cominian  mit  Charisius  Tgl.  Keil  1.  c.  Ob  Diomedes  den 
Cominian  direkt  oder  indirekt  benutzt  hat,  ist  eine  Streitfrage,  deren  Entscheidung  davon 
abhängt,  ob  Diomedes  den  Charisius  benutzt  hat;  vgl.  unten  p.  158.  Zum  Inhalt  und  zur 
Charakteristik  des  Werkes  vgl.  Keil  1.  c.  ,si  ea  sequimur  quae  Charisius  Cominiano  tribuit, 
adparet  non  solum  de  octo  partibus  orationis  (nam  de  pronomine  quamquam  nihil  indicatnm 
est,  tarnen  eam  partem  omissam  non  fuisse  certum  est)  sed  etiam  de  vitüs  orationis  quae 
grammatici  dicebant  hunc  scriptorem  ezposuisse,  ea  ratione  usum  ut  brevi  et  simplici  ora- 
tione  suae  aetatis  consuetudinem  doceret  omniaque  quae  ad  usum  antiquitatis  pertinerent 
vel  paullo  doctiorem  disputationem  requirerent  a  suo  consilio  aliena  putaret.  nam  in  eo 
fere  haec  omnia  versantur  ut  definitione  unius  cuiusque  partis  orationis  proposita  quae 
cuique  accidant  explicetur  et  ad  certas  regulas  usus  dicendi  revocetur.  quae  quidem  disse- 
rendi  ratio  in  eam  me  adducit  opinionem  ut  Cominianum  non  valde  antiqnum  grammaticum 
fuisse  et  librum  suum  non  doctis  hominibus  sed  pueris  destinavisse  putem.*  Marschall, 
De  Palaemonis  libris  gramm.,  Leipz.  1887,  p.  59;  67;  E.  Meyer,  Quaest.  gramm.,  Jen.  Diss. 
1885,  p.  37;  65.  Ueber  die  Zeit  vgl.  noch  F.  Boelte,  De  artium  scriptoribus  lat.  quaest, 
Bonn  1886,  p.  52;  H.  Keil  p.  LVI.  —  Goetz,  Pauly-Wissowas  Realencycl.  4  Sp.  606. 

Asmonius.  «)  Als  Grammatiker:  Priscian,  Gramm,  lat.  2  p.  516,  15  vetustissimi 
etiam  „scicidi*^  proferehant,  quod  solum  quoque  in  usu  esse  putat  Asmonius  in  arte^  quam 
ad  Constantium  Imperator em  scr ihn j  sed  errat.  /9)  Als  Metriker:  Priscian,  Gramm,  lat  3 
p.  420,  1  Asmonius  etiam  idem  confirmat  his  verhis  „comici  poetae  kucius  etiamnum  fper- 
sibus  suis  quam  tragici  spatium  dederunt  et  illa  quoque  hca,  quae  proprie  debentur  iambo, 
dactylicis  occupant  pedibus,  dum  cotidianum  sermonem  imitari  volunt  et  a  versificationü 
observatione  spectatorem  ad  actum  rei  convertere,  ut  non  fictis  sed  veris  affectiontbus  in- 
esse  videatur".  Es  folgt  eine  Stelle  aus  Juba,  worauf  dann  fortgefahren  wird  idem 
in  octavo,  was  wohl  auf  Juba,  nicht  auf  Asmonius  zu  beziehen  ist;  vgl.  Keil,  Qoae- 
stiones  grammaticae,  Leipz.  1860,  p.  18;  vgl.  auch  dessen  Quaestiones  grammaticae  p.  I 
De  Marii  Victorini  arte  grammatica  (Ind.  lect.  Hai.  1871  p.  VI).  ~  Irrig  denkt  Lentsch 
(Grundriss  zu  Vorlesungen  über  die  griech.  Metrik,  Göttingen  1841,  p.  21)  daran,  den  As- 
monius durch  den  Grammatiker  Memnonius  zu  ersetzen;  von  dem  es  heisst  (Gramm,  lat 
7  p.  175,  9)  ülustris  memoriae  audivi  Memnonium.  —  Goetz,  Pauly-Wissowas  Realencycl. 
Bd.  2  Sp.  1702. 

Der  Metriker  Albinus.  Maximus  Victorinus,  Granmi.  lat.  6  p.  211,  23  (vgl.  auch 
Gramm,  lat.  7  p.  339,  1)  quod  genus  versificationis  usquc  adeo  durum  est,  ut  non  invenMie 
Albinus  in  libro  quem  de  metris  scripsit  ita  posuerit.  Aus  dem,  was  in  verderbter  Gestalt 
folgt,  muss  man  schliessen,  dass  die  Verslehre  in  Hexametern  geschrieben  war.  Baehrens 
(Fragm.  poet.  Rom.  p.  406)  stellt  folgende  zwei  Hexameter  her:  vites  spondeo  totum  eon- 
cludere  versum;  \  posse  puta  fieri,  iunges  si  dactylon  apte.  Rufin.  Gramm,  lat.  6  p.  565, 1 
mensuram  esse  in  fabulis  [hoc  est  metron]  Terentii  et  Plauti  et  ceterorum  comicorum  et 
tragicorum  dicunt  hi,  Cicero,  Scaurus,  Firmianus  ....  Albinus.  Es  ist  kein  Grund  vor- 
handen, hier  an  einen  anderen  Albinus  zu  denken  als  an  den  oben  genannten.  Die  Identi- 
fizierung anderer  Albini  mit  dem  Metriker  ist  mehr  oder  weniger  zweifelhaft.  Wir  kennen 
noch  einen  Philosophen  Albinus,  der  geometrische  und  dialektische  Schriften  verfasste;  v^ 
Boeth.  comm.  Aristot.  negl  igfA.  ed.  sec.  1  p.  4  Meiser  Albinus  quoque  de  isdem  rebus  scrip- 
sisse  perhibetur,  cuius  ego  geometricos  quidem  libros  editos  scio,  de  dialectiea  vero  diu 
muUumque  quaesitos  reperire  non  valui.  Derselbe  schrieb  auch  nach  Cassiodor  de  mus.  70, 
1212  Migne  compendiosa  brevitate  über  Musik;  vgl.  J.  Caesar,  Die  Grundztlge  der  grieck. 
Rhythmik,  Marb  1861,  p.  4.  Dieser  Philosoph  wird  identifiziert  mit  Ceionius  Rufins  AHunns, 
ordentl.  Konsul  des  Jahres  335  (CIL  6,  1708),  Stadtpräfekt  385-337;  vgl.  F.  Osann,  Beitr. 
zur  griech.  und  röm.  Litteraturgesch.  2  (Cassel  1839)  p.  361;  0.  Seeck,  Die  Inschrift  des 
Caeionius  Rufius  Albinus  (Hermes  19  (1884)  p.  186)  und  Mommsen,  Hermes  29  (1894) 
p.  471.  Auch  kann,  wie  Baehrens  (Fragm.  poet.  Rom.  p.  406)  annimmt,  mit  nnaerm  Al- 
binus der  bei  Priscian.  Gramm,  lat.  2  p.  304,  20  genannte  Dichter  rerum  Romanarum  I,  von 
dem  drei  Hexameter  angeführt  sind,  identisch  sein  (vgl.  §  527,  10).  Wohl  zu  unterscheiden 
von  unserem  Albinus  ist  der,  dem  Servius  de  centum  metris  widmet;  vgl.  zu  Servius  §  835 
p.  158.  Ebensowenig  dürften  ihm  die  versus  Albini  magistri  de  laude  metricae  artis  einer 
vatikanischen  Handschrift  angehören,  über  welche  zu  vgl.  ist  H.  Keil,  Anal,  gramm.  1848 
p.  24  und  die  H.  Wentzel  (Symbolae  crit.  ad  bist.  Script,  rei  metricae  lat.,  Breslau  1858, 
p.  55)  mit  ihm  in  Verbindung  bringen  will.  Auch  noch  andere  Albini  sind  anssuscheiden, 
z.  B.  der  im  cod.  Sanctamandinus  s.  IX/X  Albini  in  Friscinnum  Ubri  duo;  vgl.  H.  Keil, 
Gramm,  lat.  1  p.  XX.  -  K.  Prantl,  Gesch.  der  Logik  1  (Leipz.  1855)  p.  644;  Graf,  Paoly- 
Wissowas  Realencycl.  1  Sp.  1315. 


Nonins  Maroellas.    (§  826.)  131 

1.   Nonius  Marcellus. 

826.   De  compendiosa  doctrina.     Unter  diesem  etwas  sonderbaren 
Titel   ist  uns  ein  Werk  des  Nonius  Marcellus  überliefert;   er  wird  Peri- 
patetiker  und  Thubursicenser  genannt;   der  Grammatiker  war  sonach  ein 
Afrikaner.     In  einer  Inschrift  des  Jahres  324  tritt  uns  ein  Nonius  Mar- 
c^Uus  Herculius  entgegen,   der  sich  Verdienste  um   das  Bauwesen  seiner 
Vaterstadt  erworben  hatte.     Es   spricht  nicht  viel   dagegen,    wenn   wir 
den   Grammatiker  und    den  Nonius  Marcellus    der  Inschrift    miteinander 
identifizieren.    Aus  dessen  Werk  und  seiner  Ueberlieferungsgeschichte  lässt 
ftieh   nur  abnehmen,   dass  Nonius  nach  Apuleius   und  Gellius,   welche  er 
citiert,  und  vor  402,  in  welchem  Jahre   schon  eine  kritische  Recension 
seines  Werkes  besorgt  wurde,  geschrieben  hatte.   Die  meiste  Wahrschein- 
liclikeit  hat  für  sich,    dass  Nonius  zu  Anfang  des  vierten  Jahrhunderts 
lebte.    Die  compendiosa  doctrina  ist  ein  Sammelwerk,   das   seinen  Stoff 
in  20  Kapiteln  abhandelt;  von  diesen  Kapiteln  aber  ist  das  16.  nicht  mehr 
erhalten.     Dem  Inhalt  nach  zerfallen  die  19  auf  uns  gekommenen  Kapitel 
in  zwei  Gruppen.     Die  Kapitel  1-12  sind  sprachlicher,  die  übrigen  sach- 
licher Natur.     Während  der  Autor  im   ersten  Teil   über  Wortbedeutung, 
über  den  Geschlechtswandel,  über  Synonyma,  über  den  Wechsel  der  Aktiv- 
nnd  Passivformen,   über  die  Unregelmässigkeiten  in   der  Deklination,   in 
der  Kasusrektion,  über  die  irregulären  Verbalformen,  über  unregelmässige 
Adverbialbildung  und  über  andere  gelehrte  Beobachtungen  handelt,  erörtert 
er  im  zweiten  Teil  die  verschiedenen  Benennungen  der  Schiffe,  der  Kleider, 
Gtefässe  und  Becher,  der  Farben,   der  Speisen  und  Getränke,  der  Waffen, 
die  Verwandtschaftsbezeichnungen;  in  dem  verlorenen  16.  Kapitel  endlich 
waren  die  verschiedenen  Ausdrücke  für  die  Fussbekleidung  aufgezeichnet. 
Das  Werk  ist  also  halb  Lexikon,  halb  Onomastiken.    Mit  Ausnahme  des 
9.  Kapitels  erfolgt  die  Anordnung  nach  Worten,  jedoch  ist   nur  in   den 
Kapiteln  2,  3,  4  alphabetische  Reihenfolge  zu  Grunde  gelegt,  i)     Der  Wert 
des  nicht  nach  einem  strengen  System  aufgebauten  Sammelwerks  besteht 
darin,   dass   der  Verfasser  mit  Ausnahme   des  letzten  Kapitels  für  jedes 
Lemma  Belege*)  aus  alten  Autoren  beifügt;  dadurch  sind  uns  Fragmente 
aus  verlorenen,  wertvollen  Werken  gerettet  worden.    Beispielsweise  seien 
hier  nur  Lucilius,  Varro  und  die  scenischen  Dichter  erwähnt.    Aber  auch 
die  Beispiele  aus  noch  vorhandenen  Autoren  geben  uns  manchen  Finger- 
zeig für   die  Geschichte   der  üeberlieferung.     üeber    die   Thätigkeit   des 
Nonius  kann  das  Urteil  nur  ungünstig  lauten,  und  alle  Gelehrten,  die  sich 
mit  ihm   beschäftigten,   brandmarken  in  den  stärksten  Ausdrücken  seine 
entsetzliche  Dummheit,  s)    Der  Mann  arbeitete  nicht  mit  dem  Geiste,  son- 
dern mit  den  Augen  und  mit  den  Händen.     Sein  Verfahren  lässt  sich  aus 


^)  Nach  Li  n d  8 ay  (Non.  Marc.  p.  2  u.  p.  90)  auctorom  loca  prave  et  sinistre  interpretatur? 

könnte  die  alphabetische  Anordnung  auch  von  Bezeichnend  für  Nonius  ist  die  naive  Aeus- 

einem  späteren  Unbekannten  herrühren,  was  serung  p.  70,  4  M.  (1,  94  L.  M.)  quem  si  quis 

sich  freilich  nicht  beweisen  lässt  legere  voluerit,  ibi  inveniet  et  fidem  nostram 

^)  Ueber  die  auctoritas  der  veteres  vgl.  sua    diligentia    adiuvabit;    vgl.   M.   Hertz, 

Hertz  p.  135.  Opusc.  Gelliana,  Berl.  1886,  p.  114.    Beson- 

')  z.B.Bentley  zu Horat. serm.  1, 2, 129:  \  ders  das  9.  Kapitel  ist  für  die  Dummheit  des 

sed  quoties  fatuus  ille  turpissime  se  dat,  et  i   Nonias  belehrend. 


9 


« 


132  Nonius  MarceUas.     §  826.) 

der  Art  und  Weise,  wie  er  den  Qellius  ausnutzte,  noch  deutlich  erkennen. 
An  Missverständnissen,  Nachlässigkeiten,  Albernheiten  und  Unredlichkeiten 
ist  kein  Mangel.  Die  wiederkehrenden  Reihen  der  Autoren  in  den  Citaten 
unterrichten  uns  über  die  Reihenfolge  der  ausgeschriebenen  Schriften. 
Dass  alles  erborgtes  Out  und  aus  Commentaren,  Sammelwerken,  Wörter- 
büchern, Grammatiken,^)  die  er  zu  nennen  unterlässt,  entlehnt  ist,  dürfte 
nicht  zweifelhaft  sein.  So  verächtlich  aber  auch  der  Mann  ist,  schulden 
wir  ihm  doch  grossen  Dank,  dass  er  uns  eine  verlorene  Welt  wenigstens 
in  Trümmern  kennen  lehrte. 

Biographisches.  In  der  Ueherschrift  des  Werks  wird  Nonios  Marcellus  bezeichnet 
peripateticus  Tubursicensis.  Ueber  die  Varianten  des  letzten  Wortes  in  den  Handschriften 
vgl.  L.  Müller  p.  XV  u.  248.  Damit  ist  Afrika  als  die  Heimat  des  Grammatikers  gegeben. 
Es  gibt  aber  zwei  Städte  des  Namens  Thubursicam  in  Afrika;  die  eine  war  Thnbnrsicam 
Bure  in  der  Prokonsalarprovinz,  das  heutige  Tebursuk  im  Gebiet  von  Tonis,  das  andere 
Thubnrsicum  Numidarum,  jetzt  Sukh  Arras  im  französischen  Afrika  (Mommsen  p.  559). 
Nun  wurde  vor  nicht  langer  Zeit  in  dem  zuletzt  genannten  Thubursicam  eine  Inschrift  ge- 
frinden,  in  der  ein  Nonins  Marcellus  Herculius  im  Jahre  324  wegen  seiner  Verdienste  um 
Herstellung  der  verfallenen  Strasse  und  Gebäude  verewigt  wird;  vgl.  CIL  8,  4878;  Dessan, 
Inscr.  lat.  sei.  1  Nr.  2943;  Mommsen,  Hermes  13  (1878)  p.  559;  wir  werden  uns  daher 
für  Thubursicum  Numidarum  zu  entscheiden  haben.  Wir  können  aber  vielleicht  noch  einen 
Schritt  weiter  gehen  und  unsem  Grammatiker  mit  dem  Nonius  Marcellus  der  Inschrift 
identifizieren;  in  diesem  Fall  würde  der  Grammatiker  dem  Anfang  des  4.  Jahrhunderts 
angehören.  Weiter  in  dem  4.  Jahrhundert  kommen  wir  hinab,  wenn  der  Nonins  Mir- 
cellus  der  Vater  des  Grammatikers  war.  Dagegen  kommen  wir  in  das  8.  Jahrhundert 
wenn  die  Inschrift  sich  auf  den  Sohn  des  Grammatikers  beziehen  sollte.  Eine  sichere  Ent- 
scheidung ist  nicht  möglich.  Aus  anderweitigen  Indicien  können  wir  nur  feststellen,  dass 
Nonius  Marcellus  nach  dem  2.  Jahrhundert  und  vor  Anfang  des  frlnften  geschrieben  haben 
muss.  Denn  er  benutzte  Gellius  und  Apuleius,  welche  mit  ihrer  Schriftstellerei  der  2.  Hälft« 
des  2.  Jahrhunderts  angehören;  aber  bereits  im  Jähre  402  wurde  eine  Recensio  seiner  Schrift 
angefertigt.  Der  bei  Ausonius  (profess.  Burdig.  19  p.  67  Schenkl)  genannte  Grammatik^ 
Marcellus,  Sohn  des  Marcellus,  hat  mit  Nonius  Marcellus  nichts  zu  thon.  In  der  Schrift 
de  compendiosa  doctrina  citiert  er  noch  ein  anderes  Werk  p.  451,  11  M.  (2,  47  L.  M.)  nw 
in  epistulis  qtiae  inscrihuntur  de  peregrinando  a  doctrinis. 

Der  Titel  des  Werks  ist  in  der  Ueberlieferung  (vgl.  L.  Malier  1  p.  XIV)  Dt  com- 
pendiosa doctrina  per  litteras  ad  filium.  Durch  per  litteras  soll  die  alphabetische  Ordnung 
bezeichnet  werden.  Allein  diese  findet  sich  nur  in  Kap.  2,  3,  4.  Da  aber  diese  drei  Kapitel 
drei  Viertel  des  ganzen  Werks  ausmachen,  ist  der  Zusatz  als  a  potiori  hergenommen  zo 
betrachten.  L.  Müller  2  p.  247  hält  aber  diese  Worte  für  eine  Interpolation.  Auch  die 
Präposition  de  erachtet  er  2  p.  246  für  irrig  und  verlangt  den  Nominativ.  Ueber  die  üeber- 
tragung  des  Titels  des  ersten  Kapitels  de  proprietate  sermonum  auf  das  ganze  Werk  vgl 
L.  Müller  1  p.  XIV  und  2  p.  246.  Zur  Erläuterung  des  compendiosa  vgl.  Gellins  praef.  §  12 
modica  ex  his  (libi*is)  eaque  sola  accepi,  quae  aui  ingenia  prompta  expeditaque  ad  konestae 
eruditionis  cupidinem  utiliumque  artium  contemplationem  celeri  facilique  compendio 
dncerent. 

Inhalt  und  Einteilung.  Das  Werk  des  Nonius  umfasst  folgende  Abschnitte: 
c.  1  de  proprietate  sermonum;  c.  2  de  honeste  (d.  h.  decore;  vgl.  L.  Müller  1,  92,  8)  ftt 
nove  dictis  per  litteras;  c.  3  de  indiscretis  generibus  per  litteras  (über  den  Geschlechts- 
wandel);  c.  4  de  varia  significatione  sermonum  per  litteras  (das  wichtigste  und  nmfaog- 
reichste  Kapitel);  c.  5  de  differentia  similium  significationum;  c.  ß  de  inpropriis  (L.  Müller 
erläutert:  hoc  est  de  eis  quae  aliter  dicta  sunt  atque  origine  et  condScione  respecta  did 
oportebat);  c.  7  de  contrariis  generibus  rerborum  (über  den  Wechsel  zwischen  Aitiv-  and 
Passivformen);  c.  8  de  mutatis  declinationibus  (über  unregelmässige  DeklinatioDsfonnen); 
c.  9  de  numeris  et  casibus  (über  Unregelmässigkeiten  in  der  Gasusrection) ;  c.  10  de  muiatit 
coniugationibus  (über  die  unregelmässigen  Verbalformen);  c.W  de  indiscretis  adverbiis  (d« 

^)  Vgl.   Hertz   p.  117.     L.  Müller   2  '  Ueber  die  Verwendung  der   grammatischeB 

p.  250  sagt:  „persuasum  habeo  eum  non  usum  '  Schriften  des  Plinius  im  3.  Kapitel  des  No- 

nisi  eorum  doctrina,   qui  saeculo  11  inde  ab  '  nius  vgl.  Beck,  Die  Plinianischen  Fragmente 

Hadriano  floruerunt,  idque  comprobari  rationi-  bei   Nonius   und   dem   Anonymus   de  dabiis 

bus  quas  ille  in  auctoritate  scriptorum  quos  nominibus   (Berl.   philol.  Wochenschr.    l*St! 

citat  sive  extollenda  sive  elevanda  sequitur**.  ,'  Sp.   157*2). 


Nonins  Maroellas.    (§  826.)  133 

Kapitel  gibt  eine  Sammlong  von  Adverbien,  welche  von  der  regelmässigen  Form  abweichen); 
c.  12  de  doctorutn  indagine  (L.  Malier  f&gt  folgendes  zur  Erläuterung  bei:  i.  e.  de  doc- 
tonun  observationibus  coriosioribus.  apparet  capite  hoc,  quod  ex  prioribus  XII  ut  loco  ita 
tempore  extremom  foisse  statuo,  cum  pariter  eo  et  quae  ad  sermonem  spectent  et  quae  ad 
antiquitaies  aint  tractata,  transitum  muniri  ad  alteram  partem  operis);  c.  18  de  generihus 
navigiorum;  c  14  <2e  generibus  vestimentorum ;  c.  15  de  generibus  vasorum  vel  poculorum; 
c.  16  de  generibus  caiciamentorum;  c.  17  de  coloribus;  c.  18  de  generibus  ciborum  rel  po- 
tionum ;  c.  1 9  de  generibus  armorum ;  c.  20  de  f)ropinquitatum  vocabulis.  Das  letzte  Kapitel 
enthält  9  Artikel  ohne  Belegstellen;  jedoch  heisst  es  am  Schluss:  de  quibus  exempla  multa 
mni  in  antiquis  auetoribuSf  et  maxime  in  Afranio  et  iuris  vetustissimis  scriptoribus.  — 
Dieser  Index,  der  nur  in  einigen  Handschriften  überliefert  ist  (vgl.  L.  Müller  1  p.  XIV), 
belehrt  ans,  dass  das  Werk  ursprünglich  aus  20  Abschnitten  bestand  und  dass  das  16.  Ka- 
pitel de  generibus  caiciamentorum  (vgl.  Isid.  or.  19,  34)  verloren  ging;  vgl.  Quicherat, 
Ausg.  p.  XII;  L.  Müller  2  p.  247.  Lindsay  (Non.  Marc.  p.  l  Anm.i  vergleicht  die  Ein- 
teilung in  20  Bücher  bei  Gellius  Noct.  Att.  und  Isid.  orig.  Von  einer  Einteilung  in  Büchern 
findet  sich  in  der  handschriftlichen  Ueberlieferung  keine  Spur.  Auch  Priscian  (vgl.  oben) 
citiert  nach  der  Kapitelüberschrift  de  doctorum  indagine.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  die  Vorrede  an  den  Sohn  vor  dem  Index  ausgefallen  ist;   vgl.  L.  Müller  2  p.  247. 

Nonius  und  Plautns.  Plautus  erscheint  bei  Nonius  in  zwei  Reihen;  die  erste  um- 
fasst  die  Stücke:  Amphitruo,  Asinaria,  Aulnlaria,  Bacchides,  Casina,  Cistellaria,  Gaptivi, 
Corealio,  Epidicus,  Miles,  Menaechmi,  Persa,  Pseudulus,  Poenulus,  Rudens,  Stichus,  Tri- 
nummns,  Tnicnlentns;  die  zweite  Reihe  umfasst  die  drei  Stücke:  Amphitruo,  Asinaria,  Aulu- 
laria.  Daraus  schliesst  P.  Schmidt  (p.  35),  dass  Nonius  seine  Plautuscitate  aus  zwei  Com- 
mentaren  entnommen,  von  denen  der  grössere  18,  der  kleinere  3  Stücke  enthalten  habe. 
Reblin  (De  Nonii  Marcelli  locis  Plautinis,  Greifswald  1886,  p.  2)  zeigt,  dass  auch  die  Vidu- 
laria  in  dem  grösseren  Commentar  enthalten  war,  die  wahrscheinlich  zwischen  den  Bac- 
chides und  der  Gasina  ihren  Platz  eingenommen.  Gegen  die  Vermutung  Reblins  (p.  61), 
dass  bei  der  Quelle  des  Nonius  nicht  sowohl  an  einen  Commentar  als  vielmehr  an  ein 
Glossar  zu  denken  sei,  wendet  sich  G.  Goetz,  Emendationes  militis  gloriosi  Plautinae  (Ind. 
lect.  Jena  1890/91).  Lindsay  nimmt  für  die  beiden  Reihen  Texthandschriften  mit  Scholien 
an ;  die  ausserhalb  stehenden  Citate  führt  er  auf  Glossare  zurück.  Die  Untersuchung  über 
das  Verhältnis  zwischen  Nonius  und  Plautus  ist  darauf  gerichtet,  wie  sich  die  Plautuscitate 
bei  Nonins  zu  unserer  Plautusüberlieferung  verhalten.  Ungenügend  wurde  diese  Unter- 
sachang  geführt  von  M.  Hennig,  De  Nonii  Marcelli  locis  Plautinis,  Königsberg  1884,  um- 
sichtig dagegen  von  H.  Caesar,  De  Plauti  memoria  apud  Nonium  servata,  Strassb.  1886 
und  Reblin  1.  c.  Das  Resultat  der  beiden  Abhandlungen  ist,  dass  die  Noniuscitate  bald 
mit  der  ambrosianischen,  bald  mit  der  palatinischen  Recension  übereinstimmen,  und  dass 
manche  sogar  auf  die  Spuren  einer  dritten  Recension  hinweisen;  vgl.  dazu  0.  Seyffert, 
Boisians  Jahresber.  68.  Bd.  2.  Abt.  (1890)  p.  3.  Ueber  die  Plautusreihe  vgl.  auch  Schott- 
müller p.  825;  Valmaggi,  Ennio,  Plauto  e  Nonio  (Bollettino  di  filologia  classica  5  (1898) 
p.  39);  Lindsay,  Non.  Marc.  p.  106. 

Nonius  undTerentius.  Das  Verhältnis  der  Terenzcitate  bei  Nonius  zu  unserer 
Ueberlieferung  wurde  untersucht  von  Bartels,  De  Terentii  memoria  apud  Nonium  servata, 
Strassb.  1884.  Der  Grewinn,  den  sie  für  die  Textkritik  abwerfen,  ist  nicht  gross.  Ueber 
die  Quelle  des  Nonins  vgl.  p.  20.  Ueber  die  Benutzung  eines  mit  Glossen  ausgestatteten 
Terenzexemplars  vgL  p.  42. 

Nonius  und  Verrius  Flaccus.  Das  Problem,  das  hier  vorliegt,  besteht  darin. 
dasB  eine  ErklArung  für  die  gleichen  Glossenreihen,  welche  bei  beiden  Grammatikern  vor- 
kommen, gesucht  wird.  Fröhde,  De  Nonio  Marcello  et  Verrio  Flacco,  Berl.  1890;  Nettle- 
ship,  Lectnres  and  Essays,  Oxford  1885,  p.  277;  Lindsay,  Non.  Marc.  p.  101. 

Nonius  und  A.  Gellius.  Das  Verhältnis  der  beiden  Autoren  wurde  zuerst  von 
M.  Hertz  (Fleckeis.  Jahrb.  85  (1862)  p.  705  =  Opusc.  Gelliana,  Beri.  1886,  p.  85)  behandelt. 
Hertz  zeigt,  dass  Gellius  von  Nonius  unmittelbar  benutzt  sei  (p.  110),  ausserdem  auch 
Sätze  des  Gellins  selbst  als  Citate  gebraucht.  Weiterhin  legt  er  dar,  dass  diese  Benutzung 
sich  besonders  auf  die  zwei  ersten  Kapitel  des  Nonius  erstrecke  (p.  116).  Dieser  Hertz- 
schen  Ansicht  tritt  Nettleship  (Lectures  and  Essays  p.  233)  entgegen.  Indem  er  her- 
vorhebt, dass  Nonius  mit  Gellius  verglichen  öfters  mehr  biete,  dass  Nonius  den  Gellius 
oft  nicht  benutze,  wo  man  eine  Benutzung  erwarte,  dass  Nonius  den  Gellius  vornehmlich 
in  den  zwei  ersten  Büchern  herangezogen,  zieht  er  den  Schluss,  dass  Nonius  und  Gellius 
von  einer  gemeinsamen  Quelle  abhängen.  Allein  die  Reihe,  die  Hertz  (p.  96)  aufweist, 
dürfte  doch  die  unmittelbare  Benutzung  des  Gellius  durch  Nonius  darthun;  vgl.  auch  Lindsay 
1.  c.  p.  90  Anm.  u.  p.  104  Anm.  Trotzdem  Gellius  stark  ausgebeutet  ist,  wird  doch  sein 
Name  verschwiegen,  bezw.  durch  allgemeine  Andeutungen  ersetzt;  vgl.  Hertz  p.  132.  Non. 
p.  493,  4  M.  (2,  122  L.  M.)  apud  veterem  anctoritatis  ohscurae  ==  Gell.  1,  17,  2;  p.  171,  20  M. 


134  Nonius  Marcellns.    (§  826.) 

(1,  251  L.  M.)  et  apud  alium  auctoritatis  incertae  =  18, 18,  6;  p.  188,  8  M.  (1,  276  L.  M.)  auc- 
toritas  prudentium  =  14,  1,  24;  p.  129,  9  M.  (1,  184  L.  M.)  tw  veterüms  prudentihu»  Ucium 
est  =  6,  6;  p.  121,  20  M.  (1,  172  L.  M.)  honeste  veteres  dixerunt  =  8,  8. 

Die  Reihen  bei  Nonius.  Zuerst  ist  folgende  Beobachtung  Schneidewin8(6dtt 
gel.  Anz.  1848  p.  697)  von  Bedeatung  geworden:  , Nicht  selten  stösst  man  auf  ganze 
Schichten  von  Gi taten  aus  einem  und  demselben  Schriftsteller,  wie  z.  B.  Varro  p.  167,  Sisenna 
p.  57  ff.,  Cicero  p.  130  u.  a.,  in  fast  ununterbrochener  Folge.  Hat  diese  Beobachtung  «och 
nicht  80  fruchtbringende  Folgen,  wie  die  schöne  Müller  sehe  Entdeckung  der  Catoniana 
und  Plautina  im  Festus,  so  f&hrt  sie  doch  darauf,  dass  wir  unter  Nonlns'  Fflhrem  auch  an 
Specialglossarien  oder  Schollen  zu  einzelnen  Auetoren  denken  mOssen,  denen  er  mitunter 
genau  folgte.*  Ergänzt  wird  diese  Beobachtung  durch  die  Ausführungen  von  M.  Hertz. 
Opusc.  p.  95.  Tiefer  griffen  in  diese  Frage  A.  Riese,  Ueber  die  Doppeltiiel  Varroniscber 
Satiren  (Symbola  philologorum  Bonnensium,  Leipz.  1864—67,  p.  488)  und  Schottmaller. 
Oeber  die  Bestandteile  des  ersten  Kapitels  des  Nonius  MarceUus  (ebenda  p.  809).  Man 
erkannte,  dass  auch  in  der  Aufeinanderfolge  der  exzerpierten  Autoren  eine  bestimmte  Reihen- 
folge erscheint.  So  macht  Riese  (p.  484)  auf  eine  Reihe  aufmerksam,  in  der  wir  folgende 
Bestandteile  finden:  Lucilius  (spätere  Bftcher),  Beispiele  f&r  Zeitwörter  aus  dramatischen 
Dichtem,  Adverbien,  Cic.  de  off.,  Hortensius,  de  senectute,  Stellen  aus  drei  Anfangskomödieo 
Amphitruo,  Asinaria,  Aulularia,  17  (oder  18)  Satiren  Varros,  Gellius,  fünf  andere  Satiren 
Varros,  Cic.  de  fin.,  Sisenna  (B.  3  und  4),  Cic.  erat.,  de  erat.,  Acad.  Tose,  Varro  de  n 
rustica  IIb.  1,  de  vita  populi  Romani  und  Cato.  Eine  andere  Reihe,  beginnend  mit  Plautos. 
Lucretius,  Attius,  Pomponius,  Lucilius  u.  s.  w.  ist  von  Schot tmflller  aufgestellt  wordes 
(p.  811  f.).  Die  erschöpfendste  Behandlung  wurde  unserer  Frage  von  Paul  Schmidt  (De 
Nonii  Marcelli  auctoribus  grammaticis,  Leipz.  1868)  zu  teil.  Interessant  ist  es,  aus  deo 
Reihen  zu  ersehen,  dass  Nonius  Schriftsteller  in  verschiedenen  Ausgaben  benutzte,  z.  R 
Lucilius;  vgl.  L.  Müller  2  p.  250.  So  hat  er  eine  Ausgabe,  in  der  Cicero  Tüll  ins  genannt 
wurde,  eine  andere,  in  der  er  Cicero  hiess;  daraus  folgerte  man  unrichtig,  dass  Nonios 
hiebei  an  zwei  verschiedene  Schriftsteller  dachte;  vgl.  L.  M filier  2  p.  361.  Neuerdings 
wurde  die  Noniusfrage  von  Lindsay  (Nonius  MarceUus^  dictionary  of  repnblican  latin,  Ozfod 
1901)  eingehend  behandelt;  vgl.Wessner,  Berl.  philol.Wochenschr.  1902  Sp. 296;  Froehde, 
Wochenschr.  für  klass.  Philol.  1902  Sp.  98.  Eine  Ergänzung  bildet  Lindaays  Abhandlung, 
De  fragmentis  scriptorum  apud  Nonium  servatis  (Rhein.  Mus.  57  (1902)  p.  196),  wo  e 
die  wesentlichen  Resultate  seiner  Schrift  also  zusammenfasst:  «Docui  Nonium  Marcellnn 
in  componenda  Compendiosa  Doctrina  materiem  suam  ex  XLl  libris  hausisse,  qnos  eoden 
semper  ordine  ad  partes  vocat."  (Es  wird  dann  aufgezählt  ausser  mehreren  Glossaren  die 
Reihe  der  einzelnen  Schriftsteller  und  Ausgaben.)  Femer  p.  198:  „Docui  porro  eos  fontes 
ea  coDstantia  a  Nonio  esse  adhibitos,  ut  loci  ex  iis  citati  eundem  ordinem  in  singulis  Com- 
pendiosae  Doctrinae  libris  servent  atque  in  fontibus  ipsis.* 

Fortleben  des  Nonius.  Priscian,  Gramm,  lat.  2  p.  85,  20  „sifilum"  quoque  pr^ 
„sibilum"  teste  Nonio  Marcello  de  doctorum  indagine  dicebant  •=  Non.  p.  531,  2  M.  (2,  189 
L.  M.);  2  p.  269,  24  „incus^  etiam  „incudis^y  quod  ponit  Nonius  Marcellus  de  doctorum 
indagine  =  Non.  p.  523,  30  M.  (2,  178  L.  M.).  2  p.  499,  20  Noniiis  tarnen  MarceUvs  dt 
mutatis  coniugationibiis  sie  ponit:  ^sapivi^  pro  „sapui'^  =  Non.  p.  508,  16  M.  (2,  153  L.  M.i. 
Aber  auch  ohne  Nennung  des  Namens  sclireibt  Priscian  den  Nonius  aus;  ein  Vergleich  Ob« 
die  Adverbialbildung  p.  513,  12  M.  (2,  161  L.  M.)  mit  Priscian  8  p.  71,  3  zeigt  dies.  Auch 
Fulgentius  hat  ilin  in  seiner  Expositio  sermonum  antiquonmi  ausgenfltzt;  vgl.  Fulgent 
p.  112,  5  Helm:  poUinctores  dicti  sunt  qui  funera  morientia  accurant  =  Non.  p.  157,  21  M. 
(1,  230  L.  M.)  poUictores  sunt  qui  mortuos  curanf;  andere  Beispiele  bei  L.  M filier  2  p.  25J); 
vgl.  besonders  Wessner.  Comment.  philol.  Jenens.  6  pars  2  (1896)  p.  106.  üeber  Nonm» 
und  die  Glossare  vgl.  Goetz,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1889  Sp.  1831.  Ein  Glossar  mit 
seinem  Namen  im  Corpus  glossanim  5  p.  640.  Vgl.  auch  Lindsay,  Archiv  für  lat.  Lex. 9 
(1894)  p.  598;  Onions-Lindsay,  Harvard  studies  in  class.  philol.  9  (1898)  p.  67. 

Die  Subscriptio.  Im  Montepessulanus  212  s.  X  stand  eine  SubacriptiOy  die  mit 
den  nötigen  Ergänzungen  und  Korrekturen  also  gelesen  wird:  Julius  Tryfonianus  Sabinm 
protector  dornest icus  legi  meum  dominis  Arcadio  et  Honorio  quintum  cans.  (=  J.  402!i. 
prout  sine  magistro  emendans  adnotavi  anno  aetatis  XXX  et  militiae  quarto  t»  ciritaU 
Tolosa;  vgl.  0.  Jahn,  Ber.  über  die  Verh.  der  sächs.  Ges.  der  Wissensch.  1851  p.  334; 
L.  Müller  2  p.  261.  Es  ist  derselbe  Sabinus,  der  auch  eine  Recension  des  Persius  g^ 
macht  hat;  vgl.  §  384. 

Ueberlicfcrung.  Die  nunmehr  abgeschlossenen  Untersuchungen  Lindsajs 
im  Philol.  55  und  60  haben  zu  folgendem  Ergebnis  geführt,  durch  das  die  Aufistellungeo 
L.  Müllers  ergänzt  und  berichtigt  werden:  Alle  unsere  Handschriften  gehen  auf  einen 
Archetypus  etwa  des  7. — 8.  Jahrh.  zurück,  der  am  besten  und  vollständigsten  wiedergegeben 
wird  durch  die  erste  Hand   des  Lugdunensis  Voss.  73  s.  IX.     Mit  diesem  Codex  haben  tJik 


Nonins  Marcellas.    (§  826.)  135 

Abrigen,  soweit  sie  in  Betracht  kommen,  das  Gemeinsame,  dass  ein  Stück  ans  dem  K.  lY 
durch  Blattveraetzung  ins  £.  I  verschlagen  war.  Dieser  Einschub  war  nicht  vorhanden  in 
einem  verlorenen  , Codex  optimus",  der  anscheinend  nnr  K.  I — III  enthielt  und  die  Qnelle 
▼on  gewissen  Korrekturen  im  Laurentianus  48,  1  s.  IX  ist.  Die  letztere  Handschrift,  die 
aar  K.  1 — III  enthält,  ist  im  übrigen  ein  Abkömmling  vom  Lugd.  73  (abweichend  Onions 
in  seiner  Ausg.  p.  XXIIl  und  p.  XXVI),  auf  den  wieder  der  Harleianus  2719  s.  IX/X  und  der 
EBCurialensis  M  III  14  s.  X  (ersterer  für  K.  I — III,  letzterer  für  II  med. — III)  zurückgehen, 
Bo  dass  für  diesen  ersten  Teil  des  Werkes  nur  Lugd.  und  die  Korrekturen  im  Laur.  als 
selbständige  Vertreter  der  besten  Ueberlieferung  (a)  in  Frage  kommen.  Daneben  steht  die 
sweite  Erlasse  iß)  der  redigierten  Handschriften,  deren  gemeinsame  Vorlage  dem  Lugd.  nahe 
stand;  Hauptvertreter  ist  der  Guelferbitanus-Gudianus  96  s.  X,  femer  eine  Handschrift,  auf 
die  der  Parisinus  7667  s.  X  und  der  Escurial.  (für  K.  I— II  med.)  zurückgehen;  endlich  ge- 
hören hierher  Korrekturen  im  Lugd.  und  Harleianus.  Die  dritte  Klasse  (y),  ebenfalls  dem 
Lagd.  durch  die  gemeinsame  Quelle  nahe  verwandt,  ist  gekennzeichnet  durch  das  Fehlen 
des  K.  lü  sowie  durch  die  verkürzte  Fassmtg.  Ihr  gehören  in  zwei  Gruppen  folgende  Hand- 
schriften an:  (/)  Paris.  7666  s.  X,  Vossianus  116  s.  X/XI,  Bamberg.  M  V  18  s.  X,  (/')  Paris. 
7665  -f  Bern.  347  u.  357  s.  X,  Montepessulanus  212  s.  X  und  Oxon.  Bodleianus  279  s.  X  ex. 
Für  das  umfangreiche  K.  IV  sind  Zeugen  der  ersten  Klasse  ausser  dem  Lugd.  besonders 
der  Genevensis  84  s.  IX  (mit  ihm  anscheinend  identisch  der  cod.  Tomaesianus),  der  ebenso 
wie  der  (zeitweise  interpolierte)  Bemensis  83  s.  X  und  der  (aus  dem  Genev.  abgeleitete) 
Cantabrigiensis  Mm  V  22  s.  IX  ex.  nur  dieses  Kapitel  enthält.  Aus  einer  anderen  trefflichen 
Quelle  stammen  gewisse  Korrekturen  im  Genevensis  und  Bodleianus,  welch  letzterer  im 
übrigen  auf  ersteren  zurückgeht.  Die  zweite  Klasse  wird  ausser  durch  den  Guelferbitanus 
durch  Korrekturen  im  Escurial.,  Harleianus  und  Cantabr.  vertreten,  welch  letzterer  Quelle 
f&r  Paris.  7667  in  dieser  Partie  ist.  In  der  dritten  Klasse  haben  wir  nur  die  Handschriften 
der  zweiten  Gruppe,  da  in  denen  der  ersten  Gruppe  K.  IV  fehlt.  Für  den  Rest  des  Werkes, 
K.  V — XX,  ist  das  Verhältnis  ähnlich,  nur  dass  hier  die  erste  Gruppe  der  dritten  Klasse 
den  vollständigen  Text  gibt  und  somit  zur  ersten  Klasse  übertritt,  die  durch  Lugd.,  Harl., 
Escurial.,  Paris.  7667  repräsentiert  wird.  —  Aus  der  Eigenart  der  Ueberlieferung  dürfte  der 
Schluss  zu  ziehen  sein,  dass  die  ganze  compendiosa  doctrina  in  drei  dem  Umfange  nach 
aemlich  gleiche  Teile  zerlegt  war,  die  nur  im  Lugd.  gemeinschaftlich  fortgepflanzt  wird, 
w&hrend  sie  im  übrigen  ihre  eigene  Ueberlieferung  hatten;  soweit  andere  Handschriften 
mehr  als  einen  Teil  enthalten,  sind  sie  aus  Stücken  diverser,  wenn  auch  oft  eng  verwandter 
Tradition  zusammengesetzt.  —  Ueber  die  jungen  Handschriften  vgl.  ausser  L.  Müller  2,  311 
auch  Onions  in  seiner  Ausg.  p.  XXIV. 

Litteratur  zur  Ueberlieferung.  Baehrens,  Zur  Handschriftenkunde  des  Florus 
und  Nonius  (Rhein.  Mus.  30  (1875)  p.  629);  er  handelt  über  Canonic.  279  s.  XI  in  Oxford; 
J.  H.  Onions,  Nonius  Marcellus  de  compendiosa  doctrina  (Anecdota  Oxoniensia  vol.  I,  pars  2 
[Oxford  1882)  p.  93);  H.  Meylan,  Nonius  Marcellus;  collation  de  plusieurs  manuscrits  de 
Paris,  de  Gen^ve  et  de  Beme,  suivie  d'une  notice  sur  les  principaux  manuscrits  de  Nonius 
psr  L.  Havet,  Paris  1886.  Ueber  den  Laur.  48,  l  handelt  Stowasser,  Wochenschr.  für 
klass.  Philol.  1888  Sp.  1540.  Lindsay,  On  the  quotations  from  old  Latin  poets  in  the 
Escurial  ms.  of  Non.  Marc.  (Classical  Review  4  (1890)  p.  346);  Brown,  The  corrections 
in  the  Florence  M.  S.  of  Nonius  (ebenda  9  (1895)  p.  396  und  p.  447);  Lindsay,  The  lost 
»Codex  optimus''  of  Nonius  Marcellus  (ebenda  10  (1896)  p.  16);  Die  Handschr.  von  Nonius 
liarcellus  I— III  (Philol.  55  (1896)  p.  160);  über  B.  IV  (ebenda  60  (1901)  p.  217);  B.  V— XX 
'ebenda  p.  628);  vgL  Wessner,  Bursians  Jahresber.  113.  Bd.  2.  Abt.  (1902)  p.  152.  Ueber 
JsD  cod.  Tomaesianus  vgl.  Lindsay,  Classical  Review  15  (1901)  p.  156;  über  den  Archetypus 
vgl.  American  Journal  of  philol.  22  (1901)  p.  29;  Die  Noniushandschr.  in  Cambridge  (Revue 
le  philol.  25  (1901)  p.  50);  Sur  la  provenance  de  quelques  manuscrits  de  Noniut  Marcellus 
[ebenda  1902  p.  211);  The  emendation  of  the  text  of  Nonius  (Classical  Review  1902  p.  46); 
De  fragmentis  scriptorum  apud  Nonium  servatis  (Rhein.  Mus.  57  (1902)  p.  196). 

Ausg.  L.  Müller  unterscheidet  vier  Epochen  in  den  Ausgaben,  von  denen  die  erste 
bis  zur  Aldina  reicht,  die  zweite  bis  zur  Ausg.  des  Junius,  Antwerpen  1565,  die  dritte  bis 
rar  Ausg.  Merciers,  Paris  1583,  bes.  1614  (Neudruck  I^eipz.  1825),  die  vierte  bis  zur  Neu- 
teit.  Derselben  gehören  an  die  Ausg.  von  Gerlach  und  Roth  (mit  der  Expositio  ser- 
nonum  antiquorum  des  Fulgentius),  Basel  1842  (auf  Grundlage  des  Gudianus  96);  vgl.  dazu 
^chneidewin,  Gott.  gel.  Anz.  1843  p.  689;  die  von  L.  Quicherat,  Paris  1872,  und  die 
jetzt  massgebende  von  L.  Müller,  Leipz.  1888;  vgl.  die  Besprechung  von  Stowasser, 
(Wochenschr.  für  klass.  Philol.  1888  Sp.  1539.  Der  Ausg.  L.  Müllers  gingen  noch  folgende 
Vnfs&tze  von  ihm  voraus:  Rhein.  Mus.  21  (1866)  p.  470;  24  (1869)  p.  637;  27  (1872)  p.  284; 
>8  (1873)  p.  508;  Fleckeis.  Jahrb.  93  (1866)  p.  566;  95  (1867)  p.  490;  97  (1868)  p.  422).  Hiezu 
commt  noch  die  englische  Ausg.  der  drei  ersten  Bücher  von  J.  H.  Onions,  London  1895; 
^ettleship,  The  printed  editions  of  Nonius  Marcellus  (Journal  of  Philology  21  (1893)  p.  211); 


136  Atilius  Fortanatianiis.    (§  827.) 

vgl.  noch  ScaligerB  Unpublished  emendatioDB  in  Nonios  (Jonmal  of  philology  22  (1893) 
p.  74).  Eine  neue  Ausg.  wird  von  Lindsay  vorbereitet.  Die  Emendationen  Bentleys  sind 
veröffentlicht  im  Rhein.  Mus.  33  (1878)  p.  465. 

Zur  Erläuterung.  Quicherat,  Introduction  ä  la  lecture  de  NoniuB  Marceline. 
Paris  1872;  Rönsch,  Non.  Marcellus  und  die  Itala  (Zeitschr.  f&r  Osterr.  Gymn.  36  (18^öi 
p.  87)  =  Collectanea  philol.,  Bremen  1891,  p.  266;  J.  Vahlen,  Analectonun  NoniaDoruin 
libri  duo,  Leipz.  1859;  H.  Nettleship,  American  Journal  of  philoLS  (1882)  p.  170  ^  Lectores 
and  Essays,  Oxford  1885,  p.  277;  Onions,  Journal  of  philol.  11  (1890)  p.  79;  12  (1891 
p.  77;  16  (1895)  p.  161;  18  (1897)  p.  89;  Stowasser,  Noniana,  Freistadt  1884;  Havel. 
Noniana  (Revue  de  philol.  15  (1891)  p.  61;  20  (1896)  p.  22);  Francken,  Noniana  (Mnemos 
26  (1898)  p.  373 J. 

2.   Atilius  Fortunatianus. 

827.  Die  Metrik  des  Atilius  Fortunatianus.  Mit  der  Metrik  des 
Caesius  Bassus  war  die  Metrik  eines  uns  nicht  näher  bekannten  Atilius 
Fortunatianus  zusammengeflossen  (§  384  a).  Erst  nachdem  beide  Werke 
durch  sichere  Kriterien  von  einander  geschieden  waren,  konnte  in  eine 
richtige  Würdigung  derselben  eingetreten  werden.  Atilius  Fortunatianus 
schreibt  sein  metrisches  Handbuch  für  einen  jungen,  vornehmen  Mann, 
der  ganz  mit  rhetorischen  Studien  beschäftigt  ist  und  sich  das  Ziel  ge- 
setzt hat,  ein  guter  Redner  zu  werden.  Der  Autor  darf  daher  nicht  zu 
sehr  in  das  Detail  eingehen.  Zunächst  will  der  Adressat  nur  über  die 
Metra  des  Horaz  Belehrung  erhalten;  allein  um  eine  Grundlage  für  diese 
Unterweisung  zu  bekommen,  schickt  der  Verfasser  die  allgemeinen  Grund- 
sätze der  Metrik  voraus.  Der  Autor  gibt  sich  den  Anschein,  als  hätte 
er  viele  Quellen  durchmustert,  in  Wahrheit  aber  wird  er  nur  aus  wenigen 
Handbüchern,  besonders  aus  Caesius  Bassus,  geschöpft  haben. 

Veranlassung  und  Aufbau  des  Werkes.  In  einer  voraasgehenden  Widmnne; 
heisst  es:  scio  te  omni  studio  atque  rirtitte  in  hoc  maxime  lahorarCf  iU  oratorem  te  perfid 
velis,  et  hoc  unutn  in  animo  rohere,  quo  ovo  et  quo  patre  sis  natus,  dies  noctesque  insi$tere, 
uf  eloquentia  Senator iam  cumules  dignitatem  ....  accipe  igitur  Horatiana  tnetra,  quae  tat- 
pius  ftagitasti  ....  quare  necessario  altius  et  ab  ovo  mihi,  quod  aiunt,  repetenda  res  e^, 
ut  de  metris  ipsis  principalibus  ante  percurram,  quo  magis  haec  quibus  intendimus  in 
aperto  esse  possint.  p.  279,  2  igitur  ut  a  certo  initio  auspicemur,  de  litteris  pocalibus  paua 
dicam,  simul  ne  onerare  te  ridear,  cum  artem  grammaticam  et  intellexeris  apud  me  et  mt- 
moriae  mandarcns  diligenter,  praesertim  cum  satis  meminerim  me  tibi  amnem  summam 
metrorum  brevitate  poUicitum, 

Quellen,  p.  278,  15  sed,  ut  ille  (Sali.  Cat.  c.  4)  ait,  carptim,  ut  quaeque  memoria 
digna  videbantur,  de  multis  auctoribus  excerpta  perscripsi.  quod  si  omnia  velis  cognascert 
et  nomina  et  genera  metrorum,  cum  tibi  ab  oratoria  otium  fuerit,  veteres  lege  musicoSf  id 
est,  ut  ait  Lucilius,  archetypos,  unde  haec  sunt  omnia  nata.  p.  294,  5  cetera  partim  « 
Horatio  rerognosces,  partim  in  archeti/pis  auctorum  libris,  unde  haec  nos  excerpnmut. 
p.  302,  20  Philoxenus  ait;  vgl.  G.  Schultz,  Aus  der  Anomia,  Berl.  1890,  p.  51.  H.  Keil 
p.  258:  „partim  Caesium  Bassum  partim  Jubam  auctores  secutus  est.  quo  factum  est  ut 
et  cum  fragmento  Caesii  Bassi  et  cum  aliis  artis  mctricae  scriptoribus,  qai  iifldem  auc- 
toribus usi  erant,  in  primis  cum  Mario  Victorino  et  Diomede  et  cum  fragmento  ex  Bobieitti 
codice  in  analectis  grammaticis  Vindobonensibus  p.  516  sqq.  edito,  saepe  consentiret;  gra^ 
conim  autem  poetarum  exempla  complura,  quae  ab  Heliodoro,  ut  videtur,  ad  Jabam  pro- 
pagata  erant,  servaret".  —  H.  Wentzel,  Symbolae  criticae,  Breslau  1858,  p.  11;  West- 
phal,  Griech.  Metrik  1-*  p.  128  u.  158;  Westphal,  Griech.  Rhythmik  (Theorie  der  mua- 
schen  Künste  der  Hellenen  1*  (Loipz.  1885)  p.  205;  0.  Hense,  De  Juba  aiügrapho  (AcU 
soc.  philol.  Lips.  4  (1875)  p.  152  u.  156);  Consbruch,  De  veterum  7ibqi  noitjfjiaxoq  doctrins 
(Breslauer  philol.  Abb.  5  (1890)  p.  95);  Pauly  Wissowas  Realencycl.  2  Sp.  2082. 

Ueberlieferung.  lieber  dieselbe  vgl.  §  384a  (II,  2  p.  72).  Erhalten  ist  uns  die 
Sclirift  nur  durch  eine  Abschrift,  die  J.  Parrhasius  von  einem  jetzt  verloren  gegangenen 
cod.  ßobiensis  genommen;  vgl.  H.  Keil,  Gramm,  lat.  6  p.  245. 

Ausg.  Editio  princcps  des  J.  Parrhasius,  Mailand  1504,  die  ebenfalls  aus  der 
Abschrift   des  Parrhasius  geflossen  ist;   H.  Keil,    Gramm,  lat.  6  p.  278;    AtiL  Fortom- 


Marios  Victorinas.    (§  828.)  137 

ianus  liber  de  metris  ad  fidem  cod.  Neapolitani  rec.  H.  Keil  (Ind.  lect.  Halle  1885);  vgl. 
I.  Keil  und  G.  Jürgens,  Observationes  in  Gaesium  BasBum  et  Atiliam  Fortunatianum 
Ind.  lect.  Halle  1880). 

DerMetrikerEnsebius.  Unter  denen,  welche  in  lateinischer  Sprache  de  numeris 
;eechrieben,  wird  Rhet  lat.  min.  p.  581,  18  (Halm)  ein  Eusebins  genannt,  der  nicht  näher 
lestimmt  werden  kann;  vgl.  noch  p.  598,  20. 

3.   C.  Marius  Victorinus. 

828.  Biographisches.  C.  Marius  Victorinus  stammte  aus  Afrika,  wie 
ier  Beiname  Afer  bekundet,  und  erhielt  hier  wohl  jedenfalls  seine  rhe- 
torische Bildung;  die  Stätte  seines  Wirkens  aber  war  Rom.  Als  gefeierter 
Khetor  unterrichtete  er  zahlreiche  Jünglinge  vom  höheren  Stande;  sein 
Eluhm  stieg  derart,  dass  ihm  eine  Statue  auf  dem  Trajansforum  gesetzt 
wrurde.  Aber  nicht  bloss  als  Lehrer,  sondern  auch  als  Schriftsteiler  war 
ar  in  seinem  Fache  thätig;  selbst  die  mit  der  Rhetorik  eng  zusammen- 
hängende Grammatik  fand  bei  ihm  schriftstellerische  Pflege.  Auch  in  die 
philosophische  Bewegung  der  Zeit  griff  Victorinus  mächtig  ein;  er  über- 
setzte Schriften  von  Plato,  Aristoteles  und  gab  auch  eigene  philosophische 
Arbeiten,  die  sich  auf  die  Lehre  von  der  Definition  und  den  Schluss  be- 
ziehen, heraus.  Damals  blühte  in  Rom  die  neuplatonische  Philosophie,^) 
und  zu  ihr  trat  unser  Rhetor  in  die  engsten  Beziehungen,  wie  schon 
daraus  hervorgeht,  dass  er  die  Isagoge  des  Porphyrius  übersetzte.  Ein 
Wendepunkt  seines  Lebens  war  der  Uebertritt  zum  Christentum;  derselbe 
erfolgte,  als  Victorinus  bereits  sehr  in  Jahren  vorgeschritten  war,  vor  357. 
Der  Neuplatonismus  stellte  leichte  Brücken  zu  der  christlichen  Lehre  her; 
Victorinus  vertiefte  sich  zwar  jetzt  in  die  heilige  Schrift  und  in  die  ge- 
samte christliche  Litteratur,  allein  die  neuplatonische  Denkungsart  abzu- 
legen, konnte  ihm  nicht  gelingen.  Auch  hielt  er  sich  lange  von  dem  christ- 
lichen Gottesdienste  fern,  indem  er  scherzhaft  sagte,  dass  die  Kirchen- 
wände nicht  den  Christen  ausmachten.  An  seinen  theologischen  Schriften 
wurde  die  grosse  Dunkelheit  beklagt,  allein  diese  Dunkelheit  lichtet  sich, 
wenn  man  sie  vom  neuplatonischen  Standpunkte  aus  betrachtet. 

Zeugnisse  über  Victorinus.  Hieron.  de  vir.  Ulustr.  101  Victorinus,  natione  Afer, 
Romae  sub  Constantio  principe  rhetoricam  docuit  et  in  extrema  aenectute  Christi  se  tradens 
fidei  ....  Praef.  comment.  in  epist.  ad  Galat.  non  quia  ignorem  C.  Marium  Victorinum, 
qui  Romae  me  puero  rhetoricam  docuit,  edidisse  commentarios  in  apostolum,  sed  quod  occu- 
patus  nie  eruditione  saecularium  litterarum  omnifio  sanctas  ignoraverit.  Hieronym.  z.  J. 
2870  =  353  n.  Chr.  (2  p.  195  Seh.)  Victorinus  rhetor  et  Donatus  grammaticus  praeceptor 
mens  Romae  insignes  habentur.  e  quibus  Victorinus  etiam  statuam  in  foro  Traiani  meruit. 
Augostin.  confess.  8,  2,  3  ille  ( Victorinus)  doctissimus  senex  et  omnium  liberalium  doctrinarum 
peritissimus  quique  philosophorum  tarn  multa  legerat  et  diiudicaverat,  doctor  tot  nobilium 
stnatarum,  qui  etiam  ob  insigne  praeclari  magisteriiy  quod  cives  huius  mundi  eximium 
putant,  statuam  Romano  foro  meruerat  et  acceperat;  8,  5,  10  Juliani  temporibus  lege  data 
prohibiti  sunt  Christiani  docere  litteraturam  et  oratoriam  —  quam  legem  ille  (Victorinus)  am- 
pUxus  loquacem  scholam  deserere  maluit;  8,  2,  3  sacrorumque  sacrilegorum  particeps,  quibus 
tunc  tota  fere  Romana  nobilitas  inflata  inspirabat  populo  iam  {Osirim:  Ihm)  et  omnigenum 
deum  monstra  et  Anubem  latratorem  ....  quae  iste  senex  Victorinus  tot  annos  ore  terri- 
erepo  defensitaverat ;  8,  2,  4  Legebat  (Victorinus),  sicut  ait  Simplicianus,  sanctam  scripturam 
(nnnesque  christianas  litteras  investigabat  studiosissime  et  per scr utabat ur  et  dicebat  Simpli- 
Hano  non  palam,  sed  secretius  et  familiarius:   „Noveris  iam   me  esse  Christ ianum** .     Et 

*)  Augnstin.  epist.  118,   33  ad  Dioscor.   '   scipulos  multos  acutissimos  et  soUertissimo!< 
Plotini  schola  Romae  floruit  habuitque  condi-      viros. 


138  Marias  Victoriiiiui.    ((  829.) 

respondehat  ille:  „Non  credam  nee  deputabo  U  inter  ehristianas,  nisi  in  eeclesia  Chritti  te 
videro*,  Ille  atäem  irr  idebat  dicens:  „Ergo  parieiea  faciunt  ehristianosf^  Nicht  gUuibhAft 
ist  die  Angabe  Cassiodors  de  inst.  div.  c.  5  (70  Sp.  11 17  Migne)  Victarinu»  ex  oraiore  epii- 
copus,  da  diese  Nachricht  sonst  nirgends  bestätigt  wird.  —  G.  Koffmane,  De  Mario  Vic- 
torino  philosopho  Christiane,  Breslau  1880,  p.  2;  Gore,  Dictionary  of  Christian  Biographr 
Bd.  4  (London  1887)  p.  1136;  G.  Geiger,  C.  Marios  Victorinus  Afer,  ein  nenplatonischer 
Philosoph,  1  (Metten  1888)  p.  8;  2,  Metten  1889;  Reinh.  Schmid,  Marias  Victorinos  Bhetor 
und  seine  Beziehungen  zu  Augustin,  Eael  1895,  p.  6. 

829.  Die  ars  grammatica  des  Marias  Victorinus.  Unter  diesem 
Titel  ist  uns  ein  umfassendes  Werk  erhalten,  das  aber  in  Wahrheit  ein 
Lehrbuch  der  Metrik  ist.  Im  Eingang  werden  zwar  einige  Grundbegriffe 
der  Grammatik  und  ihre  Elemente  behandelt,  in  der  Regel  in  der  Form  von 
Fragen  und  Antworten,  allein  dann  geht  die  Darstellung  zur  Metrik  über  und 
bleibt  diesem  Stoff  treu  bis  zum  Schluss,  nur  dass  der  allgemeinen  Metrik 
noch  eine  spezielle  über  Horaz  im  Anhang  beigegeben  ist.  Mit  einem  sach- 
kundigen und  selbständigen  Mann  haben  wir  es  in  diesem  Werk  nicht  zu 
thun.  Für  seine  Unselbständigkeit  legt  besonders  die  Thatsache  Zeugnis 
ab,  dass  er  das  metrische  Handbuch  des  Aelius  Festus  Aphthonius  mit 
geringen  Aenderungen  und  Zusätzen  einfach  herübemahm;  er  verfuhr  aber 
dabei  als  ehrlicher  Mann;  denn  wie  aus  der  Ueberlieferung  zu  erschliessen, 
gab  er  das  fremde  Gut  nicht  als  eigenes  aus,  sondern  führte  die  entlehnte 
Partie,  wie  dies  auch  Charisius  that,  unter  dem  Namen  des  Autors  dem 
Leser  vor.  Auf  seine  Rechnung  ist  daher  nur  der  grammatische  Eingang 
zu  setzen  und  höchst  wahrscheinlich  auch  der  die  Metrik  des  Horaz  be- 
handelnde Anhang.  Die  Ars  des  Marius  Victorinus  gehört  also  in  ihrem 
Kern  dem  Aphthonius  an,  und  wir  haben  uns  immer  dessen  zu  erinnern, 
wenn  wir  unsern  Grammatiker  aufschlagen.  Was  aber  den  Aphthonius 
anlangt,  so  bietet  sein  Werk,  dessen  Anfang  durch  eine  Lücke  verloren 
ging,  die  Merkwürdigkeit  dar,  dass  die  zwei  metrischen  Systeme  des  Alter- 
tums, ohne  dass  der  Autor  die  daraus  entstehenden,  widrigen  Eonsequenzen 
merkt,  miteinander  verschmolzen  sind.  Eine  Richtung  ging  nämlich  von 
einer  Anzahl  von  Grundrhythmen,  metra  prototypa  oder  physica  genannt, 
aus,  eine  andere  dagegen  wollte  alle  Metra  von  dem  Hexameter  und  dem 
jambischen  Trimeter  abgeleitet  wissen;  das  erste  System  wurde  den  Rö- 
mern durch  Juba,  das  andere  durch  Varro  und  Caesius  Bassus  nahe  ge- 
bracht. Wie  Aphthonius,  so  hat  auch  Marius  Victorinus  an  dieser  Ver- 
quickung keinen  Anstoss  genommen.  Als  Quellen  des  metrischen  Hand- 
buchs lassen  sich  Terentianus  Maurus,  Caesius  Bassus,  Juba  und  Thaco- 
mestus  erkennen;  von  denselben  ziehen  die  beiden  letztgenannten  unsere 
Aufmerksamkeit  in  hohem  Grade  an.  Für  die  Geschichte  der  Metrik  ist 
daher  die  Arbeit  des  Aphthonius  von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung. 
In  der  grammatischen,  dem  Marius  Victorinus  selbst  angehörenden  Ein- 
leitung stossen  wir  auf  Landläufiges,  wie  es  sich  auch  bei  Charisius,  Dio- 
medes  und  Dositheus  findet.  Dagegen  steht  höher  der  hier  eingereihte 
Traktat  über  die  Orthographie;  denn  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass 
wir  in  demselben  kostbares  Gut  des  ausgezeichneten  Grammatikers  Verrius 
Flaccus  aus  der  augustischen  Zeit  haben.  Vielleicht  gehören  unserem 
Grammatiker  auch  zwei  in  Fragen  und  Antworten  abgefasste  Schriften 
über  Grammatik   und  Metrik  an,   wenngleich  die  Ueberlieferung   hier  nur 


Xariaa  Yictorinns.    (§829.)  139 

är  einen  Victorinus  zeugt.  Dass  die  Grammatiker  in  verschiedenen  Kursen 
bren  Stoff  behandelten,  ist  genugsam  bekannt.  Ausreichend  bezeugt  ist 
ireiterhin  für  ein  dürres  Schulbüchlein  de  ratione  metrorum  die  Autor- 
chaft  eines  Maximus  oder  Maximinus  Victorinus;  es  ist  uns  aber  nicht 
Qöglich,  über  diese  Autorschaft  etwas  Bestimmtes  .zu  sagen.  Ohne  Stütze 
ler  Ueberlieferung  wird  diesem  Victorinus  ein  ebenso  dürres  Schulbuch 
le  finalibus  metrorum  beigelegt,  da  es  in  der  Ueberlieferung  auch  unter 
lem  verdorbenen  Namen  Metrorius  erscheint.  Fest  steht,  dass  beide 
»chriften  nichts  mit  Marius  Victorinus  zu  thun  haben. 

Zeugnisse  über  Marina  Victorinns.  Rnfinus  comment.  in  metra  Terentii  (Gramm, 
it  6  p.  556,  23)  Victorinus  sie  dicit;  vgl.  Marias  Victorinus  p.  78,  19.  Gramm,  lat.  6 
.  557,  19  Idem  Victorinus  in  alio  loco  de  iambo  sie  dicit;  vgl.  Marius  Victorinus  p  80,  27. 
.  565,  3  zählt  Rufinus  ihn  unter  denjenigen  auf,  welche  gebundene  Rede  bei  den  Komikern 
nd  scenischen  Dichtem  überhaupt  statuieren.  Fragm.  Sangallensia  (Gramm,  lat.  6  p.  639,  15) 
ed  alii,  ut  Victorinus,  putant;  vgl.  Marius  Victorinus  p.  104,  9;  107,  10. 

üeber  den  Titel  vgl.  H.  Keil  praef.  p.  VII.  Der  Palatinus  führt  auf  den  Titel 
rs  grammatica;  im  Parisinus  heisst  es:  inci^it  ars  grammatica  Victorini  Mari  de  ortho- 
raphia  et  de  metrica  ratione  und  explicit  ars  grammatica  Victorini  Mari  de  orthographia 
t  de  metrica  ratione, 

Marius  Victorinus  und  Aelius  Festus  Aphthonius.  Zum  vierten  Buch  der 
TB  grammatica  finden  wir  die  Subscriptio:  Äelii  Festi  Aphthonii  v{iri)  p{erfectissimi)  de 
^€tris  Omnibus  explicit  Über  IUI;  vgl.  H.  Keil  p.  173,  32.  Auf  die  Bedeutung  dieser  Sub- 
criptio  hat  Bergk,  Krit.  Analekten  (Philol.  16  (1861)  p.  639)  aufmerksam  gemacht.  Er  wollte 
uf  Grund  dieser  Subscriptio  die  ars  dem  Aelius  Festus  Aphthonius  beigelegt  wissen;  das 
araoffolgende,  über  die  norazischen  Metra  und  der  Anhang,  hat  nichts  mit  Aphthonius  zu 
hun  und  wird  somit  dem  Marius  Victorinus  beizulegen  sein;  vgl.  H.  Keil,  Quaest.  gramm. 
»ars  I  de  Marii  Victorini  arte  grammatica  (Ind.  lect.  Halle  1871  p.  V)  und  dagegen  Schultz 
.  c.  p.  52,  der  auch  diese  Partie  dem  Aphthonius  beilegt;  allein  die  genannte  Subscriptio 
lacht  Schwierigkeiten.  Die  nächste  Frage  ist,  wo  Aphthonius  beginnt;  da  es  nun  sehr  wahr- 
cheinlich  ist,  dass  wie  der  Schluss,  so  auch  der  Anfang  des  Aphthonius  in  dem  Werk  be- 
eichnet  war,  so  ergibt  sich  von  selbst  die  Vermutung,  dass  die  Bezeichnung  des  Anfangs 
Inrch  die  Lücke,  welche  wir  31,  16  antreffen,  verloren  ging.  Damach  würde  auch  der  An- 
ang  nicht  von  Aphthonius,  sondein  von  Marius  Victorinus  herrühren.  Dies  bestätigt  auch 
ine  n&here  Betrachtung  des  der  Lücke  vorausgehenden  und  ihr  nachfolgenden  Teils;  hier 
laben  wir  ein  von  den  Elementen  ausgehendes  metrisches  Handbuch,  dort  einen  grammatischen 
iVaktat,  in  dem  nach  Erörterung  des  Begriffs  ars  gehandelt  wird  de  voce,  de  litteris,  de  ortho- 
raphia,  de  "^gllabis.  Auch  tritt  in  der  ersten  Partie  die  Schulform  viel  stärker  hervor  als  in 
ler  späteren;  es  wird  auch  über  litterae  und  syllabae  von  verschiedenem  Standpunkt  zwei- 
mal gehandelt.  Auch  Verschiedenheit  der  Quellen  liegt  in  den  beiden  Abschnitten  vor; 
gl.  Keil,  Quaest.  gramm.  p.  VIII.  Also  gehören  dem  Aphthonius  31,  17 — 173,31.  Dem 
Lphthonius  gegenüber  ist  Marius  Victorinus  wesentlich  Abschreiber,  wenn  er  auch  hie  und 
!a  Aenderungen  und  Zusätze  vornahm;  vgL  Keil,  Praef.  p.  XVII;  Quaest.  gramm.  p.  XI. 
(eine  sklavische  Abhängigkeit  geht  sogar  soweit,  dass  er,  wie  C.  Thiemann  (Fleck eis. 
ahrb.  107  (1873)  p.  429)  aus  47,  3  und  58,  17—59,  5  nachweist,  auch  die  Randbemerkungen 
ler  Handschrift  übernommen  hat.  Allerdings  will  das  geschilderte  Verfahren  schlecht  zu 
lem  Bilde  passen,  das  wir  von  des  Victorinus  sonstiger  schriftstellerischer  Thätigkeit  kennen ; 
8  hat  daher  L.  Jeep  (Zur  Gesch.  der  Lehre  von  den  Redeteilen  bei  den  lat.  Grammatikern, 
ieix>z.  1893,  p.  82)  die  Vermutung  ausgesprochen,  dass  die  Grammatik  des  Marius  Victo- 
inas  von  einer  fremden  Hand  oder  sogar  durch  Zufall  mit  dem  Werk  des  Aphthonius  ver- 
tnigt  wurde  (p.  84).  Freilich  setzt  diese  Hypothese  voraus,  dass  der  Abschnitt  de  metria 
^oratianis  nicht  von  Victorinus  stamme,  und  dass  die  Subscriptio  des  Parisinus  explicit  ars 
rrammatica  Vietorini  Mari  de  orthographia  et  de  metrica  ratione,  als  möglicherweise  aus 
lem  Vorhergehenden  entnommen,  nicht  beweisend  sei.  Allein  da  auch  der  erste  Teil,  wie 
[er  orthographische  Traktat  zeigt,  starke  Compilation  enthält,  und  da  auch  Charisius  eine 
tolche  Einlage  hat,  wird  man  sich  doch  bei  der  Autorschaft  Victorins  beruhigen  müssen. 
Mese  Schulschriftstellerei  macht  offenbar  auf  Originalität  keinen  Anspruch. 

Das  metrische  Handbuch  des  Aphthonius.  Das  erste  Buch  enthält  die  Ele- 
nente,  das  zweite  handelt  de  prototypis  speciebus  novem,  das  dritte  de  coniunctis  inter  se 
i  mixtis  metris,  das  vierte  de  conexis  inter  se  atque  inconexis  quae  Graeci  ilavvttQirjtn 
iKant,  Ueber  Terentianus  als  Quelle  vgl.  H.  Keil,  Quaest.  gramm.  p.  IX;  über  Juba  vgl. 
Ceil   L  c.  und  besonders  p.  X  (§  606);   derselbe  wird  zweimal  citiert:  p.  94,  6  at  Juba 


140  Marina  Viotorinna.    (§  829.) 

fMster,  qui  inter  metricos  auctaritatem  primae  eruditionis  abtinuUy  insMtens  Ueliodori  retti- 
güSj  qui  inter  Graeco/t  huiusce  artis  antistes  aut  primus  aut  solus  est,  negat  hoc  Vitium, 
ut  quidam  adserunt,  rhythmicum  fore,  sed  mage  metrica  ratione  eontingere.  p.  88,  4  ut  Juha 
tioster  atque  alii  Graecorum  opinionem  secuti  referunt.  üeber  Caesius  Baaaiia  veL  Keil. 
Praef.  p.  XVI.  lieber  Jaba  vgl.  noch  besooders  0.  Hense,  De  Jaba  aiügrapno  (Acta 
societatis  philol.  Lipsiensis  4  (1875)  p.  123).  Eine  umfaaaende  Quellenantersnchang  wurde 
vorgenommen  von  G.  Schultz,  Quibus  auctoribuB  Aelius  Featua  Aphthoniaa  de  re  metrica 
nsus  sit,  Breslaa  1885.  Derselbe  macht  besonders  anfThacomeafcoa,  der  140,3  dtiert  ond 
circa  150  n.  Chr.  angesetzt  wird,  als  Quelle  aufmerksam;  Qber  denselben  vgl.  auch  F.  Leo, 
Die  beiden  metrischen  Systeme  des  Altertums  (Hermes  24  (1889)  p.  283  Anm.  2).  lieber 
Aristoxenisches  in  den  Quellen  des  Aphthonius  vgl.  F.  Blass,  Kleine  Beitr.  z.  griech.  Mefarii 
(Fleckeis.  Jahrb.  18H  (1886)  p.  451);  R.  Westphal,  Griech.  Rhythmik  (Theorie  der  mus- 
sehen  Kflnste  der  Hellenen  V  (Leipz.  1885)  p.  206).  Ueber  die  Widersprüche,  welche  durch 
Vereinigung  zweier  metrischer  Systeme  entstanden  sind,  vgl.  R.  Westphal  p.  205  und  da- 
gegen J.  Caesar,  De  verborum  arsis  et  thesis  apud  Script,  artis  metricae  lat.,  inprimif 
Marium  Victorinum  significatione  (Ind.  lect.  Marb.  1885).  Üeber  Verwimingen  im  oritteD 
Buch  vgl.  L.  Kayser,  Philol.  6  (1851)  p.  706. 

Der  grammatische  Teil  der  ars.  Ueber  die  Quellen  vgl.  Keil,  Qnaeat.  gramm. 
p.  VIII:  «priora  illa  de  arte,  de  voce,  de  litteris  et  syllabis  ab  iisdem  auctoribos,  quos 
reliqui  artium  scriptores  sequebantur,  petita  sunt,  plurima  enim  cum  Charisii,  Diomedia, 
Dosithei  commentarils,  quos  ex  uno  fönte  derivatos  esse  constat,  ut  Maximi  Victorini  artem 
quae  fertur  nunc  omittamus,  consentiunt;  pauca  quae  apud  illos  non  inveniontar  ipse  Tic- 
torinus  addidit,  ex  quo  genere  sunt  definitiones  artis  p.  1  a  graecis  artium  scnptoribiu 
receptae  et  notationes  litterarum  p.  6,  de  quibus  non  constat,  cui  auctori  debeantor.*  BezQg- 
lieh  der  Quellen  des  Commentars  über  die  Orthographie  vgl.  W.  Schady,  De  Mari  Victofini 
librl  I  capite  IV  quod  inscribitur  de  orthographia,  Bonn  1869.  Wenn  auch  die  Ansicht 
Schady 8,  dass  der  Traktat  ein  unmittelbarer  Auszug  aus  Verrius  Flaccus  de  orthographia 
ist,  nicht  haltbar  ist,  so  muss  doch  zugegeben  werden,  dass  Verrianisches  Gut  in  dem 
Traktat  steckt.  Wahrscheinlich  ist  eine  auf  Verrius  Flaccus  zurfickgehende,  längere  Quelle 
anzunehmen,  in  der  auch  andere  Grammatiker  benutzt  waren;  vgl.  §  341a  (II,  1  p.  326 K 

Die  horazische  Metrik.  Keil  p.  174,  1  inter  initia  huius  operis,  id  est  in  prima 
odey  excusareram  brevitatis  studio,  cuius  amirus  sum,  singuhrum  asmatum  exempla  pro- 
fWHvre.  verum  ne  quid  serupuhso  leetori  ad  querellam  linquerem,  placuit  omnia  quae  apwl 
Iloratium  metra  tarn  in  carminihus  quam  epodis  continentur  sub  exemplis  singulorum  a$- 
matum  nc  propria  specierum  designatione  comprehendere.  V.  schliesst  seine  AufEfthlung 
der  horazischen  Metra  mit  den  Worten  (p.  183,  19):  habentur  itaque  apud  Horatium  hahita 
dinumeratione  metrorum  genera  XXI  in  libris  carminum  et  epodis.  Es  folgen  dann  Defini- 
tionen der  Ode  (p.  188,  22),  des  Melos  (183,  29),  des  Colon  (p.  184,  9)  und  des  Comma  (184, 10). 

Die  Ueberlieferung  der  ars  grammatica  basiert  auf  den  drei  Handschriften 
Palatinus  1753  s.  IX/X,  Valentinlanus  M.  6,  10  s.  IX  und  Parisinus  7539  s.  IX.  Diese  Hand- 
schriften enthalten  allein  das  vollständige  Werk.  Der  orthographische  Traktat  im  Auszug 
befindet  sich  in  vier  Vaticani  s.  XV:  Vatic.  1493;  2725;  2930;  Urbinas  452,  herausgegeben 
von  H.  Keil,  Ind.  lect.  Halle  1874.  Vgl.  H.  Keil,  Gramm,  lat.  6  p.  VII;  über  das  Ver- 
hältnis der  Handschriften  zu  einander  p.  XII. 

Ausg.  Erste  vollständige  Ausg.  von  J.  Camerarius,  Ttkbingen  1537;  massgebende 
von  H.  Keil,  Gramm,  lat.  6  p.  3. 

Der  Grammatiker  Victorinus.  Mit  einem  Grammatiker  Victorinus  werden  auch 
zwei  Schriften  in  Verbindung  gebracht,  eine  grammatische  und  eine  metrische.  Beide  ge- 
hören sicherlich  einem  Verfasser  an;  vgl.  H.  Keil,  Gramm,  lat.  6  p.  XXIV.  In  der  Ueber- 
lieferung wird  die  Autoi-schaft  vorschieden  angegeben;  im  Vaticanus  Reginensis  1587  a  X 
wird  die  ars  einem  Victurintts  (sie),  im  Sangallensis  877  s.  IX/X  einem  Victorinus  gram- 
mofirus,  im  Bobiensis-Vindoboneusis  16  s.  VllI  dem  Palaemon  beigelegt.  Die  metrische 
Schrift  wird  im  Parisiuus  7559  s.  X  dem  Palaemon  zugeteilt:  incipit  ars  Palaemonis  de 
niefrira  inntitutione  de  hexametro  usu  seu  heroico.  In  der  editio  princeps  wurden  beide 
Schriften  von  Putsche  dem  Maximus  Victorinus  zugeschrieben.  Da  der  Verfasser  der 
metrischen  Schrift  zur  Zeit  des  Lactantius,  d.  h.  des  Kirchenvaters,  lebte  (vgl.  209,  1 1  nastra 
(jufujue  memoria  lAicfanfius),  in  diese  Zeit  aber  auch  das  Leben  des  Marius  Victorinus  ftllt 
da  ferner  die  grammatische  und  die  metrische  Schrift  einem  Verfasser  angehören,  so  ist 
die  Zuteilung  unserer  beiden  Schriften  an  C.  Marius  Victorinus  nicht  gerade  als  absurd  ni 
bezeichnen,  wenngleich  ein  ausreichender  Beweis  noch  fehlt.  Es  würde  sich  dann  nach 
Keil  (p.  XXVI)  folgendes  Bild  der  grammatischen  Schriftstellerei  des  Marius  Victorinus 
ergeben:  „lumc  morem  ita  secutus  esse  videtur  Victorinus,  ut  primum  et  de  nniversa  arte 
grammatica  breviter  scriberet  et  de  metris  pauca  delibaret,  deinde  de  elementis  artis  et  de 
orthographia  copiosius  disputaret  et  praetermissis  reliquis  grammaticae  artis  parfcibns  omnem 


Marina  Victorinas.    (§  880.)  141 

metroram  doctrinam  Aphthonü  libris  in  sunm  usrnn  conversis  exponeret*.  Keil,  Qaaest. 
gramm.  II  p.  XII.  Ueber  die  BerOhruDgen  des  grammatiBchen  Teils  der  grösseren  und  der 
kleineren  Ars  vgl.  Keil  p.  XXV.  Ueber  den  Zastand  der  beiden  libri  sagt  Keil  (p.  XXIV): 
,eo8dem  ex  antiqniore  lioro  neglegenter  coUectos  et  pertorbato  ordine  verborum  depravatos 

esse  apparet praeter  ea  qnae  casu  periemnt  vel  perturbata  sunt,  uterque  Über  curam 

grammatici  experkis  est,  qui  ea  quae  nunc  legimus  collegit  et  in  hanc  formam  redegit. 
de  metris  quidem  veterem  auctorem  plura  scripsisse  vel  scripturum  fuisse,  quam  nunc  super- 
snnt,  in  fine  commentarii  de  hexametro  indicatum  est  p.  215,  24,  hactenus  de  hexametro 
dartffUeOf  de  ceteris  vero  suo  loco.  aliam  autem  recensionem  eamque  ex  parte  meliorem 
habebat  Audax'  (vgl.  Gramm,  lat.  7  p.  317).  Ueber  das  Verbaltnis  zu  Audax  vgl.  L.  Jeep, 
Redeteile  p.  85.  Herausgegeben  sind  die  beiden  Schriften  von  H.  Keil,  Gramm,  lat.  6 
p.  187  und  206.  In  der  ereten  Schrift  ist  Führer  der  Sangallensis,  in  der  zweiten  der  ge- 
nannte ParisinuB.  —  F.  Osann,  Beitr.  zur  griech.  und  röm.  Litteratnrgesch.  2  (1839)  p.  «S52; 
H.  Wentzel,  Symbolae  crit.,  Bresl.  1858,  p.  55. 

Der  Grammatiker  Maximus  (Maximinus)  Yictorinus.  Ein  Schriftchen  de 
ratione  metrorum  wird  im  Bobiensis-Vindobonensis  16  s.  VIII/IX  dem  Maximinus  Vic- 
torinutf,  im  Monacensis  6281  s.  X  dem  Maximianus  Victorinus,  im  Monacensis  19484  s.  X 
dem  Maximus  Victarinus,  im  Parisinus  7491  s.  X  und  Paris,  suppl.  69  s.  XI  dem  Maximus 
Vieforinus  beigelegt.  Auch  bei  Beda  (Gramm,  lat.  7  p.  248,  17)  wird  der  Autor  als  Vic- 
tor inits  citiert  Damach  steht  die  Autorschaft  eines  Maximus  oder  Maximinus  Yictorinus 
fOr  dieses  Schriftchen  fest,  wenngleich  über  diesen  Grammatiker  nichts  näheres  bekannt  ist. 
Das  Schriftchen  hat  keinen  Wert  für  uns;  vgl.  Keil  p.  XXIV  „non  solum  a  liquentibus 
litteris  parum  apte  initium  fit,  sed  in  reliquis  etiam  partibus  de  mensura  syllabarum  et  de 
scansione  versuum  ita  disputatur,  ut  et  iusta  ratio  desideretur,  et  multa  omissa  esse  ap- 
pareat.  cuius  neglegentiae  exemplum  relictum  est  p.  219,  23. ''  Dagegen  hat  nichts  mit  diesem 
yictorinus  zu  thun  das  Schriftchen  de  finalibus  metrorum,  das  gewöhnlich  mit  dem- 
selben verbunden  erscheint.  Dasselbe  wird  offenbar  im  Missverständnis  des  metrorum  einem 
Metrorius,  der  auch  in  manchen  Handschriften  den  Zunamen  Maximinus  erhält,  beigelegt; 
auch  dieses  Schriftchen  ist  für  uns  wertlos.  Ueber  ein  verwandtes  dem  Servius  beigelegtes 
Schriftchen  vgl.  §  835  p.  158.  Beide  Schriftchen  herausgegeben  von  H.  Keil,  Gramm,  lat.  6 
p.  216;  229,  besonders  auf  Grundlage  des  Bobiensis-Vindobonensis  16  s.  VIII/IX.  —  H.  Keil, 
Qnaest.  gramm.  Pars  11  de  Maximi  Victorini  libris  de  arte  grammatica  qui  feruntur  (Ind.  lect. 
Halle  1871). 

830.  Commentare,  Uebersetzungen  und  philosophische  Schriften. 
Neben  der  Grammatik  betrieb  Marius  Victorinus  auch  die  Rhetorik,  welche, 
da  er  Rhetor  heisst,  seine  eigentliche  Fachdisziplin  war.  Auch  von  dieser 
Thätigkeit  liegen  uns  Erläuterungen  zu  Ciceros  Jugendschrift  de  inventione 
vor;  allein  uns  befriedigt  der  Commentar  nur  sehr  wenig.  Zwar  verleugnet 
er  das  philosophische  Denken  des  Verfassers  nicht,  allein  er  lässt  die  Ge- 
schichte und  die  griechische  Rhetorik  beiseite  liegen;  er  spendet  uns  daher 
keine  Belehrung  fQr  die  Altertumsstudien,  nur  für  die  Geschichte  des  da- 
maligen Schulunterrichts  kann  er  in  Betracht  kommen ;  auch  für  die  Kritik 
leistet  er  den  einen  und  den  anderen  Dienst.  Nach  derselben  Methode 
waren  wohl  auch  der  Commentar  zur  Topica  und  die  Commentare  zu  philo- 
sophischen Schriften  Ciceros  abgefasst,  so  dass  wir  den  Verlust  dieser 
Arbeiten  nicht  zu  beklagen  haben.  Viel  wichtiger  ist  eine  andere  Thätig- 
keit des  Victorinus,  durch  die  er  Aristoteles  den  Römern  vermitteln  wollte; 
er  übersetzte  nämlich  die  Kategorien  und  die  Schrift  nsgl  igfxijvsiag.  Auch 
die  Isagoge  des  Porphyrius  übertrug  er  ins  Lateinische  und  kam  dadurch 
mit  dem  Neuplatonismus  in  enge  Fühlung.  Der  Neuplatonismus  musste 
ihn  aber  auch  auf  die  Quelle,  auf  Plato  selbst,  zurückführen,  und  in  der 
That  wird  auch  von  Uebersetzungen  platonischer  Dialoge  berichtet.  Ja 
sogar  zu  selbständigen  philosophischen  Arbeiten  fand,  wie  oben  bereits 
erwähnt,  der  eifrige  Gelehrte  Zeit  und  Müsse.  Er  schrieb  eine  Unter- 
suchung über  die  Definitionen;  mit  Unrecht  wurde  diese  Schrift  dem 
Boethius  zugeschrieben,   aber  äussere  und  innere  Kriterien  lassen  nicht 


142  Marias  Victorinas.    (§  830.) 

den  mindesten  Zweifel  aufkommen,  dass  wir  ein  Werk  des  Victorinus  vor 
uns  haben.  Wir  erkennen  einen  philosophisch  gebildeten  Rhetor,  der  gern 
aus  seinem  Cicero  Belege  beibringt.  Eine  zweite  Schrift,  über  die  hypo- 
thetische Schlussform,  ist  uns  nicht  mehr  erhalten. 

Zeugnisse  fiber  die  schriftstellerische  Thfttigkeit  des  Victorinus.  Zu 
Cassiodor  Buch  2  der  inst.  div.  et  saec.  ist  am  Schluss  der  Dialektik  in  der  Bamberger 
Handschr.  hinzugefügt:  Isagogen  (nämlich  des  Porphyrius  nBQi  xtov  mrte  g>ioyiSr)  transtulu 
Victorinus  orator,  commentum  eius  quinque  Ubria  vir  magnifictis  Boethius  edidit.  categoria^ 
idem  transtulit  Victorinus^  cuius  commentum  octo  libris  ipse  quoque  formavit.  Peri  hermeninx 
supra  memoratua  Victorinus  transtulit  in  latinum,  cuius  commentum  sex  libris  patricim 
Boethius  minutissima  disputatione  tractavit,  Apuleius  vero  Madaurensis  syllogismos  ecUegoricw 
breviter  enodavit  (vgl-  §  562  p.  106).  Victorinus  de  syllogismis  hgpothtticis  dixit.  quindecim 
quoque  species  esse  definitionum  idem  Marius  Victorinus  diligenter  edocuU.  topica  AristoteIi$ 
Cicero  transtulit  in  latinum,  cuius  commenta  prospector  atque  amator  Latinorum  Vietorinw 
quattuor  libris  exposuit.  Vgl.  Usener  p.  66.  Von  den  in  der  Stelle  genannten  Schriften 
sind  uns  zwei  erhalten:  de  definitionibus  und  der  Commentar  zu  Cicero  de  inventione. 

tt)  De  definitionibus.  Unter  den  Schriften  des  Boethius  erscheint  auch  eine  Schrift 
de  definitionibus.  H.  Usener,  Anecdoton  Holderi  (Festschr.  zur  XXXI i.  Philologenversamm- 
lung  zu  Wiesbaden,  Bonn  1877,  p.  59)  hat  den  unumstösslichen  Beweis  geliefert,  dass  dieses 
Schriftchen  dem  Rhetor  C.  Marius  Victorinus  angehört.  Schon  die  handschriftliche  Uebe^ 
lieferung  spricht  dafür;  denn  während  einerseits  in  den  Boethiushandschriften  das  Werk- 
chen nicht  ausdrücklich  dem  Boethius  beigelegt  wird,  berichtet  A.  Mai  (Classici  auct.  3 
(Rom  1831)  p.  815)  von  einer  leider  nicht  mehr  auffindbaren  Handschrift  s.  XI,  in  der  dis- 
selbe  unter  dem  Namen  des  Victorinus  aufgeführt  war.  Auch  an  anderen  äusseren  Zeug- 
nissen fehlt  es  nicht:  Boethius  in  seinem  Commentar  zu  Ciceros  Topik  bezieht  sich  unter 
Anfuhrung  des  Victorinus  auf  unsere  Schrift  (p.  824,  46  Orelli)  hunc  locum  Victorinus  unius 
Voluminis  serie  aggressus  exponere  et  omnes  definitionum  differentias  enumerare  multoi 
interseritj  quae  definitiones  esse  paene  ab  omnibus  reclamantur;  vgl.  noch  p.  327,  4  hat 
sunt  definitionum  differentiae,  quas  in  eo  libro,  quem  de  definitionibus  Victorinus  edidit, 
annumeravit.  Auch  Isidor  legt  Zeugnis  für  die  Autorschaft  des  Victorinus  ab;  denn  in 
seinen  origenes  2,  29  führt  das  Kapitel,  in  dem  er  die  Definition  behandelt,  den  Titel  dt 
divisione  definitionum  ex  Marii  Victorini  libro  abbreviata,  Isidor  hatte  aber  diesen  Auszug 
nicht  unmittelbar  aus  Victorinus  gemacht,  sondern  ist  hierbei  einem  Compendium  gefolgt 
das  wir  auch  in  Cassiodors  institutiones  divinarum  et  saecularium  litterarum  Bd.  2  p.  539 
verwertet  finden.  Endlich  legt  das  Schriftchen  selbst  Zeugnis  für  Victorinus  ab,  indem  es 
auf  ein  anderes  Werk  desselben  Verfassers  bezieht  (p.  25,  13  St.)  nos  quia  iam  uno  libro 
et  de  bis  quinque  rebus  plenissime  disputarimus,  ne  res  rei  interposita  obscuritatem  pariat 
aut  dicta  repetomusy  lectorem  ad  librum  qui  iam  scriptus  est,  si  adest  ei  indigentia^  ire 
volumus.  Das  Buch,  auf  das  verwiesen  wird,  ist  Victorins  Uebersetzung  der  Isagoge  des 
Porphyrius,  die  er  wahrscheinlich  als  eigenes  Werk  ausgegeben  hatte.  Mit  diesen  äusseren 
Kriterien  stimmen  die  inneren;  alle  individuellen  Züge  der  Schrift  passen  auf  den  Rheti^ 
Victorinus.  Kritisch  wurde  die  Schrift  herausgegeben  nach  dem  Monacensis  14272  s.  X/Xl 
dem  Monacensis  14819  s.  XII  und  dem  Bemensis  800  s.  XI/XIl  von  Th.  Stangl,  Tulliana 
et  Mario- Victoriniana,  München  1888,  p.  17.  Zur  Ueberlieferung  vgl.  noch  G.  Schepss,  Zu 
Marius  Victorinus  de  definitionibus  (Philol.  56  (1897)  p.  382),  der  besonders  über  den  Pari- 
sinus nouv.  acq.  1611  s    XI  handelt. 

ß)  Der  Commentar  des  Victorinus  zu  Cicero  de  inventione.  Vgl.  S  14S. 
Massgebende  Handschriften  von  diesem  Commentar  sind  Darmstadtiensis  jetzt  Coloniensis  166 
s.  VII,  Frisingensis  200  sive  Monacensis  6400  s.  X,  Bambergensis  M,  IV,  4  s.  XI.  Am 
Schluss  des  ersten  Buches  heisst  es  im  Coloniensis:  Q.  Fabii  Laurenti  explanationum  in 
Rhetoc.  liber  pn'mus  exj)licit;  vgl.  Jaffö  et  Wattenbach,  Ecciesiae  metropolitanae  Colo- 
niensis Codices  manuscripti,  Berl.  1874,  p.  67.  Im  Frisingensis  wird  die  Schrift  eingeführt 
mit  den  Worten:  Incipit  commentum  Victorini  rhetoris  in  M.  T.  Ciceronis  Rhetoricam.  Im 
Bambergensis  lautet  die  üeberscbrift:  Marii  Fabii  Vicforini  rhetoris  in  Rhetoricis  M,  TuU. 
(Hceronis  Über  J  incipit;  damit  stimmt  im  wesentlichen  die  Subscriptio  zu  liber  I  und  II. 
A.  Mai  (Spicilegium  romanum  5  (1841)  p.  XI)  berichtet  von  einem  Codex,  in  dem  der  Ver- 
fasser Fabius  Laurenti us  heisst.  In  zwei  Laurentiani  wird  als  Verfasser  angegeben: 
Fabius  I^nrentius  Marius  Victorinus.  Iw.  Müller  (Bursians  Jahresber.  4.  Bd.  2.  Abt. 
(1874/75)  p.  679)  vermutet  bei  der  Besprechung  von  Knackstedt,  De  Cic.  rhetor.  libris 
ex  rhetoribus  lat.  emend.  1  (Göttingen  1873);  2  (Helmstedt  1874i,  dass  zwei  Namen  zu- 
sammengeflossen sind  und  dass  ein  Q.  Fabius  Laurentius  den  Commentar  des  Marius  Vic- 
torinus neu  bearbeitete.  Ueber  die  Schrift  sagt  Cassiodor  (Halm,  Rhet.  lat.  min.  p.  498,  7i 
haec  licet  Cicero  ....  per   varia   volumina   copiose   nimis   et   diligenter  effuderit  et  in  arit 


.     Marias  Victorinns.    (§  831.)  143 

'hetoriea  duohus  lihris  videatur  ämplexus,  quarum  eommenta  a  Mario  Victarino  eomposita 
M  hibliotheca  mea  vobis  reliquisse  cognoscor.  Herausgegeben  ist  der  Gommentar  von  Orelli, 
^ceros  Aosg.  tom.  5  pars  1  p.  2;  massgebend  ist  jetzt  die  Ausg.  von  C.  Halm,  Rhetores 
at.  min.,  Leipz.  1863,  p.  155,  wozu  zu  vgl.  Th.  Stangl,  Tulliana  et  Mario -Victoriniana, 
tf&nchen  1888,  p.  49.  Ueber  die  Ausnfltzung  des  Conunentars  für  die  Kritik  Ciceros  vgl. 
L,  Kayser,  Philol.  6  (1851)  p.  708. 

De  attributis  personae  et  negotio.  Vgl.  über  diesen  Traktat  Halm,  Rbet. 
at.  min.  p.  IX;  abgedruckt  bei  Halm  p.  805.  Das  Schriftchen  bat  mit  Victorinus,  mit 
lern  es  verbunden  wird,  nichts  zu  thun. 

Verlorene  Schriften  des  Marius  Victorinus  sind:  1.  Die  Uebersetzung  der 
iiöaytoyij  des  Porphvrius;  an  diese  Uebersetzung  schloss  sich  ein  Gommentar  des 
BoetlüuB  an,  dem  er  die  Form  von  2  dialogi  gab.  Später  schrieb  Boethius  eine  eigene  Ueber- 
letzung,  dazu  einen  Gommentar  in  5  Büchern;  vgl.  auch  Isidor.  orig.  2,  25,  9.  Aus  Boethius 
p.  5  Zeile  23  Rota  wissen  wir,  dass  Victorinus  die  Widmung  des  Originals  geändert  und  an 
*$teHe  des  dort  angeredeten  Ghrjsaorios  einen  Menantius  gesetzt  hatte,  wahrscheinlich  um 
seiner  Arbeit  den  Schein  eines  selbständigen  Werks  zu  geben;  vgl.  Usener,  Anecdoton  Hol- 
den p.  61.  2.  Eine  Uebersetzung  der  Kategorien  des  Aristoteles  mit  einem  Gom- 
mentar von  8  Büchern;  vgl.  Gassiodor,  Expositiones  in  psalm.  U  p.  28.  8.  Eine  Ueber- 
setzung der  aristotelischen  Schrift  negl  iQfitjrelag.  4.  De  syllogismis  hypo- 
bheticls;  vgl.  Isidor.  orig.  2,  28,  25  modos  syllagismorum  hypotheticorum  si  quia  plenius 
nosse  desideraty  librum  Ugat  Marii  Victorini ^  qui  inseribitur  De  syllogismis  hypO' 
theticis.  Zu  diesen  aus  Gassiodor  bekannten  verlorenen  Schriften  konmien  noch  5.  Ein 
Gommentar  zu  Giceros  Topica;  vgl.  Boethius  p.  290,  16  Orelli  quum  in  M.  Tullii 
Topica  Marius  Victorinus  rhetor  plurimae  in  disserendi  arte  notitiae  eommenta  conscrip- 

serit   6.   Gommentarii   in   dialogos  Giceronis   d.  h.   zu   den   philosophischen 

Schriften,  welche  uns  Hieronymus,  Apol.  contra  Rufinum  1, 16  bezeugt.  7.  Uebersetzungen 
platonischer  Dialoge.  Diese  bezeugt  uns  Augustin.  confess.  8,  2,  3  legisse  me  quosdam 
libros  Platonicorum^  quos  Victorinus  quondam  rhetor  urbis  Romae,  quem  christianum  de- 
functum  esse  audieram,  in  latinam  linguam  transttdisset.  7,  9,  13  quosdam  Platonicorum 
libros  ex  graeca  lingua  in  latinum  versos;  vgl.  F.  Osann,  Beitr.  zur  griech.  und  röm.  Lit- 
teratorgesch.  2  (1839)  p.  373. 

831.  Die  theologischen  Schriften  Yictorins.  Nach  seinem  Ueber- 
tritt  zum  Christentum  stellte  Victorinus  seine  Spekulation  vornehmlich  in 
den  Dienst  der  trinitarischen  Forschung;  er  entschied  sich  gegen  den 
Arianismus  für  das  orthodoxe  Bekenntnis.  Seine  Schriftstellerei  verfolgt 
zunächst  den  Zweck,  den  Arianer  Candidus  von  seiner  Irrlehre  auf  den 
rechten  Pfad  zu  führen;  sie  knüpft  daher  an  zwei  Abhandlungen  des  ge- 
nannten Arianers  an,  die  uns  in  der  handschriftlichen  üeberlieferung  er- 
halten sind.  In  der  ersten  Entgegnung  verbreitet  sich  Victorinus  über 
die  Zeugung  des  göttlichen  Logos,  in  der  zweiten  tritt  er  in  eine  direkte 
Polemik  gegen  den  Arianismus  ein;  hierzu  kommt  noch  die  Abhandlung 
über  die  Annahme  des  Homousios.  Noch  andere  dogmatische  Schriften 
tragen  den  Namen  Victorins,  allein  ihre  Echtheit  ist  mehr  oder  minder 
zweifelhaft;  es  sind  dies  die  an  Justinus  gerichtete  Schrift  gegen  die  zwei 
Prinzipien  der  Manichäer  und  über  den  wahren  Leib  Christi,  fernerhin 
eine  Abhandlung  über  die  Frage,  ob  die  Schöpfung  am  Abend  oder  am 
Morgen  begonnen  habe,  an  der  Hand  der  Oenesis,  die  ohne  Allegorie  ge- 
deutet wird,  endlich  die  Schrift  de  physicis.  Die  commentierende  Thätig- 
keit,  auf  die  Victorinus  als  Rhetor  gewiesen  war,  übertrug  er  nach  seiner 
Bekehrung  zum  Christentum  auch  auf  die  heilige  Schrift.  Er  commentierte 
paulinische  Briefe;  erhalten  sind  uns  solche  Commentare  zum  Philipper-, 
Galater-  und  Epheserbrief;  hier  ist  die  Echtheit  unbestritten.  Ob  sich 
Victorinus  auch  als  christlicher  Dichter  eingeführt  hat,  ist  sehr  grossen 
Bedenken  unterworfen;  es  tragen  zwar  mehrere  Gedichte  diesen  Namen, 
aber  die  Autorschaft  des  Victorinus  lässt  sich  bei  keinem  sicher  erweisen. 


144  Marina  Yictoriniui.    (§  881.)     . 

Bei  einem  Gedicht  über  die  sieben  maccabäischen  Brüder  deutet  zwar 
alles  auf  einen  Rhotor  als  Verfasser  hin,  allein  dass  dieser  Rhetor  gerade 
Victorinus  war,  kann  nicht  wahrscheinlich  gemacht  werden. 

Das  theologische  System  Victorins  ist  deshalb  interessant,  weil  eä 
ein  leuchtendes  Beispiel  dafQr  ist,  wie  die  nationale  Bildung  mit  den  christ- 
lichen Ideen  verschmolz.  Gewiss  w^oUte  Victorinus  orthodoxer  Christ  sein, 
allein  der  Neuplatonismus  hatte  in  seinem  Denken  so  tiefe  Wurzeln  ge- 
schlagen, dass  er  sich  von  ihm  bei  Entwicklung  christlicher  Gedanken 
nicht  lossagen  konnte.  Seine  Stellung  ist  daher  in  der  christlichen  Lit- 
teratur  eine  isolierte  und  ein  Einfluss  des  christlichen  Neuplatonikers  auf 

Augustin  unwahrscheinlich. 

Zeugnisse  über  die  christlichen  Schriften  des  Victorinus.  Hieronym.de 
vir.  illustr.  101  {Vicioritius)  scripsU  „adver atis  Avium*'  libros  more  dialectieo  valde  obscurot, 
qui  nisi  ab  eruditis  non  inteViguntur,  et  commentarios  „in  apostolum". 

Unzweifelhaft  echte  Schriften  sind:  1.  Liber  de  generatione  divini  Verbi 
adCandidumArianum.  Es  ist  die  Antwort  auf  einen  in  den  Handschriften  beigegebenen 
Brief  des  Arianers  Candidus  über  denselben  Gegenstand.  Ueber  den  Inhalt  der  Schrift  vgl 
G.  Geiger,  C.  Marius  Victorinus  Afer,  ein  neuplatonischer  Philosoph,  1,  Metten  1888,  p.  14. 
Die  Untersuchung  bewegt  sich  in  grossen  Spitzfindigkeiten. 

2.  Adversus  Arium  libri  quatuor,  ebenfalls  an  den  Arianer  Candidas  gerichtet 
und  zwar  als  Antwort  auf  einen  in  die  Handschrift  aufgenommenen  Brief  desselben.  Eioe 
kurzgefasste  Inhaltsangabe  bei  G.  Geiger  1  p.  14.  Ueber  die  falsche  Bacheinteilung  7^. 
Koffmane,  De  Mario  Victorino  philosopho  christiano,  Bresl.  1880,  p.  6.  Der  Anfang  deB 
Werks  bezieht  sich  auf  de  generatione  Verbi  divini.  Auf  die  BClcher  de  generatione  Verbi 
divini  und  auf  die  Bücher  gegen  Arius  weist  er  hin  Comment.  ad  Ephes.  1,  4  Sp.  1242  IL 
sed  de  h\8  ac  de  eodem  traciatu  alias  et  pluribus  explicavimus ;  1,  21  Sp.  1250  et  a  nobii 
in  his  libris  saepe  tractata  est,  et  alibi  plenius  explicata,  Ueber  die  Zeit  der  Schrift  vgl 
Reinhold  Schmid,  M.  Victorinus  Rhetor  und  seine  Beziehungen  za  Aagastin,  Kiel  1895, 
p.  9;  dass  sie  unter  Constantius  abgefasst  worden  ist,  ergibt  sich  aus  Adv.  Ariun  2,9 
Sp.  1096,  wo  es  vom  Konzil  zu  Nicaea  heisst:  Probatum  ab  imperatore  imperaiori*  nostri 
patre.  Im  Hinblick  auf  die  kirchlichen  Streitigkeiten  meint  Schmid  (p.  12)  mit  Recht 
dass  die  Situation  des  Werkes  am  besten  auf  das  Jahr  357,  in  welchem  das  Konzil  von 
Sirmium  abgehalten  wurde,  passt;  vgl.  1,  28  Sp.  1061;  2,  9  Sp.  1095. 

8.  De  homousio  recipiendo,  eine  kurze  Schrift  zur  Ergänzung  des  zweiten  Baches 
gegen  Arius.     Ueber  den  Inhalt  vgl.  G.  Geiger  1  p.  14. 

4.  Drei  Hymnen  zur  Lobpreisung  der  Trinität  oder  Christi,  nicht  metrisch  tb- 
gefasst,  sondern  wie  die  Psalmen  nach  dem  Gesetz  des  Parallelismus. 

5.  Commentare  zu  Paulus;  erhalten  sind  die  zum  Philipper-,  Galater-  (L.  2)  nnd 
Epheserbrief  iL.  2),  gedruckt  bei  A.  Mai,  Nova  collectio  veterum  Script.,  Tom.  3,  2,  1.  Ucb» 
die  Zeitfolge  vgl.  Comment.  ad  Philipp.  2,  6  Sp.  1207  plene  de  hoc  et  hie  tetigi  ad  EpheMw. 
Möglich  ist,  dass  Victorinus  noch  andere  Briefe  commentiert  hat;  vgl.  auch  Comment  ad 
Ephes.  1,  4  Sp.  1258  de  qua  et  in  aliis  epistolis  tractavimiis,  was  allerdings  nicht  streag 
beweisend  ist.  Mehr  Beweiskraft  hat  die  Stelle  Comment.  ad  Ephes.  4,  10  Sp.  1274,  wo  bei 
Gelegenheit  der  Lehre  von  mehreren  Himmeln  Victorinus  sagt:  de  quo  tractaiu  tarn  mutt« 
diximus  in  praeter ito.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  weist  er  hier  auf  einen  verioren  ge- 
gangenen Comnientar  zu  2.  Corinth.  12,  2  hin. 

Angezweifelte  oder  unechte  Schriften  sind:  1.  Ad  Justinum  Manichaenm 
contra  duo  principia  Manichaeorum,  et  de  vera  carne  Christi;  so  hat  Sirmond 
der  Schrift  den  Titel  gegeben,  welcher  in  der  handschriftlichen  Ueberlieferang  fehlt  Koff- 
mane (p.  5),  Gore,  Rcinh.  Schmid  (p.  8)  halten  das  Schriftchen,  das  bei  Hieronjmiis 
nicht  erwähnt  wird,  für  echt,  G.  Geiger  (p.  5  Anm.  3)  für  mindestens  sehr  zweifelhaft. 

2.  De  verbis  scripturae:  Factum  est  vespere  et  mane  dies  anas  (coepe- 
ritne  a  vespera  dies,  an  a  matutino).  Auch  dieser  Titel  wurde  von  Sirmond  gebildet,  di 
er  in  der  Handschrift  fehlt.  Ueber  den  Inhalt  des  Schriftchens  vgL  Reinh.  Schmid  p.  8; 
er  hält  dasselbe  für  imecht.  Für  echt  hält  es  Koffmane  p.  6;  G.  Geiger  hält  die  Echt- 
heit der  Schrift  für  mindestens  sehr  zweifelhaft  (p.  5  Anm.  8). 

3.  De  physicis  findet  sich  zwar  vereinigt  mit  Werken  des  Victorinas,  wird  aber 
nicht  ausdrücklich  demselben  beigelegt;  zuerst  herausgegeben  von  A.  Mai  (Nova  collectio 
veterum  Script.,  tom.  3,  2);  er  weist  die  Schrift  dem  Victorinus  zu.  Allein  Koffmane  (p.  7), 
Gore,  Reinh.  Schmid  (p.  9)  und  G.  Geiger  (p.  5  Anm.  3)  sprechen  sich  mit  Recht  für 
die  ünechthcit  derselben  aus. 


AoUiui  Donatns.    (§  832.)  145 

Mit  UDrecht  werden  folgende  Gedichte  unserem  Victorinns  zugeschrieben  (über  Vic- 
torin  als  beliebten  Automamen  vgl.  W.  Brandes,  Wien.  Stud.  12  (1890)  p.  313): 

1.  De  fratribus  Septem  Maccabaeis  interfectis  ab  Antiocho  Epiphane 
(Parisinus  2772:  de  martyt^  Maccahaeorum),  394  Hexameter.  Das  Thema  ist  aus  dem 
siebenten  Kapitel  des  zweiten  Buches  der  Maccabfter  entnommen.  Das  Gedicht  zeigt  rhe- 
torische Mache,  es  stellt  die  Mutter  in  den  Vordergrund,  welche  durch  ihre  Reden  den  König 
in  immer  neue  Wut  versetzt.  Von  christlichem  Geiste  ist  in  dem  Gedicht  wenig  zu  ver- 
^ILren.  In  der  Sprache  ist  Muster  Vergil,  aber  der  Dichter  weiss  die  poetische  Sprache 
nicht  festzuhalten  und  verf&Ut  oft  in  Prosa.  Koffmane  (p.  8)  will  mit  Beck  (De  Orosii 
fontibus,  Marburg  1832,  p.  37)  den  Hilarius  von  Arles  als  Verfasser  ansehen,  wogegen  sich 
A.  Ebert  (Allgem.  Gesch.  der  Litt  des  Afittelalters,  1'  (Leipz.  1889)  p.  124  Anm.  4)  und 
Peiper  (p.  XXVIII)  aussprechen.  Ueber  das  Gedicht  vgl.  noch  M.  Manitius,  Gesch. 
der  christl.-lat.  Poesie,  Stuttgart  1891,  p.  113;  Rhein.  Mus.  45  (1890)  p.  156;  vgl.  auch 
M.  Hertz,  Analecta  ad  carminum  Horatianorum  historiam  4  (Ind.  lect.  Breslau  1880,  p.  24). 
—  Ausg.:  Zuerst  von  G.  Fabricius,  Poetarum  vet.  opera  christ.  p.  443.  Es  folgten  die 
Ansg. :  Sanctae  reliquiae  duum  Victorinorum,  Pictavensis  unius  episcopi  martyris,  Afri  alterius 
Caii  Marii  ed.  A.  Rivinus,  Gotha  1652.  Abgedruckt  auch  bei  G.  F.  H.  Beck,  De  Orosii 
fontibus  p.  41;  Peiper,  Cypriani  Galli  Heptateuchus  (Corpus  Script,  eccles.  lat  28  (Wien 
1891)  p.  240)  in  ursprünglicher  und  interpolierter  Fassung. 

2.  De  cruce  (de  pascha,  de  ligno  vitae),  69  Hexameter.  Unter  dem  Bilde  eines 
Baumes,  dessen  Haupt  in  den  Himmel  reicht,  und  dessen  aus  den  beiden  Armen  sich  ent- 
wickelnde Zweige  sich  nach  allen  Seiten  des  Erdkreises  erstrecken,  stellt  der  Dichter  die 
Verbreitung  des  Christentums  dar.  Er  spricht  weiter  von  einer  Quelle,  die  sich  im  Schatten 
des  Baumes  befindet,  und  in  der  sich  alle  baden  müssen,  welche  die  Früchte  des  Baumes 
gemessen  wollen.  In  der  Sprache  schliesst  sich  der  Dichter  auch  an  Vergil  an.  Das  Ge- 
dieht wird  in  Handschriften  auch  dem  Cvprian  beigelegt;  vgl.  Ebert  p.  315;  Manitius 
p.  116.  Die  Allegorie  ist  schön  durchgeführt  und  das  Gedicht  anmutig  zu  lesen.  Heraus- 
gegeben von  G.  Fabricius  p.  302,  Rivinus  p.  140;  am  besten  von  Hartel,  Ausg.  Cy- 
prians  3  p.  305. 

3.  De  Jesu  Christo  deo  et  homine,  137  Hexameter.  Das  Gedicht  schildert  Ge- 
bort, Wunderthfttigkeit,  Tod  und  Auferstehung  Christi,  umfasst  also  die  gesamte  Heils- 
thltigkeit  des  Erlösers;  vgl.  Manitius  p.  115.  Herausgegeben  von  G.  Fabricius  p.  761; 
Rivinus  p.  124. 

Gegen  E.  Hückstaedts  (Das  Gedicht  adversus  Marcionem,  Leipz.  1875)  Zuteilung 
des  Gedichtes  adversus  Marcionitas  an  C.  Marina  Victorinns  vgl.  Koffmane  p.  35;  Waitz, 
Bas  pseudotertuU.  Gedicht  adv.  Marcionem,  Darmstadt  1901,  p.  83;  vgl.  §  860. 

Verlorene  und  unvollendete  Schriften.  Es  kommen  hier  folgende  Stellen  in 
Betracht:  1.  Comment.  ad  Ephes.  5,  2  Sp.  1283  de  qua  re  est  Über  certus  hoc  exponens  quid 
Spiritus  Sit,  et  quam  inteUigentiam  habeat,  ut  substantia  eius  possit  intelligi.  2.  Ebenda  4,  10 
8p.  .1274  ergo  passio  üla  Christi  et  resurrectio  et  ascensio,  perfectio  est  omnium  tarn  in 
mundo  quae  salvari  possent,  quam  in  aeternis,  et  super  omnes  coelos,  Quod  mysterium 
ßUnissime  unius  libri  explicatione  tractavimus.  3.  De  generatione  Verbi  div.  c.  31  Sp.  1036 
dictum  est  a  nobis  sufficienter,  ut  credo,  in  aliis  libris^  a  quo  sit  progressio  et  descensio; 
rtgrestiaque  promissi  saneti  spiritus  declarata  est;  ibidem:  de  iis  tribus  alia  nobis  oratio; 
▼^  G.  Geiger  1  p.  10  Anm.  2.  4.  Comment.  ad  Ephes.  1.  2  Sp.  1273  arbitror  de  isto  sensu 
iatoqut  tractatu  librum  aliquem  esse  complendum,  quem  permissu  Dei  iam  aggrediar,  ut  omnia 
neeessaria  ad  istius  modi  inteUigentiam  liberi  a  necessitaie  interpretationis  valeamus  implere, 

üeberlieferung.  Die  üeberlieferung  der  christlichen  Schriften  ist  noch  nicht  plan- 
mlMig  dargelegt.    Einfache  Au&fthlung  der  Handschriften  bei  Koffmane  p.  9. 

Ausg.  der  christlichen  Schriften  in  der  Bibliotheca  patrum  maxima,  tom.  4 
(Leiden  1677),  der  Bibliotheca  veterum  patrum  antiquorumque  scriptorum  ecclesiast.  ed. 
A.  Gallandi,  tom.  8;  Migne,  Patrolog.  tom.  8. 

Victorinns  und  Augustin.  Zum  erstenmal  hat  Gore  den  Einfluss  Victorins  auf 
Augostin  behauptet.  Harnack  (Dogmengesch.  3'  p.  30)  hat  diese  Ansicht  adoptiert,  er- 
weitert und  den  Victorinns  geradezu  als  Augustinus  ante  Augustinum  bezeichnet;  vgl.  auch 
denselben,  Zeitschr.  fOr  Theologie  und  Kirche  1891  p.  159.  Allein  Reinh.  Schmid  (Kiel 
1895  p.  68)  hat  erwiesen,  dass  ein  solcher  Einfluss  nicht  stattgefunden  hat. 

4.  Aelius  Donatus. 

832.  Die  Orammatik  und  die  Commentare  des  Donatus.  Der  be- 
rühmteste Grammatiker  dieser  Epoche  ist  Aelius  Donatus,  der  Lehrer  des 
Hieronymus,  der  seine  Blüte  um  die  Mitte  des  vierten  Jahrhunderts  an- 

HMidlmoh  d«r  klaM.  Alteriaiiiswineiiiohaft.    vm,  4.  10 


•^ 
<' 


146  AeliiM  DonatoB.    (§  832.) 

setzt.  Seine  Lehrwirksamkeit  entfaltete  er  in  Rom;  sonst  wissen 
nichts  über  sein  Leben,  die  Fabeleien  des  Mittelalters  sind  gänzlich  au 
Acht  zu  lassen.  Seinen  Ruhm  verdankt  Donatus  vornehmlich  seinem  gi 
matischen  Lehrgebäude.  Dasselbe  geht  aus  von  den  Bedürfnissen 
Schule  und  gibt  zunächst  in  der  sogenannten  ars  minor  einen  Elemen 
kursus  über  die  acht  Redeteile  in  Fragen  und  Antworten.  Daran  schli 
sich  ein  fortlaufendes  Lehrbuch,  welches  für  eine  höhere  Stufe  bestii 
ist.  Dasselbe  gliedert  sich  in  drei  Teile;  zuerst  werden  die  grammatis< 
Elemente,  wie  Laut,  Buchstaben  u.  s.  w.  behandelt;  dann  folgen  wiede 
die  acht  Redeteile;  daran  schliesst  sich  ein  Traktat  über  Fehler  und  Sei 
heiten  der  Rede.  Wie  man  sieht,  ist  der  Kern  des  ganzen  Lehrgebäu 
die  Lehre  von  den  acht  Redeteilen  doppelt  behandelt;  Wiederholungen  wi 
daher  nicht  ganz  zu  vermeiden.  Mit  Diomedes  (und  im  letzten  Teil  i 
mit  Charisius)  berührt  sich  Donatus,  wir  finden  sogar  Gleichheit  im  j 
druck ;  diese  Uebereinstimmung  der  beiden  Autoren  erklärt  sich  durch 
Benutzung  derselben  Quellen.  Der  Lehrgang  Donats  fand  ungeme 
Anklang.  Kein  Grammatiker  wird  so  häufig  citiert  als  er,  und  Comi 
tare  schlössen  sich  an  seine  ars  an;  wir  nennen  den  Commentai*  des 
vius,  die  sogenannten  Explanationes,  die  Commentare  des  Cledonius 
Pompeius.  Bis  ins  Mittelalter  zog  sich  diese  commentierende  Thätig 
hinein,  wie  die  Arbeit  des  Bischofs  Julianus  von  Toledo  aus  dem  siebe 
Jahrhundert  und  das  Lehrbuch  des  Remigius,  die  commenta  Einsidlensia, 
dem  neunten  oder  zehnten  Jahrhundert  erweisen.  Ausser  der  Gramm 
verfasste  Donatus  auch  noch  Commentare.  Zum  Gegenstand  dieser  Stu 
V  ■  nahm  er  sich  die  Dichter  Terenz  und  Vergil.    Der  Terenzcommentar  is 

'  allen  Stücken  des  Komikers  erhalten,  nur  zum  Heautontimorumenos  fe 

die  Erläuterungen;  wahrscheinlich  waren  aber  auch  diese  ursprünglich 
banden.    Der  Terenzcommentar  ist  nicht  in  seiner  ursprünglichen  Gei 
erhalten ;  so  wie  er  jetzt  vorliegt,  umfasst  er  zwei  Massen,  von  denen  ; 
jede  auf  Donatus  zurückgeht,  nur  dass  die  eine  uns  denCommentar  in  rein< 
die  andere  in  erweiterter  und  umgestalteter  Form  zeigt.    Der  Commei 
der  auf  trefflichen  Quellen  (z.  B.  Probus,  Asper)  und  auf  sorgfältigen  Stu 
des  Verfassers  ruht,  ist  sehr  wertvoll,  und  unser  besonderes  Interesse  ern 
die  Scholien,  welche  sich  auf  die  scenische  Darstellung  beziehen  und 
Vergleichung  der  griechischen  Originale  enthalten.    Ausser  Terenz  hat 
natus  auch  noch  Vergil  behandelt;   von  seinem  Commentar  hat  sich 
nur  erhalten  die  Widmung,  die  Vergilbiographie  und  die  Einleitung  zu 
Bucolica.   In  der  letzteren  tritt  schon  deutlich  das  Streben  zu  Tage,  inV< 
alles  Mögliche  hineinzugeheimnissen;  auch  diese  Reste  haben  für  uns  h< 
Wert.    Vielleicht  hat  Donatus  auch  noch  eine  rhetorische  Schrift  gescl 
ben;   denn  wir   finden   ein  Citat,   das  kaum  eine   andere  Deutung  zul 

Biographisches.  Hieronym.  z.  J.  2370  =  353  n.  Chr.  (2  p.  195  Seh.)  Victo 
rhetor  et  Donatus  grammätlcits,  praeceptor  mens,  Romae  inaignes  habentur.  ApoL 
Rufin.  1,  16  (2  Sp.  472  Vall.)  j;m/o  qtiod  puer  legeris  Aspri  in  Virgilium  et  SaUnstium 
mentarioSf  VtiJcatii  in  orationes  Ciceronis,  Victarini  in  dialogos  eius^  ei  in  Terentii  f< 
dias  praeceptoris  mei  Donatio  aeque  in  Virgilium^  et  aliorutn  in  alias,  Hieronym.  com 
in  eccles.  c.  1  (vol.  3  Sp.  390  Vall.)  huic  quid  simile  sententiae  et  Camicus  ait  j,nihil  est  di 
quod  non  sit  dictum  2)rius'*.  unde  praeceptor  meus  Donatus^  cum  istum  verneulun 
poneret:  pereant,   inquit,   qui  ante   nos   nostra   dixerunt.    In  der  Ueberschrift   des  Te 


Aelina  Donatas.    (§  832.)  147 

commentars  wird  er  genannt  Aelitis  Danattis  r.  c,  orator  urbis  Romae;  vgl.  H.  Keil  p.  XL; 
W essner,  Ansg.  p.  IX.  Der  Leidensis  nennt  ihn  in  der  ars  bloss  Danatus  Orammaticus 
urbis  Romae.  Dass  beide  Persönlichkeiten  identisch  sind,  leidet  keinen  Zweifel;  orator 
bedeutet  hier  so  viel  als  rhetor;  vgl.  Sabbadini,  Stadi  ital.  di  filol.  class.  3  (1895)  p.  339. 
Diesen  Titel  wird  aber  der  Grammatiker  Donat  erst  später  erhalten  haben.  Mim  darf  also 
wohl  schlieesen,  dass  der  Terenzcommentar  spftter  ist  als  die  Grammatik.  Wertlos  ist  die 
von  Fabeleien  strotzende  vita  des  Donat  von  Flaccns  Rebius  (H.  Hagen,  Anecdota  Helvetica 
p.  CCLX). 

Das  Verhältnis  der  beiden  artes.  Die  ars  minor  geht  in  der  Ueberliefening 
stets  der  ars  maior  voraus.  Pompeius  comment.  in  Donat.  (Gramm,  lat.  5  p.  98,  6)  bene 
fecit  Danatus,  pariem  illam  priorem  scribere  infantibus,  posteriorem  omnibus,  est  enim 
robusta  et  utilis.  Da  die  octo  partes  orationis  sowohl  in  der  ars  minor  als  in  der  ars  maior 
erscheinen,  ergibt  sich  f&r  die  Commentatoren  die  Notwendigkeit,  beide  Darstellungen  mit 
einander  zu  verbinden;  vgl.  Serv.  in  Donat.  (Gramm,  lat.  4  p.  440,  19)  et  cetera,  quae  in  su- 
periaribus  dicta  sunt,  in  posterioribus  illud  adicit.  Die  beiden  Darstellungen  der  Redeteile 
wurden  daher  in  der  Ueberlieferung  so  mit  einander  verbunden,  dass  auf  die  kleinere  un- 
mittelbar die  grössere  folgt;  vgl.  H.  Keil,  Gramm,  lat.  4  p.  XXXV.  Die  beiden  artes 
werden  vom  Autor  so  in  Zusammenhang  gebracht,  dass  die  Anfangsstufen  der  ars  minor 
als  absolviert  in  der  ars  maior  vorausgesetzt  werden,  so  dass  z.  B.  in  der  letzteren  die 
Paradigmen  fehlen;  vgl.  L.  Jeep  p.  24.    Ueber  z.  T.  scheinbare  Discrepanzen  vgl.  Jeep  p.  26. 

Die  grössere  ars  (Gramm,  lat.  4  p.  367)  handelt  de  voce,  de  littera,  de  syllaba, 
de  pedibus,  de  tonis,  de  posituris,  de  partibus  orationis;  nachdem  die  Redeteile  ausführlich 
abgehandelt  sind,  kommt  noch  ein  stilistischer  Anhang  hinzu :  de  barbarismo,  de  soloecismo, 
de  ceteris  vitiis,  de  metaplasmo,  de  schematibuSf  de  tropis. 

Quellen  des  Donatus.  Vgl.  H.  Keil  p.  XL:  «cum  Diomede  ita  per  Universum  libram 
consentit  Donatus,  ut  multis  locis  ....  non  solum  eaedem  res  tradaniur,  sed  etiam  verba 
verbis  respondeant.  in  quo  consensu  quamquam  quaedam,  maxime  in  initio  libri,  ita  com- 
parata  sunt,  ut  ex  uberioribus  Diomedis  commentarüs  brevior  Donati  disputatio  duci  po- 
tuerit,  tarnen  in  maiore  parte  praeceptorum,  quae  iisdem  verbis  conprehensa  apud  Diomedem 
et  Donatnm  leguntur,  dubitari  nequit  quin  ab  antiquiore  auctore,  tamquam  communi  fönte, 
uterque  suam  doctrinam  derivaverit.  nam  ut  apud  Diomedem  omnia  copiosius  et  doctius 
exposita  sunt,  quam  apud  Donatum,  ita  hie  iusto  rerum  ordine  et  ratione  disputandi  saepe 
veetigia  quaedam  antiquioris  doctrinae  retinuisse  videtur.  praeterea  multa,  maxime  in  iis 
quae  in  extrema  parte  libri  de  vitiis  et  virtutibus  orationis  scripta  sunt,  non  solum  cum 
Diomede,  sed  etiam  cum  Charisio  ita  consentiunt,  ut  haec  omnia  ex  eodem  fönte  ducta 
esse  plane  adpareat;  vgl.  Gramm,  lat.  1  p.  XLIX*^. 

Ueberlieferung  der  beiden  artes.  Die  massgebende  Handschrift  für  die  beiden 
artes  ist  der  Leidensis  122  s.  X;  ausserdem  wurden  von  Keil  herangezogen  fdr  die  grössere 
ars  codex  Berolinensis  Santenianus  66  s.  VIII  und  der  interpolierte  Parisinus  Sangermanensis 
1180  s.  IX,  fOr  die  minor  ars  der  im  Anfang  verstümmelte  codex  Monacensis  Emmeramus 
G.  121  s.  X;  vgl.  Keil,  Gramm,  lat.  4  p.  XXXIX. 

Commentare  zur  arsDonati.  1.  Der  Commentar  des  Grammatikers  und  Vergil- 
erklärers  Servius,  vgl.  §  835  p.  157  (Gramm,  lat.  4  p.  405).  2.  Die  zwei  Bflcher  explanationes 
in  artem  Donau,  die  dem  Servius  oder  Sergius  zugeschrieben  werden,  vgl.  §  835  p.  158  (Gramm. 
lat.  4  p.  486);  über  einen  verwandten  Traktat  primae  expositiones  Sergii  de  prioribus 
Donati  grammatici  urbis  Romae  vgl.  H.  Hagen,  Anecdota  Helvetica  p.  143;  p.  LXXXIX; 
S.  Der  Commentar  des  Cledonius  (Gramm,  lat.  5  p.  9);  der  ebenfalls  beide  artes  umfasst 
imd  in  sehr  trauriger  Fassung  überliefert  ist;  vgl.  Jeep  p.  40  und  A.  Schellwien,  De 
Cledonii  in  Donatum  commentario,  Königsberg  1894  (Ziel  ist:  Ausscheidung  der  Interpola- 
tionen). 4.  Commentum  artis  Donati  von  Pompeius  zur  grösseren  ars  (Gramm,  lat.  5  p.  95); 
▼gl.  Jeep  p.  43.  5.  Der  Commentar  des  Bischofs  Julianus  von  Toledo  (680—690);  über 
den  Commentar  vgL  Jeep  p.  55;  Exzerpte  daraus  Gramm,  lat.  5  p.  313;  Hanow,  De  Juliane 
Toletano.  Jena  1891.  6.  Commenta  Einsidlensia  in  Donati  artem  maiorem,  minorem,  barbaris- 
mam  s.  IX/X  (Hagen,  Anecdota  p.  202;  p.  CVII).  7,  Der  Commentar  des  Remigius  von 
Anxerre,  des  Schülers  Heirics  (vgl.  §  420a  p.  180),  zur  ars  minor  wurde  auf  Grund  des 
Monacensis  14763  s.  X  von  W.  F  o  x  herausgegeben  (Remigii  Autissiodorensis  in  artem  Donati 
minorem  conmientum,  Leipz.  1902);  verstümmelter  Abdruck  bei  Hagen  1.  c;  vgl.  Heraeus, 
Berl.  philol.  Wochenschr.  1902  Sp.  1372. 

Die  Commentare  zu  Terenz  und  VergiL  [Sergii]  explanat.  Gramm,  lat  4  p.  486,  8 
kie  Donatus  F.  C.  D.  Vergilianum  Carmen  vel  Terenti  comoedias  mirifice  commentavit. 

a)  Der  Terenzcommentar.  Da  wir  oben  (§  45,  1'  p.  88)  diesen  Commentar  bereits 
besprochen  haben,  kann  es  sich  hier  nur  darum  handeln,  Nachträge  zu  dem  Dargelegten 
so  geben.  Auszugehen  ist  von  Sabbadinis  Ansicht  über  die  Entstehung  des  Commentars; 
dkse  läuft  darauf  hinaus,  dass  der  Kern  des  Commentars  auf  Donat  zurückzuführen  ist,  der 

10* 


148  AeliiM  Doaatiui.    (§  882). 

einen  fortlaufenden  Commentar  geschrieben  habe.  Za  diesem  Commentar  seien  Marginal- 
noten  gefügt  worden,  sei  es  zur  Bekämpfung,  sei  es  zur  Erlftuterung.  Dieser  Donat- 
commentar  sei  von  einem  anderen  ausgezogen  und  an  den  Rand  seines  Exemplars  mit 
einem  auf  Donat  hinweisenden  Zeichen  geschrieben  worden;  endlich  ein  Dritter  habe  diese 
beiden  Massen  vereinigt.  Der  Redaktor  ging  darauf  aus,  alles  was  er  zu  einem  Vers  an- 
gemerkt fand,  zusammenzustellen,  nur  im  Phormio  2,  8  hat  er  die  beiden  Scholienmaasen 
nacheinander  gegeben,  ohne  sie  auseinander  zu  reissen.  Einwendungen  gegen  diese  An- 
sicht hat  E.  Thomas  (Revue  critique  1894  p.  203)  erhoben.  Auch  Wessner  (Berl.  philol. 
Wochenschr.  1895  Sp.  428)  modifiziert  etwas  unwesentlich  die  Sabbadinl'sche  H3rpothese.  Er 
nimmt  an,  dass  auch  die  erste  Scholienmasse  dem  Compilator  am  Rande  einer  Terenzhand- 
schrift  vorlag,  wodurch  sich  manche  Lücken  besser  erklären.  Auch  die  zweite  Scholien- 
masse beruhe  auf  dem  Donatcommentar,  sei  aber  durch  Zusätze  vermehrt  worden;  sie  habe 
ebenfalls  in  einer  Terenzhandschrift,  vielleicht  mit  einer  auf  Donat  hinweisenden  Bemerkung, 
gestanden.  Beide  Scholienmaasen  seien  mit  Ausnahme  des  Schlusses  (von  Phormio  2,  3  an] 
in  einander  verarbeitet  worden.  Wesentlich  ebenso  äussert  sich  Rabbow,  De  Donati  com- 
mento  in  Terentium  specimen  observationum  primum  (Fleckeis.  Jahrb.  155  (1897)  p.  330): 
«Commentarium  Terentii  unum  a  duobus  scimus  olim  expilatum  esse  interpretibus,  haec  autem 
duumvirum  excerpta  gemella  in  scholüs  Donateis  congregata  haben.*  üeber  die  praefa- 
tiones  zu  Adelphoe  und  Eunuchus  einerseits  und  zu  den  der  Andria,  Hecyra  und  Phormio 
andererseits  vgl.  Rabbow  p.  323;  über  kritische  Zeichen  p.  839.  Einen  weiteren  Beitrag  zur 
Frage  liefert  Ed.  Smutny,  De  scholiorum  Terentianorum  quae  sub  Donati  nomine  feruntur 
auctoribus  et  fontibus  quaest.  selectae,  Wien  1898  (Diss.  philol.  Vindob.  vol.  6  p.  98);  vgl. 
dazu  Wessner,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1900  Sp.  74.  Einschneidender  ist  die  Abhandlung 
Wessners,  Untersuchungen  zur  lateinischen  Scholienlitteratur,  Bremerhaven  1899.  Hier  wird 
auch  die  Euanthiusfrage  behandelt;  Rufinus  citiert  aus  der  Einleitung  des  Donat  (de  fabola) 
zwei  Stellen  unter  dem  Namen  des  Euanthius.  Der  Schluss  ist  unabweisbar,  dass  die  Ka- 
pitel 1 — 3  der  Einleitung,  in  der  diese  Stellen  stehen,  dem  Euanthius  angehören.  Dagegen 
betrachtet  Wessner  Kap.  4 — 8  der  Einleitung  als  eine  bunte  Mischung  von  Notizen,  die  aus 
verschiedenen  Zeiten  stammen  und  nichts  mit  Donat  zu  thun  haben.  Die  Einleitung  des 
Euanthius  sei  von  Donat  in  seinen  Commentar  herübergenommen  worden;  es  sei  auch  nicht 
ausgeschlossen,  dass  Euanthius  im  Commentar  benutzt  sei,  aber  ihm  von  vornherein  be- 
stimmte Massen  zuzuweisen,  sei  unthunlich.  Auch  gibt  Wessner  in  dieser  Abhandlung 
weitere  Beiträge  zur  Ueberliefenmgsgeschichte ;  vgl.  noch  R.  BAttner,  Zur  Ueberlieferung 
der  vita  Terentii  in  dem  Commentar  des  Donatus  (Fleckeis.  Jahrb.  149  (1894)  p.  73).  Ueber 
das  Verhältnis  der  Scholien  zu  der  Interpunktion  des  Joviales  im  Bembinus  vgl.  Kauer, 
Zu  Terenz  (Wien.  Stud.  22  (1900)  p.  56);  K.  W.  Smith,  Archaisms  of  Terence  mentioned  in 
the  Commentary  of  Donatus,  Baltimore  1890.  Sehr  erfreulich  ist,  dass  endlich  eine  auf  kriti- 
scher Grundlage  ruhende  Ausgabe  im  Erscheinen  begriffen  ist;  der  erste  Teil  dieser  Aus- 
gabe liegt  vor  in:  Aeli  Donati  quod  fertur  commentum  Terenti.  Accedunt  Eugraphi  com- 
mentum  et  scholia  Bembina  rec.  P.  Wessner,  Leipz.  1902.  Als  die  besten  Handschriften 
erachtet  Wessner  Pansinus  7920  s.  XI  (A),  Vaticanus  Regln.  1595  s.  XIII  (B),  Vaticanus  1496 
s.  XV  (V  ^).  Da  aber  der  grösste  Teil  des  Commentars  in  diesen  Handschriften  nicht  erhalten 
ist,  sind  wir  auf  die  Ueberlieferung  des  verloren  gegangenen  cod.  Maguntinus  angewiesen. 
Von  den  uns  diese  ueberlieferung  übermittelnden  Zeugen  enthalten  Vaticanus  2905  s.  XV  (T) 
und  Riccardianus  669  s.  XV  (R)  nur  einen  kleinen  Teil  des  Commentars,  während  in  dem  Oxo- 
niensis  95  s.  XV  (C)  und  Florentinus  Marucell.  C  224  s.  XV  (P)  der  Commentar  voUstAudig 
überliefert  ist;  vgl.  Wessner,  Ausg.  p.  XLII;  Archiv  für  lat.  Lexikographie  12  (1901)  p.284. 
(Die  einleitenden  Traktate  über  die  Komödie  Kap.  1  —  8  in  der  Recension  Leos  bei  Raibel, 
Comicorum  graecorum  fragm.  1  (Berl.  1899)  p.  62.) 

ß)  Der  Vergilcommentar  des  Donatus.  Von  dem  Commentar  ist  erhalten  ein 
Widmungsbrief  und  zwar  im  Parisinus  1011  s.  IX  mit  der  üeberschrift  Fl.  (zu  lesen  El.) 
Donatus  L.  Munatio  suo  salutem,  veröffentlicht  von  E.  Wölfflin,  Philol.  24  (1866)  p.  154. 
Im  Anfang  heisst  es:  Jnspectis  fere  omnibus  ante  me  qui  in  Vergilii  opere  ccUlueruntf  bre- 
vitati  admodum  studens  quam  te  amare  cognoveram,  adeo  de  muUis  pauca  decerpsi^  Mi 
magis  iustam  offensionem  lectoris  exspectem,  quod  veterum  sciens  mulfa  transierim,  quam 
quod  paginam  compleverim  super vacuis.  Weiter  erhalten  ist  uns  die  Vergilvita,  die  im 
wesentlichen  auf  Sueton  zurückgeht;  über  dieselbe  vgl.  §  218,  2;  A.  Reifferscheid,  Suet 
rel.,  Leipz.  1800,  p.  400.  Zur  üeberiiefening  vgl.  H.  Hagen,  De  Donatianae  Vergilii  viUe 
codicibus  (Scholia  Bemensia  ad  Vergilii  Bucolica  atque  Georgica,  Fleckeis.  Jahrb.  Supple- 
mentbd.  4  (1861—1867)  p.  676).  Daran  schliesst  sich  die  Einleitung  zu  den  Bucolica.  üeber 
die  allegorische  Deutung  der  Reihenfolge  dieser  Gedichte  vgl.  Comparetti,  Vergil  im 
Mittelalter,  Leipz.  1875,  p.  53  (übersetzt  von  Dütschke)  und  oben  §  247  p.  85.  Dass  der 
von  Servius  und  Priscian  viel  citierte  Vergilcommentar  noch  in  der  ersten  Hälfte  des  Mittel- 
alters existierte,  glaubt  Thilo  (praef.  zu  Servius  1  p.  XVI  Anm.  2)  annehmen  zu  dürfen. 
Den  Text  der  vita  und   die  Einleitung  zu  den  Bucolica  gibt  auf  Grundlage  des  BemenaB 


Flavina  Boaipater  Charisins.    (§  838.)  149 

172  8.  IXfK  am  besten  H.  Hagen  1.  c.  p.  734.  Ueber  Donat  als  VergUerklftrer  vgl.  0.  Rib- 
beck, Proleg.  crit.  ad  Verg.,  Leipz.  1866,  p.  178;  L.  Valmaggi,  Rivista  di  filol.  14  (1885) 
p.  1;  Sabbadini,  Moseo  ital.  di  ant.  class.  3  (1890)  p.  367;  Goetz,  Der  Liber  glossarum 
(Abb.  der  sftcbs.  Ges.  der  Wissenscb.  13  (1891)  No.  II  p.  213).  —  Ueber  den  rhetorischen 
Commentar  des  Tiberios  Claudias  Donatas  zur  Aeneis,  der  dem  Ende  des  4.  Jahrhunderts 
angehört,  vgl.  §  248,  2. 

Rhetorische  Schrift  des  Donatus.  Rufinus  de  compositione  et  de  metris  ora- 
tonun  (rhetores  lat.  min.  ed.  C.  Halm  p.  583,  24)  Donatus  de  strueturU  et  pedibus  oratoriis 
numerarum  sie  dirit.  Vgl.  Sabbadini,  Studi  ital.  di  filol.  class.  3  (1895)  p.  339.  Anderer 
Ansicht  ist  Keil,  Gramm,  lat.  4  p.  XXXVI. 

Fortleben  des  Donatus.  Vgl.  H.  Keil  p.  XXXVI:  „nullius  grammatici  frequentior 
apnd  posteros  memoria  fuit,  quam  Donati.'  Ueber  das  Verhältnis  des  Donat  und  Diomedes 
▼gl.  Jeep,  Redeteile  p.  58;  Die  jetzige  Gestalt  der  Grammatik  des  Charisius  (Rhein.  Mus. 
51  (1896)  p.  402  u.  a.).  Ueber  Priscian  vgl.  Keil  L  c;  über  Cassiodorius  ebenda.  Cassiodor, 
Gramm,  lat.  7  p.  214,  25  nobis  tarnen  placet  in  medium  DoncUum  dedueere,  qui  et  pueris 
speeialiter  aptus  et  tiranibus  probatur  aceammoduSf  cuitM  gemina  commenta  reliquimus  ut 
9upra  quod  ipse  planus  est  fiat  clarior  dupliciter  explanatus.  Donatus  igitnr  in  secunda 
parte  ita  disceptat  [de  voce  articulata,  de  littera,  de  sylläba,  de  pedibus,  de  accentibus,  de 
poHturis  seu  distinctionibus,  et  Herum  de  partibus  orationis  VIII,  de  sehematibus,  de  etoemo- 
loffiis,  de  ort?iographia].  p.  216,  1  ceterum  qui  ea  voluerit  latius  pleniusque  cognoscere,  cum 
praefatione  sua  codicem  legat,  quem  nostra  curiositate  formavimus,  id  est  artem  Donati, 
cui  de  orthographia  librum  et  alium  de  etymologiis  inseruimus,  quartum  quoque  de  Schema^ 
Uhus  Sacerdotis  adiunximus.  —  Gräfenhan,  Geschichte  der  klassischen  Philol.  4,  Bonn 
1850,  p.  107.  Die  über  den  Terenzconmientar  vorhandenen  Zeugnisse  sind  zusammengestellt 
von  Wessner,  Ausg.  p.  VI. 

Ueber  Donatus  und  Lactantius  Placidus  vgl.  2',  I  §  313  p.  238. 

5.   Flavius  Sosipater  Charisius. 

833.  Die  Orammatik  des  Charisius.  Durch  eine  alte  Neapolitaner 
Handschrift  ist  uns  in  lückenhafter  Gestalt  ein  grammatisches  Werk  er- 
halten, das  an  der  Spitze  den  Namen  Flavius  Sosipater  Charisius  trägt. 
Ueber  seine  Persönlichkeit  zu  sprechen,  bot  der  behandelte  Stoff  keinen 
Anlass  dar;  nur  durch  die  Vorrede  schimmern  einige  individuelle  Züge 
hindurch.  Er  nennt  sich  einen  magister  und  wünscht,  seinen  Sohn  mit 
den  Regeln  der  lateinischen  Sprache  bekannt  zu  machen,  damit  er  durch 
seinen  Eifer  ersetze,  was  ihm  seine  natürliche  Heimat  versagt  habe.  Nach 
diesen  Worten  dürfen  wir  wohl  vermuten,  dass  des  Grammatikers  Heimat 
nicht  Italien  war.  Damit  gewinnt  aber  eine  Conjektur  sehr  an  Wahr- 
scheinlichkeit, dass  in  dem  Grammatiker  Charistus,  den  Hieronymus  im 
Jahre  358  als  Nachfolger  des  verstorbenen  Grammatikers  Euanthius  aus 
Afinka  nach  Constantinopel  kommen  lässt,  unser  Charisius  stecke.  Da- 
durch wäre  auch  die  Zeit  des  Sprachmeisters  fest  gegeben,  und  in  der 
That  gewinnen  wir  kein  Indicium  aus  der  Quellenanalyse  und  der  Be- 
nutzung des  Charisius,  das  gegen  diesen  Zeitansatz  ins  Feld  geführt  werden 
könnte.  Wie  die  Vorrede  besagt,  bestand  das  Werk  aus  5  Büchern.  Von 
diesen  5  Büchern  sind  nur  das  zweite  und  dritte  vollständig  auf  uns  ge- 
kommen; vom  ersten  fehlt  der  Anfang,  das  vierte  Buch  hat  noch  grössere 
Verluste  erlitten,  vom  fünften  endlich  ist  uns  lediglich  ein  Fragment  de 
idiomatibus  erhalten.  Gegen  den  Schluss  des  Werkes  wird  die  Ueber- 
lieferung  bezüglich  des  Eigentums  des  Charisius  unsicher,  da  fremde  Be- 
standteile mit  denen  des  Charisius  zusammengeflossen  sein  können  und 
der  letzte  Teil  des  auf  die  Vorrede  folgenden  Kapitelverzeichnisses  keine 
mchere  Gewähr  bietet.  Das  Lehrgebäude,  das  Charisius  aufbaut,  be- 
schränkt sich  nicht  auf  die  eigentliche  Grammatik,   sondern  greift  auc^ 


150  Flavina  Bosipater  Chariaiiui.    (§  888.) 

in  das  Gebiet  der  Stilistik  und  Metrik  über.  Von  den  drei  ersten  Büchern, 
welche  der  Grammatik  gewidmet  sind,  behandelt  das  zweite  die  8  Bede- 
teile, das  dritte  gibt  einen  Anhang  zur  Lehre  vom  Verbum.  Eigentümlich 
gestaltet  ist  das  erste  Buch;  es  beginnt  nach  hergebrachter  Weise  mit 
der  Erörterung  der  allgemeinen  grammatischen  Begriffe,  die  jedoch  am 
Anfang  verstümmelt  ist,  schreitet  aber  dann  zu  einer  Darstellung  der 
Nominalverhältnisse,  welche  eigentlich  im  zweiten  Buch  hätten  behandelt 
werden  sollen.  Mit  dem  vierten  Buche  beginnen  die  stilistischen  und  metri- 
schen Erörterungen;  von  beiden  Teilen  sind  uns  Stücke  erhalten.  Das  Werk 
des  Charisius  ist,  wie  aus  der  Vorrede  hervorgeht,  im  wesentlichen  eine 
Compilation  aus  verschiedenen  Grammatiken;  um  selbständige  Durchdringung 
des  Stoffes  ist  es  ihm  so  wenig  zu  thun,  dass  er  seine  Auszüge  aus  ver- 
schiedenen Autoren  einfach  neben  einander  stellt.  Der  Wert  des  Lehr- 
gebäudes ruht  also  in  den  verlorenen  Werken,  welche  Charisius  ausge- 
schrieben. Diese  aufzudecken,  hat  sich  eine  Reihe  von  Gelehrten  bemüht; 
selbstverständlich  sind  diese  Untersuchungen  mit  grossen  Schwierigkeiten 
verbunden,  und  die  Abtrennung  der  verschiedenen  Bestandteile  wird  immer 
mehr  oder  weniger  Zweifeln  unterworfen  sein.  Charisius  selbst  nennt  als 
Quellen  Palaemon,  Cominianus  und  Julius  Romanus. 

Die  Vorrede.  H.  Keil,  Gramm,  lat  1  p.  1  2^.  Sosipater  Charisius  v.p.  magister  urhU 
Romae  filio  karissimo  salutem  dicit.  Amore  Intini  sertnonis  obligare  te  cupiens,  fili  karissimt^ 
artem  grammaticam  (vielleicht  war  dies  auch  der  Titel  seines  Werks;  vgl.  H.  Keil  1.  c.  p.  LVIlj 
sollertia  doctissimorum  virorum  politam  et  a  me  digestam  in  Ubris  quinque  dono  tun  mUi. 
qua  penitus  inspecta  cognosces  quatenus  latinae  facundiae  licentia  regatur  aut  natura  aui 
analogia  aut  ratiane  curiosae  observationis  aut  consuetudine,  quae  multorum  consensione 
eonvaluit,  aut  certe  auctoritaie,  quae  prudentissimorum  opiniane  reeepta  est.  erit  tarn  tuat 
diligentiae  frequenti  recitatione  studia  mea  ex  variis  artibus  inrigata  memoriae  tuisque 
sensibus  mandare,  ut  quod  originalis  patriae  natura  denegavit  virtute  animi  ctdfectasst 
videaris.  Zu  bemerken  ist,  dass  wir  bei  der  VerstAmmlung  der  Handschrift  zum  Teil  auf  die 
editio  princeps  angewiesen  sind,  in  der  die  Worte  urbis  Romae  bis  dicit  fehlen. 

Der  Name  des  Grammatikers  erscheint  vollständig  in  der  Ueberschrift  des  voraus* 
geschickten  Briefes  und  bei  Rufinus,  Gramm,  lat.  6  p.  572,  18;  doch  bietet  die  handschrift- 
liche UeberUeferung  des  Rufinus  Flu.  statt  Fl,  Sosipatei'  Charisius  wird  der  Grammatiker 
genannt  bei  Rufinus,  Gramm,  lat.  6  p.  565,  4.  Gewöhnlich  heisst  er  nur  Charisius.  H.  Keil, 
Gramm,  lat.  1  p.  XLVni:  „fuit  hie  posterioris  aetatis  mos  ut  Cominiani  nomine  libros  Ghariaü 
nuncuparent* ;  vgl.  auch  noch  Hagen,  Anecdota  Helvet.  p.  CLVI.  Diese  Verwechalang  riüut 
wahrscheinlich  daher,  dass  der  verlorene  Teil  der  ars  den  Namen  des  Cominianas  an  der 
Spitze  trug;  vgl.  H.  Keil  p.  XLVni:  dagegen  W.  Christ,  Philol.  18  (1862)  p.  123.  Ueber  Ex- 
cerpta  Cominiani,  die  A.  Mai  (Classici  auctores  5  (1888)  p.  150)  mitgeteilt  hat,  vgl.  H.  Keil 
p.  XXII  und  p.  180,  27. 

Fla  vi  an  US.  Es  findet  sich  eine  Reihe  von  Stellen,  wo  ein  Grammatiker  Flavianos 
citiert  wird;  da  alle  diese  Stellen  sich  auch  bei  Charisius  fast  wörtlich  finden,  sehen 
H.  Keil  (Hermes  1  (1866)  p.  383)  und  Hagen  (Anecdota  Helvet.  p.  CLXIII)  den  Sckloss, 
dass  ein  Grammatiker  Flavianus  nicht  existiert  habe  und  seine  Existenz  nur  einer  iirt&m- 
lichen  Auflösung  des  Vornamens  des  Charisius  verdanke,  während  A.  Riese  (Heidelberger 
Jahrb.  1871  p.  585)  vielmehr  die  Schlussfolgerung  gezogen  wissen  will,  dass  Flavianns  dem 
Charisius  als  Vorname  beizulegen  sei.  Im  Gegensatz  zu  dieser  Anschauung  hält  L.  M  (Li  1er 
(Fleckeis.  Jahrb.  93  (1866)  p.  561)  an  der  Existenz  eines  in  späterer  Zeit  lebenden  Grun- 
matikers  Flavianus  fest.  Schwer  ist  ein  Urteil  zu  gewinnen  über  Hber  I  Flaviani  de  con- 
sensu  nominum  et  verborum,  der  in  Katalogen  von  Bobbio  bei  Muratori,  Ant.  ItaLtom.  S 
p.  820  und  von  Michelsberg  erwähnt  wird;  vgl.  G.  Becker,  Catalogi  bibl.  antiqoi,  Bonn  188^ 
Nr.  32,  425  (p.  69);  80,  196  (p.  193).  Wohl  unrichtig  identifiziert  Reifferscheid  (Miein. 
Mus.  16  (1861)  p.  23)  den  Flavianus  mit  Nicomachus  Flavianus,  den  wir  oben  als  als  einen 
Anhänger  der  heidnischen  Religion  kennen  gelernt  haben. 

Zeit  und  Heimat  des  Grammatikers.  Da  Charisius  von  Servius  citiert  wird 
(Verg.  Aen.  9,  329),  kann  Charisius  nicht  nach  dem  4.  Jahrhundert  geschrieben  haben. 
Der  terminus  post  quem  bestimmt  sich  durch  die  Benutzung  des  Julius  Romanna,  Gomi* 


FlaTins  Soaipater  Charisma.    (§  883.)  151 

nianuB  und  Marcins  Salutans.  Da  der  letztere  vir  peffectisaimus  von  Gharisius  genannt 
wird  (1  p.  229,  19),  scheint  derselbe  im  4.  Jahrhundert  gelebt  zu  haben;  doch  vgl.  A.  Eie ss- 
lin g,  De  person.  Horatian.,  Greifswald  1880,  p.  6  Anm.  6.  Damach  müsste  man  den  Gram- 
ma&er  dem  4.  Jahrhundert  zuweisen.  Viel  bestimmter  ergibt  sich  die  Zeit  des  Gharisius, 
wenn  eine  Gonjektur  Useners  (Rhein.  Mus.  23  (1868)  p.  492)  richtig  ist.  Wir  lesen  nämlich 
Hieronym.  z.  J.  2374  =  358  (2  p.  195  Seh.):  EmtnUus  eruditissimus  grammaticarum  Con- 
»iafUinopoH  dient  obit.  in  cuius  locum  ex  Afriea  Charistus  (so  der  Bemensis«  wfthrend  Aman- 
dinus  chrestus  hat;  üsener:  Charisitis)  adducitur.  Damit  wftre  auch  die  Heimat  des  Gram- 
matikers gegeben.  Dagegen  spricht  nicht  215,  22  hodieque  nostri  per  Campaniam  sie  lo- 
runtur  (vgl.  Froehde,  DeG.  Julio  Romano  Gharisii  auctore,  Leipz.  1892,  p.  672),  wohl  aber 
dafür  die  Worte  der  Vorrede:  ut  quod  originalis  patriae  natura  denegavit  virtute  animi 
adfeciasse  videaris, 

Excerpta  Bobiensia.  Aus  einem  cod.  Vindob.  16  s.  VII/VIII  gaben  Eichenfeld 
und  Endlicher  in  den  Anal,  gramm.,  Wien  1837,  p.  75  eine  grammatische  Schrift  (de  no- 
mine, de  pronomine,  de  verbo)  heraus,  welche,  da  die  Handschrift,  aus  der  sie  publiziert 
wurde,  aus  Bobbio  stammt,  von  H.  Keil  excerpta  Bobiensia  genannt  wurde,  jetzt  auch 
mit  Anonymus  Bobiensis  bezeichnet  wird.  Massgebende  Ausgabe  von  H.  Keil,  Gramm. 
lat.  1  p.  533.  Die  excerpta  Bobiensia  zeigen  eine  auffallende  Verwandtschaft  mit  Gharisius; 
diese  Verwandtschaft  ist  aber  nicht  so  zu  deuten,  dass  die  exe.  Bob.  aus  Gharisius  geflossen 
sind,  wie  H.  Keil  früher  angenommen  (Gramm,  lat.  1  p.  XVill),  sondern  so,  dass  die  Ex- 
zerpte und  Gharisius  auf  dieselbe  Quelle  zurückgehen.  W.  Ghrist,  Philol.  18  (1862)  p.  136; 
H.  Keil,  Gramm,  lat.  7  p.  369;  F.  Boelte,  De  artium  Script,  lat,  Bonn  1886,  p.  51,  p.  17; 
H.  Nettleship,  Journal  of  philol.  15  (1886)  p.  27;  L.  Jeep,  Rhein.  Mus.  44  (1889)  p.  41. 
Ueber  die  Exzerpte  und  Gominian  vgl.  Jeep,  Redeteile  p.  13.  Auch  mit  Dositheus  zeigen 
diese  Exzerpte  enge  Verwandtschaft;  über  diese  Verwandtschaft  vgl.  H.  Keil,  Gramm,  lat.  7 
p.  369;  Jeep,  Redeteile  p.  16.  Im  allgemeinen  vgl.  noch  Goetz,  Pauly-Wissowas  Real- 
encycl.  1  Sp.  2333. 

Ueber  die  Excerpta  Parisina  des  cod.  Parisinus  7530  s.  VIII  vgl.  H.  Keil,  Gramm. 
lat.  1  p.  XVni.  Ueber  die  Excerpta  des  cod.  Bemensis,  Leidensis  und  Sanctamandinus  vgl. 
Keil  1.  C.  p.  XIX. 

Quellen  des  Gharisius.  Die  Quellenuntersuchung  hat  von  den  Stellen  auszugehen 
an  denen  Gharisius  seine  Autoren  ausführlich  nennt;  diese  Autoren  sind  folgende:  a)  Palae- 
mon  p.225, 5  Palaemon  aatem  ita  definit  (de  cottiunctione);  231, 1  de praepositionibus  PcUaemon 
ta  definit;  232,  11  apud  Palaemanem;  238,  23  Palaemon  ita  definit  {de  interiectione);  /9)  Go- 
minianus  147, 18  ablativus  casus  singutaris,  ut  ait  Cominianue  grammcUicus  ....  terminatur; 
175,  29  de  caniugationibus,  quas  nos  ordines  praediximue,  Ckwiinianue  diaertiseimus  gram- 
maticus  ita  disseruit;  180, 11  CominiantM  grammatieus  ita  de  participio  breviter  refert;  181, 15 
ei  haec  quidem  (de  adverbio)  breviter  Cominianus  grammatieus  disseruit ;  224,  24  de  coniunc- 
tiane,  ut  ait  Cominianus;  230,  4  de  praepositione,  ut  ait  Cominianus;  238,  19  de  interiectione , 
ut  ait  Cominianus;  265,  2  de  barbarismo,  ut  ait  Cominianus;  266,  15  de  soloecismOy  ut  ait  Co- 
minianus, y)  Julius  Romanus  c.  17  (p.  116,  29)  de  analogia,  ut  ait  Romanus;  190,8 
G.  Julius  Romanus  ita  refert  de  adverbio;  229,  3  (de  coniunctione);  236,  16  Gaius  Julius  Ro- 
n%anus  de  praeposi  tionibus  libro  dtpogfuüy  ita  refert;  239,  1  G.  Julit4S  Romanus  ita  refert; 
es  folgt  die  Dennition  der  Interiectio;  vgl.  H.  Keil,  Gramm,  lat.  1  p.  XLV.  Es  ist  aber  nicht 
sweifelhaft,  dass  Gharisius  auch  ungenannte  Autoren  benutzt  hat,  z.  B.  12,  4  aliis  ita  de  syllaba 
ptacuit  definire;  14,  10  aliis  ita  placuit  de  syllabis  eommunibus  definire;  114,  30  aliis  ita 
placuit  definire  (de  comparationibus);  vgl.  L.  Jeep,  Zur  Gesch.  der  Lehre  von  den  Redeteilen 
bei  den  lateinischen  Grammatikern,  Leipz.  1893,  p.  7.  Bei  der  Feststellung  der  Quellen  sind 
aacb  die  Autoren  heranzuziehen,  die  aus  denselben  Quellen  schöpften  wie  Gharisius,  so 
Dositheus  und  Marius  Victorinus.  Ueber  die  Bedeutung  der  excerpta  Bob.,  welche  hier 
besonders  in  Betracht  kommen,  vgl.  Jeep,  Redeteile  p.  11;  p.  13;  p.  2;  p.4.  Die  Quellen  des 
Gharisius  wurden  eingehend  untersucht,  wobei  besonders  die  Kapitel  15  und  17  des  1.  Buchs 
herangezogen  wurden;  die  gewonnenen  Resultate  ruhen  naturgemäss  auf  unsicherem  Funda- 
ment. —  A.  Schottmüller,  De  Plinii  libris  grammaticis,  Bonn  1858,  p.  7;  W.  Ghrist, 
Gharisius  (Jahresber.),  Philol.  18  (1862)  p.  112;  F.  Glausen,  Ueber  einen  Abschnitt  (vom 
Verbum)  aus  der  ars  grammatica  des  Gharisius,  Berl.  1873;  G.  v.  Morawski,  Quaestionum 
Charis.  specimen  (Hermes  11  (1876)  p.  339);  H.  Kummrow,  Symbols  ad  grammaticos  lat.. 
Greif swald  1880,  p.  9;  H.  Neumann,  De  Plinii  dubii  sermonis  libris  Gharisii  et  Prisciani 
fontibns,  Kiel  1881;  F.  Boelte,  De  artium  scriptoribus  lat.,  Bonn  1886;  Die  Quellen  von 
Gharisius  1,  15  u.  17  (Fleckeis.  Jahrb.  137  (1888)  p.  401);  G.  Marschall,  De  Q.  Remmü 
Palaemonis  libris  grammaticis,  Leipz.  1887;  J.  W.  Beck,  Zur  Quellenanalyse  des  Gharisius 
(Phüol.  48  (1889)  p.  255);  0.  Froehde,  De  G.  Julio  Romano  Gharisii  auctore  (Fleckeis.  Jahrb. 
Sopplementbd.  18  (1892)  p.  567);  L.  Jeep,  Redeteile  p.  1.  Auch  hat  Jeep,  Die  jetzige 
Gestalt  der  Grammatik  des  Gharisius  (Rhein.  Mus.  51  (1896)  p.  401)  die  Quellenfrage  be- 


152  Diomedea.    (§  834.) 

handelt;  er  stellt  dabei  die  Hypothese  auf  (p.  424),  «daas  die  AnszQge  aus  Romanns  erst 
nach  der  Benutzung  der  Grammatik  des  Charisius  durch  Diomedes  derselben  einverleibt 
wurden/  Im  Anschluss  hieran  will  Jeep  beobachtet  haben,  daas,  wenn  zwei  Quellen 
neben  einander  gereiht  wurden,  stets  der  kürzeren  Darstellung  der  ersteren  Quelle  die  lingere 
und  eingehendere  der  zweiten  folgt  (p.  425),  und  schreitet  alsdann  zu  der  neuen,  aber  un- 
wahrscheinlichen Hypothese  fort,  «dass  Charisius  sozusagen  zwei  Kurse  neben  einander  stellte, 
einen  kürzeren  fOr  den  Anfang  und  einen  höheren  und  umfassenderen  für  die  Repetition 
nach  Aneignung  des  kürzeren,  eine  Darstellungsweise,  die  bekanntlich  Donat  in  zwei  ganz 
getrennten  artes  gleichfalls  anwendete  und  Diomedes  wiederum  in  einem  Werke  in  an- 
derer Form  durchzuführen  versuchte/ 

Zum  Fortleben  des  Charisius  vgl.  oben  den  Absatz  .Quellen*.  Oefters  wird 
Charisius  von  Priscian  citiert  (vgl.  Gramm,  lat.  3  p.  531).  Von  Charisius  ist  auch  abh&ngig 
ars  grammatica  accepta  ex  auditorio  Danatiani;  dieselbe  wird  gewöhnlich  Danatiani  frag- 
mentum  genannt,  zuerst  herausgegeben  von  Parrhasius  aus  einem  codex  Bobiensis,  Miu- 
land  1504,  jetzt  von  H.  Keil,  Gramm,  lat.  6  p.  275.  Donatianus  ist  vielleicht  identiach  mit 
Tiberius  Claudius  Maximus  Donatianus,  dem  Sohn  des  Vergilcommentators  Tib.  Claudios 
Donatus  (§  248,  2).  Ueber  das  Fragment  vgl.  L.  Spengel,  Münchener  gel.  Ans.  10  (1840) 
p.  525;  H.  Keil,  Gramm,  lat.  6  p.  254;  ebenda  1  p.  XXIV;  F.  Boelte,  Fleckeis.  Jahrb.  137 
(1888)  p.  438;  0.  Froehde,  Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  18  (1892)  p.  578;  Jeep,  Rede- 
teile p.  5;  Rhein.  Mus.  51  (1896)  p.  440. 

Ueberlieferung.  Die  einzig  vollständige  Handschrift  des  Charisius  ist  der  codex 
NeapoUtanus  IV  A  8  s.  yil/VIII;  genaue  Beschreibung  bei  H.  Keil,  Gramm,  lat.  1  p.  YD. 
Sie  bildet  daher  allein  das  Fundament  der  Recension.  Neben  derselben  hat  das  fragmentom 
Parisinum  7560  s.  XI  nur  geringen  Wert.  Von  grösserer  Wichtigkeit  sind  die  excerpU 
Bobiensia,  wozu  sich  noch  gesellen  die  Excerpte  aus  Charisius;  vgl.  H.  Keil  p.  XVIU: 
Hagen,  Anecdota  Helvetica  p.  CLV.  Ueber  die  Unsicherheit  der  Ueberlieferung  gegen  Ende 
des  Werks  vgl.  H.  Keil  p.  XHl  und  dazu  noch  Boelte,  Fleckeis.  Jahrb.  137  (1888)  p.  429 
Anm.  76. 

Ausg.  Von  den  älteren  Ausg.  nennen  wir  die  editio  princeps  des  Jo.  Pierius. 
Neapel  1532;  vgl.  H.  Keil  p.XV.  Die  vonG.Fabricius,  Basel  1551;  vgl.H.  Keil  p.XXVIU. 
Massgebend  ist  die  von  H.  Keil,  Gramm,  lat.  1  p.  1.  Separatausgaben  des  Abschnittes  de 
versu  saturnio  von  F.W.  Schneidewin,  Göttingen  1841;  H.  Keil,  Philol.  3  (1848)  p.  90; 
De  idiomatibus  generum  ist  publiziert  von  H.  Keil,  Gramm,  lat.  4  p.  573;  Corpus  glossariomm 
lat.  2  p.  537 ;  de  latinitate  im  Corpus  glossariomm  lat.  5  p.  660. 

Litteratur.  M.  Hertz,  Rhein.  Mus.  20  (1865)  p.  319;  R.  Westphal,  Griechische 
Metrik  1*  p.  131;  Goetz,  Pauly-Wissowas  Realencycl.  3  Sp.  2147. 

6.   Diomedes. 

834.  Die  Grammatik  des  Diomedes.  Neben  der  Grammatik  des 
Charisius  ist  für  die  Geschichte  der  Sprachwissenschaft  auch  die  des  Dio- 
medes von  grosser  Wichtigkeit.  Beide  Werke  unterscheiden  sich  aber 
nicht  unerheblich  von  einander.  Während  die  Grammatik  des  Charisius 
uns  mit  grossen  Lücken  überliefert  wurde,  ist  uns  das  Werk  des  Diomedes 
vollständig  erhalten.  Seinen  Stoff  hat  Diomedes  gedrängter  behandelt 
indem  er  statt  der  fünf  Bücher  des  Charisius  nur  drei  gibt.  Eigentümlich 
ist  die  Art  und  Weise,  in  der  Diomedes  sein  Werk  aufgebaut  hat.  In 
dem  ersten  Buch  werden  die  acht  Redeteile  behandelt,  erst  im  zweiten 
Buch  beginnt  er  mit  den  Elementarbegriffen  der  Grammatik  und  schliesst 
mit  den  Mängeln  und  Vorzügen  der  Rede,  d.  h.  er  erörtert  die  Stilistik; 
das  dritte  Buch  endlich  ist  der  Metrik  gewidmet.  Durch  wissenschaft- 
liche Rücksichten  ist,  wie  jedermann  sieht,  diese  Gliederung  nicht  bestinmit 
massgebend  erschien  hier  das  Interesse  des  praktischen  Unterrichts.  Dieser 
ging  von  den  acht  Redeteilen  aus,  um  auf  dieser  Grundlage  zur  Stilistik 
und  Metrik  überzugehen.  Dass  auch  die  grammatischen  Grundbegriffe  in 
das  zweite  Buch  verwiesen  wurden,  ist  eine  tadelnswerte  Inkonsequenz, 
durch  welche  die  Einheit  dieses  Buchs  vollständig  zerstört  ist.     Auch  in 


Diomedes.    (§  834.)  153 

ler  Gomposition  hebt  sich  die  Grammatik  des  Diomedes  merklich  von  der 
les  Charisius  ab;  bei  Diomedes  ist  die  Darstellung  eine  einheitliche,  Chari- 
ius  dagegen  hat  sich  oft  damit  begnügt,  die  Quellen  einfach  nebeneinander 
:u  stellen.  Die  Quellenfrage  ist  daher  bei  Diomedes  weit  komplizierter 
Js  bei  Charisius.  Das  wichtigste  Problem,  das  hier  vorliegt,  ist  das  Ver- 
lältnis  zwischen  Charisius  und  Diomedes.  Dasselbe  hat  viele  Lösungen 
;efunden;  die  verbreitetste  wai*  die,  dass  beide  Grammatiker  da,  wo  sie 
ibereinstimmen,  aus  derselben  Quelle  schöpfen  und  daher  von  einander 
inabhängig  sind.  Doch  scheint  bei  genauerem  Zusehen  die  Annahme  ge- 
echtfertigt  zu  sein,  dass  Diomedes  bereits  den  Charisius  gekannt  hat; 
it  dies  richtig,  so  gewinnen  wir  für  die  Zeitbestimmung  des  Diomedes 
as  wichtige  Moment,  dass  er  nach  Charisius  gelebt.  Sonst  ist  seine  Per- 
önlichkeit  in  tiefes  Dunkel  gehüllt,  nur  aus  der  Vorrede  erfahren  wir 
och,  dass  Diomedes  sein  Buch  dem  Athanasius  gewidmet  hatte. 

Titel  der  Schrift.  Im  Parisinus  7494  lantet  die  Subscriptio  zum  2.  Buch:  feliciter 
vpiicit  ars  Diomedis  Crrammatieae;  im  Paris.  7493  feliciter  explicit  ara  Diomedis  Gram- 
tatici.  Rafinos,  Gramm,  lat.  6  p.  568,  12  Diomedes  sie  dicit  in  II  lihro  artis  aucie.  Daraus 
rird  man  wohl  auf  den  Titel  ars  grammatica  schliessen  müssen. 

Zeit  des  Diomedes.  Hier  sind  wir  noch  schlimmer  daran  als  bei  Charisius,  da 
rir  lediglich  auf  Schlussfolgerungen  angewiesen  sind.  Wenn  es  richtig  ist,  wie  Jeep  be- 
Aupiet,  dass  Diomedes  den  Charisius  und  Donat  benutzt  hat,  so  kann  Diomedes  nicht  vor 
er  zweiten  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  angesetzt  werden.  In  die  erste  Hälfte  des  4.  Jahr- 
underts  rttckt  ihn  W.  Christ  (Philol.  18  (1862)  p.  131)  hinauf,  da  er  von  der  Anschauung 
osgeht,  dass  Diomedes  (und  Charisius)  vor  Donat  geschrieben  haben;  allein  diese  letzte 
ichliissfolgerung  scheint  doch  nicht  zwingend  zu  sein.  Dagegen  ist  es  richtig,  wenn  Christ 
L  c.  p.  130)  aus  p.  318,  5  schliesst,  dass  dem  Diomedes  die  Bedeutung  des  sacerdos  als 
^enname  nicht  bekannt  war,  und  er  geraume  Zeit  nach  dem  Grammatiker  Claudius  Sa- 
erdos  gelebt  haben  muss. 

Ziel  und  Gliederung  der  Schrift  des  Diomedes  ergibt  sich  aus  der  Vorrede  (Gramm. 
iL  1  p.  299)  artem  merae  Latinitatis  purcteque  eloquentiae  magistram  sub  incude  litteraria 
locäiter  procudendo  formatam  humanae  sollertiae  clarüas  expoltvü,  hanc  cum  cognovissem 
xceüentem  fctcundiam  tiMtn  {Athanasii)  plurimi  facere,  desiderio  tuo  Itbenter  indulgens 
ummo  studio,  quantum  mediocris  cidmodum  ingenü  mei  qualitas  capere  patiebatur,  trino 
ligestam  libello  düucideque  expeditam  censui  esse  mittendam,  quia  ipsos  aurium  meatus 
\udita  scientia  complere  absentia  denegatum  est.  sane,  ne  quid  esset  incognitum,  vitanda 
uü  nimium  constricta  brevitas,  est  enim  lucubratianis  industria  studiique  collatio  triper' 
Ua,  ut  secundum  trina  aetatis  gradatitn  legentium  spatia  lectio  probabiliter  ardincUa 
rimen  prolixittUis  evadat  taediumque  permulceat,  quae  qmdem  in  tribus  divisiofiibus 
uamvis  pattUa  sit,  tarnen  in  singuUs  suam  continet  brevitatem,  quam  ob  rem,  ut  mea  fert 
pinio,  spero  tibi  aliisque  legentibus  magno  usui  fore,  igitur  totius  operis  prima  pars 
miversi  sermonis  membra  continet;  altera  non  solum  observationes  quae  arti  grammaticae 
cddere  solent  sed  etiam  structuram  pedestris  orationis  uberrime  planeque  demonstrat; 
ertia  pedum  quaiäatem,  poematum  genera  metrorumque  tractatus  plenissime  docet.  superest 
'4  singula  recolendo  memoriae  tenaci  mandentur^  ne  frustra  cum  tempore  evanescat  labor, 
MO  tanto  maxime  rudibtis  praestare  cognoscimur,  qui  rusticiiatis  enormitate  incultique 
ermonis  ordine  sauciant,  immo  deformant  examussim  normatam  orationis  integritatem 
düumque  lumen  eius  infuscant  ex  arte  prolatum,  quanto  ipsi  a  pecudibus  differre  vide- 
tnlur.  Femer  kommen  in  Betracht  die  einleitenden  Worte  zu  dem  2.  und  3.  Buch;  der 
Verfasser  hat  nämlich  die  Gewohnheit,  auf  das  Abgehandelte  hinzuweisen  und  das  Neue 
nzakündigen.  So  heisst  es  im  Eingang  von  Buch  2  (p.  420):  in  primo  libello  sermonis 
nicersi  membra,  quae  prima  legentibiM  artis  grammaticae  studia  praecipua  esse  vide- 
aniur,  pro  qucUitate  ingenii  puto  me  satis  exposuisse,  nee  ullius  fugere  scientiam  arbitror 
Ttam  loquendi  materiam  disputandique  substantiam  partibus  orationis  administrari ;  in 
oc  vero  quid  sit  grammcUica  et  quibus  aliis  adminictUis  instruatur  explicabimus  und  in 
iCm  vom  3.  Buch  (p.  473):  in  tibro  [quoque]  secundo  quantum  ad  officium  observationis 
vammaticae  structuraeve  orationis  prosae  probabilem  cognitionem  spectat  prudentiae  tuae 
enMus  interim  explanasse  suffidat.  in  hoc  vero  tertio  libro,  qui  summam  totius  operis 
mplebit,  metra  quae  sunt  tortuosis  obscuritatibus  implicata  ac  multarum  quaestionum 
mmerosa  diversit<Ue  perplexa,  quibus  pedum  qualitatibus  conpositionisve  metricae  ob' 


154  Diomedea.    (§834.) 

serrationibus  reffantur,  certis  rationtbus  edocebo,     üeber   die  Latinitftt   des  Werks 
C.  Paucker,  Kleinere  Stadien  (l  Die  Latinitftt  des  Diomedes),  Berl.  1888. 

Quellen  desDiomedes.  Als  Quellenantoren  citiert  Diomedes  folgende:  a)  Te 
tias  Sc  aar  US  p.  300,  19  Scauriis  sie,  oratio  est  ore  missa  et  per  dieticnes  ordinaia 
nuntiatio;  nach  Aufzfthlung  der  Redeteile  ffthrt  Diom.  fort  (p.  800,  27):  Scauro  videt\ 
tippellatio;  318,  14  ut  Scaurtis  retulit;  320,  13  sed  ex  hoc  (des  Nomen)  definüione  Sca 
dissentit;  403,  20  Scaurtis  ita  definit  (das  Adyerbiam);  421,  16  Scaurus  sie  eam  {litte 
definit;  444,  29  hypozeuxis  est,  ut  Scaurtm  ait  etc.;  449,  26  Scaurus  ita  definit  (»ii 
logiam);  456,  27  tropus  est,  ut  ait  Scaurus  etc.  ß)  Probas  364,  30  ideoque  Probus  i 
recte  dici  piscem  vel  aliud  tenerum  quid  manduco,  sed  potius  edo,  quod  significat  it 
365,  9  praefoco  praefocavi  Probus  quasi  novam  vocem  miratur.  y)  Sneton  3K5,  19  3 
quillus  quoque  his  adsefitiens  in  libello  suo  plenissime  edere  incohata  disseruit;  49 
uti  adserit  Tranquülus  (im  Abschnitt  de  poematibus).  Vgl.  H.  Keil  p.  LI.  üeber  Si 
als  Qaelle  des  Diom.  vgl.  noch  Eörtge,  In  Saetonii  de  vir.  illastr.  libros  inqoisiti« 
capita  tria,  Halle  1900;  vgl.  dazu  Wessner,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1900  Sp.  877. 
bat  aber  Diomedes  seine  Qaellen  nicht  genannt;  so  f&hrt  eine  Vergleichung  des  Dion 
mit  Priscian  auf  Probus  als  ungenannte  Quelle  einer  Partie  bei  Diomedes;  vgl.  H. 
p.  LII.  Was  Sueton  anlangt,  so  wurde  der  Abschnitt  de  jooematibus  von  O.  Jahn  (I^ 
Mus.  9  (1854)  p.  629)  auf  Suetons  ludicra  historia  und  von  Reif  f  er  scheid  (Snetonü 
quiae,  Leipz.  1860,  p.  371)  auf  die  Einleitung  zum  Abschnitt  de  poetis  in  Suetons  lit 
historischem  Werk  de  viris  illustribus  zurückgeführt.  Allein  beide  Annahmen  führe: 
Schwierigkeiten;  weder  passt  der  Traktat  über  die  gesamte  Poesie  zur  ludicra  hia 
noch  stimmt  die  Art  und  Weise  desselben  zu  einer  Einleitung,  wie  sie  sich  uns  aui 
Fragmenten  des  litterarhistorischen  Werkes  darbietet.  Mit  Recht  hat  daher  bereits  W.  Gl 
(Philol.  18  (1862)  p.  162)  Einwände  gegen  diese  Hypothese  erhoben  und  möchte  au 
diesem  Abschnitt  mehrere  Quellen  annehmen;  vgl.  auch  Steup,  De  Probis  gramnii 
Jena  1871,  p.  190.  Kürzlich  hat  A.  Buchholz,  Ueber  die  Abhandlung  de  poematibu 
Diomedes  (Fleckcis.  Jahrb.  155  (1897)  p.  127)  die  Frage  behandelt  und  ist  dabei  zu 
Resultat  gekommen,  dass  nur  das  letzte  Stück  der  genannten  Abhandlung  Eigentum 
tons  sei.  und  dass  der  Hauptteil  dem  Valerius  Probus  angehört,  der  auch  in  den  zwc 
deren  Büchern  den  durch  Zusätze  bereicherten  Grundstock  bilde.  Gregen  die  Abh&ngi 
von  Probus  spricht  sich  mit  Recht  Wessner  (Bursians  Jahresber.  113.  Bd.  2.  Abt  ( 
p.  163)  aus.  Ueber  den  gleichen  Abschnitt  handeln  noch  Usener,  Ein  altes  Lehrgebäud« 
Philologie  (Sitzungsber.  der  M Unebener  Akad.  1892  p.  582;  bes. p.  614)  und  Kaibel,  Diel 
gomena  i^qI  xtofjup&Ua;  (Abb.  der  Gott.  Ges.  derWissensch.  2,  1898).  Von  besonderer  Wi( 
keit  ist  für  die  Quellenfrage  noch  das  Verhältnis  zwischen  Charisius  und  Diomedes: 
Möglichkeiten  wurden  hier  erschöpft.  Bald  wurde  Charisius  zum  Ausschreiber  des 
medes,  bald  Diomedes  zum  Ausschreiber  des  Charisius  gemacht,  bald  wurde  —  und 
ist  die  verbreitetste  Ansicht  —  für  beide  Grammatiker  eine  gemeinsame  Quelle  angenom 
vgl.  H.  Keil  p.  XLIX.  Die  zweite  bereits  von  Georg  Fabricius  verfochtene  Ansichl 
in  neuester  Zeit  einen  Vertreter  in  Jeep,  Bemerkungen  zu  den  lat.  Grammatikern  (R 
Mus.  44  (1889)  p.  51);  Redeteile  p.  56;  Die  jetzige  Gestalt  der  Grammatik  des  Chai 
(Rhein.  Mus.  51  (1896)  p.  401)  gefunden;  vgl.  auch  Tolkiehn,  Wochenschr.  für  klass.  P 
1902  Sp.  1156.  Auch  Abhängigkeit  von  Donat  wird  von  Jeep  (Redeteile  p.  58:  R 
Mus.  51  (1896)  p.  402  u.a.)  angenommen.  Es  lassen  sich  noch  Spuren  anderer  Qu 
verfolgen,  z.  B.  321.  11  sicut  Arrunthis  Claudius  asserii  {de  nomine),  wobei  Celsus  statt  < 
//ms  von  H.  Keil  (Gramm,  lat.  5  p.  334)  conjiciert  wird;  vgl.  Froehde,  De  C.  Julio  Roi 
Charisii  auctoro  (Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  18  (1892)  p.  637).  üeber  Terentianus  Mj 
als  Quelle  vgl.  Lachmann,  Zu  Terent.  Maur.  p.  Xlll;  vgl.  H.  Keil  1.  c.  1  p.  LV.  l 
Caesius  Bassus  als  Quelle  vgl.  H.  Wentzel,  Symbolao  criticae  ad  historiam  scriptorai 
metricae  lat,  BreBlau  1858,  p.  (53;  W.  Christ,  Philol.  18  (1862)  p.  129.  Üeber  das 
hältnis  des  Diomedes  zu  den  griechischen  Technikern  vgl.  Christ  1.  c;  0.  Hense 
.luba  artigrapho  (Acta  societatia  Lipsiensis  4  (1875)  p.  103;  p.  121). 

Zum  Fortleben  des  Diomedes.  Citiert  wird  Diomedes  bei  Rufin  (vgl.  oben 
bei  Priscian  (vgl.  den  Index  in  Gramm,  lat.  3  p.  584)  und  bei  Cassiodor  (Gramm.  I 
p.  213,  1):  Diomedem  quoque  et  Theoctifttutn  aliqua  de  tali  arte  scripsisse  eomperimus. 

Ueberlieferung  des  Diomedes.  Alle  Handschriften  gehen  auf  einen  Archel 
des  8.  Jahrhunderts  zurück;  vgl.  H.  Keil,  Gramm,  lat.  1  p.  XXXVII.  Zur  Herstellung  d 
Archetypus  zog  H.  Keil  3  Handschriften  heran,  Parisinus  sive  Puteanus  7494,  Pari 
7493,  Monacensis  14467,  alle  aus  s.  IX.  Ausserdem  verwertete  Keil  noch  die  Exz 
des  Parisiuus  7530  s.  VIII  und  die  Lesarten  eines  Fuldaer  Codex. 

Ausg.  des  Diomedes.  Massgebender  Text  der  Recension  bei  H.  Keil,  Gn 
lat.  1  p.  299;  über  ältere  Ausg.  handelt  in  sorgfältiger  Weise  Keil  1.  c.  p.  XLIll; 
W.  Christ,  Philol.  18  (1862)  p.  131.  Buch  111  caput  de  poematibus  in  der  Recension  1 
bei  Kaibel,  Comicorum  graeconim  fragin.  1  (Berl.  1899)  p.  53. 


Sorriiui.    (§  835.)  155 

Litteratnr.  G.  Schultz,  üeber  das  Kapitel  de  versuum  generibus  bei  Diomedes 
p.  506  ff.  E.  (Hermes  22  (1887)  p.  260);  F.  Leo,  Die  beiden  metrischen  S:f8teme  des  Alter- 
toms  (Hermes  24  (1889)  p.  281);  P.  E.  Meyer,  Qoaest.  gramm.  ad  Scann  artem  restitnen- 
dam,  Jena  1885. 

7.  Servius. 

835.  Schrifkstellerei  des  Grammatikers  Servius.  Neben  Donat  nahm 
unter  den  römischen  Grammatikern  Servius,  dem  vielleicht  noch  die  Bei- 
namen Maurus  und  Honoratus  zugehören,  eine  angesehene  Stelle  ein.^)  Wir 
kennen  seine  Heimat  nicht,  aber  sein  Wirken  spielte  sich  in  Rom>)  ab, 
und  von  einem  seiner  Schüler  Nicaeus  wird  berichtet,  dass  er  in  Rom  unter 
Leitung  des  Meisters  eine  Juvenalhandschrift  emendierte.  In  Vergil  fand 
Servius  den  Mittelpunkt  seiner  Studien;  er  galt  als  ein  sehr  hervorragender 
Vergilkenner,  und  daraus  erklärt  es  sich,  dass  Macrobius  in  fingierten, 
vor  385  spielenden  Tischunterhaltungen,  in  denen  Vergil  das  Hauptobjekt 
der  Unterhaltungen  bildete,  dem  Grammatiker  auch  eine  Rolle  zuteilte. 
Seine  Vergilstudien  fanden  Ausdruck  in  einem  Commentar;  er  begann  mit 
dem  wichtigsten  Gedicht,  der  Aeneis,  um  dann  zu  den  Bucolica  und  Ge- 
orgica  überzugehen.^)  Dieser  Commentar  ist  uns  noch  erhalten;  in  dem- 
selben ist  schon  die  Idee  ausgeprägt,  dass  Vergil  in  sich  das  höchste 
Wissen  vereinige^)  und  dass  es  nur  der  eingehenden  Erklärung  bedürfe, 
um  dieses  Wissen  dem  Leser  zum  Bewusstsein  zu  bringen.  In  der  Er- 
klärung folgt  Servius  der  damals  üblichen  Methode  des  Schulunterrichtes, 
welche  das  Gelehrte  möglichst  fernhielt  und  sich  besonders  auf  das  Gram- 
matische und  Rhetorische  beschränkte;  sein  Commentar  ist  daher  mehr 
fär  die  Geschichte  des  Unterrichts  als  für  die  Altertumswissenschaft  von 
Bedeutung.  Von  christlichen  Anschauungen  finden  sich  in  demselben  keine 
deutlich  erkennbaren  Spuren.  Wir  würden  ihn  wahrscheinlich  nicht  oft 
zur  Hand  nehmen,  wenn  nicht  ein  uns  unbekannter  Mann  höchst  wert- 
volle Zusätze  aus  sehr  gelehrten  Quellen  dem  Commentar  hinzugefügt  hätte. 
Neben  Vergil  wendete  Servius,  wie  sich  eigentlich  von  selbst  versteht, 
auch  der  Grammatik  seine  Aufmerksamkeit  zu;  von  dieser  Thätigkeit 
liegt  uns  eine  Frucht  in  dem  Commentar  zur  Grammatik  des  Donat  vor; 
er  umfasst  sowohl  die  ars  minor  als  die  ars  maior  des  Grammatikers. 
Benutzung  und  Ausbeutung  dieses  Werkes  zeigen,  dass  auch  diese  Arbeit 
hoch  angesehen  war.  Sogar  eine  typische  Bedeutung  erhielt  mit  der  Zeit 
der  Name  Servius,  und,  was  noch  merkürdiger  ist,  statt  des  Namens  Ser- 
vius erscheint  auch  der  Name  Sergius.  Während  über  die  Autorschaft 
des  Vergilcommentars  und  der  Erläuterungen  zur  Ars  des  Donat  kein 
ernstlicher  Zweifel  aufkommen  kann,  sind  wir  bezüglich  anderer  Schriften, 
die  dem  Servius  zugeteilt  werden,  unsicher.  Wir  ziehen  hierher  drei 
metrische  Schriften:  den  sogenannten  Centimeter,  eine  Aufzählung  der 
metra  und  ihrer  Zusammenfiigung  mit  selbstgemachten  Beispielen,  eine 
Abhandlung  de  finalibus  und  einen   Traktat  über   die  Metrik  des  Horaz. 


*)    Nach  einer   verworrenen    Notiz    bei  1  •)  Vgl.  §  248. 

Hagen  (Anecdota  Helvetica  p.CXLIX)  wäre  j  *)  Vgl.  die  Eingangsworte  zum  sechsten 

Servins  SchQler  des  Donat  gewesen.  Buch  der  Aeneis,   welche  §  248  p.  88   aus- 

*)  Vgl.  Thilo  p.  LXXIII.  !  geschrieben  sind. 


156  SerriiM.    (§885.) 

Es  ist  schwer  zu  glauben,  dass  alle  drei  Schriften  von  einem  Verfa 
herrühren.  Am  ehesten  wird  noch  der  Centimeter  unserem  Grammat 
zuzuschreiben  sein.  Auch  von  der  unter  dem  Namen  Servius  umlaufeii 
Glossensammlung  ist  es  fraglich,  ob  Servius  hier  nicht  im  typischen  Si 
zu  nehmen  ist. 

Die  Namen  des  Servius.  1.  Einfach  Servius  wird  unser  Grammatiker  gei 
bei  Macrob.  Sat.  1,  2,  15.  2.  Servius  magister  wird  er  genannt  im  Laurentianua  34,  42 
Leidensis  82  s.  XI  in  der  Subscriptio:  Legi  ego  Niceus  Botnae  apud  Servium  magis 
et  emendavi  (vgl.  oben  §  420a  p.  182).  Ebenso  Pseudo-Acro  zu  Horat  sat  1,9,  76  sie 
rius,  magister  urbis,  exposuit.  Weiter  heisst  es  in  den  Sergii  explanationes  in  Don 
(Gramm,  lat.  4  p.  496,  26):  )Mec  magister  Servius  extrinsecus  dictavit;  vgl.  noch  448 
487,  22.  Auch  Priscian  (die  Stellen  im  Index  der  Gramm,  lat.  3  p.  545)  nennt  den  G 
matiker  bloss  Serrius.  3.  Servius  grammaticus  heisst  unser  Autor  in  den  alten  £ 
Schriften  des  Vergilcommentars;  auch  im  Centimeter  erscheint  in  der  Widmung  St 
grammaticus.  4.  Der  Beiname  Honoratus  findet  sich  im  Frisingensis  und  Bobiensis-Y 
bonensis  in  der  Widmung:  Servius  Honoratus  Aquilino  salutem.  In  der  üeberschrifb  l 
er  in  den  beiden  Handschriften  Honoratus  grammaticus.  5.  Das  Cognomen  Mauru 
scheint  in  Handschriften  des  Centimeter;  vgl.  H.  Keil,  Gramm,  lat  4  p.  XLVI. 
Maurus  erscheint  aber  auch  die  Variante  Marius,  6.  Servius  Marius  Honoratus  \ 
der  Grammatiker  in  der  Widmung  des  Schriftchens  de  finalibus  im  codex  Monacc 
Emmeramus  G.  121  s.  X.  7.  Maurus  Servius  Honoratus  oder  Servius  Honoratus  gib' 
Vergilcommentar  erst  in  Handschriften  des  15.  Jahrhunderts;  der  Leidensis  5  s.  XI 
im  Vergilcommentar  Marius  Servius. 

■^  ^erviusundSergius.   In  den  Commenta  Bemensia  zu  Lucan  wird  der  Vergilcom 

tator  Servius  unter  dem  Namen  Sergius  angeführt  (3,  402;  7,  633).    Der  Donatcommenta 

'••  Servius  gibt  im  Parisinus  7530  und  zwar  in  der  Ueberschrift  als  Autor  Sergius  an,  wäl 

er  in  der  Unterschrift  als  solchen  magister  Servius  bezeichnet  Auch  die  älteste  Handa< 
des  Vergilcommentars,  Bemensis  363  s.  IX,  zeigt  in  der  Ueberschrift  den  Namen  Ser 
In  dem  Bobiensis-Vindobonensis  und  im  Frisingensis  wird  das  Schriftchen  de  littera  etc. 

..j  Auszug  aus  dem  Donatcommentar  des  Servius,  ebenfalls  dem  Sergius  beigelegt. 

„!.  Servius  und  Macrobius.    Der  Grammatiker  Servius  wird  von  Macrobius  als 

nehmer  an  den  Gesprächen  bei  Vettius  Praetextatus  eingeführt  und  mit  den  Worten  chi 
terisiert  (Sat.  1,  2,  15):  Servius  inter  grammaticos  doctorem  recens  professus,  iuxta  dock 
mirahilis  et  amabilis  verecundia.  6,  6,  1  sed  nunc  dicat  volo  Servius  quae  in  Ver 
notavcrit  ....  cotidie  enim  Eomanae  indoU  enarrando  eundem  ratem  necesse  est  hc 
huius  adnotfitionis  scientiam  promptiorem.  1,  24,  8  {Se^Tius)  priscos,  ut  mea  {Symm 
fert  opinio,  pnieceptores  doctrina  praestat.  1,  24,  20  modo  memineritis  a  Servio  ni 
exigendum  ut  quidquid  obscurum  videbitur  (bei  Vergil)  quasi  litteratorum  omnium  l 
maximus  palam  faciat. 

Zeit  des  Servius.  Auszugehen  ist  von  einer  Stelle  des  Macrobius,  wie  Audi 
Bosius  (1026 — 1674),  De  pontifice  maximo  Romac  veteris,  Jena  1656,  4,  4  gesehen  hat 
lesen  nämlich  (Macrob.  Sat.  7,  11,  2):  et  Disarius  „age  Servi  non  solum  adnlescentium 
tibi  aequaevi  sutit  sed  scnum  quoque  omnium  doctiasime".  Also  war  Servius  zur  Zei< 
Gespräches  ein  adulescens.  Die  Zeit  des  Gespräches  musste  natürlich  vor  den  Tod 
Praetextatus  (385)  fallen.  Da  Servius  zu  den  adulescentes  gerechnet  wird,  so  moBS  ei 
885  etwa  25  Jahre  alt  gewesen  sein.  Sonach  ist  er  vor  360  geboren.  Diese  Geh 
zeit  kann  in  der  That  auch  von  den  Genossen  des  Servius,  die  am  Gespräche  t«ilneh 
nachgewiesen  werden.  Noch  in  anderer  Weise  kann  die  Zeit  des  Servius  bestimmt  wei 
ein  terminus  post  quem  ergibt  sich  daraus,  dass  Servius  den  Dichter  Avienus  citierl 
Verg.  Aen.  10,  272  und  388).  Einen  anderen  Terminus  gewinnen  wir  aus  folgender  S 
(ad  Verg.  Aen.  3,  80):  hodieque  imperaturcs  pontificis  dirimus.  Da  dieser  Gebrauch,  sc 
wir  sehen,  im  Jahre  375  aufliörte  (Mommsen,  Rom.  Staatsrecht  2»  (Leipz.  1887)  p. 
Anm.  5),  niuss  Servius  noch  vor  diesem  Jahr  gelebt  haben.  Vielleicht  darf  aus  der 
merkung  zu  Verg.  Aen.  7,  604  O  dar  um  fern  gms  vtiam  apud  maiores  fuit  geschlossen  w« 
dass  Servius  auch  noch  den  Zug  Alarichs  nach  Rom  erlebte;  vgl.  Thilo,  Serviüsausg.  i? 
(1881)  p.  LXXI;  E.  Thomas,  Essai  sur  Servius  et  son  commentaire  sur  Virgile,  Paris  1 
p.  13»l:  G essner.  Servius  und  Pseudo-Asconius,  Zürich  1888.  p.  10  (er  bemängelt  die  A 
mentation  aus  der  Stelle  zu  Verg.  Aen.  3,  80). 

Der  Vergilcommentar  des  Servius.  Für  die  heidnische  Religion  des  Verfai 
sprechen  Stollen  wie  Aen.  1.  7<);  4,  58;  4,  556;  1,  297;  vgl.  Gessner  p.  13;  E.  Thoi 
Essai  p.  140.  Rationalistische  Deutungen  in  Aen.  3.  113;  3,  578;  3,  636;  4,  239;  vgl.  Ges« 
p.  14.    Philosophische  Bemerkungen  finden  sich  Aen.  2,  255;  2,  646;  2,  689;  3,  241;  4, 


SerriQB.    (§  835.)  157 

5,  95;  6,  127;  6,  136;  6,  362;  6,  703;  8,  564;  11,  186;  vgl.  Gessner  p.  15.  üeber  Histo- 
riaches  vgl.  Thomas,  Essai  p.  257;  über  das  Antiquarische  p.  267.  Ueber  Berührungen  mit 
dem  Terenzcommentar  des  Donat  vgl.  Thilo  praef.  p.  XXI;  Gessner  p.  30.  Ueber  die  Kennt- 
nisse des  Griechischen  vgl.  Thomas  p.  184  mid  Gessner  p.  39;  vgl.  Aen.  11,  243.  Ueber 
seine  Sprache  vgl.  Thilo  p.  LXXll.  Ueber  seine  Bekanntschaft  mit  römischen  Autoren  vgl. 
Thomas  p.  186.    Ueber  grammatische  Bemerkungen  vgl.  Thomas  p.  214;  Gessner  p.  46. 

Titel  des  Gemmen tars.  Die  älteste  Ueberlieferung  bietet:  Sermi  grammatici  ex- 
positio  in  bucolicon  et  in  libris  geargicon  atque  aeneadum.  Diese  Ueberschrift  verdient 
wenig  Glauben,  weil  es  feststeht,  dass  Servius  seinen  Conmientar  nicht  in  dieser  Ordnung 
geschrieben;  auch  der  Plural  aeneadum  und  der  Ablativ  libris  erregen  Anstoss.  Priscian 
citiert  sowohl  commentum  als  commentarius;  vgl.  die  Stellen  beim  , Fortleben*.  Der  mit 
den  Zosfttzen  versehene  Commentar  wird  mit  commenta  bezeichnet;  vgl.  Thilo  p.  XLVIII. 

Quellen  des  Vergilcommentars.  Am  häufigsten  berücksichtigt  Servius  den  Gram- 
matiker Aelius  Donatus  (§  247);  vgl.  Thilo  p.  LXXV.  Auch  Urbanus  (§  605  p.  156)  ist 
hlnfig  citiert;  vgl.  Thilo  p.  LXXVII.  Für  das  Sachliche  war  Sueton  eine  leicht  zugäng- 
lidie  Quelle;  vgl.  Reifferscheid,  Suetoni  reliquiae,  Leipz.  1860,  p.  445  und  p.  466.  Be- 
züglich des  Carminius  vgl.  ad  Aen.  5,  233  Carminitis  dicity  qui  de  elocutionxbus  scripsit; 
6,638  %U  Varro  et  Carminius  dicit;  6,  861;  8,406.  Terentius  Scaurus  wird  angeführt  ad 
Aen.  8,  484;  öfters  Asper,  vgl.  Lftmmerhirt  p.  324;  M.  Valerius  Probus,  vgl.  Lämmer - 
hirt  p.  321  u.  a.  Ueber  die  Citierung  des  Gellius  vgl.  M.  Hertz,  Ed.  maior  2  p.  XI.  Auf 
Hebrius  stossen  wir  ad  Aen.  7,  6  Hebrus  (mit  der  Variante  Hebrius)  legit,  wozu  in  Thilos 
Ausg.  bemerkt  ist,  dass  durch  9  Stellen  des  Scholiasta  Bemensis  als  wahre  Form  der  Name 
J5&rtfM  erscheine.  Im  Grammatischen  scheint  Caper  seine  hauptsächliche  Quelle  gewesen 
m  sein;  vgl.  J.  Kirchner,  Servius  und  Priscian  p.  21,  der  in  seiner  Abb.  De  Servi  auc- 
toribus  gramm.  wahrscheinlich  zu  machen  suchte,  dass  Servius  die  Schriften  des  Probus, 
Plinius  und  Asper  nur  aus  den  Citaten  bei  Caper  kannte,  den  er  allein  in  Händen  gehabt 
hätte;  vgl.  noch  p.  23  und  p.  37. 

Litteratur  zum  Commentar  des  Servius.  Suringar,  Hist.  crit  scholl,  lat.  2 
p.  59;  K  Teuber,  De  Mauri  Servii  Honorati  grammatici  vita  et  commentariis,  pars  1  (Breslau 
1843);  Mommsen,  Rhein.  Mus.  16  (1861)  p.  442;  G.  Thilo,  Quaest.  Servianae,  Halle  1867; 
Prolegomena  zu  seiner  Ausgabe ;  0.  Ribbeck,  Proleg.  Verg.  p.  189;  J.  Kirchner,  De  Servi 
anctoribus  gnunmaticis,  quos  ipse  laudavit  (Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  8  (1876)  p.  467); 
K  Thomas,  Essai  sur  Servius,  Paris  1880;  H.  Nettleship,  Thilo's  Servius  (Lectures  and 
eosa^s,  Oxford  1885,  p.  322);  R.  Halfpap-Klotz,  Quaest.  Servianae,  Greifswald  1882; 
J.  STirchner,  Servius  und  Priscian,  Brieg  1883;  P.  Rosenstock,  De  Donato  Terentii  et 
Servio  Vergilii  explicatore  syntaxeos  latinae  interpretibus,  Königsberg  1886;  A.  Gessner, 
Servius  und  Pseudo-Asconius,  Zürich  1888;  G.  Lämmerhirt,  De  priscorum  scriptorum  locis 
s  Servio  allatis,  Jena  1890;  A.  Mo  eller,  Quaest.  Servianae,  Kiel  1892  (verfehlt);  R.  Klotz, 
Animadversiones  ad  veteres  Vergilii  interpretes,  Treptow  a.  R.  1893;  A.  Haberda,  Mele- 
temata  Serviana,  Brunn  1895  (verfehlt);  A.  Leuschke,  De  metamorphoseon  in  scholiis  Ver- 
gilianis  fabub's,  Marb.  1896;  W.  Heraeus,  Zur  Kritik  und  Erklärung  der  Serviusscholien 
(Hermes  34(1899)  p.  161);  v.  Winterfeld,  Philol.  58  (1899)  p.  301;  Steele,  Servius  and 
the  scholia  of  Daniel  (Americ.  joum.  of  philol.  20  (1899)  p.  272  u.  p  361);  Notes  on  Servius 
(Ebenda  21  (1900)  p.  170). 

Fortleben  des  Commentars.  Priscian,  Gramm,  lat.  2  p.  233,  14  Servius  in  com- 
mtento  Virgüii;  515,  22  Servius  in  commentario  Aeneidos;  256,  14  Servius  in  commen- 
tario  tertii  libri  Virgiliani;  vgl.  p.  532,  22;  259,  22.  Ueber  die  Benutzung  des  Servius  in 
Iflidors  origines  vgl.  Thilo  p.  XXXYIII  und  dagegen  Nettleship,  Lectures  and  essays 
p.  329.  Unter  dem  Namen  Sergius  ist  der  Commentar  berücksichtigt  in  den  commenta  des 
Locan  8,  402;  7,  633. 

Ueberlieferung  des  Vergilcommentars.  Die  älteste  Quelle  ist  der  codex 
Bemensis  363  s.  IX.  Er  enthält  den  Commentar  zu  den  Bucolica  und  G«orgica  und  zur 
Aeneis  7,  16  in  stark  gekürzter  Fassung.  Die  Recensio  des  Commentars  beruht  auf  fol- 
genden Handschriften:  Caroliruhensis  186  s.  IX;  nächst  dieser  Handschrift  sind  noch  mass- 
gebend folgende  des  10.  Jahrhunderts:  Lipsiensis,  Caroliruhensis  116,  Vaticanus  Reginensis 
1674,  Laurentianus  bibl.  sanctae  crucis  plut.  XXII,  1,  Sangallenses  861  und  862.  Aus  dem 
11.  Jahrhundert  sind  zu  verzeichnen:  Hamburgenms  52,  Monacensis  6394;  aus  dem  12.  der 
Monacensis  18059.  Ueber  andere  Handschriften  vgl.  Thilo  p.  LXXXVIII;  femer  J.  J.  Cor- 
nelissen,  Codicis  Daventriensis  vetustissimi  Servii  commentarios  continens  brevis  descriptio, 
Berl.  1871;  über  den  Harleianus  2782  vgl.  H.  Nettleship,  A  Harleian  Ms.  of  Servius  (Aca- 
demj  348  (1879)  p.  11).  Es  kommen  noch  hinzu  die  Handschriften  des  erweiterten  Servius; 
über  diese  und  den  erweiterten  Servius  überhaupt  vgl.  §  248  p.  88.    (Buc.  1,  38     2,  10  fehlt.) 

Ausg.  des  Vergilcommentars.  Vgl.  E.  Thomas,  Essai  p.  331.  Aelteste  Ausg. 
von  B.  Stephanus,  Paris  1532.  Weiter  ist  zu  erwähnen  die  öfters  wiederholte  Ausg.  des  i 


158  Servin».    (§835.) 

6.  Fabricius,  Basel  1551.  Sehr  wichtig  ist  die  Ausg.  des  Pierre  Daniel,  Paris  1600,  weil 
hier  zum  erstenmal  die  Scheuen  in  ausführlicher  Fassong  gegeben  werden.  Ea  folgten  die 
Ausg.  von  P.  Masvicius,  Leuwarden  1717,  die  des  P.  Bnrmann,  Amsterdam  1746;  H.A. 
Lion,  Göttingen  1826;  massgebend  ist  jetzt  allein  die  kritische  Ausg.  Thilos,  Leipx.  1881  ff. 

Servius  und  Pseudo-Asconius.  Thilo  (Ausg.  des  Senrius,  toI.  1  p.  XXXI)  hatte 
den  Commentar  des  Pseudo-Asconius  zu  Cicero  (§  146,  8)  dem  des  Servius  so  Ähnlich  ge- 
funden, „ut  si  non  a  Servio  ipso,  at  certe  e  Servii  officina,  ut  ita  dicam,  videatnr  pfofectns 
esse.**  Gegen  die  Identität  spricht  sich  Gessner  (Servius  und  Pseudo-Asconius,  Zürich  1888, 
p.  63)  aus.  Wenn  Gessner  weiter  zu  zeigen  versucht,  dass  Pseudo-Asconius  ein  Schfiler 
des  Servius  war,  so  steht  dieser  Nachweis  auf  schwachen  Füssen. 

Commentarius  in  artem  Donati.  Der  Commentar  ruht  auf  dem  Parisums  7530 
s.  VIII;  vgl.  H.  Keil  p.  XLI.  Dass  er  von  Servius  herrührt,  dafür  führt  Thilo  (Servius 
Ausg.  p.  LXXIV)  eine  Reihe  von  Uebereinstimmungen  zwischen  beiden  Schriften  an,  z.B. 
Donatcommentar  405,  2  ars  dicta  est  vel  ano  r^g  dget^g,  id  est  a  virtute  =  Vergilcommentv 
Aen.  5,  705  [artej  id  est  virtute,  ano  riyj  (iger^g;  407,  29  superlativus  vero  gradua  genäko 
tantum  2>lurali  adiungitur^  ut  „doctissimus  illorum*'  =  Aen.  1,  96  [fortissime  gentis]  aUiue 
in  artibus  legimus  superlativum  gradum  non  nisi  genetivo  plurali  iungi;  411,  20  tÜas 
elocutiones,  quae  sie  formantur,  quasi  casum  habeant,  ut  f,da  mM  bibere"  =  Aen.  1,  318 
unde  „da  bibere*^  usus  obtinuit  Allein  viel  beweisen  die  beigebrachten  Stellen  nicht,  di 
es  sich  um  Dinge  handelt,  welche  durch  die  artes  zum  Gemeingut  geworden  waren;  vgl. 
noch  Thomas,  Essai  p.  212.  Citiert  wird  der  Commentar  von  Pnsdan,  Gramm,  lat  2 
p.  8,  15  ostendit  Servius  in  commento  quod  scribit  in  Danatum.  Ueber  Abweichungen  vom 
Donattext,  welche  durch  Benutzung  anderer  Grammatiker  erklfirt  werden,  vgl.  L.  Jeep, 
Zur  Gesch.  der  Lehre  von  den  Redeteilen  bei  den  latein.  Grammatikern,  Leipz.  1898,  p.  34. 
—  Massgebende  Ausg.  bei  H.  Keil,  Gramm,  lat.  4  p.  405. 

Explan ation es  in  artem  Donati.  Im  codex  Lavantinus  24  lautet  die  Ueber- 
Schrift:  incipit  tractaius  Servii  in  Donati  Hb.  Auch  später  heisst  es:  finit  felieiter  com- 
mentatus  de  octo  Servii  partib:  Grammatici,  Es  folgt  dann  die  ex^ajiatio  litterae,  wo 
eine  andere,  aber  alte  Hand  den  Namen  Sergius  überschrieben  hat.  Der  Traktat  nm&SBt 
2  Bücher;  496,  26  lesen  wir:  Haec  sunt  quae  Donatus  in  prima  parte  arüum  tracUnit. 
ftaec  mag  ister  Sermis  extrinsecus  dictavit.  Es  folgt  dann  eine  Lehre  des  Servius,  die  er 
in  dem  Commentar  p.  408,  36  als  eine  ihm  eigentümliche  darstellt.  Diese  Stelle  zeigt,  dass 
der  Commentar  nicht  von  Servius  sein  kann.  Der  Commentar  ist  entstanden  nach  Servios 
und  vor  Pompejus,  der  ihn  benutzte;  vgl.  Jeep,  Redeteile  p.  35.  Jeep  erhebt  Zweifd 
gegen  die  Identität  des  Verfassers  des  zweiten  Buchs,  das  erst  mit  den  Bedeteilen  beginnt 
mit  dem  des  ersten,  jedoch  ohne  durchschlagende  Gründe.  Ueber  die  Schrift  urteilt  H.  Keil 
(p.  LI)  also:  „in  magna  parte  rerum  tritissimarum,  quae  ex  inümae  aetatis  disciplina  petitae 
sunt,  tarnen  bonis  et  antiquis  auctoribus  usum  esse  scriptorem  cum  observationes  prisci  ser- 
monis  non  paucae  tum  fragmenta  quaedam  veterum  scriptorum  adhuc  ignota  probant*  - 
Text  bei  H.  Keil  p.  486;  vgl.  §  832  p.  147.  Ueber  einen  ähnlichen  Traktat  primae  ex- 
jwsitiones  Seigii  de  prioribus  Donati  grammatici  urbis  Romae  (Hagen,  Anecdota  Hel- 
vetica p.  143)  vgl.  denselben  p.  LXXXIX.  Jeep  (Lehre  von  den  Redeteilen  p.  37)  sagt: 
„Die  Expositiones  bestehen  aus  mit  Zusätzen  aus  andern  grammatischen  Schriften  verbun- 
denen Stücken  des  lib.  I  Explan.  ** 

Sergii  de  littera,  de  syllaba,  de  pedibus,  de  accentibus,  de  distinctlone. 
Die  Kritik  beruht  auf  dem  Bobiensis  sive  Vindobonensis  16,  dem  Parisinus  7580  s.  YHI  und 
dem  Frisingensis  sive  Monacensis  81;  vgl.  H.  Keil  p.  XLVHI;  Text  bei  H.  Keil  p.  475. 
Das  Schriftchen  stellt  sich  uns  als  ein  Auszug  des  Servius  aus  dem  Donatcommentar  dar; 
vgl.  noch  Jeep,  Redeteile  p.  55. 

Glossensammlung  des  Servius.  Eine  Sammlung  von  Substantiven,  die  im  La- 
teinischen und  Griechischen  verschiedenen  Geschlechtes  sind,  wii'd  auch  dem  Servius  gram- 
maticus  beigelegt.  Verwandtschaft  zeigen  die  Excerpta  Charisii  (Gramm,  lat  1  p.  583),  ver- 
öffentlicht im  Corpus  gloss.  lat.  2  p.  507;  vgl.  noch  F.  Gehler,  Glossae  Servii  granmiatici 
(Rhein.  Mus.  18  (1863)  p.  253);  G.  Loewe,  Prodromus  gloss.  p.  200. 

Der  Centimeter.  Bezüglich  des  Titels  der  Schrift  vgl.  p.  457,  1  licet  audacUr, 
non  tame^i  ineleganter,  hunc  libeUum  qui  volet  centimetrum  nominabit.  tot  enim  metrorum 
digessi  qnania  potni  brevitate,  rationem  omittens,  quo  quidque  fiascoitwr  ex  genere,  qua 
scansionum  diversitate  caedatur,  quae  res  plus  confusionis  quam  uiüitatis  luibet.  Es  wird 
also  nach  diesen  Worten  das  Büchlein  Centimeter  zu  nennen  sein;  vgl.  Lachmann. 
Praef.  zu  Terent.  Maurus  p.  XIV;  L.  Müller,  Fleckeis.  Jahrb.  93  (1866)  p.  563.  H.  Keil 
hat  nach  den  Handschriften  das  Werkchen  de  centimetris  betitelt.  Die  Beispiele  hat  der 
Grammatiker  selbst  gemacht;  dies  ergibt  sich  daraus,  dass  sich  kein  einziges  bei  einem 
der  vorhandenen  Dichter  nachweisen  lässt.  Ja  er  verändert  lieber  sogar  Verszeilen  der 
Dichter,   um   sie   dadurch   originell   erscheinen   zu   lassen;  vgl.  L.  M filier  I.e.     Derselbe 


DoeÜheaa  nnd  andere  Ghrammatiker.    (§  836.) 


159 


Gelehrte  bestreitet  die  Aatorscbafk  des  Servius,  indem  er  sich  auf  den  Vers  (p.  465,  27) 
mtoriem  eontemnunt  laudcUo  vulnere  Getae  stützt  und  daraus  folgern  will,  dass  der  Ver- 
fMser  im  6.  Jahrhundert  znr  Zeit  der  Gothenherrschaft  in  Italien  gelebt  habe  (p.  565).  Er 
denkt  deshalb  bei  Albinos  an  einen  Sohn  des  Albinas,  der  493  Konsul  im  Westen  war; 
Tgl.  auch  L.  Mflller,  Rhein.  Mus.  25  (1870)  p.  340. 

Widmung  der  Schrift  Centimeter.  Das  Schriftchen  wird  eingeleitet  durch 
folgende  Widmung:  clarissimo  Albino  Servius  grammaticus.  tibi  hunc  libellum,  prcietexta- 
torum  dectts  Älbine,  devovi.  Im  Folgenden  heisst  es  vom  pater  und  avtis:  quibus  maximam 
reverentiam  lüterae  debent.  Der  genannte  Albinus  wird  identifiziert  mit  Caecina  Decius 
Albinus,  der  praefectus  urbi  im  Jahre  402  war;  er  ist  der  Sohn  des  Publilius  Caeionius  Cae- 
eina  Albinos,  Gonsularis  ^umidiae  im  Jahre  365  (Seeck,  Ausg.  des  Symmachns  p.  CLXXV); 
T^  Macrob.  Sat.  1,  2,  3;  1,  2,  15;  vgl.  auch  Graf,  Pauly-Wissowas  Realencycl.  1  Sp.  1315. 

Ueberlieferung  und  Ausgaben.  Die  üeberheferung  des  Centimeter  beruht  auf 
8  Handschriften,  Neapolitanus  Borbon.  IV  A  8,  Parisinus  7530  s.  VUI,  Santenianus  nunc  Bero- 
Inwinms  66;  die  übrigen  Handschriften  sind  ohne  wesentliche  Bedeutung  für  die  Recension; 
Tgl.  H.  Keil,  Gramm,  lat.  4  p.  XLV.  Ueber  die  Ausg.  der  Schrift  Centimeter  vgl.  H.  Keil 
I.  c  p.  XLVI.  Editio  princeps  (mit  der  Schrift  de  finalibus),  Mailand  1473.  Erste  kritische 
Ausg.  von  Putsche.  Es  folgen  die  Spezialausg.  von  Santenius,  Leiden  1788  und  die  von 
Fr.  Nie.  Klein  in  einem  Koblenzer  Gymnasialprogramm  1824;  massgebende  Ausg.  von 
EL  Keil,  Gramm,  lat.  4  p.  456. 

Das  Schriftchen  de  finalibus.  Die  Widmung  lautet:  Servius  Honoratus  Äqui- 
Imo  scUutem.  ültimarum  syUabarum  naturas,  sicut  proposueras,  breviter  lucideque  digessi. 
in  qua  re  mea  audacia  tuo  defenditur  imperio.  Ueber  seine  Quelle  sagt  der  Verfasser 
(p.  449,  6):  quamquam  rationem  litterae  et  syUabae  in  Donati  artibus  habeamus,  tarnen 
breriandi  causa  aliqtMi  ex  his  decerpsimus,  quae  ad  scientiam  metrorum  proficere  credimus. 
Die  Schrift  spricht  L.  Malier  (Fleckeis.  Jahrb.  93  (1866)  p.  565)  dem  Servius  ab,  da  in 
derselben  Priscian  benutzt  sei,  indem  er  Granmi.  lat.  2  p.  327,  5  vergleicht  mit  Gramm. 
lal  4  p.  453,  7.  Für  die  Recension  zog  H.  Keil  (p.  XL1II)  4  Handschriften  heran:  Vindo- 
bonensis  olim  Bobiensis  16,  Monacensis  olim  Frisingensis  81,  Leidensis  122,  Monacensis- 
Enuneramus  G.  121,  von  denen  die  zwei  ersten  die  reinste  Form  des  Textes  darbieten.  — 
Editio  princeps  Mailand  1473.  Ueber  die  übrigen  Ausg.  vgl.  H.  Keil  p.  XUY.  Massgebend 
ist  jetzt  der  Text  von  H.  Keil,  Gramm,  lat.  4  p.  449.  Ueber  ein  unserem  Schriftchen  ver- 
wandtes, dürres  Schulbuch  de  finalibus  metrorum  (Gramm,  lat.  6  p.  229),  das  von  Heraus- 
gebern dem  Servius  irrtümlich  zugeteilt  wird  (vgl.  Keil,  Gramm,  lat.  6  p.  XXII),  vgl.  unter 
Marios  Yictorinus  (§  829  p.  141). 

De  metris  Horatii.  Das  Schriftchen  ist  allein  überliefert  durch  Parisinus  7530. 
Widmung:  Servius  Fortunatiano  dn,  Superfluum,  amice,  fore  putavi  et  post  Terentianum 
metra  diger[ere,  cum  satis  quae  mihi  lectio  poetarumj  (ergänzte  Lücke)  aliud  agenti  ob- 
tulerat  exposüa  viderentur.  quare  Horaiium,  cum  in  Campania  otiarer,  excepi,  quem 
teparatim  mea  per  singulos  cantus  servata  vei'suum  repUcatione  tractares.  Auch  dieses 
Schriftchen  spricht  L.  Müller  dem  Servius  ab  und  sucht  weiter  nachzuweisen,  dass  der  Ver- 
fasser ein  anderer  ist  als  der  des  Centimeter  (p. 565).  —  Text  bei  H.  Keil ,  Gramm,  lat. 4  p.  468; 
ohne  Einleitung  steht  der  Traktat  auch  bei  Keller,  Ps.-Acron.  schol.  1  (Leipz.  1902)  p.  4. 

8.   Dositheus  und  andere  Grammatiker. 

836.  Die  (Grammatik  des  Dositheus.  Als  die  römische  und  die 
griechische  Welt  zu  einem  Reich  zusammengeflossen  waren,  lag  es  nahe, 
auch  den  griechisch  Sprechenden  die  lateinische  Sprache  zu  vermitteln. 
Diesem  Zwecke  dient  auch  die  Grammatik  des  Dositheus.  Dieser  Grieche 
nahm  sich  ein  grammatisches  Handbuch  vor  und  übersetzte  dasselbe  in 
das  Griechische,  wohl  in  der  Weise,  dass  er  eine  Interlinearübersetzung 
lieferte,  d.  h.  über  jedes  lateinische  Wort  das  entsprechende  griechische 
setzte.  Ein  späterer  Abschreiber  schrieb  in  ungeschickter  Weise,  wie  ver- 
mutet werden  darf,  das  Werk  in  der  Art  ab,  dass  er  Lateinisch  und  Griechisch 
miteinander  in  derselben  Zeile  verband;  schliesslich  scheint  ihm  die  Arbeit 
zu  viel  geworden  zu  sein  und  er  Hess  in  den  späteren  Partien  das  Grie- 
chische weg.i)     Auch  sonst  wird  das  Werk  in    der  Ueberlieferung  ge- 


i)ygl.H.Keil,  Gramm. lat.  7  p.366  «post 
ezpositionem  nominis  graeca  verha  primum 


neglegentios  latinis  interposita,  deinde  prorsos 
omissa  sanf 


160  DoBithens  und  andere  Grammatiker.    ({  836.) 

litten  haben.  Mit  der  Ankündigung  steht  das  Ganze  nicht  im  Einkla 
auch  Zusätze  sind  in  das  Werk  eingedrungen.  Da  Dositheus  lediglich 
Uebersetzer  in  Frage  kommt,  handelt  es  sich  f&r  uns  hier  bloss  dar 
welche  Vorlage  er  seiner  Uebersetzung  zu  Gründe  legte.  Es  war  diese 
welche  auch  die  sog.  Excerpta  Bobiensia  benutzten.  Auch  Charisius 
Diomedes  zeigen  Verwandtschaft  mit  unserer  Grammatik;  sie  ist  < 
etwas  entferntere  als  die  der  Excei*pta  Bobiensia  und  wohl  dahin  zu 
stimmen,  dass  die  von  Dositheus  benutzte  Grammatik  und  die  Vor! 
des  Charisius  und  Diomedes  auf  dieselbe  Quelle  zurückleiten.  Unj 
Grammatik  bildet  daher  ein  Glied  in  der  Kette  der  Quellenuntersuchuni 
Für  die  Zeit  der  Vorlage  bildet  einen  Stützpunkt  die  Erwähnung 
Grammatikers  Sacerdos;  ob  die  am  Schluss  des  Werkes  erfolgte  Erwähn 
der  Grammatik  des  Donatus  auch  für  die  chronologische  Fixierung  ' 
wertet  werden  kann,  ist  zweifelhaft,  da  die  betreffende  Stelle  auch  fren 
Zusatz  sein  kann. 

Mit  der  Grammatik  des  Dositheus  wurden  noch  andere  Stücke  ' 
bunden,  welche  ebenfalls  als  Uebungsstücke  zur  Erlernung  der  lateinisc 
Sprache  dienten.  Irrtümlich  wurden  sie  auch  dem  Dositheus  beigelef 
Allein  eine  genauere  Betrachtung  der  Ueberlieferung  legt  dar,  dass 
Autorschaft  des  Dositheus  in  derselben  keinen  Stützpunkt  hatte.  A 
stimmt  eine  in  dieser  Partie  befindliche  Datierung  nicht  mit  der  spi 
anzusetzenden  Zeit  des  Dositheus.^)  Für  die  Kenntnis  des  sozialen  Lei 
und  für  die  Geschichte  der  lateinischen  Sprache  sind  diese  Bruchstii 
von  unschätzbarem  Wert.  3) 

Inhalt.  7  p.  377,  1  artis  ßrammaticae  initia  ah  elementis  surgunt,  elementa  , 
rantur  in  litteras,  litterae  coguntur  in  syllab(Ut,  syllahis  compreJtenditur  dictio,  dicti 
coguntur  in  partes  orationis,  oratio  in  rirtutes  ac  vitia  descendit.  Dieser  AnkQndij 
entspricht  nicht  völlig  das  Darauffolgende.  Die  Reihenfolge  ist  nämlich:  De  ctccent 
de  distinctioncj  de  i'oce,  de  liftera,  de  syltaba,  de  communibus  syllabis,  de  dictivne 
onitionc;  daran  reihen  sich  die  einzelnen  Redeteile.  Ueber  die  Störung  der  Redeteile 
Jeep,  Redeteile,  Leipz.  1893,  p.  14;  über  Zusätze  bei  den  Präpositionen  und  Konjiinkti< 
vgl.  denselben  p.  15. 

Quellen  des  Dositheus.  Auszugehen  ist  von  den  Worten  H.  Keils  (Gramm.  1 
p.  367):  „Plurima  quae  a  Dositheo  in  arte  grammatica  scripta  sunt  apud  Chariaiam  et 
niedem  et  in  exccrptis  ex  Bobiensi  codice  in  primo  volumine  grammaticonim  latinc 
editis,  non  nulla  etiam  apud  alios  grammaticos,  sicut  in  adnotatione  indicavi,  legantnr. 
fit  ut  vix  quidquam  novi,  quod  ab  aliis  scriptoribus  traditum  non  sit,  praebeat.*  Der  1 
bestand  wird  von  Keil  im  einzelnen  dargelegt;  eine  genauere  Untersuchung  über  das 
hältnis  der  genannten  Schriften  wurde  für  einen  Abschnitt  {de  nomine)  gegeben  von  J« 
Bemerkungen  zu  den  latcin.  Grammatikern  (Rhein.  Mus.  44  (1889)  p.  25).  Er  komm 
dem  Resultat  (p.  39),  „dass  der  betreffende  Abschnitt  der  Exe.  Bob.  der  Grammatik,  we 
Dositheus  übersetzte,  entnommen  ist.**  Weiter  schliesst  er  (p.  47),  ^dass  die  Ezc.  Bob. 
Charisius  in  den  fraglichen  Teilen  nicht  direkt  aus  der  Grammatik  des  Dositheus  gescl 
haben,  sondern  aus  einem  Buche,  dessen  Autor  aus  dieser  Grammatik  und  aus  einer  an 
Grammatik  jene  Partien  ohne  Rücksicht  auf  genaue  innere  Abrundung,  vielleicht  um  p 
tischen  Bedürfnissen  zu  dienen,  in  ein  neues  grammatisches  Buch  zusammengefügt  ha 
Bezüglich  des  Diomedes  wird  behauptet  (p.  51),    dass  er   den  Charisius,  aber  auch  de 

* )  Dies  geschah  bereits  von  C  u  i  a  c  i  u  s ;  üebungsstücken  aus  Hygin ;  vgl.  auch  H.  1 

vgl.  H.  Keil  p.  370  ,.8ed  ex  praescriptione  co-  p.  374  „denique  eum  qui  artem  grammati 

dicis  Sangall  ensis  olim  Cuiacius,  qui  primus  '   scripsit  aliquante  inferiorem   fuisae  eo  a 

eo  codice  usus  est,  illud  nomen  ad  ea  omnia  '   qui  in  genealogia  Hygini  indicatus  est,  < 

quae  post   artem  grammaticam  scripta  sunt  '   libro  iam  plane  apparere  puto.* 

transtulit.'*  |           «)  Vgl.  auch  Krumbacher,  Gesch 

*)  Wir  meinen   die  Datierung   zu    den  Byzantin.  Litt,  München'  1897,  p.  561. 


Dositlieiui  und  andere  Grammatiker.    (§836.)  161 

Quelle  gekannt  habe.  Der  Grammatiker  Sacerdos  (§  604)  wird  citiert  p.  393,  12;  407,  19; 
418,  24;  vgl.  Keil,  Gramm,  lat  7  p.  368;  p.  375;  Jeep,  Redeteile  p.  14  Anm.  1.  Auch  ans 
Dcmat  ist  eine  Stelle  am  Schluss  des  Werks  {de  inieriectiane)  citiert:  Donat  Gramm,  lat.  4 
p.  891,  27  =  Dos.  Gramm,  lat.  7  p.  424,  9;  vgl.  Keil  p.  375;  Jeep,  Redeteile  p.  16  und 
Amn.  2. 

Die  Ueberlieferung  basiert  in  erster  Linie  auf  dem  Sangallensis  902  s.  X,  der  für 
H.  Keil  in  seiner  ersten  Ansg.  (Halle  1871)  Führer  geworden  ist  Auf  Fragmente  des  Mona- 
censis  601  s.  IX/X  machte  Rühl,  Textesqnellen  des  Justin  (Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd. 
6 (1872)  p.  14)  aufinerksam;  vgl.  auch  Loewe,  Prodromus  corp.  gloss.  lat.,  Leipz.  1876,  p.207. 
Dies  sind  die  Hilfsmittel,  auf  denen  die  zweite  Ausg.  in  den  Gnunm.  lat  von  Keil  beruht. 
Dmi  Harleianus  5642  s.  IX/X  fOgte  Krumbacher,  E^e  neue  Handschrift  der  Grammatik  des 
Doshlieus  und  der  Interpretamenta  Leidensia  (Sitzungsber.  der  Münchener  Akad.  der  Wissensch. 
1888  p.  193)  hinzu;  vgl.  auch  dessen  Abhandlung  im  Rhein.  Mus.  39  (1884)  p.  348.  Harleianus 
and  Monacensis  ergänzen  sich;  vgl.  Krumbacher,  Sitzungsber.  p.  198.  üeber  den  Be- 
stand der  drei  Handschriften  vgl.  die  Uebersicht  bei  Krumbacher,  Sitzungsber.  p.  203. 
Auch  in  Bobbio  befand  sich  eine  Handschrift;  vgl.  G.  Becker,  Catal.  bibl.  antiqui,  Bonn 
1885,  Nr.  32,  414  (p.  69)  librum  L  DoHthei  de  grammatica;  vgl.  Keil,  Gramm,  lat  7  p.  370. 

Ausg.    Massgebend  ist  jetzt  die  Ausg.  von  H.  Keil,  Gramm,  lat.  7  p.  376. 

Pseudodositheana.  Mit  der  Grammatik  des  Dositheus  sind  in  den  Handschriften 
noch  andere  Produkte  verbunden,  die  aber  mit  Dositheus  nichts  zu  thun  haben.  Die  wich- 
tigsten sind  folgende: 

1.  Eine  Sammlung  lateinischer,  bemerkenswerter  Konstruktionen,  Latinismen,  Yerbal- 
veneichnisse;  diese  Saznmlung  ist  abgedruckt  bei  Keil,  Gramm,  lat.  7  p.  424. 

2.  Int^retamenta  oder  kQurjvevfjiaxa.  Dieselben  enthalten  in  drei  Büchern:  1.  Alpha- 
betiBches  Wörterverzeichnis,  2.  Wörterverzeichnis  nach  sachlichen  Rubriken,  3.  Gesprftche.  — 
ICaaegebende  Ausg.  von  Goetz,  Corpus  gloss.  lat  3  (Leipz.  1892);  vgl.  Krumbacher,  Abb. 
W.  V.  Christ  dai^ebracht  München  1891,  p.  307;  Goetz  1.  c.  p.  637;  CoUoquium  scholi- 
ciim  Harleianum  (Ind.  lect.  Jena  1892);  J.  David,  Hermeneumata  Vaticana  emendata  et 
iUoBtrata  (Comment  philol.  Jenenses  5  (1894)  p.  197). 

3.  Bmv  ^A^Qiavov  ttnoq>tta€^g  xal  imaxoXai  ==  Divi  Adriani  sententiae  et  epistolae 
abgedruckt  in  der  Ausg.  von  BOcking,  Dosithei  magistri  interpretamentorum  liber  tertius, 
Bonn  1832,  p.  1  und  bei  Goetz  1.  c.  p.  30,  14;  De  divi  Hadriani  sententiis  et  epistulis  (Ind. 
lect  Jena  1892/98). 

4.  17  (18)  äsopische  Fabeln.  Ausg.  von  Boecking  1.  c.  p.  25  und  Goetz,  Corpus 
p.  39,  49;  vgl.  dazu  (Jrusius,  De  Babrii  aetate  (Leipz.  Stud.  2  (1879)  p.  241). 

5.  Das  fragmentum  de  manumissionibus.  Ueber  die  Ausg.  vgl.  §  630,  3;  jetzt  bei 
Goetz  p.  47,  58. 

6.  Uebersetzungen  aus  Hygins  mythologischem  Handbuch.  Hier  erhalten  wir  auch 
ein  chronologisches  Datum;  die  griechische  Uebersetzung  wurde  gemacht  am  11.  Sept.  207; 
vgl.  n,  1  §  347  p.  333.    Ausg.  von  Boecking  1.  c.  p.  65  und  bei  Goetz  p.  56,  30. 

Die  ueberlieferung  der  Pseudodositheana  wird  behandelt  von  Boucherie, 
Comptes  rendus  des  s^ances  de  TAcadämie  des  inscriptions  et  helles  lettres  1868  p.  271; 
Noüces  et  eztraits  des  manuscrits  de  la  biblioth^que  nationale  23,  2  (1872)  p.  280;  27,  2 
(1879)  p.  457;  von  Krumbacher,  De  codicibus  quibus  Interpretamenta  Pseudodositheana 
Dobia  tradita  sunt,  München  1883,  und  von  Goetz,  Corpus  gloss.  lat.  3  (Leipz.  1892)  p.  VU. 
Za  den  bei  der  Ueberlieferung  des  Dositheus  genannten  Handschriften  kommen  noch  hinzu 
der  Leidensis  Q.  7  s.  X,  der  Montepessulanus  H.  306  s.  IX  u.  a.  Ueber  die  Publizierung  ein- 
zelner Stücke  in  älteren  Ausg.  vgl.  Goetz  1.  c.  p.  XVI. 

Litteratur  zu  den  Pseudodositheana.  Lachmann,  Versuch  über  Dositheus 
(1887)  in  dessen  Kl.  Sehr.  2  (Berl.  1876)  p.  196;  M.  Haupt,  Opusc.  2  (Leipz.  1876)  p.  441 
imd  508;  F.  Buecheler,  Fleckeis.  Jahrb.  111  (1875)  p.  310;  H.  Hagen,  De  Dosithei 
magistri  quae  feruntur  glossis,  Bern  1877;  Schoenemann,  De  lexicographis  antiqnis  qui 
renun  orcunem  secuti  sunt,  Bonn  1886,  p.  3. 

Andere  Grammatiker  dieses  Zeitraumes  sind: 

\.  Euanthius.  Hieronym.  z.  J.  2374  =  358  (2  p.  195  Seh.)  Euantiua  eruditiesimus 
grammatiearum  Conetaniinopoli  diem  obit.   in  cuius  locum  ex  Africa  Chorist us  adducitur; 

S.  zu  §  838  p.  151.  Vgl  I  §  45  p.  88;  §  832  p.  148.  Ueber  die  Euanthiush-age  handeln 
ener,  Vier  lat  Grammatiker  (Rhein.  Mus.  23  (1868)  p.  490);  A.  Teuber,  De  auctori- 
tate  commentariorum,  quae  sub  Aelii  Donati  nomine  circumferuntur,  Eberswalde  1881; 
E.  Scheidemantel,  Quaest  Euanthianae,  Leipz.  1883;  Fr.  Leo,  Rhein.  Mus.  28  (1883) 
p.  817;  P.  Sabbadini,  II  commento  di  Donato  a  Terenzio  (Studi  italiani  di  filol.  class.  2 
(1894)  p.  1);  R.  Rabbow,  De  Donati  commento  in  Terentium  (Fleckeis.  Jahrb.  104  (1897) 
p.  805);  E.  Smutny,  De  scholiorum  Terentianorum,   quae  sub  Donati  nomine  feruntur, 

Haodtmeh  6er  klMi.  AltartnmnriHenachaft.  YIU.  4.  11 


162  Aqnila  Bomaniis.    (§  887.) 

anctoribus  et  fontibus  (Dias,  philol.  Yindob.  6  (1898)  p.  93);  P.  Wessner,  Untersachni 
zar  lat.  Scholienlitterabir,  Bremerhaven  1899  und  dessen  flbersichtb'ches  Referat  in 
sians  Jabresber.  113.  Bd.  2.  Abt  (1902)  p.  182;  G.  Eaibel,  Die  Prolegomena  nsQt  xta/Aw 
(Abb.  der  Gott.  Ges.  der  Wissensch.  1898  p.  44). 

2.  Tib.  Claudias  Donatus.  Ueber  denselben  haben  wir  schon  eingehend  11 1  §  2^ 
gehandelt,  so  dass  hier  nur  noch  einige  Ergänzungen  notwendig  erscheinen.  Uebei 
Ueberlieferung  vgl.  Thilo,  Rhein.  Mus.  15  (1860)  p.  149;  Mommsen  ebenda  16  (1861)  p. 
Als  Haupthandschriften  sind  zu  verzeichnen  Vaticanns  1512  s.  IX,  Laurentianus  45,  15  c 
Zur  Litteratur  kann  noch  hinzugefügt  werden  Ribbeck,  Prolegomena  Verg.  p.  185;  1^ 
Hoeven,  Epist.  ad  Suring.  de  Don.  comm.  in  Verg.  Aen.,  Leeuwarden  1846. 

8.  Claudius.  Ein  Grammatiker  dieses  Namens  wird  öfters  in  der  Ars  anon 
Bemensis  citiert;  vgl.  Hagen,  Anecdota  Helvetica  p.  107,  24;  107,  26;  120,  3;  130, 
133,  5;  134,  29.  Diesen  Claudius  identifiziert  Hagen  (L  c.  p.  LXXXYH)  mit  Claudius  Si 
dos;  Steup  (Rhein.  Mus.  26  (1871)  p.  320)  sucht  diesen  Grammatiker  zu  individoaliaiere 

4.  Arruntius  Claudius.  Diom.  Gramm,  lat.  1  p.  821,  11  sicut  Arruntius  Gau 
asserit.  Vielleicht  ist  dieser  Arruntius  Claudius  mit  Arruntius  Celsus  (§  605)  zu  id 
fizieren. 

Hier  möge  auch  der  Catalogus  grammaticorum  des  cod.  Bemensis  243, 
P.  Daniel  einer  älteren  Quelle  entnommen,  folgen:  De  Borna  de  Sieüia  de  It€Uia  de  Ä] 
d^  Hispania  t^enei'unt  ad  tw8  libri  grammaiici:  De  Borna  quatuar  libri  Donati,  de  Si 
IUI  discipulorum  eius  idesi  Honorati  et  Sergii  et  Maximi  et  Metrorii,  de  Ttalia  duo 
Consentii  de  nomine  et  verbo  et  de  harbaristno  et  libri  Priadani  XX  et  EutUii  dv 
Sergii  novem  de  littera  et  de  barbarismo  et  Äsperi  et  Flaviani  libri  IUI,  de  Africa 
Cominiani  et  Pompei,  de  Hispania  l8id<iri  et  Capri  et  Agroecii  et  analogia  Päppi 
et  Victorini.    Dem  Katalog  wurde  später  noch  von  Daniel  beigef&gt:  Veliutn  Lan^m 
orthographia  et  Adamantium  Martyrium  de  v  et  b  integres  repperit  Venetiis  Gl.  PiUea 
Noch  später  trat  von  anderer  Hand  hinzu:  Adamantium  sive  Martyrium  de  B  muta 
vocali.    Damit  stimmt  üborein  der  Katalog  des  cod.  Bononiensis  s.  Xl;  über  denselben 
H.  Keil,  De  grammaticis  inferioris  aetatis.   Erlangen  1868,  p.  27.    Ueber  beide  Kati 
handelt  Hagen,  Anecdota  Helvetica  p.  CXLIX.    Ueber  Sergius  novem  {librt)  de  lütef 
de  barbarismo  vgl.  Hagen  1.  c.  p.  CL  „et  quod  ad  alterum,  qui  vocatur  hoc  loco,  D< 
discipulum  attinet  Sergium,  de  littera  de  syllaba  de  pedibus  etc.  librum  dici  optime  Ke 
vidit  p.  27.    Alterius  vero  Sergii   libros  novem    „de  littera  et  de  barbarismo'  ad  D< 
commentarios  referendos  esse  patet,  quamquam,  quid  de  novenario  librorum  numero  di< 
non  satis  constat,   nisi  quod  inde  efficitur,  sub  Sergii  nomine  multo  plures  comment 
medii    aevi   temponbus   circumlatos   fuisse,    quam   nobis   adhuc   innotuerunt.     Itaque 
dubito,  quin  et  iile  Sergii  tractatus,   quem  huius  libri  p.  143—158  primum  edidi,   atqu 
cuiuB  fragmenta  ex  codicis  123  arte  petita  infra  capit«  VI  propositurus  sum,  ad  novena 
istum  numerum  pertinuerint.  ** 

5.  Carminius.  Seine  Schriften  sind:  1)  De  elocutionibus;  vgl.  Sorv.  zu^ 
Aen.  5,  233  Carminius  tarnen  dicit,  qui  de  elocutionibus  scripsit.  2)  Vielleicht 
Commentar  zuVergil;  vgl.  Serv.  zu  Verg.  Aen.  6,  638  ut  Varro  et  Carminius  doi 
6,  861  tria  sunt  secundum  Carminium:  pulchritudo,  aetas,  virtus;  8,  406  Probus  vet 
Carminius  propter  sensum  cacenphaton  „infusum"  legunt,  ut  sü  sensus.  3)  De  Itfl 
vgl.  Macrob.  Sat.  5,  19,  13  Carmini  curiosissimi  et  docti  verba  ponam,  qui  in  libro  de  1 
secundo  sie  ait. 

6.  Statins  Tullianus.  Macrob.  Sat.  3,  8,  6  Statius  Tullianus  de  vocabulis  n 
libro  primo  ait;  vgl.  auch  Serv.  zu  Verg.  Aen.  11,  543. 

2.  Die  Rhetoren. 

1.   Aquila  Komanus. 

837.  Die  Figurenlehre  des  Aquila  Bomanus.O  Ein  strebsamer  jui 
Mann,  dessen  Name  nicht  genannt  wird,  hatte  den  Khetor  Aquila  Romani 
angegangen,  für  ihn  ein  Lehrbuch  der  Rhetorik  zu  verfassen.    Der  Rh 
hatte  damals  nicht  die  nötige  Müsse  hierfür;  er  grilBF  daher  vorläufig 
einen  Teil   aus   der  Rhetorik  heraus  und   zwar   den,   welchen  er  als 

*)  Der  Beiname  „ Romanus **  ist  offenbar  des  dritten  Jahrhunderte  gesetzt.  Wir  h 

gewählt,   um  ihn  von   griechischen  Autoren  ihn  mit  Julius  Rufinianus  verbunden,  der 

zu  scheiden.  Lehrbuch  an  das  Aquilas  angeschloasen 

2)  Seine  Blüte  wird  in  die  zweite  Hälfte 


Aqnila  BomAnaa.    (§  837.)  163 

nichtigsten  für  die  rednerische  Kunst  erachtete.  Er  schrieb  ein  Hand- 
)üchlein  über  die  Sinn-  und  Wortfiguren.  Demgeroäss  gliedert  sich  das 
iVerkchen  in  zwei  Teile.  Die  Methode  der  Darstellung  ist  die,  dass  die  ein- 
selnen  Figuren  aufgezalilt,  definiert  und  durch  Beispiele  erläutert  werden. 
Die  Beispiele  werden  in  der  Regel  aus  Cicero  entnommen,  wobei  er  auch 
ius  dem  Gedächtnis  citiert;  auch  finden  sich  darunter  selbstgemachte.  In 
lieser  Beispielssammlung  wird  die  Hauptthätigkeit  des  Rhetors  bestanden 
liaben;  die  Figuren,  ihre  Definitionen  konnten  ihm  die  griechischen  Meister 
liefern.  Ausser  Aristoteles  nennt  er  keine  Quellen,  sondern  begnügt  sich 
mit  allgemeinen  Angaben;  allein  in  Wahrheit  schöpfte  er  den  theoretischen 
Feil  seines  Buches  aus  dem  Griechen  Alexander  Numenius,  und  dies  hatte 
[>ereits  Julius  Rufinianus,  der  sich  an  ihn  anschloss,  erkannt.  Seine  Arbeit 
stellt  sich  daher  als  ein  Auszug  aus  der  Schrift  Alexanders  negl  %&v  rf^g 
fiavoiag  xal  Ttjg  Xä^ecog  (TxrjfiäToav  dar,  die  wir  auch  in  der  griechischen 
Passung  nur  in  einer  Epitome  besitzen.  Die  Darstellung  Aquilas  ist  nicht 
t>esonders  gewandt  und  bietet  manche  Anstösse  dar;  das  Ganze  ist  ein 
lürres  Compendium.  Wie  Aquila  den  Alexander  Numenius  ausgeschrieben, 
lo  widerfuhr  ihm  dasselbe  von  Seiten  des  Martianus  Capella,  der  in  seiner 
Rhetorik  den  römischen  Rhetor  für  die  Figurenlehre  ausbeutete  und  manche 
Lücken  unserer  Ueberlieferung  ausfüllt,  i) 

Anlass  der  Schrift.  Aqaila  Romanos  schickt  seine  Schrift,  welche  de  figuria 
9eHteniiarum  et  eloeutionis  betitelt  ist,  an  einen  unbekannten;  sie  beginnt  also  (p.  22  H.): 
Eketaricos  petis  longiaris  morae  ac  düigetUiae  quam  pro  angustiis  iemparis,  quod  me 
profeeto  urget,  ideoque  postea  plenum  hoc  tibi  munus  reddemtis.  In  praesenti  autem  nomina 
ip8arum  figurarum  cum  exemplis  percurrisse  sufficicU,  tantum  praelocutiSf  quo  maxime 
orator  ab  oratore  differat,  unum  hoc  aut  certe  esse  praeeipuum,  figuras  sententiarum  atque 
elocutionum.    p.  27,  2  nennt  er  den  Unbekannten  adulescens  acerrimo  ingenio. 

Zur  Gliederung  der  Schrift.  Im  Prooemium  (p.  23,  6)  heisst  es:  percurramas 
igitur  sententiarum  figuras;  natura  est  enim  prius  sentire  quam  eloqui.  p.  27,  1  hae  fere  sunt 
ab  elegantissimis  eUctae  figurae  sententiarum nunc  ad  figuras  eloeutionis  transeamus. 

Quellen,  p.  31,  25  {Aristoteles)  qua  de  re  in  tertio  Rhetoricorum  libro  disserit, 
Abgesehen  von  dieser  SteUe  begnügt  sich  der  Autor  mit  unbestimmten  Angaben  z.  B.  2S;  25 
quippe  cum  ipse  Isocrates  in  hoc  genere  a  quibusdam  improbetur.  28,  15  etsi  nonnulli 
ex  uno  menAro  ambitum  putant  posse  compleri,  23,  18  quod  si  hoc  ipsum  esse  aliqui 
äiatyposiny  hoc  est  descriptionem,  volunt.  26,  23  fASTteffTaaiy,  trän  emotionem,  quidam  inter 
figuras  nominavit.  Dies  führt  auf  Alexander  Numenius;  vgl.  Rhet.  graeci  Bd.  3  p.  26,  23 
Bpengel.  Dass  dies  die  HauptqueUe  war,  erkannte  schon  Julius  Rufinianus,  der  seine  £r- 
ginznng  zu  Aquila  mit  den  Worten  einleitet  (p.  38,  1  H.):  hactenus  Aquila  Romanus  ex 
Alexandra  Numenio,  Das  Verhältnis  des  Alezander  und  Aquila  ist  untersucht  von  Steus- 
loff ,  Quibus  de  causis  Alezandri  Numenii  Tiegi  rtuy  rijg  d^ayoiag  xat  ifjq  Xe^stog  axflfAaxuiv 
Über  ....  sit  spurius  et  quae  epitomae  ex  deperdito  Alexandri  libro  excerptae  supersint 
demonstratur,  Bresl.  1861.  Ueber  Alexander  Numenius  oder  Numenii,  der  wahrscheinlich 
in  der  ersten  Hälfte  des  zweiten  Jahrhunderts  n.  Chr.  lebte,  vgl.  Brzoska,  Pauly- Wisse  was 
Eealen^cl.  Bd.  1  Sp.  1456;  J.  Graeven,  Comuti  artis  rhetoricae  epitome,  Berl.  1891,  p.  LXIX. 

Fortleben  des  Aquila.  An  Aquila  knüpft  Julius  Rufinianus  an;  vgl.  §  838. 
Martianus  CapeUa  (bei  Halm  p.  478)  benutzte  den  Aquila  stark  in  der  Figurenlehre  seiner 
Ethetorik. 

ueberlieferung.  Die  Recensio  ist  über  Ruhnken  noch  nicht  wesentlich  hinaus- 
gekommen. Bei  Halm  ist  die  Grundlage  der  cod.  Vindobonensis  179  (218  bei  Endlicher). 
Ueber  eine  Lücke  hinter  der  ersten  Gedankenfigur  ngodiog&oHJi^  vgl.  Wilamowitz  bei 
Müller,  De  figuris  quaest  crit.  I,  Greifswald  1880,  3,  2.  Üeber  den  verlorenen  cod.  Spi- 
rensis  vgl.  Halm  p.  VI. 

Ausg.  In  den  Antiqui  rhet.  lat.  von  Capperonnier,  Strassburg  1756,  p.  15.  Mit 
EUitilius  Lupus  verbunden  in  der  Ausg.  von  Ruhnken,  Leiden  1768,  p.  139,  die  neu  be- 

^)  Auch  Julius  Victor  benutzte  den  Aquila,  wenn  die  Verbesserung  Mais  (vgl.  unten 
p.  168)  Aquüae  statt  Aquili  richtig  ist. 

11* 


164  Julias  Bufinianus.  (§888.)    AniBianiui  Kessiiis.  (§839.) 

arbeitet  wurde  von  C.  H.  Frotscher,  Leipz.  (1881)  1841,  p.  184.  In  den  Rhet  lat.  min. 
von  Halm,  Leipz.  1863,  p.  22;  vgl.  dazu  Mähly,  Philol.  16  (1860)  p.  172;  W.  Wonach, 
De  Aqnila  Romano,  Wittenberg  1861,  p.  5;   Fröhlich,  Fleckeis.  Jahrb.  89  (1864)  p.  208. 

Der  Grammatiker  und  Orthograph  Aqnila.  Zweifelhaft  ist  mir,  ob  folgende 
zwei  Stellen  sich  auf  unsem  Aqoila  beziehen:  Probns  =  Sacerdos,  Gramm,  lat.  4  p.  19,  82 
hie  et  haec  et  hoc  pubes  huius  puberis,  sie  AquHa  rettuIU  Tullium  dixisse.  Cassiodor,  Gramm, 
lat.  7  p.  209,  17  possem  Äquüam  et  Quintilianum,  sed  et  Avüum,  quoa  nan  nuüi  in  ortho- 
graphiae  peritia  laudandaa  esse  putaverunt  ....  addere;  vgL  auch  Brzoska  (Paoly-Wia- 
sowas  Realenc^rcl.  Bd.  2  Sp.  817),  der  an  die  Möglichkeit  denkt,  dass  derselbe  identisch 
ist  mit  dem  bei  Suidas  genannten  'AxvXag  ygafifiauKog  xal  fiovaixof. 

2.  Julius  Rufinianus. 

838.  Des  Julius  Bufinianus  Handbüchlein  über  die  Satzflguren. 
Julius  Rufinianus,  auf  dessen  Sohn  sich  wahrscheinlich  eine  in  die  nach- 
constantinische  Zeit  weisende  Inschrift  bezieht,  gibt  uns  einen  Abriss  der 
Satzfiguren,  der  uns  lediglich  durch  die  Basler  Ausgabe  des  Jahres  1521 
erhalten  ist.  Er  knüpft  an  Aquila  Romanus  an,  dessen  Hauptquelle  er 
richtig  erkannt  hat,  und  gibt  zu  dessen  Werkchen  Ergänzungen  aus  an- 
deren Autoren.  Wie  aus  dem  jetzigen  Bestand  noch  hervorgeht,  waren 
die  Figuren  alphabetisch  angelegt;  zu  den  griechischen  Termini  werden 
auch  hie  und  da  die  lateinischen  hinzugefügt.  Die  meisten  Beispiele  sind 
aus  Cicero  genommen,  alsdann  aus  Vergil;  vereinzelt  sind  die  aus  Plautus, 
Terenz,  Caecilius,  Ennius,  Lucilius,  Horaz,  ferner  aus  Cato  und  Caesar. 
Den  Namen  Julius  Rufinianus  trägt  in  der  üeberlieferung  auch  der  sich 
anschliessende  Traktat  de  schematis  lexeos  und  de  schematis  dianoeas. 
Diese  Üeberlieferung  ist  aber  zu  beanstanden.  Schon  das  wäre  ungereimt, 
dass  der  Schriftsteller  denselben  Gegenstand  zweimal  behandelt  hätte.  Auch 
finden  sich  Differenzen  innerlicher  und  äusserlicher  Art;  so  stimmen  die 
Definitionen  der  beiden  Schriften  gemeinsamen  Satzfiguren  nicht  vOllig 
überein,  auch  ist  für  die  Beispielsammlung  der  zweiten  Schrift  Vergil  zu 
Grunde  gelegt,  während  in  der  ersten  Schrift  Cicero  der  Hauptautor  ist 

Rufinianus  orator.  CIL  10,  1125;  Dessau,  Inscr.  lat.  sei.  No.  2942  wird  eine 
Statue  gesetzt  C.  Julio  Rufiniano  Ahltibio  Tatiano  c.  v.,  Rufiniani  arataris  fUio,  wozu  Mommsen 
bemerkt:  «Pater  Tatiani  Rufinianus  orator  est  opinor  is  qui  scripsit  libmm  qni  extal  de 
figuris  sententiarum  et  elocutionis/ 

Julius  Rufinianus  und  Aquila.  Die  Schrift  des  Julius  RnfinianiiB  begimit  mit 
den  Worten  (p.  38,  1  Halm):  Hactenus  Aquila  Rwnanus  ex  Alexandra  Numenio:  exinde  ek 
eo  praeteritas,  aliis  quidem  proditas,  subtexuimus. 

Julius  Rufinianus  und  de  schematis  lexeos,  de  schematis  dianoets 
eines  Anonymus.  Ruhnken,  Ausg.  p.  227:  ,Hic  yalde  ieiunus  et  exilis  libeUns,  quo 
orationis  Schemata  unius  fere  Yirgilii  exemplis  explicantur,  non  videtur  esse  BnfiniaiiL  Nim 
cur  idem  argumentum  bis  sibi  tractandum  sumsisset?  Videntur  librarü,  cum  auctoris  nomen 
non  adiectum  reperissent,  Julii  Rufiniani  nomen  ad  hoc  quoque  opusculum  tradoxiaBe.* 

Üeberlieferung.  Für  Julius  Rufinianus  kennen  wir  nur  eine  Qaelle,  den  cod. 
Spirensis,  der  aber  jetzt  verschollen  ist.  Aus  ihm  hat  Beatus  Rhenanus  fOr  sone  Aing^ 
Veterum  aliquot  de  arte  rhetorica  traditiones,  Basel  1521,  den  Text  des  Bufinianus  eot- 
nommen;  vgl.  Halm  p.  VI. 

Ausg.  in  den  Rhet.  lat.  min.  von  C.  Halm,  Leipz.  1868,  p.  38. 

3.  Arusianus  Messius. 

839.  Die  Sammlimg  von  grammatischen  Eonstruktionen  des  Am* 
sianus  Messius.  Im  rhetorischen  Unterricht  war  die  richtige  Anwendung 
der  Phraseologie  ein  Hauptziel;  diesem  Ziele  kommt  eine  Sammlung  ent- 
gegen, die  in  einem  verlorenen  Codex  des  Klosters  Bobbio  stand,  jetzt 


Amsianns  KasBiiui.    (§  839.)  165 

aber  nur  durch  eine  Abschrift  des  Humanisten  Parrhasius  erhalten  ist. 
Dieselbe  ist  alphabetisch  angelegt  und  will  Mie  verschiedenen  Konstruk- 
tionen von  Substantiven,  Adjektiven,  Verben  und  Präpositionen  darlegen 
and  durch  Beispiele  belegen ;  diese  Beispiele  werden  aus  vier  Schriftsteilem 
entnommen,  wie  auch  die  üeberschrift  besagt,  aus  Yergil,  Sallust,  Terenz 
und  Cicero.^)  Am  Schluss  fehlt  Einiges.  Der  Verfasser  dieser  Beispiel- 
Sammlung  ist  Arusianus  Messius.  Er  war  ein  vornehmer  Mann;  denn  er 
gehörte  zur  ersten  Rangklasse  der  comites  Augusti  und  f&hrte  den  Ehren- 
namen eines  Orator.  Seine  Schrift  widmete  er  dem  Brüderpaar  Olybrius 
und  Probinus,  welche  im  Jahre  395  im  jugendlichen  Alter  das  Konsulat 
bekleideten.  Damit  ist  auch  die  Zeit  unseres  Autors  gegeben;  er  gehörte 
dem  vierten  Jahrhundert  an  und  war  ein  Zeitgenosse  des  Symmachus, 
dem  er  auch  einige  Beispiele  entlehnt  hat.  Benutzt  wurde  die  Sammlung 
von  Ambrosius  und  Cassiodor.  Der  Wert  des  Buches  ruht  in  den  Bei- 
spielen ;  besonders  wertvoll  sind  die  aus  den  verlorenen  Historien  des  Sallust 
entnommenen. 

Der  Autor  und  sein  Werk.  Im  Codex  des  Parrhasius  heisst  die  Üeberschrift: 
IneipU  Arusiani  Messt  v.  e,  or.  comiiis  primi  ordinis  exempla  eloctäionum,  ex  Vergilio 
Sallustio,  Terentio,  Cicerone  digesta  per  litteras.  Von  derselben  Hand  stehen  über  Arusic^ 
nus  die  Worte  Cornelii  frontonis;  vor  Comelii  scheint  noch  der  Bachstabe  a  gestanden  zn 
haben,  üeber  comes  primi  ordinis  vgl.  Mommsen,  Mem.  d.  inst.  arch.  2  (1865)  p.  307; 
Hermes  4  (1870)  p.  127;  Seeck,  Pauly-Wissowas  Realencycl.  4.  Bd.  Sp.  685.  Ueber  den 
Titel  orator  yg^  Ruhnken,  Ausg.  des  Ratilias  Lupus  p.  XXVI.  In  einem  Bibliotheks- 
katalog einer  Berliner  Handschrift  Santen.  66  s.  IX  ist  das  Werk  also  betitelt:  incipit 
Messt  oratoris  de  eloeutionibus  Olybrio  et  Probino  Messius;  vgl.  G.  Becker,  Catal.  bibl. 
anttqoi,  Bonn  1885,  20,  12  (p.  42);  M.  Haupt,  Opusc.  3  p.  425.  Die  Brttder  Olybrius  und 
Probinus  waren  Konsuln  im  Jahre  395.  Zunächst  Iftge  es,  anzunehmen,  dass  dieses  Kon- 
sulat Anlass  war,  die  Schrift  dem  Brttderpaar  zu  widmen,  und  dies  ist  die  Ansicht  M.  Haupts. 
Weiter  zurück  kommen  wir  aber,  wenn  wir  eine  Beobachtung  Buechelers  (Rhein.  Mus. 43 
(1888)  p.  293)  zu  Rate  ziehen,  nach  der  Ambrosius  de  fnga  saeculi  3,  16  (2  p.  176,  14  Seh.) 
bereits  den  Arusianus  Messius  (p.  465,  2)  gekannt  hat;  doch  vgl.  Stiglmayr,  Zeitschr.  für 
kath.  Theol.  23  (1899)  p.  315.  Die  Schrift  des  Ambrosius  wird  ums  Jalur  387  angesetzt, 
aber  von  M.  Ihm,  Stndia  Ambrosiana  Jockeis.  Jahrb.  Supplementbd.  17  (1890)  P- 19)  nicht 
Tor  389/90  gerückt.  Noch  weiter  hinab  geht  C.  Schenk!,  Ambrosii  opera  2  (Wien  1897) 
p.  Xn.  (üeber  das  damals  noch  sehr  junge  Brüderpaar  vgl.  auch  Zarncke,  Gommenta- 
tiones  in  honorem  Guil.  Studemundi,  Strassb.  1889,  p.  203;  Seeck.  Ausg.  des  Sjmmach. 
p.  CV.)  Dass  der  Autor  dem  4.  Jahrhundert  angehört,  geht  daraus  hervor,  dass  er  bereits 
Symmachus  anführt  (p.  458,  1 1 ;  489,  28). 

Die  Quellenschriftsteller.  Schindler,  Observ.  crit.  et  bist,  in  Terent.,  Halle 
1881  (über  die  Terenzstellen) ;  Nitzschner,  De  locis  Sallustiams,  qui  apud  sciiptores  et 
nammaticoe  veteres  leguntur,  Göttingen  1884,  p.  75  (über  die  Salluststellen);  Ribbeck, 
Prolegomena  p.  208  (über  VergilsteUen);  H.  Karbaum,  De  origine  exemplorum,  quae  ex 
(Sceronis  scriptis  a  Charisio,  Diomede,  Arusiano  Messio,  Prisciano  Caeeariensi,  aliis  gram- 
malicis  Latinis  allata  sunt,  Wernigerode  1889,  p.  13  (über  das  Verhältnis  zwischen  Priscian 
und  Arusianus). 

Fortleben  des  Arusianus  Messius.  Gelegentlich  einer  Anführung  aus  dem 
Hebrfterbrief  7,  26  ^talis  enim'^  inquit  ^nobis  decebaf^  bemerkt  Ambrosius  de  foga  saeculi 
8,  16  (2  p.  176,  14  Seh.):  recta  elocuiio,  siquidem  et  apud  eos  qui  verborum  et  eJocutionum 
diUctum  habuerunt,  huiusmodi  invenitur  dicente  aliquo  y,locum  editiorem  quam  victoribus 
decebat^,  quod  ideo  non  praeterii,  ut  seiamus  quia  apostolus  naturalibus  magis  quam 
vulgatis  axU  seeundum  artem  utitur  verbis.  Cassiodor.  de  inst.  div.  25  =  Gramm,  lat.  7 
p.  211,  3  regtUas  el4>eutionum  latinarum,  id  est  quadrigam  Messiif  omnimodis  non  sequaris, 
ubi  tarnen  priscorum  eodicum  auetoritate  convinceris.  Dagegen  zweifelt  Karbaum  (p.  14), 
ob  Priscian  den  Arusianus  eingesehen;  er  nimmt  vielmehr  eine  gemeinsame  Quelle  an; 
vgl.  Goetz,  Quaest.  miscell.  pars  2  (Ind.  lect.  Jena  1888/89  p.  V);  Keil,  Gramm,  lat.  7  p.  448. 

Die  Ueberlieferung  beruht  idlein  (vgl.  Keil  p.  446)  auf  dem  Codex  des  Parrnasius 
(1470—1584),   Neapolitanus  IV  A  11,    der  eine  Abschrift   des  verloren  gegangenen   cod. 

»)  Vgl.  Weyman,  Phüol.  55  (1896)  p.  472. 


166  0.  ChixiiiB  Fortonatiaiiiis.    (§  840.) 

Bobiensis  ist;  vgl.  den  Catalog  der  Bobbio'Bchen  Handschriften  bei  Peyron,  Cic.  oral 
Scauro  et  in  Glod.  fragm.  inedita,  Stattgart  1824,  p.  30.  Die  Schrift  scmiesst  mit  Volut 
Einiges  ist  verloren  gegangen. 

Ansg.    Amsianns  Messias  wnrde  anter  dem  Namen  Frontos  zuerst  von  A.  ^ 
Mailand  1815,  mit  vermehrtem  handschriftlichen  Material,  Rom  1828,  herausgegeben 
Keil  p.  444);   in  Lindemanns  Gramm,  lat.  1  (1830)  p.  209,  endlich  bei  Keil,   6ra 
lat.  7  p.  449. 

Litteratar.    Saringar,   Historia  crit.  scholiastarom  lat.  2  (Leiden  1834)  p.  ! 
F.  Osann,  Beitr.  zar  griech.  u.  röm.  Litteratargesch.  2  (Leipz.  1839)  p.  349;   Van 
Hoeven,  De  nonnollis  locis  veteram  scriptor.   cum  append.  de  Arosiani  Meaaii  exea 
elocutionum,  Amsterdam  1845;  Goetz,  Paoly-Wissowas  Realencycl.  2.  Bd.  Sp.  1492. 

4.   C.  Chirius  Fortunatianus. 

840.  Der  rhetorische  Eatechismus  des  Fortunatianus.  Dem  vier 
Jahrhundert  wird  auch  ein  rhetorisches  Lehrbuch  angehören,  das  uns  ui 
dem  Namen  C.  Chirius  Fortunatianus  erhalten  ist.  Es  verrät  eine  gewi 
Selbständigkeit  des  Urteils  und  Kenntnis  der  Materien ;  der  Verfasser  ht 
seinen  Quintilian  und  Cicero  fleissig  gelesen.  Ein  unglücklicher  Gtedai 
von  ihm  war,  die  katechetische  Form  zu  wählen;  sie  dient  bei  ihm  ni 
der  Gedankenentwicklung,  sondern  ist  rein  äusserlich  in  Anwendung 
kommen.  Wie  unbeholfen  der  Verfasser  ist,  möge  ein  Beispiel  dartb 
In  dem  Kapitel  über  das  Gedächtnis  lautet  eine  Frage,  wer  die  Gedacht] 
kunst  erfunden,  und  die  Antwort  darauf:  Simonides.  Die  sich  dar 
schliessende  Frage  heisst  aber:  Was  entnehmen  wir  aus  der  Benutzt 
des  Gastmahles  von  Seiten  des  Simonides?  Sein  Werk  eröffnet  der  V 
fasser  mit  drei  Hexametern,  welche  eine  Einladung  an  den  wissbegieri; 
Leser  enthalten.  Es  folgen  dann  drei  Bücher;  im  dritten  Buch  ist 
Stoif  durch  üeberschriften  gegliedert,  ea  sind  folgende:  Ueber  die  . 
Ordnung  des  Stoffes,  über  den  Ausdruck,  über  das  Gedächtnis,  über 
Vortrag.     Die  Schrift  fand  ihre  Leser;   Cassiodor  zieht  sie   gerne  hei 

Uober  die  Quellen  vgl.  J.  Simon,  Kritische  Beiträge  zur  Rhetorik  des  C.  Cfa 
Fortunatianus,  Schweinfurt  1872:  Julius  Victor  (p.  3),  Cicero  de  inventione  (p.  4),  (J 
tili  an  (p.  5). 

Fortleben  des  Fortunatianus.  Cassiodor.  de  rhetor.  p.  498,  17  (Halm)  Fü 
naiianum  doctorem  novellum,  qui  tribus  roluminibus  de  hac  re  suhtilUer  minuteque  i 
tarif,  in  pttgillari  codice  apte  forsitan  congruenterque  redegimus.  C.  p.  495,  10  ciriies  q 
stiones  sunt  secundum  Fortunatianum  artigraphum  novellum  =■•  Fortnnat.  p.  81,  9  (Hi 
C.  p.  498,  29  sicut  Fortunatianus  dicü  =  F.  p.  118,  33.  C.  p.  500,  24  memoratus  Fort 
tianus  in  tertio  lihro  meminit. 

Die  Ueberlieferung  des  Chirius  Fortunatianus  basiertauf  den  Handschr 
Durmstadicnsis  166,  olini  Colonieusis  s.  VII,  der  bekanntlich  den  Censorinus  enthält 
§  632 1,  Parisinus  7530  s.  VIII  und  Bemcnsis  363  Ende  s.  IX,  der  die  dialogische  I 
öfters  fallen  Hess.  Ueber  diese  letzte  Handschrift  vgl.  A.  Reuter  (Hermes  24  (1889)  p.  1 
der  zugleich  (p.  167)  Ergänzungen  zu  der  Kollation  Halms  liefert  und  das  Verh&lhiia 
drei  Handschriften  zu  einander  untersucht.  Vgl.  noch  C.  Halm,  Beitr.  zur  Berichtigimg 
Ergänzung  der  ciceronischen  Fragmente  (Sitzungsber.  der  Münchener  Akad.  1862,  Bd.  2,  p. 

Ausg.  von  C.  Halm,  Rhetores  lat.  min.,  Leipz.  1863,  p.  81. 

Ars  rhetorica  Clodiani  de  statibus.  So  lautet  die  Ueberschrift  eines  Tral 
im  cod.  Bemensis  363;  über  den  Traktat  vgl.  C.  Halm,  Rhet.  lat.  min.  p.  XIV:  ,nec  ta 
ea  hübet,  quae  ex  hac  pracscriptione  exspectes.  Nam  de  statibus  ipsis  perpauca  tn 
sunt;  niaiorem  libelli  partem  conücit  expositio  de  loco  in  Aristotelis  praedicameutis 
sequitur  deuique  in  opusculo  Bemensi  brevis  disputatio  moralis.  Quas  partes  diversi 
respexcris,  varia  esse  excerpta  ex  diversis  scriptoribus  facile  conicias  iisque  oh  eam  cav 
Clodiani  nomen  praepositum,  quod  prima  particula  ex  Clodiani,  quisquis  ille  fnit,  de  stal 
libro  desumta  erat."  Zu  bemerken  ist  noch,  dass  im  cod.  Bemensis  die  Sub8cripti( 
Buch  1  des  Chirius  Fortunatianus  lautet:  Clodiani  Chirii  Fortunatiani  artis  rhetaricae 
expL    Ausg.  des  Traktat«  bei  Halm  p.  590. 


SolpiüUB  Yiotor.  (§  841.)    G.  Jalins  Yiotor.    (§  842.)  167 

5.  Sulpitius  Victor. 

841.  Das  rhetorische  Handbuch  des  Snlpitins  Victor.  In  einem 
verlorenen  codex  Spirensis  standen  unter  anderen  rhetorischen  Schriften 
auch  die  institutiones  oratoriae  des  Sulpitius  Victor.  Durch  die  Baseler 
Ausgabe  des  Jahres  1521  sind  uns  auch  diese  erhalten  worden.  Dem 
Handbuch  geht  ein  Brief  voraus,  der  uns  über  die  Entstehungsgeschichte 
und  C!omposition  des  Werkchens  Aufschluss  erteilt.  Der  Schwiegersohn 
des  Autors,  M.  Silo,  hatte  öfters  das  Verlangen  geäussert,  sein  Schwieger- 
vater möge  ein  Compendium  der  Rhetorik  verfassen;  diesem  Wunsche 
kam  Sulpitius  Victor  nach.  Er  legte  eine  Anleitung  seines  Lehrers  Zeno 
zu  Grunde,  der  gegenüber  er  jedoch  mit  Freiheit  verfuhr;  er  Hess  man- 
ches weg,  änderte  die  Anordnung  und  machte  auch  Zusätze.  Der  Gang 
des  Büchleins  ist  der,  dass  es  zuerst  das  Wesen  der  Rhetorik,  den 
bürgerlichen  Streitfall,  seine  Teile,  die  Aufgaben  des  Redners,  die  in  der 
Erkenntnis,  Auffindung  und  Anordnung  bestehen,  dann  die  Teile  der  Rede, 
endlich  sehr  ausführlich  die  Lehre  von  den  Status  behandelt.  Die  Sprache 
ist  korrekt  und  gefällig. 

Zar  Gliederuug  der  Schrift,  p.  321,  23  reliquutn  est  etiam,  ut  incipiamus 
tarn  de  sttUibus  di^mtare,  qtiando  quidem,  ut  breviter  admoneam,  executi  aumtis,  quid  esset 
rhetorieOf  quid  civilis  quaestio,  quae  partes  civilis  quaestionis,  quae  oratoris  officia,  quae  in 
intelUctu  et  in  inventione  et  in  dispositione  servanda. 

Zur  Charakteristik  der  inBtitationes  oratoriae  des  Sulpitius  Vic- 
tor. Der  der  Schrift  vorausgehende  Brief  lautet:  Quod  frequenter  a  me  postulabas,  videar 
expedisse.  Contuli  in  ordinem  ea,  quae  fere  de  oratoria  arte  traduntur,  secundum  in^ 
stUutum  magistrarum  meorum,  Zenonis  praecepta  maxime  persecutus,  ita  tarnen^  ut  ex 
arbiirio  meo  aliqua  praeterirem,  pleraque  ordine  immutato  referreni,  nonnuUa  ex  aliis  quae 
neeessaria  videbantur  insererem.  Rede  an  perperam  fecerim,  tu  iudicahis;  nee  enim  volo 
haee  in  multorum  manus  pervenire,  p.  315,  13  sed  nos  a  Graecis  tradita,  ut  coepimus, 
perse^uxmur  eamusque  per  singula.  p.  321,  29  hie  erat  ordo  re  vera,  ut  de  statüms  pro- 
tinus  traderemus,  si  non  esset  a  Zenonis  vestigiis  recedendum:  sed  professi  sumus  usuros 
nos  nostro  esse  iudicio,  si  videbitur  res  exigere  aliquid  inserendum  esse  de  meo.  p.  338,  28 
hoe  etsi  apud  Zenonem  positum  est,  mihi  tarnen  thema  huius  eontroversiae  non  placet. 
p.  841,  26  haec,  quae  ad  praescriptionem  pertinent,  quamquam  ab  instituto  Zenonis  remota, 
non  tarnen  alienum  fuit  persequi  ex  his  quae  tradidit  Marcomannus,  ex  cuius  commentariis 
kaec  prope  ad  verbum  translaia  sunt.  lam  sequitur  ut  videamus  quae  attinent  ad  staium 
gualitatis  et  ut  ad  Zenonem  revertamur;  vgl.  noch  p.  838,  85;  339,  1. 

Die  Ueberlieferung  hängt  von  der  Basler  Ausg.  des  Jahres  1521  ab,  der  ein  ver- 
loren gegangener  cod.  Spirensis  zu  Grunde  liegt;  vgl.  §  837;  838. 

Ausg.  in  Halms  Rhet  lat.  min.  p.  313. 

6.  C.  Julius  Victor. 

842.  Das  rhetorische  Lehrbuch  des  G.  Julius  Victor.  Im  Jahre 
1828  gab  Angelo  Mai  aus  einer  Handschrift  der  Vaticana  ein  rhetorisches 
Lehrbuch  heraus,  das  von  einem  C.  Julius  Victor  verfasst  wurde.  Neues 
wollte  der  Rhetor  nicht  geben;  er  war  sogar  so  ehrlich,  im  Titel  seiner 
Schrift  seine  Quellen  zu  nennen.  Unter  den  sechs  Namen  erweckt  unser 
besonderes  Interesse  Marcomannus,  weil  hier  zum  erstenmal  ein  Deutscher 
in  der  Litteratur  auftritt.  Von  diesen  sechs  Quellen  hat  er  besonders  den 
Quintilian  ausgeschrieben,  und  zwar  in  so  starkem  Masse,  dass  das  Lehr- 
buch fast  die  Stelle  einer  Quintilianhandschrift  vertreten  kann.  Neues 
lernen  wir  so  gut  wie  nichts  aus  der  Schrift;  allein  sie  verdient  doch  in- 
sofern Berücksichtigung,    als  sie  uns  den  rhetorischen  Schulbetrieb   des 


168  I>i«  Inriftten.    (§  843.) 

vierten  Jahrhunderts,  dem  der  Verfasser  noch  angehören  wird,  kennen 
lehrt  und  das  eine  oder  andere  aus  verloren  gegangenen  Autoren  durch 
ihn  erhalten  ist.  Das  Lehrbuch  des  Julius  Victor  lebte  wieder  auf  in  der 
Zeit  Karls  des  Orossen,  in  der  es  Alcuin  ausser  der  Schrift  Ciceros  de 
inventione  seinem  rhetorischen  Lehrgang  zu  Grunde  gelegt  hat. 

Quellen.  Der  Titel  der  Schriffc  lautet:  C.  Julii  Victoris  ars  rhetmriea  Hermagorae, 
Ciceronis,  Quintüiani,  Aquili,  Marcomanni,  Tatiani.  Ff!ücA(iuüi  vermutet  A.  Mai  Aquüae, 
Orelli  Äquilii,  Marcomannus  wird  dtiert  von  Chirius  FortnnatianuB  p.  98,  26  Halm,  dann 
von  Q.  Fabius  Laurentins  Yictorinus  (p.  173,  25)  Mareomannu8  erravü,  qui  dixit  finem  ora- 
toris  officii  non  esse  persuadere,  nee  finem  medicinalis  oflieii  sanare  (vgL  p.  299,  15),  Ton 
Sulpitius  Victor  p.  341,  27;  vgl.  §  841.  Ffir  Tatiani  lesen  TUiani  Mai  und  Bergk,  Rhein. 
Mus.  4  (1845)  p.  129.  Bei  TcUiani  kann  man  an  den  Sohn  des  Orator  Julius  Rnfinianns 
denken;  vgl.  §  838.  Wird  Titiani  gelesen,  so  hat  man  wohl  den  bei  Hieronym.  i.  J.  2361 
=  344  n.  Chr.  (2  p.  193  Seh.)  Titianus  vir  eloquens  praefecturam  praetorio  aput  Gaüia$ 
administrat  genannten  Titianus  anzunehmen.  Er  wird  identisch  sein  mit  dem  Konsul  des 
Jahres  337  Tl.  Fabius  Titianus.  Ueber  den  Wert  des  Julius  Victor  fOr  die  Quintfliankritik 
vgl.  §  486  a  und  F.  Meister,  Quaest.  Quintilianae,  liegnitz  1860,  p.  19;  C.  Halm,  Ueber  den 
Redner  Julius  Victor  als  Quelle  der  Verbesserung  des  Quintilianischen  Textes  (Sitzungsber. 
der  MOnchener  Akad.  1863  p.  389). 

Fortleben  des  Julius  Victor.  In  der  disputatio  de  rhetorica  et  de  virtutibm 
sapientissimi  regis  Karli  et  Albini  (d.  h.  Alcuini)  magistri  (p.  525  Halm)  ist  Julius  Victor 
als  hervorragende  Quelle  benutzt;  vgl.  Halm  p.  XIH:  .non  nititur  Albini  compilatio  nisi 
dnobus  veterum  scriptis,  Ciceronis  libris  de  inventione  et  Julii  Victoris  rhetorica  aut  eins 
rhetoris  arte,  ex  quo  Victor,  qui  m'hil  proprii  habet,  capita  de  reliquis  oratoris  officii  parti- 
bus  descripeif 

üeberlieferung.  C.  Julius  Victor  ist  uns  nur  erhalten  im  cod.  Vaticanus  Otto-' 
bonianus  s.  XII. 

Ausg.  Editio  princeps  von  A.  Mai,  Rom  1823;  in  C.  Orellis  Cicero  Bd.  5  p.  195; 
Halm,  Rhet.  lat.  min.  p.  373. 

Litteratur.  A.  Damien,  De  C.  Juli  Victoris  arte  rhetorica,  Paris  1852;  C.  Halm. 
Rhet.  lat.  min.  p.  X. 

Andere  Rhetoren  sind:  1.  Patera  und  Delphidius.  Hieronym.  z.  J.  2352  = 
335  n.  Chr.  (2  p.  192  Seh.)  Patera  rhetor  Romae  gloriosissime  docet,  Epist.  120  (ad  Hedi- 
biam;  1,  812  Vall.)  maiores  tui  Patera  atque  Delphidius,  quorum  alter  antequam  ego  nascerer 
rhetoricam  Romae  docuit,  alter  me  iam  adulescentulo  omnes  GaVias  prosa  versuque  suo 
illustravit  ingenio.  Vgl.  das  an  ihn  bei  Ausonius  (Prof.  Burdigal.  5  p.  58  Seh.)  gerichtete 
Gedicht.  2.  Attius  Tiro  Delphidius,  der  Sohn  des  genannten  Delpnidius;  Ober  ihn  TgL 
Ausonius  ibid.  6  p.  59  Seh.  Als  Knabe  schrieb  er  einen  Hymnus  auf  Juppiter,  später  be- 
thätigte  er  sich  als  Epiker,  Rhetor  und  Gerichtsredner.  Unter  Magnentius  (350 — 353)  trat 
er  in  den  Hofdienst,  was  ihn  in  grosse  Gefahr  brachte;  doch  erlangte  er  die  Begnadigimg 
von  Constantius.  Er  wirkte  alsdann  als  Rhetor  in  Burdigala.  Vor  Julian  klagte  er  den 
Numerius  an;  vgl.  Amm.  Marc.  18,  1,  4  (z.  J.  359)  Numerium  Narbonensis  paulo  ante  ree- 
torem  accusatum  ut  furem  inusitato  censorio  vigore  pro  tribunali  palam  admissis  vd(entibu$ 
audiebat,  qui  cum  infitiatione  defenderet  obiecta,  nee  posset  in  quoquam  confutari,  Delphi- 
dius orator  acerrimus  vehementer  eum  inpugnans.  Ueber  seinen  Tod  vgl.  Ausonius  ioid.  6,  36 
(medio  aeri  rapius  es).  Ueber  seine  Witwe  Euchrotia  und  seine  Tochter  Procula  vgL  Sol- 
picius  Sevenis,  Chron.  2,  48.  der  uns  berichtet,  dass  beide  mit  dem  Sectierer  PriaciUian  in 
Verbindung  traten.    Vgl.  Seeck,  Pauly- Wieso  was  Realencycl.  4  Sp.  2503. 

Nicht  nötig  dürfte  es  sein,  die  einzelnen  professores  Burdigalenses,  welche  Ausonius 
verherrlicht,  hier  aufzuzählen. 

3.  Die  Juristen. 

843.    Die  vaticanischen  Fragmente.     In  sinkenden  Perioden  der 

Kultur  werden  die  reichen  Geistesschätze,  welche  die  Vorzeit  aufgespeichert, 
drückend,  und  es  erwacht  das  Bedürfnis,  dieselben  zu  kürzen  und  forden 
handlichen  Gebrauch  zuzurichten.  In  der  Historiographie  legt  die  Epitome 
Zeugnis  von  diesem  engherzigen  Standpunkt  ab.  Auch  in  der  Jurisprudenz 
drängt  die  Richtung  der  Zeit  dazu,  an  Stelle  der  ausgebreiteten  Litteratur 


Dia  Juristen.    (§  843.)  169 

die  Sammlung  ausgewählter  Stellen  treten  zu  lassen;  eine  solche  Samm- 
lung liegt  uns  in  den  vaticanischen  Fragmenten  vor.  Gegen  Ende  des 
vierten  Jahrhunderts  stellte  nämlich  ein  uns  unbekannter  Mann,^)  der  im 
Westen  des  Reiches  lebte,  aus  juristischen  Schriften  und  aus  kaiserlichen 
Constitutionen  für  die  Praxis  ein  Rechtsbuch  zusammen.  Von  den  Juristen 
benutzt  er  Papinian,  Ulpian,  Paulus  und  einen  uns  nicht  bekannten  Autor 
über  die  Interdikte;  aus  den  kaiserlichen  Constitutionen,  die  den  Zeitraum 
von  205 — 372  umspannen,  aber  grösstenteils  aus  der  Regierung  Diocietians 
stammen,  berücksichtigt  er  in  erster  Linie  die  Rescripte;  beide  Rechts- 
quellen  sind  nicht  voneinander  geschieden,  sondern  neben  einander  auf- 
gefi^hrt.  Seinen  Stoff  verteilt  er  unter  bestimmte  Titel,  die  aber  ebenso- 
wenig wie  die  ausgehobenen  Stellen  numeriert  werden;  es  sind  uns  deren 
sieben  erhalten.  Auch  von  Bucheinteilung  findet  sich  keine  Spur;  ein  be- 
stimmtes System  der  Anordnung  lässt  sich  aus  den  Fragmenten  nicht  ge- 
winnen. Der  hohe  Wert  der  Sammlung  ruht  darin,  dass  der  Urheber  der- 
selben seine  Quellen  unverändert  wiedergibt;  dieselben  werden  auch  namhaft 
gemacht,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  die  Schrift  des  excerpierten  Autors 
da  erscheint,  wo  mit  dem  ersten  Excerpt  eingesetzt  wird  und  solange  in 
Geltung  bleibt,  bis  eine  neue  Schrift  herangezogen  wird.  Dass  der  Re- 
daktor bei  der  Auswahl  der  Constitutionen  die  Bedürfhisse  des  Westens 
im  Auge  behält  und  griechische  Quellen  ausser  Acht  lässt,  ist  durch  den 
Entstehungsort  bedingt.  Von  dieser  Sammlung  sind  uns  in  einem  Palimpsest 
des  Klosters  Bobbio  nur  Bruchstücke  erhalten,  welche,  da  sich  der  Codex 
jetzt  in  der  Vaticana  befindet  und  ein  Titel  der  Schrift  aus  dem  Fragment 
nicht  ersichtlich  ist,  den  Namen  Fragmenta  vaticana  führen.  Aus  den 
den  Blätterlagen  beigeschriebenen  Ziffern  lässt  sich  noch  erkennen,  dass 
das  Rechtsbuch  einen  bedeutenden  Umfang  hatte.  Die  hie  und  da  bei- 
gefügten Schollen  gestatten  die  Vermutung,  dass  dasselbe  auch  beim  juri- 
stischen Unterricht  gebraucht  wurde.  Die  Sachkenntnis  und  Gewissen- 
haftigkeit des  Sammlers  lässt  manches  zu  wünschen  übrig. 

Die  Zeit  der  Sammlung.  Dieselbe  moBs  vor  der  Abfassung  des  cod.  Theo- 
dosianus  (438)  entstanden  sein,  denn  sie  gibt  §  35,  37,  249  nicht  den  verkürzten  Text  des 
cod.  Tbeodos.,  sondern  den  durch  denselben  ausser  Kraft  gesetzten  vollständigeren.  Die 
Sammlung  muss  nach  372  entstanden  sein,  denn  §  37  findet  sich  eine  Verordnung  aus 
dem  Jahre  372;  die  Sammlung  fftUt  sonach  zwischen  372  und  438,  aber  sie  liegt  natur- 
gemfiss  dem  eristen  Zeitpunkt  näher  als  dem  zweiten.  Mommsen  will  dagegen  die  Samm- 
lung noch  zu  Lebzeiten  Gonstantins  entstanden  wissen.  Er  fOhrt  als  GrrOnde  dafür  an, 
erstens  dass  Constantin  genannt  werde:  dominus  Constaniinus  et  Caesares  oder  Constanti- 
nus  et  Caesarea  oder  Äugtiatus  et  Caesares;  zweitens  dass  diö  zunächst  verstorbenen  Kaiser 
Diocletianus  und  Gonstantins  als  divi  bezeichnet  werden;  drittens  dass  schon  die  Tilgung 
der  Kaiser,  deren  Andenken  verflucht  wurde,  des  Maximianus  Herculius,  des  Galerius  Maxi- 
mianus  und  des  läcinius  stattgefunden.  Allein  das  Missliche  ist,  dass  Mommsen  dadurch 
gezwungen  ist,  die  Verordnung  vom  Jahre  372  als  Interpolation  zu  erklären.  Vgl.  auch 
noch  Huschke  p.  713;  Kariowa  1  p.  971. 

Entstehungsort  der  Sammlung.  Ausser  der  Berücksichtigung  des  Westens 
durch  Anführung  der  Verordnungen  Maximians  deutet  auch  der  Fundort  der  Handschrift 
auf  den  Westen  hin.  Auch  dass  der  Autor  das  griechisch  geschriebene  Werk  Modestins 
de  excusationibus  nicht  benutzt,  ist  bezeichnend,  wie  die  Nichtbenutzung  der  Sammlung  in 
dem  justinianischen  Gesetzgebungswerk;  vgl.  Mommsen,  Abb.  p.  403. 

Erhaltene  Titel:  de  empto  et  vendito;  de  usu  fructu;  de  re  uxaria  ac  dotihus; 


^)  Mehrere  Autoren  anzunehmen,  wie  Huschke  (p.  712)  thut,  liegt  kein  Gm««^  *"^** 


170  Palladins  RatiliiiB  Tanms  Aemiliuiiui.    (§  844.) 

de  excusatione;  quando  danator  intellegatur  revoeasse  vohmtatem;  ad  legem  Oineiam  de  do- 
nattonibus;  de  cognitorihus  et  proeuratorüms, 

Quellen.  §90  Ubro  I  de  interdictis  sub  iittdo  „in  eutn  qui  legatorum  nomine  non 
voluntate  eius  cui  bonorum  possessio  data  erit  possidebU**  \  vgl.  Mommsen  (Abh.  p.  396), 
der  an  Venolejus  SaturninnB  als  Verfasser  der  Schrift  denkt.  Ueber  Papinian  als  Quelle  vgl 
§  2;  §  64a;  §  81;  Aber  Ulpian  §  44;  §  59;  §  89;  über  Paulus  §  108;  §  172;  §  231.  Die 
eingestreuten  kaiserlichen  Constitutionen  bestehen  mit  Ausnahme  von  §  35,  37,  248,  249  aus 
Rescripta.  Ueber  die  Benutzung  des  cod.  Gregorianus  und  Hermogenianus  vgl.  Mommsen, 
Abh.  p.  397.     Ueber  die  Benutzung  der  notae  Ulpians  zu  Papinian  vgl.  Earlowa  p.  971. 

Ueberlieferung.  Die  Fragmenta  vaticana  sind  herausgegeben  aus  einem  Vati- 
canus  5766  s.  IV/V.  Dieser  gehörte  frOher  dem  Kloster  Bobbio;  einige  Blfttter  desselben 
Codex  gelangten  nach  Turin.  Der  vaticanische  Codex  enthält  in  der  älteren  Schrift  drei 
Sammlungen  von  Rechtsquellen:  1.  Fragmente  des  codex  Theodosianus;  2.  Reste  der  lex 
Romana  Burgundionum;  3.  Reste  der  hier  behandelten  Sammlung;  in  der  neueren  Schrift 
enthält  er  Cassians  collationes  Aegypti  anachoretarum ;  vgl.  Mommsen,  Abh.  p.  381.  Für 
das  übergeschriebene  Werk  wurde  die  Handschrift  so  hergerichtet,  dass  aus  einem  Doppel- 
blatt der  alten  für  die  neue  drei  Blätter  gemacht  wurden.  Durch  die  Quatemionenbezeich- 
nung  (VI;  XV;  XXVII;  XXVUII)  können  wir  oft  den  Umfang  des  Verlorenen  feststellen; 
die  Verluste  sind  ganz  bedeutend.  Auch  Schollen  sind  von  anderer  Hand  hinzugefQgt;  vgl. 
Mommsen  1.  c.  p.  265. 

Ausg.  von  Angelo  Mai:  Juris  civilis  anteiustinianei  reliquiae  ineditae  ex  codice 
rescripto  bibliothecae  pontificiae  Vaticanae,  Rom  1823  (Paris  und  Bert.  1824).  Später  wurden 
die  Fragmente  herausgegeben  von  Buchholtz,  Königsberg  1828  (mit  Commentar),  von 
Bethmann-Holl  weg,  Bonn  1833  (Corpus  iuris  civ. anteiust.  1  p.229),  von  Th.Mommsen 
auf  Grund  einer  neuen  Collation  von  Detlefsen  und  des  oeigegebenen  Apographon: 
Codicis  Vaticani  N.  5766,  in  quo  insunt  iuris  anteiust.  fragmenta  quae  dicuntnr  vaticana, 
exemplum  etc.  (Abh.  der  Berl.  Akad.  1859  p.  265).  Abgedruckt  sind  die  Fragmente  auch 
bei  Huschke,  Jurisprud.  anteiust.^  p.  718  und  in  der  Collectio  librorum  iuris  anteiust  3 
(Berl.  1890)  p.  20. 

Litteratur.  Borghesi,  Sul  digesto  antegiustiniano  di  Monsignor  Mai  (Oeuvres  3 
p.  99);  G.  Bruns,  Quid  conferant  vaticana  fragmenta  ad  melius  cognoscendum  ins  Roma- 
num,  Tübingen  1838;  0.  Kariowa,  Rom.  Rechtsgesch.  1  (Leipz.  1885)  p.  969;  F.  Erflger, 
Gesch.  der  Quellen  und  Litt,  des  röm.  Rechts  (Systematisches  Handbuch  der  deutschen 
Rechtswissenschaft  von  K.  Bind  in g,  1.  Abt.  2.  Teil  (Leipz.  1888)  p.  298). 


Die  Schriften  des  Aurelius  Arcadius  Charisius  sind:  1.  De  officio  praefecti 
praetorio;  Dig.  1,  11,  1  Aurelius  Arcadius  Charisius,  magister  libellorum,  lti}ro  singulari 
de  officio  praefecti  praetorio.  In  dieser  Schrift  wird  das  Verbot  Constantins  vom  Jahre  331 
erwähnt,  als  praefectus  praetorio  an  den  Kaiser  zu  appellieren.  Auch  bei  Lydus  de  magistr. 
1,  14  finden  wir  mit  der  Einführung  AvQtjXXios  6  yofiixog  ein  auf  die  Amtefgewalt  des  prae- 
fectus praet.  bezügliches  Citat,  das  aber  wahrscheinlich  durch  die  Schuld  des  Lydus  nicht 
ganz  mit  den  Pandekten  übereinstimmt;  vgl.  Kariowa  1  p.  754.  2.  De  testibns;  Dig. 
22,  5,  1  und  21  und  25  Arcadius,  qui  et  CharisiuSf  Ubro  singulari  de  testibus;  48,  18,  10 
Arcadius  Charisius  Ubro  singulari  de  testibus.  3.  De  muneribus  civilibus;  Dig.  50, 
4,  18  Arcadius  Charisius  Ubro  singulari  de  muneribus  civilibus, 

Litteratur.  Chr.  Rau,  De  Charisio  iurisconsulto,  Leipz.  1773;  0.  Kariowa,  Rom. 
Rechtsgesch.  1  p.  754;  P.  Krüger,  Gesch.  der  Quellen  und  Litt  des  röm.  Rechts  p.  228; 
Schulin,  Ad  Pand.  tit.  de  orig.  iur.,  Basel  1876,  p.  3;  Jörs,  Pauly-Wisaowas  Realencycl. 
3.  Bd.  Sp.  2146.  —  Die  Fragmente  sind  gesammelt  bei  Lenel,  Paungenesia  1  p.  57. 

4.  Die  Schriftsteller  der  realen  Ffioher. 

1.  Palladius  Rutilius  Taurus  Aemilianus. 

844.  Das  Wirtschaftsbuch  des  Palladius.  Dem  vierten  Jahrhundert 
wird  auch  der  landwirtschaftliche  Schriftsteller  Palladius  Rutilius  Taurus 
Aemilianus  angehören.  In  seiner  Schrift  bezeichnet  er  sich  als  vir  in- 
lustris;  allein  es  will  nicht  gelingen,  weitere  Notizen  aus  anderen  Quellen 
über  diesen  vir  illustris  zu  gewinnen.^)  Sein  Werk,  in  der  ueberlieferung 
als  opus  agriculturae  bezeichnet,  bedeutet  einen  entschiedenen  Niedergang 

\)  Der  Name  Palladius  ist  nicht  selten;  vgl.  Wachsmnth  Rhein.  Mus.  28  (1878) 
p.  581;  Haenel,  Ind.  leg.  p.  123. 


Palla^QS  BniUliiB  Tanms  Aemiliuiiw.    (§  844.)  171 

des  landwirtschaftlichen  Faches  in  der  Litteratur.  Vom  Wirtschafts-  und 
Hausbuch  ausgehend  hatte  die  Darstellung  der  Landwirtschaft  mit  der  Zeit 
ein  wissenschaftliches  Gepräge  angenommen  und  den  Charakter  einer 
Receptsammlung  verloren.  Ja  mit  Columella  war  die  Rhetorik  selbst  in 
dieses  Fach  eingedrungen.  Das  war  nun  allerdings  von  Uebel,  und  Pal- 
ladius  hat  Recht  daran  gethan,  den  rhetorischen  Flitter  abzustreifen  und 
sich  auf  eine  einfache  und  nüchterne  Darstellung^)  zu  beschränken.  Er 
selbst  aber  wich  vom  rechten  Pfade  dadurch  ab,  dass  er  das  wissenschaft- 
liche Gerüste  der  Disciplin,  wie  es  sich  im  Laufe  der  Zeit  erhoben  hatte, 
aufgab  und  zum  Wirtschaftsbuch  wie  zur  Receptsammlung  zurückkehrte.^) 
Er  exponiert  nämlich  den  Stoff  in  der  Weise,  dass  er  nach  einem  Ein- 
leitungsbuch in  weiteren  12  Büchern  die  ländlichen  und  häuslichen  Arbeiten 
dem  Leser  vorführt,  welche  in  den  12  Monaten  zu  verrichten  sind.  Der 
Charakter  der  Vorschriftensammlung  tritt  auch  darin  zu  Tage,  dass  die 
einzelnen  Bücher  die  Materie  nach  Titeln  geordnet  entwickeln.  Die  Dar- 
stellung erfolgt  in  kleinen,  abgerissenen  Sätzen.  In  der  landwirtschaft- 
lichen Litteratur  hatte  sich  Palladius  umgesehen;^)  er  benutzte  die  Grie- 
chen und  die  Römer,  von  den  letzteren  werden  häufig  Columella  und 
Gargilius  Martialis,  einmal  auch  Apuleius  angeführt.  Aber  auch  die  eigene 
Erfahrung  spielt  in  dem  Werk  mit,  und  es  ist  kein  Zweifel,  dass  Palladius 
selbst  ein  praktischer  Landwirt  gewesen  ist.  Auch  den  landwirtschaft- 
lichen Bauten  wendet  der  Schriftsteller  seine  Aufmerksamkeit  zu;  sein 
Führer  ist  ihm  hierbei  ein  Auszug  aus  Vitruv.  So  hatte  der  Autor 
13  Bücher  zusammengebracht,  welche  für  den  Fachmann  nicht  wenige 
interessante  Notizen  in  sich  schliessen.  Aber  auch  der  Laie  findet  Vieles 
in  der  Schrift,  was  zur  Kenntnis  des  römischen  Lebens  förderlich  ist.  Die 
allgemeinen  landwirtschaftlichen  Regeln,  welche  das  erste  Buch  bietet, 
enthalten  manches  Treffliche.^)  Luft,  Wasser,  Boden  und  Fleiss  bilden 
nach  ihm  die  Elemente  der  Agrikultur. 

Nachdem  Palladius  in  13  Büchern  sein  Thema  erschöpft  hatte,  reizte 
es  ihn,  sich  auch  als  Dichter  zu  versuchen.  Columella  hatte,  um  eine 
Lücke  der  Georgica  auszufüllen,  im  zehnten  Buch  seines  landwirtschaft- 
lichen Werkes  den  Gartenbau  poetisch  dargestellt.  Diesem  Beispiele  Colu- 
mellas  folgte  Palladius  und  fügte  seinen  13  Büchern  ein  poetisches  über 
die  Veredelung  der  Bäume  hinzu.  Allein  der  Gegenstand  bot  der  poetischen 
Behandlung  viel  grössere  Schwierigkeit  als  der  Gartenbau.  Wie  der  Ver- 
fasser nicht  glücklich  in  der  Wahl  des  Stoffes  war,  so  war  er  auch  nicht 
glücklich  in  der  Wahl  des  Metrums,  da  er  statt  des  Hexameters  das 
Distichon  wählte;  die  Arbeit  mag  dem  Landwirt  sauer  genug  geworden 
sein.  Als  das  Buch  fertig  war,  schickte  er  dasselbe  wie  die  früheren 
Bücher  mit  einer  Vorrede  und  einem  Widmungsgedicht  an  den  vir  doc- 

^)  Nor  Weniges   erinnert  an  die   späte  |   Oraeci  sua  fide   media   de   condiendi    vini 


Zeh,  wie  9,  8,  1  taUier;  11,  4  tUiUime,  femer 
das  hftofige  aliqui. 

*)  Beispiele  finden  sich  allenthalben,  so 
6,  12  de  lateribtu  faeiendis;  9,8  de  aqua 
invenitnda. 

*)  II,  14,  1    ne   lecta  praeteream,   quae 


genere  disputarunt,  demonstrare  curavi, 

^)  1,  6,  3  in  rebus  agrestibus  maxime 
officio  iuvenum  eongruunt,  imperia  seniorum, 
1,  6,  8  fecundior  est  aäta  exiguUas  quam 
magnitudo  neglecta. 


172  PalUdioa  Butilias  Tanrns  Aemilianns.    (&8i4.) 

tissimus  Pasipliilus.     Leider  vermögen  wir  auch  diesen  Mann    nicht 
zu  identifizieren,  dass  wir  damit  die  Zeit  des  Palladius  bestimmt  fixiei 
können. 

Die  praktische  Anlage  des  Werks  führte  dem  Palladius  im  Mittelal 
viele  Leser  zu;  es  hat  daher  auch  eine  reiche  handschriftliche  Yerbreitc 
gefunden. 

Titel  des  Werks.  Der  Titel  lautet  nach  der  besten  Ueberliefemng:  PaUi 
Rutilii  Tauri  Aetniliani  viri  inlustris  opus  agricuUurae  liber  primus. 

Zur  Entstehung  des  Werks.  Praef.  zu  1.  14  p.  261  Schm.  quod  volumina  / 
ruri8  colendi  serius,   quam  iusseras,  scripta  sunt,  Ubrarii  manus  segniar  effecit,  euius 

tarditatem  numquam  maligne  aestimo diu  tarnen  apud  te  pudorem  meum  disttäi, 

hoc  quasi  bonus  famulus  feci.    verum  nescio,  si  tuum  ad  has  modo  minutiös  inelinetur 
genium.    Im  Gedichte  seihst  sagt  er  nach  der  Anrede  Ys.  8:  bis  Septem  parvos,  opus  a^ 
colare,  libeUos,  \  quos  manus  haec  scripsit,  parte  silente  pedum,  \  nee  strietos  numeris 
Apollinis  amne  fluentes  |  sed  pura  tantum  rusticitate  rüdes  \  eommendas,  dignaris,  ama 
vilia  dicta  \  adfectu  socii  sollieUante  colis. 

Die  Zeit  des  Palladius  kann  nicht  genau  hestimmt  werden.  Den  tenninus  i 
quem  giht  Cassiodor  (de  inst.  div.  litt.  28;  70  Sp.  1143  Migne):  Aemilianus  facundissimus 
planator  duodecim  (wenn  man  von  dem  ersten  und  dem  metrischen  Buch  absieht)  librit 
hortis,  vel  pecoribus  aliisque  rebus  plenissima  lucidatione  disseruit  Den  tenninus  post  qi 
giht  der  öfters  citierte  Gargüius  Martialis  an  die  Hand,  der  260  umkam;  dadurch  bekonu 
wir  ein  Intervallum,  das  you  260  his  circa  540  reicht  Um  dieses  Intervallum  einzueoj 
haben  die  Forscher  ihre  Blicke  auf  Pasiphilus  gerichtet,  dem  das  Werk  gewidmet  ist 
können  drei  Pasiphili  in  dem  gedachten  Zeitraum  in  Betracht  konmien:  1.  FahiuB  Felix  I 
philus  Paulinus,  der  praef ectus  urbi  vom  Jahre  355  (CIL  6,  1656);  2.  der  Philosoph  l 
philus,  von  dem  Ammian  zum  Jahre  371  sagt  (29,  1,  36):  Pasiphilo  eximente  philosopho, 
ut  eum  (Eutropium)  mendacio  iniusto  perverteret,  crudeliter  tortus  de  statu  robustat  mentis 
potuit  deturbari;  3.  ein  Pasiphilus,  der  im  Jahre  395  im  cod. Theodos. 2, 1,8  erscheint.  Borgt 
(Oeuvres  3  p.  487)  identifiziert  den  Pasiphilus  mit  dem  zuerst  genannten  {nnefectas  urbi 
unsem  vir  ill.  genannten  Palladius  mit  einem  Taurus,  einem  Zeitgenossen  des  Stadtprftfeli 
der  357  Präfekt  von  Italien,  361  Consul  war;  vgl.  Borghesi  1.  c.  p.  515.  So  acharfsii 
diese  Combination  Borghesis  ist,  so  führt  sie  doch  auf  Schwierigkeiten;  besonders 
Identifizierung  des  Palladius  mit  Taurus  ist  bedenklich.  Die  Bezeichnung  des  Pasipl 
als  vir  doctissimns  passt  weniger  auf  den  Stadtpräfekten  als  auf  den  in  der  Ammiansi 
genannten  Philosophen.  Auch  zwei  andere  Wege  führen  zu  keiner  sicheren  Bestimm 
der  Lebenszeit  des  Palladius;  so  wollte  Barth  unseren  landwirtschaftlichen  Schriftstelle 
dem  von  Rutilius  Namatianus  1,  207  gefeierten  Palladius  erkennen;  hier  heisst  es:  ! 
discessurus  studiia  urbique  remitto  \  PaUadium,  generis  spemque  decusque  mei.  Faeuf 
invenis  Gnllorum  nuper  ab  arris  i  Misstis,  Romani  discere  iura  fori.  Allein  von 
facundia  bemerken  wir  nichts  in  dem  Schriftchen.  Wenn  Harris  (American  joums 
philol.  3  (1882)  p.  417)  zur  Unterstützung  dieser  Ansicht  anführt,  dass  aus  den  Schat 
längen  der  Sonnenuhr  bei  Palladius  sich  als  dessen  Heimat  Gallien  ergebe,  so  ist  dag< 
zu  bemerken,  dass  solche  Angaben  auch  in  einer  Quelle  des  Palladius  gestanden  hi 
können.  Ein  drittes  Kriterium  suchte  man  aus  der  Gliederung  des  Werks  nach  Tit 
zu  gewinnen.  Man  will  darin  eine  Nachahmung  des  codex  Theodosianus,  der  nach 
Jahre  438  bekannt  gemacht  wurde,  erblicken;  vgl.  Ernst  H.  F.  Meyer,  G^esch.  der  Bot 
2  (Königsberg  1855)  p.  332.  Allein  es  lässt  sich  nicht  beweisen,  dass  die  Gliederung 
Stoifs  nach  Titeln  zuerst  im  cod.  Theodos.  zur  Anwendung  kam. 

ZurComposition.    1,  1,  1  neque  formator  agricolae  debet  artibus  et  eloquentia 
tores  aemularif   quod  a  plerisque  factum  est:   qui  dum  diserte   loquuntur  rustieis,  adsi 
sunt,  ut  eorum  doctrina  nee  a  disertissimis  possH  inteUegi. 

Quellen  des  Palladius.  n)  Dass  Palladius  den  Auszug  des  M.  Cetius  Favent 
aus  Vitruv  benutzt  hat,  ist  §  355  p.  355  dargelegt  worden;  vgl.  auch  Oder,  Quellensu 
im  Altertum  (Philol.  Supplementbd.  7  (1898)  p.  239).  ß)  Seine  griechischen  Quellen 
zeichnet  der  Verfasser  in  der  Regel  fast  immer  unbestimmt  mit  Oraeci;  in  zwei  Kapi 
wird  die  griechische  Quelle  schon  mit  dem  Titel  aufgeführt,  so  11,  14  quae  Graeci  vel 
super  vina  condienda  curandaque  dixerunt  und  12,  17  de  oleo  facienda  secundum  Gra 
et  emendando.  Häufig  werden  die  Graeci  im  Texte  citiert,  so  3,33;  4,  11,6;  7,9;  i 
11,  9;  12,  1,  3;  12,  7,  3;  12,  10;  12,  12,  1;  12,  12,  2;  12,  18;  12,  20,  3;  12,  21.  Die  mei 
Stellen  fallen  also  auf  das  zwölfte  Buch;  die  Einführungsformel  ist  entweder  Graeci 
seruntf  iubent,  praecipiunt  oder  adfirmantibus  Graecis,  Graecis  adserentibus,  docenti 
Genannt  wird  Dcmocritus  1,35,7;   Aristoteles  8,  4,  4.    Das  Verhältnis  des  Palladius 


Der  Yeterininiiedixiner  Pelagoniiis.    (§€45.) 


173 


seineii  griechischen  QueUen  bedarf  noch  einer  genaueren  üntersnchnng;  von  Wichtigkeit 
ist  hiei^ei,  die  Compilation  des  Anatolins  avyaytoyij  yemgyixtoy  inirrjaevfAdrctty  zum  Ver- 
gleiche heraniQziehen  (Aber  Anatolins  vgl.  W.  G-emoIl,  Untersuchungen  über  die  Quellen, 
den  Verfasser  und  die  Abfassungszeit  der  Greoponica,  Berl.  1883,  p.  218  und  p.  222;  Oder, 
Beiträge  zur  Gesch.  der  Landwirtschaft  bei  den  Griechen  (Rhein.  Mus.  45  (1890)  p.  98), 
der  ihn  (p.  222)  dem  vierten  oder  fünften  Jahrhundert  zuweist).    Ueber  Sotion  vgl.  E.  H. 
F.  Meyer,  Gesch.  der  Botanik  2  (Königsberg  1855)  p.  261.    y)  Von  den  römischen  land- 
wirtschaftlichen Schriftstellern  wird  selu-  h^fig  Ck>lumella  citiert,  am  meisten  im  dritten 
Buch,   so   1,  19,  3;  1,  28,  5;  2,  16;  3,  9,  14;  3,  10,  4;  3,  15,  1;  3,  16,  1;  3, 16,  2;  3,  17,  6; 
8,  18,  6;  8,  19,  3;  3,  24,  7;  3,  24,  11;  3,  26,  4;  4,  8,  1;  4,  9,  9;  8,  4,  1;  8,  4,  2;  10,  1,  2;  11,  3; 
11,  5,  2;  11,  8,  2  (bis);  12,  1,  2;  12,  3.    Nach  ihm  erscheint  auch  nicht  selten  Gargilius  Mar- 
tialis,  so  4,  9,  9;  4,  10,  5;  4, 10,  16;  4,  10,  34;  5,  3,  4;  6,  6;  7,  5,  2;  11,  12,  5  (bis);  11,  12, 
7;  13,  4,  1.    Apuleius  (§  569)  wird  citiert  1,  35,  9  adversus  mures  äffrestes  Apuleitu  cidserit 
semina  InUnäo  feUe  maceranda,  antequam  apargOs.    Ausserdem  erscheint  aucn  Mago  6,  7,  1 
sieut  Mago  (§  81)  dicit.    Vergil  wird  citiert  3,  25,  7.    (f)  Auch  in  ganz  unbestimmter  Weise 
werden  die  Quellen  bezeichnet;  dies  geschieht  besonders  mit  aJiqui,  so  z.  B.  8,  25,  30  tüiqui 
iradiderunt;  4,  10,  25  äliqui  müUum  prodesse  confirmant;   11,  7  aliqui  consuerunt;   12,  1,  2 
aliqui  dieunt;  v^.  noch  12,  7,  11;    12,  7,  12  aliqui  adaerunt;  3,  25,  20  plerimie  dixerunt 
H&afig  werden  auch  bestimmte  landwirtschaftliche  Handlungen  mit  aliqui  verbunden,  was 
natürlich  auch  auf  Quellenschriftsteller  hinweisen  kann,  z.  B.  3,  28,  2  aliqui  infundunt;  3,  31 
aliqui  ealcant  vel  exprimunt;  4,  10^  28  aliqui  aerunt;   vgl.  auch  4,  12,  3;  5,  2,  3;  11,  12,  9; 
8,  4y  5  quidam  pertnittutU;  8,  6,  2  quidam  auspendunt;  9,  6  plerique  inaerutU.     b)  Auch  auf 
eigene  und  fremde  Erfahrungen  recurriert  Palladius,  so  3,  25,  27  ut  ego  expertu8  sum;  3,  26,  5 
mihi  vero  utilius  prolxUur  experto;  4,  10,  16  quod  ego  in  Sardinia  territorio  Neapolitano 
in  fundis  meia  eomperi;  4,  10,  24  ego  mense  fehruario  uUimo  vel  martio  in  Italia  plant€is 
grandes  fieorum  per  paJstinatum  8olum  disposui;   11,  12,  5  ego  8ie  huius  arhoria  facUiUUem 
probavi;   12,  7,  1  ego  vtro  usque  ad  serendi  tempus  sine  uUa  eura  saepe  aervavi;   12,  7,  12 
quod  expertus  eum;  12,  7,  22  sieut  probavi  ipse.  —  3,  17,  6  mihi  adseruit  diligens  agricola; 
3,  16,  2  ut  agrieolae  adeer unt;   3,  17,  8  Hispanue  quidam  mihi  hoe  genua  novae  insitianis 
ostendii.    ex  peraico  ae  adaerehat  expertum. 

Das  metrische  Buch  (De  insitione)  wird  durch  einen  Brief  ad  PaWpA»/um  rtrum 
doctiaaimum  eingeleitet,  wo  es  heisst:  pro  uaura  temporia  hoc  opua  de  arte  inaitionia  adieci. 
Im  Gedichte  selbst  sagt  er  Vs.  9:  nunc  ideo  modicum  creacena  fidueia  carmen\  obtulit 
arbiirio  laetificanda  tuo.  \  et  noatrae  atudium  non  condemnahile  Muaae  \  urbanum  fari  ruati- 
eitaiia  y^» 

Ueberlieferung.  Die  besten  Handschriften  sind  der  Parisinus  6842  B  s.  X;  der 
Parisinus  6830  D  s.  X;  Laudunensis  426  s.  IX.  Eine  gesonderte  üeberUeferung  hat  das 
metrische  Buch,  das  nur  in  jüngeren  Handschriften  erscheint  z.  B.  im  Vindobonensis  3198 
s.  XV  und  cod.  Vaticanus  5245  s.  XV;  vgl.  H.  J.  Moule,  A  ms.  of  the  metrical  translation 
of  F.  (Athenaeum  N.  3186  (1888)  p.  664).  Es  fehlt  noch  an  einer  methodischen  Sichtung 
der  handschriftlichen  ueberlieferung. 

Ausg.  in  den  Script,  rei  rast.  vet.  lat  von  P.Victorius,  Leiden  1541;  J.  M.  Gesner, 
Leipc.*  1773/74;  J.  G.  Schneider,  Tom.  3,  Leipz.  1795.  Sonderausg.  J.  C.  Schmitt, 
LeiM.  1898;  vgl  dazu  Ut  Centralbl.  1898  Sp.  877;  Hb.  I  ed.  J.  C.  Schmitt,  Würzburg 
1876;  de  insitione  liber  ed.  J.  C.  Schmitt,  Münnerstadt  1877;  das  metrische  Buch  steht 
auch  bei  Wernsdorf,  Poet.  lat.  min.  6  p.  135. 

Uebersetzungen:  M.  Lideil,  The  Middle-English  translation  of  Palladius  de  re 
rustica.  Edited  with  critical  and  ezplanatory  notes.  Part.  I.  Berl.  1896;  vgl.  M.  FOrster, 
Arch.  für  das  Stud.  der  neueren  Sprachen  u.  Litt  100  (1898)  p.  156.  La  cultura  e  Tuso 
dei  fiori  in  Palladio  secondo  il  volgarizzamento  di  Andrea  Lancia,  Firenze  1897. 

2.  Der  Yeterinärmediziner  Pelagonius. 

845.  Die  Veterinftrmedizin  des  Pelagonius.  Auch  eine  veterinär- 
ärztliche Schrift,  die  im  wesentlichen  eine  Receptsammlung  darstellt,  ist 
uns  aus  dem  vierten  Jahrhundert^)  erhalten.  Als  ihren  Verfasser  lernen 
wir  einen  Pelagonius  kennen.  Einem  griechischen  Vorgang  folgend  hatte 
er  in  Briefen,  die  an  verschiedene  Persönlichkeiten  gerichtet  waren,  sich 


*)  So  auch  Baecheler  (1.  c.  p.  381): 
«equorum  curas  et  medicinas  Gratiano  aut 
Theodosio  regnante  amicis  inlustribus  con- 
scriptas   tradidit  Pelagonius.*     Ihm  praef. 


p.  16 :  «quae  omnia  generatim  Pelagonii  aeta- 
tem  confirmant,  scripsisse  eum  post  medium 
saeculum  IV,  neque  tamen  certiorem  temporis 
definitionem  permittunt.* 


174  ^^  yeterinArmediziner  PeUgoniiis.    (§  845.) 

über  einzelne  Krankheiten  der  Pferde  ausgesprochen  nnd  seine  Ratsehl 
daran  geknüpft.  Später  vereinigte  er  diese  verschiedenen  Briefe  zu  eii 
Buche,  das  er  mit  einem  Dedikationsschreiben  dem  Arzygius  überreicl 
Dieser  Arzygius  war  wahrscheinlich  der  Eonsular  von  Tuscien  und  Umbr 
dem  (nach  366)  die  Provinzialen  wegen  seiner  Verdienste  eine  Sti 
setzten.  Nach  der  Dedikationsepistel  war  Arzygius  ein  grosser  Pfei 
liebhaber,  der,  wenn  nicht  alles  trügt,  auch  litterarisch  dem  edlen  T 
sein  Lob  spendete.  Auf  die  Composition  hatte  Pelagonius  keine  gr< 
Sorgfalt  verwendet,  da  er  nicht  einmal  die  ursprüngliche  Briefform  ^ 
wischen  wollte.  Ueber  den  fachwissenschaftlichen  Wert  der  Schrift  sl 
uns  kein  Urteil  zu.  Indessen  beruft  er  sich  auf  seine  Erfahrung,^)  a 
hatte  er  griechische  und  lateinische  Fachschriftsteller  zu  Rate  gezo{ 
Merkwürdig  ist  der  krasse  Aberglaube,  der  in  diesem  Büchlein  sein  S 
treibt.    Benutzt  wurde  das  Werkchen  von  Vegetius  in  seiner  Mulomedic 

Der  Adressat  Arzygius.  Ueber  Betitius  PeipetuuB  Aizygiiis  vgl.  Borgh 
Oeuvres  6  p.  805;  p.  343;  Hnelseo,  Notizie  degli  scavi  1888  p.  495.  Von  den  zwei  An 
die  zu  unterscheiden  sind,  kommt  der  in  CIL  6,  1702  genannte  in  Betracht:  Betitio 
petuo  Arzygio  v.  c.  consulari  Tuseiae  et  Umhriae  oh  singularia  eiu8  erga  prarine 
beneficia  et  ob  moderationemf  pro  documento  etiam  posteris  relinquendam  aetemum  tttc 
monumentum  Tuftci  et  Umbri  patrono  praestantissimo  collocaverunt.  Konanlare  von  Tue 
und  Umbrien  gab  es  nicht  vor  366.  In  der  Vorrede  heisst  es  (p.  29  Ihm):  cum  freq 
tissime  te  equos   laudare,   amare  semper  vehementer  admirarer  —  nee  immerito  rem 

nobilem,  rem  omnihus  gratam  amare  non  desinis —  imitarer  quidem  te  ei  ipse,  i 

ipRorum  laudibus  aliquid  scriberem,  »i  digna  proferrem:  nunc  pauperem  linguam  m 
iiut    modicus  t^ermo  protelat,   qui  tarnen   tunc  proferendus  est,  cum  curas  aut  medii 

ipsorum  loqui  coepero.    Daraus  schliesst  Buecheler  1.  c.  p.  883:    ,hunc  virom e 

littcrarum  antiquarum  historiae  inserendum  censeo,  ut  qui  faudes  equorum  non  modo  li 
iactASse  vidcatur  sed  etiam  litteris  mandasse  sive  poeticis,  ut  per  opigrammata  vel  c 
^etica  (Nemesianus  cultusque  mihi  dicendus  equorum)^  sive  Libanii  rhetorumque  more  dei 
strativis." 

Adressaten  der  Briefe  sind:  Fostianus  (I;  Vll;  VIII;  X;  XUI;  XIV;  XV;  XX 
Falerius  (IV;  V;  XX),  Papianus  (XVII),  Lucilius  (XXI),  Astyrius  (IX).  Bezüglich  der 
gezählten  Persönlichkeiten  kann  die  Identifizierung  nur  bei  einer  versucht  werden;  e 
Wahrscheinlichkeit  hat  nämlich,  dass  in  Astyrius  L.  Turcius  Apronianus  Aste 
steckt,  der  im  Jahre  363  praefectus  urbis  Romae  war  (Amm.  Marc.  23,  1,4;  23,  8,  8;  2 
27,  3,  3):  vgl.  Ihm  praef.  p.  16. 

Quellen.  Von  griechischen  Autoren  benutzte  er  besonders  Apsyrtos  (151;  173: 
376;  377),  aber  auch  Eumelus  ist  herangezogen;  vgl.  Ihm  praef.  p.  16;  p.  9.  Von  lai 
sehen  Schriftstellern  werden  erwähnt  Cornelius  Celsus  (22;  31;  185;  287),  Columella 
32;  108;  162;  307)  und  andere  unbekannte;  vgl.  Ihm  praef.  p.  17. 

Zur  Charakteristik.  129  si  equi  intestina  doluerint  <et>  fuerit  toriumatus 
medium  incredibile  quod  per  se  f  ostendere:  nomen  domini  eiusdem  animalis  in  cc 
pedis  dextri  grnphio  persrribito.  278  hoc  Carmen  in  aurem  dextram  equo  dices:  „, 
tintus,  semel  remediatu}<**  et  spuis  in  aurem.  283  sed  et  rerba  religiosa  n(m  desint. 
Sol  peridiariter  dominus  equorum  invocatus  ad  medelam  adest.  quem  hoc  modo,  cum  te\ 
talpnrum  coeperis  tollere^  invocabis:  ictu,  Sol  divine  calide  et  frigide,  tantum  mihi  al 
uasti.  hoc  dices  et  suprascnptam  medelam  faucibus  infunde.  121  manu  uncta  oleo  ven 
j}etfrtcato  cum  hac  pruecantatione:  ires  scrofae  de  caelo  ceciderunt,  invenit  eas  pastor 
cidit  eas  sine  ferro,  coxit  eaa  sine  dentibus:  bene  coxisti,  bene  cooristi,  hene  caristi; 
dazu  Buecheler  1.  c.  p.  332.  Vgl.  noch  die  praecantatio  ad  equos  hordiatoa  sive  ad 
iionem,  Apsijrti  apopiras  ait  (278). 

Fortleben   des   Pelagonius.     Benutzt  wurde  Pelagonius  besonders  von  Veg 
<vgl.  §  846).     Bezüglich  der  Hippiatrica  vgl.  noch  Ihm  praef.  p.  11:    ,(is  qui  hippiatr 
scripta  compilaNnt)  Pelagonium  haud  ita  eleganter  Graece  reddidit  neque  peccatis  gravioi 
abstinuit,  quae  fortasse  non  tam  intei-preti  quam  exemplari  ab  illo  adhibito  non  omni 
carcnti  dnnda  sunt  crimini.** 

*)  4  (juibus  remedia  haec  a  maioribus  profuisse  accepimus  et  facientes  nosme 
experti  sumus. 


Fl.  Vagetiiw  Banatiis.    (§846.)  175 

Die  üeberlieferang.  Die  Grundlage  des  Textes  ist  der  Riccardianus  1179,  die 
Abschrift  eines  alten,  vielleicht  aus  dem  7./8.  Jahrhundert  stammenden  Codex,  welche 
AngelusPolitianns  herstellen  liess  und  selbst  einer  Revision  unterzog.  Die  Handschrift 
trftgt  die  Subscriptio:  CommetUum  artis  medieinae  seu  veterinariae  explicU  Felagoniorum 
Salaniniarum  (Ihm  koir.:  Saloninarum).  Man  konnte  mit  Osann  (Quaedam  de  Pelagonio 
Hippiatricomm  scriptore,  Giessen  1843,  p.  17)  an  zwei  Pelagonii  als  Verfasser  des  Werks 
deuxen;  ihre  Heimat  wäre  nach  der  Subscriptio  die  dalmatische  Stadt  Salonia.  Ihm  schlägt 
eine  andere  Erklärung  vor,  indem  er  meint,  dass  der  Plural  Pelagonii  gewählt  wurde,  weil 
der  Archetypus  mit  Benützung  von  zwei  Handschriften  zu  Stande  gekommen  sei.  Fragmente 
finden  sich  in  dem  Palimpsest  codex  Vindobonensis  16  s.  V/VI,  aus  dem  Eichenfeld,  Jahrb. 
der  Litt  26  (Wien  1824)  Anzeigeblatt  p.  20  Mitteilungen  machte.  Femer  sind  für  die  Re- 
cension  heranzuziehen  ^e'lnntaxQMtty  die  in  der  Baseler  Ausg.  des  Simon  Grynaeus  aus 
dem  Jahre  1537  vorliegen  und  für  welche  die  beste  Üeberlieferang  in  dem  cod.  Berolinensis 
Philipp.  1538  s.  X/XI  gegeben  ist.  Der  Hauptautor  ist  hier  Apsyrtus  (vgl.  Suidas  s.  v.), 
der  auch  sein  Buch  aus  verschiedenen,  an  Freunde  gerichteten  Briefen  zusammensetzte, 
üeber  die  Lücken  vgL  Ihm  praef.  p.  18. 

Ausg.  Pelagonii  Veterinaria  ex  Richardiano  codice  exscripta  et  a  mendis  expurgata 
ab  Josepho  Sarchianio,  nunc  primum  edita  cura  C.  Cionii.  Accedit  Sarchianü  versio  Itah'ca, 
Florenz  1826.  Sarchianius  starb  vor  der  Herausgabe  des  Werkes,  welche  dann  Cionius 
zu  Ende  fühi-te.    Massgebende  Ausg.  von  M.  Ihm,  Leipz.  1892  (mit  5  Indices). 

Litteratur.  Molini,  Sopra  la  veterinaria  di  Pelagonio,  Padua  1828;  0.  Günther 
in  Genethl.  Gotting.  1887  p.  12;  F.  Buecheler,  Rhein.  Mus.  45  (1890)  p.  881. 

3.  Fl.  Vegetius  Renatus. 

846.  Das  militftrische  Handbuch  des  Vegetius.  In  der  Zeit  von 
383 — 450  schrieb  ein  vornehmer  Mann,  der  vir  illustris  und  comes  ge- 
nannt wu'd,  eine  Monographie  über  die  Aushebung  und  die  Ausbildung 
der  Rekruten  und  überreichte  sie  einem  Kaiser,  den  er  leider  nicht  mit 
Namen  nennt,  der  aber  wahrscheinlich  Theodosius  der  Grosse  war.  Der 
kaiserliche  Hof  fand  an  dem  Schriftchen  Gefallen,  denn  der  Autor  wurde 
bestimmt,  auch  die  anderen  Teile  der  Eriegswissenschaft  zu  behandeln. 
Vegetius  kam  dem  Auftrag,  wenn  auch  nach  längerer  Zeit,  nach  und  be- 
handelte in  drei  folgenden  Büchern  die  militärische  Organisation,  die 
Taktik,  die  Lehre  von  der  Belagerung  und  im  Anhang  selbst  den  Seekrieg. 
Patriotismus  war  es,  was  unseren  Autor  bestimmte,  den  Griffel  zu  er- 
greifen. Er  erkannte,  dass  das  Militärwesen  darniederlag  und  dass  die 
Wehrkraft  des  römischen  Reiches  den  von  allen  Seiten  drohenden  Stürmen 
nicht  gewachsen  sei;  unwillkürlich  stellten  sich  seinem  Geiste  Bilder  aus 
der  grossen,  ruhmreichen  Zeit  dar.  Er  lebte  des  Glaubens,  dass  man  diese 
alten  Einrichtungen  wieder  zurückführen  und  damit  dem  Vaterlande  auf- 
helfen könne.  Die  Absicht  war  gut,  aber  zur  Ausführung  derselben  fehlte 
dem  Autor  alle  Sachkenntnis,  da  er  niemals  als  Militär  gedient  hatte.  Er 
glaubte,  seine  Aufgabe  dadurch  zu  lösen,  dass  er  einige  ältere  kriegs- 
wissenschaftliche Werke  vornahm  und  daraus  ein  Büchlein  kompilierte. 
Als  seine  Autoren  nennt  er  den  alten  Cato,  Celsus,  Frontinus  und  den 
Militär-Juristen  Patemus.  Vegetius  ist  ehrlich  genug,  den  Leser  über  sein 
Verfahren  vollständig  aufzuklären;  Ordnung  und  Sichtung  des  Stoffes  ist 
es,  was  er  als  einziges  Verdienst  in  Anspruch  nimmt.  Für  die  Entwick- 
lung des  Kriegswesens  fehlt  ihm  aller  Sinn,  er  hält  die  einzelnen  Perioden 
nicht  auseinander  und  gibt  uns  daher  keine  genügende  Grundlage  für  eine 
geschichtliche  Darstellung  des  römischen  Kriegswesens.  Seine  Sprache  ist 
ziemlich  rein,  nur  einzelne  Ausdrücke  verraten  die  spätere  Zeit.     Obwohl 


176  Fl.  Vageüiui  Benatiui.    (§  846.) 

wir  das  Christentum  bei  ihm  voraussetzen  müssen,  so  verleugnet  er  ( 
nicht  einen  starken  nationalen  Zug. 

Das  Büchlein  wurde  viel  gelesen  und  drang  selbst  nach   dem  { 
chischen   Osten.     Der  Konsul   des   Jahres  450,   Eutropius,   unterzog 
Werkchen  einer  kritischen  Revision.    Auch  im  Mittelalter  war  die  Sei 
stark  verbreitet,  wie  die  grosse  Anzahl  von  Handschriften  beweist,  we 
von  ihr  existieren. 

Die  Persönlichkeit  des  Verfassers,  a)  Der  Name.  Ueberschrift  in  der  1 
schriftlichen  Ueberlieferung  ist  Flavi  Vegeti  Renati.  Priscian,  Gramm,  lat  2  p.  9' 
Vegetius  Renatus  rei  militaris  lihro  primo.  In  den  Exzerpten  des  Vaticanas  Regina 
s.  VII  finden  wir  PMi  Vegeti  Renati,  'PBvdxog  heisst  er  bei  Lydos,  De  magistntibus  1 
ß)  Der  Stand.  Auf  denselben  deuten  die  Worte  der  Ueberschiift  viri  inlustris  cot 
wozu  im  Palatinus  909  saerum  hinzutritt.  Dies  saerum  wird  von  Schoener  (p.  9' 
sacrarum  largitionum  gedeutet;  sonach  wftre  Vegetius  Reichsfinanzminister  gewesen. 
Heere  hat  er  nicht  gedient,  wie  man  aus  der  Unkenntnis  mancher  militärischer  Einrichta 
schliessen  kann;  vgl.  1,  20  und  Schoener,  Stud.  zu  Vegetius,  Erlangen  1888,  p.  12;  ] 
Er  schöpft  daher  nicht  aus  Erfahrung,  sondern  aus  Büchern.  ;')  Religion.  2,  5  iuran 
Deum  et  Otristum  et  sanctum  Spiritum  et  per  tnaieatatem  imperataris,  quae  aeeundum  1 
generi  humano  diligenda  est  et  colenda;  vgl.  auch   die  unten  ausgescnriebene  Stelle  ^ 

DieZeitdesVegefcius.  Es  hängt  alles  davon  ab,  den  ungenannten  Kaiser, 
die  Schrift  gewidmet  ist,  zu  bestimmen.  Auszugehen  ist  von  folgender  Stelle  (1,  20j: 
in  hac  parte  antiqua  penitus  consuetudo  deleta  est;  nam  licet  exemplo  Gothorum  et 
norum  Hunnorumque  cquitum  arma  profecerint,  pedites  eonstat  esse  nudatos.  Ah  urhe 
eondita  usqtte  ad  tempus  diri  Gratiani  et  eatafractis  et  galeis  muniebatur  pedesiris 
citiM,  Sed  cum  campestris  exercitatio  interveniente  negligentia  desidiaque  cessaret,  g\ 
videri  arma  coeperunt,  quae  raro  milites  induebant;  itaque  ab  imperatore  poatuiant  p 
catafractaSf  deinde  cassides  se  debere  refundere.  Sic  detectis  pectoribus  et  eapUibus 
gressi  contra  Gothas  milites  nostri  multitudine  sagittariorum  saepe  deleti  sunt;  nee  po\ 
clades,  quae  usque  ad  tantarum  urbium  excidia  perrenerunt,  cuiquam  curae  fuU  rel 
fracias  rel  galeas  pedestribus  r edder e.  Aus  dem  Worte  divus  geht  hervor,  daas  Gn 
als  Vegetius  diese  Worte  schrieb,  bereits  gestorben  war;  also  fällt  die  Schrift  nach 
Im  Jahre  450  wurde  Vegetius  in  Constantinopel  bereits  einer  Recension  unterworfen, 
muss  sein  Workchen  schon  geraume  Zeit  im  Umlauf  gewesen  sein.  Die  laxe  Handha 
der  Ausrüstung  fällt  nach  den  obigen  Worten  in  die  Zeit  Gratians;  vgl.  F.  Rühl,  Flec 
Jahrb.  137  (1888)  p.  338.  Seiner  Regierung  oder  möglicherweise  auch  einer  vorhergehe 
wird  der  Vom-urf  der  Nachlässigkeit  gemacht.  Damit  sind  die  auf  Gratian  folgt 
Herrsclier  von  Schuld  im  wesentlichen  freigesprochen.  Kein  zu  unterschätzendes  Mo 
ist,  dass  in  einem  Teil  der  Ueberlieferung  in  dem  Titel  des  Werks  ad  Theodoaium  im^ 
torem  hinzugefügt  ist;  dies  ist  z.  B.  geschehen  im  Palatinus  909  s.  X  und  Vaticanna 
8.  Xn.  Da  nun  der  Rückgang  in  der  militärischen  Bewaffnung  nach  der  Zeitlage  nicht  \ 
anhalten  konnte  und  Theodosius  der  Grosse  (379—395)  das  gesunkene  Militärwesen  n 
aufrichtet«  (vgl.  Jordanis  c.  27  (p.  94  Mommsen)  sed  Theodosio  ab  Spania  Gratiantu 
perator  electo  et  in  orientali  principatu  loco  Valentis  patrui  subrogato,  militaremque  < 
plinam  mox  in  meliori  statu  reposita  ignavia  priorum  principum  et  desidia  exclusa  G 
ut  aensitj  pertimuit),  wird  man  zunächst  an  ihn  zu  denken  haben.  Und  in  der  That  1 
sich  die  oinzelnen  Berichte  der  Züge  und  Ereignisse  gut  mit  ihm  und  seiner  Regierung  ii 
klang  bringen;  vgl.  Schoener  p.  39.  Selbst  die  Worte  (3,  26)  peritia  sagittandi,  equi 
licientia  rel  decoVy  currendi  celocitaSy  nrmaturae  exercitatio  können  auf  Tlieodosius  oe: 
werden.  An  Valentinian  III  (425-455)  denken  Gibbon,  The  history  of  the  declim 
fall  of  the  Roman  empiro  5  (Edinburgh  1811)  p.  90  Anm.  und  (in  ausführlicher  Darle] 
Secck,  Die  Zeit  des  Vegetius  (Hermes  11  (1876)  p.  82),  an  Theodosius  II  (408—450)  Ten 
Schwabe.  A.  v.  Gutschmid  macht  bei  Teuffel-Schwabe  noch  darauf  aufmerl 
dass  in  der  ebenfalls  von  unserem  Vegetius  herrührenden  Mulomedicina  (6,  6  p.  259  S 
der  Name  Toringi  erscheint,  welcher  sonst  erst  mit  dem  Jahre  451  bezeugt  ist. 

Die  einzelnen  Bücher.  Uebcr  den  Inhalt  der  drei  ersten  Bücher  gibt  3,  1 
schluss:  primus  Über  tironum  dilectum  exercitiumque  deprompsit,  sequens  Ugionis 
tutionem  discipUnarnque  edocuit  militarem,  hie  tertius  classicum  sonat,  Ueber  dei 
halt  des  vierton  Buches  vgl.  4  praef.  ad  complcmenium  igitur  operis  maiestatis  n 
praeceptione  auscepti  rationes,  quibus  rel  nostrae  civitates  defendendae  sint  vel  hoi 
subruendae.  Ueber  den  Anhang  vgl.  4,  31  praecepto  maiestatis  tuae,  imperatar  in 
terrestris  proelii  rationibus  absolutis,  navalis  belli  residua,  ut  opinor,  est  partio;  de  ( 


Fl.  Vegeüos  Bonatfui.    (§  846.)  177 

iurtibus  ideo  pauciara  dicenda  aunL  quia  tarn  dudum  pacato  mari  cum  barbaris  nationibus 
agüur  terrutre  certamen.    Ueber  die  rabricae  vgl.  Lang,  Ausg.'  p.  XlHl. 

Ziel  der  Schrift.  2,  8  cum  easdem  expensas  faciat  ei  düigenter  et  neglegenter 
exereUus  ordinatus,  non  solum  prc^seniibtis,  sed  etiam  futuris  aaectdia  proficit,  si  provisione 
maitftatis  tuae,  imperator  Auguste,  et  fortissima  dispositio  reparetur  armorum  et  emendetur 
dissimulatio  praecedentum,  1,  28  congessi,  ut  in  dilectu  atque  exereitatione  iironum  si  quis 
dUigtns  velit  existere,  ad  antiquae  virtutis  imitcUUmem  faeile  conrobarare  possU  exercUum 
....  semper  ergo  legendi  et  exereendi  sunt  iuniares.  Vilius  enim  eonstai  erudire  armis  suoa 
quam  aiienos  mereede  conducere. 

Das  Verhältnis  der  Schrift  zum  Kaiser.  1  praef.  antiquis  temporibus  mos  fuit 
bonorum  artium  studia  mandare  litteris  atque  in  libros  redacta  offerre  principibus,  quia 
mque  rede  aliquid  inchoatur,  nisi  post  Deum  faverit  imperator,  neque  queniquam  magis 
deeet  vel  meliora  scire  vel  plura  quam  principem,  cuius  doctrinä  omntbus  polest  prodesse 
»ubiectis  ....  hac  ego  imitatione  conpulsus  dum  considero  clementiam  vestram  auAlms  lit- 
terarum  magis  ignascere  passe  quam  eeleros,  tanto  inferiorem  me  antiquis  scriptoribus  esse 
rix  sensi,  2  praef.  instituta  maiarum  partis  armatae  plenissime  clementiam  vestram  perl- 
tissimtque  retinere  continuis  declaratur  victoriis  ac  triumphis,  siquidem  induhitata  adpro- 
baiio  artis  sit  rerum  semper  effectus.  Verum  tranquWilas  tua,  imperator  invicte,  aUiori 
eonsilio,  quam  mens  poterat  terrena  concipere,  ex  libris  antiqua  desiderat,  cum  ipsam  anti- 
quUatem  factis  reeentibus  antecedat.  Igitur  cum  haec  litteris  breviter  conprehendere  maie- 
statt  vestrae  non  tam  discenda  quam  recognoscenda  praeciperer,  certavit  saepius  devotio  cum 
pudore  ....  libellum  de  dilectu  atque  exereitatione  tironum  dudum  tamquam  famulus  obtuli. 

Quellen,  a)  Militftrwissenschaftliche  Quellen.  1,28  Jiaec  fidei  ac  devotionis 
\niuiiUf  imperator  invicte,  de  universis  auctoribus,  qui  rei  militaris  disciplinam  litteris 
nandaverurU,  in  hunc  libellum  enucleata  congessi,  3,  26  digesta  sunt,  imperator  invicte, 
f%tae  nobilissimi  auctores  diversis  probata  temporibus  per  experimentorum  ftdem  memoriae 
frodiderunt.  Die  Hauptatelle  ist  1,  8  haec  necessUas  conpulit  evolutis  auctoribus  ea  me  in 
\oc  opusculo  fidelissime  dicere,  quae  CkUo  ille  Censorius  (§  66  und  §  67)  de  disciplina  mili- 
ari  scripsit,  quae  Cornelius  Celsus  (§  473),  quae  Frontinus  (§  500  a,  2)  perstringenda  du- 
cerunt,  quae  Patemus  (§  619  p.  179)  diligentissimus  iuris  militaris  adsertor  in  libros 
'edegit,  quae  Äugusti  et  Traiani  Hadrianique  constitutionibus  cauta  sunt,  1 ,  27  praeterea 
*€  vetus  eonsuetudo  permansit  et  divi  Augusti  atque  Hadriani  constitutionibus  praecavetur. 
S,  3  CUxto  Hie  Maior  (§  66  und  §  67),  cum  et  armis  invictus  esset  et  constd  exercitus  saepe 
luacissei,  plus  se  reipublicae  credidit  profuturum,  si  disciplinam  militarem  conferret  in  lit- 
efos  ....  idem  fecerunt  alii  complures,  sed  praecipue  Frontinus,  divo  Traiano  ab  eins- 
nodi  eonprobatus  industria,  ^Horum  instituta,  horum  praecepta,  in  qtMntum  valeo,  strictim 
%deliterqu€  signabo,  1,  18  sicut  ait  Cato,  1,  15  Ckito  in  libris  de  disciplina  militari  evi- 
ienter  ostendit.  ß)  Andere  Quellen.  Gelegentlich  der  Wetterzeichen  fOr  die  Schiffe 
miiTt  er  4,  41  aus:  aliqttanta  ab  avibus,  aliquanta  significantur  apiscibus,  quae  VergUius  in 
QeeMrgids  divino  paene  conprehendit  ingenio  et  Varro  in  libris  navalibus  düigenter  excoluit, 
1,  4  adulescentes  legendi  sunt,  sicut  ait  Sallustius,  l,  9  de  exercitio  Gnei  Pompei  Magni 
SiUiustius  memorat.  2,  1  res  igitur  militaris,  sicut  Latinorum  egregius  auctor  carminis 
sui  tesiatur  exordio,  armis  constat  et  viris.  Foerster,  De  fide  Vegetii  Renati,  Bonn  1879; 
L.  Lange,  EUstoria  mutationum  rei  militaris  Romanorum  inde  ab  interitu  rei  publicae  usque 
ad  Gonstantinum  Magnum,  Göttingen  1846,  p.  85;  Marquardt,  Rom.  Staatsverw.  2' (Leipz. 
1884)  p.  606;  vgl.  auch  Bruncke,  Quaest.  Yeget.,  Leipz.  1875;  derselbe  untersucht  im 
ersten  Kapitel  die  Frage,  num  Flavius  Vegetius  Renatus  Catonis,  Celsi,  Frontini,  Patemi 
libros  de  re  militari  in  usum  suum  converterit  und  spricht  (p.  16)  den  Satz  aus:  ,Haec 
omnia  me  movent,  ut,  quamquam  non  facio  cum  Barthio  qui  epitomam  epitomae  Vegetianae 
hodie  superesse  statuit  —  tamen  id  contendam  Vegetianam  epitomam  ex  epitomis  diver- 
Bonim  scriptorum  congestam  esse".  Als  zweite  Quaestio  (p.  17)  erscheint:  de  acie  se- 
candum  Flavii  Vegetii  Renati  praecepta  instruenda,  die  in  dem  Resultat  gipfelt  (p.  33): 
.acies  igitur  Vegetiana  III  14  non  ante  Diocletianum  nee  post  Gonstantinum  instructa  est, 
annis  ergo  tantom  viginti  ab  286  usque  ad  306  post  Chr.  natum  in  usu  fuit.**  Vgl.  auch 
Foerster  p.  9;  11;  83;  M.  Schanz,  Zu  den  Quellen  des  Vegetius  (Hermes  16  (1881)  p.  137). 
Ich  habe  in  diesem  Aufsatz  wahrscheinlich  zu  machen  gesucht,  dass  Vegetius  die  Constitu- 
tionen der  Kaiser  Augustus,  Trajan  und  Hadrian  nur  aus  Patemus  gekannt  hat,  und  einige 
neue  Fragmente  dem  Patemus  aus  Vegetius  vindiziert. 

Charakter  des  Werks.  1  praef.  licet  in  hoc  opusculo  nee  verborum  concinnitas 
sit  necessaria  nee  (Uiumen  ingenii,  sed  labor  diligens  ac  fidelis,  ut,  quae  apud  diversos  histo- 
ricos  vel  armorum  disciplinam  docentes  dispersa  et  involuta  celantur,  pro  utilitate  Romana 
proferantur  in  medium,  3  praef.  quae  per  diversos  auctores  librosque  dispersa,  imperator 
invicte,  mediocritatem  meam  abbreviare  iussisti,  ne  vel  fastidium  nasceretur  ex  plurimis  vel 
plenitudo  fidei  deesset  in  parvis,    3,  22  digestis  omnibus,  quae  ratio  militaris  experimenlis 

HAndbnGh  der  Usm.  AltertnmiwiMBeiMcluift.  Vm.  4.  12 


178  n«  VegetioB  B«iatiui.    (§  847.) 

et  arte  aervavit,  4  praef.  ex  diveraU  auetoribus  in  ordine  dtgeram,  4,  80  quae  ad  c 
nandas  vel  defendendas  urbe»  auctarea  bellicarum  artium  prodiderunt  vel  quae  reee 
necesaitatum  uaua  invenit,  pro  publica,  ut  arbiträr,  täilüate  digesai.  1,  8  nihil  mih\ 
torüatia  adaumo  aed  horum,  quaa  aupra  rettuli,  quae  diaperaa  aunt,  velut  in  ordinn 
tomata  conacribo.  2,  4  quae  deacriptio  ai  obaeurior  aut  inpolitior  videbiiur,  non  mi 
difficultati  ipaiua  rei  conrenit  inputari.  Adtento  itaque  animo  aaepiua  relegenda  aui 
memoria  intelligentiaque  vdleant  conprehendi.  8,  6  qui  rem  militarem  atudioaiua  didit 
adaerunt  plura  in  itineribua  quam  in  ipaa  aeie  pericula  aolere  contingere.  —  M.  Pli 
Der  Verfall  des  röm.  Kriegswesens  am  Ende  des  vierten  Jahrh.  n.  Chr.  Eine  1 
geschichtl.  Studie  nach  Vegetius  (Festschr.  zur  4.  Sfiknlarfeier  d.  UniveiB.  Tübingen, 
gart  1877,  p.  54). 

Ueberlieferung.  Die  zahlreichen  Handschriften  (circa  140)  zerfallen  in 
Klassen,  von  denen  die  erste  die  Subscriptio,  welche  durch  Versehen  in  der  zweiten  J 
in  Wegfall  kam,  trägt:  FL  Euiropiua  emendavi  aine  exemplario  Canatantinopolim  t 
Valentiniano  Auguato  VII.  et  Ävieno  (codd.:  Abieni  und  Abieno;  vgl.  auch  O.Jahn, 
Sitzungsbcr.  1851  p.  344);  sie  ist  durch  zwei  Lücken  entstellt;  auch  liegt  hier  ein 
lässiger  geschriebenes  Werk  zu  Grunde  als  bei  der  zweiten  Klasse.  Die  wichtigstei 
treter  der  ersten  Klasse  sind:  Parisinus  7230  s.  X,  Bemensis  208  und  Parisinus  6b0t 
Die  wichtigsten  Vertreter  der  zweiten  Klasse  sind :  Palatinus  909  s.  X  und  Vaticanni 
s.  XII.  Die  älteste  Ueberlieferung  liegt  uns  in  den  Exzerpten  des  Palimnsestes  Vaticanns 
nensis  2077  vor,  dessen  zweite  Schrift  in  das  siebente  Jahrhundert  gehört;  vgl.  Momi 
Hermes  1  (1866)  p.  130;  C.  Lang,  Ausg.*  p.  XVI;  J.  W.  Foerster,  De  fide  Vegetü, 
1879,  p.  59.  Ein  Auszug  des  Hrabanus  Maurus  wnrde  aus  einer  Trierer  Handschrift 
von  E.  Dum  ml  er  (Zeitschr.  f.  deutsches  Altertum,  N.  F.  8  (1872)  p.  443)   heraosge 

Ausg.  Von  den  älteren  sind  zu  nennen  die  von  Modius,  Cüln  1580,  die  von 
wechius,  Leiden  1592,  die  Sammelausg.  von  Scrlverius  (cum  notis  Stewechii,  J 
Antwerpen  1607;  Wesel  1670,  die  von  Schwebel,  Nürnberg  1767,  als  Sammelansg.  Sl 
1806.    Massgebende  kritische  Ausg.  ist  die  von  C.  Lang,  Leipz.  1869,  2.  Aufl.  Leipz. 

Der  sog.  Modestus  de  vocabulis  rei  militaris  ad  Tacitnm  Aug.  ist  ein  m 
nutzung  des  Vegetius  von  Pomponius  Laetus  oder  einem  seiner  Schüler  hergestelltes 
fikat    Ausg.  z.  B.  bei  Stewechius  p.  289. 

847.    Die  Yeterinftmiedizin  des  Vegetius   (ars  veterinaria 
mulomedicina).     Unter  dem  Namen  Vegetius  Renatus  ist  uns  auch 
Veterinärmedizin  erhalten,   deren  Bestand  in  der  handschriftlichen  U( 
lieferung  ein  schwankender  ist   und  deren  kritische  Grundlage  noch 
zustellen  ist.  Doch  scheint  sicher  zu  sein,  dass  sie  in  vier  Bücher  zerfäll 
das  militärische  Compendium;  auch  ähneln  sich  beide  Gompilationen  d 
dass  ihre  Fortsetzung  nach  Angabe  des  Autors  auf  fremden  Einfluss 
erfolgte.     Wie  der  Abriss  der  Kriegskunde,  so  ist  auch  unser  Werk 
dem  Einfall  der  Hunnen,  also  nach  375,  geschrieben.^)     Es  steht  alsc 
Annahme  nichts  entgegen,   dass  die  beiden  Schriften  in  die   gleiche 
fallen.     Diese  Annahme  erhält  noch   eine  Stütze  durch   die  Oleichheii 
Namens.     Es   drängt   sich    sonach   von   selbst  die  Vermutung    auf, 
der  Kriegsschriftsteller  und  der  Veterinärschriftsteller  dieselbe  Person 
und  in   der  That  zeigt  uns  eine  Vergleichung  der  beiden  Schriften 
selbe  Individualität.     Trotz  der  Verschiedenheit  des  Stoffes  und  der 
schiedenheit   des  Publikums,   an    das   sich   die   beiden   Schriften   wei 
linden  wir  doch   eine  Reihe  gleicher  Spracheigentümlichkeiten.     Aucl 
schriftstellerische  Composition   ist  in  beiden  Werkchen   dieselbe;   sie 
angeblich  kein  anderes  Ziel,  als  den  bei  verschiedenen  lateinischen') 
toren  oder   an  verschiedenen  Stellen  8)  zerstreuten  Stoff  zu   sammeln 

*)  Mulom.  3  praef.  (p.  88  Sehn.)  exemplo  Apsyrtus  sagt  er  (praof.  4):  praeterea 

IIuHnorum  nive  gentium  aliarum.  Epit,  1,  20  |  geata  tt  confusa  aunt  omnia,  tu  partei 

exemplo  Gothorum  et  Alanorumllxmnorumque.  '   quam  curationia  quaeretiii  necesae  ait  < 

*)  Vgl.  Sclioener  p.  26.  per  tiinloa,   cum   de  eiadem  pasaionibu 

•)    ITeber    das   Werk    des    Cliiron    und  remedia  in  capite  alia   inreniantur   i^ 


Fl. 


Banfttfui.    (§847.) 


179 


kurzer,  aber  vollständiger  Fassung  und  in  lichtvoller  Ordnung  dem 
^r  vorzuführen.  Selbst  der  gleiche  Charakterzug  des  Aberglaubens 
faritt  uns  in  beiden  Schriften  entgegen.^)  Des  Autors  Bildung  steht  in 
der  tierärztlichen  Schrift  auf  keinem  anderen  Niveau  als  in  der  kriegs- 
^RrissenschafUichen;  sie  scheint  sich  zumeist  auf  die  Lektüre  von  Fach- 
schriftstellem  beschränkt  zu  haben.  In  der  Veterinärmedizin  erquickt  uns 
die  Begeisterung,  mit  welcher  der  Autor  seinen  Stoff  behandelt;  mit  warmen 
MTorten  schildert  er  die  Bedeutung  der  Haustiere  für  das  Menschen- 
geechlecht.^)  Auch  der  tierärztlichen  Kunst  sucht  er  die  ihr  gebührende 
Stellung  zu  sichern,')  preist  ihren  Wert  und  klagt  über  ihren  Verfall.^) 
Tue  Menschen,  welche  die  Tierheilkunde  nicht  zu  Rate  ziehen,  werden 
scharf  getadelt;^)  auch  findet  keine  Gnade  vor  seinen  Augen,  dass  die 
2«eitgenos8en  für  ihre  ganz  anders  gearteten  Tiere  das  naturwüchsige  Ver- 
&hren  der  Hunnen  befolgen.^)  Grosse  Anerkennung  verdient  es,  dass  er 
das  grösste  Gewicht  auf  die  Diagnose  legt,^)  also  für  ein  rationelles  Yer- 
&liren  eintritt.  Wie  weit  er  sich  fachmännische  Kenntnisse  errungen, 
kann  der  Laie  nicht  beurteilen;  doch  so  viel  mag  gesagt  werden,  dass 
er  für  die  Pferdezucht  das  grösste  Interesse  hegte,  auf  ausgedehnten  Reisen 
steh  Kenntnis  der  verschiedenen  Pferderacen  verschafft  hatte  ^)  und  wahr- 
scheinlich als  wohlhabender  Gutsbesitzer  einen  grossen  Marstall  unterhielt. 
Der  Stil  war  dem  Schriftsteller  selbst  bei  diesem  Stoff  nicht  gleichgültig; 
er  strebte  eine  Darstellung  an,  welche  den  Gebildeten  nicht  abstiess  und 
dem  Ungebildeten  das  Verständnis  nicht  verschloss. 

üeber  seine  Quellen  gibt  die  Vorrede  Aufschluss;  der  Schriftsteller 
nennt  zuerst  Coluroella  und  Pelagonius,  die  aber  sofort  wieder  beiseite 
geschoben  werden.  Als  seine  eigentlichen  Quellen  erscheinen  Chiron  und 
Apsyrtus,  an  denen  er  aber  die  ins  Niedrige  gehende  Darstellung  und  den 
Mangel  an  Ordnung  tadelt.  Auch  die  teueren  Medikamente  sind  dem 
Autor  anstössig.  Um  diesen  verschiedenen  Uebelständen,  an  denen  die 
Veterinärmedizin  leidet,  abzuhelfen,  will  er  die  gesamte  lateinische  Lit- 
teratur  über  Veterinärmedizin  durchgearbeitet  haben;  allein  diese  Worte 
sind  Humbug.  In  der  Münchener  Staatsbibliothek  wurde  eine  um  400  ent- 
standene lateinische  Veterinärmedizin  entdeckt,^)  welche  aus  griechischen 
Autoren,  besonders  Chiron  und  Apsyrtus,  ausgezogen  und  ins  Vulgäriatein 
übertragen  wurde.     Diese  lateinische  Compilation  lag  dem  Vegetius  vor, 


^)  Epit.  4, 35  observandum  praecipue,  ut  a 
quintadecima  luna  usque  ad  vicesimam  se- 
eundam  arbares  praecidantur  ....  quod  ara 
ip9a  et  omnium  arehitectarum  coiidianus 
usus  edocuit  et  contemplatione  ipsius  religio- 
nis  agnaseimus,  quam  pro  aeternitate  his 
tanium  dielma  placuit  eelebrari,  Mulom.  4,  3 
(p.  151)  radieulam  ....  ainUtra  manu  ante 
ortum  8oIm  coUige, 

*)  4  praef.  (p.  142). 

•)  1  praef.  (p.  5). 

*)  3  praef.  (p.  88). 

»)  6  praef.  (p.  254). 

•)  3  praef.  (p.  88). 


')  6  praef.  (p.  255)  neque  enim  curare 
rationabilüer  polest j  qui  qualitatem  rei,  quam 
curat,  ignorat. 

^)  6»  6  (P-  259)  ad  bellum  Hunniscorum 
longe  primo  docetur  utilitas  patientiae,  la^ 
boris,  frigoriSf  famis,  Toringos  deinde  et 
Burgundtones  iniuriae  tolerantes,  Tertio  loco 
Frigiscos,  non  minus  velocUate  quam  conti- 
nuatUme  cursus  inpictos.  Postea  Epirotas  etc. 
2,  28  (p.  81)  sed  ipsos  equos,  quos  tmlgo  Tre- 
pidarios,  militari  verbo  Tottonarios  vocant. 

•)  Ueber  eine  verschollene  Handschrift 
vgl.  Oder  p.  VII  Anm.  J. 


12 


180  Fl.  Vegetins  Bonfttos.    (§  847.) 

und  sein  ganzes  Verdienst  ist  lediglich  darin  zu  suchen,  dass  er  die  rohe 
Sprache  seiner  Vorlage  in  die  gebildete  Umgangssprache  umsetzte. 

Die  Identität  des  Verfassers  der  epitome  rei  militsris  und  der  mulo- 
medicina.  Zuerst  hat  Schwabe  in  der  4.  Aim.  der  Teufferschen  Litterataigesch.  die 
Identität  der  beiden  Yegetii  behauptet  und  dafür  besonders  auf  die  Aehnlichkeit  sprach- 
licher Wendungen  in  beiden  Schriften  hingewiesen.  Das  Material  ist  vermehrt  worden  tob 
Schoener  p.  18.  Es  seien  folgende  Beispiele  angeführt:  mulom.  2,  28  (p.  77  Sehn.)  Quorum 
si  non  auppetU  copia  ||  epit.  r.  m.  1,  2  quibus  et  copia  sanguinis  suppetat;  \,1  si  copia 
suppetat.  2t  28  (p.  80)  nisi  neeessUas  passianis  exegerit  \\  1,  5  si  ergo  neeessitas  exigit. 
2f  86  (p.  86)  habere  oportet  in  promtu  ||  1,  24  habere  eonvenit  semper  in  promptu;  4,  8  ckuxts 
ferreos  esse  oportet  in  promptu.  2,  25  (p.  70)  inter  ....  distantia  est,  quod  ||  3,  13  iUa 
distantia  est,  quod.  2,  28  (p.  81)  sed  ipsos  equos  . . . .  ita  edomant  ad  levitatem  \\  2,  14  sed 
etiam  ipsos  equos  adsiduo  labore  eonvenit  edomari.  2,  8  (p.  53)  ad  cibi  instar  ....  infundes 
II  4,  83  ad  earundem  instar  classem  Bomani  prineipes  texuerunt.  4  praef.  2  (p.  142)  er 
diversis  auctoribus  enucleata  eoUegi  \\  1,  28  ?uiec  ....  de  universis  auetoribus  ....  in  hunc 
libellum  enucleata  congessi.  8  praef.  1  (p.  88)  artis  usus  intercidit  \\  3,  10  diseipUna,  euius 
usus  intercidit.  1,  23  (p.  41)  sciendum  estpraeterea  ....  oportere  ||  1,  20  sciendum  praeterea 
....  debere.  8  praef.  1  (p.  88)  exemplo  Hunnorum  sive  gentium  aliarum  jj  1,  20  exemph 
Gothorum  et  Alanorum  Hunnorumque.  1  praef.  6  (p.  4)  mediocritas  ingenii  \\  3  praef.  me- 
diocritas  mea.  Ueber  die  Vorliebe  fisa  das  Wort  medicina  in  der  Eriegsschrift  vgl.  Schoener 
p.  18;  über  den  gleichförmigen  Schluss  der  Epitome  und  der  Mulomedicina  vgL  den- 
selben p.  25.  Dass  die  Mulomedicina  nach  dem  zweiten  und  vor  dem  dritten  Buch  der 
Epitome  geschrieben  ist,  sucht  Schoener  (p.  26)  nachzuweisen,  aber  die  Gründe  reichen 
doch  nicht  aus. 

Zur  Charakteristik  der  Veterinftrschrift.    1  praef.  6  (p.  4  Sehn.)  His  et  taU- 
bus  rationibus  invitatus,  cum  ab  initio  aetatis  alendorum  equorum  studio  ftagrarem,  kerne 
operam  non  invitus  arripui,  ut  conduetis  in  unum  latinis  dumtaxat  auctoribus  universis, 
adhibitis  etiam  mulomedicis,  et  medicis  non  omissis  (nam  mulomedicinas  doctrina  ab  arte 
medicinae  non  adeo  multis  discrepat  sed  in  plerisque  consentit)  in  quantum  mediocritas  in- 
genii patitur,  plene  ac  breviter  omnia  epitomae  digererem,  et  signa  morbarum  omnium    . 
declararem.    4  praef.  1  (p.  142)   mulomedicinae  me  commentarios  ordinante,  eivium  atqw    | 
amicorum  frequens  querela  accepti  operis  continuationem  suspendit,  defientium  aegritudine$ 
mortesque  clamosissimas  boum,  cum  magnopere  peterent  publicandum,  si  quid  pro  salute  tarn 
commodorum  animalium  scriptum  reperiretur  in  libris.    Cedens  itaque  famüiarium  honestis- 
simae  voluntati  ex  diversis  auctoribus  enucleata  coUegi,  pedestrique  sermone  in  ItbeUum  eon- 
tuli;  cuius  erit  praecipua  felicitas,  si  eum  nee  scholasticus  fasHdiat,  et  bubUleus  inteüigat. 
6,  6  (p.  259)   quae  res  nos  compulit,  qui  per  tarn  diversas  et  hnginquas  peregrimatUma 
equorum  genera  universa  cognovimus,  et  in  nostris  Stabulis  saepe  nutrivimus.    5, 69  (p.  239) 
studiose,  quae  experimentis  nostris  vel  aJiorum  probata  cognovimus,  intimamus. 

Quellen.  1  praef.  (p.  3)  minus  splendidis  exercitata  (mulomedicina),  minusque  do- 
quentibus  collata  docetur  in  libros.  Licet  proxima  aetate  et  Pelagonio  non  defuerit  et  ColU' 
mellae  abundaverit  dicendi  facultas.  Verum  alter  eorum  cum  rusticae  praecepia  eonscribertty 
curas  animalium  levi  admonitione  perstrinxit :  alter  omissis  signis  causisque  morborum  tarn 
magnae  rei  fundamenia  neglexit.  Chiron  vero  et  Apsyrtus  diligentius  euncta  HtnaH  eh' 
quentiae  inopia  ac  sermonis  ipsius  vilitate  sordescunt.  Ueber  die  angebliche  Herbeisiehmig 
einer  reichen  Litteratur  von  Seiten  des  Vegetius  vgl.  die  in  der  ,, Charakteristik*  ausge- 
schriebene Stelle.  Ueber  die  Quellenfrage  des  Vegetius  wurde  Licht  durch  eine  Sot- 
deckung  Wilhelm  Meyers  verbreitet.  Derselbe  fand  in  dem  cod.  Monacensis  248  8.XT 
ein  antikes  Werk  über  Tiermedizin,  über  welches  er  sich  also  äussert  (Sitzongsber.  da 
Münchener  Akad.  1885  p.  395):  „Der  grösste  Teil  dieses  umfangreichen  und  haapMchlich 
dem  Chiron  Centaurus  und  Apsyrtus  zugeschriebenen  Werkes  sei  eine  um  400  n.  Chr.  ge- 
fertigte Uebei-setzung  eines  griechischen  Textes.  Diese  lateinische  Uebersetrang  habe  ve- 
getius gekannt  und  der  grösste  Teil  seines  Werkes  sei  nur  eine  Umarbeitung  dieaesjetit 
an  das  Licht  gebrachten  Werkes."  Jetzt,  da  die  Veterinärmedizin  der  Münchener  äand- 
schrift  in  der  Od  ersehen  Ausg.  publiziert  vorliegt,  erkennt  man  klar,  dass  Meyer  das 
Verhältnis  des  Vegetius  zu  der  genannten  Veterinärmedizin  richtig  bestimmt  liai;  vgl 
Oder  p.  X.  «Mulomedicina  detecta  cognoscitur  eum,  Pelagoniana  si  detrahas,  aua  inde 
fere  omnia  impudenter  deprompsisse.  sane  retractavit  Mulomedicinam  ita,  at  squalorea 
sermonis  diligenter  abstergeret  et  prae  Chirone  latino  velut  alter  Cicero  ease  videator: 
materiam  vero  uberrimam  et  ordinem  rerum  a  Chirone  olim  constitutum  aut  mordicuB  tenidt 
aut  in  peius  mutavit.  quae  cum  ita  sint,  Vegetium  compilatorem  vilissimom  iure  appellare 
licet"  (Oder  p.  XI).  Vergil  wird  citiert  1  praef.  (p.  4)  Mantuanus  poeta.  2,  28  (p.  81)  lautlat 
Vergilius. 


i 


D«r  Compilaior  d«r  Madioina  Plinü.    (g  848.)  181 

Die  Mulomedicina  Monacensis  latina.  Sie  erscheint  in  der  Handschrift  in 
10  Bachern;  von  diesen  10  Büchern  tragen  Snhscriptionen  1,  2,  9  nnd  10.  Die  Subscriptio  zum 
ersten  Buch  lantet:  Chiranis  Ceniauri  Über  primus  explicit  IncipU  Über  2^,  Am  Schlnss 
des  zweiten  Buches  lesen  wir:  Chironis  centauri  veteriniani  (sie)  de  permixtis  passionibus 
liber  $ecundu8  explicit  incipit  Über  tertius.  Am  Schlnss  des  neunten  Buches  heisst  es: 
Explieit  liber  nanus  Chiron  eentaurus  et  Absyrtiis  feliciter  Incipit  liber  decimus.  Am 
Schlnss  des  zehnten  Buches  endlich  steht  die  Subscriptio:  Claudius  Hermero»  veterinarius 
liber  decimu8  explicit  feliciter.  Apsyrtus  war  ein  Tierarzt,  der  unter  Constantin  dem  Grossen 
an  dem  Feldzug  gegen  die  Sarmaten  (832 — 884)  teilgenommen  hatte;  vgl.  Suidas  s.  t.  Seine 
zwei  Schriften  Ober  Tierheilkunde  wurden  u.  a.  von  Pelagonius  benutzt,  am  meisten  von 
Hierokles;  aus  ihm  und  Hierokles  haben  vorzugsweise  die  Hippiatrica  geschöpft;  vgl.  Well- 
mann, Pauly-Wissowas  Realencvcl.  Bd.  2  Sp.  286;  Erumbacher,  Qesch.  der  Byzantin. 
Litt,  Mfinchen<  1897,  p.  268.  Ueber  die  Hippiatrica  vgl.  M.  Ihm,  Rhein.  Mus.  47  (1892) 
p.  315.  Bezüglich  des  Chiron  statuiert  Oder  (p.  XV),  dass  derselbe  auch  ein  Veterinär- 
schriftsteller  war,  dem  der  Beiname  Centaurus  verkehrt  beigelegt  worden  sei;  vgl.  Qber 
ihn  den  Artikel  bei  Suidas  s.  v.  Xcigaty;  auch  Columella  praef.  32  nennt  ihn.  Ich  glaube, 
dass  der  Name  eine  Fiktion  ist.  Ausser  diesen  Autoren  erscheinen  noch  Sotio,  Polyclet 
und  Famax.  üeber  das  Vorkommen  dieser  fünf  Persönlichkeiten  gibt  Oder  (p.  XIV  Anm.  1) 
folgende  Statistik:  „Chiron  apparet  quinquies:  §  146,  148  (=  152),  164,  344;  in  margine 
autem  eins  nomen  additur  quinquies:  239,  243,  244,  245,  256.  Apsyrtus  quater:  157,  161, 
266,  303.  Sotio  octies:  132,  134,  187,  188,  270,  284,  290,  292;  semel  in  margine  269. 
Polycletos  octies:  125,  126,  127,  129,  181,  274,  288,  806.  Phamax  vel  ut  in  codice  legitur 
Famaz,  id  est  ^a^ydxfjs  (an  scribendum  est  ^äg/Äa^y  a  fpdgfÄaxoy  derivatum?)  sezies:  122, 
124,  160,  268,  273,  275."  Den  am  Schluss  genannten  Claudius  Hermeros  hftlt  Oder  fOr 
den  Uebersetzer  und  Redaktor  der  mulomedicina  und  bestimmt  darnach  den  Titel,  welcher 
in  der  am  Anfang  verstümmelten  Handschrift  verloren  ging.  Allein  das  Fundament  dieser 
Hypothese  ist,  wie  Oder  selbst  (p.  XVIII)  zugibt,  ein  schwankendes.  Was  die  Abfassungs- 
zeit der  Compilation  betrifft,  ergibt  sich  der  terminus  post  quem  dadurch,  dass  Apsyrtus, 
der  nach  334  schrieb,  bereits  benutzt  ist,  und  dass  Pelagonius,  der  um  die  Mitte  des  4.  Jahr- 
honderts  schrieb,  sie  noch  nicht  kannte.  Den  terminus  ante  quem  ^bt  uns  Vegetius  an 
die  Hand,  der  zwischen  388—450  anzusetzen  ist  Wir  kommen  damit  in  das  Ende  des 
4.  oder  in  den  Anfang  des  5.  Jahrhunderts.  Ueber  die  ZusAtze  am  Schluss  (§  977 — 999) 
vgL  Oder  p.  VHI;  über  die  spftter  erfolgte  Buch-  nnd  Kapiteleinteilung  vgl.  p.  XVIII;  über 
Verluste  p.  X.  Die  lateinische  Veterinftrmedizin  liegt  sonach  nicht  in  der  ursprünglichen 
Fassung  m  der  Mfinchener  Handschrift  vor;  dies  geht  auch  aus  einigen  zusammenhängenden 
Partien  (c.  115  ff.,  266  ff.)  hervor,  welche  in  Lemmata  die  Namen  der  benutzten  Autoren 
vorftlhren.  Wichtig  ist  die  Schrift  für  das  Vulgärlatein  und  zwar  das  eines  bestimmten 
Standes;  die  ausgezeichneten  Indices  der  Od  ersehen  Ausg.  liefern  reiches  Material.  Proben 
bei  £.  Wulff lin,  Arch.  für  lat.  Lex.  10  (1898)  p.  413.  Editio  princeps:  Claudii  Hermeri 
mulomedicina  Chironis  ed.  £.  Oder,  Leipz.  1901;  vgl.  dazu  Helmreich,  BerL  philol. 
Wochenschr.  1902  Sp.  617;  besonders  aber  E.  Lommatzsch,  Archiv  für  lat.  Lezikogr.  12 
(1901)  p.  401. 

Die  Ueberlieferung  des  Vegetius  geht  auf  einen  alten,  aber  verstümmelten,  in 
üncialbnchstaben  geschriebenen  cod.  Corbeiensis  zurück.  Derselbe  befand  sich  später  in  Köln 
apud  S.  Pantaleonis;  zwei  Collationen,  von  denen  eine  in  Leiden  aufbewahrt  wird  und  von 
P.  Scriverius  herrührt,  beziehen  sich  auf  denselben;  vgl.  Schneider,  Commentar  p.  3. 
In  dem  cod.  Corbeiensis  fehlte  der  Name  des  Autors  in  dem  Titel,  der  also  lautete:  Dt- 
g€$torum  artis  muhmedicinae  Hbri  III \  vgl.  Schneider,  Commentar  p.  5.  Ueber  den  Be- 
stand des  Codex  vgl.  denselben  p.  5.  Ueber  Fragmente  im  Sangallensis  908  s.  VI  vgl. 
Seh  error,  Verzeichnis  der  Handschriften  der  ^tiftsbibl.  von  St.  Gfdien,  Halle  1875,  p.  328. 

Der  Zusatz  am  Schluss  des  Werkes.  6,  27,  9  (p.  280)  heisst  es:  verum  ne 
lonffior  liber  amfusionem  magis  legentibuSf  quam  instructionem  videretur  afferre,  modum 
pUnum  credimus  faciendum  etc.  Diese  Worte  deuten  auf  den  Abschluss  des  Werkes  hin, 
so  dasB  sich  das  Darauffolgende  als  Zusatz  von  fremder  Hand  verrät;  vgl.  Schneider, 
Commentar  p.  7. 

Ueber  die  Bucheinteilung  vgL  Schneider,  Commentar  p.  8,  der  statt  4  Bücher 
der  Ynlgata  unrichtig  6  statuiert. 

Ausg.  von  Sambucus,  Basel  1528.  1574;  in  J.  M.  Gesners  Script,  rei  nisticae  2 
p.  178  nnd  bei  J.  G.  Schneider,  Script,  rei  rusticae  4  p.  8. 

4.  Der  Compilator  der  Medicina  Plinü. 

848.  Die  Medicina  Plinü.  In  seiner  Naturgeschichte  bat  Plinius 
bei  der  Beschreibung  der  Pflanzen,  Tiere  und  Mineralien  auch  deren  Heil- 


182 


Der  Compilator  dar  Medioina  Pliaü.    (§  848.) 


zwecke  in  den  Kreis  seiner  Betrachtung  gezogen.  Es  lag  nahe,  diese 
Partien  herauszuheben  und  zu  einem  Ganzen  zu  vereinigen.  Dieser  Auf- 
gabe hat  sich  ein  uns  unbekannter,  von  Marcellus  ebenfalls  Plinius  ge- 
nannter^) Mann  unterzogen,  der  höchst  wahrscheinlich  zwischen  300  und 
350  lebte.  Auf  Reisen  hatte  er  die  Habsucht  der  Aerzte,  auf  die  er  sehr 
schlecht  zu  sprechen  ist,  kennen  gelernt.  Die  kostspieligen  und  oft  nutz- 
losen Arzneien,  die  sie  verordneten,  erregten  seinen  Aerger;  auch  hatte  er 
in  Erfahrung  gebracht,  dass  manche  Aerzte  sogar  die  Krankheiten  absicht- 
lich in  die  Länge  ziehen,  um  sich  ihre  Geldquellen  nicht  zu  verschütten. 
Er  fasste  daher  den  Entschluss,  selbst  eine  Receptsammlung  zusammen- 
zustellen, um  auf  seinen  Reisen  sich  von  den  Aerzten  unabhängig  zu  machen. 
Mühe  brauchte  er  sich  nicht  viel  zu  geben,  Plinius  bot  ihm  den  nötigen 
Stoff,  so  dass  es  als  eine  Ruhmredigkeit  erscheint,  wenn  er  sagt,  er  habe 
seine  Recepte  von  allen  Seiten  zusammengetragen.  Sein  Breviarium,  wie 
er  es  nennt,  ist  in  drei  Bücher  geteilt;  die  zwei  ersten  enthalten  die  Krank- 
heiten der  einzelnen  Organe  von  Kopf  bis  zu  Fuss,  das  dritte  Buch  die 
Krankheiten  des  ganzen  Körpers  ohne  rechte  Ordnung;  den  Schluss  des 
dritten  Buches  bildet  ein  mit  einer  eigenen  Einleitung  versehener  Abschnitt 
über  die  Gifte.  ^)  Das  Ganze  ist,  wie  gesagt,  nichts  als  ein  Auszug  aus 
Plinius;  eigene  Zuthaten  des  Compilators  sind  sehr  spärlich.  Die  Theorie 
ist  fast  gänzlich  ausser  Betracht  geblieben;')  von  den  Medikamenten  sind 
die  teueren  und  ausländischen  weggelassen.  Dem  Zweck  des  Buches  ge- 
mäss, das  für  die  Reisen  der  Männer  bestimmt  ist,  sind  Frauen-  und 
Kinderkrankheiten  ausgeschlossen.  Der  Compilator  liebt  das  Asyndeton 
und  stellt  seine  Sätze  gern  unverbunden  neben  einander;  die  Participial- 
konstruktionen  seiner  Vorlage  löst  er  oft  auf.  Auch  Missverständnisse 
seines  Originals  sind  ihm  untergelaufen. 

Die  Medicina  Plinii  erfreute  sich  eines  reichen  Fortlebens.  Beceptr 
Sammler  griffen  mit  Vorliebe  zu  dem  praktisch  angelegten  Breviarium  aus 
Plinius;  wir  können  diese  Benutzung  nachweisen  zuerst  in  der  Compilation 
des  Marcellus.  Auch  die  Einleitung  des  sog.  Pseudo-Apuleius  folgt  in  ihrem 
Gedankengang  unserem  Handbuch.  Aber  noch  eine  andere  Seite  des  Fort- 
lebens tritt  bei  der  Medicina  Plinii  zu  Tage:  sie  wurde  der  Grundstock 
für  neue  Compilationen.  So  ist  sie  ganz  aufgegangen  in  eine  im  Jahre 
1509  zu  Rom  erschienene,  den  Namen  des  Plinius  tragende  Compilation 
von  fünf  Büchern,  der  irrtümlich  auch  der  Name  Plinius  Valerianus 
zugeteilt  wurde.  In  dieser  Compilation  steckt  die  Medicina  Plinii  voll- 
ständig, wenn  auch  aus  einander  gerissen  und  zerstückelt. 

Zeit  des  Verfassers.  Derselbe  mnss  zwischen  Plinius  dem  Aelteren  imd  Mar- 
cellus gelebt  haben,  der  ihn  zuerst  benutzte.  Marcellus  schrieb  aber  c.  408;  v^.  Meyer, 
Gesch.  der  Botanik  2  p.  300.  Der  Sprache  nach  ist  er  jünger  als  Gargüius  Martialis,  der 
c.  240  lebte;  vgl.  Meyer  1.  c.  p.  236.    Rose  setzt  ihn  zwischen  800  und  350  an  (p.85). 


*)  In  seiner  Vorrede  spricht  er  von  uter- 
que  Plinius;  auch  in  der  handschriftlichen 
Ueberlieferung  heisst  er  Plinius  iunior. 

*)  3,  33  cum  adversus  omnes  morhorum 
incursua  fuerimus  diligentissimi,  höh  ideo 
tarnen  hahebimua  spem  certam  salutis,  cum 
ex  improviso  serpentes  saeviant^  mures  aranei, 


phalangia,  et  his  omnUms  nocenüara  mV  , 
renefici  hominis  morsus.  adversus  h<tee  Uaqm  \ 
convertendus  est  animtis  imiru4nd9$  remt-  i 
diis  ut  appareat  benignitatem  naturae  ethm  p 
ea  mortifera  esse  nciuMse, 

*)  üeber  die  einfache  Gliederang  das 
Stoffes  {titiUi  und  remedk^  TgL  Rose  p.  83. 


D«r  Compilator  der  Mediöina  PlinU.    (§  848.)  ]  83 

Der  Zweck  der  Compilation  ergibt  sich  aus  folgenden  Worten  der  Vorrede: 
Frequenter  mihi  in  peregrinatUmüms  aceidit  ut  aut  propter  meam  aut  propter  mearum  in- 
firmUatem  varias  fraudem  medieorum  experiseerer,  quibusdam  inlissima  remedia  ingentibua 
pretiis  vendentüms,  aliis  ea  quae  curare  neaciebant  cupiditatis  causa  suscipientibus.  quos- 
dam  vero  camperi  hoc  genere  graasari  ut  Janguores  qui  paucissimis  diehus  vel  etiam  horis 
poMsent  repeili,  in  longum  tempus  extraherent,  ut  et  aegros  suas  diu  in  reditu  hdberent  sae- 
tioresque  ipsia  marbis  existerent.  quapropter  neceasarium  mihi  piaum  eat  ut  undique  ixüitu- 
dinis  auxilia  cantraherem  et  velut  breviario  coUigerem,  ut  quocumque  veniaaem  poaaem 
eiusmodi  inaidias  vitare  et  hac  fiducia  ex  hoc  tempore  <iter>  ingredi  ut  aciam,  ai  quia 
mihi  languor  ineiderit,  non  faciuroa  Uloa  ex  me  reditum  nee  taxaturoa  occaaionem.  vgl. 
audi  1,  25. 

Das  Medizinische  bei  Plinius.  In  der  Natargeschichte  des  Plinius  behandeln 
die  Bftcher  20^27  incl.  die  Heilmittel  aus  dem  Pflanzenreich  und  die  BQcher  28—82  incl. 
die  Heilmittel  ans  dem  Tierreich.  Auch  in  den  folgenden  Büchern  ist  Medizinisches  ein- 
gestreut; vgl.  ind.  zu  B.  88  de  caendeo;  medicinae  ex  eo.  ind.  zu  B.  84  de  cadmia;  medi- 
cinae  ex  ea,  ind.  zu  B.  85  de  ainopide;  medicinae  ex  ea.  ind.  zu  B.  86  Ämiantua;  medi- 
cinae ex  eo,    ind.  zu  B.  37  natura  cryatalli;  medicina  ex  ea. 

Plinius  und  der  Compilator.  Ueber  das  Verhältnis  vgl.  Rose  p.  22.  Eigene 
compoaitiones  des  Verfassers  sind:  1,  8;  1,  25;  2,  4;  2,  7;  2,  8;  2,  26^;  3,  15;  8,  80;  3,  35; 
▼gl.  Rose  p.  23;  p.  84.  Ueber  die  Verwertung  der  Compilation  zur  Tezteskritik  des  Plinius 
▼g^.  Rose  p.  26;  über  die  sprachlichen  Aenderungen,  die  der  Compilator  an  dem  Text  4e8 
Plinius  yomimmi^  vgl.  denselben  p.  28;  über  Missverständnisse  vgl.  p.  29. 

Zur  Charakteristik.  Einigemal  gibt  der  Verfasser  kulturhistorische  Auslassungen 
z.  B.  Aber  das  Haarfärben  (1,  5):  poteat  videri  aupervacuum  inter  remedia  corporia  ponere 
ea  quae  ad  decorem  pertinent,  aed  quoadam  pudet  atU  ipaoa  rubeoa  eaae,  aut  in  tantum  lu- 
xuHae  indulgent  ut  ddiciae  eorum  inter  ae  diaaentiant  volentium  in  pueria  rufoa  eapilloa,  in 
piria  recuaantium  ....  qperae  pretium  eat  ia  qui  erubeacunt  aenea  videri  auccurrere  et  ai 
canoa  auoa  inficere  volunt,  tamquam  annoa  detracturi  aint  hoc  nomine  aetati.  3,  82  avint 
qui  vel  auia  pilia  vel  aervorum  auorum  in  halneo  offendantur,  aine  uÜa  quidem  ratione.  Eine 
interessante  magische  Formel  bietet  8,  15. 

Ueberlieferung  der  Medicina  Plinii.  Der  Text  ist  von  Rose  nach  drei  Hand- 
schriften SangaUensis  752  s.  X,  Lugd.  Voss.  Oct.  92  s.  X  mutilus,  Dresdensis  185  s.  XII  heraus- 
gegeben worden.  Ueber  die  Lücke  nach  2^  18  vgl.  Rose  p.  84.  Ein  Fragment  (p.  7,  1—88,^2 
Rose)  befindet  sich  im  Vaticanus  Reginensis  1004  s.  X/XI;  vgl.  A.  Köhler  (Hermes  18 
(1883)  p.  882),  der  (p.  891)  ein  Handschriften-Stemma  gibt. 

Ausg.  Plinii  Secundi  quae  fertur  una  cum  Gargilii  Martialis  medicina  nunc  primum 
edita  a  V.  Rose,  Lemz.  1875.  Ergänzend  dazu  ist  seine  grundlegende  Abhandlung:  Ueber 
die  Medicina  Plinü  (Hermes  8  (1874)  p.  18). 

Marcellus  und  die  Medicina  Plinii.  Ueber  die  Benutzung  der  zwei  ersten 
Bücher  vgl.  Rose,  Hermes  8  (1874)  p.  85.  Die  Entlehnungen  sind  zusammengestellt  von 
Helmreich  in  seiner  Ausg.  des  Marcellus,  Leipz.  1889,  p.  410.  Vgl.  auch  Rose,  Anec- 
dota  Graeca  et  Graecolatina  2  (Berl.  1870)  p.  106. 

Ps.-Apuleius  und  die  Medicina  Plinii.  Ueber  die  Receptsammlung  des  Ps.- 
ApnleiuB  vgl.  §  572.  In  der  Vorrede  hat  Ps.-Apuleius  sehr  stark  aus  der  Medicina  Plinii 
geschöpft;  vgl.  Rose  p.  86.  „Ausser  der  Vorrede  scheint  nur  geringe  Benutzung  statt- 
gefunden zu  haben*  (Rose  p.  37). 

Der  sog.  Plinius  Valerianus.  1509  gab  Thomas  Pighinuccius  in  Rom  unter 
dem  Namen  C.  Plinii  Secundi  medicina  eine  medizinische  CompUation  heraus.  «Aus  einer 
alten  mit  dem  römischen  Druck  in  eins  vermischten  Handschriff*  wurde  sie  publiziert  zu 
Basel  1528;  ein  Abdruck  des  Baseler  Textes  findet  sich  in  den  Medici  antiqui,  Ven.  Aid.  1547. 
Paulus  Jovius  (De  piscibus  Romanis,  Rom  1524,  cap.  85)  nannte  den  Autor  des  Buches  irr- 
tümlich Plinius  Valerianus.  Darüber,  dass  das  Werk  in  den  Handschriften  unter  dem 
Namen  Fliniua  umlief,  vgl.  Rose,  Hermes  8  p.  44.  Es  sind  im  Drucke  fünf  Bücher,  Von 
denen  die  drei  ersten  mit  dem  Namen  Plinius  m  Verbindung  gebracht  werden  können;  denn 
die  Medicina  Plinii  ist,  wenn  auch  zerrissen,  vollständig  darin  aufgenommen;  vgl.  Rose  1.  c. 
p.  39.  Ueber  die  Benutzung  anderer  Quellen  vgl.  denselben  1.  c.  Ueber  Auszüge  aus  den 
drei  ersten  Büchern  vgl.  Rose,  Anecdota  2  p.  106;  über  Zusätze  zu  denselben  vgl.  Rose, 
Hermes  8  p.  42.  Die  in  den  Ausgaben  mit  IV  und  V  bezeichneten  Bücher  haben  weder 
unter  sich  noch  mit  den  drei  ersten  Büchern  etwas  gemein;  es  sind  ursprünglich  selbständige 
Auszüge,  die  erst  später  mit  den  drei  ersten  vereinigt  wurden.  Das  fünfte  Buch  erscheint 
auch  unter  dem  Titel  Liber  dietarum  diveraorum  medieorum  hoc  eat  Alexandra  et  aliorum 
isoliert  (.Im  Druck  hat  c.  22  die  Ueberschrift  Sorani  dieta  de  peripleumonicia  und  c.  87 
bis  38  Dieta  CMeni  in  febribua  et  ephemera.'^  .In  dem  Texte  der  S.  Galler  Handschrift 
752  steht  auch  über  c.  14  (in  der  Hdschr.  13)  Sorani  ad  pleuriain'';  vgl.  Rose,  Anecdota 


184  Der  Arzt  Yrndioianas.    (§  849.) 

2  p.  108.)  Dieses  Buch  ist  ,  weiter  nichts  als  eine  wörtliche  ZusammensteUiing  von  diaetae 
aus  der  im  Anfang  des  Mittelalters  sehr  verbreiteten  auszttglichen  lateinischen  Bearbeitung 
des  Alezander  Trallianus*  (lebte  unter  Justinian  527 — 565);  vgl.  Rose  I.  c.  p.  108.  Auch 
das  vierte  Buch  kommt  isoliert  vor;  es  ist  .ein  alter  und  wörtlich  ausschreibender  Auszug 
der  medicinae  aus  dem  bekannten  und  durch  Cassiodors  Empfehlung  noch  weiter  ver- 
breiteten, wenn  auch  vor  dem  Untergänge  nicht  geschützten  grossen  Werke  des  Gargilius 
Martialis  (§  G25)  über  die  Landwirtschaft.**  .Der  Auszug  besteht  aus  zwei  Teilen,  deren 
einer  de  oleribus  c.  1 — 38,  der  andere  de  pomis  c.  89 — 58  handelt*  (Rose  p.  109^.  Der  Gom- 
pilator  war  ein  Christ,  lebte  wahrscheinlich  zwischen  dem  sechsten  und  sieoenten  Jahr- 
hundert und  war  der  Nation  nach  ein  Deutscher;  denn  er  gebraucht  'Möhre'  fttr  siser  und 
'Ente'  für  anas.  Die  Sprache  zeigt  schon  romanische  Färbung;  vgl.  z.  B.  focua  für  ignis, 
gelare  für  refrigerare;  vgl.  Rose,  Hermes  8  p.  48.  Vgl.  auch  £.  Meyer,  Gesch.  der 
Botanik  2  p.  898;  Rose,  Anecdota  Graeca  et  Graecolatina  2  (Berl.  1870)  p.  105;  Hermes 
8  (1874)  p.  39;  Detlefsen,  Jenaer  Litteraturzeitung  1876  p.  104;  Paucker,  Emendationes 
in.  Plin.  Valeriano  (M^luiges  gr.-rom.  3  (1878)  p.  589). 

5.  Der  Arzt  Vindicianus. 

849.  Die  ärztlichen  Fragmente  des  Vindicianus.  Bei  Augustin 
wird  ein  Arzt  mit  Namen  Vindicianus  rühmend  erwähnt;  er  nennt  ihn 
einen  scharfsinnigen  Mann.  Dessen  Schüler  war  Theodorus  Priscianus. 
Von  Vindicianus  sind  uns  einige  Ueberreste  seiner  schriftstellerischen 
Thätigkeit  erhalten.  So  haben  wir  einen  Brief,  den  er  als  comes  archia- 
trorum  an  Valentinian  richtete;  der  Brief  bildete  die  Widmung  eines 
Werkes  über  bewährte  Heilmittel,  das  er  dem  Kaiser  dedizierte.  In  dem- 
selben entwickelt  er  die  Grundsätze  seiner  Therapie  und  legt  einen  Fall 
in  dem  er  abweichend  von  den  anderen  Aerzten  eingegrififen,  ausführlich 
dar.  Das  Werk  selbst  ist  uns  verloren  gegangen.  Noch  ein  zweiter  Brief 
des  Vindicianus  an  seinen  Enkel  Pentadius  ist  uns  erhalten;  er  gibt  darin 
eine  Darstellung  der  vier  „humores'^  des  menschlichen  Körpers.  Wichtiger 
ist  ein  doxographisches  Fragment;  der  erste  Teil  behandelt  die  Ansichten 
über  die  Natur  des  menschlichen  Samens,  im  zweiten  Teil  erscheint  eine 
Reihe  von  embryologisch-gynäkologischen,  physiologischen  und  ätiologischen 
Theorien. 

Zeagnisse  über  Vindicianns.  Aagustin.  confess.  4,  3,  5  (p.  66  En&U)  vir  tagax; 
7,  6,  8  (p.  148)  acutus  senex;  epist.  138,  3  (33  Sp.  526  Migne)  tnagnus  iUe  nostrorum  tem- 
porutn  medicus  Vindicianus,  Tneod.  Priscian  p.  251,  15  Rose  magister  meua  quo  me  usum 
esse  praemiseraniy  dum  viveret  heUus  hahebatur,  qui  nunc  orbis  toHus  Vindicianus  eeMtratur; 
vgl.  anch  238,  7.  MarceUus  p.  168,  16  Helmreich  ad  tussem  Vindieiani  mediei  rtmedium 
singulare.  Cassios  Felix  p.  64  ad  vomitum  constringendum.  de  Vindieiani  Afri;  vgL  aoch 
p.  105.     Vgl.  Rose,  Anecdota  2  p.  177  Anm.;  Hermes  8  p.  42. 

Der  Brief  des  comes  archiatrorum  Vindicianus  an  Valentinisn  Imp.  warde 
zuerst  herausgegeben  von  J.  Ruellius  im  Anhang  zu  seiner  Ausg.  des  Scriboniiia»  Paris 
1529;  zuletzt  von  6.  Helmreich  in  seiner  Ausg.  des  Marcellus,  LeipK.  1889,  p.  21.  Der 
Brief  beginnt:  Cum  saepe,  sacratissime  imperator,  humani  generis  fragilitas  faUo  denaturu 
sua  queratuTj  aliquando  tarnen  potuimus  redditis  causis  ostensisque  remedii»  vana  ei  in- 
numera  querimonia  refrenare.  Am  Schluss  heisst  es:  Quare,  imperator,  fidem  naairis  auc- 
toribus  adhibentes  non  credamus  quibuscumque  medicinis  nee  vulneri  vulntu  superpanendum 
putemuSf  sed  ita  aegris  remedium  porrigendum  esse  credamus,  ut  neque  gravibua  tomuntis 
neque  intolerabiH  medicinae  curatione  crucientur.  Plura  ergo  de  obsertxUiane  medicinae 
pietati  tuae  ac  posteris  tuis  digna  memoria  tradidi,  quae  homines  docti  de  expertig  remedüf 
prodiderunty  quae  tua  divina  serenitas  oro  suscipiat  et  ad  memoriam  eeteris  relinauaL  VgL 
Cod.  Theodos.  13,  3,  12;  10,  19,  9. 

Der  Brief  des  Vindicianus  an  Pentadius.  Dieser  Brief  findet  sich  limttf  der 
Naturalis  historia  des  Plinius  im  Wiener  Codex  10  =  234  Endlicher  s.  XI;  er  wurde  dams 
publiziert  von  R.  Peiper,  Philol.  88  (1874)  p.  562.  Ueber  andere  Handschriften  vgl.  Rose, 
Ausg.  des  Theodorus  Priscianus,  Leipz.  1894,  p.  484,  wo  der  Brief  ebenfalls  pabliaeit  ist 
Wir  teilen  aus  dem  Briefe  Anfang  und  Schluss  mit:  Vindicianus  Pentadio  nepcH  buo  sahtUm, 


BtiokbUok.    (§850.)  185 

lAeei  sciam  ie,  carissime  nepos,  graeeis  liUeris  erudiium  ad  hanc  diaciplinam  posse  per- 
venire,  tamen  ne  quid  tibi  poscenti  cid  memariam  denegarem,  ex  lihris  medicinalihus  Hippe- 
craiis  intima  latinavi,  qwu  quia  dignus  es,  fideliter  trado  daturus  tibi  avi  tui  patria  mei 
libras,  ex  quibus  tatius  m^ndi  rationem  eognoacas,  uti  nasse  possis  quanta  fuerit  generis 
MOttri  sapientia,  per  hune  vero  librum  tibi  corporis  uniuscuiusque  naturam  et  ordinationem 
adgrediar  explicare  ....  h€iec  tibi  pro  nostri  memoria  religiöse,  nepos,  dedi,  maiora  postea 
noscihtro. 

Andere  medizinische  üeberreste  des  Vindicianus  sind  publiziert  von  Rose 
in  seiner  Ansg.  des  Theodorus  Priscianos  p.  426  anter  dem  Titel:  Vindiciani  Afri  expo- 
sUionis  membrorum  quae  reliqua  sunt  ex  codicibus  mstis.  ad  litteram  descripta.  I.  Gynaecia 
quae  voeantur,    Ü.  Epitoma  uberior  altera;  vgl.  praef.  p.  XIX. 

Das  dozograpbiscbe  Fragment  Ober  alte  Medizin.  Durch  die  Brüsseler 
Handschrift  des  Theodorus  Priscianus  (Nr.  1342—50  s.  XII)  ist  ein  wertvolles  Bruchstück 
über  alte  Medizin  erhalten,  üeber  die  Autorschaft  des  Vindicianus  vgl.  Wellmann,  Die 
Fragmente  der  Sikelischen  Aerzte  Akren,  Philistion  und  des  Diokles  von  Karystos  (Frag- 
mentsammlung der  griech.  Aerzte  I  (Berl.  1901)  p.  4).  Ueber  die  enge  Verwandtschaft  des 
Fragments  mit  dem  von  R.  Fuchs  (Rhein.  Mus.  49  (1894)  p.  538)  edierten  Anonymus  vgl. 
Well  mann  1.  c.  Darüber,  dass  die  Vorlage,  welche  über  das  Aerztliche  hinausging,  so- 
wohl für  Vindicianus  als  für  den  von  Fuchs  edierten  Anonymus  Soranos  von  Ephesos  war, 
vgl.  Wellmann  p.  6  und  H.  Diels,  Sitznngsber.  der  Berl.  Akad.  9  (1899)  p.  102  Anm.  2. 
Well  mann  vermutet  (p.  8),  dass  von  den  Schriften  des  Soranos  benutzt  wurden  negl  aniQ- 
fiarof,  (pvatxd  negi  ^t^oyoyias  und  tisqI  airitoy  na&tav  rcsp.  ßloi,  iatQcSy  xai  al^iaeig  xal 
avrtdyfiftia,    Ueber  Diokles  von  Karystos  als  Urquelle  vgl.  Wellmann  p.  8. 


860.  Bfickblick.  Ein  Rückblick  auf  die  behandelte  Periode  der 
nationalen  Litteratur  bringt  uns  wenig  Erfreuliches  in  Erinnerung.  Am 
meisten  zu  beklagen  ist,  dass  an  dem  Baum  der  Poesie  keine  Frucht 
mehr  reifen  will.  Die  Versifikation  ist  an  die  Stelle  der  aus  dem  inneren 
Leben  hervorspriessenden  Poesie  getreten.  Griechische  Dichtungen  werden 
ins  Lateinische  übertragen,  ja  selbst  lateinische  Prosaiker  werden  in 
lateinische  Verse  umgesetzt.  Da  die  Form  alles  ist  und  der  Inhalt  ganz 
beiseite  geschoben  wird,  machen  sich  die  dichterischen  Spielereien  geltend, 
welche  sich  sogar  soweit  verirren,  dass  sie  die  Dichtkunst  zur  Herstellung 
von  räumlichen  Figuren  verwenden.  Wenden  wir  uns  zu  den  einzelnen 
Fächern  der  Prosa,  so  bieten  sich  uns  auch  hier  viele  trübe  Bilder  dar. 
In  der  Geschichtschreibung  fängt  die  Produktion  an  zu  erlöschen  oder 
auf  Abwege  zu  geraten.  Die  reichen  Schätze  der  Vergangenheit  werden 
jetzt  in  knappe  Auszüge  gebracht,  um  dem  lesemüden  Publikum  zu  Hilfe 
zu  kommen.  Auch  das  historische  Handbuch  und  das  historische  Corpus 
werden  durch  die  Bedürfnisse  des  Lebens  hervorgerufen.  In  Original- 
compositionen tritt  das  Biographische  verbunden  mit  Klatschsucht  und 
völliger  Gleichgültigkeit  gegen  die  Wahrheit  und  gegen  das  grosse  Ganze 
höchst  unangenehm  hervor.  Weiterhin  verbindet  sich  die  Geschicht- 
schreibung mit  romanhafter  Darstellung;  das  Wunderbuch  stellt  sich  an 
die  Seite  der  Geschichtserzählung.  Doch  hat  auch  diese  sinkende  Zeit 
nochmals  eine  wahrhaft  bedeutende  Leistung  in  dem  Geschichtswerk  des 
Ammianus  Marcellinus  hervorgebracht.  Was  die  Geographie  anlangt, 
so  ist  bekannt,  dass  die  wissenschaftliche  Erdkunde  eine  Schöpfung  des 
griechischen  Geistes  ist;  allein  die  praktische  Geographie  erfuhr  immerhin 
Förderung  durch  die  Römer;  das  weitverzweigte  römische  Reich  verlangte 
Stationskarten  und  Kursbücher,  und  diesem  Bedürfnis  entsprachen  die 
Itinerarien  unserer  Epoche.  Die  Beredsamkeit,  die  in  der  Kaiserzeit 
innerlich  gebrochen  war,  fand  noch  einige  Nahrung  in  dem  Panegyricus, 


186  BtiokbUck.    (§  860.) 

in  dem  hohles  Pathos  und  Schmeichelei  sich  gegenseitig  die  Wage  halten. 
Für  das  stilistische  Können  bot  sich  aber  jetzt  eine  andere  Arena  dar,  der 
Brief,  der  auf  einen  bedeutsamen  Inh^t  gänzlich  verzichtete  und  die 
Zierlichkeit  der  Diktion  als  wesentliches  Erfordernis  ansah.  Nur  selten 
dringt  die  Stimme  des  Herzens  in  diese  kalte,  gedankenarme  Welt. 
Nennenswerte  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  Philosophie  kennt  unser 
Zeitraum  nicht;  die  Spekulation  wurde  stark  synkretistisch  und  nahm 
einen  religiösen  Charakter  an.  Wir  gehen  zu  den  Fachgelehrten  über: 
an  ihrer  Spitze  stehen  die  Grammatiker  und  die  Metriker.  Allein  die 
Fortbildung  ihrer  Wissenschaft  liegt  diesen  Leuten  gänzlich  fern;  sie 
leben  von  dem  Ertrage  der  Vergangenheit,  und  ihre  grosse  Bedeutung 
ruht  darin,  dass  sie  die  verlorenen  grammatischen  Werke,  die  auf  origi- 
nalem Schaffen  beruhen,  uns  einigermassen  ersetzen.  Die  Grammatik  wird 
in  ihrer  Form  durch  die  Bedürfnisse  der  Schule  bestimmt  und  erhalt 
ein  schablonenhaftes  Gepräge.  Neben  der  Granmiatik  erscheinen  auch  das 
Lexikon,  das  ebenfalls  aus  den  reichlich  fliessenden  Quellen  der  Vorzeit 
schöpft,  und  der  Gommentar,  der  sich  besonders  an  Vergil  anlehnt.  Auf 
keiner  höheren  Stufe  als  die  grammatischen  Werke  stehen  die  rhetori- 
schen Compendien  dieser  Zeit.  Die  epitomierende  Thätigkeit,  die  sich 
in  der  Historiographie  bemerkbar  machte,  drang  sogar  in  die  Juris- 
prudenz ein;  auch  der  aufgespeicherte  Rechtsstoff  sollte  in  handliche 
Bücher  zusammengezogen  werden.  Einen  wissenschaftlichen  Niedergang 
erfährt  die  landwirtschaftliche  Disziplin,  indem  sie  zum  Wirtschafts- 
buch zurückkehrt.  Aehnlich  steht  es  mit  der  Veterinärmedizin,  die 
im  wesenÜichen  auf  eine  Receptsammlung  hinausläuft.  Nicht  minder 
macht  sich  in  der  menschlichen  Medizin  das  Becept  breit,  wenn  auch 
hier  die  Spekulation  noch  nicht  ganz  erloschen  ist.  Das  einzige  militfir- 
wissenschaftliche  Werk,  das  wir  zu  verzeichnen  hatten,  will  die  ge- 
sunkene Wehrmacht  heben;  allein  die  Kräfte  des  Verfassers  versagen 
gänzlich. 


II. 

Die  christliche  Litteratur. 

a)  Die  Poesie. 

1.  Anonyme  Dichter. 

851.  Landes  domini.  Im  Aeduerland  hatte  sich  ein  Wunder  er- 
eignet. Einem  Manne,  der  neben  seiner  Frau  ins  Grab  gebettet  werden 
sollte,  streckte  die  Gestorbene  die  linke  Hand,  die  ursprünglich  an  den 
Körper  gebunden  war,  entgegen.  Die  überschwengliche  Phantasie  des  Dich- 
ters, der  natürlich  an  der  Thatsache  des  Wunders  keinen  Zweifel  hegt, 
erblickt  darin  ein  Anzeichen  für  das  Nahen  des  letzten  Gerichts.  Von  der 
einfachen  Erzählung  geht  er  zu  einem  Panegyrikus  auf  Christus  über,  den 
er  in  zweifacher  Weise  feiert,  als  Weltschöpfer  und  als  Welterlöser.  Mit 
einem  Gebet  auf  Constantin,  dem  Sieg  und  Heil*)  gewünscht  wird,  wobei 
auch  die  Kinder  nicht  vergessen  sind,  schliest  das  aus  148  Hexametern 
bestehende  Gedicht.  Wer  der  Dichter  war,  wissen  wir  nicht;  es  wird  ein 
Bewohner  des  Aeduerlandes  gewesen  sein,  da  er  das  Wunder  allem  An- 
schein nach  als  ein  miterlebtes  kennzeichnet.  Die  Zeit  seines  Gedichtes 
ist  durch  die  Erwähnung  Constantins  gegeben,  unter  dem  natürlich  nur 
Constantin  der  Grosse  verstanden  werden  kann.  Das  Gedicht,  das  wahr- 
scheinlich als  Flugblatt  in  die  Welt  ging,  ist,  wenn  wir  die  Umstände  des 
Epilogs  näher  ins  Auge  fassen,  in  die  Jahre  316—326  zu  verlegen.  Von 
Commodian  abgesehen  ist  es  möglicherweise  das  älteste,  ausgesprochen 
rein  christliche  Gedicht,  das  auf  uns  gekommen  ist.  In  der  Prosodie  lässt 
der  Autor  von  der  Laxheit  seiner  Zeit  nichts  verspüren.  Echte  Dichter- 
begabung tritt  aber  in  dem  Gedicht  nicht  hervor;  die  Ordnung  der  Gedanken 
ist  hier  und  da  nicht  strenge  gewahrt.  Dass  der  Poet  sich  an  Yergil  ge- 
bildet hat,  ist  nicht  zweifelhaft.  Das  Flugblatt  scheint  auch  dem  Juvencus 
zu  Gesicht  gekommen  zu  sein;*)  sein  Epilog  gleicht  merkwürdigerweise 
sehr  dem  der  laudes  domini,  vielleicht  ist  er  eine  Nachahmung. 

Der  Titel  des  Gedichtes  ist:  Laudes  domini  cum  miraculo  quod  accidit  in  Aeduico, 

Die  Zeit  des  Gedichts.    Hauptstelle  ist  Ys.  143:   at  nunc  tu  dominum  meritis, 

pietate  parentem,  \  imperio  facilem^  vivendi  lege  magistrum  \  edictisque  parem,  quae  lex  tibi 

condita  aancU,  \  victarem  laetumque  pares  mthi  Constantinumf  \  hoc  melitts  fetu  terris  nU 


*)  Vs.  146  victarem  Uuiumque  pares, 

>)  Vgl.  Manitius,  Wochenschr.  für  klass.  Philol.  1888  Sp.  18. 


188  Anonyme  Dichter.    (§  852.) 

ante  dedisii  \  nee  dabis  (nach  Horat.  carm.  4,  2,  37  f.):  exaequetU  tUinam  9ua  pigncra  pa. 
trem !  Diese  Charakteristik  passt  nur  auf  ConstantiD  den  Grossen.  Der  Wunsch  am  Schlius 
zwingt  nns,  das  Gedicht  vor  826  zu  legen,  in  welchem  Jahre  Consiantin  gegen  seine  Fa- 
milie wütete.  Die  Geburt  der  SOhne,  die  hier  yorausgesetzt  werden,  f&hrt  uns  nicht  Ober 
316  zurück;  vgl.  Brandes  p.  18. 

Heimat  des  Dichters.  Dass  er  Aeduer  war,  scheint  daraas  hervorzugehen,  dt» 
er  Vs.  9  {qua  fratema  Bemo  progignüur  Äedua  pubes)  ein  Lob  auf  den  Volksstamm  eis- 
flicht.  Auch  die  in  der  Erzählung  des  Wunders  vorkommenden  Worte  (Vs^lO)  eaniugium 
memini  deuten  auf  einen  Aeduer,  der  das  Ehepaar  kannte;  vgl.  Brandes  p.  22.  Wenn 
Brand 69  (p.  25)  noch  weiter  geht  und  meint,  dass  der  Verfasser  des  Werks  ein  «Rhetor 
oder  Rhetorenzögling  der  durch  Constantins  Haus  neubegründeten  Schale  von  Flavia  Aedno- 
mm'*  (Autun)  war,  so  bewegt  er  sich  auf  unsicherem  Boden. 

Zur  Gliederung  des  Gedichtes.  Es  zerfällt  in  drei  Teile.  Der  Kern  des  ersten 
Teils,  der  von  Vs.  1—35  reicht,  ist  die  ErzlÜilung  des  Wunders.  Der  zweite  Teil,  die  Haapt- 
masse  des  Gedichts,  von  36 — 142  reichend,  enthält  die  laudes  domini;  er  zerfkllt  in  zwei  1 
Abschnitte:  a)  Christus  als  Weltschöpfer  neben  dem  Vater  (Vs.  36—88),  ß)  Christas  als 
Welterlöser  vom  Vater  gesandt  (Vs.  89-142).  Der  dritte  Teil  ist  der  Epilog  (143—148), 
aus  einem  Gebet  für  Constantin  und  sein  Haus  bestehend;  vgL  Brandes  p.  15. 

Die  Ueberlieferung  beruht  lediglich  auf  dem  Parisinas  7558  s.  IX. 

Ausg.  Editio  princeps  in  Gl.  Marii  Victoris  oratoris  Massiliensis  j4AU9EIAS  etc^ 
Paris  1560  (apud  Morelium).  Abgedruckt  wiederum  mit  Coniectoren  von  Fabricios, 
Poetarum  veterum  ecclesiast.  opera  christiana  etc.,  Basel  1564,  p.  765;  Migne,  Patrol.  lat 
Bd.  61  Sp.  1001;  femer  bei  A.  Rivinus,  De  Christo  Jesu,  beneficiis  et  landibas  eias,  ali- 
quot Christianae  reliquiae  vot.  poet.  ecclesiast.  etc.,  Leipz.  1652  und  bei  Arevalus  als 
zweite  Appendix  der  Juvencusausg.,  Rom  1792,  p.  448.  Msssgebende  Aosg.  ist  jetzt  die  von 
W.  Brandes,  Ueber  das  frühchristl.  Gedicht  «Landes  Domini*,  Braunschweig  1887,  p.  5; 
vgl.  dazu  R.  Peiper,  Bemerkungen  zu  dem  frühchristl.  Gedichte  Landes  domini  (Zeitschr. 
für  österr.  Gymn.  41  (1890)  p.  106). 

Litteratur.  Ausser  Brandes  handeln  über  das  Gedicht  Ebert,  Allgem.  Gesch. 
der  Litt,  des  Mittelalters  1'  (Leipz.  1889)  p.  118  Anm.  3;  Manitius,  Gesch.  der  christl.-lat 
Poesie,  Stuttgart  1891,  p.  42. 

852.  Sodoma.  In  Handschriften  werden  zwei  kleine  Gedichte  unter 
dem  Namen  des  Tertullian  oder  Cyprian  überliefert;  das  eine  umfasat  166, 
das  andere  105  Hexameter.  Das  grössere  erzählt  uns  die  Zerstörung 
Sodomas.  Im  Eingang  wird  dieses  zweite  Strafgericht  dem  ersten,  welches 
in  der  Sintflut  in  Erscheinung  tritt,  gegenübergestellt.  Nachdem  der 
Dichter  in  Kürze  den  Frevel  der  Stadt  dargelegt,  schreitet  er  zur  Er- 
zählung des  über  sie  hereinbrechenden  Verderbens.  Es  kommen  zwei 
Engel  zum  Vollzug  der  Strafe;  sie  werden  von  Lot  in  sein  Haus  auf- 
genommen und  freundlichst  bewirtet.  Es  folgt  die  lebhafte  Schilderung 
der  Scene  vor  dem  Hause  Lots,  seine  Mahnworte  an  das  versammelte 
Volk,  dessen  heftige  Gegenrede,  endlich  der  Sturm  der  Menge  auf  Lot, 
welche  ihn  sich  als  Opfer  erkoren  hat.  Schon  beginnt  Lot  in  seinem 
Widerstand  zu  wanken,  was  der  Dichter  durch  das  Gleichnis  eines  von 
einem  reissenden  Strom  unterwühlten  Baumes  schön  veranschaulicht,  da 
greifen  die  göttlichen  Boten  ein  und  ziehen  Lot  ins  Haus  hinein.  Sie 
eröffnen  nun  ihm  den  Zweck  ihrer  Sendung,  künden  ihm  und  seinen  An- 
gehörigen aber  zugleich  die  Rettung  an.  Am  andern  Morgen  führen  sie 
Lot  und  seine  Familie  von  der  Stätte  des  Unheils  weg;  dann  malt  der 
Dichter  die  Zerstörung  Sodomas  durch  Feuersglut.  Hierbei  kommt  ihm 
eine  heidnische  Reminiscenz  in  den  Sinn,  nämlich  die  Sage  von  dem 
Sonnenbrand  infolge  des  Phaethonschen  Wagnisses;  er  steht  nicht  an, 
diese  Sage  aus  dem  Strafgericht,  das  über  Sodoma  ergangen,  abzuleiten. 
Auch  bei  der  Erzählung  des  Schicksals,  das  die  Frau  Lots  infolge  ihres 
Ungehorsams  gegen  die  himmlische  Weisung  betroffen,   schöpft  der  Ver- 


Anonym«  Dichter.    (S§  853,  854.) 


189 


fasser  aus  der  Sage;  die  Salzsäule,  in  welche  die  Frau  Lots  verwandelt 
wurde,  steht  heute  noch  da ;  jede  Verstümmelung,  die  sie  erleidet,  gleicht 
sie  durch  eigene  Kraft  aus.  ^)  Doch  sein  grösstes  Können  zeigt  der 
Dichter  in  der  Schilderung  des  toten  Meeres,  wozu  er  den  Stoff  aus  Solinus 
nimmt. 

853.  De  Jona.  Das  zweite  kürzere  Gedicht  erzählt  uns  die  Ge- 
schichte des  Jonas.  Der  Eingang  knüpft  an  das  Strafgericht  Sodomas  an 
und  berichtet  dann,  dass  Jonas  von  dem  Herrn  ausgeschickt  worden,  Ninive 
zu  warnen,  dass  aber  dieser,  in  der  Voraussicht,  Gott  werde  mit  der  Stadt 
doch  Erbarmen  haben  und  so  seine  Warnung  zu  Schande  machen,  dem 
Auftrag  aus  dem  Wege  ging  und  sich  auf  ein  Schiff  begab.  Allein  der 
Ungehorsame  «fand  den  Herrn,  den  er  auf  dem  Lande  floh,  in  dem  Meere ''. 
In  der  nun  folgenden  Schilderung  des  Seesturmes  zeigt  sich  die  Originalität 
des  Dichters  und  seine  blühende  Phantasie.  In  packender  Weise  versteht 
er,  die  entscheidenden  Züge  hervorzuheben,  ohne  in  den  Fehler  der 
rhetorischen  Mache  zu  fallen.  Die  weitere  Erzählung  schliesst  sich  an 
den  biblischen  Bericht  an.  Jonas  schläft  während  des  Sturmes  unten  im 
Schiff,  der  Schiffisherr  weckt  ihn  und  fordert  ihn  zum  Gebet  in  der  schweren 
Not  auf.  Dann  wird  gelost,  um  die  Ursache  des  Unglücks  zu  ermitteln. 
Das  Los  trifft  Jonas.  Jetzt  herrschen  die  Schiffer  ihn  an  und  vernehmen 
mit  Entsetzen  seinen  Ungehorsam  gegen  Gott.  Obwohl  sie  sich  alle  Mühe 
geben,  den  Hafen  zu  erreichen,  gelingt  es  ihnen  nicht.  Sie  sind  daher 
gezwungen,  den  Jonas  über  Bord  zu  werfen.  Sofort  kommt  das  Meer- 
ungeheuer und  verschlingt  den  Jonas.  Mit  einer  kurzen  Schilderung  der 
unglücklichen  Lage  des  Jonas  im  Leib  des  Fisches  und  mit  einer  sym- 
bolischen Hindeutung  auf  die  Auferstehung  Christi  schliesst  die  Erzählung. 
Allein  es  dürfte  keinem  Zweifel  unterworfen  sein,  dass  das  Gedicht  nicht 
vollendet  ist.  Zum  mindesten  erwarten  wir  noch  die  Erzählung  von  der 
Errettung  des  Jonas,  da  ja  sonst  die  symbolische  Bezeichnung  in  der  Luft 
schwebt.  Der  Eingang  weist  aber  noch  auf  weiteres  hin.  Der  Gedanke, 
dass  der  Herr  mit  dem  bussfertigen  Sünder  Erbarmen  habe,  deutet  darauf 
hin,  dass  von  dem  Dichter  auch  noch  die  Darstellung  der  Reue  Ninives 
beabsichtigt  war.  Unser  Gedicht  ist  also  Fragment;  ob  es  unvollendet 
geblieben  oder  ob  ein  Schreiber  absichtlich  abgebrochen,  ist  nicht  zu  ent- 
scheiden. 

854.  Das  Verhältnis  der  beiden  Gedichte  zu  einander.  Wir  haben 
bereits  bemerkt,  dass  das  Gedicht  über  Jonas  an  das  von  Sodoma  anknüpft ; 
denn  es  heisst  im  Eingang  jenes  Gedichts,  dass  nach  Sodoma  und  Gomorra 
beinahe  auch  Ninive  von  demselben  Geschick  betroffen  worden  sei.  Der 
Grund,  warum  Ninive  verschont  blieb,  lag  darin,  dass  die  Stadt  den 
Warnungen  des  Herrn,  die  ihr  durch  den  Propheten  Jonas  zugingen,  Gehör 
schenkte,  also  Busse  that.  Dem  verhärteten  Sodoma  tritt  das  bussfertige 
Ninive  gegenüber.  Man  sieht,  dass  die  zwei  Gedichte  zusammengehören, 
das  zweite  bildet  die  Kehrseite  des  ersten.  Schon  dieser  Zusammenhang 
läset  auf  einen  Dichter  der  beiden  Stücke  schliessen.    Und  dafür  spricht 


*)  Die  Volkssage     weiss    ooch    mehr 
(Yb.  125):  dicUur  et  vivtns,  alio  tarn  corpoi-e, 


sexua  I  munifieos  solUo  dinpungere  sanguine 
menses. 


190  C-  Vetüns  Aquiliniui  Jutwioml    (§  855.) 

auch  die  Gleichheit  der  Sprache  und  der  Metrik  und  die  Oleichartigkeit 
der  Gomposition.  Allein  davon  kann  keine  Rede  sein,  dass  Tertullian  oder 
Gyprian  der  handschriftlichen  Ueberlieferung  gemäss  der  Verfasser  sei, 
denn  nirgends  tritt  die  Individualität  dieser  Autoren  in  unseren  Gedichten 
hervor.  Aber  andererseits  ist  die  Annahme  kaum  abzuweisen,  dass  die 
Entstehungszeit  dieser  Gedichte  eine  frühe  ist.  Der  Dichter  macht  auf 
uns  den  besten  Eindruck;  er  besitzt  eine  unleugbare  Gewandtheit,  er 
weiss  etwas  aus  dem  überlieferten  Stoff  zu  machen  und  verbindet  Treue 
gegen  den  biblischen  Bericht  mit  dichterischer  Phantasie.  Besonders  sind 
es  die  Schilderungen,  im  ersten  Gedicht  die  des  toten  Meeres,  im  zweiten 
die  des  Seesturmes,  welche  ihm  Gelegenheit  geben,  den  Leser  zu  fesseln. 
Seine  christliche  Gesinnung  zeigen  besonders  die  eingeflochtenen  Deutungen; 
einerseits  führt  er  die  heidnische  Sage  von  Phaethon  auf  ein  biblisches 
Ereignis  zurück,  andererseits  findet  er  in  seinen  biblischen  Stoffen  Hin- 
deutungen auf  christliche  Wahrheiten;  in  der  Strafe  Ninives  erblickt  er 
einen  Hinweis  auf  das  künftige  Gericht  (13)  und  auf  das  Los,  das  die 
verstockten  Heiden  erwartet  (164);  das  Schicksal  des  Jonas  ist  ihm  ein 
Bild  Christi,  der  in  der  Auferstehung  den  Tod  überwindet. 

Ueber  den  Inhalt  der  Gedichte  vgl.  A.  Puech,  Pradence,  Paris  1888,  p.  18; 
Ebert,  Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittelalters  1'  (Leinz.  1889)  p.  122;  Manitios,  Geacb. 
der  christl.-lat.  Poesie,  Stuttgart  1891,  p.  51.  Vgl.  noch  L.  Müller,  Rhein.  Mos.  22  (1867) 
p.  829;  p.  467;  ebenda  27  (1872)  p.  486;  St  Gamber,  Le  livre  de  la  'Gen^ise'  dans  b 
po^sie  latine  au  V""«  si^cle,  Paris  1899,  p.  29. 

Ueberlieferung  der  beiden  Gedichte.  Im  Laudunensia  279  8.  IX  lautet  die 
Ueberschrift:  Incipit  versus  Cipriani  de  Sodoma;  im  wesentlichen  ebenso  im  Parisinus  14758 
s.  XIII.  Im  Parisinus  2772  s.  X  lautet  die  Ueberschrift:  Opusetdum  TerttUiani  de  excidio 
Sodome  et  Ninive.  Statt  de  Ninive  finden  wir  auch  in  der  Ueberlieferung  de  Jona;  so  ist 
z.  B.  im  Vossianus  Leid.  Q  86  s.  IX  das  erste  Gedicht  betitelt  de  ineendio  Sodomorumj 
das  zweite  de  Jona.  Ueber  die  Ueberlieferungsgeschichte  beider  Gedichte  vgL  Juretus 
in  der  Bibl.  patrum  von  Eigne,  tom.  8. 

Ausg.  Beide  Gedichte  zusammen  ediert  von  0 eh  1er,  Ausg.  Tertullians,  Leipz.  1854, 
p.  1178-1182;  von  Harte  1,  Ausg.  Cyprians  (Corpus  Script,  eccies.  lat.  3  (1871)  p.  289): 
von  Peiper,  Cypriani  heptateuchos  (ebenda  23  (Wien  1891)  p.  213;  p.  221).  Sonderausg. 
Sodomas  von  Morelius,  Paris  1560;  von  G.  Fabricius,  Veterum  poetarum  eccies.  opera 
Christ.,  Basel  1546,  p.  289;  Sonderausg.  de  Jona  von  Juretus,  Bibl.  patr.  tom.  8. 

2.  C.  Vettius  Aquilinus  Juvencus. 

855.  Das  Evangelienbuch  des  Juvencus  (evangeliomm  libri  lY). 

Noch  wurzelte  Vergil  tief  in  den  Herzen  der  Gebildeten,  auch  nachdem 
das  Christentum  bei  ihnen  Eingang  gefunden.  Dem  erstarkten  christlichen 
Geiste  musste  das  anstössig  sein  und  den  Gedanken  wecken,  das  berühmte 
Nationalepos  durch  ein  solches  von  christlichem  Gepräge  zu  ersetzen.  So- 
weit wir  sehen  können,  brachte  diesen  Gedanken  zuerst  C.  Vettius  Aquilinus 
Juvencus  um  330  unter  der  Regierung  Constantins  zur  Ausführung.  Er 
war  ein  spanischer  Presbyter  von  vornehmer  Abstammung,  der  gewiss  die 
Bildung  seiner  Zeit  in  sich  aufgenommen  hatte.  Ihm  erschienen  die  Thaten 
Christi,  wie  sie  in  den  Evangelien  vorliegen,  geeignet,  die  Grundlage  eines 
Epos  in  grossem  Stil  zu  werden.  Merkwürdigerweise  war  er  bei  der  Ab- 
fassung des  Werkes  von  der  Hoffnung  auf  ein  langes  Fortleben  im  Ge- 
dächtnis der  Menschen  erfüllt.  Zu  dem  Ruhme  Homers  und  Vergils  blickte 
er  sehnsüchtig  empor  und  meint,  wenn  das  Lügengewebe  der  heidnischen 


0.  y«itiiis  Aqniliniui  JuTOieas.    (§  855.) 


191 


Dichter  ihnen  die  Unsterblichkeit  gesichert,  so  werde  das  noch  mehr  bei 
der  festen  Wahrheit  des  Christentums  der  Fall  sein;  und  als  er  das 
Werk  vollendet,  schwellte  daher  das  Bewusstsein  sein  Herz,  dass  seine 
Schöpfung  den  Weltbrand  überdauern  werde.  Aber  der  Christ  hoffte  noch 
mehr ;  er  erwartete,  dass  sein  Werk  ihn  von  der  Strafe  beim  letzten  Ge- 
richt befreien  werde.  In  diesem  Wunsche  macht  sich  die  Kluft  bemerkbar, 
welche  das  Christentum  auch  in  Bezug  auf  den  Nachruhm  von  dem  Heiden- 
tum trennt. 

Als  Vorlage  erkor  sich  Juvencus  das  Matthaeusevangelium,  aber  auch 
die  übrigen  drei  Evangelien  b'eferten  ihm  Ergänzungen.  Die  Bibel  benutzte 
er  in  der  altlateinischen  Uebersetzung,  der  sog.  Itala,  aber  mitunter  zog 
er  auch  das  griechische  Original  zum  Vergleich  herbei.  Der  Gang  der 
Handlung  war  durch  den  evangelischen  Bericht  vorgezeichnet,  ein  künst- 
lerischer Aufbau  sonach  ausgeschlossen.  Der  Dichter  teilte  zwar  sein 
Werk  in  vier  Bücher,  von  denen  jedes  im  Durchschnitt  800  Verse  um- 
fasst;  allein  dieselben  beruhen  nur  auf  einer  äusseren,  nicht  inneren 
Gliederung.^)  Die  Aufgabe,  die  Juvencus  zu  erfüllen  hatte,  lag  daher 
lediglich  in  der  poetischen  Formgebung;  auch  diese  Aufgabe  war  noch 
immer  eine  hohe.  Der  antike  dichterische  Wortschatz  hatte  sich  dem 
Ideenkreis,  von  dem  er  Ausdruck  geben  sollte,  eng  angeschlossen  und  war 
durch  die  Arbeit  von  Jahrhunderten  in  feste  konventionelle  Formen  ge- 
bracht. Dem  christlichen  Dichter  lag  dagegen  eine  ganz  neue  Welt  mit 
eigenem  Gedankengehalt  vor.  Auch  für  diese  neuen  Anschauungen  sollte 
jetzt  die  poetische  Sprache  zurecht  gerichtet  werden.  Im  ganzen  hat 
Juvencus  diese  Aufgabe  glücklich  gelöst,  und  sein  Wortschatz  wurde  für 
die  nachfolgenden  christlichen  Dichter  Vorbild.  Reiches  Material  lieferte 
ihm  der  Meister  Vergil,  und  man  sieht,  dass  er  dessen  Werke  völlig  in 
sich  aufgenommen  hatte;  aber  auch  anderen  Dichtern  entnahm  er  manche 
treffende  Wendung.  Neuschöpfungen  in  Wort  und  Phrasen  waren  un- 
vermeidlich. Durch  Einstreuung  von  altertümlichen  Formeln^)  suchte 
er  seiner  Darstellung  einen  gewissen  feierlichen  Anstrich  zu  geben.  Als 
Versmass  war  von  selbst  der  Hexameter  gegeben;  manche  Eigentüm- 
lichkeiten der  Prosodie  und  des  Metrums  deuten  auf  die  spätere  Zeit. 
Die  Darstellung  ist  gewandt  und  fliessend,  und  man  staunt  nicht  selten, 
wie  anmutig  der  Dichter  sein  sprödes  Material  in  leichte  Verse  umsetzt. 
Ausser  der  Kunst  der  Versifikation  kann  Juvencus  kein  höheres  Verdienst 
in  Anspruch  nehmen;  er  ist  nichts  als  Former  eines  gegebenen  Stoffs, 
denn  der  Zusätze,  bei  denen  er  auf  eigenen  Füssen  steht,  sind  verhältnis- 
mässig nur  wenige.  Gegenüber  dem  Original  macht  das  Nachbild  doch 
einen  viel  weniger  günstigen  Eindruck.  Die  in  Verse  umgesetzten  Reden 
Christi,  die  in  der  evangelischen  Fassung  in  ihrer  Schlichtheit  uns  er- 
greifen, erzielen  in  ihrer  metrischen  Form  oft  nahezu  eine  komisehe 
Wirkung.  Der  Dichter  hatte  sich  ein  unlösbares  Problem  gestellt;  er 
wollte  einerseits  nicht  von  der  biblischen  Erzählung  abweichen,   anderer- 


1)  Vgl.Marold,  Zeitschr.  für  wiss.  Theol. 
33  p.  330. 


')  So  wendet  er  z.  6.  die  Formen  ast 
(2,  232)  und  olU  (2,  252)  an. 


192  CJ*  ▼•Hiiw  Aqniliniui  Jmrwieiis.    ($  855.) 

seits  einen  Eunstgenuss  hervorrufen.  Allein  ein  Werk,  das  nicht  als 
Dichtung  entstanden  ist,  wird  durch  die  Versifizierung  noch  keine  Dichtung; 
um  eine  solche  zu  werden,  ist  das  Eingreifen  der  dichterischen  Phantasie 
notwendig.  Trotzdem  wurde  das  Gedicht  durch  Jahrhunderte  hindurch 
gelesen  und  bewundert,  besonders  zu  den  Zeiten  Karls  des  Grossen  und 
Petrarcas  stand  der  Dichter  in  hohem  Ansehen.  Heute  wird  es  ausser 
dem  Litterarhistoriker  niemand  mehr  in  die  Hand  nehmen. 

Ausser  dem  Evangelienbuch  hatte  er  nach  dem  Zeugnis  des  Hiero- 
nymus  noch  anderes  in  Hexametern  geschrieben,  das  aber  nicht  auf  die 
Nachwelt  kam.  Auch  unechte  Produkte  wurden  dem  Juvencas  zuge- 
schrieben. ^ 

Zeugnisse  über  Juvencas.  Hieronym.  de  vir.  ill.  84  JMveneus  nabilissimi  gemrü 
HispantiSfpresbyter,  quattuor  evangelia  hexametris  versilms  paene  (vgl.  Marold,  ZeHaclir. 
fOr  wiss.  Tlieol.  33  p.  332)  ad  verhum  transferens  quattuor  libroa  eomposuit,  et  nonntüU 
eodeni  metro  ad  sacramentorum  ordinem  pertinentia,  Fhruit  8%ib  Canstantino  principe. 
Z.  J.  2845  =  329  n.  Chr.  (2  p.  192  Seh.)  Juvencus  presbyier  natiane  Hispanus  evangelia  heroicit 
versibus  explicat.  Epist.  ad  Magnom  70,  5  (1  Sp.  428  Vall.)  Juvencus  presbffier  sub  Qm- 
stantino  historiam  Domini  Salvatoris  versibus  explicavit  nee  pertimuit  evangelii  maiestaiem 
sub  metri  leges  mitter e.  Vgl.  noch  Comment.  in  Matth.  1,  2,  11  (7  Sp.  14  Vall.).  Der  volle 
Name  Gaios  Vettias  Aquilinus  Juvencas  ergibt  sich  aus  den  Handschriften;  vgl.  Marold, 
Aasg.  p.  y  und  Huemer,  Ausg.  p.  V  Anm.  1. 

Titel  des  Gedichts.  Die  Ueberlieferung  fahrt  auf  den  Titel  evangeliorum  lihri^ 
auch  versibus  tritt  zu  dem  Titel  noch  hinzu;  vgl.  die  Uebersicht  bei  Marold,  Ausg.  p.  VI 
und  Huemer,  Ausg.  p.  V  Anm.  1.  Der  Titel  «Historia  evangelica*,  der  wahrBcheinlich  von 
Aldus  eingeftOirt  wurde,  hat  keine  handschriftliche  Gewähr. 

Zeitbestimmung  des  Gedichtes.  4,  806  haec  mihi  pax  Christi  tribuÜ,  pax  haee 
mihi  saecli,  |  quam  fovet  indulgens  terrae  regnator  apertae  |  Constantinus,  adest  eui  gratia 
digna  merenti,  \  qui  sölus  regnum  sacri  sibi  Hominis  horret  \  inponi  pondus,  quo  iustis  digniar 
actis  I  aeternam  capiat  divina  in  saecula  vitam  \  per  dominum  lueis  Christum,  qui  in  saeeula 
regnat.  Zur  Interpretation  der  Verse  vgl.  W.  Brandes,  Ueber  das  frühchristl.  Gedicht 
„Landes  Domini",  Braunschweig  1887,  p.  21. 

VerhältniszurBibel.  Grundlage  ist  das  Matthaeusevangelium,  doch  hat  er  auch  die 
übrigen  Evangelien  nicht  ausser  Acht  gelassen;  vgl.  Gebser  p.  32;  C.  Marold,  Ueber  das 
Evangelienbuch  des  Juvencus  in  seinem  Verhältnis  zum  Bibeltext  (Zeitschr.  für  wissenschafU. 
Theol.  33  (1890)  p.  331).  Ueber  die  Zusätze  und  Erweiterungen  des  Juvencus  vgl.  Gebser 
p.  43;  Marold  1.  c.  p.  334.  Ueber  die  itala  als  Vorlage  vgl.  Marold  p.  337,  der  weiterhin 
nachzuweisen  sucht,  dass  seine  Vorlage  unter  den  Italatexten  dem  Vercellensis,  dem  Cor- 
beiensis  und  dem  Claromontanus  am  nächsten  steht  (p.  341).  Auf  Benutzung  eines  alle- 
gorischen Commentars  zur  Bibel  schliesst  Weyman  (Rhein.  Mus.  51  (1896)  p.  327)  aas 
der  bildlichen  Auffassung  von  aures  (2,  754)  bei  Matth.  13,  9  mit  Vergleichung  von  Gregor 
M.  hom.  in  evang.  15,  2  und  meint,  dass  aus  diesem  Commentar  die  später  so  verbreitete 
Deutung  der  Magiergeschenke  geschöpft  sei. 

Vorbilder.  Vgl.  das  Capitel  V  «Juvencus  as  an  Imitator*  in  der  Diasertation  von 
Hatfield  p.  40.  Am  stärksten  wirkt  das  Vorbild  Vergils;  vgl.  Hatfield  1.  c.  Aber  auch 
die  Spuren  anderer  Dichter,  des  Lucrez,  des  Properz,  des  Horaz,  des  Ovid,  des  Lucan,  des 
Silius  und  des  Statius,  finden  sich;  vgl.  Hatfield  p.  45 — 47.  Ueber  Lucrez  und  Ovid  als 
Vorbilder  vgl.  auch  Gebser  p.  23;  über  Vergil  vgl.  denselben  p.  26.  Die  Vorbilder  siod 
in  der  Ausg.  Huemers  angemerkt. 

Ueber  die  Sprache  vgl.  Hatfield  p.  8;  M.  Petschenig,  Zur  Latinität  des  Ja- 
veneus  (Arch.  für  lat.  Lex.  6  (1889)  p.  267). 

Prosodisches  und  Metrisches.  Abweichungen  von  der  klassischen  Prosodie 
sind  zusammengestellt  im  Index  von  Marolds  Ausg.  s.  v.  metrica  p.  114;  vgl.  auch  Hae- 
mer,  Ausg.  p.  163;  Hatfield  p.  36.  Merkwtlrdig  ist,  dass  h  Position  bildet  z.  B.  1,801 
Inhabitare,  —  Ueber  Hiatus  und  Elision  vgl.  Hatfield  p.  35.    Ueber  die  Caesar  vgl.  deo- 


*)  Wie  z.  B.  der  versifizierte  Heptateuch, 
der  jetzt  einem  jüngeren  Cyprian  zugeteilt 
wird;  vgl.  P  ei  per,  Cypriani  Heptateuchus, 
Wien  1891;  C.  Becker,  De  metris  in  Hepta- 


teuchum,  Bonn  1889,  p.  41;  H.  Best,  De 
Cypriani  quae  feruntur  metris  in  Hepta- 
teuchum,  Marb.  1892,  p.  10. 


Damasiis.    (§856.)  193 

selben  1.  c.  Ueber  die  allitterierenden  Hexameterschlflsse  vgl.  O.  Keller,  Zui*  lat  Sprach- 
Seech.  2.  Teil:  Grammatische  Aufsätze,  Leipz.  1895. 

Fortleben  des  Jovencus.  Bei  vielen  Autoren  zeigen  sich  die  Nachwirkungen  der 
Lektüre  unseres  Dichters;  vgl.  die  Nachweise  bei  Huemer,  Ausg.  p.VIII.  Ueber  die  Nach- 
•hiniiiig  des  Juvencus  durch  Prudentius  vgl.  Manitius,  Rhein.  Mus. 45  (1890)  p.  486.  Venan- 
ttiis  Fortnnat.  vita  S.  Martini  1,  14  (p.  295  Leo)  primua  enim  doeili  distinguens  ordine  carmen  \ 
maiegtatis  opus  metri  canU  arte  Juvencus.  \  hinc  quoque  conspicui  radiatnt  linguaSeduU.  Auch 
in  gramma^Bchen  Schriften  ist  er  berücksichtigt;  vgl.  Huemer  p.XIV.  Ueber  die  grosse  Ver- 
breitung des  Juvencus  zur  Zeit  Karls  des  Grossen  vgl.  Huemer  1.  c.  Die  Verehrung  des 
Dichters  hftlt  durch  das  ganze  Mittelalter  an.  Ueber  Juvencus  in  alten  Bibliothekskatalogen 
▼gl.  G.  Becker,  Catalogi  bibliothecarum  antiqui,  Bonn  1885  passim.  Althochdeutsche  Glossen 
ans  Juvencushandschriften  bei  Steinmeyer  und  Sievers,  Die  althochdeutschen  Glossen  2 
(Berl.  1882)  p.  349  und  bei  Marold  in  Germania  32  (1887)  p.  351.  Ueber  Otfrieds  Beziehungen 
Eo  den  biblischen  Dichtungen  des  Juvencus  etc.  vgl.  Marold  ebenda  p.  385. 

Ueberlieferung.  Die  ftlteste  und  beste  Handschrift  ist  der  Codex  des  Coli,  cor- 
poris Christi  von  Cambridge  304  s.  VII.  Ihm  schliessen  sich  an  der  Codex  des  britischen 
Mnseums  15  A  XVI  s.  VIU,  der  Monacensis  6402  s.  VIII,  der  Karlsruher  112  s.  VIII;  vgl. 
über  diese  Gruppe  Huemer  p.  XXXIX.  Dem  neunten  Jahrhundert  gehören  an  der  Karls- 
ruher 217,  der  Laudunensis  101.  B.  2.  17,  der  Montepessulanus  362,  der  Parisinus  9347  und 
der  Turicensis  C  68;  dem  neunten  oder  zehnten  Jahrhundert  der  Bemensis  534,  der  Am- 
broflianus  C  74  sup.,  der  Vaticanus  Reginensis  333  und  der  Vaticanus  Ottobonianus  35.  Auch 
die  späteren  Jahrhunderte  weisen  Handschriften  des  Juvencus  auf;  vgl.  die  Aufzählung  bei 
Huemer  p.  XXFV.  Ueber  die  Doppellesarten  des  Cantabrigiensis  vgl.  Huemer  p.  XXXVIÜ. 
üeber  die  Zusatzverse  vgl.  Marold,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1892  Sp.  844.  —  0.  Korn, 
Beitr.  zur  Kritik  der  bist,  evang.  des  Juvencus  (I.  Die  Handschriften  der  bist,  evang.  in 
Danzig,  Rom  u.  Wolfenbflttel),  Danzig  1870.  1,  590 — 603  stehen  im  codex  Leidradi  (vgl. 
Delisle,  Notices  et  extraits  35  (1897)  p.  831),  1,  590—600  im  codex  LI.  1.  10  der  Cam- 
bridger Univ.-Bibl.  (Kuypers,  The  Book  of  Cerne,  Cambridge  1902,  p.  83). 

Ausg.  Ausgezeichnete  Ausg.  von  Poelmann  (Pulmann),  Basel  1528.  Wir  nennen 
noch  die  Ausg.  von  Reusch,  Frankfurt  und  Leipz.  1710,  die  von  Arevalus,  Rom  1792 
(abgedruckt  auch  bei  Migne,  Patrol.  lat.  Bd.  19  Sp.  9).  VgL  auch  Gebser  p.  46.  Neue 
Aosg.  sind  die  von  Marold,  Leipz.  1886  und  die  von  Huemer,  Corpus  Script,  ecclesiast. 
lat.  vol.  24,  Wien  1891;  vgl.  dazu  denselben,  Wien.  Stud.  2  (1880)  p.  81;  Petschenig, 
Beri.  philol.  Wochenschr.  1891  Sp.  137  und  Marold  ebenda  1892  Sp.  843. 

Litteratur.  Gebser,  De  C.  Vettii  Aquilini  Juvenci  presbyteri  Hispani  vita  et  scriptis, 
Jena  1827  (mit  dem  ersten  Buch);  Hatfield,  A  study  of  Juvencus,  Bonn  1890  (grammatische 
nnd  metrische  Studien).  Ueber  Sprachliches  und  Prosodisches  vgl.  Manitius,  Zu  Juvencus 
nnd  Prudentius  (Rhein.  Mus.  45  (1890)  p.  486);  M.  Petschenig,  Zur  Latinität  des  Juvencus 
(Archiv  für  lat  Lex.  6  (1889)  p.  267);  Vivona,  De  Juvenci  poetae  amplificationibus,  Palermo 
1902.  Im  allgemeinen  vgl.  Ebert,  Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittelalters  1'  (Leipz.  1889) 
p.  114;  Manitius,  Gesch.  der  christl.-lat  Poesie,  Stuttgart  1891,  p.  55. 

3.  Damasus. 
856.  Die  Epigramme  des  Damasus.  Auch  die  christliche  Epigraphik 
findet  in  unserem  Zeitraum  ihre  Pflege.  Die  Eultusstätten  und  die  Gräber 
der  Märtyrer  legten  die  Aufschrift,  das  Epigramm,  nahe.  Soweit  wir 
sehen  können,  versuchte  sich  zuerst  auf  diesem  Gebiete  der  Papst  Da- 
masus, der  den  römischen  Bischofsstuhl  von  366 — 384  inne  hatte,  wahr- 
scheinlich ein  Spanier  von  Geburt,  i)  Obwohl  in  die  kirchlichen  Wirren 
seiner  Zeit  tief  verstrickt,  *)  zeigte  er  doch  auch  ein  Interesse  für  littera- 
rische Bestrebungen,  soweit  sie  mit  dem  katholischen  Kultus  in  Beziehung 
standen.  Er  war  es,  der  Hieronymus  zu  einer  authentischen  Uebersetzung 
der  heiligen  Schrift  aufforderte,  da  die  im  Umlauf  befindlichen  Exem- 
plare so  vpneinander  abwichen,  dass  ein  gemeinsamer  Gebrauch  ausge- 
schlossen war.   Auf  die  Epigraphik  fährten  ihn  seine  grossen  Restaurations- 

^)  Vgl.  aber  diese  Frage  ein  kurzes  Re-      finden  wir  auch  die  eines  exceptOTf  d.  h.  eines 


ferat  bei  Eayser  p.  89;  über  seinen  Vater 
gibt  No.  57  der  Epigramme  ed.  Ihm  Auf- 
schloas;    onter  seinen   kirchlichen   Würden 


Schnellschreibers. 

•)  Vgl.  Amm.  Marc.  27,  3,  12;  Hieronym. 
z.  J.  2382  =  365  n.  Chr.  (2  p.  197  Seh.). 


Handbuch  der  Ums.  Altertumtwissenachaft.    Ym,  4.  13 


*)  Vgl.  No.  27,    11   quaeritur,   inventus 
colitur. 

')  üeber  eine  Trockenlegung  vgl.  No.  4. 


end  p.  15.  So  wird  die  Zeit  derVerfolgnng» 
wiederholt  bezeichnet  mit  den  Worten:  tem- 
pore quo  gladius  seeuU  pia  inaeera  maim. 


MercuriuB,  der  im  letzten  Vers  levita  fidelis  I  ^)  Z.  B.  No.  32;  55. 

genannt  wird,  scheint  seine  technische  Bei-  ^)  „Nicht  weniger  als  35mal  nennt  Di- 

hilfe  gewesen  zu  sein.  masus  seinen  eigenen  Namen*  (Ihm,  Bheio. 

')  Nicht  bloss  auf  Rom,  sondern  auch  Mus.  50  p.  193). 

auf  andere  Orte  erstreckte  sich  seine  Thätig-  *)  Es  sei  auch  das  Oedicht  No.  S  «r- 

keit;  vgl.  De  Rossi,  Bull,  ciist.  4,  3  p.  24.  wähnt,  welches  ad  quendam  fratrem  corri- 

*)   No.  18   nennt  sich   Filocalus   einen  /^teftc/um  geschrieben  ist;  vgl.  De  Rossi,  Bnl- 

eultor    atque    amator   Damast   papae;    vgl.  lettino  di  archaeol.  crist.  4,  3  p.  9  Anm.  1.  Dm 

De  Rossi,  Inscr.  christ.  1  p.  LVl;  Bullettino  Autorschaft  des  Damasus,  der  in  dem  Angflli* 

crist.  4,  3  p.  21.  canus  V  3,  22  s.  X  als  Autor  genannt  wird, 

^)  Dem  Damasus  stand  das  kirchliche  ist  wohl  mit  Unrecht  von  Ihm  (Praef.p.  XXII) 

Archiv  zur  VerfQgung;  No.  57  Vs.  5  sagt  er:  in  Frage  gestellt    Abgedruckt  andi  Anthol. 

CMTchivU,  fateoTf  volui  nova  condere  tecta.  lat.  ed.  Riese  No.  765. 

*)  Vgl.  die  Zusammenstellungen  bei  Am-  ^^)  lieber  des  Damasna  Verdienste  nsd 


194  Damaans.    (§  856.) 

arbeiten  in  den  Katakomben;  gewaltige  Verheerungen  waren  über  die-  i 
selben  gekommen,  und  es  war  keine  geringe  Energie  erforderlich,  um  diese  ) 
für  den  Christen  heilige  Stätten  zu  erschliessen;^)  es  mussten  Zugänge 
geschaffen,  Neubauten  gemacht,  Verfallenes  wiederhergestellt  werden.') 
Im  besonderen  galt  es,  die  Gräber  der  Märtyrer  und  der  römischen  Bischöfe 
bloszulegen.  ^)  Die  Aufschrift  war  notwendig,  um  die  Lokalitäten  und  die  \ 
Gräber  zu  fixieren  und  den  Pilgerscharen  kenntlich  zu  machen;  eine  Reihe  j 
dieser  Aufschriften  ist  uns  noch  auf  Stein  erhalten;  mit  Bewunderung 
erfüllt  uns  die  künstlerische  Schrift,  in  der  sie  eingegraben  sind.  Der 
Kalligraph  Furius  Dionysius  Filocalus,  ein  Verehrer  des  Papstes,*)  der- 
selbe, der  das  chronologische  Handbuch  vom  Jahre  354  geschrieben,  hatte 
seine  erspriesslichen  Dienste  geleistet.  Andere  Epigramme  des  Damasus 
sind  uns  durch  handschriftliche  Sammlungen  erhalten,  welche  auf  die 
Pilger  zurückgehen,  die  die  Katakomben  besuchten.  Für  die  christliche 
Archäologie  sind  des  Damasus  Epigramme  von  grösster  Bedeutung,  sie 
sind  unsere  Wegweiser  in  den  Katakomben.*)  Der  litterarische  Wert  der- 
selben ist  dagegen  gering:  Damasus  war  kein  Dichter,  seine  Verse  fiiessen 
nicht  aus  dem  Born  einer  reichen  Phantasie,  der  Gedankenvorrat  ist  gering, 
der  Stil  leidet  an  Einförmigkeit  und  Wiederholungen.^)  Damasas  hatte, 
wie  jeder  Gebildete,  seinen  Vergil  gelesen,  und  Spuren  des  Meisters  zeigen 
sich  allenthalben;  allein  die  Technik  hat  er  ihm  nicht  abgelauscht:  von 
prosodischen  und  metrischen  Inkorrektheiten  sind  die  Epigramme,  die  in 
Hexametern,  selten  in  Distichen  7)  abgefasst  sind,  nicht  frei.  Merkwürdig 
ist  es,  dass  Damasus  das  Epigramm  benutzte,  um  auch  für  das  Fortleben 
seines  Namens  Sorge  zu  tragen;  er  nennt  sich  daher  sehr  oft  in  diesen 
Steininschriften.  ®)  Die  einzelnen  Epigramme  hier  aufzuführen,  ist  unmög- 
lich; nur  die  Grabschrift,  die  sich  Damasus  selbst  gesetzt  (No.  9),  die  auf 
seine  Schwester  Irene  (No.  10)  und  die  auf  Hippolytus  (No.  37),  mögen  hier 
erwähnt  werden.  Es  lag  nahe,  vom  Epigramm  als  Aufschrift  zum  Epi- 
gramm als  kurzem  Gedicht  überzugehen;  auch  diesen  Schritt  hat  Damasos 
gethan.  Es  sind  uns  zwei  Gedichte  überliefert,^)  das  eine  auf  den  könig- 
lichen Sänger  David  (No.  1),  das  andere  auf  den  Apostel  Paulus  (No.  2), 
welche  naturgemäss  nicht  zu  Aufschriften  bestimmt  waren;  das  erste  sollte 
dem  Psalter  ^0)  vorgesetzt  werden,  das  andere   diente  gewissermassen  als 


DamMiu.    (§856.)  195 

inleitung  zu  den  Briefen  des  Paulus;  an  ihrer  Echtheit  zu  zweifeln  ist 
3m  Grund.  Dagegen  lässt  sich  diese  mit  guten  Gründen  bestreiten  bei 
vei  gereimten  Hymnen  auf  den  Apostel  Andreas  und  die  beilige  Agatha, 
eiche  ohne  handschriftliche  Qewähr  Damasus  beigelegt  werden,  jedoch 
ner  späteren  Periode  angehören.  Mit  den  Epigrammen  war  indessen  die 
tterarische  Thätigkeit  des  Papstes  nicht  abgeschlossen:  wir  hören,  dass 
r  über  das  in  den  ersten  christlichen  Zeiten  so  beliebte  Thema  der  Jung- 
-äulichkeit  sowohl  in  gebundener  als  in  ungebundener  Rede  geschrieben 
abe;  wir  hören  weiter,  dass  er  ein  Buch  über  die  Laster  verfasste;  von 
eiden  Werken  ist  nichts  auf  die  Nachwelt  gekommen. 

So  geringhaltig  auch  die  Poesie  des  Damasus  war,  so  erzielte  sie 
och  eine  grosse  Wirkung:  Tausende  von  Pilgern,  welche  die  heiligen 
tätten  aufsuchten,  erbauten  sich  an  den  Aufschriften,  die  schon  durch 
en  päpstlichen  Verfasser  das  Interesse  erregen  mussten,  und  kopierten 
ich  dieselben;  dadurch  traten  sie  auch  in  die  Litteratur  ein,  und  das 
ufmerksame  Auge  entdeckt  ihre  Spuren  selbst  bei  späteren  Schriftstellern. 
iber  noch  wichtiger  wurden  sie  für  die  Litteratur  selbst  dadurch,  dass 
ie  den  Anstoss  zu  einem  ganzen  Litteraturzweig  gaben,  den  Martyrer- 
:e8chichten;  ein  belehrendes  Beispiel  ist  das  Gedicht  des  Prudentius  auf 
en  heiligen  Hippolytus,  das  seine  Grundlage  in  einem  Epigramm  des 
)amasus  hat.^ 

ZeugniBse  über  Damasas.  Hieronym.  de  vir.  Ul.  103  Damasus,  Romanae  urhis 
tnscopus,  elegans  in  versihus  componendis  ingenium  ?MbuU  multaque  et  brevia  opuscula 
eraico  metro  edidit  et  prope  octogenarius  sub  Theodosio  principe  mortuus  est.  Was  Suidas 
.  V.  Ober  Damasus  hat,  ist  aagenschemlich  von  Hieronymos  abhängig,  und  kann  daher 
icht  den  Wert  eines  Zeugnisses  beanspruchen. 

Damasus  und  die  Bibelllbersetzung  des  Hieronymus.  In  einem  Brief  an 
damasus  sagt  Hieronymus  (Ausg.  der  Vulgata  von  Loch  V  p.  XXXVII):  Navum  opus  me 
%eere  eogis  ex  veteri:  ut  post  exemplaria  Scripturarum  toto  arbe  dispersa  quasi  quidam 
rhiter  sedeam,  et  quia  inter  se  variant,  quae  sint  illa  quae  cum  Graeca  eonsentiant  veri- 
Ue,  decernam  ....  adver sus  quam  invidiam  duplex  causa  me  consolatur:  quod  et  tu  qui 
ummus  sacerdos  es,  fieri  iubes:  et  verum  nan  esse  quod  variat,  etiam  maledicorum  testi- 
umio  comprobatur  ....  de  novo  nunc  loquor  testamento. 

Die  Echtheit  der  Damasusepigramme  wurde  zuerst  von  De  Rossi  (Bull,  crist. 
884—85  p.  15)  methodisch  untersucht;  er  legt  drei  Kriterien  zu  Qrund:  das  eigene  Zeugnis 
es  Damasus,  den  Stil,  endlich  den  Schriftcharakter.  Ihm  ^.  200)  fügt  noch  die  Prosodie 
nd  Metrik  hinzu;  v^.  auch  die  Praef.  zu  seiner  Ausg.  p.  aüI.  Bei  Ihm  ist  eine  Schei- 
ang  der  unechten  und  echten  Gedichte  durchgeführt;  Pseudo-Damasiana  bei  Buecheler, 
armina  epigr.  No.  913,  911,  917  und  915.  Wir  erwähnen  hier  das  Gedicht  De  salvatore 
in.  68),  das  von  Niebuhr  dem  Merobaudes,  von  neueren  Gelehrten  dem  Claudian  zuge- 
abrieben  ist,  aber  sicher  nichts  mit  Damasus  zu  thun  hat.  Ebensowenig  ist  das  Gedicht  67 
on  Damasus.  Dasselbe  wird  im  cod.  Turicensis  78  s.  IX  einem  Silvius,  in  einem  cod. 
porinianus  einem  Severus  beigelegt;  vgl.  Anthol.  lat.  ed.  Riese  No.  689^;  L.  Müller, 
kein.  Mus.  22  (1867)  p.  500;  Ihm,  Praef.  p.  XXIV.  Ein  Silvius  wird  genannt:  Vita  S. 
jlarii  Arel.  (50  Sp.  1219  Migne)  ut  eiusdem  praeclari  auctores  temporis,  qui  suis  scriptis 
\erito  clarueruntf  Silvius,  Eusebius,  Domnulus  admiratione  succensi  in  haec  verba  proru- 
frint  etc. 

Zur  Composition  vgl.  Le  Blaut,  Inscriptions  chrötiennes  de  la  Gaule  1  (Paris 
356)  p.  CXXXni  Anm.  3;  Stornaiolo,  Studi  e  documenti  di  storia  e  diritto  7  (1886)  p.  27; 
L  Amend,  Stud.  zu  den  Gedichten  des  Papstes  Damasus,  Wttrzburg  1894,  p.  15;  Ihm,  Die 
pigramme  des  Damasus  (Rhein.  Mus.  50  (1895)  p.  194). 

Vorbilder  und  Nachahmer.    Ueber  Vergil  und  Damasus  vgl.  Manitius,  Rhein. 


erwertnng    des   Psalters   fOr   die  Liturgie      Untersuchungen  N.  F.  1,4  (Leipz.  1897)  p.  43); 

gl.  Kayserp.  91.  Funk,  Eirchengeschichtl.  Abhandlungen  und 

^)  Achelis,  Hippolytstndien  (Texte  und  |   Untersuchungen  2  (Paderborn  1899)  p.  188. 

13» 


196  DamMUB.    (§  856.) 

Mas.  45  (1890)  p.  316;  Stornaiolo  p.  23;  M.  Amend  p.  6;  Ihm,  Rhein.  Mob.  50  (1895 
p.  194.  Eine  Nachahmung  des  Horaz  liegt  so  gat  wie  nicht  vor;  vgl.  M.  Hertz,  AnalecU 
ad  carminum  Horat.  hist  4  (Ind.  lect  BresL  1880  p.  19  Anm.  1).  Dagegen  finden  sich 
einige  Ovidreminiscenzen;  vgL  Amend  p.  10  und  gelegentlich  Weyman.  Auch  eine  Be- 
nutzung des  Cento  der  Proba  durch  Damasus  wird  von  Ihm  (p.  195)  angenommen.  Aus- 
führlich geht  Weyman,  De  carminibus  Damaaianis  et  Pseudodamasianis  observationes  (Revue 
d'histoire  et  de  utt^rature  religieuses  1  (1896)  p.  58)  den  Parallelen  nach  und  kommt  zu 
folgendem  Ergebnis  (p.  73):  »Elucet  ni  fallor  ex  eis  quae  congessi  poetis  quos  Damasus 
imitatus  est  Lucretinm,  poetis  qui  Damasiana  (et  Pseudodamasiana)  in  suum  osum  con- 
verterunt  Dracontium  (vgl.  Amend  p.  10  und  dagegen  Ihm,  Rhein.  Mus.  53  (1898)  p.  165:, 
Aratorem,  Eugenium  Toletanum,  Aldhelmum,  Vualtherum  Sinrensem  esse  adnnmerandos.' 
Ueber  Damasus  und  Prudentius  vgl.  Puech  p.  121;  Couret  p.  61;  über  das  Hippoljtus- 
epigramm  (No.  37)  als  Quelle  des  Hymnus  des  Prudentius  auf  Hippolytus  vgL  De  Rossi. 
Bullettino  crist.  3,  6  p.  34.  Ueber  Beziehungen  zwischen  dem  jOngeren  Amobius,  Paulinus 
von  P^rigueux  und  Damasus  vgl.  Weyman,  Notes  de  litt^rature  chrötienne  5.  Diffosioo 
des  po^ies  Damasiennes  (Revue  d'histoire  et  de  litt^rature  religieuses  3  (1898)  p.  564). 

Prosodie  und  Metrik  des  Damasus.  Ueber  metrische  und  prosodische  Ver- 
stösse vgl.  Manitius,  Rhein.  Mus.  45  (1890)  p.  316;  Birt,  Praef.  semer  ClaudianauBg. 
p.  LXVIl;  Amend  p.  18;  Ihm  (Rhein.  Mus.  50  (1895)  p.  200)  sucht  diese  Verstösse  mög- 
lichst einzuschränken. 

Zur  Erläuterung  einzelner  Epigramme.  Zu  No.  1  Mercati,  Note  di  lette- 
ratura  biblica  e  crist.  ant.,  Rom  1901,  p.  113  (Studi  e  Testi  5);  zu  No.  18  und  48  A.  Har- 
nack,  Zeitschr.  fOr  Theol.  und  Kirche  1  (1891)  p.  129;  zu  No.  26  €.  Erbes,  Die  Todes- 
tage der  Apostel  Paulus  und  Petrus  und  ihre  röm.  Denkmäler  (Texte  und  Unters.  N.  F.  4, 1 
(Leipz.  1899)  p.  71);  H.  Grisar,  Analecta  Romana,  Rom  1899,  p.  259;  G.  Ficker,  Bemer 
kungen  zu  einer  Inschr.  des  Papstes  Damasus  (Zeitschr.  fOr  Eirchengesch.  22  (1901)  p.  338); 
zu  No.  29  P.  Crostarosa,  Nuovo  Bullettino  di  arch.  crist.  3  (1897)  p.  117;  O.  Marucchi, 
Ebenda  4  (1898)  p.  137;  zu  No.  40  Pio  Franchi  de'  Cavalieri,  Röm.  Quartalschr.  Sapple- 
mentheft  10  (1899)  p.  10;  zu  No.  49  und  96  M.  Armellini,  Nuovo  Bullet<uio  di  arch.  crist.  1 
(1895)  p.  14;  G.  Bonavenia  ebenda  4  (1898)  p.  77;  Stock,  Katholik  79  (1899)  p.  312; 
zu  No.  58  u.  59  P.  Allard,  iStudes  d'histoire  et  d'arch^ologie,  Paris  1899,  p.  159;  zu  No.  6S 
L.  Delisle,  Notice  sur  un  manuscrit  de  Töglise  de  Lyon  du  temps  de  Charlemagne  (Notic^s 
et  extraits  35  (1897)  p.  831);  zu  No.  77,  10  Analecta  BoUandiana  16  (1897)  p.  17;  p.  239. 

Die  Hymnen  auf  den  Apostel  Andreas  und  die  hl.  Agatha.  B.  Hölscher, 
De  Damasi  papae  et  Hilarii  episc.  Pictav.  qui  fenmtur  hymnis  sacris,  Mflnster  185>i; 
J.  Kays  er,  Beitr.  zur  Gesch.  und  Erklärung  der  ältesten  Kirchenhynmen,  Paderborn'  1881. 
p.  103;  Ihm,  Praef.  p.  XXVI.  Ediert  bei  Ihm  No.  70  (p.  73)  und  71  (p.  75).  Der  erste 
Hymnus  ist  in  iambischen  Dimetem,  der  zweite  in  katalektischen,  daktylischen  Tetrapodien 
abgefasst.  Ein  handschriftliches  Zeugnis  für  die  Autorschaft  des  Damasus  fehlt.  Die  Lesart 
in  Vs.  22  des  zweiten  Gedichtes  pro  misero  rogila  Damaso  statt  pro  muteris  »upHcei  df>- 
mino  beruht  auf  Interpolation.  Auch  der  Stil  spricht  gegen  Damasus,  sowie  der  Reim,  der 
in  beiden  Gedichten  zur  Anwendung  gekommen  ist,  und  eine  Reihe  Verstösse  gegen  die 
Prosodie.  Die  Hymnen  gehören  in  die  Zeit  nach  Ambrosius;  jedoch  lässt  sich  dieselbe  nicht 
genauer  fixieren.   Der  Agathah3rmnu8  ist  übersetzt  und  trefQich  erläutert  von  Kay  s er  p.  115. 

Die  Schrift  de  virginitate.  Hieronym.  epist.  22,  22  (1  Sp.  104  Vall.)  Uga*  Ter- 
tulUanum  ad  amicum  Philosophum,  et  de  virginitate  alios  Uhellos,  et  beati  Cypriani  rolumen 
egregium,  et  papae  Damasi  super  hac  re  versu  prosaque  composita. 

Der  liber  de  vitiis.  Diese  ebenfalls  verlorene  Schrift  wurde  von  L.  Delisle 
(Les  manuscrits  du  comte  d'Ashbumham,  Paris  1883,  p.  87)  aufgedeckt  Der  einzige  Codex, 
der  dieses  Werk  enthielt,  ist  leider  verloren  gegangen. 

Ueber  die  Briefe  des  Damasus  vgl.  Rade  p.  97;  p.  58;  p:  124;  p.  136;  Eavser 
p.  100;  Jaffö,  Regesta  Pontificum  Romanorum  V  (Leipz.  1885)  p.  37,  No.  232—254.  Ueber- 
Setzung  von  L.  Wenzlowsky,  Die  Briefe  der  Päpste  (Bibl.  der  Kirchenväter  2  (Kempten 
1876)  p.  265). 

Sammlungen  der  Epigramme  des  Damasus  wurden  gemacht  von  Fabricius, 
Poet.  vet.  eccles.  rel.,  Basel  1562,  p.  771,  von  Sarazani,  Rom  1638,  Rivinus,  Leipz.  1652, 
von  Merenda,  Rom  1754,  abgedruckt  bei  Migne,  PatroL  lat.  13;  vgL  über  diese  Aus- 
gaben De  Rossi,  Bull,  di  archeol.  crist.  Serie  4,  Anno  3  (Rom  1884 — 85)  p.  10  u.  31;  Rade 
p.  2.  Neueste  Ausg.  von  Ihm,  Damasi  epigrammata  (Anthol.  lat.  supplementa  1,  Leipt 
1895);  vgl.  dazu  Weyman,  Wochenschr.  für  klass.  PhiloL  1895  Sp.  789  (besonders 
Parallelen)  und  L.  Traube,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1896  Sp.  78  (Ergänzung  des  hand- 
schriftl.  Materials).  Wir  citierten  nach  Ihm.  —  Ihm,  Zu  lat.  Dichtem.  III.  Sn  verschol- 
lenes Gedicht  des  Damasus?  (Rhein.  Mus.  52  (1897)  p.  212)  (vgl.  dagegen  Weyman,  Hist 
Jahrb.  der  Görresges.  19  (189ö)  p.  89);  R.  Kanzler,  Restituzione  architettonica  della  cripu 


V 


Die  Diohieriii  Proba  nnd  «nd«r«  ohriatlioh«  Centodlohier.    (§  857.)        197 

dei  SS.  Felidflsimo  ed  Agapito  nel  cimetero  di  Pretestato  (Nnovo  Bullettino  di  arch.  crist.  1 
(1895)  p.  172);  De  RobbI,  Inscripi  christ.  1,  Rom  1861.  Vgl.  auch  F.  Baecheler,  Car- 
mina  lat.  epigr.  No.  304—10;  No.  670-73;  No.  759;  761;  852. 

Litteratur:  Eine  Uebersicht  der  Litterator  bis  1895  gibt  Ihm,  Praef.  zu  seiner 
Ausg.  p.  XLIX.  ff)  R.Geillier,  Histoire  g^n^rale  des  auteurs  sacr^s  et  ecclesiastiques  6 
(1787)  p.  454;  M.  Rade,  Damasus,  Bischof  von  Rom,  Freib.  u.  Tabiugen  1882;  Ihm,  Der 
Dichter  der  Katakomben  (Rom.  Eulturbilder,  Leipz.  1898,  p.  140);  Jfllicher,  Pauly-Wis- 
sowas  Realencycl.  4  Sp.  2048;  J.  Wittig,  Papst  Damasus  I.  Quellenkrit  Stud.  zu  seiner 
Gesch.  und  Charakteristik  (Rom.  Quartalschr.  Supplementbd.  14,  1902);  F.  X.  Kraus,  Roma 
sotteranea,  Freib.  1873,  p.  23;  p.  99;  A.  Puech,  Prudence,  Paris  1888,  p.  113;  Ebert, 
Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittelalters  1',  Leipz.  1889,  p.  127;  Manitius,  Gesch.  der 
chnstl.-lat.  Poesie,  Stuttgart  1891,  p.  119.  /9)  A.  Cour  et,  De  sancti  Damasi  summi  apud 
Chiistianos  pontificis  carminibus  (Thdse),  Paris  1869;  G.  B.  De  Rossi  (t  1894),  I  carmi  di 
s.  Damaso  (Bullettino  di  archeol.  crist.,  Serie  quarta.  Anno  terzo  (Rom  1884 — 85)  p.  7 ;  Elogio 
Damaeiano  del  celebre  Ippolito  martire  (sepolto  presse  la  via  Tiburtina),  ebenda  S.  8,  A.  6 
(Rom  1881)  p.  26;  Iscrizione  storica  dei  tempi  di  Damaso  papa  nel  cimeterio  di  s.  Ippolito 
(ebenda  S.  4,  A.  2  (Rom  1883)  p.  60);  C.  Stornaiolo,  Osservazioni  letterarie  e  filologiche 
sugli  epigrammi  Damasiani  (Studi  di  storia  e  diritto  7  (1886)  p.  13);  M.  Amend,  Studien 
zu  den  Gedichten  des  Papstes  Damasus,  Würzburg  1894.  y)  0.  Marucchi,  Difesa  del 
pontificato  di  S.  Damaso  contro  un  nuovo  attacco  dei  protestanti.  Discorso  letto  nell'  acca- 
demia  di  religione  cattolica.  Estratto  dal  periodico  «La  Rassegna  Italiana*,  Rom  1883; 
G.  B.  Storti,  S.  Damaso  e  la  biblia,  Rom  1887;  H.  Grisar,  Zeitschr.  für  kathol.  Theol.  8 
(1884)  p.  190;  Gesch.  Roms  und  der  Pftpste  im  Mittelalter  1  (Freib.  i.  Br.  1901)  p.  257. 


Das  Papstelogium  des  codex  Corbeiensis.  F.  Buecheler,  Carmina  epigr. 
No.  787.  Zuerst  veröffentlicht  von  De  Rossi,  Inscr.  christ.  Rom.  2,  83,  26;  85,  31,  der  die 
Inschrift  auf  Papst  liberius  (352 — 366)  beziehen  wollte;  vgl.  noch  denselben,  Dell'  Elogio 
metrico  attribuito  al  Papa  Liberio  (Bullettino  di  arch.  crist.  Serie  5,  Anno  1  (1890)  p.  123). 
Auf  Seite  De  Rossi s  stehen  G.  Caesar,  Observationes  ad  aetatem  titulorum  lat.  christ.  defi- 
niendam  spectantes,  Bonn  1896,  p.  9;  F.  X.  Kraus,  Repertorium  der  Kunstwiss.  21  (1898) 
p.  135;  vgl.  dagegen  Funk,  Bist.  Jahrb.  der  Görresges.  5  (1884)  p.  424;  J.  Friedrich, 
Üeber  das  angebliche  Elogium  Liberi!  papae  des  cod.  Corbeiensis  (Sitzungsber.  der  Mfin- 
chener  Akad.  1891  p.  87);  Funk,  Bist.  Jahrb.  der  Görresges.  12  (1891)  p.  757;  Ebenda 
13  (1892)  p.  489;  G.  Pfeilschifter,  Der  Ostgotenkönig  Theoderich  der  Grosse  und  die 
kathol.  Kirche,  Mttnster  1896,  p.  192;  Th.  Mommsen,  Die  röm.  Bischöfe  Liberius  und 
und  Felix  ü.  (Deutsche  Zeitschr.  fOr  Geschichtswiss.  N.  F.  1  (1897)  p.  176);  Funk,  Kirchen- 
geschichtl.  Abhandlungen  und  Untersuchungen  1  (Paderborn  1897)  Abh.  18  p.  391.  Eine 
Uebersicht  der  Streitfrage  gibt  0.  Marucchi,  Nuovo  Bullettino  di  arch.  crist  3  (1897)  p.  132. 

4.  Die  Dichterin  Proba  und  andere  christliche  Centodichter. 

857.  Der  Vergilcento  der  heiligen  Geschichte.  Der  grosse  Ein- 
fluss  Vergils  auf  das  gesamte  Altertum  ist  bekannt;  er  war  der  Dichter 
der  Dichter,  und  seine  Werke  lebten  so  in  aller  Gedächtnis,  dass  aus 
Versen  und  Verstellen  von  ihm  neue  Gedichte  mit  ganz  anderem  Inhalt 
zusammengesetzt  wurden,  die  sog.  Centonen.  ^)  Auch  als  das  Christentum 
in  die  römische  Welt  seinen  Einzug  gehalten  hatte,  blieb  die  Stellung 
Vergils  unerschüttert.  Jetzt  musste  es  grossen  Reiz  gewähren,  sogar  Ge- 
dichte christlichen  Inhalts  aus  ihm  zusammenzufügen.  Unter  den  Werken 
dieser  Art  nimmt  ein  Cento  der  Proba  unser  besonderes  Interesse  in 
Anspruch.  Die  Dichterin  war  eine  vornehme  Frau,  ihr  Gemahl  war  Stadt- 
präfekt  im  Jahre  351.  Zuerst  mass  sie  ihre  Kräfte  an  einem  natio- 
nalen Epos;  sie  schilderte  den  denkwürdigen  Kampf  zwischen  Constantius 
und  Magnentius,  in  dem  das  Germanentum  dem  Römertum  gegenüber- 
stand. Als  aber  das  Christentum  in  ihrem  Herzen  feste  Wurzeln  ge- 
schlagen hatte,  fasste  sie  den  kühnen  Entschluss,   die  heilige  Geschichte 

^)  Vgl.  z.  B.  den  Cento  Yergilianns,   die  Tragoedie  Medea  des  Hosidius  Oeta  §  527. 


!■' 


198        I>^o  Diohierin  Proba  und  «ndera  ohristliohe  Coitodiolitar.    (§  857.) 

des  alten  und  neuen  Testamentes  mit  vergilischen  Worten   darzust 
Den  ganzen  Stoff  vermochte  die  Dichterin  nicht  zu  bewältigen ;  vom 
Testament  führt  sie  die  Schöpfungsgeschichte,  den  Sündenfall,   den 
Abels  und  die  Sündflut  vor,  die  weitere  Erzählung  will  sie  andern 
lassen.     Auch  die  Geschichte  des  Erlösers  wird  von  seiner  Oeburt  bi 
Himmelfahrt  behandelt,  jedoch   so,    dass  nur   einzelne  Momente  h( 
gehoben  werden.    So  sehr  sich  auch  Proba  abgemüht  hatte,  stand  sie 
am  Schluss  vor  einem  verfehlten  Werk.     Der  biblische  Stoff  stellte  i 
Bemühen  zu  grosse  Hindernisse  entgegen,  sie  war  gezwungen,  die  1 
namen  fortzulassen,  und  das  vergilische  Material  gestattete  ihr  nicht  ü 
eine  klare  Schilderung,  sie  musste  sich  mit  vagen  Andeutungen  zufi 
geben.     Sie  rechnete  sicherlich  auf  Leser,  denen  der  darzustellende 
bereits  bekannt  war.     Aber   auch   der   ästhetische  Sinn  wird  nicht  i 
verletzt,   die  biblischen  Dinge  erhalten  ein  Gewand,  das  nicht  zu 
passt.     Viele  Wendungen  machen   geradezu   einen  komischen   Eine 

i  Trotzdem  fand   der  Cento  seine   Bewunderer;   der  Kaiser  Arcadius 

sich  von  demselben   eine  schöne  Abschrift  herstellen.     Die  Kirche  j 

.1.  verhielt  sich  kühl  gegen  das  Werk,  sie  erkannte  mit  scharfem  Blick, 

das  göttliche  Wort  in  dieser  Behandlung  zu  Schaden  komme.  Das  deci 
Gelasianum  verwies  deshalb  das  Flickwerk  unter  die  apokryphei 
dichte.  Der  modernen  Zeit  erscheint  dieser  Cento  als  ein  absurdes 
dukt,  und  wir  begreifen  es  leicht,  wenn  der  Humanist  Geltes  die  I 
von  Gandersheim  der  Römerin  vorzog. ') 

Zeugnisse  über  Proba.  Montfaacon,  Diar.  ital.  p.  36  las  in  einer  jetx 
mehr  auffindbaren  Handscimft  s.  X  folgende  Subscriptio:  Proha^  uxor  Adelphi,  mati 
brii  et  Aliepiif  cum  Constantini  (ConstatUii  richtig  Secck,  Ausg.  des  Symmachns  p 
heUum  adrersus  Magnentium  conscripsisaetf  conseripsit  et  hunc  librum  (d.  h.  den 
Der  Gatte  hiess  mit  vollem  Namen  Clodius  Celsinus  Adelphius  und  war  praefecti 
i.  J.  351.  Die  Söhne  hiessen  Q.  Clodius  Hcrmogenianus  Olybrios  (cos.  i.  J.  379)  und  Fa 
Probus  Alypius  (pracfectus  urbi  i.  J.  391).  CIL  6,  1712  Clodius  Adelfiu»  v.  c.  ex  pn 
urbis  Hxori  inconparabUi  et  sibi  fecit.  Im  Vaticanus  1753  s.  IX,OC  wird  Proba  be» 
als  mater  Aniriorum,  dann  uxor  Adelphij  vxpraefecto  urbis.  Unrichtig  ist  mater  Anir 
unsere  Proba  ist  die  Urgrossmutter  und  es  liegt  eine  Verwechslung  mit  Anicia  F 
Proba,  Gemahlin  des  Sex.  Petronius  Probus  (cos.  371),  vor.  Ueber  die  Familie  dei 
vgl.  Seeck,  Ausg.  des  Symmachus  p.  XC;  De  Rossi,  Inscript.  christ.  urb.  Romae  1 
Traube,  Sitzungsber.  der  Münchener  Akad.  1891  H.  3  p.  428.  Zusammenfaasii 
Schenkl,  Ausg.  p.  514.  Ein  Zeugnis  kommt  noch  hinzu  aus  Pitra,  Analecta  « 
classica  1888  p.  127;  vgl.  jetzt  Moysi  expositio  ed.  F.  Gustafsson,  Helsingfors  1897 
öocietatis  scient.  Fennicae  tom.  22  No.  3)  p.  17. 

Das  Epos  ttber  den  Kampf  des  Constantius  gegen  Magnentius  ist 
bloss  durch  die  eben  erwUhnte  Handschrift,  die  Montfaucon  gelesen,  bezeugt,  sonder 
diu  Dichterin  selbst  legt  ein  Zeugnis  für  dieses  Gedicht  ab  (Vs.  1):  Jam  dudum  te» 
ducetf  pia  foedera  paciSy  \  regnaudi  miseros  tenuit  quos  dira  cupido,  \  diverstisque 
regum  crudelia  bella  \  cognatasque  acies,  poUutos  caede  parentum  \  insignis  clipeas  n 
ex  hoste  tropaea  ....  confiteor  scrlpsi:  satis  est  meminisse  malorum.  üeber  diesen 
vgl.  Ranke,  Weltgesch.  4  p.  15. 

Der  Cento.  Nachdem  Proba  in  dem  Eingang  des  Gedichtes  das  weltlich« 
für  abgcthan  erklärt  hatte,  fährt  sie  fort  (Vs.  9):  nunc,  deus  omnipotens,  sacrutn,  ■ 
accipe  cartnen  ....  arcana  ut  possiin  rafis  Proba  cuncta  referre.  Die  Dichterin  neni 
selbst  Vs.  12  Proba,  auch  die  handschriftliche  üeberlieferung  spricht  fQr  die  Verfasse 
der  Proba.  Isidor.  orig.  1,  39,  20  (ö2  Sp.  121  Migne)  Proba,  uxor  Adelphi,  centonem  e 
gilio  de  fabrica  mundi  et  evangeliis  plenissime  expressit.  Zur  Composition  vgl.  Vs.  23 
gilium  cecinisse  loquar  pia  munera  Christi.     Die  Dichterin   sagt,    als  sie   bei  der  S' 

*)  Vgl.  Aschbach  p.  427. 


Die  Inve«ti¥endioliter  nnd  die  Polemiker.    (§  858.)  199 

abbricht  (Vb.  881):  cetera  facta  patrum  pHgnataque  in  ardine  heüa  \  praeter eo  ätque  aliie 
post  me  memoranda  relinquo.  Die  Oesdiichte  des  N.  T.  leitet  sie  feierlich  ein  (Ys.  834): 
maius  opus  moveo:  vatum  praedicta  pHarum  \  adgredior,  lieber  die  Technik  des  Gento 
▼gL  Schenkl  p.  554. 

Zur  Charakteristik  der  Proba  vgl.  Ebert,  Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittel- 
alters 1'  (Leipz.  1889)  p.  125  and  Manitius,  Gesch.  der  christl.-lat  Poesie,  Stuttgart  1891, 
p.  124;  Aschbach,  Die  Anicier  und  die  römische  Dichterin  Proba  (Sitzungsber.  der  Wiener 
Akad.  64  (1870)  p.  420). 

Fortleben  des  Gento.  In  der  Earlsroher  und  Züricher  Handschrift  wird  mit  dem 
Gento  ein  Epigramm  verbunden,  in  dem  ein  Kaiser  angeredet  wird,  auf  dessen  Befehl  der  Gento 
f&r  ihn  abgeschrieben  wurde.  Der  Schreiber  nennt  sich  famulus  (Vs.  5).  Traube  (p.  424) 
hAlt  es  f&r  wahrscheinlich,  dass  dieser  Schreiber  aus  der  Familie  der  Probi  stanmite.  Dass 
es  der  Kaiser  Arcadins  (383—408)  war,  geht  hervor  aus  Vs.  13:  tradas  minori  Arcadio, 
Das  Dekret  des  Papstes  Gelasius  (492—496)  fOhrt  auf  centimetrum  de  Christo  Vergilianis 
eompaginatum  versibtts  apocrifphum  (Migne  59,  162).  Isidor.  de  vir.  ill.  22  Proba  uxor 
Adelphi  proconsulis  femina  idcirco  inier  tiros  ecclesiasticos  posita  sola  pro  eo  quod  in  laude 
Christi  versata  est,  componens  centonem  de  Christo  Vergilianis  coaptatum  versiculis.  Cuii*s 
quidem  non  miramur  Studium  sed  laudamus  ingenium,  Quod  tarnen  opusculum  legitur  inter 
apocryphas  Script uras  insertutn.  Vgl.  auch  Huelsen  in  Ghronica  minora  ed.  Mommsen  3 
(1896)  p.  425;  H.  Best,  De  Gypriani  quae  feruntur  metris  in  Heptateuchum,  Marb.  1892,  p.  55. 

iFeberlieferung.  Die  ftlteste  Handschrift  ist  Parisinus  13048  s.  VHI/IX.  Weiter 
sind  zu  nennen  der  Parisinus  7701  s.  IX;  Laudunensis  279  und  273  s.  IX;  Parisinus  14758 
8.  Xni;  Palatinus  1753  s.  IX/X;  Garoliruhensis  s.  IX/X  und  Turicensis  s.  X.  Hierzu  kommen 
jOngere  Handschriften;  auch  in  filteren  Bibliothekskatalogen  erscheint  der  Gento. 

Ausg.  Editio  princeps  von  Bartholomaeus  Girardinus,  Venedig  1472;  von 
Meibom,  Helmstadt  1597;  von  Kromayer,  Halle  1719;  Migne,  Patrol.  lat.  19  Sp.  803; 
G.  Schenkl,  Poet,  christiani  minores  (Gorpus  Script,  ecclesiast.  lat.  16,  pars  1  (Wien  1888)  p.  568), 
daraus  auch  ein  Separatabdr.  der  Proba;  vgl.  aber  die  Ausg.  Aschbach  1.  c.  p.  426  Anm.  4. 

Kleinere  christliche  Vergilcentonen  sind  folgende:  1)  Der  von  G.  Bursian 
(Sitzungsber.  der  Mfinchener  Akad.  1878  Bd.  2  p.  29)  herausgegebene  Tityrus  des  Pom- 
ponius;  vgl.  Isidor.  orig.  1,  39,  26  (Sp.  121  M.)  sie  (wie  die  Proba)  quoque  et  quidam  Pom- 
ponius  ex  eodem  poeta  inter  cetera  stili  sui  otia  Tityrum  in  Christi  honorem  composuit, 
similiter  et  de  Äeneide;  fragmentarisch  erhalten  im  Vaticanus  Palatinus  1753  s.  EX/X,  ediert 
von  Schenkl  p.  609.  Der  Gentonar  legt  die  erste  Ecloge  Vergils  zu  Grunde  und  gibt  einen 
Dialog  des  Tityrns  und  Meliboeus  über  christliche  Dinge.  Bursian  (p.  30)  hält  diese  Ecloge 
ftbr  eine  Einleitung  zum  folgenden  Gento.  lieber  das  Verhältnis  des  Gento  zum  Gento  der  Proba 
vgl.  Manitius  p.  128.  2)  De  verbi  incarnatione,  erhalten  im  Parisinus  13047  s.  IX,  zu- 
erst veröffentlicht  von  Martine  und  Durand,  Gollectio  ampl.  9  p.  125,  von  Arevalo  in 
seiner  Ausg.  des  Sedulius  p.  384  (Migne  19  Sp.  773),  von  Biese,  Anthol.  lat.  No.  719,  von 
Huemer  in  seiner  Ausg.  des  Sedulius  p.  310  und  Schenkl,  Poet.  lat.  min.  p.  615.  Der 
Titel  de  verbi  incarnatione  rtthrt  von  Martine  her;  irrtümlich  wird  der  Gento  dem  Sedu- 
lius zugeteilt.  Ueber  denselben  vgl.  Schenkl  p.  564  und  Manitius  p.  128.  3)  De  ec- 
clesia,  überliefert  durch  den  Parisinus  Salmasianus  10318  s.  VlI/VIll,  zuerst  herausgegeben 
von  W.  H.  D.  Suringar,  Utrecht  1867,  dann  von  Riese,  Anthol.  lat.  No.  16,  von  Baehrens, 
Poet.  lat.  min.  4  p.  214,  von  Schenkl  p.  621.  Auf  unsicherem  Fundament  ruht  die  Zu- 
teilung des  Gento  an  Mavortius,  die  Jure tus  vorgenommen,  weil  sie  sich  auf  das  korrupte 
abortio  (Vs.  111)  stützt.  Der  Gento  führt  uns  einen  Gottesdienst  mit  einer  eingelegten 
Predigt  vor.  Aus  einem  Zusatz  zu  dem  Gedicht  geht  hervor,  dass  der  Gentonar  seinen 
Cento  öffentlich  recitierte  und  damit  grosses  Lob  erntete. 

Allgemeine  Litteratur  über  Vergilcentonen.  B.  Borgen,  De  centonibus 
Hom.  et  Vergil.,  Kopenhagen  1828;  F.  Hasenbalg,  De  centon.  Vergil.,  Putbus  1846; 
D.  Gomparetti,  Vergil  im  Mittelalter,  übers,  von  H.  Dütschke,  Leipz.  1875. 

5.  Die  Invectivendichter  und  die  Polemiker. 

858.  Invective  gegen  Nicomachus.  Im  Jahre  1867  publizierte  der 
französische  Philologe  Delisle  ein  Gedicht,  von  dem  sich  zwar  die  eine 
oder  die  andere  Spur  in  der  Litteratur  nachweisen  Hess,  ^)  das  aber  doch 
der  gelehrten  Welt  im  ganzen  unbekannt  geblieben  war.  Das  Schrift- 
stück, das  aus  122  Hexametern  besteht  und   keine  Ueberschrift  trägt,  ^) 

*)ygl. Morel  p. 451;  Baehrens, Rhein.   I  ')  Vgl.  Krüger  beiMommsen  p.  853. 

Mus.  32  p.  212.  i 


200  ^^^  lüTeotiTendichter  nnd  die  Polemiker.    (§  858.) 

konnte  auf  einige  Beachtung  Anspruch  erheben;  denn  es  stammt  aus 
Zeit,  in  der  das  Heidentum  zum  letztenmale  mit  dem  Christentum  um 
Herrschaft  rang.  In  unserem  Gedichte  erhebt  ein  fanatischer  Geist  8 
Stimme  gegen  den  alten  Kultus;  es  geschah  dies,  als  den  Kaisert! 
Eugen  inne  hatte,  auf  den,  obwohl  er  Christ  war,  die  nationale  Partei 
grösste  Hoffnung  gesetzt  hatte.  An  der  Spitze  derselben  stand  V 
Nicomachus  Flavianus  (§  806).  Als  dieser  an  dem  alten  Römertun 
zähe  festhaltende  Mann  im  Kampf  gegen  Theodosius  noch  vor  Eugen 
Tod  gefunden  hatte,  machte  sich  der  Dichter  daran,  über  die  gesti 
Grösse  und  Qber  das  Heidentum  herzufallen.  Da  Eugens  Tod  in 
Gedicht«  nicht  erwähnt  wird,  dürfen  wir  vermuten,  dass  derselbe 
auf  dem  Throne  sass.  Das  Gedicht  ist  also  in  der  kurzen  Zeit  geschri^ 
welche  zwischen  dem  Tod  des  Nicomachus  und  des  Eugenius  liegt, 
nannt  ist  Nicomachus  in  dem  Gedichte  nicht,  allein  er  ist  so  genau 
zeichnet,  dass  ein  Zweifel  über  die  Persönlichkeit  nicht  aufkommen  k 
^  Das  Verfahren   des  Fanatikers   ist  einfach:   aus   allen  Winkeln   such 

heidnische  Kultusgebräuche  und  Anschauungen,  welche  der  christli 
Gottesidee  widerstreiten,  zusammen  und  knüpft  daran  die  Frage,  wie 
solche  Götter  verehren  und  wie  man  von  ihnen  in  der  Not  Hilfe  erwa 
könne.  Dasselbe  Spiel  wiederholt  sich,  nachdem  der  Verfasser  zu  > 
machus  übergegangen  war;  ihm  wird  sein  Sündenregister  vorgeha 
wobei  ausser  seiner  öffentlichen  Wirksamkeit  namentlich  sein  religi 
Leben  in  allen  Verzweigungen  geschildert  wird.  Hier  ist  der  Dichte 
der  Lage,  sein  Triumphgeschrei  mit  besonders  starker  Stimme  ertönei 
lassen,  da  er  auf  das  tragische  Ende  des  frommen  Heiden  hinweisen  k 
Der  Ton  des  Produkts  ist  aufgeregt,  der  Relativsatz  wird  zu  Tode  geh< 
auch  die  Frageform  drängt  sich  im  Einklang  mit  dem  exaltierten  W 
in  den  Vordergrund.  Die  Prosodie  ist  mangelhaft,  doch  finden  mai 
Verstösse  in  dem  Gebrauche  gleichzeitiger  Dichter  ihre  Entschuldig 
Der  Eindruck,  den  das  ganze  Machwerk  auf  den  Leser  macht,  ist  ein 
befriedigender.    Seinen  Vergil  hatte  übrigens  auch  dieser  Mann  studie 

Die  Zeit  des  Gedichts  und  die  Persönlichkeit  des  Verspotteten  h 
sich  aus  dem  Gedicht  sicher  ermitteln.  Es  wurde  im  J.  394  oder  spätestens  395  ge8< 
ben,  und  der  Vorspottete  ist  Virius  Nicomachus  Flavianus.  Die  Judicien  sind  zosam 
gestellt  bei  Mommson  p.  360;  es  sind  folgende:  Vs.  25  erscheint  der  Verspottete  als  , 
fectus]  Vs.  112  heisst  er  consuL  Vs.  26  ist  der  Unbekannte  drei  Monate  hindurch  in  i 
Krieg  vorwickelt  und  dabei  ums  Leben  gekommen;  auch  das  kleine  Grab  des  Mannes 
Vs.  111  erwähnt.  114  wird  allem  Anscheine  nach  als  sein  heres  Symmachus  bezeic 
Aus  Vs.  32  und  33  ergibt  sich  die  Anspielung  auf  eine  gefahrvolle  Zeit,  in  der  der  tum 
proklamiert  wurde.  Dass  das  Gedicht  ^noch  vor  der  Katastrophe  Eugens"  geschriebei 
macht  Sehen  kl  ip.  73)  wahrscheinlich. 

Zur  Charakteristik  des  Gedichts.  Mommsen  nennt  das  Gedicht  (p.  850) 
minus  pium  et  Christianum  quam  ineptum  et  barbarum."  Den  Dichter  charakterisiei 
ip.  35 Ij  also:  «poeta  ipse  sensus  imperfecto  et  implicate  expressit  saepissimeque  ad  res  a! 
quotidianis  suae  aetatis  sermonibus  magis  quam  rerum  notitia  celebratas  hodieque  | 
obscuratas. "  Weiter  nennt  er  den  Dichter  ^ineptum  sententiis,  sermone  rudern,  ver 
faciendorum  syllabarumque  metiendarum  imperitum."  Vgl.  A.  Ebert,  Allgem.  Gescfa 
Litt,  des  Mittelalters  P  (Leipz.  1889)  p.  312;   M.  Manitius,  Gesch.  der  christl.-lat.  P< 

*)  Vgl.  Dobbelstein  p.  21  und  beson-  \  z.  B.  des  Petron,   des  Nemesianus.     F 

ders  M.  llim,  Das  Carmen  contra  Flavianum  |  scheint  der  Dichter   einige  Epigramme 

(Rhein.  Mus.  52  il8J)7)  p.  208).   Auch  Spuren  i  Damasus  gelesen  zu  haben, 

von  anderen  Autoren  hat  Ihm  nachgewiesen,  i 


Die  InveotiTiiidiohter  nnd  die  Polemiker,    (§  859.)  201 

uttgart  1891,  p.  146;  V.  Schnitze,  Gesch.  des  Untergangs  des  griech.-röm.  Heidentoms  1 
ena  1887)p.  288. 

Zur  ProBodie  und  Metrik  vgl.  Baehrens,  Rhein.  Mus.  32  (1877)  p.  212.  Wir 
wähnen  einige  Verstösse:  Endsilben  werden  in  der  Arsis  verlängert  z.  B.  Vs.  44  membrä; 
)  culiör  Etruseis,  Schlusssilben  mit  8  werden  so  gemessen,  dass  s  nicht  gerechnet  wird, 
B.  Vs.  111  danatus  sepulcro.  Vs.  41  wird  däret  gemessen,  44  coHäribus,  Schlnss-t  wird 
»rkürzt,  z.  6.  52  nocendi.    Bei  Eigennamen  wird  die  Prosodie  besondere  lax  behandelt. 

Die  Ueberlieferung  des  Gedichts  beruht  lediglich  auf  dem  cod.  Parisinus  8084 
VI,  der  Gedichte  des  Prudentius  enthält.  Eine  Beschreibung  der  Handschrift  gibt  Krüger 
d  Mommsen  p.  352.  Eine  Abschrift  des  Gedichts  liegt  vor  im  Parisinus  17904;  vgl. 
aehrens,  Rhein.  Mus.  32  p.  212. 

Ausg.  Das  Gedicht  wurde  zueret  herausgegeben  von  L.  Delisle,  Biblioth^ue  de 
^cole  des  chartes,  S^rie  6,  tom.  3  (1867)  p.  297;  dann  von  C.  Morel,  Revue  ardi^ologique 
^68,  1  p.  453;  2  p.  44  =  Recherches  sur  un  po^me  latin  du  quatri^me  si^cle,  Paris  1868; 
;1.  dazu  Revue  critique  d'histoire  et  de  litt^rature  1869  p.  800.  Abgedruckt  auch  in 
nthol.  lat.  ed.  Riese  No.  4  und  bei  Baehrens,  Poet.  lat.  min.  8  p.  287;  vgl.  auch  Rhein. 
US.  32  p.  222  (mit  vorhergehenden  Erläuterungen).  Beste  Ausg.  ist  die  von  M.  Haupt 
ä  Mommsen,  Hermes  4  (1870)  p.  354. 

Zur  Erläuterung.  Trefflicher  Commentar  von  Morel  I.e.;  De  Rossi,  Bull,  di 
eh.  crist.  1868  p.  49;  p.  61;  R.  Ellis,  Journal  of  philol.  2  (1869)  p.  66;  Th.  Mommsen, 
ermes  4  (1870)  p.  350;  J.  Mähly,  Zeitschr.  fttr  österr.  Gymn.  22  (1871)  p.  584  (Kritisches); 
.  Schenkl,  Wien.  Stud.  1  (1879)  p.  72;  G.  Dobbelstein,  De  carmine  Christiane  cod. 
uris.  8084,  Löwen  1879  (p.  49  französ.  Uebers.);  Seefelder,  Ueber  das  carm.  adv.  Flav., 
münd  1901. 

859.  Invective  gegen  einen  abgefallenen  Senator.  Ein  Senator, 
er  früher  das  Konsulat  bekleidet  hatte,  war  auch  dem  Christentum  näher 
atreten,  aber  dann,  als  ihn  dasselbe  nicht  befriedigte,  wieder  zu  den  Kulten 
3r  Magna  Mater  und  der  Isis  übergegangen.  Der  Senator  gehörte  also  zu 
3n  Männern,  bei  denen  der  Synkretismus  verschiedener  Religionen  Platz 
3griflFen.  In  der  christlichen  Welt  scheint  der  Rückfall  der  vornehmen 
ersönlichkeit  grossen  Anstoss  erregt  zu  haben;  ein  Christ  richtet  daher 
n  Mahnwort  an  ihn  und  zwar,  da  der  Abtrünnige  ein  Freund  der  Poesie 
ar,  in  gebundener  Rede;  das  Gedicht  besteht  aus  85  Hexametern.  Der 
ichter  setzt  erst  mit  dem  Spott  ein,  indem  er  das  Ungeheuerliche  der  heid- 
schen  Kulte,  denen  der  Senator  jetzt  zugethan  ist,  mit  lebhaften  Farben 
hildert;  besonders  die  Priester  der  grossen  Mutter  werden  scharf  gegeisselt. 
BF  Autor  findet  es  sonderbar,  dass  der  ehemalige  Konsul  es  mit  der  Ehre 
Ines  Hauses  vereinbar  finde,  sich  durch  die  geschilderten  Kulthandlungen 
cherlich  zu  machen.  Doch  auch  dem  Synkretismus  des  Abtrünnigen 
ickt  er  zu  Leibe:  er  meint,  dass,  wer  alles  verehre,  im  Grunde  genommen 
chts  verehre,  und  dass  das  Allzuviel  in  jeder  Beziehung  verwerflich  sei. 
Dch  den  Hauptschlag  führt  er  gegen  Ende  des  Gedichts,  indem  er  ihn 
if  den  Lohn  und  die  Strafe  im  anderen  Leben  aufmerksam  macht;  hierbei 
iterlässt  er  es  nicht,  mit  anzuführen,  dass  das  Vergehen  des  Senators 
n  80  schwerer  in  die  Wagschale  falle,  weil  ihm  die  Wahrheit  bekannt 
^worden  sei. 

In  die  Tiefe  geht,  wie  man  sieht,  das  Gedicht  nicht;  es  ist  ein  leicht 
ingeworfenes  Produkt,  das  aber  durch  die  Lebhaftigkeit  des  Tones  ein 
3wi8se8  Interesse  erregt.  In  der  Ueberlieferung  wird  die  Invective  mit 
jrprian  in  Verbindung  gebracht;  allein  sie  passt  nicht  zu  dessen  Indivi- 
lalität.     Geschrieben  wurde  das  Gedicht  allem  Anschein  nach  in  Rom;^) 


^)  Dies  kann  wohl  erschlossen  werden,  da  er  Vorgänge  schUdert,   die  in  der  urba 
zh  zugetragen;  vgl.  Vs.  11. 


202  ^^  lüTeeiandiehter  und  die  Polsmikmr.    (§  860.) 

Zeitanspielungen  enthält  es  keine,  doch  spricht  nichts  dagegen,  es  dem 
vierten  Jahrhundert  zuzuteilen,  in  dem  auch  die  Philosophie,  zu  der  sich 
der  Senator  ausdrücklich  bekennt  (Ys.  48),  die  religiösen  Bedürfhisse  zu 
befriedigen  suchte. 

Der  Titel  des  Gedichts  lautet  in  der  Ueberlieferong:  Ad  quendam  senatorem  tx 
christiana  religume  ad  idolorum  servitutem  eanversum.  Es  wird  dem  Gyprian,  der  martyr 
und  episeoptM  genannt  wird,  beigelegt. 

Ziel  des  Gedichts.  Vs.  3  quia  earmina  semper  amasti,  \  eartnine  respandent 
properavi  scribere  ütrsus,  |  ut  te  corriperem  tenehras  praepanere  luei. 

Die  üeberlieferung  basiert  auf  drei  Handschriften:  Parisinns  2772  s.  X,  Parisinns 
2832  s.  IX,  Vaticanus  Regin.  116  s.  IX/X;  vgl.  P  ei  per,  Prooem.  p.  XIX. 

Ausg.  Cypriani  opera  ed.  Hartel  3  p.  302.  Neueste  Ausg.  ist  die  von  R.  Peiper. 
Gypriani  heptateuchus  (Corpus  Script,  ecclesiast  lat  23  (Wien  1891)  p.  227). 

Litteratur.  V.  Schnitze,  Gesch.  des  Untergangs  des  griechisch-römischen  Heiden- 
tums 1  (Jena  1887)  p.  290;  A.  Ebert,  Allgem.  Gesch.  der  Litt  des  Mittelalters  1>  (Leipc 
1889)  p.  313;  M.  Manitius,  Gesch.  der  chri8tl.-lat.  Poesie,  Stuttgart  1891,  p.  130. 

860.  Das  pseudotertuUianische  Gedicht  gegen  Harcion.  Im  Jahre 
1564  gab  Georg  Fabricius  ein  Carmen  adversus  Mareionem  heraus.^)  Der 
Buchhändler  Oporinus  hatte  ihm  eine  Handschrift,  welche  dieses  Gedicht 
enthielt,  aus  dem  Besitz  des  Heroldus  überlassen.  Wahrscheinlich  stammt« 
die  Handschrift  aus  der  Lorscher  Klosterbibliothek  oder  war  eine  Abschrift 
derselben;^)  die  Handschrift,  die  sehr  fehlerhaft  geschrieben  war,  ist  seitdem 
verschollen.  Nach  den  Andeutungen,  die  sich  im  Gommentar  des  Fabricius 
vorfinden,  muss  man  annehmen,  dass  in  dem  Codex  das  Gedicht  dem 
Tertullian  beigelegt  war.  Sein  dichterisches  in  Hexametern  abgefasstes 
Werk  hat  der  Verfasser  in  fünf  Bücher  geteilt;^)  allein  diese  Gliederung 
ist  nicht  von  innen  heraus  erwachsen,  sondern  eine  rein  äusserliche.  *)  Im 
ersten  Buch  geht  der  Verfasser  von  der  Sünde  aus  und  meint,  dass  dem 
Erlösungswerk  der  Satan  durch  die  Ketzereien  entgegengearbeitet  habe: 
eine  solche  Ketzerei  sei  die  Marcions,  der  einen  guten  und  bösen  Gott 
angenommen  und  jenen  dem  alten,  diesen  dem  neuen  Testament  zugewiesen 
habe.  Im  zweiten  Buch  beweist  er  die  Einheit  in  den  Grundlehren 
des  alten  und  neuen  Testaments.  Im  dritten  Buch  bespricht  er  die  Väter, 
die  auf  den  neuen  Bund  hinweisen,  und  legt  die  Uebereinstimmung  der 
Lehren  der  römischen  Kirche  mit  den  Lehren  Christi  und  der  Apostel 
dar.  Im  vierten  Buch  geht  der  Verfasser  zur  Widerlegung  der  ein- 
zelnen Lehren  Marcions  über,  bleibt  aber  im  wesentlichen  bei  einem  Punkt 
stehen.  Im  fünften  Buch  werden  die  Antithesen  Marcions  zurückge- 
wiesen.^) Die  Zeit  und  die  Autorschaft  bilden  ein  Problem,  das  verschie- 
dene Lösungen  fand.  Von  Tertullian  kann  das  Gedicht  nicht  herrühren;  dies 
darf  als  eine  ausgemachte  Wahrheit  gelten.  Was  die  Zeit  der  Entstehung 
anlangt,  hatte  sich  bislang  ziemlich  die  Meinung  festgesetzt,  dass  das  Ge- 
dicht in  das  vierte  Jahrhundert  und  zwar  in  die  zweite  Hälfte  desselben 
gehöre.  Neuerdings  ist  aber  die  Ansicht  verfochten  worden,  dass  das 
Carmen  noch  dem  dritten  Jahrhundert  angehöre;  der  Beweis  hierfür  liegt 
in   der  noch  mangelhaften  Theologie,   welche  mit  dem  im  vierten  Jahr- 

>)JetztbeiOehler,Tertull.  Bd.2p.  781.  '   aus  236,   das  fünfte  endlich  ans  258  Hexa- 

»)  Vgl.  Waitz  p.  76.  meiern. 

»)  Das  erste  Buch  besteht  aus  242,  das  *)  Vgl.  Hückstädt  p.  12. 

zweite  aus  269,  das  dritte  aus  302,  das  vierte  *}  Vgl.  §  695. 


Die  Inveetmidiohter  und  Oie  Polemiker.    (§  860.)  203 

ndert  erzielten  Fortschritt  dieser  Disciplin  nicht  in  Einklang  zu  bringen 
.  Dieses  Resultat  darf  auch  der  den  theologischen  Fragen  fernstehende 
bterarhistoriker  als  ein  zureichend  gesichertes  aufnehmen;  dagegen  darf 
den  Behauptungen,  dass  unser  Werk  in  Afrika  entstanden  sei  und  den 
mmodian  zum  Verfasser  habe,  noch  keinen  Einfluss  auf  seine  Darstellung 
iräumen.  Das  Gedicht  bietet  überhaupt  weniger  aesthetisches  als  kirchen- 
itorisches  Interesse  dar. 

Quellen  und  Beziehungen  zu  anderen  Autoren.  Die  hauptaftchlichsten  Quellen 
ren  eine  römische  antihäretische  Schrift  mit  einem  römischen  Bischofskatalog,  aus  dem 
Tohl  Irenaeus  als  Epiphanius^geschöpft  haben  (vgl.  Waitz  p.  55  und  dagegen  A.  Har- 
ck.  Die  Chronologie  der  altchristl.  Litt,  bis  Eusebius  1  (Leipz.  1897)  p.  190),  und  eine 
irift  des  Theophilus  xaiti  Magxitjyosy  die  auch  Tertullian  und  Irenaeus  benutzten  (p.  69). 
ber  die  Beziehungen  des  carmen  zu  den  Testimonien  Gyrorians  vgl.  Waitz  p.  69.  — 
ber  Commodian  und  das  carmen  vgl.  0x6  p.  40;  über  Benützung  Vergils  vgl.  0x6 
32  Anm.  2;  über  das  Yerhftltnis  des  Jnvencus  und  des  carmen  vgl.  0x6  p.  33;  Waitz 
11;  über  das  des  Ausonius  und  des  carmen  vgl.  Manitius,  Gesch.  der  chnsÜ.-lat.  Poesie 
L52  Anm.  3;  über  Sedulins  und  das  carmen  vgl.  Manitius,  Beitr.  zur  Gesch.  frühchristl. 
:hter  (Sitzungsber.  der  Wiener  Akad.  117  (1889)  p.  22);  über  Dracontius  und  das  carmen 
[.Manitius  1.  c.  Das  Yerhftltnis  des  carmen  zu  diesen  Autoren  kann  nur  dann  richtig 
vürdigt  werden,  wenn  zuvor  die  Abfassungszeit  bestimmt  ist,  --  Ueber  Benutzung  des 
nochbuches  vgl.  H.  J.  Lawlor,  Early  citations  from  the  book  of  Enoch  (Journal  of 
Hol.  25  (1897)  p.  164);  über  die  Benutzung  des  Bamabas  vgl.  0x6  p.  12  Anm.  9,  über 
des  Hirten  des  Hermas  Waitz  p.  31. 

Abfassungszeit.  Bisher  war  ziemlich  die  Ansicht  verbreitet,  dass  das  Gedicht 
'  zweiten  Hftlfte  des  4.  Jahrhunderts  angehöre;  diese  Ansicht  wurde  besonders  von  0x6 
t>legomena  p.  37)  und  Hückst&dt  vertreten;  der  letztere  (p.  51)  nimmt  als  Abfassungs- 
b  das  Jahr  362  oder  363  an.  Diesem  Ansatz  gegenüber  hat  zuerst  Hilgenfeld  (Zeitschr. 
wissenschaftl.  Theol.  19  (1876)  p.  159)  das  Gedicht  dem  3.  Jahrhundert  zugewiesen, 
ch  Waitz  kommt  in  ausführlicher  Darlegung  zu  dem  Satz,  dass  das  Gedicht  nicht  über 
I  3.  Jahriiundert  hinabverlegt  werden  dürfe  (vgl.  p.  18  und  p.  32);  diesem  Ansätze  stimmen 
Jülicher  p.  632,  Pfeilschifter  Sp.  1289  und  Grützmacher  Sp.  499.  (Für  eine  spätere 
Setzung  als  das  4.  Jahrh.  spricht  sich  Brandes  (p.  313)  aus.) 

Die  Heimat  des  Verfassers.  Rom  als  Abfassungsort  statuiert  Hückstftdt  p.  39; 
l.  auch  Harnack,  Beitr.  zur  Gesch.  der  marcionitischen  Kirchen  (Zeitschr.  für  wissen- 
laftl.  Theol.  19  (1876)  p.  113);  dagegen  hat  Ox^  Afrika  als  Heimat  des  Dichters  hin- 
stellt und  darin  bei  Waitz  (p.  5)  Zustimmung  gefunden.  Doch  sind  die  Ermittelungen 
iz  unsicher.  Gegen  Rom  als  Abfassungsort  vgl.  0x4  p.  38.  Aber  auch  AMka  als  Ur- 
ungsort  kann  aus  der  Sprache  nicht  mit  Sicherheit  bestimmt  werden;  vgl.  Waitz  p.  85. 

Der  Verfasser,  n)  In  der  üeberlieferung  wird  das  Gedicht  dem  Tertullian 
geschrieben,  und  die  meisten  älteren  Gelehrten  halten  an  ihm  als  Autor  fest.  Allein  die 
torschaft  Tertullians  ist  eine  unmögliche.  Schon  die  Widersprüche  zwischen  dem  Gedicht 
1  dem  echten  Werke  Tertullians  legen  hiergegen  Protest  ein.  ß)  Ausser  der  Üeberlieferung 
rden  auch  folgende  Worte  eines  Anonymus  (J.  A.  Fabricius,  Bibl.  ecci.,  Hamb.  1718, 
69)  herangezogen:  Victorinus  epiacopus  composuit  et  ipse  versibus  dtw  opuscula  admodum 
*v%a,  unum  adveraus  Manichaeos,  reprobrantes  veteris  testamenti  deum,  veramque  Christi 
^arnationem  contradicentes;  alium  autem  adversus  MarcionitctSf  qui  duo  principia  id  est 
08  deas  fingunt,  unum  malum,  iustuntf  creaturarum  conditorem  et  retributorem  factorum, 
erutn  bonum,  animarum  susceptorem  et  indultorem  criminum.  Hückstftdt  (p.  55)  stellt 
mach  die  Hypothese  auf,  dass  der  Verfasser  des  pseudotertullianischen  Gedichts  der 
etor  C.  Mari  US  Victorinus  Afer  (§  828)  sei.  Doch  schon  der  Unterschied  in  der 
eologie  Iftsst  diese  Hypothese  als  unwahrscheinlich  erscheinen;  vgl.  G.  Koffmane,  De 
irio  Victorino  philosopho  Christiane,  Bresl.  1880,  p.  35.  Auch  anderes  spricht  dagegen, 
B  Waitz  (p.  84)  zeigt;  vgl.  zur  Frage  noch  A.  Harnack,  Beitr.  zur  Gesch.  der  marcio- 
ischen  Kirchen  (Zeitschr.  für  wiss.  Theol.  19  (1876)  p.  113).  y)  Haussleiter,  Die  Com- 
tntare  des  Victorinus,  Tichonius  und  Hieronymus  zur  Apokalypse  (Zeitschr.  für  kirchl. 
issensch.  und  kirchl.  Leben  7  (1886)  p.  254)  glaubt  nach  dem  Vorgang  Tillemonts, 
38  der  Verfasser  unseres  Gedichts  Victorinus  von  Pettau  (§  748)  sei;  vgl.  auch 
Krüger,  Herzogs  Realencvcl.  6  (1899)  p.  407.  Das  Hauptargument  besteht  darin,  dass 
ischen  dem  Gedicht  und  dem  Commentar  des  Victorinus  zur  Apokalypse  Beziehungen 
stehen;  allein  diese  Beziehungen  nötigen  uns  nicht,  die  Autorschaft  des  Victorinus  für 
s  Gedicht  anzunehmen;  vgl.  Waitz  p.  89.    d)  Endlich  Waitz  selbst  (p.  112)  tritt  für 


204  Hilarins  ▼on  Poition.    (§  861.) 

Commodian  als  Verfasser  des  Gedichts  ein;   doch  sind  die  Beweise  methodisch 
einwandfrei.    Die  Verskonst  des  Commodian  ist  eine  andere  als  die  des  Gedichts. 

Ueberlieferung.  Nach  einem  Gatalog  der  Klosterbibliothek  von  Lorsch  (G.  B  e  < 
Catalogi  biblioÜiecamm  antiqui,  Bonn  1885,  37,  446  p.  111)  standen  in  einer  Handschri 
Werke:  metrum  Tertulliani  de  resurrectione.  eiusdem  lib.  V  adversuB  Mareionem.  Di 
sammenstellong  der  libri  V  adveraus  Mareionem  mit  einem  Gedicht  des  Pseadotert 
läset  darauf  schliessen,  dass  auch  die  Bttcher  adversus  Mareionem  nicht  die  echte  1 
Schrift  Tertullians,  sondern  das  pseudotertnllianische  Gedicht  bezeichneten.  Da  nun  C 
bricius  mit  dem  antimarcionischen  Gedicht  auch  das  andere  im  Gatalog  stehende 
zielte,  80  wird  seine  Handschrift  entweder  der  Lorscher  Codex  selbst  oder  eine  Abi 
desselben  gewesen  sein;  vgl.  Waitz  p.  76.  Dieser  Codex  ist  leider  verloren  gegi 
und  wir  waren  daher  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  nur  auf  die  editio  princeps  angeit 
welche  den  Text,  um  ihn  der  klassischen  Rede  zu  nähern,  äusserst  willkürlich  gest 
Allein  jetzt  hat  sich  noch  eine  neue  Textesquelle  erschlossen:  A.  Mai  (Classici  anct 
p.  382)  hat  aus  dem  Vaticanus  Regin.  582  s.  IX/X  ein  Carmen  Victorini  de  nativitate 
sione  et  resurrectione  Domini  publiziert;  dem  von  Mai  veröffentlichten  Gedicht  ginj 
in  der  Handschrift  noch  ein  anderes  auf  das  alte  Testament  bezügliches  und  dah< 
ihm  wohl  eine  Einheit  bildendes  Gedicht  voraus  mit  dem  Titel  versus  Vietorini  c 
Domini.  Die  Mehrzahl  der  Verse  dieses  zweiten,  von  Mai  nicht  publizierten  Gedicl 
aus  unserem  pseudotertullianischen  Gedicht  adversus  Mareionem  entnommen;  auch  ii 
von  Mai  veröffentlichten  finden  sich  Entlehnungen  aus  unserem  Gedicht;  vgl.  Bra 
Zwei  Vietoringedichte  des  Vatic.  Regin.  582  und  das  Carmen  adversus  Marcionitas  l 
Stud.  12  (1890)  p.  810),  der  zuerst  den  Wert  der  neuen  Textesquelle  dargelegt,  li 
schluss  an  ihn  erörtert  den  Cento  A.  Oxö,  Victorini  versus  de  lege  Domini.  Ein  nne< 
Cento  aus  dem  carmen  adversus  Marcionitas,  Crefeld  1894. 

Litteratur.  E.  Hückstädt,  lieber  das  pseudotertulllanische  Gedicht  adversuf 
cionem,  lieipz.  1875;  vgl. dazu  A.  Harnack,  Theol.  Litteraturzeitung  1876  Sp.  265;  A.  Hi 
feld,  Zeitschr.  für  wissenschaftl.  Theol.  19  (1876)  p.  154;  A.  Ox^,  Prolegomena  d< 
mine  adversus  Marcionitas,  Lcipz.  1888;  vgl.  dazu  A.  Harnack,  TheoL  Litteraturz« 
1888  Sp.  520;  A.  Ebert,  Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittelalters  1*  (Leipz.  1889) 
Anm.  1;  M.  Manitius,  Gesch.  der  christl.-lat.  Poesie,  Stuttgart  1891,  p.  148;  H.  W 
Das  pseudotertnllianische  Gedicht  adversus  Mareionem,  Darmstadt  1901;  vgl.  dazu  A 
lieber,  Gott.  gel.  Anz.  1901  p.  628;  G.  Pfeilschifter,  Wochenschr.  für  klaas.  1 
1901  Sp.  1287;  Grützmacher,  Theol.  Litteraturzeitung  1901  Sp.  498.  —  G.  Koffn 
Entstehung  und  Entwicklung  des  Kirchenlateins,  Bresl.  1879,  p.  155;  vgl.  auch  §  831;  Zi< 
Zur  Gesch.  der  Lehrdichtung  in  der  spätröm.  Litt.  (Neue  Jahrb.  für  das  klass.  Alter 
(1898)  p.  409);  G.  Krüger,  Gesch.  der  altchristl.  Litt.,  Freib.  1898,  p.  409. 

6.  Hilarius  von  Poitiers. 

861.  Das  Hymnenbuch  des  Hilarius.  Dass  Hilarius  der  äl 
Hymnendichter  der  lateinischen  Kirche  sei,  stand  seit  langem  fest;  H 
nymus  kannte  einen  liber  hymnorum  von  Hilarius;  auch  liefen  Hyi 
unter  dem  Namen  desselben  um,  allein  bei  keinem  einzigen  war  eine  sie 
historische  Beglaubigung  gegeben.  Es  fehlte  daher  der  Beurteilung 
Hilarius  als  Hymnendichter  aller  Boden;  subjektiven  Vermutungen 
reicher  Spielraum  gegeben.  Die  Sachlage  schien  sich  zu  ändern, 
Qamurrini  in  einer  Handschrift  von  Arezzo  ausser  dem  Mysterientn 
auch  verstümmelte  Hymnen  fand,  für  welche  die  Autorschaft  des  Hil 
handschriftlich  bezeugt  war.  Es  sind  drei  Hymnen,  von  denen  k< 
unversehrt  geblieben  ist;  dem  ersten  fehlen  die  vier  letzten  Strophen, 
zweiten  die  fünf  ersten,  von  dem  letzten  ging  der  Schluss  verloren,  d< 
Länge  natürlich  unbestimmbar  ist.  Der  erste  und  der  zweite  Hyi 
sind  Abecedarien.  Was  das  Metrum  der  drei  Hymnen  betrifft,  ist 
zweite  Hymnus  in  jambischen  Senaren,  der  dritte  in  trochäischen  Tr 
metern  geschrieben.  Der  erste  Hymnus  ist  in  dem  zweiten  Asklepiac 
gedichtet,  d.  h.  dem  glykoneischen  Verse  folgt  eine  Zeile  im  Asklepis 
minor,  die  Strophe  besteht  aus  vier  Zeilen.     In  dem  zweiten  und  dr 


HUarius  Ton  PoiUers.    (§  861.)  205 

Hymnus  f&llt  Versictus  und  der  Accent  fast  immer  zusammen.  Der  erste 
Hymnus  befolgt  ein  anderes  Prinzip,  das  der  Quantität,  allein  mit  grossen 
Licenzen,  denn  kurze  Silben  werden  in  der  Hebung  lang  und  lange  Silben 
in  der  Senkung  kurz.  ^)  Der  erste  Hymnus  bezieht  sich  auf  die  Trinitäts- 
lehre,  d.  h.  auf  das  Verhältnis  des  Sohnes  zum  Vater.  In  dem  zweiten 
Hymnus  spricht  eine  Jungfrau,  welche  vom  Heidentum  zum  Christentum 
sich  bekehrt  und  die  Taufe  empfangen  hat.  Der  dritte  Hymnus  hat  den 
Teufel  zum  Gegenstand.  Alle  drei  Produkte  sind  dichterisch  betrachtet 
sehr  unvollkommen;  es  fragt  sich  demnach,  wie  es  mit  der  Echtheit  steht. 
Handschriftlich  bezeugt  ist  streng  genommen  nur  der  erste  Hymnus;  denn 
da  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Hymnus  eine  Lücke  von  sechs  Seiten 
eingetreten  ist, ')  so  ist  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  in  dieser 
Lücke  ein  neues  Hymnenbuch  beginnt.  Allein  in  diesem  Fall  würden  wir 
ein  sehr  kleines  Hymnenbuch  des  Hilarius  erhalten;  viel  wahrscheinlicher 
ist  die  Annahme,  dass  Hilarius  in  sein  Hymnenbuch  auch  Produkte  anderer 
ihm  nahestehender  Personen  aufgenommen  hat.  Es  ist  übrigens  auch  nicht 
ausgeschlossen,  dass  eine  dritte  Person  Hymnen  des  Hilarius  mit  anderen 
vereinigt  und  sie  unter  dem  berühmten  Namen  publiziert  hat.  ^)  Ein 
solcher  fremder  Hymnus  ist  der  zweite ;  denn  es  ist  kaum  glaublich,  dass 
hier  Hilarius  im  Namen  einer  Jungfrau  spricht,  wir  glauben  vielmehr,  die 
weibliche  Stimme  selbst  zu  vernehmen.  Rührt  aber  der  zweite  Hymnus 
nicht  von  Hilarius  selbst  her,  so  ist  klar,  dass  auch  durch  den  neu  auf- 
gefundenen Schatz  kein  festes  Fundament  für  die  Hymnendichtung  des 
Hilarius  gewonnen  ist.  Es  ist  daher  auch  nicht  möglich,  über  die  unter 
dem  Namen  des  Hilarius  umlaufenden  Hymnen  eine  sichere  Entscheidung 
zu  treffen.  Aber  dass  Hilarius  Hymnen  verfasst  hat,  dürfte  nicht  zweifel- 
haft sein. 

Den  Anstoss  zur  Hymnendichtung  erhielt  Hilarius  sicher  im  Orient 
während  seines  Exils.  Hier  mochte  er  erkannt  haben,  welch  wichtiges 
Element  der  Hymnengesang  in  dem  Gottesdienst  bildet  und  wie  sehr  der- 
selbe auch  geeignet  sei,  das  Volk  im  Glauben  gegen  die  arianische  Häresie 
zu  stärken.  Wir  hören  in  der  That  auch  von  Versuchen  des  Hilarius,  den 
liturgischen  Gesang  in  Gallien  einzuführen,  zugleich  aber  auch,  dass  er 
hierbei  auf  grosse  Schwierigkeiten  stiess. 

Hilarius  als  Hymnendichter.  Isid.  Hispal.  Off.  eccl.  1.  I,  c.  6:  Hilarius  Gallus 
episcopu8  Pictaviensis  hymnorum  carmine  floruit  primus.  Conc.  Tolet.  IV  (im  Jahre  633) 
can.  13:  NonnuUi  hymni  humano  studio  in  laudem  Dei  atque  apostolorum  et  martyrum  trium- 
phas  eompositi  esse  noscuntur,  sicut  hi,  quos  beatissimi  doctores  Hilarius  atque  Ämbrosius 
ediderunt. 

üeber  die  Yersuche,  den  Hymnengesang  in  Gallien  einzuführen,  vgl. 
das  Zeugnis  des  Hieronymus  ad  6al.  lib.  2:  Hilarius^  latinae  eloquentiae  RhodanuSy  Gallus 
ipse  et  Pictavis  genitus,  eos  {Gallos)  in  hymnorum  carmine  indociles  vocat;  dann  die  Stelle 
aus  dem  Psalmencommentar  des  Hilarius  65,  4  (p.  251  Z.):  audiat  orantis  populi  consisiens 
quis  extra  ecclesiam  vocem,  spectet  celebres  hymnorum  sonitus  et  inter  divinorum  quoque 
saeramentorum  offieiä  responsionem  devotae  confessionis  accipiat.  necesse  est  terreri  omnem 
adpersantem  et  hellari  adversus  diabolum  vincique  resurrectionis  fide  mortem  tali  exultantis 
poeis  nostrae,  ut  dictum  est,  iubilo. 

üeber  die  dem  Hilarius  gewöhnlich  noch  zugeschriebenen  Hymnen  vgl. 


*)  VgL  darüber  Dreves,  Das  Hymnen-   ,  *)  Gamurrini  p.  XVI. 

buch  des  hl.  Hilarius  p.  367.  j  ')  Vgl.  auch  Eayser  p.  63. 


206  Ambroains.    (§  862.) 

Kayser,  Beiträge  etc.  Es  sind  in  Daniels  Thesauros  hymnologicas  folgende  i 
1.  Lucis  Jargitor  aplendide,  2.  Deus  pater  ingenite,  3.  In  matutinis  surgimus,  4  Jan 
noctis  transiit,  5.  Jesus  refulsit  omnium,  6.  Jesu  quadragenariae,  7.  Deata  nobis  g 
Das  mozarabische  Brevier  schreibt  2,  3,  4  dem  Hilarius  aoBdrtlcklich  zu.  Auch  Reii 
hält  aus  inneren  Gründen  2  und  3  für  hilarianisch.  Die  Hymnen  5,  6,  7  entbehren 
äusseren  Zeugnisses  für  die  Autorschaft  des  Hilarius  und  sind  nach  Kayser  (p.  67] 
späteren  Zeit  zuzuweisen.  Ausser  diesen  wird  auch  noch  ein  Abendhymnus:  Ad  caeii 
non  sum  dignus  sidera  dem  Hilarius  beigeschrieben.  Dieser  Hymnus  wurde  heranagi 
von  Pitra,  Analecta  sacra  et  classica  1  (Paris  1888)  p.  138;  abgedruckt  auch  in  Ze 
für  kathol.  Theol.  13  (1889)  p.  787  und  bei  Duemmler,  Poet  kt.  aevi  Carol.  1  i 
Es  existiert  nämlich  ein  unechter  Brief,  den  Hilarius  an  seine  Tochter  Abra  gesdi 
haben  soll.  Demselben  sind  zwei  Hymnen  beigeschlossen,  der  oben  unter  No.  1  angc 
Morgenhymnus  und  der  erwähnte  Abendhymnus.  Der  Brief  ist  entschieden  apokryph 
den  beiden  Hymnen  will  Kayser  (p.  70)  den  Morgenhymnus  dem  Hilarius  zuweise 
gegen  spricht  er  den  Abendhymnus  demselben  aus  inneren  Gründen  entschieden  ab. 
sieht,  dass  hier  alles  schwankend  und  unsicher  ist 

Litteratur.  B.  Hoelscher,  De  ss.  Damasi  Papae  et  Hilarii  episc.  Picta^ 
qui  feruntur  hymnis  sacns  (Münster  1858);  Kayser,  Beiträge  zur  Geschichte  und  EIrk 
der  ältesten  Kirchenhymnen,  Paderborn'  1881,  p.  52;  G.  Gamurrini,  8.  Hilarii  tn 
de  mysteriis  et  hymni  et  S.  Silviae  Aquitanae  peregrinatio  ad  loca  sancta;  accedil 
diaconi  liber  de  locis  sanctis,  Rom  1887;  über  das  Hymnenbuch  handeln  die  Proleg 
p.  XVI.  M.  Dreves,  Das  Hymnenbuch  des  hl.  Hilarius  (Zeitschr.  für  kathol.  Theol.  12 
p.  358;  Weyman,  Burs.  Jahresber.  84.  Bd.  2.  Abt  (1895)  p.  288  (Echtheitsfrage); 
';;  Watson,  St.  Hilary  of  Poitiers,  select  works  translated,  New- York  1899,  p.  XLVl. 

Allgemein    orientierende    Schriften    über    die    christlichen    Hyn 
Kayser,  Beitr.  etc.;  S.  W.  Duffield,  The  latin  hymn  writers  and  their  hymns,  London 
•  f-\  Unechte  Gedichte  des  Hilarius:   1.  In  Genesin.    Im  Laudunensis  273 

die  Ueberschrift  also:    In  nomine  domini  nostri  Jesu  Christi  incipit  metrum  sancti  I 

Pictavensis  (sie)  episcopi  in  Genesin  ad  l^eonem  papam.   Dem  Gedicht  gehen  drei  Dia 

■  •*•_  voraus,  in  welchen  der  Dichter  sagt,   dass  er  sein  Werk  auf  Anregung  des  Adressat 

■} ,  schrieben,  obschon  er  die  Fähigkeit  dazu  nicht  besessen.  Das  Gedicht  ist  dämm  sehr 

''^  würdig,  well  sich  der  Dichter  dem  in  der  Genesis  überlieferten  Stoff  gegenüber  volle 

heit  bewahrt;    er  folgt  daher  nicht  sklavisch   dem  hl.  Texte,   sondern   gestaltet  ih 
dichterischer  Phantasie,  wobei  er  selbst  aus  Ovids  Metamorphosen  Züge  einmischt, 
hobener  Sprache  erzählt  er  die  Entstehung  der  Welt,   die  Erschaffung  des  Menscher 
Sündenfall  und  die  Sündflut.  Damit  schliesst  das  Gedicht,  das  aus  198  Hexametern  b< 
ab.    Dem  Hihirius   von  Foiiiers  gehört  das  Gedicht  nicht  an;   zweifelhaft  ist  auch, 
dem  Hilurius  von  Arles  zuzuweisen.    Wir  werden  uns  bescheiden  müssen  zu  sagen,  dai 
Verfasser  irgend  ein  Hilarius  ist     Uebcr  das  Gedicht  vgl.  Ebert,  Allgem.  Gesch.  de 
des  Mittelalters  1^  (Leipz.  1889)  p.  368;  Manitius,  Gesch.  der  christl.-lat  Poesie,  Stu 
1891,  p.  189;   St  Gamber,  Le  livre  de  la  'Genese'  dans  la  po^ie  latine  au  V"* 
Paris  1899,  p.  17.    Ausg.  von  R.  Peiper,  Cypriani  Heptateuchos  (Corpus  Script,  eccl 
lat  23  (Wien  1891)  p  231). 

2.  Carmen  de  evangelio.  Aus  dem  Sangallensis  48  s.  VUI  hat  Pitra,  Sp 
Solesm.  1  p.  166  ein  Gedicht  von  114  Hexametern  herausgegeben,  das  in  der  Handi 
betitelt  ist:  Carmen  Hilarii  Pictariensis  epi»copi  de  erangeUo.  Dasselbe  beginnt  m 
Geburt  Christi  und  schliesst  daran  die  Anbetung  Christi  durch  die  Weisen  ans  dem  M< 
lande.  Wir  erhalten  indess  keine  Erzählungen;  der  Dichter  gibt  kurz  die  beiden  Thatsi 
um  daran  eine  enthusiastische  Lobpreisung  zu  knüpfen.  Dann  verliert  sich  der  Au 
wunderbar  mystische  Bilder.  Das  Gedicht  ist  ein  Fragment.  Weder  dem  Hilariui 
Poitiers  noch  dem  Hilarius  von  Arles  können  wir  mit  guten  Gründen  das  Gedicht  d 
prosodischen  Gebrechen  leidet,  zuteilen;  warum  Peiper  (p.  XXIX)  für  unser  Gedichl 
selben  Autor  annehmen  will,  wie  für  das  vorausgehende,  ist  nicht  recht  ersichtlich, 
in  Cypriani  heptateuchos  ed.  R.  Peiper  p.  270.  Besprochen  ist  das  Gedicht  von  Ä 
tius  p.  102. 

7.   Ambrosius. 

863.   Die  Hymnendichtung  des  Ambrosius.  Wenn  auch  der  Kirc 

gesang,  wie  wir  sahen,  auf  Hilarius  zurückgeführt  werden  muss,  so  h 
wir  doch  den  Ambrosius  als  den  eigentlichen  Schöpfer  des  Kirchenl 
anzusehen;  denn  abgesehen  davon,  dass  wir  bei  Hilarius  keinen  f< 
Boden  gewinnen,  scheint  auch  dessen  Thätigkeit  auf  diesem  Gebiet  1 


AmbroBins.    (§863.)  207 

mittragende  Bedeutung  erlangt  zu  haben.  Erst  durch  Ambrosius  wurde 
r  lateinische  Hymnengesang  ein  wesentlicher  Bestandteil  der  Liturgie; 
mit  hebt  aber  ein  neuer  Zweig  der  christlichen  Dichtung,  die  lyrische, 

und  bringt  es  zu  einer  reichen  Entfaltung.  Praktische  Zwecke  waren 
,  welche  den  Mailänder  Bischof  auf  diese  Bahn  drängten.  Die  Arianer 
tten  für  ihre  Sache  grosse  Propaganda  dadurch  gemacht,  dass  sie  die 
ierlichkeit  des  Gottesdienstes  durch  den  Gesang  der  Gemeinde  erhöhten, 
[gleich  gab  das  vom  Volk  gesungene  Lied  ihnen  erwünschten  Anlass, 
*e  dogmatischen  Lehren  zu  popularisieren  und  zu  verbreiten.  Um  den 
ianem  entgegenzuwirken,  stattete  Ambrosius  seinen  Gottesdienst  noch 
icher  aus  und  liess  Hymnen  durch  das  Volk  singen.  In  den  Wirren 
8  Jahres  386,  welche  durch  die  arianische  Justina,  die  Mutter  des 
klentinian,  hervorgerufen  wurden,  erwies  sich  dieser  Eirchengesang, 
dcher  um  jene  Zeit  eingeführt  wurde,  als  eine  mächtige  Schutzwaffe 
8  orthodoxen  Bekenntnisses.  Als  Vers  für  seine  Hymnen  wählte  Am- 
osius  den  akatalektischen  Dimeter.  Derselbe  ruht  auf  der  Quantität 
d  ist  nach  festen  Regeln  gebaut.  Statt  des  Jambus  erscheint  nur  an 
n  ungeraden  Stellen  ein  Spondeus  oder  ein  Anapäst.  Die  Zulässigkeit 
8  Hiatus  ist  zweifelhaft.    Längung  einer  auslautenden  kurzen  Silbe  kann 

der  Hebung  stattfinden.  Widerstreit  zwischen  Wortaccent  und  Vers- 
us ist  durchaus  nicht  vermieden.  Der  Reim  wird  nicht  gesucht  und 
,  wenn  er  vorkommt,  zufällig.  Auch  der  Aufbau  der  Gedichte  folgt 
iten  Gesetzen;  vier  Zeilen  sind  zu  einer  Strophe  zusammengeschlossen, 
las  Gedicht  besteht  aus  acht  Strophen.  Offenbar  hing  diese  Gomposition 
r  Hymnen  mit  der  antiphonischen  Vortragsweise  zusammen.  Aus  dem 
sagten  ergibt  sich,  dass  die  lyrische  Dichtung  des  Ambrosius  auf  dem 
iden  der  nationalen  Dichtung  erwachsen  ist.  Selbst  in  der  Wahl  des 
^trums  scheint  Ambrosius  von  nationalen  Rücksichten  beeinflusst  worden 

sein ;  er  wählte  den  Vers,  der  damals  so  beliebt  war,  dass  sogar  Epen 

demselben  gedichtet  wurden.^)  Auch  die  Gedankenwelt  der  ambro- 
.nischen  Hymnen  hat  klassischen  Anstrich;  die  ruhige  objektive  lyrische 
twegung  erinnert  vielfach  an  die  Oden  des  Horaz.  Ambrosius  war  aber 
;ht  bloss  Dichter,  sondern  auch  Komponist,  denn  seine  Gedichte  waren 

nicht  zum  Lesen,  sondern  zum  Singen  bestimmt.  In  Bezug  auf  die 
)lodien  war  er  auf  den  Orient  angewiesen.  Dort  hatte  sich  besonders 
Syrien  die  griechische  Musik  in  der  Kirche  zu  grosser  Blüte  entfaltet, 
igustin  bezeugt  auch  ausdrücklich  die  Abhängigkeit  des  Ambrosius  in 
isikalischer  Einsicht  vom  Orient.  Dass  sich  seine  Musik  dem  Metrum 
r  Hymnen  anschmiegte,  ist  kaum  zweifelhaft. 

863.  Die  einzelnen  Hjrnmen.  Die  Hymnendichtung  des  Ambrosius 
izte,  wie  alles  Neue  von  Bedeutsamkeit,  zur  Nachahmung.  Es  trat  eine 
dhe  von  Dichtern  auf,  welche  ebenfalls  Hymnen  im  Versmass  und  im 
il  des  Ambrosius  zu  schreiben  versuchten  und  ihrem  Vorbild  mehr  oder 
)niger  gleichkamen.  So  bildete  sich  eine  Gruppe  von  Gedichten,  welche 
ter    dem    Sammelnamen    , Ambrosianische    Hymnen"    sich    zusammen- 


>)  Vgl.  Ebert,  Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittelalters  1>  (Leipz.  1889)  p.  181. 


■      K 


■  r 


208  AmbroBins.    (§  863.) 

fanden.  Da  diese  Lieder  für  die  Liturgie  bestimmt  waren  und  nur  in 
selben  ihr  Leben  hatten,  war  der  Name  des  Dichters  gleichgültig; 
ambrosianische  Hymnus  wurde  also  zum  Gattungsbegriff.  Dadurcl 
uns  natürlich  sehr  erschwert,  das  Eigentum  des  Ambrosius  festzust< 
Zum  Glück  kommt  uns  Augustinus  zu  Hülfe.  Dieser,  ein  in  jeder 
sieht  einwandfreier  Zeuge,  gibt  uns  vier  Hymnen  ausdrücklich  als 
brosianische  an.  Es  sind  dies:  1.  Dens  creator  omnium,  2.  Aeterne  r 
conditor,  3.  Jam  surgit  hora  tertia,  4.  Yeni  redemptor  gentium.  I 
dieses  wertvolle  Zeugnis  Augustins  bekommen  wir  eine  feste  Gruni 
für  die  Erkenntnis  der  ambrosianischen  Hymnendichtung ;  die  von  Aug 
genannten  vier  Hymnen  müssen  den  Ausgangspunkt  für  den  Erfor 
der  ambrosianischen  Hymnen  bilden;  auch  wir  haben  oben  dieselbe) 
unsere  allgemeinen  Betrachtungen  zur  Grundlage  genommen.  An 
Hand  der  vier  Hymnen  wurden  im  Lauf  der  Zeit  verschiedene  Yen 
gemacht,  das  Corpus  der  ambrosianischen  Hymnen  wieder  zu  gewii 
So  haben  die  Benediktiner  noch  acht  unseren  vier  Hymnen  hinzugefi 
Eine  methodischere  Betrachtung  wurde  in  neuerer  Zeit  durch  BL 
und  Dreves  angebahnt.  Besonders  erwies  sich  die  Heranziehung  der 
länder  Liturgie^)  fruchtbringend.  Mit  Benutzung  aller  einschlägigen 
terien  kann  man  noch  mindestens  zehn  den  bei  Augustin  genannten 
zufügen.  8) 

Die  Hymnen  des  Ambrosius  sind  schlicht  und  einfach,  aber  ede 
halten.  Die  Gedanken  strömen  reichlich  in  denselben;  diese  Geda 
aber  fliessen  aus  dem  Born  eines  lebendigen  Glaubens.  In  den 
Formen  thut  sich  eine  neue  Welt  vor  unseren  Augen  auf;  die  nich 
Schemen  sind  verschwunden,  das  von  Worten  lebende  hohle  Patho 
ausgemerzt,  wir  hören  jetzt  den  Pulsschlag  eines  von  christlichen  ] 
erfüllten  Herzens,  und  selbst  die  Natur  wird  in  den  Dienst  Gottes  ges 
Erst  mit  dieser  Dichtungsgattung  ist  eine  wahrhaft  christliche  Poesie 
standen.  Dem  Epiker  legte  der  biblische  Bericht  zu  grosse  Fesseli 
dem  Lyriker  dagegen  stand  das  weite  christliche  Gemütsleben  offen. 
konnte  der  Diclitergenius  sich  frei  emporschwingen. 

Der  Hymnus  Ambrosianus.  Beda«  De  arte  mctr.  c.  11:  Hymnos  vero,  quof  i 
itUerftantihns  canere  oportet j  necesse  est  singulis  versibus  ad  purum  esse  distinctos,  ui 
omnes  Amhrosiani.     Sicher  bezeugt  sind  folgende  Hymnen  von  Ambrosius: 

1.  Dcus  Creator  omnium.  Diesen  H3rmnus  citiert  Augustin  confess.  9,  12:  : 
datus  sum  reridkos  versus  Amhrosii  tui:  tu  es  enim  deuSy  creator  omnium  etc. 
noch  de  vita  beata  c.  35.  Der  Hymnus  ist  ein  Abendhymnus  von  acht  Strophen.  E 
fallt  naturgemäss  in  zwei  Teile,  in  einen  Dank  für  den  verlebten  Tag  and  in  eine  ] 
um  Bewahrung  vor  der  Sünde  in  der  Nacht.  Mit  der  Anrufung  des  dreieinigen  ( 
bchliesst  der  Hymnus. 

2.  Aeterno  rorum  conditor.     Den  Hymnus  bezeugt  Augnstin  retract.  1,  21: 
cantatur  ore  midtorum  versibus  beatissimi  Ambrosii,  ubi  de  gallo  gallinaceo  ait:  Hoc 
petra  ecclesiae  caneute  culpam  diluit.  Dieselben  Gedanken,  die  der  Hymnus  anssf 
finden  sich  im  Hexat'raer.  5,  24.     Der  Hymnus  ist  ein  Morgenhymnus;  es  wird  zaen 

^)  Vgl.  das  Verzeiclmis  von  Dreves.  nica  medii  aevi  27  (1897)  p.  35). 

*)  M.  Magistrctti,  Monumenta  veteris  ^)   Gegen   diese  Versuche    verhält 

liturgiae  Ambrosianae,  Mailand  1898.    Ueber  ablehnend  Th.  Förster,  Ambrosius  vor 
die  Verwertung  ambrosianischer  Hymnen   in   ,    land,   Halle  1884,  p.  264;    Ambrosius  i 

der  mozarabischen  Liturgie  vgl.  C.  Blume,  encycl.  für  protestantische  Theol.  und! 

Hymnodia  Gotica.    Die  mozarabischen  Hym-  1*  (1896)  p.  447). 
nen  des  altspanischen  Ritus  (Analecta  hym- 


Ambrosins.    (§  868.)  209 

Sanunbrechen  des  Morgens  mit  dem  Hahnemnf  und  seine  Wirkung  geschildert  Der  Sänger 
nAi  dem  neuen  Tag  yertrauensvoll  entgegen  und  geht  zum  Morgengebet  über. 

8.  Jam  surgit  horatertia.  Auch  dieser  Hymnus  wird  von  Augustin  bezeugt. 
fbt  sagt  de  natura  et  gratia  c.  Pelagianos  c.  63:  (AmbroHtui)  in  hymno  suo  dicit:  Votisque 
praestai  sedulis,  sanetum  mereri  spiritum.  Die  dritte  Stunde  bezeichnet  nach  un- 
lerer  Zeitrechnung  die  Morgenzeit  von  8—9.  Es  war  die  Stunde,  in  der  der  Heiland  ge- 
kranzigt  wurde.    Der  Hymnus  schildert  den  Kreuzestod  und  seine  Wirkung. 

4.  Yeni  redemptor  gentium.  Der  Hymnus  wird  mehrfach  bezeugt:  Augustinus 
lenno  872:  Hüne  nottri  gigantU  excursum  breviaaime  cu:  pulcherrime  cecinit  B.  AmbroHus 
Km  hymno  quem  paulo  ante  cant(uti8.  Da  die  Echtheit  des  sermo  nicht  ganz  feststeht,  ist 
nt  beachten,  dass  Weyman  (Misz.  zu  lat  Dicht,  p.  10)  den  Hvnmus  (Vs.  19)  durch  tract. 
m  er.  Joann.  59,  3  geschützt  glaubt.  Weiterhin  citiert  ihn  der  Papst  Gaelestinus  422—432; 
rgl.  Efttstolae  Romanorum  Pontificum  ed.  Coustant  T.  1  (Paris  1721)  p.  1098.  Faustus 
ima  455)  erwfthnt  den  Hymnus  in  der  epistola  ad  Gratum  diaconum  (Monum.  Germ.  Auct.  antiq. 
vIH  p.  286  ed.  Kruse h);  endlich  erwähnt  ihn  noch  Gassiodor  in  psalm.  8  und  in  psalm.  71. 
[>er  Hymnus  bezieht  sich  auf  die  Menschwerdung  des  Erlösers  und  ist  ein  Weihnachtslied 
ron  sUrk  dogmatischem  Charakter.  Von  dem  Hymnus  ist  auch  noch  eine  andere  Anfangs- 
Itcophe  Überliefert:  Intende  qui  regis  Israel,  |  super  cherubim  qui  sedes,  \  appare  Ephrem 
PTgm  exeita  \  potentiam  tuam  et  veni.  Die  Meinungen  fiber  die  Echtheit  der  Strophe  sind 
nteilt.  Mono  (Die  lateinischen  Hymnen  des  Mittelalters  1  p.  43),  Förster  (Ambrosius, 
Balle  a.  8.  1884,  p.  329  Anm.  115)  und  Dreves,  Ambrosius,  der  Vater  des  Kirchengesanges 
pBn^bisnngsheft  58  zu  den  Stimmen  aus  Maria-Laach,  Freiburg  i.  B.  1893,  p.  63)  sind  für 
ne  Echtheit;  Kays  er  (Beitr.  zur  Gesch.  und  Erklärung  der  ältesten  Kirchenhymnen,  Pader- 
born' 1881,  p.  172  Anm.  1)  ist  dagegen.  Da  die  Strophe  im  Cistercienserbrevier  und  in  sämt- 
Bdien  Quellen  der  Mailänder  Liturgie  steht,  auch  Gründe  sich  auffinden  lassen,  die  zur 
Btraichung  der  Strophe  führten,  wird  an  der  Echtheit  festzuhalten  sein,  aber  dann  muss  die 
eine  Dozologie  enthaltende  letzte  Strophe  gestrichen  werden,  um  die  gesetzmässige  Zahl 
▼on  acht  Strophen  zu  erhalten. 

Das  Zeugnis  Augustins  wiegt  so  schwer,  dass  ein  Zweifel  an  der  Echtheit  dieser 
Tier  Hymnen  nicht  aufkommen  kann.  Dieses  Zeugnis  erhält  Übrigens  noch  eine  Bestätigung 
diirdi  den  einheitlichen  Charakter,  der  den  4  Hymnen  in  Bezug  auf  Form  und  Inhalt  inne- 
wohnt Diese  Hymnen  ermöglichen  uns,  ein  klares  Bild  von  der  ambrosianischen  Hymnen- 
dichtiiiig  zu  gewinnen  und  auf  dieser  Grundlage  auch  andere  Hymnen  dem  Ambrosius  zu- 
saweieen.  Hierzu  gesellt  sich  noch  ein  äusseres  Kriterium :  das  Vorkommen  eines  Hymnus 
in  der  Alt-Mailänder  Liturgie  spricht  auch  fOr  dessen  Abfassung  durch  Ambrosius.  Auf 
Qmnd  dieses  äusseren  und  inneren  Kriteriums  teilen  Biraghi,  Inni  sinceri  e  carmi  di 
Smnf  Ambrogio,  vescovo  di  Milano,  Mailand  1862  und  Dreves  1.  c.  (s.  auch  Colombo,  Gli 
inni  del  breviario  Ambrosiano,  Mailand  1897)  noch  folgende  14  Hymnen  dem  Ambrosius  zu: 

1.  Splendor  patemae  gloriae  (vgl.  Hexaem.  1,        6.  Victor,  Nabor,  Felix  pii. 
5,  19  p.  15,  19  Seh.  est  enim  splendor        7.  Grates  tibi,  Jesu  novas. 
gloriae  patemae)^  8.  Apostolorum  passio. 

2.  Amore  Christi  nobilis.  9.  Apostolorum  supparem. 
8.  ninminans   altissimus   (doch    vgl.  Ihm,      10.  Aetema  Christi  munera. 

Stadia  Ajnbrosiana  p.  60).  11.  Jesu  corona  virginum. 

4.  Agnes  beatae  yirginia  (fOr  unecht  erklärt  12.  Nunc  sancte  nobis  Spiritus. 

von  Pio  de'Cavalieri,  Röm.Quartalschr.  13.  Rector  potens,  verax  Dens. 

Supplementheft  10  (1898)  p.  8).  14.  Rerum  Dens,  tenax  vigor. 
&.  Hie  est  dies  verus  Dei. 

Bezfiglich  der  vier  letztgenannten  No.  11,  12,  13,  14  statuiert  Dreves'nur  die  Wahr- 
■eheinüchkeit  der  Autorschaft  des  Ambrosius. 

Die  Einführung  des  Hymnengesangs  durch  Ambrosius.  Sermo  contra 
Aoxeniium  34  (gehalten  im  Jahre  386):  Hymnorum  quoque  meorum  carminibus  decepium 
populum  ferunt,  Plane  nee  hoc  ahnuo,  Orande  carmen  istud  est,  quo  nihil  potentius.  Quid 
emim  potentius  quam  eonfessio  Trinitatis,  quae  qtwtidie  totius  populi  ort  ceUbratur?  Cer- 
tat  im  omnes  Student  fidem  fitteri,  Patrem  et  Filium  et  Spiritum  sanctum  norunt  persibus 
fraedicare.  Facti  sunt  igitur  omnes  magistri,  qui  vix  poierant  esse  discipuli.  Paulinus 
▼üa  Ambroaii  13:  Hoc  in  tempore  (Ostern  886)  primum  antiphonae,  hymni  ac  Hgiliae  in 
eeefesia  Mediolanensi  celebrari  coeperunt,  Cuius  celebritatis  devotio  usque  in  hodiernum 
diem  non  solum  in  eadem  ecclesia,  verum  per  omnes  paene  oceidentis  provincias  manet,  Au- 
gustinus Confess.  9,  7  gelegentlich  seiner  Taufe  (25.  April  387):  Non  longe  coeperat  Me- 
dioianensis  ecclesia  genus  hoc  consolationis  et  exhortationis  (Hymnengesang)  celebrare  magno 
studio  fratrum  concinentium  vocibus  et  cordibus,  Nimirum  annus  erat  aut  non  multo  am- 
pHus,  cum  Jutiina,  Valentiniani  regis  pueri  mater,  hominem  tuum  Ambrosium  persequeretur 
kaeresis  suae  causa,  qua  fuerat  seducta  ah  Arianis.     Excubahai  pia  plebs  in  ecclesia  mov\ 

BMMidbaeh  der  klam,  AltMinBuiwtmenaeh§n,   Vm,  4.  W 


210  Ambrosins.    (§868.) 

parata  cum  episcapo  tmo,  nervo  tuo.  Ibi  mater  mea,  anciUa  tua,  sollieitudinis  e\ 
primas  tenens,  orationibua  vivebat.  Nos  adhue  frigidi  a  calore  Spiritus  tut  i 
tarnen  civUate  attonita  atque  turbata,  Tunc  hymni  et  psalmi  ut  canerent 
dum  morem  orientalium  partium,  ne papulus  maeroris  taedio  contabeseeretf 
est;  ex  illo  in  hodiernum  retentum  muüi»  iam  ae  paene  omnibus  greyibus  tuis  ei 
orbis  imitantibus. 

Ueber  Metrik  und  Versbau  vgl.  Förster,   Ambrosius  p.  266;   Dr< 
brosius  p.  46;  Wilhelm   Meyer,  Ueber  die  Beobachtung  des  Wortaccentes 
lateinischen  Poesie  (Abh.  der  Mflnchener  Akad.  17.  Bd.  1.  Abt,  München  1886, 

Ueber  die   ambrosianischen   Melodien  vgl.    Dreves,   Ambrosius 
Thierfelder,   De  Christianorum  psalmis  et  hymnis  usque  ad  Ambrosii  tempo 
1868,  p.  34,  welcher  besonders  ausfELhrt,  dass  die  ambrosianischen  Melodien  im 
Takte  geschrieben  waren  und,  abgesehen  von  einigen  Variationen,  mit  dem  Mett 
klang  standen.    Peter  Wagner,   Hist  Jahrb.   der  Görresges.  15  (1894)  p.  12i 
Dreves,  Zeitschr.  f&r  kath.  Theol.  18  (1894)  p.  575. 

Erläuterung  und  Uebersetzung  einzelner  Hymnen.  Kayser, 
Gesch.  und  Erklärung  der  ältesten  Kirchenhymnen,  Paderborn'  1881,  hat  folgen( 
erläutert:  1.  Dens  creator  omnium  (p.  133);  2.  Aeterno  rerum  conditor  (p.  15< 
redemptor  gentium  (p.  172);  4.  Jam  surgithora  tertia  (p.  186);  5.  Splendor  patei 
(p.  199);  6.  Aeterna  Christi  munera  (p.  222);  Dreves  folgende:  1.  Aeterno  rer 
(Stimmen  aus  Maria-Laach  51  (1896)  p.  86);  2.  Splendor  patemae  gloriae  (ebend 
p.  241);  3.  Agnes  bcaUe  virginis  (Zeitschr.  für  kathol.  Theol.  25  (1901)  p.  356).  1 
'Jam  surgit  hora  tertia'  übersetzt  und  erläutert  bei  Dreves,  Stimmen  aas  Mar 
(1898)  p.  273.  Englische  Uebersetzung  des  Weihnachtshymnus  'Veni  redempt 
von  Nealc  bei  F.  E.  Gilliat  Smith,  Two  mediaeval  cristmas  offices  (The  Du 
116  (1895)  p.  48).  Der  Hymnus  'Aeterno  rerum  conditor'  auch  übersetzt  b€ 
"\f*''  \  hörn.  Aus  den  Quellen  der  Kirchengesch.  2.  Heft,  Berl.  1899,  p.  49. 


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Unter  dem  Namen  des  Ambrosius  werden  noch  aufgeführt: 

1.  Die  tituli.  Im  Jahre  1589  hat  Juretus  im  8.  Bd.  der  Bibl.  patrum 
21  Distichen,  aus  je  zwei  Hexametern  bestehend,  unter  folgendem  Titel  neransg 
ripiunt  distieha  sancti  Ambrosii  de  diversis  rebus  quae  in  basilica  Ambrosiana  f 
Der  Codex,  dem  er  diese  Sammlung  entnahm,  ist  verschollen.  Doch  hat  L.  Trau 
brosii  titulis  (Hermes  27  (1892)  p.  158)  die  schöne  Beobachtung  gemacht  dass 
Heiric  von  Auxerrc  in  der  Vita  des  hl.  Germanus,  welche  er  876  Karl  dem  Kohl 
zu  5,  4,  um  die  Prosodie  von  pra est olata  zu  erläutern,  am  Rande  beischrieb:  Prud* 
Atolatur  ovans  sponsam  de  yenlihus  Isaar.  Nun  lesen  wir  bei  Juretus  als  4 
Praestolatur  ovans  sponsae  de  gentihus  Isaac,  \  Kcce  Rebecca  venit  sublimi  recta  t 
selbe  Kundvers  findet  sich  auch  im  cod.  Parisinus  12949  s.  IX  auf  einem  eingele 
am  Schluss  ist  noch  Prudentii  beigesetzt.  Diese  zwei  Zeugnisse  sind  aber  walirsc 
eines.  Da  der  citicrte  Vers  nicht  von  Prudentius  ist,  so  ist  es  sehr  wahrsclu 
die  tituli  in  den  Handschriften  anonym  überliefert  waren  und  die  Zuteilung 
Prudentius  als  auch  an  Ambrosius  auf  Conjcctur  beruht.  Es  kommt  noch  hinz 
vom  Standpunkt  der  Ikonographie  Bedenken  gegen  die  Autorschaft  des  Ai\ 
heben;  vgl.  F.  X.  Kraus,  Gesch.  der  christl.  Kunst  1  (Freib.  1896)  p.  386;  Rep< 
Kunstwiss.  19  (1896)  p.  457;  E.  Dobbert,  Das  Abendmahl  Christi  in  der  bild< 
(Repertorium  für  Kunstwiss.  14  (1891)  p.  181).  Trotz  der  eingehenden  Verte 
Echtheit  von  Biraghi  (Inni  sinccri  e  Carmi  di  Sant'  Ambrogio.  vescovo  di  Milfi 
1862)  und  Merklc,  Die  ambrosianischen  Tituli  (Rom.  Quartalschr.  10  (1896)  p. 
die  tituli  verdächtig.  Ausg.  der  tituli  mit  Noten  bei  Merkle  p.  214:  V. 
E.  Seletti,  Iscrizioni  cristiune  in  Milano,  Cordogno  1897,  p.  224. 

2.  Epigramme.  Cannina  epigr.  ed.  Buecheler  No.  906  condidit  Ami 
plum  dominoqne  sarrarit  etc.;  es  ist  Vs.  5  einer  für  die  Kirche  des  Nazarius 
Inschrift,  die  allgemein  dem  Bischof  Ambrosius  zugeschrieben  wird.  No.  908  au 
Hteriuni  der  Theclukirche  in  Mailand.  Buecheler  bemerkt:  „Nee  dubitat  Rossius 
dicere  auctorem*.  No.  1421  Urauio  Satijro  supremum  frater  honorem  \  martyri 
dctulit  Ambrosius  etc.,  wozu  Buecheler:  ,,Ambrosius  suum  fratrem  Satyrum  moi 
iuxta  s.  martyrem  Victoren!  scpclivit  et  epitaphium  hoc  dictavit  tetrasticho  Du 
a.  848,  neque  est  quod  de  Ambrosio  dubitemus  auctore." 

3.  De  ternarii  numeri  excellentia.  Alcuin  epist.  187  (Monnmenti 
EjMst.  tom.  IV)  teilt  Verse  aus  dem  genannten  Gedicht  dem  Ambrosius  zu;  eben 

4.  De   nuturis   rerum    (über  die   Allmacht  und  Weisheit  Gottes   in 
Pitra  (Analecta  sacra  et  classica  1  (Paris  IXHR)  p.  121)  gab  nach  einer  Oxforder 


AureliuB  PrndentiuB  Clemens.    (§864.)  211 

mit  dem  bezeiehneten  Titel  nnter  dem  Namen  des  Ambrosius  heraas;  die  Aator- 
ist  natOrlich  zweifelhaft. 

5.  Der  sog.  ambrosianische  Lobgesang   «Te  Deum  landarnns".     Morin, 
iQr  du  Te  Deum'  (Revue  B^nödictine  7  (1890)  p.  151);  Nouvelles  recherches  sur  Fauteur 
Denm*  (ebenda  11  (1894)  p.  49);  Notes  additionnelles  ä  l'^tude  snr  l'autenr  du  'Te 
*  (ebenda  11  (1894)  p.  337;  15  (1898)  p.  99).    Morin  betrachtet  als  Verfasser  oder 
des  Te  Deum  laudamns'  den  Bischof  Niceta  von  Remesiana,  fQr  den  Paulinus 
N<da  ein  Propempticon  gedichtet  hat;   vgl.  Th.  Zahn,   Neuere  Beitr.  zur  Gesch.  des 
»lischen  Symbolums  (Neue  kirchl.  Zeitschr.  7  (1896)  p.  106);  F.  Eattenbusch,  Theol. 
Dizeitnng  1896  Sp.  308;  Das  apostolische  Symbol  1  (Leipz.  1894)  p.  404;  Loofs, 
.  für  Eirchengesch.  18  (1897)  p.  466;   Weyman,  Bors.  Jahresber.  93.  Bd.  2.  Abt. 
p.  170;  A.  £.  Burn,   An  introduction  to  the  Creeds  and  to  the  Te  Deum,  London 
;   dagegen  £.  Hümpel,  Nicetas,  Bischof  von  Remesiana,  Erlanger  Diss.  1895,  P*  51 
2  =  Neue  Jahrb.  fOr  deutsche  Theol.  4  p.  325.    Zur  Textesgeschichte  vgl.  F.  E. 
rren,  The  Antiphonary  of  Bangor  2  (London  1895)  p.  98;  W.  Meyer,  Nachr.  der  Gott. 
der  Wiss.  1908  p.  200;  Weyman  (Berl.  philol.  Wochenschr.  1896  Sp.  1107)  vergleicht 
Ys.  17  mit  Pacianus  sermo  de  bapt.  4  p.  136  Peyrot  (13  Sp.  1092  Migne).    Ueber  ältere 
he  üebersetzungen  vgl.  Eayser,  Beitr.  zur  Gesch.  und  Erklärung  der  iQtesten  Kirchen- 
Paderborn*  1881,  p.  443,  der  den  Hymnus  (p.  448)  auch  erläutert  hat. 

8.  Aurelius  Prudentius  Clemens. 

864.  Sein  Leben.    Aurelius  Prudentius  Clemens,  der  grösste  antike 

iche  Dichter,  ist  ein  Sohn  Spaniens,  und  zwar  werden  wir  im  tarra- 

ischen  Spanien  seine  Heimat  zu  suchen  haben;  seine  Geburtsstadt  mit 

ler  Sicherheit  zu  ermittehi,  ist  uns  nicht  mehr  möglich.   Die  Zeitgenossen 

igen  nahezu  gänzlich  über  den  Dichter,  und  das  Wenige,   das  wir 

#on  ihm  wissen,  verdanken  wir  fast  nur  ihm  selbst.    Als  Prudentius  das 

^^p,  Lebensjahr  zurückgelegt  hatte  —  es  war  dies  im  Jahre  405  — ,  ver- 

"^^^Ni^to^  ®^  ^^^^  Sammlung  seiner  Gedichte  und  gab  ihr  ein  Vorwort 

aaf  den  Weg.    Hier  legte  er  sich  die  Frage  vor,  was  er  denn  Nütz- 

in  seinem  Leben  geschaffen  habe.    Zu  dem  Zwecke  gab  er  in  einigen 

»hen  seine  Biographie.    Seine  Schulzeit  war  eine  harte,  und  er  seufzte 

»r  der  Zuchtrute.    Wie  die  Söhne   aller  gebildeten  Familien  studierte 

er  die  Rhetorik  mit  ihrem  Trug.    Der  Schulzeit  folgte  ein  sinnlicher 

gewidmetes  Jugendleben,  das  ihm  noch  in  seinen  alten  Tagen  tiefen 

LOmmer  bereitet.    Als  Beruf  hatte  sich  Prudentius  die  Advokatur  erwählt ; 

ich  sie  brachte  ihm  manche  schlimme  Erfahrungen.    Doch  eröffnete  sie 

die  höhere  Beamtenlaufbahn;  zweimal  will  er  eine  amtliche  Thätig- 

it  ausgeübt  haben,  deren  Mittelpunkt  die  Rechtsprechung  in  Civil-  und 

ihen  war.    Wir  werden  darnach  vermuten  dürfen,  dass  er  zweimal 

Statthalterschaft  einer  Provinz  bekleidete ;  diese  zwei  Provinzen  werden 

in  Spanien  zu  suchen  haben,  da  uns  keine  Spuren   auf  ein  anderes 

Luid  führen.   Aber  Prudentius  stieg  noch  höher;  er  erhielt  eine  Stellung, 

welche  ihn  in  unmittelbare  Nähe  des  Kaisers  brachte.    Mittlerweile  war 

IJft  alt  geworden,  da  ergriff  ihn  ein  Ekel  über  die  abgelaufenen  Jahre; 
rMine  Gedanken  wandten  sich  zu  dem  künftigen  Leben.    Er  fasste  den 
"IntBchlass,  mit  seiner  Vergangenheit  vollständig  zu  brechen   und  seine 
ganze  Kraft  der  christlichen  Dichtung  zu  widmen.    In  der  Vorrede  führt 
der  Dichter  uns  den  Moment  vor,  in  dem  er  nach  seinem  Rücktritt  aus 
r    dem  öffentlichen  Leben  sich  selbst  zuruft,  die  Thorheit  abzulegen  und  den 
f    gßttlichen  Sang  zu  pflegen.    Er  unterscheidet  auch  in  seiner  Aufforderung 
/     die  verschiedenen  Arten  des  Gesanges;  es  sind  die  Gedichte,  die  er  dem 

14* 


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212  Anrelins  Pradenüns  Giemen«.    ({  864.) 

Leser  bietet,  als  er  die  Vorrede  schrieb.  Sonach  deutet  die 
Rede  an,  dass  der  Dichter  die  vorliegende  Sammlung  nicht  als 
seiner  Thätigkeit  erachtet,  sondern  sie  noch  fortsetzen  will,  i 
rend  Prudentius  jene  Worte  niederschrieb,  ergriff  ihn  eine 
nach  dem  Tode,  und  es  gewinnt  den  Anschein,  dass  er  bald 
Herausgabe  seiner  gesammelten  Werke,  also  nach  dem  Jahre  40i 
Leben  schied;  denn  sichere  Spuren  gehen  über  dieses  Jahr  nie 
Wir  sehen  also,  dass  das  Leben  des  Prudentius  in  zwe 
zerfällt,  von  denen  die  frühere  der  Ausbildung  und  dem  öffentlic 
die  spätere  der  christlichen  Dichtung  gewidmet  ist.  Nur  durch 
nach  Rom,  die  im  Jahre  402  oder  403  stattfand,  ist  die  letzte  Pen 
brechen.  Die  von  ihm  veranstaltete  Gesamtausgabe  seiner  Werl 
nach  der  Vorrede  das  Cathemerinon,  ein  Tagzeitenbuch,  die  Ap< 
der  die  Trinitätslehre  in  katholischem  Sinne  verfochten  wird,  di< 
genie,  in  der  der  Ursprung  der  Sünde  erörtert  wird,  und  wob 
Psychomachie,  Kampf  um  die  Seele,  dann  die  zwei  Bücher  g< 
machus,  welche  das  Heidentum  bekämpfen,  endlich  das  Peristep 
die  Apostel  und  die  ersten  christlichen  Blutzeugen  feiert.  Nicl 
ist  das  Dittochaeon,  eine  Sammlung  von  Epigrammen  auf  christli 
wahrscheinlich,  weil  die  Arbeit  zu  unbedeutend  erschien. 

Biographisches,  a)  Der  volle  Name  Aurelias  Prudentius  Cle 
sich  aus  der  handschriftlichen  Ueherlieferung,  z.  6.  aus  dem  Puteanus.  /?)  S  e  i 
jähr  ist  das  Jahr  348;  denn  aus  praef.  24  geht  hervor,  dass  er  Salia  cot 
ist.  y)  Seine  Heimat  ist  Spanien;  vgl.  Peristeph.  6,  145  exultare  tribus  lii 
qtwrum  praesidio  fovemur  omnea  |  terrarum  populi  Pyrenearum.  2,  537  nos  l 
dividit  I  bin  18  remotos  Alpibns  \  trans  Cottianorum  h4ga,  \  irana  et  Pyrem 
1,  116  deutet  Pr.  auf  Calagurris  als  oppidum  nosfrmn;  vgl.  4.  31  nostra  Calag 
Caesaraugusta  bezeichnet  er  (Peristeph.  4,  1)  mit  nostra^  ebenso  Tarraco  (6,  143 
bedeutet  hier  entweder  den  Aufenthaltsort  oder  die  Zugehörigkeit  zu  der  engere 
Dichters,  welche  die  terra  Hibera  war;  vgl.  Schmitz.  Die  Gedichte  des  Pnidei 
Entstehungszeit,  Aachen  1889,  p.  1  Anm.  2;  Sixt,  Die  lyrischen  Gedichte  de 
dentius  Clemens,  Stuttgart  1889,  p.  3  Anm.  1.  Für  Caesaraugusta  als  Geburtsor 
plädiert  Sixt  1.  c;  aber  auch  seine  Beweisführung  ist  nicht  durchschlage 
Todesjahr  des  Dichters  ist  unbekannt;  wir  wissen  nur,  dass  er  405,  als  er 
war,  sich  noch  am  Leben  befand.  e)Ueber  sein  Leben  vgl.  die  Praefatio. 
harte  Schulzeit  vgl.  Vs.  7.  Seine  rhetorische  Ausbildung  berühren  die  Verse  8  und 
haftes  Jugendleben  10 — 12.  Seine  Thätigkeit  als  Advokat  schildert  er  mit  den  \V< 
exin  iurgia  turbidos  \  armarunt  animos  et  male  pertinax  \  vincendi  Studium  subi 
asperis.  Seine  amtliche  lliätigkeit  wird  durch  folgende  Worte  bezeichnet 
leyum  moderamine  \  frenos  nobilium  reximus  urbiumj  \  ius  civile  bonis  reddidim 
reo8.  Allgemein  werden  die  Worte  so  gedeutet,  dass  Prudentius  zweimal  Sta 
Provinz  war.  Schwieriger  sind  dagegen  die  folgenden  ein  anderes  Amt  andeu 
(19 — 21):  (andern  militiae  gradu  \  evectum  pietas principis  extulit  \  adsumptum 
iuhens  ordine  proxitno.  Da  Prudentius  348  geboren,  war  er,  als  Theodosiu; 
bestieg  (379),  31  Jahre  alt.  Prudentius  kann  sonach  kaum  vor  diesem  Kaisei 
gezogen  worden  sein.  Schwierigkeit  macht  hier  die  Deutung  des  Wortes  mili 
sich,  ob  es  von  bürgerlicher  oder  militärischer  Stellung  zu  verstehen  ist.  Wo 
sieht  auf  unsere  Stelle  folgert  Gennadius  (de  vir.  ill.  13):  <'.r  quorum  lectiof 
Falaiinus  miles  fuisse.  Für  die  eigentliche  Bedeutung  von  militia  treten  h 
Kayser,  Beitr.  zur  Gesch.  und  Erklärung  der  ältesten  Kirchenhymnen,  Pad€ 
p.  254  Anm.  4  und  Sixt  p.  5  Anm.  2.  Schmitz  (1.  c.  p.  5)  meint,  Prudentius 
Protectores  aufgenommen  worden.  Da  der  Dichter  durch  ordine  proxinw  au 
stufe  und  zwar  auf  einen  primus  ordo  hinzuweisen  scheint  und  militia  auch  v 
verstanden  werden  kann,  wird  man  doch  vielleicht  besser  anzunehmen  habe 
dentius  comes  primi  ordinis  gewesen;  vgl.  Puech,  Prudence  p.  49.  Eine  R 
in  den  Hymnen  9,  11,  12  des  Peristephanon  angedeutet;  dieselbe  fand  kurz  vor 
gäbe  der  Bücher  gegen  Symmachus  im  Jahre  402  oder  403  statt;  vgl.  Roeslei 


Anrelius  Pradentius  Olemens.    (§  864.)  213 

»0»  die  Jahre  403  oder  404  verlegt  die  Reise  Puech  p.  61).  ÜDrichtig  setzt  sie  Merkle 
M.  Quartalschr.  76  (1894)  p.  115)  in  das  Jahr  889.  Die  Zeit  der  Romreise  kann  fol- 
Aennassen  bestimmt  werden.  Vor  405  fallen  die  Gedichte  des  Pnidentius;  Peristeph.  XII 
H  die  Romreise  voraus,  also  f&llt  sie  vor  405.  Die  Basilika  des  Paulus  wird  in  dem* 
MBB  Hymnus  des  Peristeph.  Ys.  45 — 54  als  vollendet  vorausgesetzt;  ihre  Vollendung  fällt 
iuk  Anfang  des  5.  Jahrn.  Also  ist  der  terminus  post  quem  400  und  der  terminus  ante 
IB  405.  Ueber  den  terminus  ante  quem  405  .kommen  wir  zurQck,  wenn  es  richtig  ist, 
i  die  Bficher  gegen  Symmachus  in  Rom  abgefasst  wurden;  ihre  Abfassung  fällt  aber 
Im  Jahr  402  oder  408. 

Die  Werke  des  Prudentius.  In  der  Einleitung  bezeichnet  Prudentius  folgende 
■ke:  1.  Ys.  87  (anirna)  hymnis  continuet  dies,  \  nee  nox  ulla  ixicet,  quin  Dominum  canat. 
ie  Worte  deuten  auf  das  Cathemerinon,  das  , Tagesliederbuch ".  2.  Ys.Sd  pugnet 
kr»  hereses,  catholicam  discutiat  fidem.  Hier  wird  angespielt  auf  die  Gedichte  Apo- 
lOsis  und  die  Hamartigenie;  dagegen  ist  es  etwas  schwieriger,  die  Psychomachie 
r  angedeutet  zu  sehen;  vgl.  auch  Bergman,  Ausg.  der  Psych,  p.  XXYIII.  Doch  da 
h  in  diesem  Gedicht  die  Häresie  personifiaert  erscheint,  wird  man  sie  nicht  ausschliessen 
fen.  Jedenfalls  irrt  Höfer  (De  Prudentii  poetae  Psychomachia  et  carminum  chronologia, 
tb.  1895),  wenn  er  (p.  49)  bloss  die  Apotheosis  hier  berücksichtigt  findet  und  nicht  nur 

Pftychomachie,  sondern  auch  die  Hamartigenie  ausgeschlossen  wissen  will.  3.  Ys.  40 
ctUeei  Sacra  gentium  \  Idbem,  Roma^  tuis  inferat  idoUs.  Hier  werden  die  zwei  Bficher 
(en  Symmachus  poetisch  umschrieben.  4.  Ys.  42  Carmen  martyribus  devaveat,  laudet 
Hoias.    Hier  ist  der  Liederkranz  Peristephanon  gekennzeichnet.    Ffir  die  Interpretation 

Stelle  ist  von  Wichtigkeit,  sich  gegenwärtig  zu  halten,  dass  Prudentius  in  der  Yorrede 
I  80  stellt,  als  ob  er  die  bezeichneten  Werke  erst  in  Zukunft  schreibe;  allein  es  ist 
lern  Zweifel  unterworfen,  dass  hier  eine  Fiktion  vorliegt;  darauf  deutet  ja  auch  schon, 
B  Prudentius  die  Gedankenbewegung,  die  ihn  aus  dem  öffentlichen  Leben  heraus  zur 
Lese  und  zur  christlichen  Dichtung  drängte,  nochmals  bei  der  Herausgabe  der  Werke 
1  vollziehen  lässt.  Ffir  uns  steht  daher  fest,  dass  Prudentius  erst  nach  seiner  Aus- 
eidnng  aus  der  amtlichen  Thätigkeit,  also  in  vorgerfickten  Jahren,  sich  der  christlichen 
sie  widmete  und  dass  seine  Werke  in  verhältnismässig  kurzer  Zeit  auf  einander  folgten. 
der  AufE&hlung  der  Gedichte  scheint  er  der  chronologischen  Ordnung  gefolgt  zu  sein, 
»ei  nicht  ausser  Acht  zu  lassen  ist,  dass  beim  Peristephanon,  das  aus  einer  jfingeren 
1  Alteren  Schicht  besteht,  nur  die  jfingere  in  Betracht  zu  ziehen  ist.   Ygl.  noch  Gennadius 

vir.  ill.  13):  Prudentius^  vir  saeculari  litteratura  eruditus,  composuit  Tropaeum  (wofür 
chrieben  wird:  ^ittoxaioy)  de  toto  veteri  et  novo  testamento personis  excerptis,  Commen- 
is  est  et  in  morem  Graecorum  Hexemeron  (nur  hier)  de  mundi  fabrica  usque  ad  condi- 
lemprimi  hominis  et  praevaricationem  eins,  Composuit  et  libelloSf  quos  graeca  appeUatione 
\siiiulavit  *Ano9iio0iq,  ^v^ofiaxity  'AfÄaQuyiysiaj  id  est:  de  divinitaie,  de  compugnantia 
mi,  de  origine  peccatorum,  Fecit  et  in  laudem  martyrum  suh  aliquorum  nominibus  in- 
Barium  ad  martyrium  librum  unum  et  hymnorum  aUerum^  speciali  tarnen  intentione 
trsus  Symmachum  idololatriam  defendentem,  ex  quorum  lectione  agnoseitur  Palatinus 
ts  fuisse  (unzuverlässiger  Bericht;  vgl.  Gzapla,  Gennadius  p.  31). 

Separatausgaben  der  Werke  des  Prudentius.  Es  fragt  sich,  ob  Prudentius 
it  schon  vor  der  Gesamtausgabe  seiner  Gedichte  im  Jahre  405  die  einzelnen  Werke  dem 
>likum  fibergab.  Schon  von  vornherein  ist  diese  Ansicht  sehr  wahrscheinlich.  Eine 
risse  Begrfindung  erhält  dieselbe  durch  Weyman,  Prudentius  und  Sulpicius  Severus 
st.  Jahrb.  der  Görres-Ges.  15  (1894)  p.  370),  der  die  Beobachtung  machte,  dass  Sulpicius 
ems  in  seiner  Chronik,  die  nach  J.  Bernays  im  Jahre  400  fertiggestellt  war  und  im 
re  403  durch  einzelne  Zusätze  erweitert  wurde,  ffir  seine  Erzählung  der  Geschicke  des 
las  schon  Gath.  7  vor  Augen  hatte;  was  Merkle,  Neue  Prudentius -Studien  (Theol. 
irtalschr.  78  (1896)  p.  266)  dagegen  einwendet,  ist  nicht  ausreichend,  da  die  Totalität  der 
cheinungen  in  die  Wagschale  zu  werfen  ist. 

Litteratur.  Eine  Beurteilung  bei  Puech  p.  70.  «)  Allgemeine  Schriften: 
}.  Brys,  De  vita  et  scriptis  Aur.  Clem.  Prud.,  Loewen  1855;  P.  Stern,  Aurelius  Pru- 
tiuB,  ein  chrisU.  Dichter  des  vierten  Jahrhunderts,  Gran  1859;  L.  Paul,  Etudes  sur 
dence,  Strassb.  1862;  GL  Brockhaus,  Aur.  Prud.  Glemens  in  seiner  Bedeutung  ffir 
Kirche  seiner  Zeit,  Leipz.  1872;  J.  Eayser,  Beitr.  zur  Gesch.  und  Erklärung  der  ältesten 
chenhymnen,  Paderborn*  1881,  p.  249;  A.  Roesler  (Redemptorist),  Der  katholische 
hter  Aur.  Prud.  Clemens,  Freib.  i.  Br.  1886  (vom  katholischen  Gesichtspunkt  aus  be- 
delt;  der  Zusammenhang  der  Dichtungen  des  Prudentius  mit  der  spanischen  Liturgie 
k  betont);  vgl. Deutsche  Litteraturzeitung  1887  Sp.  961 ;  Weyman,  Hist.  Jahrb.  der Görres- 
.  10(1889)  p.  116;  vgl.  jetzt  auch  Roeslers  Artikel  ^Prudentius"  in  Wetzer  und  Weites 
chenlexikon  10*  (1896)  Sp.  578—581;  femer  A.  Puech,  Prudence;  6tude  sur  la  po^sie 
ne  dur^tienne  au  lY®  si^cle,  FanB  1888  (hier  ist  besonderB  der  \\^«x«ix\l^&WA^^  ^«svöcXa- 


214  Aurelins  Prndentins  demens.    (§865.) 

punkt  enU'ickelt);  Journal  des  Savants  1891  p.  810;  Paul  Löon,  £tode  aar  Pni 
8tras8b.  1862;  De  laVinftza,  Aurelio  Pradencio  demente,  estadio  biogrAfico-crÜMi, i 
gossa  1888;  vgl.  Sixt,  Correspondenzblatt  für  die  Gelehrten-  und  Realschulen  Wh 
bergs  38  (1891)  p.  218;  Matthias  Schmitz,  Die  Gedichte  des  Pradentios  und  ikn 
stehungszeit  1.  Teil,  Aachen  1889;  A.  Zaniol,  Aur.  Pradenzio  Gl.  poeta  cristiano,  \m 
1890  (ohne  Bedeutung);  A.  Ebert,  AUgem.  Gesch.  der  Litt  des  Mittelalters  1*  (LeipL: 
p.  251;  M.  Manitius,  Gesch.  der  christl.-lat  Poesie,  Stattgart  1891,  p.  61;  Garns,  Sir 
gesch.  von  Spanien  2.  Bd.  1.  Abt  (Regensb.  1864)  p.  337;  J.  Thackeray,  VnAmA 
sketsch  (Macmillans  Magazine,  Jnliheft  1889);  vgl.  auch  dessen  Einleitung  in  Trmhj 
London  1890;  G.  Boissier,  Stades  d'histoire  religieuse.  Le  po^te  Prudence  (Ben 
deux  mondes  91  (1889)  p.  357);  jetzt  ersetzt  durch  das  entsprechende  Kapitel  des  Bi 
La  fin  du  paganisme  2  (Paris  1891)  p.  123;  Baumgartner,  Gesch.  der  Weltlitt  4(1 
i.  Br.  1900)  p.  152;  Glover,  Life  and  letters  in  the  fourth  Century,  Cambridge  1901,  f 
ß)  Spezielle  Schriften:  H.  Middeldorpf,  De  Prudentio  et  theologia  Prudentiani,  1 
1828;  1826  =  Ilgens  Zeitschr.  fOr  hist.TheoL2  (1832)  p.  127;  P.  Allard,  Pradencelä 
(Revue  historique  35  (1884)  p.  345);  Rome  au  quatridme  siöcle  d'aprte  les  Do^mes  di 
dence  (ebenda  36,  1885);  Symbolisme  d'apres  Prudence  (Revue  de  Tart  cnr^tien,  S 
avr.  1885);  S.  Merkle,  Neue  Prudentiusstndien.  III.  Prudentius  und  das  Filioqoe  f! 
Quartalschr.  78  (1896)  p.  271);  P.  Chavanne,  Le  Patriotisme  de  Prudence  (Revue  d'bi 
de  litt  relig.  4  (1899)  p.  332;  p.  385).  —  F.  Delavigne,  De  lyrica  apud  Prudentiiim 
Toulouse  1848;  £.  Faguet,  De  Aur.  Prudentü  Glem.  carminibus  lyricis,  Paria  1883;  G. 
Die  lyrischen  Gedichte  des  Aur.  Prudentius  Clemens,  Stuttgart  1889;  vgl.  dazuWey 
Hist  Jahrb.  der  Görresges.  11  (1890)  p.  406;  0.  Höf  er,  De  Prudentü  poetae  Psvcboi 
et  carminum  chronologia,  Marb.  1895;  dazu  Wey man,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1897  S 

865.  Gathemerinon  liber  (Tagzeitenbuch).  Unter  diesem  Titel 
eine  Sammlung  von  zwölf  Liedern  verzeichnet.  Aber  der  Name  pasg 
auf  einen  Teil  der  Sammlung,^)  nämlich  auf  die  sechs  ersten  Qei 
von  denen  zwei  Morgenlieder,  zwei  Tischlieder  und  zwei  Abendlieder 
hierzu  kann  man  noch  das  neunte  Gedicht  rechnen,  das  für  jede  £ 
des  Tages  passen  soll.  Die  übrigen  Stücke  der  Sammlung  sind 
Fastenlieder,  zwei  Festlieder  auf  Weihnachten  und  Epiphanie  ui 
Totenlied.  Das  erste  Gedicht,  überschrieben  ,,Beim  Hahnenruf*, 
sich  in  symbolischen  Deutungen:*)  der  Schlaf  erscheint  als  ein  Bi 
Todes,  die  Nacht  als  ein  Bild  der  Sünde;  auch  ist  es  die  Nacht, 
die  bösen  Geister  ihr  Spiel  treiben.  Christus  ruft  uns  aber  zum 
Der  Hahnenschrei  erinnert  den  Dichter  an  Petrus  und  seine  Verleu 
Christi  und  an  den  Glauben,  dass  Christus  beim  Hahnenschrei  ai 
Hölle  zurückgekehrt  sei.  Die  Faränese  drängt  sich  von  selbst  au 
wacht  vom  Sündenschlaf  zum  neuen  Leben.  Das  zweite  Stück  i 
Morgengebet.  Auch  dieser  Hymnus  wird  von  dem  Gedanken  durchdr 
dass  die  Sünde  die  wahre  Finsternis  und  Christus  das  wahre  Licl 
geistige  Sonne  ist.  Von  den  zwei  Tischgebeten  ist  das  »Vor  dem  ] 
(No.  HI)  ungemein  breit  angelegt.  Naturgemäss  hebt  der  Dichter  n 
Bitte  an  Christus  an,  das  Mahl  zu  segnen,  denn  nur  da,  wo  Christus 
sei  alles  wohlbestellt.  Der  Phantasie  des  Dichters  stellt  sich  dei 
dar,  der  uns  alles  spendet;  er  knüpft  daran  eine  Schilderung,  wie  d 
schiedenen  Nahrungsmittel  gewonnen  werden.  Interessant  ist,  das 
dentius  für  den  Vegetarianismus  in  die  Schranken  tritt  und  die  Pfl 
nahrung  als  die  für  die  Christen  passende  erachtet.  Die  Gedankenbe^ 
geht  zum  Lobe  des  Herrn  über,   der  den  Menschen  nach  seinem  B: 

^)  Birt  (Antikes  Buchwesen,  Berl.  1882,  *)  lieber  die  symbolische  Bedeiii 

p.  .305)  vermutet,  dass  das  Gathemerinon  eigen  t-       Hahnes   vgl.  Kayser  p.  276   und 
lieh  aus  zwei  Büchern  zusammengeflossen  sei.   ;    demselben  (p.  283)  mitgeteüte  Gedic 


Aurelins  Pradeniius  Clemens.    (§865.)  215 

Sen ;  daran  reiht  sich  der  Sündenfall.  Von  da  aus  schweift  der  Dichter 
Preis  der  Massigkeit  und  schliesst  mit  dem  Hinweis  auf  die  Un- 
ichkeit.  Das  Gebet  »Nach  dem  Tische"  (No.  IV)  beginnt  mit  einem 
des  himmlischen  Vaters.  Die  Speisung  des  Daniel  in  der  Löwen- 
durch  Habakuk  gibt  wieder  zu  Ausdeutungen  Anlass ;  nahe  lag  der 
e,  der  Speisung  Daniels  durch  Habakuk  die  Speisung  der  Christen 
dem  himmlischen  Worte  gegenüberzustellen.  Der  fünfte  Hymnus^) 
P  bestimmt,  beim  Anzünden  des  Lichtes  gesprochen  zn  werden.  Manche 
IfdBrer  wollten  denselben  auf  die  Ostervigil  beziehen,  allein  schon  seine 
pUDang  in  der  Reihe  der  Hymnen,  welche  die  Tageszeiten  zum  Qegen- 
■od  haben,  lässt  die  allegorische  Deutung  als  unannehmbar  erscheinen. 
peh  in  diesem  Gedicht  spielt  wieder  der  Gedanke,  dass  Christus  das 
0kte  Licht  sei.    Nach  einer  schönen  Schilderung  der  Lichtflamme  kommt 

0  Autor  auf  die  Feuererscheinungen  im  alten  Testament.  Auch  der  Zug 
■r  Israeliten  durch  das  rote  Meer  und  der  Untergang  Pharaos  tritt  vor 
Sne  Seele;  der  Einzug  der  Israeliten  in  das  gelobte  Land  erinnert  an 

in  das  himmlische  Vaterland.  Zuletzt  kehrt  die  Rede  doch  wieder 
Spender  alles  Lichtes  zurück.  Das  zweite  Abendlied  (No.  VI)  be- 
indelt  nach  Anrufung  der  Dreieinigkeit  das  Leben  der  Seele,  welche 
ich  in  der  Nacht  nicht  rastet.  Dem  Bösen  folgen  böse  Schreckbilder, 
HD  Frommen  werden  liebliche  Visionen  zu  teil,  wie  dem  Patriarchen 
Nseph  und  dem  Apostel  Johannes.  Der  Dichter  empfiehlt  das  Kreuzes- 
lichen,  um  die  schlimmen  Geister  fernzuhalten.  Mit  den  Fastenhymnen 
iht  Prudentius  über  die  Tageszeiten  hinaus  und  wendet  sich  zu  den 
Tochenfasttagen. ')  Im  siebenten  Gedicht  stellt  er  den  Nutzen  des 
ftfitens  vor  Augen;  daran  schliessen  sich  Beispiele  vom  Fasten  aus  der 
L  Schrift:  Elias,  Johannes  der  Täufer,  die  Niniviten  und  Christus.  Den 
.usgang  des  Gedichtes  bilden  die  Segnungen  des  Fastens,  mit  dem  die 
Qldthätigkeit  Hand  in  Hand  gehen  muss.  Durch  die  ausführliche  Er- 
Ihlong  der  Geschichte  von  Ninive,  in  die  auch  die  Schicksale  des  Jonas 
ineingeflochten  werden,  nimmt  der  Gesang  eine  grosse  Ausdehnung  an; 
r  ist  der  längste  Hymnus  unserer  Sammlung.    Für  die  neunte  Stunde, 

1  der  das  Fasten  aufhört,  ist  der  achte  Hymnus  gedichtet.  Das  neunte 
t&ck,  das  für  jede  Tageszeit  bestimmt  ist,  enthält  ein  Lob  Christi  und 
^iner  wunderbaren  Thätigkeit,  welches,  da  der  Erlöser  der  Mittelpunkt 
Qseres  gesamten  Lebens  sein  soll,  zu  jeder  Stunde  berechtigt  ist.  Es 
(t  ein  Hymnus  von  hohem  Schwung,  zu  dem  das  Metrum  vortrefflich 
asst.  Als  das  gelungenste  Gedicht  wird  der  anapaestische  Totengesang 
^o.  X)  angesehen.  Er  geht  aus  von  der  Betrachtung  des  Verhältnisses 
ansehen  Leib  und  Seele.    Die  Sorgfalt,  die  den  Gräbern  zu  teil  wird,  hat 

')  üeber   die   Bedehang   zwischen  Ys.  {  der  Hölle.     Ein  Beitr.  znr    Prudentius -Er- 

S5  ff.  und  der  Apokalypse  des  Paulus  (Har-  klärung  und  zur  Geschichte  der  Apokryphen 

ack,   Gesch.  der  altduistl.  Litt.  1  (Leipz.  i  (Rom.  Quartalschr.  9  (1895)  p.  489).   Ein  Ex- 

)93)  p.  788;  James,  Apocrypha  anecdota,  '  kurs  hei  Puech  p.  301. 


exts  and  Studios  2  (Oxford  1893)  Nr.  3) 
^.  J.  L^vi,  Revue  des  ^tudes  Juives  25 
892)  p.  1;  dazu  ein  Nachtrag  26  (1893) 
181;  Weyman,  Theol.  Quartalschr.  76 
894)  p.  699;  Merkle,  Die  Sabhatruhe  in 


*)  Vgl.  Brockhaus  p.  93.  Anders 
Roesler  (p.  102),  der  die  beiden  Fasten- 
h3rmnen  auch  auf  die  Quadragesimalfasten 
beziehen  will. 


216  Aurelins  Prndenttns  Clemens.    (§866.) 

darin  ihre  Berechtigung,  dass  auch  der  Leib  zur  Auferstehung  auser 
ist.  Die  Auferstehungsfreude  durchzieht  den  ganzen  Hymnus  und 
in  dem  schönen  Satz:  Wir  sterben,  um  zu  leben, ^)  einen  erha 
Ausdruck.  In  unserer  Sammlung  folgen  jetzt  zwei  Festlieder;  da« 
(No.  XI)  feiert  Weihnachten,  die  Menschwerdung  Christi  und  ihre  gi 
Folgen;  hierbei  wird  auch  der  ungläubigen  Juden  gedacht;  der  c 
Hymnus  (No.  XII)  gilt  dem  Epiphanienfeste  und  zwar  in  der  Auffs 
des  Occidents,  der  die  Anbetung  des  Kindes  durch  die  drei  Weise 
Morgenlandes  als  Grundlage  des  Festes  ansieht  Der  Stern  der  V 
leitet  über  zur  Vergleichung  Christi  mit  einem  alles  überstrahlenden 
Auch  hier  findet  der  Dichter  Anlass  zu  Abschweifungen:  die  Geburü 
des  Herrn,  Bethlehem,  bringt  ihn  auf  den  bethlehemitischen  Kinder 
mit  der  Errettung  Christi  stellt  er  in  Parallele  die  Errettung  des  1 
Mit  einem  Preise  Christi  schliesst  Prudentius. 

lieber  die  Gomposition  des  Cathemerinon  vgl.  Sizt,  Die  lyr.  Ged.  des  P; 

Der  metrische  Bau  der  Hymnen.  Der  Dimeter  iambicns  acatalecticu 
den  Hymnen  1,  2,  11  und  12  in  der  Weise  zur  Anwendung  gekommen,  dass  im 
vier  Zeilen  zu  einer  Strophe  verbunden  sind.  Der  Dimeter  iambicus  catalecticus  ei 
in  Nr.  6;  der  Strophenbau  ist  vierzeilig.  Der  jambische  Senar  findet  sich  im  Hy 
mit  fünfzeiligen  Strophen.  Der  Tetrameter  trochaicus  catalecticus  ist  das  Mi 
9.  Hymnus;  die  Strophen  sind  dreizeUig.  Der  Trimeter  dactylicus  hypercatalecticus 
Metrum  des  Hymnus  3 ;  die  Strophen  sind  fünfzeilig.  Den  Dimeter  anapaesticus  cata 
haben  wir  in  Hymnus  10  mit  vierzeiligen  Strophen.  An  künstlichen  Massen  c 
braucht:  a)  der  phalaecische  Hendecasyllabus  in  Hymnus  4  (dreizeilige  Strophen); 
kleinere  asklepiadeische  Vers  in  No.  5  (vierzeilige  Strophen);  y)  die  sapphische 
in  No.  8. 

Uebersetzungen.  Die  Uebersetzung  S i  1  b e r t s  ( Aurelius  Prudentius  Clemens. 
gesänge,  heilige  Kampf-  und  Siegeskronen,  Wien  1820)  ist  unbrauchbar;  vgl.  Broc 
p.  12.  Gereimte  Uebersetzung  einzelner  Hymnen  bei  Schlosser,  Die  Kirche  ii 
Liedern  1  (Mainz  1851)  p.  72;  von  Hymnus  1  bei  Brockfaaus  p.  82  Anm.  1;  von  Hy 
bei  Baumgartner,  Gesch.  der  Wcltlitt.  4  (Freib.  1900)  p.  157.  —  Sixt,  Eine  Pni< 
übers.  A.  Reissners  (1471—1563),  Blätter  für  Hymnologie  7  (1889)  p.  170.  Vo; 
1  an di sehen  Uebersetzungen  erwähnen  wir  A.  Bayle,  Hitude  sur  Pnidence,  su 
Cathemerinon  traduit  et  annot^,  Paris  1860;  Thackeray,  Translations  from  Pm< 
London  1890;  vgL  Sixt,  Korrospondenzblatt  1891  p.  216;  Smith,  Songs  from  Pru« 
London  1897;  J.  Berg  man,  Fomkristna  Hymner  dicter  af  Prudentius,  Göteborg  U 

866.  Charakteristik  des  Cathemerinon.  Den  Weg  für  die  < 
liehe  lyrische  Dichtung  hat  Ambrosius  gewiesen;  zu  ihm  als  dem  M 
blickt  auch  Prudentius  empor, »)  allein  er  wandelt  doch  andere  Bj 
Die  Hymnen  des  Ambrosius  waren  für  den  Gottesdienst  bestimmt  ui 
hielten  dadurch  ihr  Mass  und  ihre  Form;  von  den  Hymnen  des  Prud 
konnte  kein  einziger  so,  wie  er  vorliegt,  in  die  Liturgie  aufgeno 
werden,  sondern  er  musste  zu  diesem  Zwecke  gekürzt  oder  soga 
gearbeitet  werden.  Bei  Ambrosius  finden  wir  ein  bestimmtes  ein 
Metrum  für  seine  Hymnendichtung  ausgewählt;  Prudentius  hat  sie 
dasselbe  nicht  beschränkt,  sondern  auch  andere  Masse  zur  Anwe 
gebracht.  Der  Zweck  des  ambrosianischen  Hymnus  erfordert  eine  k 
und  durchsichtige  Darstellung;  Prudentius  braucht  seiner  Phantasie 
Zügel  anzulegen,  er  kann  seine  Empfindungen  voll  ausklingen  lasse 
ist  in  der  Ausdehnung  seiner  Gesänge   durch  keine  äusseren  Rucks 

*)  Vs.  120  mors  haec  reparat io  vitae  est. 

^)  Vgl.  Sixt,  Die  lyrischen  Ged.  des  Pr.  p.  21. 


Aorelins  Pmdentins  Olemeiui.    (§  867.) 


217 


beengt.  Der  eine  gibt  uns  im  wesentlichen  Volksdichtung,  der  andere  im 
wesentlichen  Eunstdichtung;^)  der  eine  bietet  Gesangpoesie,  der  andere 
Lesepoesie.  Prudentius  ist  erfüllt  von  den  christlichen  Ideen,  und  sie  sind  es, 
die  ihn  zur  Dichtung  drängen,  üeberall  fühlt  man  daher  in  seinen  Liedern 
den  warmen  Pulsschlag  des  christlichen  Denkens  und  Lebens.  Aber  auch 
ein  mystischer  Hauch  lässt  sich  in  unserer  Sammlung  verspüren;  überall 
erblickt  sein  Geist  Sinnbilder  und  Vorbedeutungen  für  das  Christentum. 
Die  Composition  seiner  Lieder  ist  keine  straff  gespannte  und  lässt  sich 
daher  mit  der  tibullischen  Poesie  vergleichen ;  man  sieht,  wie  die  Gedanken 
des  Dichters  abbiegen,  um  alsdann  wieder  zum  eigentlichen  Thema  zurück- 
zukehren. Gern  sucht  er  seine  lyrische  Stimmung  durch  eine  biblische 
Erzählung  zu  erläutern;  mit  besonderer  Vorliebe  greift  er  nach  dem  Alten 
Testament,  da  es  ihm  zugleich  den  Vorteil  bietet,  typologische  Gedanken 
zu  entwickeln.  Hierbei  versagt  er  sich  nicht,  einzelne  Scenen  malerisch 
durchzuführen,  so  dass  der  organische  Aufbau  des  Ganzen  mitunter  geradezu 
gestört  wird.  Die  Hymnen  des  Prudentius  sind  also  nicht  rein  lyrische 
Produkte,  sondern  enthalten  auch  einen  starken  epischen  und  paränetisch- 
didaktischen  Bestandteil.  In  das  Gefühlsleben  drängt  sich  die  Rhetorik 
ein,  und  wir  erhalten  nicht  selten  statt  des  Brotes  Steine.  Aber  wir 
dürfen  deshalb  den  Dichter  nicht  zu  hart  anklagen;  er  steht  unter  dem 
Banne  seiner  Zeit;  auch  die  damalige  nationale  Poesie  ist  von  der  Rhe- 
torik schwer  gedrückt.  Immerhin  findet  sich  bei  Prudentius  des  Zarten, 
Schönen  und  wahrhaft  Poetischen  genug,  um  die  Bewunderung,  die  dem 
Dichter  Jahrhunderte  hindurch  zu  teil  wurde,  zu  rechtfertigen.  Be- 
sonders ist  sein  feiner  Sinn  für  die  metrische  Gestaltung  bemerkens- 
wert; auch  der  Glanz  der  Darstellung,  die  nicht  selten  zum  Dramati- 
schen sich  steigert,  wirkt  oft  berückend  auf  den  Leser.  In  der  christ- 
lichen Poesie  wird  Prudentius  stets  zu  den  bahnbrechenden  Persönlich- 
keiten gezählt  werden  müssen. 

867.  Peristephanon  (Ueber  die  Hartyrerkronen).  In  unserer  Epoche 
traten  auch  die  Martyrien  in  das  Reich  der  Poesie  ein.  An  offiziellen  und 
nicht  offiziellen  Berichten  über  die  Vorgänge  bei  dem  Martyrertod  fehlte 
es  nicht;  die  Kritik  liess  allerdings  bei  nicht  wenigen  viel  zu  wünschen 
übrig.  Auch  die  bildliche  Kunst  fand  hier  reiche  Anregung,  und  in  dem 
öffentlichen  Gottesdienst  war  das  Leben  der  Heiligen  ein  fester  Bestand- 
teil geworden;  da  die  Martyrien  schon  geraume  Zeit  hinter  der  Gegen- 
wart lagen,  konnte  auch  die  Legende  ihr  Werk  beginnen.  Die  erste 
Stufe  dieser  Dichtung  fanden  wir  bei  Damasus;  sein  Streben,  die  Gräber 
der  Märtyrer  den  Pilgern  kenntlich  zu  machen,  führte  ihn  zu  dem  Epi- 
gramm; allein  dasselbe  musste  sich  mit  wenigen  Zügen  begnügen,  der 
breitere  Strom  der  Erzählung  war  ihm  versagt.  Auf  eine  höhere  Stufe 
brachte  diese  Dichtungsgattung  Prudentius  in  einer  Sammlung  von  vier- 
zehn Gedichten,  die  er  Peristephanon  oder  „Ueber  die  Martyrerkronen* 
betitelt.     Zwar  findet  sich  auch  hier  ein  Epigramm   nach  Art  des  Da- 


^)  Die  EmteUnng  £ b  ert s  ( Allgem.  Gesch. 
der  Litt  des  Mittelalters  V  (Leipz.  1889) 
p.  261)  in  kunstvolle  nnd  volkstümliche  Hym- 


nen, welche  Pnech  (p.  86  ff.)  weiter  durch- 
führt, ist  eine  unrichtige;  sie  gehören  alle 
der  Kunstpoesie  an;  vgl.  auch  Sixt  p.  18. 


i 


218  Anrelius  Prudenüns  CiemeiiB.    (§867.) 

masus,  es  stellt  eine  Aufschrift  auf  eine  Oertlichkeit  in  Calagurris^)  d 
wo  Märtyrer  den  Tod  erlitten,  jetzt  aber  ein  Baptisterium  sich  befim 
(No.  YIII) ;  allein  dieses  Stück  steht  völlig  isoliert  da,  und  es  ist  nii 
unmöglich,  dass  dasselbe  ursprünglich  gar  nicht  zu  unserer  Sammlung  j 
hörte.  Die  übrigen  Stücke  schildern  uns  in  breiter  Ausführlichkeit,  ni< 
selten  mit  dramatischer  Lebendigkeit,  die  Leidensgeschichten  verscfa 
dener  Heiligen;  das  standhafte  Bekenntnis,  das  Martyrium  und  die  sich  i 
schliessenden  Wunder  bilden  den  Rahmen  dieser  Gedichte.  Nicht  willkürl 
hat  der  Dichter  die  Märtyrer  aus  der  grossen  Masse  herausgegriffen,  s< 
dem  er  hat  nur  solche  sich  auserkoren,  deren  Gräber  er  auf  seiner  Re 
nach  Rom  kennen  gelernt  oder  die  in  seiner  spanischen  Heimat  hoch  v 
ehrt  wurden.*)  Besonders  deutlich  treten  die  persönlichen  Anregung 
die  er  auf  seiner  Reise  nach  Rom  und  in  Rom  selbst  empfangen,  zu  Tai 
Auf  dem  Wege  machte  er  im  Forum  Gomelii  oder  Imola  Station;  h 
kniete  er  am  Grabe  des  hl.  Cassian,  der  Lehrer  gewesen  war,  nied 
Er  sah  das  Bild  des  Heiligen,  in  dem  derselbe  dargestellt  war,  wie 
von  den  Knaben  mit  spitzen  Griffeln  beschrieben,  d.  h.  zerstochen  wi 
Der  Kirchner  erzählte  ihm  ausführlich  die  Geschichte  des  Martyriums,  u 
Prudentius  folgt  dieser  Erzählung  in  seinem  Gedichte;  die  Schilderung  g< 
besonders  auf  die  Bosheit  der  Knaben  ein,  die  Cassian  höhnisch  zurief 
dass  sie  ja  nur  dem  Lehrer  das  anthäten,  was  er  sie  gelehrt.  Der  Kirchi 
fordert  am  Schluss  den  Fremden  auf,  seine  Hoffnung  auf  Cassian  zu  setz< 
dies  that  auch  Prudentius,  und  seine  Wünsche  fanden  Erhörung  (No.  II 
In  Rom  selbst  besuchte  Prudentius  eifrig  die  Katakomben,  in  denen  < 
Epigramme  des  Damasus  einen  Führer  abgaben.  Er  fand  auch  das  Gr 
des  hl.  Hippolytus,  der  früher  schismatisch,  später  ein  treuer  Anhang 
der  katholischen  Lehre  war;  auch  sein  Martyrium  war  bildlich  dargeste 
besonders  das  Moment  herausgegriffen,  wie  die  Freunde  die  zerstreut 
Glieder  und  Gebeine  des  von  Pferden  zerrissenen*)  Heiligen  sanmielt^ 
Das  Gedicht  (No.  XI),  in  dem  die  Passion  des  Hippolytus  erzählt  wird 
richtet  sich  an  den  spanischen  Bischof  Valerian  und  bittet  ihn,  den  Tod< 
tag  desselben  in  seine  kirchlichen  Feste  aufzunehmen.  Eine  Frucht  seir 
Besuchs  der  Katakomben  ist  auch  das  Gedicht  auf  die  hl.  Agnes,  der 
Grab  mit  einem  Epigramm  des  Damasus ^)  geschmückt  war;  dieses  E] 
gramm  regte  unseren  Dichter  zu  seiner  Schöpfung  an,  in  welcher  der  v( 


>)  Ebert  (p.  259  Anm.  2)  bezweifelt 
allerdings  die  Aufschrift;  vgl.  dagegen  Sixt, 
Dittochaeon,    Correspondenzbl.    fir   die    gel. 


Portus  vgl.  H.  A  che  Hb,  Hippolytstadi 
(Texte  und  Untersuch.  N.  F.  1,  4  (Leipz.  18: 
p.  48).  Ueber  die  Hippolytusfrage  mit  Rfi< 


Schulen  Württemb.  37  (1890),   Saparatabdr.  '  sieht  auf  Gedicht  XI  vgl.  Funk,    Kirch 

p.  9  Anm.  J.  geschichtl.  Abhandl.  und  Untersuchungen 

-^)  Die  sog.  spanischen  Hymnen  gedenken  ,  (Paderborn  1899)  p.  183;  p.  195. 

der  Romreise  mit  keinem  Wort  und  werden  ;  *)  Gesondert  herausgegeben  nebst  eii 

daher  vor   derselben   geschrieben   sein;  vgl.  i  italienischen  Uebersetzung   von   Fr.    Fei 

Roesler   p.  145;    auch   Puech   (besonders  '  Viterbo  1881. 

wegen  des  zweiten  Hymnus)  p.  62  und  p.  122.  '  *)  No.  84  p.  87  Ihm.     Ueber  das  V 

*)  Hier  liegt  die  Mischung  des  antiken  i  hältnis  des  Gedichtes  No.  XI Y  zu  Ambrod 

Mythus  und  der  christlichen  Legende  deut-  >  und   Damasus   vgl.  Pio  Franchi   de*  C 

lieh  zu  Tage;   vgl.  Dö  Hing  er,   Hippolytus  valieri,  S.  Agnese  nella  tradizione  e  ne 

und  Callistus,  Regensb.  1853,  p.  02.     Ueber  legenda  (Rom.  Quartalschr.  Supplementheft 

die    Beziehung    der    Hippolytuslegende    zu  .  (1899)  p.  21). 


Anrelins  Pmdentias  Clemens.    (§  867.) 


219 


Martyrium  gekrönte  Sieg  der  Keuschheit  verherrlicht  wird.  Schön  ist  das 
Motiv,  dass  der  zum  Himmel  auffahrende  Geist  der  Martyrin  nochmals 
seinen  Blick  auf  die  Erde  mit  ihren  Leiden  richtet  (No.  XIV).  ^)  Ein  Bild 
des  römischen  Festlebens  tritt  uns  aus  dem  zwölften  Stück  entgegen. 
Es  ist  der  Jahrestag  der  beiden  Apostel  Petrus  und  Paulus,  welche  in 
zwei  aufeinander  folgenden  Jahren  an  demselben  Tag  den  Tod  erlitten 
haben.  Das  Wogen  einer  Menschenmenge  auf  den  Strassen  veranlasst  den 
Dichter,  einen  Freund  nach  dem  Grund  zu  fragen;  damit  erhält  er  die 
Einkleidung  seines  Gedichts.  In  der  Beschreibung  der  beiden  Gräber,  von 
denen  das  eine  am  rechten,  das  andere  am  linken  Tiberstrand  sich  be- 
fand, ruht  der  Nerv  seines  dichterischen  Produkts.')  Einem  römischen 
Heiligen  gilt  ferner  das  zweite  Gedicht,  welches  anschaulich  und  fast 
volksmässig  die  Passion  des  Laurentius  schildert.  Der  Stadtpräfekt, 
der  von  den  Schätzen  der  römischen  Kirche  gehört  hatte,  befiehlt  dem 
Laurentius,  der  Diakon  dieser  Kirche  war,  ihm  dieselben  auszuliefern; 
der  führt  ihm  aber  die  Armen  und  Gebrechlichen  vor.  Erzürnt  lässt  ihn 
der  Präfekt  auf  einem  Roste  braten.  Interessant  sind  die  zwei  ein- 
geschobenen Gebete:  das  Gebet  des  Laurentius  für  das  christliche  Rom 
und  das  des  Prudentius  um  die  Fürsprache  des  Heiligen.  Nach  Pannonien 
führt  uns  No.  YII.  Gefeiert  wird  in  derselben  der  Bischof  von  Siscia 
(Sissek  in  Kroatien),  Quirinus;  er  wurde  mit  einem  Mühlstein  am  Hals 
in  die  Sau  hinabgestürzt,  allein  er  tauchte  erst  unter,  nachdem  er  sich 
die  Gnade  des  Martyriums  erbeten  hatte. ')  Anknüpfungspunkte  für  seine 
Gedichte  fand  Prudentius  auch  in  seiner  spanischen  Heimat.  Die  Feste 
gewisser  Heiligen  hatten  im  kirchlichen  Leben  einen  weiten  Spielraum 
gewonnen,  und  die  Festesfreude  äusserte  sich  gern  in  einem  dichterischen 
Erguss.  Das  erste  Gedicht  der  Sammlung  beschäftigt  sich  mit  dem 
Martyrium  zweier  spanischer  Brüder,  welche  im  kaiserUchen  Heere 
dienten.  Vor  die  Wahl  gestellt,  ob  sie  den  Dienst  Christi  dem  des  Kai- 
sers vorzögen,  waren  sie  nicht  schwankend  und  besiegelten  durch  den 
Martyrertod  ihr  christliches  Bekenntnis.  An  ihren  Gräbern  vollzogen 
sich  zahlreiche  Wunder;  von  ihrem  Martyrium  hatte  sich  das  Faktum 
in  der  Volkslegende  festgesetzt,  dass  bei  der  Hinrichtung  der  Ring 
des  einen,  das  Orarium  des  andern  in  den  Himmel  hinaufgetragen  wur- 
den. Ein  vornehmes  spanisches  Mädchen,  die  Eulalia,  führt  uns  No.  III 
vor.  Sie  drängt  sich  selbst  zum  Martyrium,  indem  sie  sich  als  Christin 
bekennt  und  die  Götter  schmäht.  Der  Feuertod  wird  ihr  zu  teil;  ihr 
Geist  fliegt  in  Gestalt  einer  weissen  Taube  zum  Himmel,  während  ihr 
Leib  mit  Schnee  eingehüllt  wird.  Der  Gedenktag  des  Märtyrers  Vin- 
centius,    der  Diakon  von  Saragossa  war,  bildete  den  Anlass  zu  dem 


*)  Das  Gedicht  ist  in  Rom  eniatanden; 
vgl.  den  Anfang  desselben,  and  Ebert  p.  267. 

^)  Uebersetzt  von  Baumgartner,  Welt- 
litterator  4  p.  177.  Wahrscheinlich  ist  der 
Hymnus  noch  in  Rom  geschrieben;  vgl.  den 
Schlnss  desselben  and  Ebert  p.  266. 

>)  Roesler  (p.  152)  vermutet,  dass  Pru- 
dentius in  seinen  weltlichen  Jahren  die  Ver- 


herrlichung des  Heiligen  an  Ort  und  Stelle 
gesehen.  Nach  den  Acta  wurde  der  Leich- 
nam des  Quirinus,  als  die  Barbaren  in  Pan- 
nonien einfielen,  nach  Rom  gebracht  und  in 
der  Ealixtkatakombe  beigesetzt.  Zur  Zeit, 
als  Prudentius  seinen  Hymnus  schrieb,  war 
das  noch  nicht  geschehen;  vgl.  Sixt,  Die 
lyriBchen  0«d.  d«&  '^x.  ^.^^. 


220  Anrelins  Prudentins  Clemens.    (§  868.) 

fünften  Gedicht.  Die  Standhaftigkeit  spottet  der  ausgesuchtesten  Qualen, 
die  hier  in  ihren  kleinsten  Einzelheiten  zum  Entsetzen  des  Lesers  dar- 
gelegt werden;  selbst  der  Leichnam  des  Heiligen  ist  vor  dem  Hass  seiner 
Verfolger  nicht  sicher.  Seinen  Preis  erhält  Tarraco  durch  das  Lob  seiner 
berühmten  drei  Märtyrer,  des  Bischofs  Fructuosus  und  seiner  beiden 
Diakone  (No.  VI).  Ein  Heiliger  des  Orients  ist  Romanus;  aber  da  sein 
Todestag  in  Spanien  ebenfalls  festlich  begangen  wurde,  ^)  konnte  auch  ihm 
ein  Hymnus  (No.  X)  gewidmet  werden;')  mit  seinen  1140  Versen  ist  er 
der  längste  der  Sammlung,  welche  er  zu  sprengen  droht;  er  hat  daher 
eine  eigene  Ueberlieferung  erfahren.  Auch  Saragossa  wird  wegen  seiner 
Märtyrer  gepriesen,  welche  ihm  unstreitig  Glück  bringen  werden  (No.  IV). 
Mit  Spanien  stand  in  engen  kirchlichen  Beziehungen  Afrika;  es  ist  daher 
nicht  zu  verwundem,  wenn  auch  der  grosse  Kirchenlehrer  Gyprian  seinen 
Lobgesang  erhalten  hat  (No.  XHI). 

Ueber  die  Composition  des  Peristephanon  vgl.  Sixt,  Die  lynschen  Ged.  des 
Fr.  p.  28.  Er  unterscheidet  drei  Klassen:  1.  lyrisch-epische,  2.  rein  epische,  3.  episch- 
didaktische; zur  ersten  Klasse  rechnet  er  No.  I,  III,  XIV,  VI,  VII,  XIII,  IV;  zur  zweiten 
No.  IX,  XI,  XII;  zur  dritten  No.  II,  Y,  X.  Ein  Sonderstellung  nimmt  No.  VIII  ein;  es  ist 
ein  Epigramm.  —  Plaine,  ^claircissements  sur  un  po^me  hagiographique  de  Prndence 
(Extr.  de  la  Revue  des  sciences  eccl^s.),  Amiens  1889  hat  mir  nicht  vorgelegen. 

Ueber  die  Chronologie  der  Gedichte  vgl.  Sixt  p.  26.  «Die  Hauptscheidung 
zwischen  den  Hymnen  wird  durch  die  römische  Reise  des  Prudentins  gebildet:  die  ersten 
sieben  fallen  vor  dieselbe,  die  anderen  sieben  nach  ihr  oder  in  dieselbe.  Letzteres  ist  bei 
IX,  XI,  XII,  XIY  ohne  weiteres  klar*  (p.  27).  Höf  er  (De  Prudentii  Psychomachia  p.  56) 
statuiert:  ,Quibus  omnibus  perpensis  Peristephanon  carmina  IX,  X,  XII,  U  (XIV  ?)  Romae, 
Peristephanon  XI  post  iter  vel  in  Hispania  scriptum  esse  percipitnr.' 

Die  Metra  des  Peristephanon.  No.  1  ist  abgefasst  in  catal.  troch.  Tetrametem 
und  in  dreizeiligen  StrQphen;  No.  2  in  acatal.  iambischen  Dimetem  und  in  vierzeiligen 
Strophen;  No.  3  in  hypercatal.  daktylischen  Trimetem  und  in  ftinfzeiligen  Strophen;  No.  4 
in  sapphischen  Strophen ;  No.  5  in  acatal.  jambischen  Dimetem  und  in  vierzeiligen  Strophen ; 
No.  6  in  phalaecischen  Hendecasyllaben  und  in  dreizeiligen  Strophen;  No.  7  in  Glykoneen 
und  in  fünfzeiligen  Strophen;  No.  8  in  elegischen  Distichen;  N.  9  in  daktylischen  Hexa- 
metern und  iambischen  Trimetem,  die  zu  Distichen  vereinigt  sind;  No.  10  in  jambischen 
Trimetem  und  in  fdnfzeiligen  Strophen;  No.  11  in  elegischen  Distichen;  No.  12  im  4.  archi- 
lochischen  Metmm;  No.  13  im  archilochischen  Vers  (vgl.  W.  Christ,  Metrik,  Leipz.*  1879, 
p.  566);  No.  14  in  alcAischen  Hendecasyllaben. 

Uebersetzungen.  J.  G.  Dölling,  Die  erste  und  vierte  Hymne  aus  den  Sieges- 
kronen des  Pradentius,  Plauen  1846.    Vgl.  noch  p.  218  Anm.  4;  219  Anm.  2. 

868.  Charakteristik  des  Peristephanon.  Schon  aus  dieser  flüch- 
tigen Skizze  des  Peristephanon  wird  jedermann  die  Ueberzeugung  ge- 
winnen, dass  Martyrergeschichten  sich  zu  einer  lebensfähigen  christlichen 
Poesie  eigneten;  der  Dichter  hatte  hier  freiere  Hand  als  bei  den  bibli- 
schen Berichten,  und  seine  Phantasie  konnte  aus  den  wenigen  überlieferten 
Zügen  ein  farbenreiches  Bild  herausgestalten.  Auch  bei  Prudentins  hat 
ohne  Zweifel  diese  freischaffende  Phantasie  gewaltet.  Die  Umrisse  lieferten 
ihm  die  Volkstradition, »)   die   Liturgie  der  Kirche*)   und  die  Martyrer- 

»)  Vgl.  Roesler  p.  164.  i  ut  refert  antiquitas;  7,  9  fertur;  14,  10  aiunt; 

^)  Ueber  die  Verse  481—495  vgl.  Wey-  vgl.  noch  1,  73;    Sixt,  Die  lyrischen  Ge- 

man,  Miscellanea  zu  lat.   Dichtem,   Freib.  dichte  des  Pr.  p.  23;  Roesler  p.  180. 
i.  d.  Schweiz  1898,  p.  9  (Gompte  rendu  du  *)  Der  Zusammenhang  des  Peristephanon 

quatridme   congr^s  scientifique  international  '  mit  der  spanischen  Liturgie  wird   besonderB 

des  catholiques,  Section  6  p.  148).  >  stark  von  Roesler  betont  (p.  164;  p.  239); 

»)  Vgl.  13,  76  fama  refert;   13,  80  nie-  i  vgl.  aber  dazu  F.  Probst,  Die  abendlindi- 

morant;  14,  57  sunt  qui  rogatam  rettulerint  ,  sehe  Messe  vom  5.  bis  zum  8.  Jahrb.,  Mfinster 

prece8\  b.Ml  ut  fert  vetustas  conscia;  10,32  ,  1896,  p.  368. 


▲nrelias  Pmdentiiis  Olemens.    (§869.)  221 

gräber,  denen  nicht  selten  bildliche  Darstellungen  ^)  ihrer  Leiden  und  Epi- 
gramme beigegeben  waren.')  Um  kritische  Sichtung  der  Nachrichten  ist  es 
natürlich  dem  Dichter  nicht  zu  thun;  so  hat  er  in  seinem  Hymnus  auf  Cyprian 
sogar  Züge  eines  anderen  gleichnamigen  Heiligen  miteingewoben  und  dafür 
andere  Eigenschaften  des  karthagischen  Bischofs  übergangen.  ^)  Sein  Ziel 
ist  vielmehr,  durch  ein  poetisches  Gemälde  den  Leser  zu  fesseln.  Schon 
in  der  Wahl  des  Metrums  zeigt  sich  ein  gutes  Stück  seines  Kunstsinnes, 
und  mancher  Treffer  ist  hier  zu  verzeichnen:  so  dürfte  es  nicht  zu- 
fällig sein,  dass  er  in  seinem  Hymnus  auf  die  beiden  spanischen  Soldaten 
als  Mass  den  trochäischen  Tetrameter  gewählt  hat,  den  die  römischen 
Soldaten  in  ihren  Triumphliedern  anzuwenden  pflegten;  sehr  passend  ist 
auch  der  jambische  Dimeter  verwertet;  er  erinnert  mitunter  an  unsere 
volkstümlichen  Lieder.  Ueberhaupt  ist  die  metrische  Gestaltung  sehr 
reich,  vielleicht  zu  reich.  Auch  in  der  Einkleidung  seiner  Gedichte  strebt 
Prudentius  nach  Wechsel  und  Mannigfaltigkeit;  die  Stoffe,  die  er  aus- 
gewählt hat,  bieten  die  verschiedensten  Situationen  dar  und  lassen  sein 
Können  in  immer  neuen  Formen  erscheinen.  Aber  er  geht  in  seinem 
Bestreben,  anschauliche  Schilderungen  zu  liefern,  zu  weit;  statt  einige 
Striche  zu  geben  und  das  Uebrige  der  Phantasie  des  Lesers  zu  über- 
lassen, führt  er  seine  Zeichnungen  bis  ins  kleinste  Detail  durch;  be- 
sonders das  Grässliche  schildert  er  nach  Art  der  späteren  römischen  Dichter 
mit  einem  Behagen,  das  uns  nicht  selten  ein  wahres  Entsetzen  einflösst. 
Die  Rhetorik,  dieser  Fluch  der  römischen  Poesie,  lastet  auch  schwer  auf 
diesen  Gedichten;  die  Reden,  die  er  seinen  Märtyrern  in  den  Mund  legt, 
stören  oft  sehr  den  ästhetischen  Eindruck.  Mitunter  vergisst  der  Dichter 
ganz  den  Charakter  seiner  Dichtung  und  springt  in  das  Lehrgedicht  über ; 
ein  belehrendes  Beispiel  ist  der  zehnte  Hymnus  auf  Romanus,  wo  eine 
Polemik  gegen  das  Heidentum  und  eine  Apologie  des  Christentums  ein- 
gewoben sind.  Wären  diese  rhetorischen  Auswüchse  und  diese  allzu  de- 
taillierte Schilderung  weggeblieben,  so  würden  wir  eine  Kunstform  erhalten 
haben,  die  wir  unserer  Ballade  an  die  Seite  stellen  könnten.  Den  Volks- 
ton hat  der  Dichter  mitunter  wunderbar  getroffen,  auch  dem  Volkshumor 
manche  Perle  abgerungen  und  sich  als  einen  Kenner  des  menschlichen 
Herzens  erwiesen.  So  hat  denn  unser  Dichter  in  seinen  Martyrerkronen 
Vortreffliches  geleistet,  aber  die  höchste  Ruhmespalme  ist  ihm  doch  ver- 
sagt geblieben. 

869.  Die  Apotheosis.  Für  die  didaktische  Poesie  lieferte  die  Be- 
kämpfung der  H&resien  und  die  Darstellung  der  orthodoxen  Lehre  reich- 
lichen Stoff.  Die  Prosa  hatte  diesen  Litteraturzweig  schon  längst  gepflegt, 
es  galt,  denselben  auch  in  die  Poesie  einzuführen.  In  künstlerischer  Weise 
hat  dies  Prudentius  in  mehreren  Gedichten  gethan.  Als  erstes  derselben 
bezeichnen  wir  die  Apotheosis,  welche  in  1084  Hexametern  die  in  der 
Trinitätslehre  aufgetauchten  Häresien  bekämpft  und  ihnen  die  wahre  Lehre 
der  katholischen  Kirche  gegenüberstellt.   Da  der  Nachweis  der  Göttlichkeit 


»)  Vgl.  8.  B.  9,  19  histariam  pictura 
refert,  quae  tradita  libris  \  veram  vetusti 
temparia  manstrat  fidem. 


*)  Puech  p.  302. 

')  BrockhauB  p.  152. 


-*t 


222  Anreliiui  Fmdentins  Clemmis.    (|  869.) 

Christi  ein  Hauptziel  des  Gedichtes  ist,  konnte  er  demselben  den  1 
„Apotheosis*"  d.  h.  Vergöttlichung  Christi  geben.  Seinem  Werke  lässt 
Dichter  zwei  Einleitungen  vorausgehen:  in  einer  hexametrischen  wird 
Dogma  der  Dreieinigkeit  nach  orthodoxer  Lehre  kurz  und  bündig  i 
gelegt;  in  einem  i^Praefatio*"  betitelten  Gedicht,  das  distichisch  aus  j 
bischen  Trimetern  und  Dimetern  zusammengesetzt  ist,  werden  die  Ittä 
und  die  Gefahren  der  Häresien  gegenübergestellt.  Also  trägt  das  Ged 
an  der  Stime  gleichsam  eine  doppelte  Aufschrift:  Wahrheit  und  Irrt 
dasselbe  will  dadurch,  dass  es  den  Irrtum  auflöst,  der  Wahrheit  F 
schaffen.  Zwei  Probleme  sind  es,  die  in  der  Trinitätslehre  auftaue! 
das  Verhältnis  des  Vaters  zum  Sohne  und  die  Göttlichkeit  Christi. 
Dichter  lässt  die  verschiedenen  Häresien  an  unseren  Augen  vorüberziel 
zuerst  bekämpft  er  die  Patripassianer,  welche  den  Vater  den  Kreuze 
erleiden  lassen  und  dadurch  den  Sohn  eliminieren;  sein  Hauptargun 
gegen  diese  Anschauung  ist,  dass  der  Vater  niemals  sichtbar  ist  und  < 
er  nur  durch  den  Sohn  in  die  Sichtbarkeit  eingetreten  ist,  sonach  i 
nicht  leiden  kann.  Es  folgen  die  Sabellianer,  welche  den  Vater  bald 
Vater,  bald  als  Sohn  erscheinen  lassen;  hier  wird  geltend  gemacht,  < 
man  dem  Vater  etwas  entziehe,  wenn  man  ihm  den  Sohn  nehme. 
Betrachtung  geht  jetzt  zu  den  Juden  über  und  geisselt  deren  Versto 
heit.  Das  kaiserliche  Wohlwollen,  das  den  Juden  damals  zu  teil  wu 
wird  mancher  Leser  dieser  Partie  in  Parallele  gesetzt  haben.  ^)  Na 
gemäss  schliessen  sich  an  die  Juden  die  Ebioniten  oder  die  von 
ironisch  bezeichneten  Homuncionitae,  welche  Christus  zwar  nicht  leugi 
aber  ihn  bloss  für  einen  tugendhaften  Menschen  halten;  ihre  Irrlehre  i 
durch  die  Wunder  Christi  widerlegt.  Die  letzte  Sekte,  gegen  die  zu  F 
gezogen  wird,  sind  die  Manichäer,  welche  die  menschliche  Gestalt  Ch 
als  eine  Scheingestalt  hinstellen  und  dadurch  die  Wahrhaftigkeit  Go 
aufheben.  In  seiner  Darlegung  hat  der  Dichter  auch  einen  Exkurs  i 
das  Wesen  der  menschlichen  Seele  eingeflochten  und  in  demselben  gez< 
dass  die  menschliche  Seele  zwar  von  Gott  geschaffen,  aber  nicht  ein 
des  göttlichen  Wesens  sei;  damit  rechtfertigt  sich  die  Höllenstrafe, 
höchste  Anziehungskraft  bietet  eine  andere  Episode,  welche  einen  Vo: 
aus  dem  Leben  des  Kaisers  Julian  enthält.  Der  erzählte  Vorfall  bei 
die  auffallende  Störung  eines  Opfers,  bei  dem  der  Kaiser  selbst  anwes 
war.  Die  Untersuchung  ergab,  dass  ein  blondhaariger  Soldat  der  L 
wache  das  Kreuzeszeichen  an  sich  trug.  Entsetzt  verlässt  der  Kaiser 
Tempel,  die  ganze  Leibgarde  aber  bekennt  sich  zu  Christus.  Sehr  w 
thuend  berührt  es  uns,  dass  der  Dichter  nicht  in  das  Geschrei  der  Kircl 
Väter  gegen  den  Kaiser  Julian,  den  er  als  Knabe  noch  gesehen,  einstin 
sondern  seiner  militärischen  und  staatsmännischen  Tüchtigkeit  alle  A 
kennung  widerfahren  lässt. 

Das  Gedicht  ist  zwar  polemisch,  allein  man  kann  nicht  sagen,  i 
es  sich  direkt  gegen  eine  bestimmte  Zeitströmung  richtet.  Prüder 
wird   bei   der  Abfassung   seines  Gedichtes   auch   an   die  Irrlehren   dei 

»)  Vgl.  Kay  sei-  p.  259. 


▲nrelins  Prndmitiiis  Clemens.    (|  870.)  228 

Spanien  weit  verbeiteten  Priscillianisten  gedacht  haben ;  aber  der  Gedanke 
hat  nicht  bestimmend  auf  seine  Composition  gewirkt;  denn  weder  Pris* 
cillian  noch  seine  Sekte  werden  in  dem  Gedichte  erwähnt.  Auch  um  voll- 
ständige Darlegung  aller  Irrlehren  war  es  dem  Dichter  nicht  zu  thun;  so 
wird  z.  B.  Arius  niemals  herangezogen.  Dem  Autor  genügte  eine  Aus- 
wahl der  Irrlehren;  vielleicht  waren  hier  auch  die  Quellen,  zu  denen 
Tertullian  zu  zählen  ist,  nicht  ohne  Einfluss.  Sein  Hauptziel  ist,  das  Ge- 
heimnis der  Trinität,  das  Bollwerk  des  Glaubens,  zu  verkünden.  Die  didak- 
tische Poesie  leuchtet  in  der  Apotheosis  in  hellem  Lichte. 

Die  Apotheosis  und  Priscillian.  Die  Hypothese,  dass  die  Apotheosis  sich  gegen 
die  Piiscillianisten  richtet,  ist  von  Roesler  (p.  221)  mit  nnzareichenden  Gründen  aufgestellt; 
auch  Ehert  (p.  270  Amn.  1)  spricht  sich  gegen  diese  Hypothese  aus;  vgl.  auch  Puech  p.  173. 

Separatausg.  von  Hurter,  S.  patr.  opusc.  sei.  tom.  33. 

Uebersetzung  des  Gedichtes  (ausgenommen  die  hexametrische  Einleitung)  von 
Brockhaus  als  Anhang  zu  seiner  Monographie  p.  309. 

870.  Die  Hamartigenia.  Viel  bedeutender  als  die  Apotheosis  ist 
die  Hamartigenie.  Sie  behandelt  das  interessante  Problem,  welches  der 
Ursprung  des  Bösen  sei.  Marcion  hatte  die  Quelle  der  Sünde  in  die  Gott- 
heit selbst  verlegt,  indem  er  einen  bösen  und  einen  guten  Gott  statuierte, 
von  denen  der  erste  im  alten,  der  zweite  im  neuen  Testament  erscheint. 
Tertullian  hatte  gegen  diese  Irrlehre  fünf  Bücher  geschrieben  (§  696) ;  im 
Anschluss  an  dieses  Werk  erörtert  auch  Prudentius  in  geistreicher  Weise 
dieses  Thema  in  einem  aus  966  Hexametern  bestehenden  Gedichte,  das 
er  Hamartigenia,  d.  h.  Ursprung  der  Sünde,  betitelt.  Vorausgeschickt 
wird  eine  Einleitung  von  63  Trimetern,  in  der  die  Geschichte  von  Eain 
und  Abel  erzählt  und  Marcion  mit  Kain  in  Parallele  gestellt  wird.  Sofort 
eröflEnet  Prudentius  den  Kampf  gegen  den  Dualismus  Marcions  und  postu- 
liert die  Einheit  Gottes.  Die  Trinität  Verstösse  nicht  gegen  dieselbe,  und 
der  Schöpfer  selbst  habe  durch  die  Sonne,  die,  obwohl  nur  eine,  doch 
in  Licht,  Wärme  und  Zeugungskraft  sich  manifestiere,  selbst  den  richtigen 
Weg  gezeigt.  Gebe  man  die  Einheit  Gottes  auf,  so  komme  man  unwill- 
kürlich zu  der  Vielheit  der  heidnischen  Götter.  Der  Vater  des  Uebels 
sei  nicht  ein  Gott,  sondern  ein  gefallener  Engel,  der  Satan;  dieser  bringe 
das  Verderben  über  den  Menschen,  ja  selbst  über  die  Natur.  Mit  leb- 
haften Farben  malt  der  Dichter  die  Natur  und  den  Menschen  in  diesem 
Zustand  aus;  im  letzten  Fall  gewinnt  er  ein  Zeitbild,  das  niemand  ohne 
Interesse  betrachten  wird.  Dann  geht  die  Darstellung  wieder  zum  eigent- 
lichen Thema  zurück;  Prudentius  führt  aus,  dass  der  Mensch  an  dem 
Uebel  eine  Hauptschuld  trage,  indem  er  die  Sünde  auf  sich  eindringen 
lasse.  Der  Mensch  könne  aber  die  Sünde  von  sich  weisen,  wenn  der  Geist 
die  Herrschaft  über  den  Körper  behalte;  dies  sei  aber  möglich  und  ein 
Dualismus  im  Menschen  eigentlich  ausgeschlossen.  Die  wichtigste  Frage 
bleibt  aber  immer,  warum  Gott  das  Böse,  das  er  nicht  wolle,  trotzdem 
zulasse.  Der  Dichter  hält  dem  entgegen,  dass  dem  Menschen  von  Gott 
die  Freiheit  geschenkt  sei;  wenn  der  Mensch  das  Böse  thue,  so  thue  er 
es  aus  freiem  Willen;  mit  demselben  freien  Willen  könne  er  aber  auch 
das  Gute  wählen.  Im  Anschluss  hieran  rollt  der  Autor  die  Bilder  von 
Himmel  und  Hölle  auf.    Ein  Gebet,  in  dem  Prudentius  sich  als  sündigen 


224  Anreliiis  Prndentiiui  Oiemeiuu    (|  871.) 

Menschen  bekennt  und  eine  milde  Strafe  von  der  Gnade  Gottes  erwartet, 
macht  den  Schluss  des  Gedichtes. 

Das  Produkt  ist  reich  an  poetischen  Schönheiten,  und  mit  Recht  hat 
ein  grosser  Kenner  des  Prudentius  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  wir 
bei  der  Lektüre  an  Milton^)  und  Dante  erinnert  werden.  >)  Seine  Schil- 
derung der  Hölle  und  des  Paradieses  ist  die  erste  farbenreiche,  die  uns 
in  der  Geschichte  der  Kirche  entgegentritt.  >) 

Litteratur.  J.  Goldner,  Der  Sündenqiiell,  ein  Gedicht  des  AoreL  Fnidentiiis, 
Freysing  1851. 

871.  Die  Psychomachia.  Das  eigentümlichste  Gedicht  des  Prudentius 
ist  die  Psychomachia,  der  Kampf  um  die  Seele.  ^)  Hier  tritt  uns  zum 
erstenmal  in  der  abendländischen  Litteratur  eine  rein  allegorische  Dichtung 
entgegen.^)  Keime  zu  dieser  Dichtungsart  lagen  übrigens  schon  in  der 
nationalen  Litteratur  vor:  Apuleius  in  seinem  Märchen  «Amor  und  Psyche' 
und  Claudian^)  wiesen  durch  Personifizierungen  abstrakter  Begriffe  den 
Weg  zur  Allegorie.^)  Die  Grundlage  des  Gedichtes  ist  der  Gegensatz 
zwischen  heidnischer  und  christlicher  Weltanschauung,  die  Idee,  die  der 
Dichter  auf  dieser  Grundlage  verfolgt,  die  Ueberwindung  des  Heidentums 
durch  das  Christentum.  Auf  diese  Ueberwindung  deutet  auch  Abrahams 
Kampf  mit  den  heidnischen  Königen,  welcher  als  Einleitung  in  68  Tri- 
metern  dem  Gedichte  vorausgeht;  in  diesem  915  Hexameter  umfassenden 
Werk  führt  uns  der  Dichter  die  christlichen  Tugenden  im  Kampfe  mit 
den  heidnischen  Lastern  vor.  Sieben  Paare  treten  auf  den  Kampfplatz. 
Anschaulich  werden  die  Kämpfenden  nach  Aussehen  und  Tracht  geschil- 
dert; dramatisch  und  Wechsel  voll  erscheinen  die  einzelnen  Kampfesbilder; 
an  feinen  psychologischen  Charakterzeichnungen  fehlt  es  nicht.  In  be- 
zeichnender Weise  lässt  der  Dichter  zuerst  den  Glauben  und  den  Götzen- 
dienst miteinander  kämpfen;  er  gibt  damit  gewissermassen  das  Programm 
des  Gedichtes:  der  Götzendienst  ist  die  Quelle  aller  Laster,  der  Glaube  die 
Quelle  aller  Tugenden.  Das  zweite  Streiterpaar  ist  die  Keuschheit  und 
die  Unzucht;  durch  die  Geburt  Christi  aus  jungfräulichem  Leibe  ist  das 
Fleisch  veredelt  und  die  Grundlage  für  die  Keuschheit  geschaffen  worden. 
Auf  der  Kampf esarena  treten  sich  dann  gegenüber  die  Geduld  und  der 
Zorn;  auch  die  Geduld  ist  eine  echt  christliche  Tugend  und  als  solche 
bereits  von  Tertullian  hingestellt  worden  (g  673).  Als  neue  Kämpfer  folgen 
die  Demut  und  die  Hoffart,  ferner  die  Massigkeit  und  die  Ueppig- 


*)  Man   vgl.   die  Schilderung  der  Ver-  1  ")  Hoefer  p.  13.  Vgl.  Claudian.mRnfin. 

derbnis  der  Natur  (Vs.  213),   übersetzt  von  i   1,  30—38;  de  consulatu  Stihchonia  2, 100. 
Baumgartner  p.  162.  ?)  Engelhard,    De  personificatioiubos 

^)  Brockhaus  p.  30;  p.  35  Anm.  j  quae    in   poesi   atque   arte   Romanomm  io- 

')  Aus  dem  Schluss  des  Gedichtes  machte  j  veniuntur,GöttmgerDiB8.1881 ;  C.Praechter, 

einen  Cento  der  spanische  Bischof  Ascaricus  |   Cebetis  tabula  quanam  aetate  conscripta  eaae 

(Buecheler,   Carmina  lat.  epigr.  No.  727);  i   videatur,  Marb.  1885,  p. 83.  Vgl.anchHoefer 

vgl.  Weyman,  Rhein.  Mus.  50  (1895)  p.  154.  I  p.  9,  der  das  Gedicht  Claudians  gegen  Rnfin 

*)  So   erklärt  richtig  Weyman   (Berl.  '   als  VorbDd   für  Prudentius  hinateUt  (p.  17) 

philol.  Wochensclir.  1897  Sp.  984)  nach  dem  '   und  auch   sonst  noch   die  Abhängigkeit  des 

Muster    von    reix^l^^X^^y    weniger    richtig  '   Prudentius  von  Claudianus  zeigen  will.    Aber 

Hoefer  p.  10:  pugnae  in  anima  gestae.  '  alle    diese    Ausführungen    nmen    auf   sehr 

')  Ebert  p.  280.  schwachem  Fundament 


Avelins  Fmdentins  Clemens.    (§  872.)  225 

eit.  Zur  prächtigen  Schilderung  gibt  das  sechste  Paar  dem  Dichter 
nlass;  es  tritt  nämlich  der  Geiz^)  auf,  die  Ursache  so  vieler  Leiden  im 
enschlichen  Leben;  er  wird  besonders  gefährlich,  wenn  er  sich  unter  der 
ügerischen  Form  der  Sparsamkeit  einschleicht.  Allein  auch  er  findet 
;hliesslich  seine  Ueberwinderin  in  der  Barmherzigkeit.  Nach  der 
iederwerfung  des  Geizes  und  seiner  schrecklichen  Genossen  ist  fUr  die 
intracht  Raum  zur  Entfaltung  gegeben.  Schon  sollte  unter  ihrer 
Qhrung  der  Einzug  in  die  himmlische  Burg  erfolgen,  da  taucht  die 
wietracht  auf  und  versetzt  der  Eintracht  eine  Wunde.  Ergriffen  be- 
3nnt  sie,  wer  sie  sei;  charakteristisch  ist,  dass  sie  angibt,  ihr  Beiname 
)i  die  Häresie,')  und  dass  sie  ein  aus  Häresien  zusammengesetztes 
laubensbekenntnis  ablegt.  Doch  auch  die  Zwietracht  wird  von  dem 
lauben  und  seiner  Schar  niedergeschmettert.  Eintracht  und  Glaube  haben 
mach  das  Schlachtfeld  behauptet.  Die  Concordia  mahnt  zur  Einheit  im 
lauben  und  preist  den  Frieden  und  die  Liebe ;  nach  der  Eintracht  spricht 
3r  Glaube,  der  einen  Tempel  errichtet  wissen  will,  in  dem  Christus 
ohne;  die  Beschreibung  des  Tempels  folgt  der  Offenbarung  21,  11 — 21. 
as  Gedicht  klingt  aus  mit  einem  Hinweis  auf  die  Zeit,  wo  es  keinen  Seelen- 
unpf  mehr  geben  werde. 

Dies  ist,  kurz  gefasst,  der  Inhalt ')  des  merkwürdigen  Werks.  Keinem 
edicht  des  Prudentius  war  ein  so  tief  eingreifendes  Fortleben  beschieden 
ie  der  Psychomachie.  Die  allegorische  Poesie  des  Mittelalters  fand  hier 
äche  Anregung,  und  die  Psychomachie  gehörte  zu  den  beliebtesten 
Qchem  jener  Zeit.  Mit  der  Dichtung  verband  sich  auch  die  Kunst,  indem 
e  typischen  Erzählungen,  die  allegorischen  Figuren  und  die  Einzelkämpfe 
ustriert  wurden;  diese  Kunstgebilde  wurzelten  noch  vielfach  in  antiken 
otiven  und  gelangten  im  Mittelalter  zu  einer  mächtigen  Entwicklung. 

Ueber  die  Bilder  der  Psychomachie  und  ihre  antiken  Motive  handelt  sehr  ein- 
hend  Stettin  er,  Die  iUustrierten  Prudentiushandschriften  (Strassb.  Diss.),  Berl.  1895, 
151;  vgl.  S(amiiel)  B(erger),  BnU.  crit.  1895  p.  541. 

Spezialausg.  von  Bergman,  Upsala  1897  (nach  den  cod.  Casin.  374  und  Vatic. 
>g.  2078);  vgl.  dazu  J.  Tolkiehn,  Wochenschr.  ffir  klass.  Philol.  1899  Sp.  926. 

Litte ratur.  Hoefer,  De  Prudentii  poetae  Psychomachia  et  carminum  chronologia, 
irb.  1895. 

872.  Die  beiden  Bttcher  gegen  Symmachus.  Im  Jahre  884  hatte 
'-mmachus  seine  berühmte  Schutzrede  fUr  den  Altar  der  Victoria  und 
m  heidnischen  Kultus  abgefasst.  Wir  haben  schon  mehrfach  dargelegt, 
Bichen  mächtigen  Eindruck  sie  auf  die  christliche  und  die  heidnische 
''elt  machte.  Ambrosius  hatte  gegen  sie  geschrieben,  aber  die  nationale 
irtei  blickte  wohl  stets  mit  Bewunderung  auf  dieselbe.    Es  ist  gewiss 

■ 

erkwürdig,  dass  Prudentius  nach  fast  20  Jahren  nochmals  auf  diese 
slatio  zurückgriff,   um  gegen  das  Heidentum  vorzugehen.    Durch  Theo- 


^)  Der  Greiz  erscheint  mit  einem  Gefolge ; 
nlich  erscheint  mit  einem  solchen  Gefolge 
)  castitas  auch  bei  Ambrosius  in  der 
hiift  de  Abraham  2,  4,  17;  vgl.  Weyman 
c.  Sp.  984. 

^)  Es  durfte  nicht  unpassend  erscheinen, 
rauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  ein  Zeit- 


genosse und  Landsmann  des  Prudentius,  Pa- 
cianus  von  Barcelona  (epist.  1,  4;  13  Sp.  1055 
Migne)  von  sich  sagte:  christianus  mihi  no- 
men  est,  catholieus  vero  cognomen;  vgl.  Wey- 
man 1.  c.  Sp.  979. 

')  Eine  Disposition  siehe  bei  Hoefer 
p.8  und  Beti^m&xi,  k\SÄ%.^«t^vJO«JL.^.^i>^^i^  . 


Maoäbacb  der  JUm*.  AltertamMWlmeDMchMtt,   ym,  4.  ^-^^ 


226  Anrelins  Prndentiiia  Clemens.    (§  873.) 

dosius  war  die  christliche  Kirche  so  fest  begründet  worden,  dass  für  sie 
kaum  mehr  eine  Erisis  zu  befürchten  war;  mochten  auch  noch  in  den 
gebildeten  Kreisen  die  Sympathien  für  den  nationalen  Kultus  nicht  ganz 
erloschen  sein,  so  lässt  sich  doch  schwer  an  einen  aktuellen  Vorgang 
denken,  durch  den  Prudentius  zur  Abfassung  seiner  Apologie  veranlasst 
worden  wäre.  Das  Gedicht  ist  nicht  ein  Produkt  des  Lebens,  sondern  ein 
Produkt  der  Studierstube.  Das  Material  schöpfte  der  Dichter  aus  der 
Relatio,  aus  der  Widerlegung  des  Ambrosius  und  aus  den  apologetischen 
Schriften;  er  geht  so  zu  Werk,  dass  er  im  ersten  Buch  das  Heidentum 
im  allgemeinen  bekämpft,  im  zweiten  die  Relatio  des  Symmachus  zu  wider- 
legen sucht.  Der  Gang  des  Gedichtes  lässt  sich  also  skizzieren.  Mit  einer 
Einleitung  von  89  asklepiadeischen  Versen  hebt  der  Dichter  an ;  er  setzt 
den  von  einer  Natter,  aber  ohne  Schaden  gebissenen  Paulus  mit  dem  von 
Symmachus  verfolgten  Christentum  in  Parallele.  Es  folgen  dann  657 
Hexameter,  welche  das  erste  Buch  ausmachen.  Der  Autor  wundert  sieb 
darüber,  dass,  obwohl  Theodosius  dem  Christentum  freie  Bahn  geschaffen, 
doch  das  Unkraut  des  Heidentums  noch  fortwuchere.  Um  die  Verwerf- 
lichkeit desselben  zu  zeigen,  charakterisiert  er  die  einzelnen  Odtter  mit 
ihren  menschlichen  Schwächen ;  er  geisselt  die  Vergöttlichung  der  Elemente 
und  ist  erzQrnt  darüber,  dass  auch  die  Schatten  der  Unterwelt  in  die 
Reihe  der  Götter  eintreten.  Nachdem  er  die  Nichtigkeit  der  Idololatrie 
ausführlich  dargethan,  legt  er  dem  Theodosius  eine  Rede  in  den  Mund, 
in  der  Rom  aufgefordert  wird,  sich  dem  Kreuze  zu  unterwerfen.  Auf 
solche  Rede  hin  habe  das  römische  Volk  in  seiner  grossen  Mehrheit  und 
in  seinen  berühmtesten  Geschlechtern  den  heidnischen  Irrtum  abgelegt, 
nur  eine  kleine  Minderheit  verharre  noch  in  dem  alten  Wahne.  Am 
Schlüsse  gelangt  die  Darstellung  zu  Symmachus,  den  er  zwar  be- 
wundert, aber  im  Interesse  des  Glaubens  zu  bekämpfen  sich  verpflichtet 
fühlt.  Auch  das  zweite  alis  1132  Hexametern  bestehende  Buch  beginnt 
mit  einem  Vorwort.^)  Wieder  ist  es  ein  Vorgang  aus  der  Bibel,  der  eine 
Parallele  abgeben  muss ;  es  wird  geschildert,  wie  Petrus  auf  dem  See  von 
Tiberias  Schiffbruch  erleidet,  und  wie  der  über  die  Wellen  schreitende 
Christus  ihm  die  rettende  Hand  darbietet ;  so  fürchtet  der  Dichter,  durch 
die  Redefertigkeit  seines  Gegners  Schiffbruch  zu  leiden,  wenn  Christus  ihm 
nicht  beistehe.  Nach  dieser  Einleitung  wird  das  Thema  selbst  in  Angriff 
genommen.  Zuerst  trägt  Symmachus  die  Victoriafrage  den  beiden  Kaisern 
vor,  worauf  diese  ihm  selbst  die  gebührende  Anwort  erteilen  (Vs.  18); 
alsdann  werden  die  Punkte,  welche  Symmachus  in  seiner  Relatio  zum 
Schutze  des  Heidentums  vorgebracht  hat,  einzeln  vorgenommen  und  wider- 
legt. Ein  Eunstmittel  ist,  dass  die  Roma  selbst  redend  eingeführt  wird, 
wie  dies  bereits  Symmachus  gethan.  Hervorzuheben  ist,  dass  Prudentius 
in  seiner  Schutzrede  für  das  Christentum,  worin  besonders  die  Unsterb- 
lichkeit betont  wird,  vom  Monotheismus  ausgeht  und  speziell  christliche 
Gedanken  soviel  als  möglich  ausscheidet.     Die  bekannten  Argumente  der 

^)  Zu  2,  416—435  vgl.  Weyman,  Mis-      gr^s  scientifique  international  des  catholiqaes, 
cellanea  zu  lat.  Dichtern,  Freib.  i.  d.  Schweiz      Section  6  p.  144). 
1898,  p.  9  (Compte  rendu  du  quatrieme  con-   | 


▲urelins  Prndentias  Ciemeiis.    (§  873.)  227 

Gegner,  dass  man  an  dem  Alten  festhalten,  dass  Rom  seinem  Genius  treu 
bleiben  müsse,  dass  Rom  seine  Siege  den  Göttern  verdanke,  werden  auf 
dem  schon  durch  die  Apologeten  vorgezeichneten  Wege  zurückgewiesen. 
Die  Vereinigung  aller  Völker  zum  römischen  Reiche  wird  als  ein  Werk 
der  göttlichen  Providenz  hingestellt,  um  dem  Christentum  freie  Entfaltung 
seines  Friedenswerks  zu  verschaffen.  Zuletzt  kommt  noch  der  Einwand 
zur  Besprechung,  dass  die  Entziehung  der  Kornspende,  durch  welche  die 
Vestalinnen  betroffen  wurden,  Misswachs  und  Hungersnot  im  Gefolge  ge- 
habt habe;  hierbei  werden  auch  die  Gladiatorenspiele  gerügt,  deren  Be- 
seitigung vom  Kaiser  gefordert  wird. 

üeber  den  princeps  des  Verses  1,  410  cum  princeps  geniini  bis  victor  caede 
tyranni,  Brockhaas  (^.  56)  versteht  unter  dem  j»Hiic^«  Constanün ;  di&t  princepa  \^i  aber 
'Hieodosios.  Als  die  besiegten  Tyrannen  werden  bald  Maximus  (388)  und  Eugenius  (394)» 
bald  Eugenius  und  Arbogastes  (394)  angenommen;  diejenigen,  welche  den  Gonstantin  hier 
bezeichnet  glauben,  mftssen  unter  aen  beiden  besiegten  Tyrannen  Maxentius  und  Licinius 
verstehen.  Aus  Ys.  1,  467 — 468  ergibt  sich  aber  mit  Sicherheit,  dass  Gonstantin  nicht  der 
princep8  ist,  da  dort  in  der  Rede  von  Gonstantin  als  einer  fremden  Person  gesprochen 
wird.  Es  bleibt  sonach  nur  Theodosius  übrig,  der  gleich  im  Anfang  des  Gedichtes  in  den 
Vordergrund  gerückt  wird;  die  besiegten  Tyrannen  müssen  aber  Eugenius  und  Arbogast 
sein,  weil  die  Tyrannen  Vs.  1,  468  ids  eng  verbunden  erscheinen;  vgl.  Roesler  p.  224; 
Ebert,  AUgem.  Gresch.  der  Litt,  des  Mittelalters  p.  278  Anm.  1. 

Ueber  den  angeredeten  Kaiser  des  zweiten  Buches.  Schon  Ys.  6  f.  werden 
anter  den  daees.armatarum  damini,  inter  castra  pairU  geniti  mit  ziemlicher  Deutlichkeit 
die  Sohne  des  Theodosius,  Arkadius  und  Honorius,  bezeichnet.  Ys.  726  wird  fortissime 
prineeps  auf  Honorius  zu  beziehen  sein.  Hier  werden  der  Sieg  bei  Pollentia  und  der  Einzug 
des  Honorius  in  Rom  deutlich  gekennzeichnet;  vgl.  Brockhaus  p.  73  Anm.  3.  Auch  der 
Schluss  des  Gedichtes,  wo  ein  Kaiser  um  Abschaffung  der  Gladiatorenspiele  gebeten  wird, 
weist  auf  Honorius;  vgl.  Brockhaus  p.  80  Anm.  2. 

Abfassungszeit.  Matthias  Schmitz,  Die  Gedichte  des  Prudentius  und  ihre 
Entstehnngszeit  1  (Aachen  1889)  p.  13;  Th.  Birt,  Ausg.  des  Glaudian  p.  LYII;  Hoefer 
p.  51.  Aus  2,  696  f.  ergibt  sich,  dass  die  Schrift  nach  der  Schlacht  bei  Pollentia  (402)  ge- 
schrieben wurde,  in  welcher  StiUcho  Alarich  zum  Rückzuge  zwang.  Haben  wir  damit  einen 
terminns  post  quem  gefunden,  gilt  es  jetzt  auch  einen  terminus  ante  quem  aufzuspüren. 
IVudentius  bat  den  Honorius  (2,  1125)  um  Abschaffung  der  Gladiatorenkämpfe;  diese  er- 
folgte im  Jahre  404  (Theodoret.  h.  e.  5,  26);  vgl.  Roesler  p.  8.  Allein  wir  Kommen  noch 
weiter  zurück,  wenn  wir  bedenken,  dass  er  die  Schlacht  bei  Verona  (Hochsommer  403)  noch 
nicht  kennt.  Da  die  Schlacht  bei  Pollentia  Frühjahr  402  stattgefunden,  fällt  die  Schrift 
zwischen  Frühjahr  402  und  Hochsommer  403,  wahrscheinlich  noch  ins  Jahr  402;  vgl. 
Schmitz  p.  26;  p.  34.  Obwohl  die  Zeitindicien  nur  aus  dem  zweiten  Buch  gewonnen  werden 
können,  so  müssen  sie  doch  wegen  des  engen  Zusammenhangs  der  beiden  Bücher  auch  auf 
das  erste  mitbezogen  werden. 

Symmachus  und  Prudentius.  Das  Gedicht  des  Prudentius  setzt  Symmachus 
als  lebend  voraus.  Wenn  nun  Seeck  (Ausg.  des  Symmachus  p.  LXXIU  Anm.  337)  bemerkt: 
,Qaod  Prudentius  Symmachum  ut  vivum  adloquitur,  nihil  aliud  demonstrat,  quam  nuntium 
mortis  eins  sero  in  Gallias  pervectum  esse.  Symmachi  vita  codici  fiorilegii  Parisina  8559 
inserta,  cui  Morin,  £tude8  p.  77  tantam  vim  tiibuit,  semidocto  aUcui  saeculi  quinti  decimi 
debeinr,  et  cum  onmi  genere  errorum  apertissimorum  abundet,  nullam  plane  fidem  meretur', 
so  ist,  wie  ich  glaube,  eine  unnötige  Schwierigkeit  geschaffen;  denn  dass  Symmachus  zur 
Zeit  der  Abfassung  des  Gedichtes  nicht  mehr  leben  konnte  (§  816),  lässt  sich  in  keiner 
Weise  darthun. 

Litteratur.  J.  G.  Dabas,  Sur  une  question  soulev^e  pour  le  po^me  de  Prudence 
contre  Symmachus,  Paris  1866;  Y.  Both,  Des  christlichen  Dichters  Prudentius  Schrift  gegen 
Shmunachus,  Rastatt  1882;  P.  Allard,  La  pol^mique  contre  le  paganisme  au  quatri^me 
aiöcle  d*apr4s  les  poömes  de  Prudence  (Le  Gontemporain  15  avr.  1883). 

873.  Das  DittochaeoD.  Ein  merkwürdiges  dichterisches  Produkt  des 
Prudentius  ist  das  Dittochaeon.  Es  besteht  aus  einer  Sammlung  von  49 
hexametrischen  Tetrasticha,  von  denen  24  Darstellungen  aus  der  Qeschichte 
des  alten  und  25  solche  aus  der  Geschichte  des  neuen  Testaments  enthalten ; 


grosse  Verschiedenheit  derselben   hin;    vgl. 
yixt,  Separatabdr.  p.  3. 

*)  Vgl.  die  Tetrastichen  zu  den  Monats- 
bildern  im   Chronographen  v.  J.  354  (§  796 

p.  57)  und  das  Tetrastichon  authenticum  de      Reihen;  vgl.  Sixt  p.  10. 
singulis  mensibus  (§  788  p.  28  Anm.  1).  *)  Vgl.  Roesler  p.  125. 

»)  Aus  Paulinus  (carm.  27,  511  Hartel)  j  *j  Wir  meinen  Roesler  p.  132. 


solche  Bilder  durch  Epigramme  zu  erlftuteni. 
Mit  Unrecht  denkt  A.  Springer  (GnmdzOge 
der  Kunstgesch.  2>  (Leipz.  1888)  p.  120)  an 
Bilderbibeln ;  dagegen  sprechen  die  parallelen 


228  Anreliiis  Prudentiiis  ClemMis.    ({  878.) 

aus  der  doppelten  Quelle  ist  auch  der  sonderbare  Name  zu  erklären,  der 
„doppelte  Erquickung''  oder  „doppelte  Speise"  bedeutet.  Der  Dichter  folgt  | 
in  dieser  Epigrammensammlung  der  chronologischen  Ordnung;  allein  die 
Auslassungen  wichtiger  Scenen  und  Begebenheiten  beweisen  klar  und  deat- 
lich,  dass  der  Autor  nicht  eine  Uebersicht  der  biblischen  Geschichte  geben 
wollte.  Sehen  wir  uns  diese  Tetrasticha  genauer  an,  so  müssen  wir 
aus  der  sprachlichen  Form  die  Schlussfolgerung  ziehen,  dass  dieselben  be- 
stimmt waren,  als  Erläuterungen  von  Bildwerken  zu  dienen,^)  dass  ae 
daher  den  Bildern  als  Unterschriften  beigegeben  waren.  Auch  die  damalige 
nationale  Litteratur  bietet  solche  Epigramme  zu  Bildern  dar,  und  scheint 
die  metrische  Form  derselben  gewöhnlich  das  Tetrastichon  gewesen  zu 
sein.')  Nimmt  man  weiter  hinzu,  dass  den  24  alttestamentlichen  Dar- 
stellungen 25  neutestamentliche  gegenüberstehen,  so  wird  man  leicht  zur 
Vermutung  gedrängt,  dass  es  sich  um  zwei  parallele  Reihen  von  je  24  Bä- 
dern handelt,  zu  denen  noch  das  abseits  stehende  Schlusstetrastichon  über 
die  Offenbarung  des  Johannes  sich  hinzugesellt.  Da  die  Sujets  der  Bilder 
über  den  Vorstellungskreis  der  Eatakombenbilder  hinausgehen,  stellt  sich 
uns  eine  christliche  Basilika  als  geeigneter  Ort  für  diese  Malereien  dar;') 
die  Verteilung  der  49  Stücke  wäre  dann  in  der  Weise  erfolgt,  dass  die 
eine  Seitenwand  24  alttestamentliche  Darstellungen,  die  gegenüberliegende 
24  neutestamentliche  enthalten  hätte,  während  No.  25  der  neutestament- 
liehen  Reihe  in  der  Apsis  ihre  Stelle  gefunden  haben  würde.  Die  Basilika 
werden  wir  in  der  spanischen  Heimat  des  Dichters,  vielleicht  in  seinem 
Wohnort  selbst,  zu  suchen  haben.  ^)  Eine  andere  naheliegende  Frage  ist, 
ob  die  einzelnen  Nummern  der  beiden  Reihen  in  der  Art  in  Beziehung 
gesetzt  waren,  dass  das  Bild  des  alten  Testaments  typologisch  auf  das 
gegenüberliegende  Bild  des  neuen  Testaments  hindeutete.  Allein  wenn 
sich  auch  hie  und  da  ein  typologischer  Zusammenhang  zweier  Parallel- 
bilder konstruieren  lässt,  so  ist  es  doch  ein  vergebliches  Bemühen,  einen 
solchen  Zusammenhang  durch  die  beiden  Parallelreihen  aufzudecken.  ^)  Die 
Entstehungsart  dieser  Epigramme  gibt  uns  zugleich  Aufschluss  über  ihre 
Composition;  da  der  Dichter  von  dem  Maler  abhängt,  ist  er  in  seinem 
Schaffen  sehr  gehindert  und  findet  wenig  Gelegenheit  zur  Entfaltung  seiner 
poetischen  Kraft.  Die  Epigramme  sind  ganz  realistisch  gehalten  nnd  be- 
fleissen  sich  einer  knappen  Darstellung.  Manchen  kam  der  Ton  dieser 
Produkte,  zusammengehalten  mit  den  übrigen  Werken  des  Prudentius,  80 
trocken  vor,  dass  sie  dieselben  für  unecht  hielten ;  allein  nichts  ist  irriger, 
als  diese  Annahme.  Wie  die  Ueberlieferung  sich  klar  für  Prudentius  aus- 
spricht, bieten  auch  Sprache  und  Composition   manche  Anklänge  an  die 

^)  Ist  dies  richtig,  so  können  die  band-  erfahren  wir,  dass  damahs  die  Sitte  aufkam, 
schriftlichen  Ueberschriften  nicht  von  Pru-  |  die  Kirchen  mit  Bildern  zu  schmücken;  auch 
dentius   herrühren;    darauf  weist   auch    die   i   lässt    sich   aus  ihm  die  Sitte    konstatieren, 


Anrelins  Fmdeniins  Clemens.    (§  874.)  229 

3hten  Schöpfungen  des  Spaniers  dar.  Während  also  diese  Tetrasticha 
em  Litterarhistoriker  nur  ein  geringes  Interesse  einflössen  können,  wird 
urch  dieselben  umsomehr  der  Archaeologe  gefesselt.  Die  Epigramme 
nd  eine  hervorragende  Quelle  für  die  christliche  Kunstgeschichte.^) 

Das  Wort  Dittochaeon  wird  abgeleitet  von  cf^rrdc  und  oxfj.  Ueber  den  Namen 
;1.  Ebert  p.  291  Anm.  2;  Roesler  p.  29  Anm.  1.  Von  geistiger  Nahrang  (pastua)  spricht 
rndentius  auch  Cath.  4,  3;  vgl.  auch  4,  94.  Sixt  vergleicht  noch  CaÜi.  4,  34  sed  noa  tu 
imino  fovens  paratu  \  artus  atque  animaa  utroque  pastu  \  confirmas  Pater  ac  vigore 
mples.  Brandes  (Wien.  Stud.  12  (1890)  p.  287  Anm.  5)  und  Weyman  (Comment.  Woelff- 
oianae  p.  287  Anm.  3)  halten  die  überlieferte  Form  Dittoehctean  fttr  verderbt;  jener  ver- 
utet  DUeiehion  oder  Ditoechion  (Doppelwand),  dieser  diaroixatoy  oder  diTTaix«^oy,  Ueber 
e  Verderbnisse  des  unge^öhnlicnen  Titels  in  Handschriften  vgl.  Sixt  p.  3;  über  andere 
Itel  denselben  1.  c.  Das  in  Handschriften  des  16.  Jahrhunderts  vorkommende  ,  Diptychon* 
t  eine  Humanistenconjektur. 

Die  Echtheit  der  Tetrasticha.  Vgl.  Ebert  p.  289  Anm.  1 ;  Sixt,  Separatabdr. p.  10. 
lerst  hat  Johannes  Sichard  in  seiner  Ausg.  des  Dichters  (Basel  1527)  die  Echtheit  be- 
ritten. Ausser  den  Handschriften  spricht  auch  Gennadius  (c.  13)  für  Prudentius:  Prudentius^ 
r  saeculari  lUteratura  eruditus,  composuit  Trapcteum  (dafür  wird  geschrieben:  diTioxaTof) 
i  toto  veteri  et  novo  testamento  personis  excerptis,  Ebert  (1.  c.)  fügt  noch  hinzu,  ,dass 
einem  Schreiben  des  Bischofs  von  Ostia,  Georgius  an  Papst  Hadrian  vom  Jahre  786 
n  Vers  des  Dittochaeon  (I,  8)  mit  dem  Zusatz  dicente  Prudentio  angeführt  wird.'  Der 
Distand,  dass  Prudentius  von  der  Sanmdung  schweigt,  ist  keineswegs  entscheidend  gegen 
e  EchÜieit,  da  der  Dichter  selbst  nicht  viel  von  dem  Werke  halten  mochte.  Eben- 
»wenig  darf  in  die  Wagschale  geworfen  werden,  wenn  der  Dichter  dieselben  Begeben- 
siten  anderswo  etwas  anders  erzöüt  als  hier,  da  ja  der  Dichter  von  dem  Maler  abhängig 
t;  vgl.  Sixt  p.  8.  Bei  genauerem  Zusehen  erkennen  wir  in  dem  Verfasser  des  Dittochaeon 
ieselbe  geistige  Individualitftt  wie  in  Prudentius;  wir  erinnern  nur  an  die  Vorliebe  für  das 
jrmbolische  und  Typologische  im  Dittochaeon;  auch  sprachliche  Verwandtschaft  besteht 
iv^ischen  diesem  und  den  anderen  Werken  des  Prudentius;  vgl.  Sixt  p.  10.  Nach  F.  X. 
raus  (Gesch.  der  christl.  Kunst  1  (1896)  p.  386),  der  nochmals  die  Echtheit  bezweifelte, 
t  für  die  Echtheit  zuletzt  eingetreten  S.  Merkle,  Prudentius*  Dittochaeon  (Festschr.  zum 
lOOjfthrigen  Jubilftum  des  deutschen  Campo  Santo  in  Rom,  Freib.  i.  Br.  1897,  p.  33). 

Die  Tetrasticha  als  Erläuterung  von  Bildwerken.  Die  Bestimmung  der 
etrasticha  ergibt  sich  deutlich  aus  ihrer  sprachlichen  Fassung;  man  vgl.  apparet  in  No.  38, 
>c  und  ista  in  No.  4,  eece  in  No.  40;  vgl.  Sixt  p.  5.  Der  Charakter  der  Tetrasticha  drückt 
ch  besonders  aus,  wenn  sie  sich  auf  Oertlichkeiten  beziehen.  —  Th.  Hach,  Die  Darstel- 
ngen  der  Verkündigung  Maria  im  christl.  Altertum  (Zeitschr.  für  kirchl.  Wissen  und  kirchl. 
)ben  1885  p.  384). 

874.  Bttckblick.  Soweit  wir  sehen  können,  hat  die  Poesie  unseren 
rudentius  nicht  durch  das  ganze  Leben  geleitet;  erst  als  er,  alt  geworden, 
ch  entschlossen  hatte,  der  Welt  Lebewohl  zu  sagen,  um  ganz  für  Christus 
1  leben,  pflegte  er  die  Dichtkunst.  Nicht  Ruhmesbegierde  war  es,  die 
m  zum  Dichten  trieb,  sondern,  wie  er  in  dem  Epilog  zu  seinen  Werken 
igt,  das  Verlangen,  sich  im  Hause  Gottes  nützlich  zu  erweisen.')  Er 
ollte  Christus  durch  seine  Gedichte  verherrlichen.  Die  christlichen  Ideen 
ätten  den  Gedankenkreis  des  Dichters  vollständig  erfüllt,  und  in  denselben 
ät  sein  dichterisches  Schaffen  eine  feste  Wurzel.  Eine  neue  Ideenwelt, 
n  neues  tiefes  Gemütsleben  strahlt  uns  also  aus  den  Gedichten  des  Pru- 
3ntius  entgegen.  Wie  sehr  stach  von  dieser  christlichen  Dichtung  die 
Bidnische  ab,  welche  sich  in  abgelebten  Mythen  und  in  einer  verbrauchten 
echnik  bewegte!  Die  Begeisterung,  die  Prudentius  für  das  Christentum 
egte,  bestimmte  auch  das  Ziel  seiner  Poesie :  er  will  einerseits  die  heid- 

^)  Diesen   Gesichtspunkt   hat  Brock-  '   in  Cath.  IX  vorzuliegen  scheint;  vgl.  Brock - 

ins  in  scharfsinniger  Weise  zur  Geltung  haus  p.  270. 

(bracht  (Kap.  IX  und  X).    Vielleicht  darf  *)  Epilog.  Vs.  33  quidquid  illud  aecidii, 

»ch   angeführt   werden,   dass   ein  Einfluss  iuvabit  ore  personasse  Christum, 
iristlicher  Kunstwerke  auf  Prudentius  auch 


230  AnreliQB  Fmdentins  Olemens.    (|  874.) 

iiischen  Anschauungen,  die  sich  noch  in  einzelnen  vornehmen  römischen 
Familien  erhalten  hatten,  aus  dem  Wege  räumen,  andererseits  vrill  er 
durch  die  Bekämpfung  der  Irrlehren  die  Einheit  der  Kirche  auf  Grund 
des  nicänischen  Bekenntnisses  befestigen.  Weder  die  Streitschrift  gegen 
die  Heiden  noch  die  Streitschriften  gegen  die  christlichen  Irrlehren  sind  auf 
dem  Boden  des  Kampfplatzes  erwachsen,  und  es  war  ein  verkehrtes  unter- 
nehmen, dieselben  mit  dem  Priscillianismus  in  Verbindung  zu  bringen;^) 
sie  sind  vielmehr  eine  Frucht  der  Studierstube  und  des  Enthusiasmus,  den 
der  Dichter  fUr  das  Christentum  hegt.  Selbst  seine  Hymnen  nehmen  gern 
die  Gelegenheit  wahr,  auf  die  christlichen  Dogmen  hinzuweisen,  und  er- 
halten dadurch  einen  didaktischen  Zug.  Es  ist  kein  Zweifel,  Pnidentius 
wendet  sich  in  seinen  Produktionen  an  die  gebildeten  Kreise  sowohl  in 
der  christlichen  als  in  der  nationalen  Welt.  In  der  Lösung  seiner  Auf- 
gabe springt  seine  Originalität  mehrfach  in  die  Augen.  In  seinen  Lehr- 
gedichten ist  das  freie  poetische  Schaffen  niemals  zu  kurz  gekommen;  wie 
Lucrez  weiss  auch  er  dem  sprödesten  Stoffe  dichterischen  Oeist  ein- 
zuhauchen. Aber  auch  ganz  neue  Kunstformen  sind  von  ihm  geschaffen 
worden.  Mit  der  Psychomachie  wurde  das  allegorische  Epos  inauguriert, 
welches  dann  im  Mittelalter  so  reiche  Blüten  treiben  sollte.  Aus  den 
trockenen  Epigrammen  des  Damasus  auf  die  Gräber  der  Märtyrer  wusste 
er  eine  episch-lyrische  Dichtungsart  herauszugestalten,  welche  in  der  mo- 
dernen Zeit  wahre  Triumphe  feiert.  Den  ambrosianischen  Hymnus  bildete 
er  in  der  Weise  fort,  dass  er  ihn  von  der  Liturgie  loslöste  und  in  den 
Dienst  des  aesthetischen  Genusses  der  Leser  stellte.  Auch  in  seinen  Lehr- 
gedichten will  Prudentius  nicht  Theologe,  sondern  Dichter  sein.  Man  kann 
daher  auch  nicht  von  einer  Theologie  des  Prudentius  in  dem  Sinne  sprechen, 
dass  von  ihm  eine  ihm  eigentümliche  Auffassung  der  christlichen  Wahr- 
heiten zu  verzeichnen  wäre;*)  er  ist  in  seinem  theologischen  Wissen  von 
den  Meistern  seiner  Zeit,  besonders  von  Tertullian  und  Ambrosius,  ab- 
hängig. Nicht  die  Spekulation  war  ein  treibender  Faktor  in  dem  dichte- 
rischen Schaffen  des  Prudentius.  Seine  Produktion  zeigt  aber  als  charak- 
teristische Eigenschaft  die  grosse  Formgewandtheit.  Dass  des  Dichters 
Composition  eine  leichtflüssige  war,  erhellt  schon  daraus,  dass  er  in  ver- 
hältnismässig sehr  kurzer  Zeit  seine  Werke  schrieb.  Es  liegt  klar  zu 
Tage,  dass  Prudentius  aus  der  Rhetorschule  reiche  Früchte  davongetragen 
hatte;  wie  aber  diese  Rhetorschule  ihm  die  Eleganz  des  Ausdruckes  an 
die  Hand  gab,  so  verleitete  sie  ihn  leider  oft  auch  dazu,  an  die  Stelle  der 
Gefühlswelt  eine  Welt  von  Worten  zu  setzen.   Er  zeigt  sich  eben  als  Kind 


*)  Es  ist  ein  Hauptgedanke  des  Roesl er- 
sehen Buches,  dass  die  drei  Lehrgedichte 
Apotheosis,  Hamartigenie  und  Psychomacliie 


ist.  Dass  die  Prosodie  des  Namens  dem 
Dichter  keine  unübersteigbaren  Hindemisse 
bereiteten,  ist  mit  Recht  bemerkt  worden; 


gegen  die  Priscillianisten  gerichtet  sind.  Allein  >  vgl.  Puech,  Journal  des  Savants  1891  p.310 

jeder,   der  unbefangen  diese  Gedichte  liest,  I   Anm.  1;  Merkle  p.  90  Anm.  1.    Auch  sind 

wird  eine  solche  Tendenz   bei  ihnen   nicht  '   charakteristische  Lehren  und  Eigenschaften 

finden;   vgl.  Merkle,   Prudentius  und  Pris-  |   der  Priscillianisten  nicht  erwähnt,  z.  B.  ihre 

cillian  (Theol.  Quartalschr.  76  (1894)  p.  77).  apokryphe  Litteratur  (Merkle  p.  99),  ihre 

Schon   die   eine  Thatsache   genügt,   dass  in  Allegorese  (p.  102)  und  anderes  (p.  110). 

keinem  dieser  drei  Werke  Priscillian  genannt  *)  Vgl.  Brockhaus  p.  204. 

oder  in  sonst  einer  Weise  deutlich  bezeichnet  > 


Anrelins  Pmdentins  Clemens.    (§  874.) 


231 


einer  Zeit,  die  von  der  Rhetorik  lebte.  Es  ist  weiterhin  klar,  dass  auch 
inser  Dichter  sich  dem  Einfluss  der  nationalen  Litteratur,  die  von  jeher 
tark  mit  Rhetorik  versetzt  war,  nicht  entziehen  konnte.  In  den  gräss- 
ichen  Schilderungen,  die  jetzt  den  Leser  so  sehr  stören,  in  den  langen 
Beschreibungen,  die  uns  so  oft  ermüden,  erkennen  wir  deutlich  die  Ein- 
rirkungen  der  nationalen  Poesie.  In  der  Form  steht  Prudentius  auf  natio- 
lalem  Boden;  er  hatte  die  Meisterwerke  des  römischen  Volkes  eifrig  stu- 
liert  und  von  ihnen  die  Yerstechnik  sowie  die  Anpassung  des  Metrums 
ji  den  Inhalt  gelernt.  Selbst  in  der  allegorischen  Gestaltung  i)  fand  er 
Anregungen  genug  in  der  profanen  Litteratur.  So  haben  wir  denn  bei 
^rudentius  zum  erstenmale  eine  Poesie,  in  der  sich  die  klassische  Form 
lit  dem  christlichen  Oeiste  zu  schöner  Harmonie  vereinigt.  Charakteri- 
tisch  ist,  dass  Prudentius  für  die  ewige  Roma  begeistert  war  wie  die 
ationalen  Dichter,  aber  sein  Rom  ist  ein  durch  das  Christentum  verjüngtes, 
erufen,  dem  Christentum  den  Erdkreis  zu  unterwerfen. 

Vorbilder.  a)Horaz;  über  die  Nachbildung  horazischer  Versmasse  vgl.  Faguet, 
>e  Pmd.  carm.  lyr.,  Bordeanx  1883;  Erenkel^DeA.  Prud.  Gl.  re  metrica,  Königsberger  Diss. 
884;  über  Nachahmong  in  Bezug  auf  Sprache  und  Gedanken  vgl.  M.  Hertz,  Analecta  ad 
anninum  Horat.  bist.  4  (Ind.  lect.  Bresl.  1880  p.  26);  Breidt,  De  A.  Prud.  Ol.  Horatii 
nitatore,  Heidelberg  1887;  besonders  die  lyrischen  Gedichte  des  Horaz  sind  ihm  Muster 
ewesen.  Dass  in  der  Parallelisierung  Breidt  oft  unkritisch  verfährt,  zeigt  Weyman, 
»erL  philo].  Wochenschr.  1888  Sp.  1113.  Interessant  ist  dagegen  die  Beobachtung  Breidts 
).  22),  dass  Prudentius  in  seiner  Polemik  gegen  die  Heiden  sich  auch  nicht  selten  hora- 
ische  Wendungen  zu  Nutzen  macht,  also  die  Heiden  sozusagen  mit  ihren  eigenen  Waffen 
ekämpft  ß)  Senecas  Tragoedien;  vgl.  Wevman,  Seneca  und  Prudentius  (Gomment. 
Voelfflinianae,  Leipz.  1891,  P- 283).  Seneca  Herc.  rar.  610  noctis  aeternae  ch<w8  =  Cath.  9,  81 ; 
ndere  Beispiele  bei  Sixt,  Des  Prudentius  Abhängigkeit  von  Seneca  und  Lucan  (Philol.  51 
1892)  p.  504).  Dass  aber  Prudentius  nicht  bloss  in  einzelnen  Wendungen,  sondern  in 
anzen  Scenen  von  Seneca  abhängig  ist,  zeigt  Sixt  p.  501  und  vergleicht  den  Untergang 
es  Hippolytus  in  Phaedra  1073  mit  Peristeph.  11,  85;  Hercules  für.  1011  mit  dem  beth- 
»hemitischen  Kindermord  in  Cath.  12,  118;  Hercules  für.  46  mit  Christi  Höllenfahrt  in  Cath. 
,70  u.  8.  w.  Vgl.  noch  G.  Ficker,  Stud.  zur  Hippolytfrage,  Leipz.  1893,  p.  35  Anm.  3. 
)  Lucan.  Dieser  Epiker  konnte  dem  christlichen  Dichter  besonders  für  schreckliche 
cenen  ein  Modell  abgeben;  vgl.  Sixt  (1.  c.  p.  505),  der  namentlich  auf  Pharsalia  3,  572  ff., 
57—658,  4,  541  ff.,  8,  671  ff.,  6,  540  und  9,  767  hinweist.  Ein  belehrendes  Beispiel  ist 
hars.  9, 4  ff.  =  Peristeph.  14, 91  ff.  Ueber  einzelne  Wendungen  vgl.  denselben  1.  c.  cf)  S  tat  i  us ; 
.  Lafaye,  Quelques  notes  sur  les  silvae  de  Stace  premier  Uvre,  Paris  1896,  p.  27;  vgl. 
eristeph.  11,  227  f.  u.  silv.  I  2,  236.  e)  Ueber  Vergil,  Ovid,  Juvenal  vgl.  Lease  p.  66. 
haedrus  4,  6,  11  ||  Cath.  7,  115.  C)  Tertullian.  Die  Abhängigkeit  des  Prudentius  von 
ertullian  in  seinen  theologischen  Anschauungen  legt  am  ausfCÜu'lichsten  Brockhaus  im 
.  £[apitel  seines  Buches  dar;  vgL  auch  Ebert  p.  269  und  p.  276.  Was  Roesler  (p.  246) 
ßgen  die  Benutzung  des  Häretikers  Tertullian  vorbringt,  ist  völlig  hinfällig;  dies  geht  schon 
irauB  hervor,  dass  er  gezwungen  ist,  zuzugestehen,  dass  Prudentius  die  Schriften  Ter- 
illians  gekannt  und  gelesen  habe  (p.  247)  und  dass  er  zu  einer  Mittelquelle,  der  verlorenen 
chrift  des  Olympius,  seine  Zuflucht  nehmen  muss;  vgl.  auch  P.  Schanz,  Deutsche  Lit- 
traturzeitung  1887  Sp.  963;  Puech  p.  174.  Ueber  die  Benutzung  der  Bücher  Tertullians 
3gen  Marcion  in  der  Hamartigenie  vgl.  Ebert  p.  276.  Vgl.  noch  A.  Harnack,  Tertullian 
der  Litt,  der  alten  ELrche  (Sitzungsber.  der  Berl.  Akad.  1895  p.  573).  tj)  Cyprian.  Das 
iteresse  des  Prudentius  für  Cyprian  wird  erwiesen  durch  den  Hynmus  13  im  Peristephanon ; 
;L  besonders  die  bezeichnenden  Worte  (Vs.  6)  te  leget  amnis  amans  Christum,  tua,  Cy- 
Hane,  discet.  Ebert  (p.  287)  macht  darauf  auhnerksam,  dass  das  Bild  von  der  Berennung 
)r  Seele  durch  die  Laster  auf  einer  Anschauung  ruht,  die  sich  schon  bei  Cyprian  findet; 
;;1.  auch  Roesler  p.  243.  ^)  Lac  tanz.  Dass  Rndentius  besonders  in  den  Büchern  gegen 
^mmachus  und  in  der  Hamartigenie  den  Lactanz  benutzte,  zeigt  S.  Brandt,  De  Lact. 
md  Prud.  vestigüs,  Heidelberg   1894;    Ausg.  des  Lactanz  pars  2  fasc.  2  (1897)  p.  274. 


^)  Sogar  in  christlichen  Vorstellungen, 

B.  in  denen  über  das  Jenseits,  lässt  sich 

ie  Entwicklungsreihe  bis  tief  in  das  Alter- 


tum hinein  feststellen;  vgl.  Dieter  ich,  Ne- 
kyia,  Leipz.  1893. 


232  Anrelins  Prndentiiis  demens.    ({875.) 

i)  JuvencuB.  Manitius,  Zu  JuvencuB  und  Prudentias  (Rhein.  Mus.  45  (1890)  p.  485) 
statuiert,  daas  Juvencua  in  Sprache  und  Yershau  auf  die  kommenden  chriaÜidien  Dichter, 
darunter  auch  auf  Prudentiua,  der  wie  Juvencus  ein  Spanier  war,  seinen  Einfluss  ansgeflbi 
x)  Ambrosius.  Brockhaus  p.  204:  «Ausserdem  dürften  des  Prudentins  nfthere  Zeit- 
genossen, Ambrosius  und  vielleicht  Hieronymus,  namentlich  in  ethischen  und  praktiscli 
kirchlichen  Fragen,  so  in  der  Verherrlichung  der  Märtyrer,  der  Jungfrftulichkeit,  wie  der 
Ascese  überhaupt,  namentlich  auch  der  Benutzung  biblischer  Gestalten  und  Vorgänge  zn 
ethischen  Zwecken,  wie  es  Ambrosius  liebt,  auf  seine  Anschauungsweise  nicht  (Mhne  Ein- 
fluss  gewesen  sein.  Hat  doch  der  letztere  z.  B.  der  von  Prudentius  besungenen  heiligen 
Agnes  ebenfalls  seine  Aufoierksamkeit  gewidmet."  Hieran  anknüpfend  lehnt  Roesler 
(p.  242)  eine  Beeinflussung  des  Prudentius  durch  Ambrosius  in  ascetischen  Dingen  ab,  be- 
hauptet aber,  ,dass  Prudentius  in  der  Darlegung  der  Glaubenswahiheiten  mit  keinem  Kirchen- 
vater oder  Schriftsteller  grössere  Aehnlichkeit  hat  als  mit  Ambrosius,  und  daas  der  Grund 
hiervon  beim  Dichter  in  der  Lektüre  der  ambrosianischen  Schriften  zu  suchen  sei.*  Ueber 
die  ambrosianischen  Hymnen  als  Vorbilder  für  die  des  Prudentius  vgl.  Eayser,  Kirchen- 
hymnen p.  266.  Ueber  Ambrosius  als  Quelle  der  Bücher  gegen  Symmachus  v^  Ebert  p.276. 
A)  Das  Verhältnis  von  Prudentius  und  Glaudian,  dieser  zwei  gleichzeitigen  Dichter,  näher 
zu  bestimmen,  ist  von  Interesse,  aber  nicht  ganz  leicht.  Richtig  wird  die  Annahme  Birts 
(Ausg.  des  Glaudian  p.  LVll)  sein,  dass  Prudentius  in  den  Büchern  gegen  Symmachus  Gbn- 
dians  Gedicht  de  hello  Pollentino  vor  Augen  gehabt  hat  Viel  weiter  geht  der  Schiller 
Birts,  Hoefer,  der  in  seiner  Diss.  de  Prud.  Psychomachia  eine  ausgedehnte  Benutzung 
claudianischer  Gedichte  durch  Prudentius  annimmt  und  auf  derselben  sogar  die  Chronologie 
der  Werke  des  Prudentius  basiert  wissen  will.  Noch  immer  wird  zu  wenig  beachtet,  d^ 
sich  in  einer  litterarisch  entwickelten  Dichtungsart  ein  gemeinsamer  Phrasen-  und  W<»t- 
schatz  bilden  muss;  Weyman,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1897  Sp.  977. 

Die  metrische  Composition.  F.  Krenkel,  De  Aurelii  Prudentii  Gl.  re  metrica, 
Königsberger  Diss.  1884;  W.  Mever,  Ueber  die  Beobachtung  des  Wortaccentes  in  alÜai 
Poesie,  Abb.  der  Münchener  Akad.  16  (1886)  p.  116  (über  die  Jamben);  Puech,  Pmdence, 
Paris  1888,  p.  269;  Th.  Reichardt,  De  metrorum  lyricorum  Horatianomm  artificioea  elo- 
cutione,  Marb.  1889,  p.  57  (über  die  lyrischen  Masse);  Lease,  A  syntactic,  stylistic  and 
metrical  study  of  Prudentius,  Baltimore  1895,  p.  54.  Die  Haupterscheinungen  der  Phwodie 
fasst  Manitius  (Rhein.  Mus.  45  (1890)  p.  491)  zusammen;  es  sind  folgende:  1.  Häufige 
Verletzung  der  Prosodie  bei  den  griechichen  Namen  und  Wörtern  (z.  B.  idölum),  2.  Ver- 
längerung kurzer  Silben  in  der  Arsis  und  Verkürzung  langer  Silben  in  der  Thesis.  3.  Ver 
längerung  einer  auslautenden  kurzen  Silbe  durch  anlautendes  cl.  er,  fl,  fr.  gl,  pl.  pr,  9e.  tp. 
spl.  sq.  8t.  ftr. 

Die  Sprache.  A.  E.  Kantecki,  De  Aureli  Prud.  Gl.  genere  dicendi  qoaest.,  Man- 
ster  1874;  Puech,  Prudence  p.  257;  Lease,  A  S3mtactic,  stylistic  and  metrical  stady  of 
Prudentius;  vgl.  dazu  Sixt,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1895  Sp.  1579.  Manitius  (Rhein. 
Mus.  45  (1890)  p.  487)  sagt:  „Prudentius  ist  ein  Neubildner  ersten  Ranges.  Eine  grosse 
Anzahl  von  substantivischen  und  adjectivischen  Weiterbildungen  gehört  ihm  an  ond  ist 
durch  die  weite  Verbreitung  seiner  Werke  (cf.  hierzu  Wiener  Sitzungsber.  Bd,  CXVH,  Xfl 
S.  26  ff.)  Gemeingut  der  christlichen  Poesie  geworden.' 

876.  Fortleben  des  Dichters.  Zu  seinen  Lebzeiten  scheint  Pru- 
dentius nicht  zu  besonderem  Ruhme  gelangt  zu  sein;  die  ruhmreichen 
kirchlichen  Schriftsteller  seiner  Zeit  schweigen  über  ihn  gänzlich;  doch 
lassen  sich  bei  Augustinus  wenigstens  Beziehungen  zu  Prudentias  wahr- 
scheinlich machen.  Dass  Hieronymus  in  seinem  Buch  über  die  kirchliche 
Litteratur  dem  spanischen  Poeten  keinen  Platz  eingeräumt  hat,  hängt 
offenbar  damit  zusammen,  dass  damals  (392)  Prudentius  noch  nicht  die 
Dichterlaufbahn  betreten  hatte;  erst  der  Nachfolger  des  EQeronymos, 
Gennadius,  hat  ihn  unter  die  kirchlichen  Autoren  eingereiht.  Die  ersten 
Spuren  seiner  Nachwirkungen  finden  wir  bei  den  Dichtem;  ApoUinaris 
Sidonius  schätzt  den  christlichen  Sänger  sehr  hoch  und  eifert  ihm  aach 
nach.  Ein  Lob  der  Psychomachie  finden  wir  bei  Alcimus  Avitos.*)  Wir 
sehen,  dass  Prudentius  gegen  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  als  lebendiger 

*)  Ueber  die  Psychomachie  bei  späteren  Autoren  vgl.  B  er  gm  an,  Ansg.  der  Psycho- 
machie p.  XXX. 


Anrelins  PrndentiaB  Clemens.    (§  875.) 


233 


Paktor  in  das  geistige  Leben  der  Christenheit  eindringt.  Obwohl  Pru- 
ientius  seine  Hymnen  nicht  zum  praktischen  Gebrauch  der  Kirche  be- 
stimmt hatte,  gewannen  sie  doch  einen  grossen  Einfluss  auf  die  christ- 
liche Hymnodie;  aus  den  Liedern,  die  wegen  ihrer  grossen  Ausdehnung 
nch  zunächst  nur  für  die  Lektüre  eigneten,  hob  man  einzelne  Strophen 
sius,  um  sie  für  bestimmte  kirchliche  Gebetszeiten  geeignet  zu  machen; 
selbst  vor  kleinen  Aenderungen  ^)  und  Zusammenarbeitungen  von  Versen 
Eius  verschiedenen  Strophen ')  scheute  man  sich  hierbei  nicht.  So  wurden 
FBr  das  römische  Brevier  sieben  Stücke  aus  des  Prudentius  Gathemerinon 
herausgestaltet;  selbst  das  Peristephanon  musste  Beiträge  für  die  kirch- 
liche Liturgie  liefern.  >)  Die  Zeit,  in  welcher  Prudentius  der  christlichen 
Hymnodie  dienstbar  gemacht  wurde,  lässt  sich  leider  nicht  genauer  be- 
stimmen.^) Auf  Kunst  und  Dichtung  der  kommenden  Epoche,  die  dem 
Allegorischen  und  Mystischen  zugeneigt  waren,  wirkte  mächtig  die  Psycho- 
machie  des  Prudentius  ein.  Schon  öfter  ist  gesagt  worden,  dass  dieses 
Gedicht  zu  den  beliebtesten  Dichtungen  des  Mittelalters  gehörte,  und  dass 
wir  auf  unzählige  Spuren  desselben  stossen.  Um  nur  ein  gewichtiges 
Beispiel  anzuführen,  der  bekannte  lateinische  Dichter  der  Angeln,  Ald- 
helm  (t  709)  schloss  sich  in  seinem  Gedichte  de  laude  virginum  an  die 
Psychomachie  an,  indem  er  die  Virginitas  einen  Kampf  mit  den  acht 
Hauptlastern  bestehen  liess.  Ein  Beweis  für  das  wachsende  Ansehen  des 
Prudentius  liegt  darin,  dass  er  in  den  Schulunterricht  eingeführt  wurde; 
schon  Beda  Venerabilis  (672—735)  nahm  in  einem  Schulbuch  über  die 
Metrik  auf  Prudentius  Bezug.  ^)  Es  ist  nahezu  selbstverständlich,  dass, 
als  in  der  karolingischen  Zeit  die  antike  Litteratur  wieder  auflebte,  der 
christliche  Geist  neben  die  Klassiker  den  Prudentius  stellte;  in  der  Biblio- 
thek des  Alkuin  befand  sich  der  Spanier.^)  Der  Schüler  Alkuins,  Hra- 
banus  Maurus,  nahm  sich  in  seinem  Hymnus  auf  die  unschuldigen  Kinder 
das  Gedicht  des  Prudentius  auf  Eulalia  zum  Muster.  Auch  dessen  Schüler 
Walahfrid  Strabo  ist  in  seinem  Hymnus  auf  die  Märtyrer  von  Agaunum 
Nachahmer  des  römischen  Dichters.  7)  Von  da  an  ist  das  Ansehen  des 
Prudentius  in  fortwährendem  Steigen  begriffen;  er  findet  Eingang  in  alle 
christlichen  Länder,  und  neben  der  hl.  Schrift  gehörte  Prudentius  zu  den 
gelesensten  Autoren.^)  Der  Erzbischof  von  Köln,  Bruno,  der  Bruder 
Ottos  I.,  las  beständig  den  Prudentius  und  hegte  so  grosse  Begeisterung 
f&r  ihn,  dass  er  ihm  durch  Schenkung  desselben  an  alle  Kirchen  die  grösste 
Verbreitung  zu  sichern  suchte.  Zeugnis  davon  legen  die  zahlreichen  Hand- 
schriften ab,  die  wir  von  ihm  besitzen,  ferner  die  vielen  Glossen,  mit 
denen  er  versehen  wurde.  ^)  Die  allegorischen  Gedichte  des  Mittelalters  zogen 
von  dem  spanischen  Dichter  ihre  Nahrung,  die  Heiligenlegenden  schlössen 


»)  Vgl.  Kayaer  p.  290. 

«)  Vgl.  Kayser  p.  285. 

•)  Vgl.  Kayser  p.  272. 

«)  Vgl.  Kayser  p.  273;  Roesler  p.  255. 

*)  Vgl.  Roesler  p.  256. 

•)  Vgl  Obbarius,  Auag.p.  XXIII  Anm.  2. 

^)  Vgl.  Ebert  2  p.  162. 

")  R.  von  Raumer,  Die  Einwirkung  des 


Christentoms  auf  die  althochdeutsche  Sprache, 
Stuttgui  1845,  p.  222;  vgl.  auch  Brock- 
haus  p.  11. 

*)  Vgl.  Steinmeyer  und  Sievers,  Die 
althochdeutschen  Glossen  2  (Berl.  1 882)  p.  382 ; 
J.  Berg,  Die  althochdeuiBchen  Prudentius- 
glossen  der  Godd.  Paris.  (Nouv.  acquis.  241) 
und  Monac.  14395  u.  475,   Halle  a.  S.  1889. 


234  AureliiiB  Prndentiiui  Clmmmnm.    (§  875.) 

sich  in  Form  und  Composition  an  ihn  an  und  führten  in  langer  Entwick- 
lungsreihe zur  modernen  Ballade.  ^)  Die  Mirakelspiele  hatten  in  den  stark 
realistischen  Schilderungen  der  Martyrerleiden  einen  Anknüpfungspunkt 
Nicht  bloss  in  der  lateinischen  Sprache,  sondern  auch  in  den  nationalen 
Idiomen  leuchtete  der  Geist  des  Prudentius  auf;  so  spiegelt  das  älteste 
nordfranzösische  Epos  uns  den  Hymnus  von  Enlaliä  wieder. ')  Aber  aoeh 
die  Kunst  rankte  sich  an  Prudentius  empor;  wie  er  in  seiner  Dichtung  viel- 
fach von  bildlichen  Darstellungen  beeinflusst  wurde,  so  reizten  auch  wie- 
derum seine  anschaulichen  Erzählungen  und  Schilderungen  zur  Umsetzung 
in  das  Bild ;  besonders  die  Psychomachie  bot  hier  die  reichsten  Anregungen 
dar.  In  den  vielen  Bilderhandschriften,  die  von  Prudentius  erhalten  sind, 
sehen  wir  noch  heute  das  rege  Schaffen  auf  diesem  Gebiete.^) 

Solange  der  Glaube  sich  ungeteilt  erhielt,  war  Prudentius  der  christ- 
liche Dichter  des  Abendlandes;  mit  der  Kirchenspaltung  verschob  sich 
auch  die  Stellung  desselben;  aus  dem  christlichen  Dichter  wurde  jetzt 
der  katholische.  Die  protestantischen  und  zum  Teil  auch  die  katholischen 
Völker  wählten  für  den  geistlichen  Sang  die  Volkssprache  und  schufen  so 
einen  neuen  Litteraturzweig,  mit  dem  der  lateinische  Hymnus  des  Pru- 
dentius nicht  konkurrieren  konnte.  Die  Autorität  des  Prudentius  bewegte 
sich  von  nun  an  auf  abschüssigen  Bahnen,  und  der  Dichter  gehört  jetzt 
nicht  mehr  ganzen  Nationen,  sondern  nur  einzelnen  Kreisen  an. 

Zeugnisse  über  das  Fortleben.  Roesler  behandelt  das  Fortleben  des  Dicbtets 
in  seinem  5.  Kapitel  «Das  Leben  des  Pradentias  in  der  Geschichte*.  Material  ftlr  daa  Fori- 
leben  liefert  Manitius,  Beitr.  zur  Gesch.  frtthchristl.  Dichter  im  Mittelalter  (SitKongsber. 
der  Wiener  Akad.  der  Wissensch.  117  (1888)  XII  p.  26),  der  hier  auch  eine  Reihe  von  seinen 
Aufsätzen,  die  sich  auf  das  Fortleben  des  Prudentius  beziehen,  citiert  Kurze  Uebersicht 
auch  bei  Puech  p.  289.  Apollin.  Sid.  2,  9,  4  (p.  42  Mohr)  hinc  Augustinus,  hine  Varro, 
hinc  Horatius,  hinc  Prudentius  leciitabantur.  Alcimus  Avitus  poemat.  lib.  6,  370  (p.  285 
Peiper)  has  virtutis  opes,  haec  sie  solacia  belli,  \  descrihens  mentis  varias  cum  corpore  pugnas, 
j)rudenti  quondam  cecinit  Prudentius  arte.  Gregor  von  Tours  de  gloria  martyrum  1,  4 
sicut  Prudentius  noster  in  libro  contra  Judaeos  (i.  e.  Apoth.  321 — 551);  1,  162  iuxta  Pru- 
dentium  crux  peUit  omne  crimen  (Cath.  6,  133);  de  cursibus  ecclesiasticis  §  59  PrudetUiu* 
cum  prudenter  d  isser  er  et;  vgl.  noch  0.  Zöckler,  Das  Lehrstück  von  den  7  Hanptsfindeo, 
München  1893,  p.  43;  Venant.  Fortunat.  de  vita  S.  Martini  1,  18  (p.  296  Leo)  martyri- 
busque  piis  sacra  haec  donaria  mittens  \  prudens  prudenter  Prudentius  immclat  actus. 
Ucber  den  Einfluss  des  Prudentius  auf  die  kirchliche  Hymnodie  vgl.  Kays  er,  Beitr.  zur 
Gesch.  und  Erklärung  der  ältesten  Kirchenhymnen,  Paderborn*  1881,  p.  271;  Roesler 
p.  108;  p.  43.  Ueber  Prudentiushymnen  in  der  mozarabischen  Liturgie  handelt  C.  Blume, 
Hymnodia  Gotica.  Die  mozarabischen  Hymnen  des  altspan.  Ritus  (Analecta  hymnica  medii 
acvi  27  (Leipz.  1897)  p.  35).  Ueber  Petrus  Chrysologus  vgl.  Weyman,  PhiloL  55  (1896) 
p.  4G7.  Ucbcr  die  Beziehungen  zur  Vita  Dalmatii  episcopi  Ruteni  vgl.  denselben,  Litt. 
Centralblatt  1897  Sp.  807.  lieber  Beziehungen  zu  carm.  lat.  epigr.  330  vgl.  denselben,  Stud. 
zu  den  Carmina  lat.  epigr.  (Blätter  für  das  bayr.  Gymnasialschulw.  31  (1895)  p.  535).  Ueber 
Dracontius  vgl.  B.  Barwinski,  Quaest.  ad  Dracontium  et  Orestis  tragoediam  pertinentes. 
1.  De  genere  dicendi,  Göttingen  1887,  p.  104;  über  Corippus  vgl.  R.  Amann,  De  Corippo, 
priorum  poetarum  lat.  imitatore,  pars  2  (Oldenb.  1888)  p.  17.  Ueber  Ruricius  vgl.  Wey- 
man, Krit.-sprachl.  Analecten  VI  (Wien.  Stud.  20  (1898)  p.  158).  Ueber  das  Portleben  des 
Prudentius  im  Mittelalter  vgl.  Roesler  p.  255;  P.  v.  Winterfeld,  Zu  karolingischen  Dich- 
tern. 1.  Prudentiusreminiscenzen  bei  Walahfrid  und  Hrotsuit  (Neues  Archiv  der  Ges.  far 
ältere  deutsche  Geschichtsk.  22  (1897)  p.  755).  üeber  Anklänge  des  liber  miraculomin 
S.  Fidis  (s.  XI)  an  Prudentius  vgl.  Weyman,  Hist.  Jahrb.  der  Görresges.  20  (1899)  p.  6S. 
Ueber  den  Einfluss  des  Prud.  auf  die  Mirakelspiele  vgl.  Ebert  p.  264;  Puech,  Prudence 
p.  134.     Ueber   den  Gebrauch   des  Prudentius   in   den  Klosterschulen  vgl.  F.  A.  Specht, 

>)  Vgl.  Manitius  p.  96.  |  »)  Vgl.  R.  Stettiner,  Die  illustrierten 

^)  Vgl.  Ebert  p.  263.  i   Prüden tiushandschriften,  BerL  1895. 


MeropiuB  Pontins  PaalinuB.    (§  876.)  285 

Gresch.  des  Unterrichtswesens  in  Deatschland,  Stattgart  1885,  p.  101;  p.  108.  Dass  in  dem 
▼on  M.  Manitius,  Leipz.  1889  herausgegebenen  Gedicht  des  Sextus  Amarcius  aus  dem 
11.  Jahrhundert  die  Apotheosis  stark  ausgebeutet  ist,  bemerkt  Weyman,  Hist.  Jahrb.  der 
Gtoresges.  10  (1889)  p.  122  Anm.  2.  Ueber  die  Beziehungen  zu  den  miracula  S.  Clementis 
vgl.  denselben,  Aualecta  IV.  Zu  den  neuedierten  Texten  Über  Clemens  von  Metz  (ebenda  18 
(1897)  p.  360;  p.  362).  Ueber  Duoda  vgl.  Ph.  Aug.  Becker,  Duodas  Handbuch  (Zcitschr. 
Hbr  roman.  Philol.  21  (1897)  p.  91).  Ueber  die  Occupatio  des  Odo  von  Glugny  vgl.  Wey- 
man, Litt  Centralbl.  1901  Sp.  1063. 

Augustin  und  Prudentius.  Beziehungen  zwischen  Augustin  und  Prudentius  leugnet 
Roesler  p.  250  (vgl.  auch  Brockhaus  p.  204);  im  Gegensatz  dazu  zeigt  Merkle,  Neue 
Pnidentins-Stadien  (TheoL  Quartalschr.  78  (1896)  p.  254),  dass  Augustin  den  Prudentius 
kannte.  Die  Abhängigkeit  des  Augustin  vom  spanischen  Dichter  erblickt  er  in  der  Be- 
urteilung der  Sabbatruhe  (Enchir.  c.  112;  40  Sp.  285  Migne),  die  sich  auf  Cath.  5,  125  stütze 
und  in  dem  Preis  des  Friedens,  welcher  sich  in  der  Psvchomachie  findet  und,  wie  bereits 
Ibert  (p.  285)  bemerkte,  unverkennbar  an  das  19.  Buch  der  Civitas  Dei  anklingt. 

Die  Ueberlieferung  des  Prudentius  lässt  sich  nach  brieflicher  Mitteilung  des 
Prof.  Bergman  in  Stockholm  also  charakterisieren:  Die  Handschriften  des  Prudentius  sind 
sdir  zahlreich;  sie  belaufen  sich  auf  etwa  320  und  reichen  vom  6.  bis  zum  15.  Jahrh.  Alle 
Werke  des  Dichters  enthalten  etwa  nur  27  Handschriften,  von  denen  die  meisten  dem 
10.  Jahrh.  angehören.  Bergman  unterscheidet  zwei  Familien:  a)  eine  bessere  Hauptfamilie 
A,  in  der  die  Werke  also  geordnet  sind:  Cathemerinon,  Apotheosis,  Hamartigenia  etc.  und 
die  das  Cathemerinon  vollständig  gibt;  ß)  eine  geringere  Familie  B,  in  der  die  Ordnung 
der  Werke  ist:  Cathemerinon,  Peristephanon,  Apotheosis,  Hamartigenia  etc.  und  die  von 
dem  Cathemerinon  nm'  die  zehn  ersten  Hymnen  darbietet,  während  sie  die  zwei  letzten  an 
das  Peristephanon  anhängt.  Der  älteste  und  massgebende  Codex  ist  der  Puteanus  sive  Pari- 
anms  8084  s.  VI  in  Kapitalschrift;  vgl.  U.  Robert,  Notice  palöographique  sur  le  manu- 
scrit  de  Pmdence  No.  8084  du  fonds  latin  de  la  Bibliothöque  Nationale  (M^langes  Graux, 
Paris  1884,  p.  405);  ein  Facsimile  befindet  sich  im  Album  palöographique,  Paris  1887,  pl.  I; 
Zangemeister-Wattenbach,  Exempla  cod.  lat.  tab.  15.  Eine  Beschreibung  der  Hand- 
schrift gibt  auch  Krüger  bei  Mommsen,  Hermes  4  (1870)  p.  352;  vgl.  noch  Deiisle, 
Monatsber.  der  Berl.  Akad.  1867  p.  526.  Der  Codex  ist  unvollständig.  Auf  folio  45 '^  trägt  er 
die  Subscriptio:  VeUius  Agorius  Basilius;  derselbe  ist  identisch  mit  dem  Horazrecensenten 
Vettios  AgoriuB  Basilius  Mavortius;  vgl.  oben  §  264.  Unser  Codex  enthält  auch  die  Fn- 
yective  gegen  Nicomachus;  vgl  oben  §  858.  Weiterhin  gehören  zur  Familie  A:  Vatic.  Reg. 
321,  Parisinus  8087,  8305,  Oxoniensis  Bodl.  F.  3.  6,  Dresseid.  F.  1.  Die  Hauptrepräsen- 
tanten der  Familie  B  sind:  Ambrosianus  D  36  sup.VlI,  Parisinus  8085,  8086,  nouv.  acq.  241, 
Vatic.  3859,  3860,  Laud.  34248,  Oxoniensis  T.  2.  22,  Leidensis-Burm.  Q.  3,  Bemensis  394. 
Eine  Sonderetellung  nehmen  ein  Colon.  81  und  Cas.  374.  Vgl.  noch  Bergman  in  den  Pro- 
legomena  seines  Lexicon  Pmdentianum  p.  V;  Berl.  philol.  Wochenschr.  1896  Sp.  862;  Ausg. 
der  Psych,  p.  VI;  Eranos.  Acta  philol.  suecana  edenda  curavit  Lundström,  Vol.  1,  fasc.  2 

SJpeala  1896)  p.  111.  Ueber  die  Interpolationen  vgl.  denselben,  Lexicon  Prud.  p.  XXY. 
^xtproben  und  althochdeutsche  Glossen  aus  Yaticanus  Palatinus  1715  s.  X  und  yaticanus 
Reg.  321  8.  X  teilt  mit  J.  M.  Burnam,  American  Journal  of  archaeology  4  (1900)  No.  3  p.  293. 
Ueber  den  Yaticanus  Reg.  339  vgl.  Stowasser,  Wien.  Stud.  7  (1885)  p.  343. 

Ausg.  Eine  Geschichte  derselben  gibt  Drossel,  Ausg.  p.  XXY;  vgl.  auch  Roesler 
p.  268;  Puech  p.  67;  Bergman,  Lexicon  Prud.  p.  YIII.  Yon  den  älteren  Ausg.  machen 
wir  namhaft  die  von  Giselin,  Antwerpen  1564,  von  J.  Weitz,  Hanau  1613,  von  N.  Hein- 
8 ins,  Amsterdam  1667  (eine  ausgezeichnete  kritische  Leistung),  von  Chr.  Cellarius,  Halle 
1703,  von  F.  Arevalus,  Rom  1788/89  (2  Bde.;  wegen  des  reichen  aufgespeicherten  Ma- 
terials noch  heute  nicht  zu  entbehren);  abgedruckt  ist  diese  Ausg.  bei  Migne,  Patrol.  lat. 
Bd.  59 — 60.  Neuere  Ausg.  sind  die  von  Th.  Obbarius,  Tübingen  1845  und  Dressel, 
LeipdE.  1860.  Eine  neue  kritische  Ausg.  ist  dringendes  Bedürfnis;  eine  solche  wird  vor- 
bereitet von  dem  Schweden  Bergman.  Inzwischen  hat  derselbe  ein  Lexicon  zu  Pruden- 
tius begonnen:  Lexicon  Prudentianum,  fasc.  1  (Prolegomena.  A  —  Adscendo),  Upsala  1894; 
vgl  dazu  Sixt,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1895  Sp.  1058. 

9.  Meropius  Pontius  Paulinus. ^) 

876.  BiographiBches.  Meropius  Pontius  Paulinus  wurde  zu  Bordeaux 
geboren,  und  zwar  wahrscheinlich  im  Jahre  353.    Es  war  eine  vornehme 


^)  Ohwohl  die  dichterische  Th&tigkeit  des 
Paulinus  vorwiegend  dem  5.  Jahrhundert  an- 
gehört, haben  wir  ihn  doch  hier  behandelt. 


weil   er   nicht   gut   von   Ausonius  getrennt 
werden  kann. 


236  VeropiuB  Pontius  PanlinnB.    (§  876.) 

Familie,  der  Paulinus  entsprosste;  auch  GlQcksgüter  standen  ihr 
lieh  zu  Gebote.  Für  die  Ausbildung  des  Paulinus  bot  Bordeaux  mit 
vielen  Professoren  Hilfsmittel  in  Hülle  und  Fülle  dar.  Der  beruh 
Lehrer  war  aber  ohne  Zweifel  Ausonius,  der  später  als  Prinzenerzie 
den  kaiserlichen  Hof  berufen  wurde;  er  war  auch  der  Lehrer  de 
linus,  und  zwischen  Lehrer  und  Schüler  bildete  sich  ein  inniges  Ver 
heraus.  Dem  jungen  talentvollen  Manne  eröfiFhete  sich  eine  gla 
Laufbahn  im  Staatsdienst;  hierbei  kam  ihm  auch  noch  die  Gunst  < 
Hofe  einflussreichen  Ausonius  zu  statten;  die  Senatorenwürde  wur 
zu  teil;  das  Consulat  erlangte  er  sogar  vor  seinem  Meister  Ausonii 
dieses  Amt  im  Jahre  379  bekleidete;  alsdann  scheint  er  Consular  ii 
panien  gewesen  zu  sein.  Aber  Reichtum  und  Ehrenstellen  konnte 
vornehmen  Manne  für  die  Länge  der  Zeit  keine  wahre  Befriedigu 
währen.  Das  Christentum  gewann  in  jener  wundergläubigen  Zeit 
wirksamen  Einfluss  auf  ihn ;  er  Hess  sich  taufen,  beschloss  der  Well 
wohl  zu  sagen  und  ein  zurückgezogenes  mönchartiges  Leben  zu  1 
In  seinem  Vorhaben  fand  er  in  seiner  Gemahlin  Therasia  eine  ml 
Stütze.  Zu  diesem  Zwecke  begab  er  sich  nach  Spanien  und  begann 
seine  Güter  zu  verkaufen  und  den  Erlös  den  Armen  zu  schenken.  Die 
von  dieser  Lebensänderung  drang  nach  Gallien  und  erregte  dort  das  j 
Aufsehen ;  am  schmerzlichsten  wurde  von  derselben  der  alte  Auson: 
troffen.  Er  hatte  alles  darangesetzt,  seinem  Zögling  die  weltmäi 
Bildung  der  vornehmen  Gesellschaft  zu  geben;  jetzt  musste  er  zu 
bitteren  Schmerze  hören,  dass  Paulinus  ihn  in  seinen  hochfliegend 
Wartungen  betrogen  und  in  eine  ihm  unverständliche  LebensfÜhru 
raten  sei.  Ausonius  schrieb  die  berühmt  gewordenen  Briefe  an  P£ 
in  denen  er  eindringlich  seinen  ehemaligen  Zögling  mahnte,  von 
thörichtcn  Beginnen  abzulassen.  Das  warme  Herz  des  alten  I 
spricht  eine  Sprache,  die  von  jeher  das  Gemüt  eines  jeden 
wunderbar  packte.  Die  ausonischen  Briefe  strahlen  wirklich  ein  i 
Leben  aus  und  stehen  in  merkwürdigem  Gegensatz  zu  den  anderen 
sehen  Spielereien  des  Dichters.  Eine  nicht  minder  eindringliche,  vi( 
noch  eindringlichere  Sprache  spricht  auch  Paulinus  in  den  beiden  Ai 
schreiben,  die  sich  von  ihm  erhalten  haben.  Das  Christentum  hati 
feste  Macht  über  sein  Inneres  gewonnen,  und  damit  hatte  er  einen  si 
Stützpunkt,  von  dem  aus  er  dem  Weltmann  Ausonius  entgegei 
konnte;  dabei  lodert  die  Liebe  des  Schülers  zum  Lehrer  in  hellen  Fh 
empor.  Der  Streit  endete  ohne  Versöhnung;  er  zeigte,  dass  damal 
Welten  im  Kampfe  miteinander  lagen.  Paulinus  blieb  in  Spanie 
lebte  weiter  seinen  christlichen  Idealen;  er  nahm  sogar  393  die  Pr 
weihe.  Doch  auch  der  spanische  Aufenthalt  befriedigte  ihn  nicht 
der  Zug  seines  Herzens  ging  nach  Nola  in  Campanien;  hier  ruht 
Gebeine  dos  hl.  Felix,  den  er  sich  schon  seit  längerer  Zeit  zum  '. 
erwählt  hatte.  Am  Grabe  des  Heiligen  wollte  er  den  Rest  seines  1 
verbringen.  Im  Jahre  394  reiste  er  von  Spanien,  wo  er  sich  vier 
aufgehalten,  nach  Nola.  Hier  nahm  sein  Mönchsleben  noch  festere  F 
an,   und    der   Kultus   des  hl.  Felix   gestaltete  sich   ihm   zu   einer  ¥ 


MeropiuB  PontiuB  PaalinuB.    (§  876.)  237 

liebensaufgabe ;  den  Todestag  des  Heiligen  feierte  er  regelmässig  durch 
Mn  Gedicht,  und  an  dem  Grabe  desselben  liess  er  glänzende  Bauten  auf- 
fthren.  Das  Ansehen,  das  Paulinus  in  Nola  genoss,  war  ein  so  grosses, 
dass  er  409  zum  Bischof  erwählt  wurde.  Aber  auch  die  übrige  christ- 
liche Welt  blickte  mit  Bewunderung  auf  den  frommen  Einsiedler  in  Cam- 
IMUiien  und  suchte  durch  Besuche  oder  Briefe  mit  ihm  in  Verbindung  zu 
treten;  in  seinem  Briefwechsel  finden  wir  die  glänzendsten  Namen  der 
damaligen  christlichen  Welt  vertreten.  Paulinus  erreichte  ein  hohes  Alter 
und  starb  am  22.  Juni  431. 

Zengnisse  über  das  Leben  des  Paulinus.   Bezüglich  des  Namens  vgl.  epist.  40, 
iro  er  sich  Meropius  Paulinus  nennt    In  Briefen  des  Ausonius  (z.  B.  19  p.  179  Schenkl; 
^S  p.  186  Seh.;  24  p.  187  Seh.)  wird  er  Pontius  Paulinus  genannt    Bezüglich  des  Gentil- 
vamens  Anicius  vgl.  Muratori  Sp.  I:  , Gardinalis  Baronius  ad  Aniciam  illustrem  familiam 
Ptonlinum  nostrum  pertinere  existimat,  quia  duobus  Paulinis  sub  Constantio  consulibus  fuit 
Anieii   cognomen.*     Seinen   Geburtsort  bezeugt  Uranius,  De  obitu  Paulini  1   (p.  CXXVII 
Jfuratori;  Migne  Bd.  53  Sp.  860)  Sanctus  Paulinus  ^iseopus  Burdegala  oppido  Oalliarum 
inrimndus  fuit.    Auf  irriger  Schlussfolgerung  beruht  die  Ansetzung  des  Geburtsorts  Hebro- 
magom  aus  epist.  11, 14.    Die  Geburt  wird  von  manchen  Gelehrten  in  das  Jahr  353,  von 
mandien  in  das  Jahr  354  verlegt;  vgl.  Muratori  p.  III;  Buse  1   p.  39.    Ueber  seine 
Bedehnngen   zu    Ausonius    gibt   der   Briefwechsel    Aufschluss.     Ueber   seine    Senatoren- 
Würde  berichtet  er  21,  458   quid   aimile   hia   habui,    cum   dicerer   esse  Senator?     Ueber 
■em  Consulat  vgl.  Muratori  Sp.  815;   Buse  1   p.  359.    21,  374   te  (Feliee)  duce  fasci- 
gerum  gessi  primaevus  honorem  \  teque  meam  moderante  manum,  servante  salutem,  \  purus 
mb  humani  sanguis  diserimine  mansi,    21,  395  ergo  ubi  bis  terno  dicUmis  fasce  levatus  \ 
d^pasui  nuUa  maeulatem  eaede  securim.    In  einem  Brief  an   Paulinus  (epist.  20  p.  181 
Soieiikl)  sagt  Ausonius  (Vs.  3):   quamquam  et  fastorum  titulo  prior  et  tua  Romae  \  prae- 
eea^U  nostrum  seüa  cunUis  ehur.    Da  das  Consulat  des  Ausonius  ins  Jahr  379   fällt,   war 
PiAiilinus  vor  diesem  Jahre  Gonsul.    Gewöhnlich  wird  das  Jahr  378  angenommen,  ohne  dass 
OB  sich  streng  erweisen  lässt.    Dass  er  Cos.  suff.  war,  ergibt  sich  wohl  daraus,  dass  sein 
Name  in  den  Fasten  fehlt.    Aus  21,  379  iam  tunc  praemisso  per  honorem  pignore  sedis  \ 
Campanis  metanda  locis  hahitacula  fixi,  \  te  fundante  tui  Ventura  cubilia  servi  will  Mu- 
ratori (Sp.  817)   folgern,  dass  Paulinus  Consular  von  Campanien  war.     Ueber  seine  Yer- 
lieiratang  vgl.  21,  400  iUic  (in  Spanien)  me  ihalamis  Humana  lege  iugari  \  passus  es  (Felix); 
•dne  Frau  hiess  Therasia,   wie  sich  aus  den  Briefüberschriften  und   aus   vielen   anderen 
Stellen  ergibt;  vgl.  z.  B.  epist.  3;  6.    Ueber  die  Taufe  vgl.  epist.  3,  4  ego  a  Delphino  Bur- 
digalae  baptizatus;  sie  erfolgte,  noch  ehe  sich  Paulinus  nach  Spanien  zurückzog  und  dort 
ien  Briefwechsel  mit  Ausonius  führte;  vgl.  Muratori  cap.  Y  p.  X;  Buse  1  p.  140  Anm.  13. 
Ueber  die  Geburt  seines  Sohnes  zu  Complutum,  der  aber  gleich  starb,  vgl.  31,  601;  604. 
Ueber   den  Verdacht  des  Brudermords  vgl.  21,  416   cumque  laborarem  germani  sanguine 
eaesi  \  et  consanguineum  pareret  fraterna  periclum  |  causa  mihi  censumque  meum  iam 
sedor  adisset,  \  tu  (Felix)  mea  coUa,  pater,  gladio,  patrimonia  fisco  \  eximis,    Ueber  seinen 
antritt  ins  MOnchtnm,  der  im  Jahre  892  oder  393  stottfand,  vgl.  Buse  1  p.  160.    Ueber  die 
Yerschenkung  seine»  Vermögens  an  die  Armen  vgl.  Augustin.  de  civitate  dei  1,  10  Pau- 
Umu  noster,  Nolensis  episcopus,  ex  opülentissimo  divite  voluntate  pauperrimus,    Sulpicius 
SeveruB  vita  Martini  25,  4  qui  (Paulinus)  summis  opibus  abiectis  Christum  secutus  solus  paene 
lu»  tempofibus  evangelica  praecepta  conplesset,    Ueber  seine  Weihe  zum  Priester  Weih- 
nachten 393  (vgl.  Buse  1  p.  192;  Lagrange  p.  116)  spricht  er  sich  epist.  3,  4  aus:  a  Lampio 
e^NMl  Barcüonem  in  Hispania  per  vim  inflammatae  subito  plebis  sacratus  sum.    Die  Ankunft 
dee  Paulinus  in  Nola  f&llt  unbestreitbar  in  das  Jahr  394  (vgl.  Muratori  p.  772),  und  zwar 
erfolgte  die  Abreise  im  Frühjahr  dieses  Jahres;  vgl.  Lagrange  p.  155.    Ueber  die  Dauer 
seines  Aufenthaltes  vgl.  Muratori  p.  X:    , Primus  Paulini  secessus  in  Hispania  contigisse 
videtor,  ubi  quatuor  saltem  annos  transegit  usque  ad  vemum  tempus  anni  394  sicque  illuc 
aeeesaisse  anno  889  aut  390."     Diesen  Ansätzen  stellt  G.  Rauschen,  Jahrb.  der  christl. 
Kirche  unter  dem  Kaiser  Theodosius  d.  Gr.,  Freib.  i.  Br.  1897  (Excurs  23:  Paulinus'  v.  Nola 
antritt  in  den  Mönchs-  und  Priesterstand  p.  547)  andere  gegenüber;  indem  er  den  Eintritt 
des  Paulinus  in  das  Mönchtum  nicht  vor  Mitte  des  Jahres  894  ansetzt,  ihn  Priester  am  Weih- 
naehtsfeste  395  (oder  394?)  werden  ISsst  und  statuiert,  dass  der  vienfthrige  Aufenthalt  in 
Spanien   spätestens  391  begann.    Bezüglich  seiner  Ordination   zum   Bischof  im  Jahre  409 
YgL  Muratori  p.  LXXXVIl;  Buse  2  p.  831.    Ueber  den  Tod  des  Paulinus  ist  die  Haupt- 
quelle  ein  Brief  seines  Schülers  Uranius,  den  er  an  Pacatus  richtete,  der,  wie  aus  der  Vor- 
rode des  Briefes  erhellt,  das  Leben  des  Paulinus  in  Versen  darstellen  wollte.    Ob  dieser 


238  Mmropins  Pontius  Panlinns.    (§  877.) 

Pacatus  identisch  ist  mit  dem  Redner  Latinius  Pacatos  Drepanius  (§  815),  ISsst  sich  nicht 
sicher  ermitteln.  Der  Titel  lautet:  Uranii  presbyteri  ^istola  ad  Pacatum  de  obitu 
S,  PauJini  episcopi  Nolani.  Das  Zeugnis  des  Uranius  12  (p.  CXXXTT  Moraiori;  Migne 
Bd.  53  Sp.  866)  über  den  Tod  des  Paulinus  lautet:  Obiit  sanctus  Patdinus  episcapus  decimo 
Kdlendas  Jtäii,  Basso  et  Äntiocho  vv,  cc,  constdtbua  (seil.  22.  Joni  431). 

Die  Schriftstellerei  des  Paulinus.  Gennadins  de  vir.  illustr.  c.  49  Paulinua 
Nolae  Campaniae  epiacopus  composuit  versu  brevia^  sed  tnulta,  et  ad  Celsum  quendam  epi- 
taphii  pice  consolatorium  libellum  'super  morte  christiani  et  baptizati  infantis'  spe  ehrittiana 
munitum,  et  ad  Severum  plurea  epistulaa  et  ad  Theodosium  imperatorem  atUe  epUeopatum 
prosa  panegyricum  'super  victoria  tyrannorum*  eo  nuixime,  quod  fide  et  oratione  plus  quam 
annis  vicerit.  Fecit  et  sacramentorum  [opus]  et  hymnorum  (beide  nur  hier  genannt).  Äd 
sarorem  quoque  epistulas  mulia^  *de  contemptu  mundi*  dedit  et  de  diversis  eausis  diversa 
disputatiane  tractatus  edidit,  Praecipuus  tarnen  omnium  opuseulorum  eius  est  liber  'de  paeni- 
tentia*  et  'de  laude  generali  omnium  martyrum*,  Claruit  temporibus  Hanorii  et  Vaieniiniam 
non  solum  eruditione  et  sanetitate  vitae,  sed  et  potentia  adversum  daemanes.  Wenn  Genna- 
dius  von  Briefen  des  Paulinus  an  seine  Schwester  spricht,  so  ist  zu  bemerken,  dass  Paiüinos 
nirgends  eine  solche  erwähnt,  also  wahrscheinlich  gar  keine  hatte.  Liegt  kein  Intom  des 
Gennadius  vor,  so  muss  man  an  Briefe  denken,  die  Paulinus  an  eine  geisÜiche  Schwester  ge- 
schrieben; vgl.  Buse  1  p.  41.  Ueber  die  ganze  Stelle  Czapla,  Grennadius,  Mfinster  1898,  p.  105. 

Verlorene  Gedichte.  Ueber  das  in  Verse  gebrachte  Buch  Suetons  de  regibns 
vgl.  oben  p.  32.  Eine  Probe  daraus  bei  Ausonius  epist.  19  p.  180  Seh.;  vgl.  Säet.  rel.  ed. 
Reifferscheid  p.  315;  Hartel  unter  No.  3  (2  p.  2). 

Verlorene  Prosawerke.  Eine  Reihe  von  Prosaschriften  ist  verloren  gegangen;  es 
sind  folgende:  1.  Ein  Panegyricus  auf  Theodosius.  Epist.  28,  6  (1  p.  247  H.)  is  (£W- 
delechius)  mihi  auctor  huius  in  domino  opusculi  fuit,  sicut  ipsius  epistola,  quae  libeüo  nuo 
pro  themate  praescribitur,  docet.  fateor  autem  idcirco  me  libenter  hune  ab  amieo  l€tborem 
reeepisse,  ut  in  Theodosio  non  tarn  imperatorem  quam  Christi  servum,  non  dominandi  »»- 
perbia  sed  humilitate  famulandi  potentem,  nee  regno  sed  fide principem  praedicarem,  Hieionyin. 
epist.  58,  8  (1  Sp.  323  Vall.)  librum  tuum,  quem  pro  Theodosio  principe  prudenter  amai^que 
compositum  transmisisti,  libenter  legi  et  praeeipue  mihi  in  eo  subdivisio  phtcuit.  QuumqMt 
in  primis  partibus  vincas  alios,  in  penultimis  te  ipsum  superas.  Sed  et  ipsum  genus  ^ 
quii  pressum  est  et  nitidum:  et  quum  Tulliana  luceat puritcUe,  crebrum  eM  in  sententiis  .... 
praeierea  magna  est  rerum  consequentia,  et  alterum  pendet  ex  altera  ....  Felix  Tluod<h 
sius,  qui  a  tali  Christi  oratore  defenditur.  Auch  Gennadius  erwähnt  diesen  Panegyricoft. 
Augustin.  in  Faust.  22,  c.  76  führt  einen  Satz  daraus  an.  Vgl.  Gassiod.  de  div.  inst.  c.  21 
(70  Sp.  1136  Migne);  Muratori,  Ausg.  p.  XLV.  Da  die  Rede  den  Sieg  des  Theodosiiu 
Über  Eugen  (September  394)  voraussetzt,  und  Theodosius,  zu  dessen  Lebzeiten  sie  gehalten 
wurde,  im  Januar  395  starb,  fällt  sie  in  dieses  Intervallum;  vgl.  Buse  1  p.  267.  2.  De 
poenitentia.  Diese  Schrift  bezeugt  Gennadius,  der  sie  als  eines  der  vorzüglichsten  Werke  i 
des  Paulinus  bezeichnet.  3.  De  laude  generali  omnium  martyrum.  Auch  diese  Schrift 
wird  von  Gennadius  unter  die  besten  des  Paulinus  gerechnet.  Aus  den  Hymnen  auf  deo 
hl.  Felix  lässt  sich  übrigens  abnehmen,  in  welcher  Weise  das  Thema  behandelt  war. 

Unechtes.  Irrig  teilt  Mir  aus  (Bibl.  eccles.  Antw.  1629)  zwei  tractatus  de  imiis 
quadragesimae  unserem  Paulinus  zu.  Allein  der  neueste  Herausgeber  A.Mai  (Spicileg.Rom.4 
(Rom  1840)  p.  309)  zeigt  (praef.  p.  306),  dass  dieselben  mit  unserem  Paulmas  nichts  zs  thm 
haben.  Sie  gehören  einem  Paulinus  an,  von  dem  Gennadius  (de  vir.  illnstr.  c.  69)  schreibi: 
Paulinus  composuit  tractatus  'de  initio  quadragesimae* ,  ex  quibus  ego  duos  legi,  'de  dieDmnimeo 
paschae',  'de  oboedientia* ,  'de  paenitentia%  'de  neophylis\  Der  Paulinus  wird  identifiiiert  mil 
dem  Paulinus  von  Burdigala,  von  dem  sich  ein  Schreiben  an  Faustus  vorfindet;  vgl.  Engel- 
brechts Ausg.  des  Faustus  p.  181—183  und  Bardenhewer,  Patrol.  p.  531*. 

Allgemeine  Litteratur  über  Paulinus.  Grundlegend  sind  noch  inuner  die 
reichen  Prolegomena  der  Muratorischen  Ausgabe.  J.  Fr.  Rabanis,  Saint  Paulin  deNok 
(Thdse),  Bordeaux  1840;  Souiry,  ^tudes  histor.  sur  la  vie  et  les  Berits  de  Saint  Fanliii, 
^v^que  de  Nole,  2  Bde.,  Bordeaux  1853,  1856;  A.  Buse,  Paulin,  Bischof  von  NoU,  mid 
seine  Zeit  (350—450),  2  Bde.,  Regensb.  1856;  G.  Fahre,  ^tudes  sur  Paulin  de  Nole  (Thdae]l 
Strassb.  1862;  F.  Lagrange,  Histoire  de  Saint  Paulin  de  Nole,  Paris  1877;  2.  Aufl.  188& 
2  Bde.;  in  deutscher  Uebersetzung,  Mainz  1882;  M.  Lafon,  Paulin  de  Nole  353—431.  Sani 
sur  sa  vie  et  sa  pensöe  (Th^se),  Montauban  1885;  A.  Ebert,  AUgem.  Gesch.  der  Litt  des 
Mittelalters  V  (Leipz.  1889)  p.  293;  M.  Manitius,  Gesch.  der  chrisÜ.-lat.  Poesie,  Stattgvi 
1891,  p.  261;  G.  Boissier,  La  fin  du  paganisme  2  (Paris  1891)  p.  57;  0.  Bardenhewer, 
Paulinus,  der  hl.  Bischof  von  Nola  (Freib.  Eirchenlexikon  9^  (1895)  Sp.  1652);  A.  Baam- 
gartner,  Gesch.  der  Weltlitteratur  4  (Freib.  i.  Br.  1900)  p.  143. 

877.  Das  Gebet  des  Paulinus.  Wir  haben  oben  (p.  33)  das  Morgen- 
gebet  des  Ausonius  kennen  gelernt;  auch  Paulinus  hat  ein  Gebet  verfasst 


Meropins  Fontins  Panliniui.    (§  878.) 


239 


(No.  4).  Merkwürdig  ist  das  Stück,  weil  es  uns  den  Paulinus  noch  fast  ganz 
unberührt  von  dem  Einfluss  des  Christentums  erscheinen  lässt.  Wir  finden 
hier  eine  Durchschnittsmoral,  wie  sie  sich  auch  ohne  das  Christentum 
herausbilden  kann.  Der  Betende  will  nicht  die  Kraft,  Böses  zu  wollen, 
besitzen,  sondern  nur  die,  Gutes  zu  thun;  er  verlangt  zufriedenen  Sinn  und 
verabscheut  schnöde  Gewinnsucht;  er  erfleht  sich  ein  keusches  Leben ;  er  will 
frei  von  Neid  sein  und  von  Lüge.  Aber  auf  der  anderen  Seite  wünscht  sich 
der  Betende  einen  fröhlichen  Tag  und  eine  friedliche  Nacht,  ein  gutes  Mahl, 
eine  schmiegsame  Frau  und  liebe  Kinder.  Christentum  und  Heidentum  er- 
heben zugleich  ihre  Stimme,  jenes,  indem  auf  das  ewige  Leben  hingewiesen, 
dieses,  indem  die  Macht  der  Magie,  zu  schaden,  berührt  wird.  ^)  Wir  er- 
kennen klar  und  deutlich:  als  Paulinus  dieses  Gebet  schrieb,  teilte  er  noch  die 
Weltanschauung  des  Ausonius  und  anderer  gebildeter  Männer,  die  sich  zwar 
äusserlich  zum  Christentum  bekannten,  aber  keinen  Hauch  desselben  ver- 
spürten. Ausonius  wird  sicherlich  eine  helle  Freude  an  derLeistung  des  Schü- 
lers gehabt  haben,  der  dem  Meister  überdies  noch  das  Kompliment  machte, 
dass  er  einen  Gedanken  aus  dessen  oratio  matutina  fast  wörtlich  herübernahm. 

Die  Nachahmung  des  Ausonius  bei  Paulinus.  Auson.  erat  matutina  Vs.  64/65 
[p.  6  Schenkl;  p.  6  Hartel)  male  posse  factdtaa  |  nulla  ait  et  bene  posse  adsit  tranquilla 
paUstas  II  Paulin.  Ys.  6/7  (p.  3  Hartel)  male  velle  facultas  \  nulla  sit  ac  bette  posse  adsit  trän- 
quiUa  potestas.    Vgl.  Buse  1  p.  100. 

878.  Die  poetischen  Briefe.  Indem  wir  uns  zur  Besprechung  der 
übrigen  Gedichte  des  Paulinus  wenden,  führen  wir  dieselben  in  einzelnen 
Gruppen  vor.  Wir  richten  unsere  Blicke  zunächst  auf  die  poetischen 
Briefe,  weil  sie  mehr  als  irgend  eine  andere  Gattung  geeignet  sind,  uns  in 
die  innere  Welt  des  Dichters  zu  versetzen.  Unter  den  Briefen  nehmen  aber 
diejenigen  die  erste  Stelle  ein,  welche  Paulinus  mit  Ausonius  gewechselt 
hat  und  deren  wir  bereits  ausführlich  bei  Ausonius  gedachten.  >)  Aus  dem 
Briefwechsel  sind  von  Paulinus  zwei  Stücke  erhalten,  No.  10  und  11,  beide 
polymetrisch  gestaltet.  Diese  Produkte  sind  von  jeher  Gegenstand  der  Be- 
virunderung  gewesen,  weil  sie  uns  den  Kampf  der  nationalen  und  der  christ- 
lichen Kultur  und  den  Kampf  zweier  Persönlichkeiten,  des  Ausonius  und 
Paulinus,  wiederspiegeln.  Ein  Stück  der  inneren  Lebensgeschichte,  welche 
mit  der  treuen  Hingabe  an  das  Christentum  abschliesst,  liegt  auch  in  dem 
Gedicht  No.  32  vor.  In  demselben  führt  PauUnus  einem  Antonius  gegen- 
über die  Gründe  an,  die  ihn  bewogen  haben,  der  heidnischen  Welt- 
anschauung den  Rücken  zu  kehren;  er  geisselt  daher  die  Thorheiten  des 
heidnischen  Kultus  und  stellt  ihnen  die  christlichen  Wahrheiten  in  ihrem 
Qlanze  entgegen.  Das  Gedicht,  welches  in  die  nächsten  Jahre  nach  seiner 
Bekehrung  fällt,  spendet  für  die  Religionsgeschichte  manchen  wertvollen 
Beitrag.  In  den  Kampf  der  christlichen  und  heidnischen  Weltanschauung 
spielt  auch  das  Gedicht  No.  22  hinein.  Noch  immer  fühlten  sich  die  Ge- 
>ildeten,  selbst  wenn  sie  Christen  waren,  zu  der  nationalen  Litteratur 
ungezogen;   damit  waren   aber   auch   die  heidnischen  Vorstellungen   ein 


1)  Vgl.  Ys.  5  nvXlusque  habeat  mihi  vota 
\ocendi  \  aut  habeat  nocitura  nihil;  vgl.  auch 

Ts.  18. 

*)  A.  Puech,  DePaulini  Nolaoi  Ansonii- 


que  epistularum  commercio  et  communibus 
stadiis  (Thdse),  Paris  1887;  LagraDge  p.  121; 
Baumgartner,  Stimmen  aus  Maria-Laach 
56  (1899)  p.  70. 


240  MmropiiiB  Pontias  PanliniiB.    (|  878.) 

Teil  der  allgemeinen  Bildung  geworden.  Die  christlichen  Kreise  erkannten,  ) 
dass  die  Zeit  gekommen  sei,  auch  die  schöne  Litteratur  in  die  Bahnen 
des  Christentums  überzufahren  und  in  die  alten  Schläuche  neuen  Wein  zu 
giessen.  Auch  Paulinus  trat  in  der  eben  genannten  Epistel  für  diese  Ue% 
ein.  Eine  äussere  Veranlassung  legte  ihm  das  Wort  in  den  Mund;  ein 
Schiff,  das  Geld  von  Paulinus  und  seinem  Verwandten  Jovius  an  Bord 
hatte,  strandete;  allein  das  Geld  der  beiden  Verwandten  wurde  gerettet 
Während  Jovius  nach  heidnischer  Anschauung  in  diesem  Vorfall  nur  ein 
Spiel  des  Zufalls  erblickte,  erkannte  Paulinus  vielmehr  in  demselben  das 
Walten  der  göttlichen  Vorsehung.  Es  galt  nun,  den  Verwandten  von 
dieser  Vorstellung  und  anderen,  die  ihm  die  Philosophie  eingeflösst  hatte, 
zu  befreien  und  denselben  mit  christlichem  Geiste  zu  erfüllen.  Von  diesen 
Gedanken  beseelt  schrieb  Paulinus  seine  Epistel  an  Jovius.  Der  Adressat, 
ein  gebildeter  Mann,^)  der  in  der  Poesie  dilettierte,  wird  ermahnt,  sich 
jetzt  seine  Stoffe  zur  Dichtung  aus  dem  Christentum  zu  nehmen;  Ge- 
dichte wie  das  Urteil  des  Paris,  die  Gigantenschlacht  seien  als  Jugend- 
spielereien zu  ertragen  gewesen,  allein  jetzt  stehe  dem  Jovius  an,  Wich- 
tigeres zu  besingen;  er  verweist  ihn  auf  die  grossartigen  Stoffe,  welche 
das  Christentum  darbietet:  auf  die  Erschaffung  der  Welt,  auf  die  Er- 
schaffung des  Menschen,  auf  die  Erlösung  Christi,  auf  die  göttliche  Vor- 
sehung. Der  Veranlassung  gemäss  behandelt  er  den  zuletzt  genannten 
Gegenstand  in  besonders  eindringlicher  Weise.  Mit  einem  prosaischen 
Briefe  (No.  16),  in  dem  dieselben  Ideen  ausgeführt  werden,  schickt  er  das 
Gedicht  an  Jovius.  Die  übrigen  noch  vorhandenen  Episteln  können  auf 
besondere  Beachtung  keinen  Anspruch  erheben;  es  sind  dies  No.  24,  No.  1, 
No.  2.  In  No.  24  hatte  Cytherius  dem  Martinianus  einen  Empfehlungs- 
brief an  Paulinus  übergeben;  derselbe  erlitt  aber  auf  seiner  Reise  einen 
Schiffbruch,  den  Paulinus  dem  Cytherius  erzählt.^)  Alsdann  beschäftigt 
sich  das  Gedicht  mit  dem  Sohne  des  Cytherius,  sich  über  dessen  christ- 
liche Erziehung  verbreitend  und  Segenswünsche  anreihend.')  Das  lang- 
atmige Gedicht,  das  aus  942  Versen,  abwechselnd  jambischen  Trimetem 
und  Dimetern,  besteht,  ist  ein  misslungenes  Produkt.  Es  bleiben  noch 
Übrig  No.  1  und  No.  2,  welche  Begleitgedichte  zu  Geschenken  sind,  die 
Paulinus  an  Gestidius  geschickt;  das  erste  ist  auch  mit  einem  prosai- 
schen Brief  verbunden.  Diese  zwei  Episteln  gehören  in  die  voraaketische 
Zeit  des  Paulinus. 

Das  Gedicht  No.  32  an  ÄDtonius.  Hartel,  Ausg.  2  p.  XXn:  «Carmen  82,  quod 
ex  numero  dispersorum  est  et,  si  Paulini  est,  inter  prima  eins  tentamina  nomerari  debet, 
extremis  codicum  A  (Ambrosianus  C.  74  s.  IX)  et  D  (Monacensis  6412  s.  X)  folns  recep- 
tum  aetatem  tulit/  Das  Gedicht  gab  zuerst  mit  drei  frOher  unbekannten  €Mieliten 
Muratori  heraus  (Anecdota,  Mailand  1697,  p.  113),  sodann  in  seiner  Gesamtansg.  desPan* 
linus,  Verona  1736,  col.  693.  Dasselbe  beginnt  mit  den  Worten:  Diseuasi,  fateor,  uOoi, 
Antonius,  otnnes.  Daraus  hat  Muratori  geschlossen,  dass  das  carmen  an  einen  Antonius, 
der  uns  nicht  näher  bekannt  ist,  gerichtet  ist,  während  er  als  Autor  des  Gedichtes  Pau- 
linus betrachtet  und  die  Stelle  Augustin.  epist.  ad.  Paulin.  31,  8  (33  Sp.  125  Migne)  advenu» 
pagano8  te  scribere  didici  ex  fratribus  (Ende  395  oder  Anfang  396)  auf  dieses  Gedicht  be- 
zieht. Unrichtig  wird  das  Gedicht  als  Antonii  carmen  adver sus  gentes  von  Galland i  (Bibl. 
vet.  patr.  3  p.  653)  bezeichnet;    als  Äntoni  carmen   adversua  gentes  figuriert   es  anch  bei 

>)  Vgl.  Buse  1  -    ^-^ft;  2  p.  24.  «)  Vgl.  Buse  2  p.  22. 

«)  Vgl.  Bu 


MmropiiiB  Pontins  Panliniui.    (§  879.)  241 

üigne  5  Sp.  261.  Gesondert  wurde  das  Gedicht  noch  herausgegeben  von  Fr.  Oehler  in 
MMDer  Ausg.  des  Minucius  Felix  und  Firmicus  Matemus  (Bibl.  patr.  eccles.  lat.  sei.  curante 
3.  Oersdorf,  vol.  13  (Leipz.  1847)  p.  121)  und  von  G.  Bursian,  Sitzungsber.  der  MOn- 
tkener  Akad.  der  Wissensch.  1880  p.  3.  Ueber  den  Adoniskultus  vgl.  Vs.  140;  über  die 
^inquennea  epulae,  welche  die  vestaiischen  Jungfrauen  einem  draco  zubringen,  vgl.  Vs.  144; 
Über  den  Gült  der  Isis  und  des  Serapis  Vs.  117;  zur  Erklärung  des  pannis  in  Vs.  126  vgl. 
W.  Drexler,  Fleckeis.  Jahrb.  145  (1892)  p.  357;  über  die  Philosophenschulen  Vs.  32  und 
Ittni  Bursian  p.  22.  Ueber  G.  Julius  Hyginus  als  Quelle  vgl.  denselben  p.  14.  Im  all- 
BBmeinen  vgl.  noch  Buse  1  p.  267.  Die  entscheidenden  Momente  fOr  die  Echtheit  des 
iedicJites  stellt  Ebert,  AUgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittelalters  1*  (Leipz.  1889)  p.  307 
^nin.  3  zusammen. 

Das  Gedicht  No.  22  an  Jovius.  Epist.  16,  1  suaseram,  ne  caaibus  dei  munus 
wdseriberes  et  forte  magis  quam  numine  arbitrareris  argentum  illud  sancti  eommercii  inter 
kibemos  turbines  et  nautas  avaros  amisso  eustode  aervatum,  in  illud  potissimum  litus  eiecta 
mavi,  in  quo  familiäre  nobis  oppidum,  tibi  Patrimonium  tutissimia  rem  nostram  sinibus  ex- 
90perat.  16,  6  omnium  poetarum  floribua  spiras,  omnium  oratorum  fiuminibus  exundas, 
philosaphiae  quoque  fontibus  inrigaris,  peregrinis  etiam  dives  litteris  Romanum  os  Atticis 
fimvia  inples.  quaeso  ie^  ubi  tune  tributa  sunt,  cum  Tullium  et  Demosthenem  perlegis  f  vel  iam 
uMatiorum  de  aaturitate  fastidiens  lectionum  Xenophontem,  Platonem,  Catonem  Varronemque 
perlectos  revolvis  muUosque  praeterea,  quorum  nos  forte  nee  nomina,  tu  etiam  volumina 
Une$?  c.  22,  149  eane  grandia  eoepta  tonantis,  \  acribe  creatarum  verbo  primordia  rerum  | 
H  chaoa  ante  diem  primaeque  crepuscula  lucis,  \  quaeque  dehinc  variis  elementa  per  omnia 
mmc/m  I  dicta  vel  acta  deo  per  sancta  volumina  disees,  \  quae  docuit  tabulis  legalU)U8  indita 
Moy9e$  I  aut  evangeliei  quae  lex  nova  teatamenti  \  signat,  operta  priu$  retegens  mysteria  Christi, 

879.  Epithalamium,  Propempticon  und  Consolatio.  Zu  einer  Gruppe 
vereinigen  wir  das  Epithalamium,  das  Propempticon  und  die  Ck)nsoIatio  des 
Paulinus.  Das  Interessante  dieser  Gedichte  ist,  dass  sie  uns  zeigen,  wie 
die  Gattungen  der  nationalen  Poesie  christianisiert  wurden.  Ein  Epi- 
thalamium erhalten  wir  in  Nr.  25,  welches  aus  119  Distichen  und  drei 
Pentametern  besteht.  Es  ist  bestimmt  für  die  Vermählung  Julians,  des  Sohnes 
des  Bischofs  Memor  von  Capua,  und  der  la  (Titia).  Julian  war  damals 
Lector  und  hat  sich  später  als  Anhänger  des  Pelagianismus  einen  Namen 
gemacht  Der  Reiz  dieses  Epithalamium  beruht  darauf,  dass  es  die  christ- 
liche Ehe  in  Gegensatz  zu  der  heidnischen  stellt;  dieser  Gegensatz  wirkt 
auch  insofern  auf  die  Form  ein,  als  oft  in  einem  Distichon  dem  heidnischen 
Bild  das  christliche  gegenübergestellt  wird.  Das  Gedicht  ist  reich  an 
zarten  Empfindungen;  in  formaler  Beziehung  ist  merkwürdig,  dass  dasselbe 
in  drei  überschüssigen  Pentametern  ausklingt.  Das  Propempticon  (No.  17) 
ist  in  85  sapphischen  Strophen  abgefasst.  Im  Jahre  898  war  der  Bischof 
voB  Dacien,  Niceta,  ^)  nach  Rom  gekommen  und  hatte  bei  dieser  Gelegen- 
heit auch  Paulinus  in  Nola  besucht.  Als  der  Bischof  die  Rückreise  an- 
trat, schrieb  ihm  Paulinus  ein  Geleitgedicht.  In  demselben  vernehmen 
wir  die  Stimme  zarter  Freundschaft  und  eine  packende  Schilderung  der 
Wiiksamkeit  des  Bischofs  unter  den  barbarischen  Völkern;  femer  ist  die 
Reiseroute,  die  der  Bischof  bei  der  Rückkehr  einschlägt,  in  das  Gedicht 
miteingeflochten.  Auch  die  christliche  Consolatio  hat  Paulinus  gepflegt. 
Dem  Pneumatius  und  der  Fidelis  war  ein  Knabe,  Gelsus,  im  Alter  von  acht 
Jahren  gestorben;  um  sie  zu  trösten,  schrieb  er  das  Gedicht  31,  das  316 
Distichen  umfasst.  Dasselbe  ist  breit  angelegt  und  führt  den  Gedanken  weit 
aus,  dass  wir,  seit  Christus  der  Welt  die  Erlösung  gebracht,  den  Tod 
nicht  zu  fürchten  haben,  wenn  wir  die  Sünde  meiden.     Bilder  von  der 


^)  Der  hier  genannte  Niceta  wird  jetzt  \  sprochenen  Niceas,   was  zu  korrigieren  ist, 
allgemein  mit  dem  bei  Gennadias  c.  22  be-   ;   identifiziert;  vgl.  unten  unter  «Niceta*. 

Handbuch  der  IdiM.  AltertumswiMeDschaft.   VIII,  4.  16 


242  MeropioB  Pontins  Panlinns.    (§  880.) 

Hölle  und  vom  Himmel  werden  dem  Leser  vorgefQhrt.  Den  Höhepunkt 
erreicht  das  Gedicht  am  Schlüsse,  wo  der  Dichter  auch  seines  eigenen 
verstorbenen  Söhnleins  gedenkt,  das  ebenfalls  Celsus  hiess,  und  zu  einer 
rührenden  Apostrophe  an  die  beiden  Celsi  übergeht. 

Epithalamium  (No.  25)  auf  Julianas  und  la  (Titia).  Das  Gedicht  wurde  znerst 
von  Schott  publiziert;  die  von  ihm  benutzte  Handschrift  ist  aber  verschollen.  DieHartel* 
sehen  Codices  Parisinus  8094  s.  X  und  Brit.  Bibl.  Reg.  15  B  XV IUI  s.  IX  enthalten  nur  1 
die  Verse  1 — 65.  Die  Ueberschrift  lautet  in  beiden  (bei  NichtberficksichtiguDg  von  tu-  ] 
wesentlichen  Discrepanzen) :  Incipit  epithalamium  a  sancto  Paulino  dictum  in  Jtdiamum 
fdium  episcopi  Memoris  et  Titiam  clarissimam  feminam  uxorem  eiua,  Ueber  die  PerBönlicli- 
keiten»  die  mit  dem  Gedichte  zusammenhängen,  vgl.  Buse  1  p.  345.  Ueber  Julian  als 
Lector  vgl.  Vs.  144.  Ueber  das  Lob  des  Aemilius,  Bischofs  von  Benevent,  vgl.  Ys.  203.  Dt 
Augustin  in  einer  ca.  399  geschriebenen  Epistel  (101)  den  Julian  als  Diakon  bezeichnet 
während  er  im  Gedichte  noch  Lector  ist,  muss  das  Gredicht  vor  399  geschrieben  sein.  lo 
das  Jahr  408  setzt  dasselbe  A.  Brückner,  Julian  von  Ek^lanum,  sein  Leben  and  seine  Lehre 
(Texte  und  Untersuchungen  Bd.  15  Heft  3  (1897)  p.  18);  vgl.  dagegen  Muratori  Sp.  811.  - 
—  Ueber  die  Epithalamicn  im  allgemeinen  vgl.  J.  Fries,  R5m.  Hochzeitslieder  1  (KaisetB- 
lautern  1898). 

Propempticon  für  Niceta,  Bischof  von  Dacien  (No.  17).  Dass  Nic«ta  zum 
ersten  Male  398  den  Paulinus  besuchte,  zeigt  Buse  in  einem  Ezcurs  1  p.  367. 

Consolatio  an  die  Eltern  des  verstorbenen  Knaben  Celsas  (No.  31).  Die 
Eltern  hiesscn  Pneumatius  und  Fidelis;  vgl.  Vs.  625.  Ueber  die  Ueberliefemng  vgl.  Hartel 
2  p.  XXII.  Der  Knabe  Celsus  starb  im  Alter  von  8  Jahren;  vgl.  Ys.  23.  Ueber  seinen  ver- 
storbenen Sohn,  der  ebenfalls  Celsus  hiess,  sagt  Paulinus  (Vs.  607):  quem  Conphtten^i  man- 
davimus  urbe  propinquis  \  coniunctum  tumuli  foedere  martyribus, 

880.  Biblische  Stoffe.  Von  weittragender  Bedeutung  wurden  die 
Psalmenparaphrasen  des  Paulinus.^)  Mit  feinem  Sinn  hatte  der  Dichter 
erkannt,  dass  in  den  Psalmen  eine  reiche  Quelle  der  Poesie  fliesse,  und 
dass  diese  Stücke  die  uns  gewohnte  metrische  Form  verlangen,  um  von 
uns  als  volle  Dichtung  empfunden  zu  werden.  Das  Beispiel  des  PauUnus 
hat  befruchtend  auf  Jahrhundertc  hinaus  gewirkt,  und  die  modernen  Li- 
teraturen sind  reich  an  Ueberführung  der  Psalmen  in  die  den  verschiedenen 
Völkern  eigentümlichen  metrischen  Formen.  Drei  Psalmen  sind  von  Paulinus 
dichterisch  bearbeitet  worden.  Der  erste  Psalm  ist  in  51  jambischen  Tri- 
metern  mit  Anlehnung  an  den  Anfang  der  zweiten  horazischen  Epode  be- 
bearbeitet. Sehr  schön  paraphrasiert  der  Dichter  anfangs  die  Worte  des 
Psalms,  fügt  dann  aber  Erweiterungen  hinzu,  die  weniger  gelungen  er- 
scheinen (No.  7).  Die  Bearbeitung  des  zweiten  Psalms  in  32  Hexametern 
zeigt  zwar  auch  Erweiterungen,  allein  im  wesentlichen  folgt  der  Dichter 
dem  Gedankengang  des  Originals  (No.  8).  Der  ergreifende  Klagegesang 
der  Juden,  welcher  im  137.  Psalme  vorliegt,  gibt  dem  christlichen  Sänger 
das  Thema,  das  er  in  71  Hexametern  weiter  ausspinnt  (No.  9).  Alle  drei 
Paraphrasen  lassen  den  poetischen  Geschmack  und  die  formale  Gewandtheit 
des  Paulinus  in  hellem  Lichte  erscheinen.  Auch  aus  dem  neuen  Testament 
griff  sich  Paulinus  eine  Figur  zur  Bearbeitung  heraus;  es  ist  Johannes  der 
Täufer, 2)  der  als  Vermittler  zwischen  dem  alten  und  neuen  Bund  an- 
gesehen wird  (No.  6).  Die  Evangelien,  besonders  Lukas,  lieferten  ihm  den 
Steif,  der  in  der  Bearbeitung  einen  weiten  Umfang  (330  Hexameter)  an- 
nimmt. Das  Gedicht  dürfte  zu  den  frühesten  gehören.  In  demselben  hat 
Paulinus  sich  zuerst  in  das  Reich  der  panegyrischen  Dichtung  begeben, 
welche  späterhin  ausschliesslich  dem  heiligen  Felix  gewidmet  wurde. 

»J  Vgl.  Buse  1  p.  149.  |  ^)  Vgl.  Buse  1.  c. 


Meropins  Pontius  PanlinuB.  (§881.)  248 

881.  Die  Gedichte  auf  den  heiligen  Felix.  Den  Kern  der  dichte- 
rischen Thätigkeit  des  Paulinus  bildet  ein  Cyklus  von  Gedichten  auf  den 
hl.  Felix,  dessen  Gebeine  in  Nola  ruhen;  es  sind  carmina  natalitia,  d.  h. 
sie  sind  f&r  den  Todestag  des  Heiligen  (14.  Januar)  bestimmt,  der  ja  nach 
christlicher  Anschauung  der  Geburtstag  für  ein  neues  Leben  ist.^  Im 
ersten  dieser  Gedichte  (No.  12)  kündigt  Paulinus,  der  sich  noch  in  Spanien 
befindet,  dem  Heiligen  an,  dass  er  von  Sehnsucht  getrieben  seinen  Wohn- 
sitz an  dessen  Grabe  aufschlagen  werde,  und  bittet,  ihm  zu  diesem  Zwecke 
eine  glückliche  Reise  zu  gewähren.')  Der  Heilige  hatte  ihn  erhört  (No.  13); 
er  war  glücklich  nach  Nola  gekommen  und  konnte  zum  erstenmal  den 
Todestag  des  Felix  an  dessen  Grabe  feiern.  Er  preist  Nola  glücklich 
wegen  des  Schatzes,  den  es  in  dem  Grabe  des  Heiligen  hat,  er  selbst 
blickt  zu  ihm  als  dem  Anker  seines  Lebens  freudig  empor.  Das  fol- 
gende Gedicht  (No.  14)  entwirft  ein  Festesbild  am  Todestag  des  Felix 
und  schildert,  wie  von  ganz  Italien  die  Pilger  zu  seinem  Grabe  ström- 
ten, s)  Man  sieht,  welch  grossen  Umfang  schon  damals  die  Heiligen- 
verehrung genommen  hatte.  Ein  Lebensbild  des  Felix  tritt  uns  aus  dem 
fünfzehnten  Gedicht  entgegen.  Zuerst  spendet  er  dem  Bekenner  sein 
Lob.  Wie  dem  TibuU  einst  seine  Geliebte  als  Leuchte  in  finsterer  Nacht 
und  als  Leben  am  einsamen  Ort  erschien,  so  ist  Felix  dem  Paulinus  Vater, 
Vaterland  und  die  Grundlage  seines  Seins.  ^)  Bemerkenswert  ist,  wie  der 
Dichter  die  Lebensgeschichte  einleitet;  nicht  von  den  Musen  und  von 
Phoebus,  sondern  von  Christus  schöpft  er  seine  Begeisterung.  Anmutig 
erzählt  er  dann  die  Schicksale  seines  Patrons.  Der  Leser  erfreut  sich  der 
poetischen  Züge,  welche  die  Legende  geschaffen  hat;  um  nur  einen  zu 
erwähnen,  auf  das  Gebet  des  Felix  hin  spross  aus  einem  Dombusch  eine 
Traube  hervor,  mit  der  er  seinen  zusammengebrochenen  alten  Bischof 
wieder  zum  Leben  aufrichtete.  Eine  Fortsetzung  der  Lebensgeschichte 
des  Felix  bietet  das  folgende  Stück  (No.  16),  das  ausdrücklich  vom  Dichter 
mit  dem  vorhergehenden  verknüpft  wird.^)  Auch  hier  ist  die  Legende 
mit  wunderbaren  Zügen  ausgeschmückt;  so  wurde  z.  B.  Felix  vor  seinen 
Verfolgern  dadurch  gerettet,  dass  eine  Spinne  ihr  Netz  über  den  Zugang 
spann;  auch  die  Ernährung  des  Bekenners  mit  Himmelstau  ist  ein  schöner 
Schmuck  der  Erzählung.  Nachdem  das  Leben  des  Heiligen  erzählt  war, 
blieb  dem  Dichter  noch  die  Aufgabe,  die  Wunderthaten  seines  Helden, 
welche  ja  nur  ein  nach  dem  Tode  fortgesetztes  Leben  desselben  be- 
deuten, dem  Leser  vorzuführen  (Vs.  83);  er  thut  dies  in  dem  Stück  No.  18. 
Ergötzlich  ist  das  Wunder,  durch  das  0in  Bauer,  dem  seine  zwei  Rinder 
gestohlen  wurden,  mit  Hilfe  des  Felix  wieder  in  den  Besitz  derselben 
gelangte.  Nachdem  das  Leben  und  die  Wunder  des  Felix  behandelt 
waren,  hatte  sich  der  Dichter  in  seinen  Motiven  erschöpft;  allein  er  hatte 
sich  nun  einmal  vorgenommen,  den  Todestag  des  Heiligen  ohne  ein  Ge- 
dicht nicht  vorübergehen  zu  lassen;  da  die  Wunder  nicht  aufhörten,  gab 


*)  14,  2  qua  corpore  ierris  \  occidit  et 
Christo  superis  est  natus  in  astris, 

')  Das  Gedicht  fällt  ins  Jahr  394;  vgl. 
Base  1  p.  230. 

»)  Vgl.  Buse  1  p.  229. 


*)  15,  15;  bezüglich  TibuU  vgl.  Litt.- 
Gesch.  2,  1*  §  281.  Vgl.  auch  29,  8.  Aehn- 
Üche  Worte  richtet  Pauliuus  an  Severus  in 
epist.  32,  1. 

*)  Vgl.  16,  17. 

16* 


244 


Meropins  Pontiiu  Panlinna.    (§  881.) 


es  noch  immer  Stoff  für  neue  poetische  Ergüsse.  Im  23.  Gedicht  erzählt  er,  ' 
wie  sein  Freund  Theridius  bei  einer  Verletzung  seines  Auges  die  Hilfe  des  ' 
Heiligen  erlangte.  Die  Schrecknisse  der  Zeit  spiegeln  sich  in  dem  26.  Stück 
der  Sammlung.  Die  Gothen  waren  401  in  Italien  eingefallen;^)  in  dieser 
schweren  Zeit  hiess  es,  Vertrauen  zu  der  Fürbitte  des  Heiligen  zu  haben 
und  von  ihm  Rettung  aus  der  Not  zu  erhoffen.  In  der  folgenden  Nummer  27 
freut  sich  der  Dichter  auf  das  Fest  des  Jahres  402,  weil  der  Bischof  Niceti 
dasselbe  mitfeiern  will.  ^)  Die  interessanteste  Partie  dieses  Gedichtes  ist 
die  Beschreibung  der  von  Paulinus  teils  restaurierten,  teils  neuerbaaten 
Basilika  des  Heiligen  und  des  Bilderschmucks,  der  als  etwas  Neues ')  hi» 
aufgeführt  wird  und  den  Zweck  haben  soll,  die  Pilgerschar  von  den  Zech- 
gelagen fernzuhalten  und  in  ihnen  religiöse  Stimmungen  zu  erweckea^) 
Als  eine  Fortsetzung  ist  No.  28  zu  betrachten,  welches  nochmals  die  i 
Baulichkeiten  und  den  Bilderschmuck  behandelt,  auch  wieder  ein  Wunder 
erzählt.  Die  Heiligen  Verehrung  ist  das  Thema  des  19.  Gedichtes,  in  dem 
die  Verdienste  des  Felix  um  Nola  gepriesen  und  wiederum  Wunder  von 
ihm  angeschlossen  werden.^)  Auch  das  20.  Gedicht^)  ist  mit  Mirakeln 
angefüllt,  die  diesmal  einen  unerfreulichen  Eindruck  machen.^)  Das  längste 
und  wichtigste  Gedicht  ist  No.  21.  Dasselbe  erregt  auch  dadurch  unsere 
Aufmerksamkeit,  dass  es  die  Form  der  Polymetrie  aufweist.^)  Auch  in 
dieses  Gedicht  spielen  die  Zeitereignisse  hinein;  durch  die  Besiegung  des 
Radagais  ^)  im  voraufgehenden  Jahre  405  ist  jetzt  wieder  Friede  im  Lande. 
Der  fromme  Dichter  zweifelt  keinen  Augenblick,  dass  die  Fürbitte  der 
Heiligen,  besonders  des  Felix,  hier  wirksam  gewesen  ist.  Die  interessan- 
teste Partie  des  Gedichtes  ist  aber  diejenige,  in  der  Paulinus,  um  dar- 
zulegen, was  er  persönlich  dem  Heiligen  verdanke,  seine  Lebensschicksale 
einflicht.  Paulinus  ist  so  für  seinen  Patron  begeistert,  dass  er  überall 
dessen  Einfluss  gewahrt,  selbst  die  Herstellung  der  alten  Wasserleitung, 
von  welcher  der  Dichter  eine  ausführliche  Schilderung  entwirft,  wird  auf 
Rechnung  desselben  gesetzt.  Es  ist  noch  ein  fragmentarisches  Gedicht 
(No.  29)  erhalten, ^ö)  das  uns  keine  neue  Seiten  der  dichterischen  Thätig- 
keit  des  Paulinus  darbietet,  aber  Beachtung  verdient,  weil  es  einen  Vers 
des  Ausonius  fast  wörtlich  übernommen  hat.^^) 


>)  Vgl.  Buse  2  p.  62. 

*)  Niceta  kam  398  und  402  nach  Italien; 
vgl.  Buse  1  p.  367. 

'j  Vs.  544  raro  more. 

*)  Vs.  405 ;  5 11 .  Die  Bilder  waren  mit  tituli 
versehen ;  vgl.  Vs.  584.  Zur  kunstgeschicht- 
lichen Interpretation  vgl.  Brockhaus,  Aurel. 
Prudentius Clemens,  Leipz.  1872,  p.  274;  Buse 
2  p.  08;  Holtzinger,  Die  Basilika  des  Pau- 
linus von  Nola  (Lützows  Zeitschr.  für  bil- 
dende Kunst  20  (1885)  p.  135);  Die  altchristl. 
Architektur,  Stuttgart  1889,  p.  58  etpassim; 
E.  V.  D  ob  schütz,  Christusbilder  (Texte  und 
Untersuchungen  N.  F.  3  (Leipz.  1899)  p.  111). 

^)  Zu  beachten  ist  der  Ausfall,  den  der 
Dichter  gegen  den  Isiskult  macht  (Vs.  111). 

®)  Zu  den  Versen  608  ff.  über  das  Kreuz 
von  Nola  vgl.  Ilartel,  Patrist.  Stud.  6  p.  71 


und  A.  Franz,  Das  Kreaz  von  Nola  (Zeitschr. 
für  Christi.  Kunst  8  (1895)  p.  197). 

^)  Interessant  ist  die  Stelle  über  die 
ärztliche  Kunst  (Vs.  257). 

^)  Der  Dichter  nennt  seine  c^thara  in 
unum  Carmen  diversis  composüa  fidibuf 
(Vs.  328).  Das  Gedicht  besteht  aus  858  Ver- 
sen; davon  sind  104  Hexameter,  167  jam- 
bische Trimeter,  36  Distichen  und  ab  Schloss 
515  Hexameter. 

»)  Vgl.  Buse  2  p.  146. 

^^)  Es  wird  von  Buse  (2  p.  195)  ins  Jahr 
407  verlegt  ohne  Angabe  von  Gründen. 

**)  Paulin.  c.  29,  16  quae  nee  mens  hu- 
mana  copit  nee  lingtta  profari  =  Anson. 
oratio  matuUna  Vs.  5  (p.  5  Schenkl)  nee  mens 
complecti  poterit  nee  lingua  profari.  Vgl. 
auch  oben  p.  33. 


MeropiuB  PontioB  Panliniu.    (§  882.) 


245 


Der  Anlass  des  Liedercyclus.  14,  116  hunc,  precor,  aeterna  ncbis  cum  pace 
^erenutn  \  posce  diem,  hoc  Uerum  liceai  gaudere  reverso  \  annuague  hie  et  vota  tuis  et  car- 
MtfMB  festis  I  reddere  placati  tranquillo  numine  Christi.  16,  12  hunc  etiam  oris  |  obsequio 
9eW>rare  per  annua  earmina  sanetum  \  fas  mihi,    Ueber  die  Gedichte  vgl.  Base  1  p.  230. 

Zam  christlichen  Charakter  der  Dichtung.  15,30  nan  ego  Castalidas,  vatum 
pkantasmata,  Musas  \  nee  surdum  Aonia  Phoebum  de  rupe  eiebo;  \  carminis  incentor  Chri- 
tiUM  mihi,  munere  Christi  \  audeo  peccatar  sanetum  et  eaelestia  fori.  16,  3  omnia  prae- 
^ereutUy  sanetorum  glaria  durat  \  in  Christo,  qui  euncta  novat,  dum  permanet  ipse.  18,  25 
CSkriHe  deus  Felicis,  ades,  da  nunc  mihi  verbum,  \  sermo  deus,  da  ptrspicuam,  sapientia, 
wumtem.  20,  28  non  adficta  canam,  licet  arte  poematis  utar,  \  historica  narrabo  fide  sine 
firaude  poetae;  \  absU  enim  famulo  Christi  mentita  profari, 

882.  Epigrammatische  Dichtungen.  Durch  Damasus  war  auch  dem 
Epigramm  seine  Verwendung  zu  christlichen  Zwecken  zu  teil  geworden; 
seitdem  fand  dasselbe  unter  den  christlichen  Dichtem  eifrige  Pflege.  Die 
Qräber  der  Heiligen  verlangten  eine  Aufschrift,  bildlichen  Darstellungen 
konnten  durch  Epigramme  Erläuterungen  hinzugefügt  werden.  Auch  an 
den  Eingängen  der  Kirche,  an  der  Apsis,  an  den  Altären  konnten  gut 
A.uf8chriften  angebracht  werden.  Als  daher  Paulinus  seine  grossartigen 
Bauten  zu  Ehren  des  hl.  Felix  aufführte,  dichtete  er  auch  eine  Anzahl 
iron  Epigrammen,  die  dort  Verwendung  fanden.^)  Dieselben  scheinen  be- 
rfihmt  geworden  zu  sein;  als  Sulpicius  Severus  eine  Reihe  von  Bauten, 
besonders  zu  Ehren  des  hl.  Martin,  darunter  auch  ein  Baptisterium  er- 
richtete, erbat  er  sich  ausser  einem  Bildnis  des  Paulinus,  das  er  neben  dem 
des  Martinus  aufmalen  lassen  wollte,  auch  Epigramme.  In  einem  ausführ- 
lichen Schreiben  (epist.  32)  verbreitet  sich  Paulinus  über  diese  Angelegen- 
heit;^) er  stellt  in  dem  Brief  dem  Severus  eine  Anzahl  Epigramme  zur 
Verfügung  und  gibt  ihm  auch  eine  Kollektion  der  für  seine  eigenen  Bauten 
gedichteten. ')  Wie  das  Dittochaeon  des  Prudentius,  so  erheben  sich  auch 
die  Epigramme  des  Paulinus  nicht  zu  einer  bemerkenswerten  Höhe.  Mehr 
[nteresse  kann  beanspruchen  ein  Gedicht  No.  33,  das  zwar  namenlos  über- 
liefert ist,  aber  doch  mit  guten  Gründen  dem  Paulinus  zugeteilt  wird. 
Dasselbe  ist  schon  wegen  der  Form  beachtenswert,  indem  es  polymetrisch 
gestaltet  ist.  Es  handelt  sich  um  einen  Baebi an us,  der  zuerst  nur  dem 
Namen  nach  Christ  war,  dann  aber  sich  in  einer  Krankheit  zu  einem 
begeisterten  Christen  bekehrte.  Mit  den  Sakramenten  versehen  verfallt 
Br  in  einen  todesähnlichen  Schlaf,  während  dessen  seine  Seele  zum  Himmel 
aufsteigt;  aus  dem  Todesschlaf  wieder  erwacht,  erzählt  er  seine  Erlebnisse 
und  stirbt  dann  eines  wirklichen  Todes.  Das  Gedicht  war  bestimmt,  zur 
Erläuterung  eines  Wandgemäldes  im  Hause  der  Witwe  zu  dienen.  Es  ist 
beachtenswert,  dass  damit  die  christliche  Kunst  aus  der  Kirche  auch  in 
das  Privathaus  eindringt. 

De  obituBaebiani  (No.  33)  ist  im  Parisinus  7558  s.  IX  überliefert  unter  der  Ueber- 
ichrift:  Incipit  Bebiani  obitus  diverso  modo  et  metro  dictus.  Das  Gedicht  ist  polymetrisch 
und  besteht  aus  fünf  Teilen:  der  erste  Teil  umfasst  20Jambische Tiimeter,  der  zweite  20  Hexa- 
meter, der  dritte  20  Asklepiadeen,  der  vierte  40  Hexameter  (die  aber  wieder  gegliedert 
lind  als  zweimal  20),  der  f&nfte  15  bezw.  16  elegische  Distichen.  Bezüglich  des  Baebianus 
weist  L.  Havet,  Revue  de  philol.  24  (1900)  p.  144  auf  die  Worte  in  Symmach.  epist.  3,  41 


^)  F.  X.  Kraus,  Gesch.  der  christl.  Kunst 
l  (1896)  p.  390. 

s)  Zur  Erklärung  des  Epigramms  hie 
oeus  etc.  (p.  291,  7),  aus  dem  falsche  Fol- 
(enmgen  gezogen  wurden,  vgl.G.Wejman, 


Eist.  Jahrb.  der  Görresges.  18  (1897)  p.  600. 
«)  Vgl.  epist.  82,  9    voluU  (Victor),   ut 
nostrarum  tibi  basilicarum  versus  simtd  pic- 
turasque  portaret. 


246  Meropins  Pontiiis  PanlinuB.    (§  883.) 

Baebiani  viri  clarisiimi  hin.  Ueber  die  Bestimmimg  des  Gedichts  vgl.  Vb.  4  en  itUy  eAt 
quem  suh  auro  etdminis  \  pictura  veris  exprimit  miraeulis,  wozu  Brandes,  Stadieav 
christl.-lat.  Poesie.  I.  Obitus  Baebiani,  ein  anerkanntes  Gedicht  des  Panlinos  von  Nola  (Wio. 
Stad.  12  (1890)  p.  286)  bemerkt:  «Es  ist  der  erklärende  Text  zn  einem  Wandgemllde,  vi 
ches  einige  Zeit  nach  dem  Tode  des  Baebianus  —  denn  inzwischen  war  ihm  bereiU  cii 
Sohn  nachgestorben  (Vs.  103  f.)  —  im  Hanse  der  Witwe,  und  zwar  als  Fries  wahrschcn&d 
einer  Längswand  des  Atriums  angebracht  wurde.*  Brandes  hat  den  Nachweis  gelieCat 
dass  das  Gedicht  so  viele  Berührungspunkte  mit  Gedanken  und  dichterischen  Eigeote- 
lichkeiten  des  Paulinus  hat,  dass  wir  dasselbe  ihm  «zuteilen  müssen,  da  ffir  eine  Nad- 
ahmung  die  dichterische  Individualität  zu  stark  hervortritt    Weiterhin  bemerkt  Braodu 

(p.  297):  «Der  Zeit  nach  wird  unser  Gedicht der  Uebergangsperiode  des  Dichten,  ni 

zwar  der  ersten  Hälfte  derselben,  die  er  noch  in  Aquitanien  verlebte,  angehören.  Bn 
stimmt  aufs  beste  die  Frische  und  realistische  Lebendigkeit  der  Erzählong,  die  poetivk 
ungleich  hoher  steht  als  die  endlosen  doktrinären  Ausführungen  der  meisten  ^liteRi 
Gedichte."     Vgl.  auch  Manitius,  Gesch.  der  christl.-lat.  Poesie,  Stattgart   1891,  p.  296. 


Die  Appendix.  Mit  den  Gredichten  des  Paulinus  werden  noch  vier  Gedichte  ■ 
eiuer  Appendix  vereinigt,  deren  Echtheit  jedoch  bestritten  ist.    Es  sind  folgende: 

1.  Carmen  ad  coniugem.  Für  dieses  Gedicht  benutzte  Hartel  den  Regioenii 
230  8.  X  und  den  Casinensis  226  s.  XL  Im  Reginensis  lautet  die  Ueberschrift:  Verm 
Prosperi  ad  coniugem  suam,  im  Casinensis  dagegen:  incipü  tetrametron.  Rosweyd  y 
zuerst  das  Gedicht,  das  in  den  Ausg.  Prospers  stand,  unter  die  Werke  des  Paulinus  es- 
gereiht.  Das  frisch  geschriebene  Gedicht,  das  aus  16  anakreontischen  Versen  und  ai 
53  Distichen  besteht,  enthält  eine  Aufforderung  an  seine  Frau,  mit  ihm  ein  chrisUicki 
Leben  zu  führen,  zu  dem  die  Nichtigkeit  alles  Irdischen  dränge.  Die  Situation  würde  td 
Paulinus  passen;  allein  die  Vs.  27  f.  geschilderte  Zeitlage  lässt  sich  mit  der  Zeit,  in  ikt 
Paulinus  der  Welt  Lebewohl  sagte,  nicht  vereinigen;  auch  sticht  der  Ton  merklich  ib 
von  den  Poesien  des  Paulinus.  Ueber  das  Gedicht  handeln  Muratori  Sp.  792;  Buse  1 
p.  165;  Manitius  p.  211. 

2.  Carmen  de  nomine  Jesu.  Dieses  Gedicht  wurde  von  G.  Barth  aus  eisca 
verschollenen  Codex  herausgegeben  und  dem  Paulinus  vindiziert.    Es  enthält  ein  Lob  Christi 

3.  Carmen  ad  Deum  post  conversionem  et  baptismum  suum.  Das  Gedicbt, 
das  aus  120  Distichen  besteht,  ist  im  cod.  Urbinas  533  s.  XV  überliefert,  aus  dem  es 
A.  Mai  mit  der  angegebenen  Ueberschrift,  die  im  Codex  fehlt,  herausgegeben  und  den 
Paulinus  zugeteilt  hat  (S.  episcoporum  Nicetae  et  Paulini  scripta  ex  Vatic.  codicibus  ediU, 
Rom  1827,  p.  63;  wiederholt  in  Classici  auctoies  5  p.  369).  Hier  spricht  ein  Dichter,  der 
einerseits  von  der  gewaltigen  Macht  Gottes,  andererseits  von  seiner  Sündhaftigkeit  Qber 
zeugt  ist  und  der  sich  zu  einem  gottgefälligen  Leben  entschlossen  hat.  Vs.  37  finden  wir 
eine  Anspielung  auf  die  unruhigen  kriegerischen  Zeiten  zu  Anfang  des  5.  Jahrhunderts. 
Ferner  lehnt  sich  das  Gedicht  an  das  Commonitorium  des  Orientius  an;  vgl.  Vs.  45  (i  Comm. 
1,  41  (p.  206  Ellis).  Vgl.  Manitius  p.  300.  Buse  (1  p.  141  Anm.  19)  will  das  Gedicht 
dem  Paulinus  zuschreiben;  vgl.  dagegen  Ebert  p.  307  Aimi.  2. 

4.  De  domesticis  suis  calamitatibus.  Auch  dieses  Gedicht  in  14  Distichen  ist 
ohne  Ueberschrift  in  demselben  Urbinas  überliefert  und  daraus  von  A.  Mai  mit  dem  an- 
gegebenen Titel  veröffentlicht  und  ebenfalls  dem  Paulinus  zugeteilt  worden.  Der  Verfasser 
spricht  von  seinem  häuslichen  Elend,  von  seinem  in  der  Gefangenschaft  weilenden  Bmder 
und  dessen  Gattin,  von  einer  sich  über  ihr  Elend  die  Augen  fast  ausweinenden  Schwester 
und  von  seinem  Unvermögen,  ihnen  zu  helfen.  Dieses  Familiendrama  passt  nicht  zu  den 
Verhältnissen  des  Paulinus;  vgl.  Buse  1  p.  157  Anm.  25.  Dass  das  Gedicht  hiemach  nicht 
von  Paulinus  sein  kann,  steht  fest.  Ueber  die  Autorschaft  bestehen  verschiedene  Meinungen: 
Buse  sagt:  „Gewiss  ist  es,  dass  der  Enkel  des  Ausonius,  Paulin,  der  Verfasser  des  Eu- 
charisticon  de  poenitentia,  das  Gedicht  angefertigt  hat";  vgl.  auch  1  p.  73.  Nach  Beth- 
mann,  Pertz'  Archiv  10  p.  295  (vgl.  auch  Ebert  p.  307  Anm.  2)  ist  das  Gedicht  dem 
Paulus  Diaconus  zuzuteilen;   vgl.  auch   E.  D(uemmler),  Neues  Archiv  21  (1895)  p.  594. 

883.  Die  prosaischen  Briefe  des  Paulinus.  Das  Ansehen  des  Pau- 
linus reicht  über  die  Mauern  Noias  hinaus ;  in  der  ganzen  abendländischen 
Christenheit  war  der  hl.  Mann  bekannt.  Die  Pilger,  die  nach  Rom  wall- 
fahrten, machten  gern  einen  Abstecher  nach  Nola,  um  dort  PauUnus  von 
Angesicht  kennen  zu  lernen.  Auch  führte  das  Fest  des  hl.  Felix,  das  stets 
mit  grossem  Prunk  gefeiert  wurde,  viele  Gläubige  nach  Nola;  es  kamen 
noch  hinzu   die  Freunde,    deren  Bekanntschaft  Paulinus   noch   in  seiner 


Meropins  Poniiiui  PanlinuB.    (§  883.) 


247 


Heimat  gemacht  hatte.  Ein  umfangreicher  Briefwechsel  war  die  notwendige 
Folge  dieser  ausgedehnten  Beziehungen  und  der  grossen  Berühmtheit,  deren 
sich  die  Person  des  Paulinus  erfreute.  Es  ist  uns  eine  Briefsammlung  er- 
halten; sie  umfasst  etwa  ein  halbes  Hundert  Briefe.  Auch  eine  Predigt  hat 
sich  merkwürdigerweise  in  die  Sammlung  eingeschlichen;  sie  führt  den 
Titel  «üeber  den  Opferkasten ""  und  behandelt  das  Thema  der  Wohlthätig- 
keit.  Die  Briefsammlung  bietet  ein  grosses  Interesse  dar.  Wenn  wir  die 
Adressaten  durchmustern,  stossen  wir  auf  manchen  glänzenden  Namen, 
z.  B.  auf  Augustin,  auf  den  Bischof  Delphinus  von  Bordeaux,  auf  den  Bio- 
graphen des  hl.  Martin,  Sulpicius  Severus  u.  a.^)  Noch  mehr  erregt  der 
Inhalt  unsere  Aufmerksamkeit;  das  religiöse  Leben  und  Empfinden,  wie 
es  sich  in  jener  merkwürdigen  Zeit  abspielt,  stellt  sich  uns  in  lebhaften 
Farben  dar:  bald  ist  es  ein  Kirchenbau,  über  welchen  sich  der  Brief- 
schreiber Rat  von  Paulinus  erholt,^)  bald  wird  eine  dogmatische  Frage 
aufgegriffen,  z.  B.  die  leibliche  Auferstehung,')  bald  ist  es  eine  Stelle  oder 
ein  Abschnitt  der  Bibel,  über  welche  man  Auskunft  verlangt,^)  bald  ist 
es  eine  litterarische  Novität,  0)  über  welche  die  briefliche  Unterhaltung 
sich  ergeht.  Selbstverständlich  spielt  auch  Persönliches  in  den  Briefwechsel 
hinein,  und  manche  Individualität  ^)  wird  so  gezeichnet,  dass  uns  ihr  Cha- 
rakter lebhaft  vor  Augen  tritt.  Merkwürdig  ist  die  Sprache  der  Briefe; 
es  ist  ein  Latein,  das  ganz  von  der  Bibel  durchtränkt  ist,  schwungvoll, 
geziert^)  und  geschraubt.')  In  der  Demut ^)  und  der  Verleugnung  der 
eigenen  Persönlichkeit,  womit  eine  unnatürliche  Emporhebung  des  Adres- 
saten^^) Hand  in  Hand  geht,  leisten  die  Briefe  das  Unglaublichste.  Der, 
welcher  das  Wehen  des  Zeitgeistes  an  der  Grenzscheide  des  vierten  und 
fünften  Jahrhunderts  fühlen  will,  wird  in  diesen  Briefen  die  reichste  Be- 
lehrung finden. 


^)  Vgl.  den  Index  alphabeticus  bei  Mu- 
ratori  Sp.  CXXXVÜ. 

')  Vgl.  den  Brief  32  an  Severus. 

*)  Epist.  45,  4  (an  Augnstinus)  quae  vero 
post  resurrectionem  carnis  in  illo  saeculo 
beatorum  futura  ait  actiOf  tu  me  interrogare 
dignatus  es.  Ueber  die  Erlösung  vgl.  epist  12. 

^)  Epist.  10,  1  (an  Delphinus)  accepimus 
lUteraa  sanctae  affectionis  tuae,  quibus  iubea 
no8  in  epistolis,  quaa  ad  te  faeimua^  aliquem 
praeter  officii  de  Script uris  adieere  sermonem. 
Vgl.  epist.  21;  43,3. 

^)  Epist.  11,  11  (an  Severus)  benedictus 
tu  homo  dominOy  qui  tanti  aacerdotis  (aancti 
Martini)  et  manifeatiaaimi  confesaoria  histo- 
riam  tarn  digno  aermone  quam  iuato  affectu 
percenauiati.  In  epist.  5,  6  (an  Severus)  spielt 
Paulinus  mit  den  Worten  verua  factor  legis  et 
evangelii  non  surdua  auditar  auf  die  vita  Mar- 
tini c.  2,  8  p.  112,  26  iam  tum  evangelii  non 
surdua  auditor  de  craatino  non  cogitabat  an, 
d.  h.  er  macht  ihm  mit  dem  Citat  ein  feines 
Compliment;  vgl.  C.  Weyman,  Rhein.  Mus. 
53  (1898)  p.  317. 

^)  Wir  erinnern  an  Cardamas,  den  Brief- 
träger zwischen  Delphinus  und  Paulinus;  vgl. 


Buse  2  p.  44. 

^)  Vgl.  epist.  20,  7  (an  Delphinus)  donet 
orationibtia  tuia  dominus,  ut  monetae  tuae 
nummus,  ut  hami  tut  piseis,  ut  vitis  tuae 
aarmentum,  ut  uteri  caatitafis  tuae  filiua  sim. 

*)  Vgl.  epist.  19,  1  (an  Delphinus)  ex- 
pectabamua  ut  area  aitiens  refrigeria  Uttera- 
rum  tuarum,  et  anima  nostra  aicut  terra 
aine  aqua  sitientibus  in  tua  verba  praecor- 
diis  anheldbat. 

^)  Eine  erträgliche  Wendung  ist  es  noch, 
wenn  es  z.  B.  heisst  (epist.  12,  1):  sed  bono- 
rum meorum  non  indigea,  et  me  aequiua  eat 
a  te  locupletari,  quia  divea  pauperi  conferrc 
debety  ut  fiat  aequalitaa.  Schon  stärker  sind 
die  Worte  (epist.  12,  2):  aolvat  linguam  meam 
in  verbum  bonumy  qui  et  aainae  oa  in  aer- 
monem  laxavit  humanum  etc.  Vgl.  auch 
epist.  43,  3  ei  ideo  malitiae  meae  conacius 
non  potui  divinae  revelationia  habere  fidu- 
ciam,  cum  prudentiae  lucem  tenebroso  corde 
non  eaperem, 

^^)  Epist.  5,  2  (an  Severus)  quid  ab  in- 
aipiente  aapiena,  rectus  a  pravo,  beatus  a 
misero,  ab  infirmo  fortis,  ab  inopi  dives  in 
domino  capere  potuittif 


248  MmropiiiB  Pontius  Puiliniui.    (§  884.) 

Der  Bestand  der  Briefe.  Neu  hinzugekommen  ist  epist  25*,  der  mit  25  in  innigem 
Zusammenhang  steht.  Er  ist  an  Crispinianus  gerichtet  und  bezweckt,  diesen,  der  Militär  ist, 
für  die  Fahne  Christi  zu  gewinnen.  Bardenhewer  fand  denselben  im  cod.  Monacenas 
6299  s.  VIIl/IX  (vgl  G.  P.  Gaspari,  Briefe,  Abhandlungen  und  Predigten,  Christiania  1890, 
p.  223)  und  verö£fentlichte  ihn  in  der  Zeitschr.  »Katholik"  57  (1877),  1  p.  498.  Spftter  wurde 
derselbe  als  vermeintlich  unediert  von  Gaspari  (Tidskr.  f.  d.  evang.  luth.  Kirke  10  (1885 
fasc.  2  p.  225)  publiziert.  Beide  Gelehrte  erwiesen  den  Brief  als  Eigentom  des  Paulinus.  Spiter 
wurde  der  Brief  auch  im  cod.  a  Yll  5  des  Benediktinerstifts  St.  Peter  in  Salzburg  a.  IX^l 
aufgefunden;  vgl.  Gaspari,  Briefe  etc.  p.  224.  Nach  beiden  Handschriften  wurde  dann  der 
Brief  herausgegeben  von  G.  Weyman,  Hist.  Jahrb.  1895  p.  92;  vgl.  auch  denselben,  Zeitschr 
fttr  österr.  Gymn.  40  (1889)  p.  107.  Das  Fragment  des  Briefes  48  ist  aus  Gregor  von  Toon 
übernommen.  Weggelassen  sind  in  der  Hartelschen  Ausg.  die  von  Muratori  eingeschal- 
teten Briefe  des  Augustinus  an  Paulinus  (nach  epist.  4  Sp.  16;  nach  epist.  6  Sp.  32;  nach  epist 
45  Sp.  269;  nach  epist.  50  Sp.  297)  und  ein  Brief  des  Severus  an  Paulinus  (nach  epist  2S 
Sp.  116)  mit  der  Aufschrift:  Severus  Patdino  mittit  eoguum  ad  praeparandos  monachomm 
cihos  aptum.  Endlich  findet  sich  noch  eine  Predigt  in  der  Sammlung,  epist.  34  de  gaztt 
phi/lacio.  Nach  den  Briefen  findet  sich  in  der  Hartelschen  Ausg.  noch  die  passio  S,  Gt- 
neaii  Arelatensis,  welche  zuerst  von  Rosweyd  unter  die  Schriften  des  Paulinus  zwar  aufge- 
nommen, aber  in  ihrer  Echtheit  bestritten  und  einem  Paulinus,  Bischof  von  Beziers  (Bit«- 
renais),  zugeschrieben  wurde;  vgl.  Muratori  Sp.  927;  Buse  2  p.  117  Anm.  14.  Für  die 
Herausgabe  ist  neu  herangezogen  Parisinus  5271  s.  XUI. 

Unechte  Briefe.  Auch  zu  den  Briefen  werden  in  den  Ausg.  unechte  Stücke  hin- 
zugefügt.   Es  sind  folgende: 

1.  Ad  Marcellam.  Da  Marcella  in  Rom  lebte  und  Paulinus  in  Nola  (an  die  spa- 
nische Zeit  des  Paulinus  wird  nicht  zu  denken  sein),  machen  schon  die  Worte  talis  — 
fama  processit,  ut  ad  nos  quoqtie  in  longinquo  posUos  penetraverU  Schwierigkeiten;  über 
andere  Bedenken  vgl.  Muratori  Sp.  791. 

2.  Ad  Gelanciam.  Muratori  Sp.  792:  ^Inest  in  hac  stili  suavitate  gravitas  quae- 
dam  nimis  a  Paulini  alacritate  et  volubilitate  in  dicendo  aliena  et  locorum  S.  Scripturae 
diversa  expressio,  quam  ut  ei  possit  adiudicari  isthaec  epistola.*  Eine  methodische  Unter- 
suchung der  Echtheitsfrage  mit  Rücksichtnahme  auf  Hieronymus  wftre  erwünscht 


Excerpta  Bobiensia.  Aus  dem  Ambrosianus  F.  60  sup.  s.  VIU/IX  hat  Mura- 
tori Fragmente  verlorener  Schriften  des  Paulinus  herausgegeben  unter  dem  Titel:  Ex 
operibus  S.  Paulini  deperditis  excerpta  (Sp.  867);  abgedruckt  auch  bei  Hartcl 
1  p.  459. 

884.  Charakteristik.  Prudcntius  und  Paulinus  sind  unstreitig  die 
grössten  Dichter  nicht  bloss  unserer  Epoche,  sondern  auch  des  christlichen 
Altertums  überhaupt.  Beider  Bildung  wurzelt  ganz  im  nationalen  Boden: 
von  Paulinus  ist  bekannt,  dass  er  aus  der  Schule  des  Ausonius  hervor- 
gegangen ist.  Beide  haben  erst  nach  einem  weltlichen  Leben  das  Christen- 
tum voll  auf  sich  wirken  lassen,  Paulinus  schon  ziemlich  früh,  Pnidentius 
erst  in  späteren  Jahren.  So  sehr  auch  beide  den  christlichen  Geist  in 
ihren  Werken  erkennen  lassen,  so  ist  doch  ihre  Stellung  zum  Christentum 
eine  verschiedene.  Prudentius  ist  ein  spekulativer  Kopf;  sein  Inneres 
drängt  ihn  daher,  sich  in  die  Grundlehren  des  Christentums  zu  vertiefen. 
Paulinus  ist  eine  praktische  Natur  und  infolgedessen  fühlt  er  sich  zur 
praktischen  Bethätigung  des  Christentums  hingezogen,  er  ist  ein  Mann 
der  Askese.  Von  einem  Eingreifen  des  Prudentius  in  das  kirchliche  Leben 
hören  wir  nichts,  während  Paulinus  der  christlichen  Gemeinde  in  Nola  her- 
vorragende Dienste  geleistet  hat.  Die  Christianisierung  der  nationalen  Lit- 
teratur  wird  von  beiden  angestrebt;  Paulinus  entwirft  sogar  ein  Progranun 
für  die  christlichen  Dichter;  klar  und  unumwunden  spricht  er  sich  gegen 
die  weitere  Behandlung  der  verbrauchten  mythologischen  Stoffe  aus  und 
verweist  die  Dichter  auf  die  gi'ossen  Probleme,  welche  mit  den  Lehren 
des  Christentums  gegeben  sind,  mit  anderen  Worten,  er  verlangt  das  christ^ 


MeropioB  PontiaB  PanliniiB.    (§  884.)  249 

liebe  Lehrgedicht,  dessen  negative  Seite  die  Zurückweisung  des  Heiden- 
tumB  ist.  Dieses  Programm  ist  aber  von  Prudentius  in  genialer  Weise 
durchgeführt  worden;  er  hat  einerseits  Grunddogmen  des  Christentums  in 
ihrer  Reinheit  darzustellen  gesucht,  andererseits  den  nationalen  Kultus 
mit  allen  Waffen  der  Dialektik  niedergeworfen.  Bei  Paulinus  ist  das  christ- 
liche Lehrgedicht  nicht  vertreten ;  in  verlorenen  prosaischen  Schriften  hatte 
er  zwar  auch  theologische  Probleme  erörtert,  allein  die  Titel  „üeber  die 
Busse*  und  „Ueber  das  Lob  der  Märtyrer*  zeigen  genugsam,  dass  es  sich 
auch  hier  nicht  um  spekulatives,  sondern  um  praktisches  Christentum 
handelte.  Aber  nicht  bloss  das  wahre  christliche  Lehrgedicht  hat  Pru- 
dentius geschaffen,  sondern  noch  andere  neue  Bahnen  der  christlichen 
Dichtung  erschlossen:  er  hat  das  kirchliche  Lied  zum  Lesegedicht  um- 
gestaltet; er  hat  mit  seinen  Martyrergesängen  das  christliche  Epyllion, 
die  christliche  Legende  geschaffen;  er  hat  mit  kühnem  Geiste  ein  christ- 
liches allegorisches  Epos  gewagt.  Wenn  wir  damit  die  Leistungen  des 
Paulinus  vergleichen,  so  tritt  der  gallische  Dichter  dem  spanischen  gegen- 
über sehr  in  Schatten.  Gewiss  war  auch  er  bestrebt,  die  verschiedenen  Gat- 
tungen der  nationalen  Poesie  dem  christlichen  Geiste  dienstbar  zu  machen : 
er  hat  das  Epithalamium,  das  Propempticon,  die  Consolatio  zu  christlichen 
Litteraturgattungen  erhoben,  er  hat  mit  der  Versifizierung  der  Psalmen 
einen  sehr  glücklichen  Griff  gethan,  der  für  die  Entwicklung  der  christ- 
lichen Litteratur  von  Bedeutung  wurde;  allein  den  Leistungen  des  Pru- 
dentius gegenüber  wollen  diese  Versuche  doch  nicht  viel  besagen.  Nach 
einer  Seite  hin  verengert  sich  sogar  die  christliche  Poesie  bei  Paulinus; 
der  reiche  Eronenkranz  des  Prudentius  zieht  sich  zu  einem  Kranz  auf  den 
hl.  Felix  zusammen  und  vermindert  damit  das  Interesse  der  Leser.  Fassen 
wir  dagegen  die  formale  Seite  der  Dichtungen  beider  ins  Auge,  so  senkt 
sich  die  Wagschale  zu  Gunsten  des  Galliers.  Bei  Prudentius  wird  oft  die 
Klarheit  durch  den  Hang  des  Verfassers  getrübt,  überall  Symbole  und 
Typen  zu  finden;  Paulinus  dagegen  verirrt  sich  nur  selten  in  mystische  An- 
deutungen und  Spielereien.  Während  also  bei  Prudentius  die  Gedanken- 
welt oft  mit  dichtem  Nebel  überzogen  ist,  lagert  auf  den  Gedichten  des  Pau- 
linus überall  heller  Sonnenschein.  Die  Klarheit  der  Gedanken  wird  durch 
die  Leichtigkeit'  der  Darstellung  gehoben;  die  Schule  des  Ausonius  hatte 
bei  Paulinus  reiche  Früchte  getragen ;  die  Worte  fliessen  unserem  Dichter 
glatt  und  mühelos  dahin,  nur  verleitet  die  Formgewandtheit  mitunter  den 
Gallier,  seine  Gedanken  zu  verflachen  und  ins  Breite  verfiiessen  zu  lassen. 
Diese  elegante  Formgebung  des  Paulinus  ist  um  so  anerkennenswerter,  als 
sie  im  Gegensatz  zum  Prosastil  desselben  steht,  der  wegen  seiner  Gelehr- 
samkeit und  Gesuchtheit  die  Geduld  stark  herausfordert.  Allein  auch  die 
Kehrseite  ist  nicht  ausser  Acht  zu  lassen;  steht  der  Stil  des  Prudentius 
an  leichtem  Fluss  dem  des  Paulinus  nach,  so  entschädigt  auf  der  anderen 
Seite  die  Kühnheit  des  Ausdrucks  und  die  produktive  Kraft,  die  sich  in  der 
Handhabung  der  Sprache  zeigt.  Diese  produktive  Kraft  gewahren  wir  auch 
bei  Prudentius  in  der  metrischen  Composition;  der  Gallier  schreibt  gewiss 
einen  leicht  dahinfliessenden  Vers,  aber  Prudentius  ist  viel  reicher  in  seinen 
metrischen  Bildungen   und   versteht  besonders,   das  Metrum  in  Einklang 


250  Meropias  PoniiiiB  PanliniiB.    (§  884.) 

mit  dem  Stoffe  zu  setzen.  Von  der  Polymetrie  aber,  die  Paulinus  in  der 
Schule  des  Ausonius  sich  angeeignet,  hält  er  sich  fem.  Geschmacksver-  1 
irrungen,  wie  sie  sich  Prudentius  bei  der  Schilderung  der  Folterqualen  zu 
Schulden  kommen  liess,  geht  Paulinus  aus  dem  Weg,  und  man  wird  nicht 
leicht  etwas  geradezu  Anstössiges  und  den  Geschmack  Verletzendes  bei 
ihm  finden.  Durch  zwei  Thatsachen  erklärt  sich  der  Gegensatz,  in  den 
die  beiden  Männer  zu  einander  stehen:  Prudentius. ist  ein  Genie,  Paulinus 
ein  Talent;  Prudentius  ist  ein  Spanier,  Paulinus  ein  Gallier. 

Das  Fortleben  des  Prudentius  ist  ein  ungleich  reicheres  als  dag 
des  Paulinus;  doch  ward  auch  Paulinus  nicht  vergessen.  Der  Verzicht  des 
Nolaners  auf  sein  grosses  Vermögen  und  seine  glänzende  Stellung,  sein 
asketisches  Leben  hatten  so  tiefen  Eindruck  gemacht,  dass  auch  noch 
spätere  Schriftsteller  den  merkwürdigen  Fall  anführten.  Für  das  Leben  des 
hl.  Felix  wurde  natürlich  der  Liedercyclus  des  Paulinus  ein  Hauptfundori 
Gregor  von  Tours  und  Beda  berufen  sich  in  ihren  Geschichten  des  hl.  Felii 
ausdrücklich  auf  diese  Quelle.  ^  Gennadius  nahm  unseren  Paulinus  in  seinen 
Katalog  der  kirchlichen  Schriftsteller  auf.  Auch  die  Sage  hat  sich  seiner 
Person  bemächtigt;  wir  lesen  bei  Gregor  von  Tours  eine  anmutige  Er- 
zählung von  der  vandalischen  Gefangenschaft  des  Paulinus;')  diese  Er- 
zählung lässt  sich  mit  der  Geschichte  nicht  in  Einklang  bringen,  zeigt 
aber,  dass  der  Heilige  auch  im  Volke  fortlebte. 

Vorbilder.  Aus  der  classischen  Litteratur  treten  am  meisten  Aehnüchkeiten  mit 
Horaz  und  Vergil  hervor.  Bezüglich  des  Horaz  vgl.  A.  Zingerle»  Zu  spftteren  lat.  Dich- 
tem 2.  Heft  (Innsbruck  1879)  p.  56;  M.  Hertz,  Analecta  ad  carminum  Horat.  hist  5  (Ind. 
lect.  Bresl.  1882  p.  12).  Bezüglich  des  Vergil  vgl.  Zingerle  p.  60.  Weiterhin  bemerkt 
Zingerlc  (p.  67):  „ Bestimmtere  Anklänge  an  noch  andere  Dichter  treten  nicht  stark  hervor, 
und  es  ist  jedenfalls  zu  betonen,  dass  so  Paulins  Dichtungen  doch  nicht  den  Eindruck  eines 
Gemisches  der  verschiedensten  Reminiscenzen  machen,  wie  z.  B.  so  vielfach  die  seines 
Lehrers  Ausonius/ 

lieber  Sprache  und  Metrik  gibt  einige  feine  Beobachtungen  Zingerle  L  c.  p.  47; 
z.  B.  über  Adjectivbildungen  p.  56;   Beobachtung   über  den  Ausgang  des  Hexameter  p.  49,    1 
über  den  Pentameter  p.  69.    Eine  Eigentümlichkeit  des  Paulinus  sind  die  polymetrischen  Ge- 
dichte; merkwürdig  sind  ferner  die  aus  überschüssigen  Pentametern  bestehenden  Gedichte. 

Fortleben  des  Paulinus.  Prudentius  c.  Symmach.  1,  558  non  Patdinorum^  höh 
Bassorum  duhitavit  \  prompta  fides  dare  se  Christo  siirpemque  superbam  \  gentis  patrieiae 
venturo  attoUere  seclo.  Ueber  das  Verhältnis  des  Prudentius  und  PaulimiB  vgl.  Roesler, 
Der  kathol.  Dichter  Aurel.  Prudentius  Clemens,  Freib.  i.  Br.  1886,  p.  252;  vgl.  dagegen 
Buse  1  p.  183.  Eucherius  in  paraenetica  epist.  ad  Valerianum  (50  Sp.  718  (Migne)  PauUntu 
quoquej  Nolanus  eplscopuSy  pectdiare  et  beatum  GalUae  noslrae  ea:emplum,  ingenti  quonäam 
divitiarum  censu  uberrimo  eloquentiae  fönte;  ifa  in  sententiam  nostram  proposUumque  mi- 
grämt,  ut  etiam  cunctas  admodtim  mundi  partes  eloquio  operibusque  resperserit.  Salvian. 
de  gubernatione  dei  7,  3,  14  p.  159,  14  P.  =  Paulin.  epist.  32,  3  p.  278  H.;  vgl.  Wey- 
man,  Hist.  Jahrb.  15  (1894)  p.  372.  Apollin.  Sid.  epist.  4,  3  (p.  75  Mohr)  iam  si  ad  faero- 
sanctos  patres  pro  comparatione  reniattir  ....  ut  Eu^ebius  narrat  ut  Eucherius  soflicUat, 
ut  Paulinus  prorocat  ut  Ambrosius  perseverat.  Carm.  9,  302  (p.  304  Mohr)  sed  ne  tu  mihi 
comparare  tempfes,  \  quos  multo  minor  ipse  plus  adoro,  \  Paülinum  Ampeliumque  Sym- 
inachumque,  \  Messalam  ingenii  satis  profundi  \  et  nuUi  modo  Martium  seeundum;  zur 
Stelle  vgl.  auch  Manitius  p.  236.  Paulinus  Petricord.  de  vita  Martini  IIb.  2,  690  (Poet. 
Christ,  min.  ed.  Petschenig  1  (1888)  p.  61)  quin  et  Paiilino  similis  medicina  salutem 
reddidif,  insignis  fidei  quem  gloria  Jäte  '  extuUt ....  Gregor  von  Tours  in  gloria  c^nfes- 
sorum  108  (Monumenta  Germ.  hist.  Script,  rer.  Meroving.  tom.  1  p.  817  ed.  W.  Arndt  nnd 
B.  Krusch).  Ein  vollständiges  Exemplar  der  carmina  natalicia  hatte  Dungalus,  der  ans 
demselben  grössere  Stücke  in  sein  Ludwig  dem  Frommen  und  Lothar  gewidmetes  und  in 
einem  gleichaltrigen  Ambrosianus  B  102  s.  IX  erhaltenes  Werk  Dungali  reaponsa  adttrtu^ 


»)  Vgl.  Buse  1  p.  215.  |  »)  Vgl  Buse  2  p.  196. 


BttokbUck.    (§  885.)  251 

perrersas  Claudii  Taurinensis  sententias  aufgenommen  hat  (vgl.  Hartel  p.  48).    Bezüglich 
der  EjHsteln  vgl.  Hartel,  Ausg.  1  p.  XII. 

üeberliefernng.  Methodisch  ist  die  üeberlieferung  dargelegt  von  Hartel  in  den 
Prolegomena  seiner  Ausgabe,  üeber  die  Üeberlieferung  im  allgemeinen  spricht  sich 
Hartel  (1  p.  V)  also  aus:  «Integra  epistularum  carminumque  Paulmi  Nolani  collectio  num 
qaando  exsisterit  maxime  dubium  est.  hodie  certe  neque  ullus  codex  utriusque  generis  opera 
omnia  vel  pleraque  continet  et  qui  maiorem  epistularum  partem  complectantur  pauci  adsunt. 
epistulae  tamen  mox  post  Paulini  mortem  ab  amicis  collectae  fuisse  videntur,  dum  car- 
mioa,  si  quae  in  honorem  S.  Felicia  conscripta  sunt  exceperis,  partim  Ausonii  syllogis  partim 
dispersa  traduntur.** 

a)  Die  üeberlieferung  der  Briefe.  Wir  haben  zu  scheiden  zwischen  den  Hand- 
Schriften,  welche  eine  alte  Sammlung  der  Briefe  repräsentieren,  und  denen,  aus  welchen  ein- 
zelne Stücke  neu  hinzukommen.  Bezüglich  der  ersten  Quelle  fasst  Hartel,  Patristische 
Studien  V  (S.-A.  aus:  Sitzungsber.  der  Wien.  Akad.  der  Wissensch.  132  (1895)  p.  2)  das  Er- 
gebnis seiner  Untersuchungen  zusammen:  «Jene  alte  Sammlung  wird  uns  heute  durch  drei 
6rum>en  von  Handschriften:  1.  durch  0  =  Parisinus  2122  s.  X,  2.  F  =  Laurentianus  23,  20 
8.  XV,  P  =  Paris.  9548  s.  XV  und  U  =  Urbinas  45  s.XV,  3.  L  =  Lugdunensis  535  s.XII/XlIl 
und  M  =  Monacensis  26303  s.  XIII  repräsentiert,  welche  selbständig  neben  einander  stehen, 
wie  ihre  Lücken  und  Lesarten  zeigen.  Unter  diesen  Verhältnissen  können  weder  L  M,  ob- 
wohl diese  alle  Kennzeichen  einer  willkürb'chen  und  kühnen  Revision  an  sich  tragen,  noch 
die  jüngsten  FPU,  deren  Text  weniger  durch  absichtliches  Eingreifen,  aber  viel  durch 
Flüchtigkeit  der  Abschreiber  gelitten  hat  und  um  mehrere  Jahrhunderte  länger  gelegent- 
lichen Interpolationen  ausgesetzt  geblieben  war,  beiseite  geschoben  werden,  indem  bald 
die  eine,  bald  die  andere  Gruppe  die  Zeugnisse  des  Paris.  0  bestätigt  oder  dort,  wo  dieser 
lückenhaft  oder  verderbt  ist,  Richtiges  bietet.  Die  Güte  des  Parisinus  ist  dabei  aber  eine 
so  hervorstehende,  dass  man  seiner  Führung  ohne  die  zwingendsten  Gründe  nicht  miss- 
trauen darf.  An  zahlreichen  Stellen  bewahrt  er  allein  die  wahre  Lesart  oder  verderbte  Züge 
des  Archetypus  in  solcher  Ursprünglichkeit,  dass  daraus  sich  ebenso  leicht  die  richtigen 
Worte  finden,  wie  die  stärker  entstellten  der  anderen  Gruppen  erklären  lassen.*^  Der  Brief 
No.8  auch  bei  Goldbacher,  Augustini  epist.  pars  2  (Corpus  Script  eccles.  lat.  34  (1898)  p.  8). 

ß)  Die  Üeberlieferung  der  Gedichte.  Auch  bei  den  Gedichten  haben  wir  zwei 
Quellen  zu  unterscheiden;  die  eine  geht  auf  eine  alte  Sammlung  zurück,  welche  die  car- 
mina  natalicia  ad  S.  Felicem  umfasste;  dieser  Sammlung  stehen  die  zerstreuten  Gedichte 
gegenüber,  die  aus  den  verschiedensten  Quellen,  besonders  aus  der  Ausoniusüberlieferung, 
m  schöpfen  sind.  Was  die  erste  Quelle  anlangt,  fasst  Hartel,  Patristische  Studien  VI 
(S.-A.  aus:  Sitzungsber.  der  Wien.  Akad.  132  (1895)  p.  48)  seine  Ansicht  also  zusammen: 
.Die  Handschriften  treten  in  zwei  Gruppen  auseinander,  1.  eine  mit  reinem  Text;  zu  dieser 
gehören:  A  =  Ambrosianus  G.  74  s.  IX,  D  =  Monacensis  lat.  6412  s.  X,  Q  =  Parisinus 
13026  s.  IX,  von  welchen  A  D  sämtliche  uns  erhaltenen  Gedichte  vereinigen,  2)  eine  stark 
und  mannigfach  interpolierte,  welche  in  zwei  Klassen  zerfällt:  a)  B  =  Bruxellensis  10615 
—  10729  s.  Xn,  E  =  Bononiensis  2671  s.  XIV,  T  =  Urbinas  533  s.  XV,  b)  G  =  Petro- 
politanus  Q  XIIII  1  s.  VHI,  R  =  Palatinus  235  s.  IX.  Die  zweite  Gruppe  enthält  nur  einen 
TeiL*  Ueber  die  Handschriften  der  zweiten  Gruppe  vgl.  Hartel  1.  c.  p.  1.  Ueber  die 
Discrepanz  der  Handschriften  V  und  0  in  der  Ausoniusüberlieferung  vgl.  oben  p.  32.  — 
E.  Chatelain,  Notice  sur  les  manuscrits  des  po^sies  de  S.  Paulin  de  Nole,  suivie  d'ob- 
eervations  sur  le  texte,  Paris  1880. 

Ausg.  VgL  Hartel,  Ausg.  1  p.  XXII;  2  p.  XXXVII.  Editio  princeps,  Paris  1515. 
Von  den  älteren  Ausg.  erw^nen  wir  noch  folgende:  von  den  Jesuiten  Fronton  du  Duc 
und  H.  Rosweyd,  Antwerpen  1622;  nicht  vollendet  ist  die  von  Ghifflet  mit  quaest.  Pau- 
linianae,  Dijon  1662;  J.  B.  Le  Brun,  2  Bde.,  Paris  1685  (besonders  von  Ghifflet  abhängig, 
wenig  Eigenes).  Diese  Ausg.  Le  Bruns  ist  oft  wiederholt  worden,  auch  abgedruckt  bei 
Migne,  Patrol.  lat  tom.  61  (in  der  Muratorischen  Fassung).  Durch  neue  Funde  be- 
reichert wurde  die  Le  Brunsche  Ausg.  von  Muratori,  Verona  1736,  neu  aufgelegt.  Eine 
neue  Ausg.  hatte  Zechmeister  vorbereitet  (vgl.  Wien.  Stud.  1  (1879)  p.  98),  allein  da  er 
1880  starb,  führte  Hartel  (Corpus  Script,  eccles.  lat.  vol.  29  und  30,  Wien  1894)  seine 
Ausg.  zu  Ende. 

886.  Rttckblick.  Die  Formen,  welche  in  der  nationalen  Poesie  im 
Laufe  von  Jahrhunderten  sich  entwickelt  hatten,  lagen  den  christlichen 
Dichtem  vor;  es  galt  jetzt,  in  die  alten  Schläuche  neuen  Wein  zu  giessen, 
d.  h.  die  Formen  mit  neuem  Geiste  zu  erfüllen.  Die  christlichen  Dichter 
waren  sich  dieser  Mission  wohl  bewusst;  sie  tadelten  die  abgelebten  mytho- 


252  BftekbUok.    (§885.) 

logischen  Stoffe  der  Epen  und  meinten,  dass  die  Bibel  der  Poesie  lohnendes 
Material  genug  darbiete.  Allein  in  der  Ausführung  zeigten  sich  doch 
Schwierigkeiten;  wollte  der  Dichter  das  göttliche  Wort  unverändert  bei- 
behalten, so  wurde  er  zum  blossen  Versifikator,  fOr  die  Entfaltung  seiner 
Phantasie  blieb  dann  kein  Spielraum  übrig;  wollte  er  aber  mit  dem  g^ 
gebenen  Stoff  frei  schalten  und  walten,  so  konnte  ihm  mit  Recht  der 
Vorwurf  gemacht  werden,  dass  er  mit  dem  Bibelwort  ein  freventliches 
Spiel  treibe.  Aus  diesen  Schwierigkeiten  führte  kein  Ausweg;  die  einzige 
Rettung  war,  sich  anderen  als  biblischen  Stoffen  zuzuwenden.  Und  in  iet 
That  in  den  Martyrien  eröffnete  sich  eine  brauchbare  und  ergiebige  Quelle 
für  die  christliche  epische  Poesie.  Hier  war  der  Dichter  an  keine  Schranken 
gebunden,  sondern  konnte  seiner  Phantasie  freien  Lauf  lassen.  Das  Mar- 
tyrium lag  meistens  zeitlich  weit  zurück,  so  dass  sich  bereits  die  Sage 
um  dasselbe  emporranken  konnte.  Spannende  dramatische  Momente  und 
feine  psychologische  Züge  vermochte  der  Dichter  leicht  beizusteuern;  so 
bildete  sich  das  christliche  Epyllion  heraus,  dem  ein  reiches  Fortleben 
beschieden  war.  Das  Martyrergrab  führte  zu  dem  Epigramm,  in  den 
kurz  und  prägnant  die  Leidensgeschichte  erzählt  war.  Neben  der  Ma^ 
tyrerlegende  errang  sich  das  Lehrgedicht  in  der  christlichen  Litteratnr 
einen  hervorragenden  Platz;  als  die  Irrlehren  aufgekommen  waren,  lag  es 
nahe,  die  orthodoxen  Doktrinen  in  lehrhafter  Form  zur  Darstellung  zo 
bringen  und  so  für  die  Reinheit  des  Glaubens  in  die  Schranken  zu  treten. 
Der  Kampf  gegen  das  Heidentum  führte  leicht  zur  Satire  und  zur  In- 
vective.  Selbst  dia  Epistel  fand  bei  den  vielseitigen  Beziehungen,  in 
denen  die  christliche  Welt  zu  einander  stand,  Beachtung  und  Pflege.  Die 
veränderten  Anschauungen  über  die  Ehe  gaben  dem  Epithalamium  einen 
anderen  Inhalt,  und  für  die  Consolatio  lieferte  das  Christentum  wirk- 
samere Trostgründe  als  das  Heidentum.  Doch  den  Culminationspunkt  er- 
reichte die  christliche  Poesie  in  dem  Liede,  weil  hier  der  christliche  Geist 
sich  am  schönsten  entfalten  konnte.  Aus  dem  praktischen  Bedürfnis  heraus 
entwickelte  sich  das  Lied;  es  sollte  den  Gottesdienst  heben  und  verschö- 
nern; es  lebte  lediglich  in  dem  Gesänge,  musste  daher  in  einfachen  Formen 
gedichtet  werden.  Allein  an  Stelle  des  gesungenen  Liedes  trat  mit  der 
Zeit  das  für  die  Lektüre  bestimmte,  welches  die  höchsten  Anforderungen 
der  Kunst  zu  befriedigen  vermochte.  Die  tiefe  christliche  Gefühlswelt 
konnte  jetzt  nach  allen  Seiten  hin  ausstrahlen  und  auch  durch  typische 
Andeutungen  in  ein  geheimnisvolles  Dunkel  gehüllt  werden. 

In  der  metrischen  Gestaltung  schlössen  sich  die  christlichen  Dichter 
ebenfalls  an  die  nationalen  an;  allein  die  häufige  Verletzung  der  Prosodie 
lässt  doch  ahnen,  dass  bereits  eine  andere  sprachliche  Kraft  im  Anzug 
begriffen  ist.  Auch  in  dem  oft  nur  gelegentlich  auftretenden  Reim  lag 
ein  neues  Kunstmittel  vor,  das  einer  weiteren  Entwicklung  harrte. 

Allgemeine  Litteratur  über  die  christliche  Poesie.  Manitius,  Gesch.  der 
christl.-lat.  Poesie,  Stuttgart  1891;  A.  Poizat,  Les  poctes  chrötiens.  Scönes  de  la  vie  lit- 
teraire  du  IV»^  au  VII«  siöcle,  Lyon  1902. 

Ueber  die  Prosodie  vgl.  F.  Ramorino,  La  pronunzia  popolare  dei  versi  qaanti- 
tativi  Latini  nei  bassi  tompi  ed  origine  della  verseggiatura  ritmica  (Memorie  della  Reale 
Accademia  delle  Science  di  Torino.    Serie  2,  tom.  43  (1893)  p.  169). 


Die  ooUeotio  Avellana.  (§  886.)    Hilarins  von  Poitiera.  (§  887.)  253 

b)  Die  Prosa. 

886.  Die  collectio  Avellana.  Der  Litterarhistoriker  kann  keinen 
Abriss  der  Kirchengeschichte  in  seine  Darstellung  aufnehmen.  Dagegen 
darf  er  nicht  eine  wichtige  Quellensammlung  übergehen,  welche  mit  Akten- 
stQcken  beginnt,  die  unserer  Periode  angehören.  Wir  haben  die  collectio 
Avellana  im  Auge.  Sie  ist  eine  Sammlung  von  Briefen,  Edikten  u.  a. 
römischer  Kaiser,  römischer  und  byzantinischer  Magistrate,  römischer 
Päpste  und  anderer  kirchlicher  Behörden,  welche  von  367—553  reichen. 
Der  Name  «Avellana''  wurde  der  Sammlung  von  den  Brüdern  Ballerini 
(1757)  beigelegt,  weil  sie  in  der  Handschrift  des  umbrischen  Klosters 
S.  Crucis  in  fönte  Avellana  (Vaticanus  4961)  die  älteste  und  massgebende 
Ueberlieferung  erblickten.  Jetzt  da  man  erkannt  hat,  dass  alle  unsere 
Handschriften  der  Sammlung  auf  den  Vaticanus  3787  s.  XI  zurückgehen, 
sollte  man  die  Sammlung  eigentlich  „Collectio  Vaticana'*  nennen,  allein 
die  Bezeichnung  « Avellana"  hat  sich  so  eingebürgert,  dass  es  thöricht 
wäre,  dieselbe  durch  eine  neue  zu  ersetzen.  Ueber  Entstehung  und  Zweck 
der  Sammlung  glauben  wir  am  besten  zu  belehren,  wenn  wir  die  Worte 
des  verdienten  Herausgebers M  uns  zu  eigen  machen,  die  also  lauten:  „Die 
Avellana  ist  keine  Sammlung,  die,  wie  etwa  die  Decretalensammlung  des 
Dionysius  Exiguus,  zu  Nutz  und  Frommen  der  Allgemeinheit  abgefasst 
und  zur  Veröffentlichung  und  Vervielfältigung  bestimmt  war,  wenigstens 
nicht  in  der  Form,  wie  sie  uns  vorliegt.  Die  Avellana  ist  vielmehr  nichts 
als  eine  Materialsammlung,  die  wir  dem  Sammeleifer  eines  Gelehrten  ver- 
danken, der  um  die  Zeit  des  Vigilius  in  Rom  lebte,  dort  die  Register  des 
päpstlichen  Archivs  benutzte  und  aus  diesen  und  anderen  Quellen  die 
Sammlung  zusammenschrieb,  die  uns  heute  vorliegt.^  Da  der  Sammler 
vorzugsweise  auf  noch  unbekannte  Dokumente  sein  Augenmerk  richtete, 
kommt  es,  dass  uns  mehr  als  200  Aktenstücke  nur  durch  diese  Sammlung 
dberliefert  sind.') 

Litteratnr.  Maassen,  Sitzongsber.  der  philol.-hist  Classe  der  Wiener  Akad.  der 
Wiasensch.  85  (1877)  p.  239;  Gesch.  der  Qaellen  des  canon.  Rechts  l  (1870)  p.  787;  Ewald, 
Sybels  histor.  Zeitschr.  N.  F.  4  (1878)  p.  154;  Zeitschr.  der  SavignyStiftuDg  5  (1884)  Ger- 
man.  AbteUong  p.  238;  Wilhelm  Mever,  Epistolae  imperatorum  rom.  ex  coli.  can.  Avell. 
editae  (Ind.  lect  G^ttingen  1888;  1888/89);  H.  Bresslau,  Die  (yommentarii  der  röm.  Kaiser 
und  die  Registerbücher  der  Päpste  (Zeitschr.  der  Sayigny-Stiftong  6  (1885)  Roman.  Ab- 
teflnng  p.  242);  0.  Günther,  Beitr.  zur  Chronologie  der  Briefe  des  Papstes  Hormisda 
(Satsongsber.  der  phil.-hist  Classe  der  Wiener  Akad.  der  Wissensch.  126  (1892)  Abb.  11); 
Ballerini,  Append.  ad  8.  Leonis  opera  p.  CLVIII;  Amelli,  Spicilegiom  Casinense  1  (1888) 

L XXXIV  (Die  Avellanasammlung  ein  Werk  des  Dionysius  Exigaus);  0.  Günther,  Avel- 
a-Stndien  (Sitzongsber.  der  phil.-hist.  Classe  der  Wiener  Akad.  der  Wissensch.  134  (1896) 
Abh.  5). 

Massgebende  Ausg.  von  0.  Günther,  Corpus  Script,  eccles.  lat.  35  (Wien  1895/98). 

1.  Hilarius  von  Poitiers. 

887.  Biographisches.  Hilarius  entstammte  einer  vornehmen  heid- 
nischen Familie  in  Pictavi  (Poitiers),  einer  Stadt  Aquitaniens.  Er  erhielt 
die  volle  heidnische  Bildung  der  Zeit;   allein  er  fand  hier  nicht,   was  er 

^)  Günther,  Avellana-Studien  p.  66.  No.  244,  die  nur  zufällig  mit  der  Sammlung 

')  Ueber   den    anfertigen  Zustand    der      yereinigt  wurde,  vgl.  denselben  p.  68. 
Sammlung  vgl.  Günther  1.  c.  p.  67.    Ueber  i 


254  HilarioB  von  Poitiera.    (§  887.) 

suchte,  nämlich  Aufschluss  über  die  wichtigen  Fragen  unseres  Seins;  da- 
gegen beantwortete  ihm  die  heilige  Schrift  die  Fragen,  die  sein  Inneres 
bewegten.  Er  trat  daher  zum  Christentum  über  und  that  sich  in  der 
christlichen  Gemeinde  seiner  Heimat  so  hervor,  dass  er  zum  Bischof  er- 
wählt wurde.  Auch  als  Bischof  fand  er  ein  reiches  Feld  für  seine  amt- 
liche Thätigkeit.  Der  Kampf  zwischen  Arianismus  und  nicaenischem  Glau- 
bensbekenntnis war  wie  in  anderen  Ländern,  so  auch  in  Gallien  seit  der 
Absetzung  des  Athanasius  auf  der  Synode  zu  Mailand  (355)  aufs  heftigste 
entbrannt.  Der  Metropolit  von  Arles,  Saturninus,  war  Arianer  und  that 
alles,  um  Gallien  dem  Arianismus  zu  unterwerfen.  Da  griflf  Hilarius  mit 
Energie  in  den  Streit  ein ;  es  gelang  ihm,  die  orthodoxen  Bischöfe  von  der 
Kirchengemeinschaft  mit  den  Arianern  loszulösen.  Es  erfolgte  ein  Gegen- 
schlag von  Saturninus,  indem  derselbe  eine  Synode  in  Biterrae  (Beziers)  im 
J.  356  veranstaltete.  Unter  der  Leitung  des  Saturninus  nahm  die  Synode 
eine  scharfe  Stellung  gegen  Hilarius  ein,  verdächtigte  seine  politische  Gesin- 
nung beim  Hofe  und  erlangte  dadurch  seine  Verbannung.  Als  Verbannungs- 
ort  wurde  ihm  Asien  angewiesen.  Dort  scheint  er  sich  meistens  in  Phry- 
gien  aufgehalten  zu  haben.  Dieses  Exil  war  für  den  Bischof  eine  Zeit 
reicher  Ernte;  er  lernte  die  Verhältnisse  der  orientalischen  Kirche  kennen, 
gewann  einen  tiefen  Einblick  in  die  griechische  Dialektik,  wie  sie  sich 
in  dem  Glaubensstreit  entwickelt  hatte,  und  versenkte  sich  noch  mehr  in 
die  griechische,  christliche  Litteratur.  Eine  Frucht  dieser  mannigfaltigen 
Anregungen  ist  das  Hauptwerk  seines  Lebens,  die  Schrift  über  die  Trinität 
In  die  Zeit  des  Exils  fiel  die  Doppelsynode  zu  Seleucia  und  Rimini,  welche 
im  Jahre  359  abgehalten  wurde.  Hilarius  nahm  an  der  Synode  zu  Seleucia 
teil,  ein  Beweis,  welchen  Einfluss  der  occidentalische  Bischof  auch  auf  die 
Orientalen  gewonnen  hatte.  Ein  weiterer  Beweis  dafür  ist,  dass  Hilarius 
sich  der  Deputation  der  Synode  von  Seleucia,  welche  nach  Constantinopel 
ging,  um  dem  Kaiser  Bericht  über  die  Verhandlungen  zu  erstatten,  an- 
schloss.  Auch  in  der  Hauptstadt  entfaltete  Hilarius  eine  ungemein  viel- 
seitige Thätigkeit  zum  Schutz  der  Orthodoxie.  Er  sammelte  die  Mate- 
rialien zu  einer  historischen  Darstellung  des  Glaubensstreites  und  erbat 
sich  sogar  eine  Audienz  bei  dem  Kaiser  Constantius,  um  denselben  von 
der  Richtigkeit  des  nicaenischen  Symbols  zu  überzeugen.  Aber  auch  die 
Gegner  blieben  nicht  unthätig;  ihre  Verdächtigungen  des  Hilarius  be- 
wirkten, dass  derselbe  in  seine  Heimat  zurückverwiesen  wurde.  Im  Jahre 
360  trat  Hilarius  die  Heimreise  über  Italien  nach  Gallien  an.  Bald  nach 
seiner  Ankunft  in  der  Heimat  holte  er  zum  letzten  Schlage  gegen  seinen 
alten  Gegner  Saturninus  und  damit  gegen  den  Arianismus  in  Gallien  aus: 
durch  Provinzialsynoden  wurden  die  Geister  vorbereitet.  Die  Frucht  war 
reif.  Im  Jahre  361  wurde  die  Absetzung  des  Saturninus  auf  dem  General- 
konzil von  Paris  durchgesetzt.  So  war  denn  fast  ganz  Gallien  wieder  dem 
orthodoxen  Glauben  gewonnen.  Nicht  zufrieden  mit  diesem  Erfolg  richtete 
der  streitbare  Bischof  jetzt  seine  Augen  nach  Italien,  wo  noch  der  ari- 
anische  Bischof  Auxentius  von  Mailand  seines  Amtes  waltete.  Auch  diesen 
Kampf  führte  Hilarius  in  so  unversöhnlicher  Weise,  dass  nochmals  der 
weltliche   Arm    eingreifen    musste.     Der   Kaiser   Valentinian    befahl   dem 


Hilarias  von  Poitiers.    (§  888.)  255 

Hilarius,   in  seine  Diözese   zurückzukehren.    Hier   waren   ihm   nur   noch 
wenige  Jahre  seines  Lebens  vergönnt;  er  starb  im  Jahre  366. 

Die  Biographie  des  Vonaiitius  Fortanatus.  Es  ist  uns  eine  schwülstig  ge- 
schriebene vita  des  Hilarius  durch  den  Dichter  Venantius  Fortunatus,  der  im  6.  Jahrhundert 
lebte,  erhalten.  Diese  vita  ist  in  der  Regel  in  zwei  Bücher  geteilt,  allein  mit  Unrecht; 
denn  es  sind  zwei  verschiedene  Schriften.  Das  zweite  Buch  stellt  uns  ein  Schriftchen  dar, 
in  dem  die  Wunderthaten,  die  am  Grabe  des  Heiligen  erfolgten,  beschrieben  werden;  das 
erste  ist  dagegen  eine  vita.  Das  Wunderbüchlein  ist  allem  Anschein  nach  zuerst  ge- 
schrieben. Beide  Schriftchen  dem  Venantius  Fortunatus  abzusprechen,  besteht  durchaus  kein 
Grand;  vgl.  Reinkens,  Hilarius  von  Poitiers  p.  XVI  und  Krusch  in  seiner  Ausgabe  p.  I. 

Andere  biographische  Zeugnisse.  Von  den  biographischen  Arbeiten  über  Hi- 
larius handelt  Reinkens  1.  c.  in  dem  Abschnitt:  „Quellen  und  Litteratur**  p.  XIII;  besonders 
hervorzuheben  ist  die  im  Jahre  1698  von  dem  Mauriner  Peter  Coustant  aus  den  Schriften 
des  Hilarius  und  den  antiken  Quellen  zusammengestellte  vita.  (Vgl.  Migne  9  Sp.  126.) 
Ueber  die  Heimat  des  Hilarius  vgl.  Hieronymus'  Zeugnis  im  folgenden  Paragraph,  lieber 
seine  Taufe  vgl.  de  synodis  §  91  (10  Sp.  545  M.)  regeneraius  pridenty  et  in  episcopatu 
aliquantisper  manena,  fidem  Nicaenam  numquam  nisi  exsulatunis  atidivL  Ueber  die  Sy- 
node von  Biterrae  und  sein  Exil  vgl.  contra  Gonstant.  §  2  (Sp.  579  M.)  postea  per  fac- 
tionem  earum  pseudaapostolorum  ad  BUerrensem  aynodum  compulstis,  cognitionem  demon- 
9trandae  huius  haereaeos  ohttdi;  vgl.  auch  ad  Gonstant.  2,  2—3  (Sp.  564  ^L);  de  synodis  §  2 
(Sp.  481  M.);  contra  Auxentium  7  (Sp.  613  M.).  Ueber  seine  Verbannung  nach  Phrygien 
▼^.  Hieronymus;  s.  auch  z.  J.  2372  =  355  n.  Ghr.  (2  p.  195  Seh.).  Ueber  die  Abfassung 
der  Bücher  de  trinitate  im  Exil  vgl.  unten  §  897.  Ueoer  seine  Teilnahme  am  Gonzil  zu 
Seleucia  vgl.  Sulpidus  Severus  Ghron.  2,  42,  1  intetHm  in  Oriente  exemplo  Occidentalium 
impenUor  iubet  cunctoa  fere  epiacopoa  apud  Seleuciam  laauriae  oppldum  congregari,  qua 
tempesiate  Hilarius,  quartum  iam  exilii  annum  in  Phrygia  agens,  inter  reliquos  epiacopoa, 
per  piearium  ac  praesidem  data  evectionia  copia,  adeaae  compellitur  ....  ia  uhi  Seleuciam 
V€nU,  magno  cum  favore  exceptua  omnium  in  ae  animoa  et  atudia  converterat.  Ueber  seine 
Teilnahme  an  der  zum  Kaiser  nach  Gonstantinopel  abgeordneten  Gesandtschaft  der  Synode 
▼on  Seleucia  vgl.  Sulpicius  Severus  Ghron.  2,  45,  3  aderat  ihi  (in  Gonstantinopel)  tum  Hi- 
larius, a  Seleucia  legatoa  aecutua.  Ueber  die  Entstehung  eines  historischen  Werks  in  Gon- 
stantinopel vgl.  unten  §  896.  Ueber  die  nachgesuchte  Audienz  bei  dem  Kaiser  vgl.  unten 
§  892.  Ueber  die  Verweisung  nach  Gallien  vgl.  Sulpicius  Severus  Ghron.  2,  45,  4  poatremo 
(Hilarius)  quasi  diacordiae  aeminarium  et  perturbator  Orientia  redire  ad  Galliaa  iubetur 
absque  ^eilii  indulgentia.  Ueber  seine  Reise  durch  Italien  vgl.  Sulpicius  Severus  vita  Mar- 
tini 6,  5.  Ueber  das  Jahr  der  Heimkehr  vgl.  Hieronym.  z.  J.  2375  =  358  n.  Ghr.  (2  p.  195 
Seh.);  Migne  9  Sp.  163.  Ueber  die  Absetzung  des  Satuminus  vgl.  Sulpicius  Severus  Öhron. 
2,  45,  6.  lieber  den  Streit  mit  Auxentius  vgl.  unten  §  895.  Ueber  seinen  Tod  vgl.  Sul- 
pidus Severus  Ghron.  2,  45,  9  Hilariua  aexto  anno,  poaiquam  redierat,  in  patria  obiit ;  über 
abweichende  Ansichten  vgl.  die  Benediktiner  bei  Migne  9  Sp.  177  und  Reinkens  p.  320. 
Hieronym.  z.  J.  2384  ==  367  n.  Ghr.  (2  p.  197  Seh.). 

Litteratnr.  Viehhauser,  Hilarius  Pictaviensis  geschildert  in  seinem  Kampfe  gegen 
den  Arianismus,  Klagenfurt  1860  (beurteilt  von  Reinkens  1.  c.  p.  XXXII);  Rein  kons, 
Hilarius  von  Poitiers,  Sehaffhausen  1864;  vgl.  dazu  Wagenmann,  Gott.  gel.  Anz.  1865 
p.  1641;  Dormagen,  St.  Hilaire  de  Poitiers  et  rArianisme  (Thdse),  Paris  1864;  V.  Hansen, 
vie  de  St.  Hilaire,  ^vdque  de  Poitiers  et  docteur  de  T^glise,  Luxemburg  1875;  J.  G.  Gaze- 
nove,  St  Hilary  of  Poitiers  and  St.  Martin  of  Tours,  London  1883;  P.  Barbier,  Vie  de 
St  Hilaire,  ^v^ue  de  Poitiers,  docteur  et  p^re  de  l'öglise,  Tours  1887;  Ebert,  Allgem. 
Creach.  der  Litt,  des  Mittelalters  1^  (Leipz.  1889)  p.  134;  R.  P.  Largent,  Saint  Hilaire, 
Paris  1902. 

888.  üebersicht  der  Schriftstellerei  des  Hilarius.  Hieronymus  hat 
uns  ein,  wie  es  scheint,  nahezu  vollständiges  Verzeichnis  von  den  Schriften 
des  Hilarius  überliefert.  Wenn  wir  dieselben  überblicken,  so  ergibt 
sich,  dass  sie  sich  auf  drei  Gebieten  bewegten.  Wir  finden  exegetische 
Schriften;  von  diesen  sind  erhalten  der  Gommentar  zum  Matthaeus-Evan- 
gelinm  und  der  Traktat  über  die  Psalmen.  Nicht  mehr  erhalten  sind  die 
von  Hieronymus  erwähnten  Traktate  über  Job.  Ob  Hilarius  auch  einen 
Gommentar  über  das  hohe  Lied  verfasst,  lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit 
feststellen.  Zu  diesen  exegetischen  Werken  ist  im  Jahre  1887  der  bei 
Hieronymus  genannte  liber  mysteriorum  gekommen,  den  Qamurrini  aus 


256  Hilarias  von  Poitiera.    (§  889.) 

einem  Codex  von  Arezzo  s.  XI  veröffentlichte.  Der  Schwerpunkt 
terarischen  Wirksamkeit  liegt  jedoch  in  den  Schriften,  welche  er  i 
mischer  Absicht,  besonders  zur  Bekämpfung  der  arianischen  Häres 
fasst  hat.  Von  diesen  sind  uns  erhalten:  zwei  Denkschriften  an  den 
Gonstantius,  ein  gegen  den  Kaiser  gerichtetes  Pamphlet,  und  dai 
schreiben  über  die  Synoden.  Da  Lucifer  von  Calaris  gegen  die  in 
Sendschreiben  entwickelten  milden  Grundsatze  Widerspruch  erho 
teidigte  sie  Hilarius  in  einer  Apologie,  welche  Hieronymus  nicht  ei 
von  der  sich  aber  Bruchstücke  zu  uns  herübergerettet  haben.  Fer 
hört  hierher  die  Schrift  gegen  Auxentius,  einen  arianischen  Bis< 
Mailand.  Auch  eine  Schrift  gegen  die  arianischen  Bischöfe  Vale 
Ursacius  erwähnt  Hieronymus;  von  diesem  Werk  sind  uns  noch 
mente  erhalten.  Nicht  bloss  in  Flugschriften,  auch  in  einem  sys 
sehen  Werk  sucht  er  den  Arianismus  zu  widerlegen.  Es  geschi 
in  den  zwölf  Büchern  de  trinitate.  Auch  der  Reaktionsversuch  d< 
sers  Julian  fand  in  Hilarius  einen  litterarischen  Gegner;  das  zu 
Zweck  geschriebene  Schriftchen  gegen  Dioskorus  ist  leider  verlorei 
dritte  Gebiet,  auf  dem  Hilarius  thätig  war,  sind  die  Hymnen;  er 
erste  Hymnendichter  von  Bedeutung.  Leider  sind  nur  drei  Hymnei 
seinem  Namen  überliefert  und  selbst  diese  in  lückenhafter  und  v< 
melter  Gestalt.  Da  wir  die  Hymnenpoesie  des  Hilarius  bereits  bes] 
haben  (§  861),  sind  nur  die  den  zwei  anderen  Gebieten  zufallenden  S( 
einer  genauen  Betrachtung  zu  unterwerfen. 

Zeugnis  des  Hieronymus  über  die  Schriftstellerei  des  Hilarius. 
111.  c.  100  Hilarius,  urhis  Pictaviorum  Aquitanicae  episcopus,  f actione  Saturnini  Ä\ 
episcopi,  de  synodo  Bitcrrensi  Phnjgiam  relegatusy  duodecim  Adversum  Arianos 
libros  et  alitim  lihrum  De  synodis^  quem  ad  GalUarum  episcopo8  seripsitf  et  In 
commentarioSf  primum  videlicet  et  secundum  et  a  quinquagesimo  primo  usque  < 
yesimum  secundum  et  a  centesimo  octavo  decimo  usque  ad  extremum,  in  quo  oj 
fatus  Origenem  nonnidla  etiam  de  suo  addidii  (vgl.  epist.  61,  2;  1  Sp.  346  Vall.). 
et  Ad  Constantium  lihellus,  quem  virenti  ConstantinopoUm  porrexerat,  et  aUus 
ütantium  quem  post  mortem  eius  scripsit^  et  Über  Adversus  Valentem  et  Ursaciu 
riam  Ariminensis  et  Seleuciensis  synodi  contifiens,  et  Ad  praefectum  Sallustium  ^ii 
Dioscorum,  et  Über  hymnorum  et  mysteriorum  aliiis,  et  Commentarii  in  Matthaeumy 
tat  US  in  Job,  quos  de  graeco  On'genis  ad  sensum  transtulif,  et  alius  elegans  libellut 
Auxentium,  et  nonnuUae  ad  diver sos  epist ulae.  Aiunt  quidam  scripsisse  eum  In  ( 
Canticorumy  sed  a  nobis  hoc  opus  ignoratur.  Mortuus  est  Fictaris  Vdlentiniano  ei 
regnantibus.  Einige  Inkorrektheiten  dieses  Berichtes  werden  bei  den  einzelnen  • 
rektifizieii  werden.  Vgl.  übrigens  Sychowski,  Hieronymus  als  Litterarhistoriker  ( 
geschichtl.  Stud.  2.  Bd.  2.  Heft  (Münster  1894)  p.  181). 

tt)  Exegetische  Schriften. 

889.  Gommentar  zu  Matthaeus.  Durch  das  Studium  der  hl. 
wurde  Hilarius  für  das  Christentum  gewonnen,  und  der  hl.  Schri 
sein  erster  schriftstellerischer  Versuch;  es  ist  dies  der  Commen 
Matthaeus.  Dass  dieses  Werk  das  früheste  von  allen  Werken  des  1 
ist,  geht  daraus  hervor,  dass  in  demselben  nicht  ein  einziger  Hinw 
die  arianischen  Streitigkeiten  sich  findet;  man  sieht  deutlich,  da 
Verfasser  noch  unberührt  von  jenen  Kämpfen  geblieben  ist;  währ 
in  dem  späteren  Commentar  zu  den  Psalmen  die  Schriftstellen  geg 
Arianismus   ausnutzt,   thut   er  dies  in  dem   vorliegenden  Werk   ni< 


Hilarias  von  Poitiers.    (§  889.)  257 

;  einziges  Mal.^)  Der  Commentar  erstreckt  sich  zwar  auf  das  ganze  Mat- 
.ttiaeus-Evangelium,  allein  er  ist  nicht  eine  fortlaufende  Erklärung  der 
^einzelnen  Worte,*)  die  Erklärung  folgt  vielmehr  30  Titeln,  welche  in  den 
! Handschriften  dem  Werk  vorausgeschickt  sind.')  Es  scheint,  dass  schon 
nr  Zeit  des  Hilarius  zu  den  Evangelien  Sammlungen  von  Titeln  exi- 
stierten, und  dass  Hilarius  eine  solche  Titelsammlung  für  seinen  Com- 
mentar zu  Grunde  legte.  Nur  daraus  ist  zu  erklären,  dass  manche  Titel 
mit  den  Ausführungen  nicht  völlig  harmonieren.^)  Es  ist  möglich  und 
flogar  wahrscheinlich,  dass  Hilarius  auch  in  seinen  Predigten  das  Matthaeus- 
'Svangelium  in  ähnlicher  Weise  erklärte.  Aber  das  vorliegende  Werk  ist 
%eine  Homiliensammlung,  sondern  eine  wissenschaftliche  Leistung.  Es 
nennt  sich  selbst  „liber'^)  und  verweist  seine  Leser  bei  einer  Materie 
auf  TertuUian  und  Gyprian.^) 

In  dem  Commentar  befolgt  Hilarius  die  allegorische  Erklärungs- 
methode,  wie  sie  durch  die  alexandrinische  Exegetenschule  für  die  hl.  Schrift 
■begründet  worden  war.  Das  Wesen  dieser  Erklärungsweise  besteht  darin, 
dass  neben  dem  einfachen,  leicht  zugänglichen  Wortsinn  noch  ein  höherer 
versteckter  sogenannt  typischer  aufgedeckt  werden  soll.  Dieser  verborgene 
fiinn,  welcher  charakteristisch  «coelestis  significantia'^  7)  heisst,  dient  be- 
sonders dazu,  uns  die  Zukunft  zu  enthüllen.  Wenn  dieser  höhere  Sinn 
auch  nicht  klar  ausgesprochen  ist,  so  liegt  er  nach  der  Ansicht  des  Hi- 
larius doch  in  den  Worten  und  wird  keineswegs  willkürlich  hinein- 
gelegt. Wir  geben  zum  Zweck  der  Anschaulichkeit  einige  Beispiele. 
Der  Herr  wählt  seine  Jünger  aus  dem  Stand  der  Fischer;  sofort  ist  der 
Brklärer  bei  der  Hand,  diesen  Vorgang  als  einen  bedeutungsvollen  aus- 
sndeuten  und  einen  Hinweis  auf  den  zukünftigen  Beruf  der  Apostel  zu  er- 
blicken, welche  bestimmt  wurden,  die  Menschen  aus  dem  irdischen  Leben 
mm  Lichte  der  himmlischen  Wohnung  hinaufzuziehen,  wie  sie  bisher  ge- 
wohnt waren,  die  Fische  aus  der  Tiefe  des  Meeres  an  die  Oberfläche  zu 
liehen.^)  Darin,  dass  der  Herr  sich  zuerst  vier  Jünger  auserkor,  erblickt 
er  eine  Hindeutung  auf  die  vier  Evangelisten.^)  Auch  die  Thatsache,  dass 
die  Jünger  das  Ihrige  im  Stich  Hessen  und  dem  Herrn  nachfolgten,  schliesst 
wiederum  einen  typischen  Sinn  in  sich;  wir  werden  dadurch  ermahnt, 
nicht  an  dem  irdischen  Leben  zu  haften,  sondern  unseren  Blick  auf  Christus 
zn  richten.  ^<^)  Wenn  Christus  seinen  Jüngern  befiehlt,  mit  ihm  das  Schiff 
zn  besteigen,  so  ist  das  unserem  Erklärer  eine  Aufforderung  an  die  Men- 
schen, in  die  Kirche  Gottes  einzutreten;   wie  das  Schiff  von  den  Stürmen, 

^)  Vgl.  besonders  die  Stellen:  c.  2,  6  und  i  tnonuimus. 

c  16,  6,  wo  er  Gelegenheit  gehabt  hätte,  die  |  ')  c.  5,  1  de  orationis  autem  sacramento 

Göttlichkeit  Christi  zu  betonen.  I  necessitate  noa  commentandi  Cyprianus  etc. 

*)  Vgl.  Benediktinerausgabe  T.  1  (1749)  |  '')  c.  5,  13.    Andere  Ausdrücke  sind  in- 

^  511:  «Qnamqnain  enim  in  totum  Matthaei  i  terior  significantia  c.  7,  8;  tj/pica  significantia 

Avangeliiim  ezcurrit,  non  singula  tarnen  illius  i  c.  7,  9. 
▼erba,  sed  selectos  dumtazat  ex  singulis  capi-  ^)  Vgl.  c.  3,  6. 

tilms  titaloB  enarrai."  i  ^)  Es  geschieht  dies  mit   den   charak- 

')  Ueber  diese  Titel  vgl.  die  eingehende  teristischen  Worten  c.  3,  6 :   praeter  rerum 

JErOitenmg  1.  c.  der  Benedüctinerausg.  i  fidenty  quia  et  ita  gestum  est,  futurorum  Emn- 

*)  Vgl.  c.  15  und  c.  18.  gelistarum  numerus  praefiguratur. 

»)  c.  19, 11  in  pHmardio  libri  . . . .  ad-  \  ><>)  Vgl.  c.  3,  6. 

Hsodbncli  dtr  Um«,  AltertumiwiMenschaft.    vm,  4.  17 


258  HUariiiB  von  Poitien.    (§  890.) 

so  wird  auch  die  Kirche  von  den  AngrifiFen  der  Welt  und  der  unreinen 
Geister  beunruhigt.  ^  In  dieser  Weise  wird  das  ganze  Evangelium  des  ^ 
Matthaeus  durchgenommen.  Ueberall  sieht  der  Verfasser  Typisches  und  . 
Allegorisches  und  entdeckt  überall  in  den  schlichten  Worten  tiefe  Lehren.  ' 
Man  erkennt,  eine  solche  Erklärung  erfordert  eine  reiche  Phantasie,  welche  | 
Aehnlichkeiten  herausfindet,  wo  der  Scharfsinn  nichts  als  eine  einfache 
Handlung  entdeckt.  Der  Schriftsteller  wird  in  dieser  Weise  nicht  inter-  j 
pretiert,  sondern  eher  verdunkelt.  Diese  allegorische  Erklärungsweise  ist. 
im  Grund  genommen,  nichts  als  ein  mehr  oder  weniger  geistreiches  Spiel. 
Wie  bereits  oben  bemerkt,  fand  Hilarius  diese  typische  Interpretations- 
weise der  hl.  Schrift  bereits  in  der  Kirche  vor.  Es  ist  also  kein  neuer 
Weg,  den  er  uns  in  diesem  Buche  zeigt,  aber  im  einzelnen  scheint  er 
selbständig  vorgegangen  zu  sein.  Die  Meinung,  er  habe  den  Commentar 
des  Origenes  zum  Matthaeus  bearbeitet,  ist  eine  völlig  irrige,  wie  eine 
Vergleichung  der  beiden  Arbeiten  darthun  kann.  Als  Nachahmer  des 
Origenes  erscheint  Hilarius  nach  dem  Zeugnis  des  Hieronymus')  in  dem 
Psalmencommentar  und  in  dem  Buch  über  Job. 

Die  fehlende  Einleitung.  Die  Schrift  beginnt  ohne  jede  Einleitung  und  Vor- 
wort. Doch  scheint  früher  eine  solche  vorhanden  gewesen  zu  sein;  denn  Cassianus,  der 
zu  Anfang  des  5.  Jahrhunderts  lehte,  citiert  de  incamatione  7,  25  ein  Prooemion  unseres 
Werks  und  eine  Stelle  daraus.  Auch  weist  unser  Commentar  c.  2,  1  auf  einen  voraus- 
gegangenen Defekt;  vgl.  Benediktinerausgabe  T.  1  (1749)  p.  511. 

Zur  Charakteristik  des  Werks,  c.  2,  2  meminerimus  gestorum  veritaUm  non 
idcirco  corrumpi,  si  gerendis  rebus  interioris  intelligetUiae  ratio  subiecta  sit.  c.  7,  8  non  not 
inteUigentiam  fingimuSf  sed  gesta  ipsa  inteUigentiam  nohis  impertiuntur,  Neque  enim  rei^ 
intelligentiae,  sed  rei  intelligentia  aübsecundat.  c.  19,  4  admonuimus  ea,  quae  sub  Deo  agt- 
bantur,  praesentinm  effectibus  consequentium  formam  praetulisse:  aique  ita  semper  in  .Spri/>- 
turis  coelestibus  sermonem  omnem  temperatum  fuisse,  ut  non  minus  his  quae  gerebantur. 
quam  eorum  quae  gerenda  essent  similitudini  conveniref.  c.  21,  13  mentinisse  nos  oportet, 
rationi  rerum  praesentium  aliquid  interdum  ea  conditione  deesse,  ut  fuiurorum  speeies  sine 
damno  aliquo  praefigurafae  efficientiae  expleatur, 

Ausg.  von  Migne  9  Sp.  917. 

8{K).  Tractatus  super  Psalmos.  Als  Hilarius  aus  der  Verbannung 
zurückgekehrt  war  und  die  arianischen  Kämpfe  durchgefochten  waren, 
schrieb  er  einen  zweiten  Commentar,  eine  Erklärung  der  Psalmen.  Ueber- 
liefert  sind  uns  die  Erläuterungen  zu  den  Psalmen  1,  2,  9,  13,  14,  51—69. 
91,  118—150.  Dem  Werk  geht  eine  Einleitung  voraus.  Es  ist  jedoch 
nicht  zweifelhaft,  dass  der  Commentar  ursprünglich  sämtliche  Psalmen 
umfasste.  Nirgends,  weder  in  der  Einleitung  noch  am  Schluss  (150),  spricht 
er  von  einer  Auswahl.  Im  Gegenteil,  er  spricht  so  wie  einer,  der  ein 
vollständiges  Werk  geliefert.  Auch  finden  sich  in  den  vorhandenen  Teilen 
Hinweise  auf  die  verlorenen.  Eine  dürftige  Kunde  von  einer  vollständigen 
Handschrift  des  Psalmencommentars  hat  sich  übrigens  noch  erhalten.  Die 
von  dem  Benediktiner  Martine  aufgefundenen  und  der  Migneschen  Aus- 
gabe angehängten  Commentare  zu  den  Psalmen  15,  31  und  41  sind  aber 
allem  Ansehein  nach  unecht.  Da  Hilarius  des  Hebräischen  nicht  kundig 
war,  konnte  er  nicht  das  Original  für  seinen  Commentar  zu  Grund  legen, 
sondern  musste  zu  einer  Uebersetzung  greifen;  massgebend  war  für  ihn 
die  Uebersetzung   der  Septuaginta.     Daneben  benutzte  er  auch  den  latei- 

M  c.  7,  9. 

'^)  epist.  75  adv.  Vigüantium  und  Initium  Apologiae  adv.  Rufinum. 


HUarias  von  Poitiers.    (§  890.)  259 

nischen  Text.^)  Wie  der  Eingang  der  Schrift  bekundet,  hat  er  sich  in 
den  verschiedenen  Psalmencommentaren  fleissig  umgesehen;^)  besonders 
Origenes  konnte  ihm  Vorbild  sein.  Allein  Hilarius  wahrte  sich  doch  seine 
volle  Selbständigkeit.  Das  Werk  beginnt  mit  einer  allgemeinen  Ein- 
leitung; in  derselben  verwirft  er  zuerst  die  Einteilung  der  Psalmen  in 
fOnf  Bücher,  er  nimmt  nur  ein  einziges  Buch  an,  welches  „liber  Psalmorum" 
zu  nennen  sei.  Dann  geht  er  zur  Verfasserfrage  über  und  entscheidet 
sich  für  mehrere  Autoren.  Dieselben  können  aber  für  die  einzelnen  Psalmen 
dadurch  bestimmt  werden,  dass  der  in  einem  Psalm  genannte  Verfasser 
auch  für  die  folgenden  anonymen  Psalmen  anzunehmen  ist,  bis  ein  neuer 
Verfassemame  erscheint.  Es  folgt  die  Darlegung  des  Prinzips  für  die 
Psalmenerklärung,  das  darin  besteht,  dass  alles,  was  in  den  Psalmen  ge- 
sagt ist,  im  Zusammenhang  mit  dem  Evangelium  zu  erfassen  sei.  Als- 
dann betrachtet  er  die  Anordnung  der  Psalmen,  die  ihm  eine  ideale,  von 
den  70  hergestellte  ist.  Hier  stossen  wir  nun  auf  eine  wunderliche  Zahlen- 
mystik. Er  geht  über  zur  Darlegung  der  Bedeutung,  welche  die  Ueber- 
schriften  der  Psalmen  haben  und  schliesst  mit  dem  Qedanken,  dass  jeder 
Psakn  seines  eigenen  Schlüssels  zum  Verständnisse  bedürfe. 

Zeit  des  CommentarB.  67,  15  plures  etiam  in  corpus  atque  ex  se  protenaum  per- 
manantemque  patrem  loquantur,  ut  adsumptio  illa  carnis  ex  virgine  filii  nomen  acceperity 
non  qui  antea  erat  dei  -filius,  idem  hominis  filius  sit  natus  in  corpore,  et  quiäem  omnia 
haec  ad  speciem  humanae  prudentiae  coaptantur,  postquam  rationem  caelestis  sapientiae 
non  coiiprehenderunt ;  quihus,  ut  spero,  aJiis  locis  uherius  copiosiusque  respon- 
9 um  est.  Die  letzten  Worte  enthalten  einen  Hinweis  auf  die  Bücher  ,de  trinitate*;  da 
diese  in  den  Jahren  356—359  geschrieben  sind,  fällt  der  Commentar  nach  dieser  Zeit. 

Die  Unvollstftndigkeit  des  jetzigen  Psalmencommentars  erhellt  erstens 
daranSy  dass  auf  Psalmen  hingewiesen  wird,  welche  sich  nicht  in  unserer  Sammlung  finden. 
So  wird  in  142,  2  anf  3  Rücksicht  genommen,  in  69,  1  auf  37;  in  59,  2  auf  44;  in  149,  2  auf 
95  und  97;  in  150,  1  auf  50  und  100;  zweitens  daraus,  dass  auf  behandelte  Materien  hinge- 
deutet wird,  welche  in  unserem  Commentar  gar  nicht  oder  nicht  dem  Hinweise  entsprechend 
vorkommen;  dies  geschieht  52,  18;  54,  2;  57,  4;  60,  4;  62,  7;  drittens  daraus,  dass  Hilarius 
in  der  Einleitung  (17)  yerspricht,  er  wolle  die  Aufschriften  aller  Psalmen  erörtern:  ad  con- 
pendium  studiosae  intellegentiae  in  brevem  sermunculum  virtutem  superscriptionum  omni  um 
coartamus;  Ygl.  noch  den  Schluss  von  §  23  und  24  des  Prologs.  Auch  aus  dem  Anfang  der 
Schluflserklärung  merkt  man,  dass  alle  Psalmen  behandelt  waren. 

Zur  Charakteristik  des  Werks.  Instr.  Ps.  5  non  est  rero  amhigendum^  ea,  quae 
in  psalmis  dicta  sunt,  secundum  evangelicam  praedicationem  intellegi  oportere,  ut  ex  qua- 
cumque  licet  persona  prophetiae  spiritus  sit  locutus,  tamen  totum  illud  ad  cognitionem  ad- 
ventus  domini  nostri  Jesu  Christi  et  corporationis  et  passionis  et  regni,   et   resurrectionis 

nostrae  gloriam  virtutemque  referatur sunt  universa  allegoricis  et  typicis  contexta  vlr- 

tutibus:  per  quae  omnia  unigeniti  dei  filii  in  corpore  et  gignendi  et  patiendi  et  moriendi  et 
resurgendi  et  in  aeternum  cum  conglorificatis  sihi,  qui  in  eum  crediderint,  regnandi  et 
eeteros  iudicandi  sacramenta  panduntur.  Ebenda  6  ipse  (David)  haec  Septem  quaedam  signa- 
cufa,  quae  de  corporalitate  eius  et  passione  et  morte  et  resurrectione  et  gloria  et  regno  et 
iudieio  David  de  eo  in  psalmis  prophetat,  absolvit.  Ebenda  24  est  autem  diligens  perpen- 
sumque  iudicium  expositioni  psalmi  uniuscuiusque  praestandum,  ut  cognoscatur,  qua  unus- 
quisque  eorum  clave  inteUegentiae  aperiendus  sit. 

üeber  die  Ueberlieferung  vgl.  p.  274. 

Ausg.  von  Migne  9  Sp.  231;  von  A.  Zingerle  im  Corpus  Script,  eccles.  lat.  22. 

Litteratur.    A.  Zingerle,  Die  lat.  Bibelcitate  bei  S.  Hilarius  von  Poitiers   (Kl. 

Ehilol.  Abb.  4  (Innsbruck  1887)  p.  75) ;  Kleine  Beitr.  zu  griech.-lat.  Worterklärungen  aus  dem 
ilariam'schen  Psalmencommentar  (Comment.  Woelfflinianae,  Leipz.  1891,  p.  215);  Rationem 


*)  Instructio  Psalmorum  2  in  plurimis  \  *)  Instr.  Ps.  1  diversas  esse  plurimorum 


latinis  et  graeeis  codicibus  sine  horum  no- 
minibus  simpUces  tantum  psalmorum  tituli 
praeferantur. 


in  psalmorum  lihro  opiniones,  ex  libris  ij)8is, 
quos  scriptos  reliquerunt,  compertum  habenius. 


17 


260  HilarinB  von  Poitiers.    (§  891.) 

afferendi  locos  litteraram  divinarum,  quam  in  tractaübus  super  pealmos  sequi  yidetor  S.  Ui- 
larius,  illustravit  Fr.  Schellauf,  Graz  1898. 

891.  De  mysteriis.  Aus  Hieronymus  wusste  man,  dass  Hilarius  einen 
über  mysteriorum  geschrieben  habe.  Solange  man  über  dieses  Werk  nur 
das  Zeugnis  dieses  Schriftstellers  hatte,  war  man  in  Bezug  afif  den  In- 
halt nur  auf  Vermutungen  angewiesen.  Die  Benediktiner^)  erblickten  in 
dem  Werk  eine  Darlegung  der  Liturgie  und  der  hl.  Riten.*)  Dieser  Ver- 
mutung wurde  ein  Ende  gemacht  durch  eine  Entdeckung  Gamurrinis; 
dieser  fand  in  einer  Handschrift  zu  Arezzo  sowohl  den  von  Hieronymus 
erwähnten  über  mysteriorum  als  den  über  hymnorum,  freiüch  in  sehr  ver- 
stümmeltem Zustande.  Aus  den  Fragmenten  erkannte  man,  dass  Hilarius 
in  dem  Werk  de  mysteriis  die  Vorbilder  des  alten  Testaments  für  das  neue 
behandelt.  Es  liegt  also  kein  liturgisches  Werk  vor,  sondern  ein  Werk  der 
allegorischen  Exegese.  Dass  derselben  aber  Hilarius  ganz  besonders 
zugethan  war,  wissen  wir  aus  seinen  Commentaren  zu  Matthaeus  und  zu 
dem  Psalter  zur  Genüge.  Die  gegen  die  Echtheit  vorgetragenen  Bedenken^) 
sind  nicht  stichhaltig;  besonders  ist  dem  umstände,  dass  Hieronymus  von 
einem  über  mysteriorum  spricht,  während  wir  in  der  Handschrift  zwei 
Bücher  haben,  nicht  der  geringste  Wert  beizumessen,^)  da  seine  Nach- 
lässigkeit in  litterarischen  Angaben  hinreichend  bekannt  ist. 

Der  Bestand  des  Werks.  Die  Subscriptio  lautet:  FinU  traetatuM  myateriornm 
S.  Hilarii  episcopi  ab  Adam  usque  ad  Noe,  deinde  Abraae,  Isaae,  Jacob,  Moysis  et  (hit 
prophetae  et  Heliae.  Von  dem  '!^ktat  fehlt  der  Anfang.  Im  Innern  finden  sich  zwei  be- 
trächtliche Lttcken;  p.  12  notiert  Gamurrini  einen  Ansffdl  von  20 Seiten;  die  zweite  grössere 
Lücke  findet  sich  kurz  vor  dem  Schluss.    Das  zweite  Buch  beginnt  mit  De  Osee  (p.  22«. 

Zur  Methode,  p.  26  admonuimus  frequenter  eam  lectioni  divinarum  acripturarum 
m  entern  adhiheri  oportere,  quae  soUlcito  examine  et  iudicio  non  inani  passet  discernere, 
quando  rerum  gestarum  commemoratio  vel  simpliciter  esset  intelligenda  vel  tjfpice;  er  findet 
es  nicht  entsprechend,  si  out  simpHciuni  cognitio  inani  praefigurationum  assertione  cor- 
rumperetiiTy  aut  virtus  praefigurationum  sub  simplicium  opinione  ignoraretur^  doch  fügt  er 
bei:  quamquam  Ha  se  divinae  scriptnrae  sermo  haheat^  ut  nihil  illic  inane,  nihilque  extm 
causam  alicuius  necessitatiSy  nihil  non  sub  discrimine  consectandae  a  nobis  intelligtntiae 
ediium  reperiatur. 

Zur  Charakteristik  des  Werks,  p.  3  omne  opus,  quod  sacris  roluminihus^ 
continetur,  adventum  domini  nostri  Jesu  Christi,  qui  missus  a  patre,  a  palre  ex  rirgine 
per  spiritum  homo  natus  est,  et  dictis  nuntiat  et  factis  exprimit  et  confirmat  exemplis: 
namque  hie  per  omne  constituti  huius  saeculi  tempus,  reris  atque  absolutis  praefigurationibus, 
in  patriarchis  ecdesiam  aut  generat  aut  abluit  aut  sanctificat  aut  eiicit  aut  diseemit  aut 
redimit.  Somno  Adae,  Noe  diluvio,  benedictione  Melchisedech,  Äbrähae  tustificatione,  ortu 
Isahac,  Jacob  Servitute;  per  omne  denique  tempus  universa  prophetia,  sacramenti  molitio, 
Cognition!  adsumendae  ab  eo  carnis  indülta  est.  Et  quia  hoc  libeUo  üisum  est  ostendert 
omnem  in  singulis  quibusque  et  viris  et  temporibus  et  rebus  adventus  sui,  et  praedicationii, 
et  passioniSj  et  resurrectionis,  et  nostrae  congregationis,  tamquam  imaginem  in  speeuio prae- 
ferrl;  non  trascursim  memorabo  aliqua,  sed  suis  quibusque  temporibus  universa  traetabo 
ab  Adam,  ex  quo  humani  (ge)neris  scientia  permittitur,  inehoaturus:  ut,  quod  in  Domino 
(con)summatum  est,  iam  ab  initio  mundi  in  plurimis  rebus  praefiguratum  esse  nascatur. 

*)  Vgl.  die  vita  der  Benediktinerausgabe  [  Trinität  behandelten,  vielleicht  war  auch  die 

§  111  (T.  1  (1749)  p.  XCV).  ,  Sammlung  mit  einer  liturgischen  Einleitung 

'-)  Ebert  (Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  i  versehen,   wie  man   auch   das   mysteriorum 

Mittelalters   1'^   (Leipz.  1889)   p.  142  Anm.)  i  erklärt  hat.'* 

fasst  den  liber  mysteriorum  als  ein  einziges  !           ')  Ebert  p.  142.    Allerdings  wäre  eine 

Buch:  „Höchst  wahrscheinlich  versteht  aber  ,  Prüfung  des  Traktats  in  Bezug  auf  Sprache 

Hieronymus    unter    diesem    Titel    nur    eine  ]  und  Methode   auf  Grund  einer  Vergleichung 

Sammlung   von    Hymnen,    deren   Charakter  mit  den  echten  Schriften   des  Hilarius  sehr 

und  Inhalt  durch  das  mysteriorum  angezeigt  '  erwünscht, 

wird,   indem  sie   wohl   die  Geheimnisse  der  |           *)  Was  Ebert  1.  c.  thut. 


Hilarias  von  Poitiers.    (§  892.)  261 

Die  UeberlieferuDg.  Der  Codex,  aus  dem  Gamurrini  drei  Inedita  publizierte, 
befindet  sich  auf  der  Bibliothek  der  Fratemitas  S.  Mariae  zu  Arezzo.  Derselbe  ist  in 
langobardischer  Schrift  geschrieben  und  zwar  auf  Befehl  des  Abtes  Desiderius  (des  späteren 
Papstes  Victor  III.);  vgl.  Dreves,  Zeitschr.  für  kathol.  Theol.  12  (1888)  p.  859  (einen  Irrtum 
Gamnrrinis  berichtigend);  sonach  ist  die  Handschrift  in  die  Mitte  des  11.  Jahrhunderts 
zu  setzen.  Später  finden  wir  sie  in  der  Abtei  der  hl.  Flora  und  Lucilla  zu  Arezzo.  Bei  Auf- 
hebung der  Abtei  kam  sie  dann  in  die  Bibliothek  der  IVatemitas  S.  Mariae.  —  C.  Köhler, 
Note  snr  un  manuscrit  de  la  bibliothdque  d'Are2zo  (Bibliotheque  de  T^cole  des  Chartes, 
ann^e  1884,  p.  141);  F.  Cabrol,  Le  manuscrit  d' Arezzo.  Berits  inödits  de  Saint-Hilaire, 
et  P^lerinage  d'une  dame  gauloise  du  IV®  sidcle  aux  lieux  saints,  Paris  1888  (Extr.  de  la 
Revue  du  monde  catholique). 

Ausg.  Publiziert  wurden  die  aufgefundenen  Stücke  des  Hilaiius  von  J.  F.  Gamur- 
rini, S.  Hilarii  Tractatus  de  Mysteriis  et  Hymni  et  S.  Silviae  Aquitanae  peregrinatio  ad 
loca  sancta;  accedit  Petri  Diaconi  liber  de  locis  sanctis,  Rom  1887  (Biblioteca  dell'  Acca- 
demia  storico-giuridica,  volume  quarto).  Vgl.  noch  Gamurrini,  I  misteri  e  gl*  inni  di 
S.  Ilario  vescovo  di  Poitiers  ed  una  peregrinazione  ai  luoghi  santi  nel  IV.  secolo,  scoperti 
in  nn  antichissimo  codice  (Studi  e  documenti  di  storia  e  diritto,  anno  1884,  p.  81);  Della 
inedita  peregrinazione  ai  luoghi  santi  nel  IV.  secolo  (ebenda,  anno  1885,  p.  145). 

Tractatus  in  Job  war  nach  Hieronymus  nur  eine  lateinische  Bearbeitung  des  Ori- 
genes;  von  ihm  sind  nur  zwei  Fragmente  erhalten  (Migne  Bd.  10  Sp.  723). 

Verlorene  Commentare  zu  neutestamentlichen  Briefen.  Augustin.  contra 
dnas  epist  Pelagianorum  (verfasst  420)  4,  4,  7  nam  et  sie  sanctus  Hilarius  intellexit,  quod 
scriptum  est^  in  quo  omnes  peccaverunt;  ait  enim:  In  quo,  id  est  in  Adam,  omnes  pecca- 
verunt.  Deinde  addidit:  Manifestum  in  Adam  omnes  peccasse,  quasi  in  massa,  Ipse  enim 
per  peccatum  corruptus,  omnes  quos  genuit,  nati  sunt  sub  peccato.  Haec  scribens  sancfus 
Hilarius  sine  anibiguitate  commonuit,  quomodo  intelligendum  esset,  in  quo  otnnes  peccaverunt. 
Diese  Worte  deuten  auf  einen  Commentar  zum  Rj)merbrief ;  denn  sie  beziehen  sich  auf  c.  5 
Vs.  12  desselben.  Dass  hier  an  keinen  anderen  Hilarius  als  an  den  von  Poitiers  zu  denken 
ist,  scheint  schon  der  Beisatz  sanctus  anzudeuten.  Allein  da  sich  die  entscheidenden  Worte 
auch  in  dem  sog.  Ambrosiaster  finden,  ist  vielmehr  zu  folgern,  dass  Augustin  den  Am- 
brosiaster unter  dem  Namen  des  Hilarius  vor  sich  hatte.  Die  Stelle  scheidet  daher  aus, 
and  es  bleiben  nur  noch  folgende  Andeutungen  übrig.  Es  führen  nämlich  auch  Biblio- 
thekskataloge auf  verlorene  Commentare  des  Hilarius  zu  neutestamentlichen  Briefen;  ein 
Commentar  des  Hilarius  zum  Römerbriefe  stand  in  einem  Catalog  des  E^losters  Bobbio 
(Muratori,  Antiquitates  3  p.  818).  In  einer  jetzt  im  Vatican  befindlichen  Handschrift  von 
Monte  Casino  (A.  Mai,  Nova  Patrum  BibUotheca  1  p.  472)  verzeichnet  ein  Catalog  einen 
Commentar  von  Hilarius  in  epistolas  Septem  catholicas.  Das  zweite  Concil  von  Hispalis 
erwähnt  eine  expositio  epistolae  ad  Timotheum,  Vgl.  Pitra,  Spicilegium  Solesmense  1 
p.  XXVI. 

Ob  Hilarius  einen  Commentar  zum  hohen  Lied  geschrieben,  wie  Hieronymus 
hOrte,  lässt  sich  nicht  mehr  entscheiden. 

ß)  Polemische  Schriften. 

892.  Die  Denkschriften  an  Constantius.  Der  Kaiser  Gonstantius 
stand  auf  Seite  der  Arianer  und  reichte  daher  den  arianischen  Bischöfen 
den  weitliehen  Arm.  Die  Lage  der  orthodoxen  Katholiken  war  infolge- 
dessen eine  sehr  gedrückte.  In  Gallien  und  in  anderen  Provinzen  waren 
zahlreiche  Kleriker  in  die  Verbannung  geschickt  worden.  Die  Arianer  in 
Gallien  hatten  ihre  Gegner  auch  politisch  zu  verdächtigen  gesucht,  um 
den  Kaiser  gegen  sie  aufzuhetzen.  In  dieser  schweren  Notlage  richtete 
der  Bischof  Hilarius  im  Jahre;  355  eine  Bittschrift  an  den  Kaiser,  welche 
leider  nicht  ganz  unversehrt  erhalten  ist.  Besonders  am  Schluss  scheint 
manches  ausgefallen  zu  sein.  In  dieser  Denkschrift  tritt  der  Bischof  von 
Poitiere  mutig  für  die  verbannten  Kleriker  ein  und  bittet  um  ihre  Zurück- 
berufung; er  schildert  das  Treiben  der  Arianer,  deren  Lehre  eine  neue 
sei,  und  weist  (c.  3)  die  gegen  die  Rechtgläubigen  ausgestreuten  politi- 
schen Verdächtigungen  energisch  zurück;  er  redet  der  Gewissensfreiheit 


262  HilariM  von  Poitiers.    (§  893,) 

das  Wort  und  verwirft  die  Einmischung  der  weltlichen  Behörde  in  kirch- 
liche Angelegenheiten. 

Eine  zweite  Gelegenheit,  sich  mit  einer  Denkschrift  an  Constantius 
zu  wenden,  ergab  sich  für  Hilarius  in  der  Zeit  seiner  Verbannung.  Als 
Exilierter  hatte  er,  der  einzige  occidentalische  Bischof,  der  Synode  von 
Seleucia  im  Jahre  359  beigewohnt.  Nach  Schluss  derselben  wurde  eioe 
Deputation  an  den  kaiserlichen  Hof  in  Gonstantinopel  abgeschickt,  um 
über  die  Verhandlungen  Bericht  zu  erstatten;  dieser  Deputation  schloss 
sich  auch  Hilarius  an.  In  Gonstantinopel  angekommen,  erkannte  Hilariüs 
bald,  dass  die  Arianer  das  Ohr  des  Kaisers  hatten;  auch  sein  heftiger 
Gegner,  der  Metropolit  Saturninus  von  Arles,  dem  er  sein  Exil  ver- 
dankte, befand  sich  in  der  Hauptstadt.  Angesichts  dieser  fär  die  Ortho- 
doxie höchst  bedenklichen  Situation  fasste  der  verbannte  Bischof  den 
kühnen  Entschluss,  schriftlich  um  eine  Audienz  bei  dem  Kaiser  nachzu- 
suchen. Diese  Denkschrift  ist  uns  glücklicherweise  erhalten  und  legt 
rühmendes  Zeugnis  ab  nicht  bloss  von  der  Glaubensstärke  ihres  Verfassers, 
sondern  auch  von  der  diplomatischen  Gewandtheit.  Er  kommt  zuerst  auf 
seine  persönlichen  Angelegenheiten,  erwähnt  sein  Exil  als  eine  unverdiente 
Strafe,  er  streift  seine  Gegner,  die  nicht  bloss  ihm,  sondern  auch  Julian 
Böses  zugefügt  hätten,  er  gedenkt  auch  seines  erbittertsten  Feindes,  des 
Saturninus,  und  wünscht,  denselben  vor  dem  Kaiser  seiner  schlimmen 
Thaten  zu  überführen.  Nach  diesen  persönlichen  Angelegenheiten  geht 
er  zum  eigentlichen  Zweck  der  erbetenen  Audienz  über,  den  Kaiser  an 
der  Hand  der  hl.  Schrift  von  der  Richtigkeit  seines  Glaubensbekenntnisses 
zu  überzeugen;  er  legt  in  kurzen  Zügen  den  Kern  desselben  dar,  betont, 
dass  es  in  dem  einfachen  schlichten  Verständnis  der  Schriftworte  seinen 
festen  Grund  habe,  und  tadelt  die  von  Tag  zu  Tag  auftretenden,  schrift- 
lich fixierten  Glaubensbekenntnisse.  Mit  einer  flehentlichen  Bitte  an  den 
Kaiser  und  mit  der  Vorführung  der  wesentlichsten  Punkte  seines  Glaubens 
scbliesst  das  Gesuch. 

In  der  Ueberlieferung  werden  die  beiden  Denkschriften  an  Constan- 
tius  willkürlich  zu  zwei  Büchern  vereinigt,  indem  das  der  Zeit  nach  frühere 
als  erstes,  das  spätere  als  zweites  Buch  gezählt  wird. 

Die  erste  Denkschrift  fällt  in  das  Jahr  355;  denn  c.  8  wird  die  Verbannung  des 
Eusebius  als  ein  recens  Faktum  bezeichnet. 

Die  Zeit  der  zweiten  Denkschrift  ergibt  sich  ebenfalls  aus  c.  8,  wo  es  heisst: 
sed  unum  hoc  ego  per  hanc  dignationis  tuae  sinceram  audientiam  rogo,  ut  praesente  synodo, 
guae  nunc  de  fide  litigat,  pauca  me  de  Scripturis  evangelicis  digneris  audire.  Es  ist  damit 
die  Synode,  welche  im  Januar  360  in  Gonstantinopel  tagte,  gemeint. 

Ausg.  von  Migne  10  Sp.  557. 

893.  Das  Pamphlet  gegen  Gonstantius.    Von  einer  Qewährung  der 

von  Hilarius  erbetenen  Audienz  bei  dem  Kaiser  vernehmen  wir  nichts; 
es  ist  kein  Zweifel,  dass  sie  nicht  gewährt  wurde.  Infolgedessen  wurde 
das  Gemüt  des  Aquitaners  ungemein  verbittert.  Ende  359  oder  Anfang  360 
griff  er  wieder  zur  Feder,  um  sich  in  einem  leidenschaftlichen  Schreiben 
an  die  Fratres  zu  wenden.  Er  fordert  auf  zum  Kampfe,  denn  die  Zeit 
des  Schweigens  sei  vorüber  und  die  Zeit  des  Redens  gekommen.  Er  sei 
immer,  soweit  es  nur  die  Sache  zuliess,  in  dem  grossen  Streite  versöhn- 
lich  gewesen,   allein  er  spreche  jetzt,    um   für  die  Sache  Christi  Zeugnis 


von  Poitien.    (§  894.)  263 

abzulegen.  In  seiner  Glaubensfreudigkeit  wünscht  er  in  der  Zeit  des  Nero 
oder  Decius  gelebt  zu  haben,  um  des  Martyriums  teilhaftig  zu  werden. 
Den  früheren  Ghristenverfolgungen  stellt  er  in  scharfer  Antithese  die 
schlaue,  aber  nicht  minder  gefährliche  Verfolgung  des  Constantius  gegen- 
über. Die  Darstellung  erhebt  sich  jetzt  zu  einer  Apostrophe  an  den  Kaiser 
selbst,  dem  ein  langes,  fast  ermüdendes  Sündenregister  vorgehalten  wird. 
Alsdann  erscheint  der  Kaiser  als  ein  Wolf  im  Schafspelze;  es  wird  seine 
Gewaltthätigkeit  gegen  Athanasius,  Paulinus,  Liberius  und  ihre  Kirchen 
scharf  gerügt.  Es  folgt  die  interessante  Geschichte  der  Erlebnisse  unseres 
Bischofs  auf  der  Synode  von  Seleucia;  endlich  wird  der  Gegenstand  des 
Streites  berührt.  Es  galt,  den  Kaiser  aus  der  hl.  Schrift  zu  widerlegen ; 
da  auch  die  Arianer  sich  auf  Schriftstellen  stützten,  wird  hervorgehoben, 
dass  alles  vom  richtigen  Verständnis  der  hl.  Schrift  abhänge.  An  die 
dogmatische  Erörterung  schliessen  sich  wieder  Angriffe  gegen  Constantius 
an.  Die  fort  und  fort  wechselnden  Glaubensbekenntnisse  bieten  dem  Ver- 
fasser besonders  reichlichen  Stoff  dar;  nochmals  wird  dem  Kaiser  sein 
Sündenregister  gelesen.  Mit  einer  eindrucksvollen  Aufforderung,  in  sich 
zu  gehen,  schliesst  die  leidenschaftliche  Schrift. 

Hieronymus  berichtet,  dass  diese  Broschüre  nach  dem  Tode  des  Con- 
stantius (5.  Oktober  361)  geschrieben  worden  sei.  Wenn  diese  Ansicht 
auch  nach  den  in  der  Schrift  enthaltenen  Zeitindicien  unrichtig  ist,  so 
scheint  derselben  doch  die  Thatsache  zu  Grunde  zu  liegen,  dass  das 
Produkt  zwar  zu  Lebzeiten  des  Constantius  geschrieben,  aber  erst  nach 
seinem  Tode  veröffentlicht  wurde.  Da  Hilarius  bald  nach  Abfassung  der 
Schrift  in  seine  Heimat  zurückkehren  durfte,  konnte  das  Ziel  derselben 
auch  in  anderer  Weise  erreicht  werden. 

Die  Broschüre  besteht  aus  27  Kapiteln.  Von  fremder  Hand  wurden 
ihr  noch  6  Kapitel  hinzugefügt,  welche  sich,  genau  besehen,  als  ein  Auszug 
aus  dem  Werk  des  Hilarius  de  trinitate  darstellen. 

Abfassungszeit.  Die  Schrift  wurde  geschrieben  nach  der  Synode  von  Selencia 
und  zwar  im  Winter,  als  occidentalische  Bischöfe  in  einer  Stadt  festgehalten  wurden  (c.  7). 
Dies  geschah  in  Rimini,  Dezember  359,  also  ist  die  Schrift  Ende  359  oder  Anfang  360  ge- 
schrieben. Damit  steht  im  Einklang,  dass  seit  der  Verbannung  der  Bischöfe  Paulinus,  Eu- 
sebius,  Lucifer,  Dionysius  das  f&nfte  Jahr  angetreten  ist:  c.  2  post  sanctorum  virorum  exsiUa 
Paulini,  Etisebii,  Luciferi,  Dionysii,  quinto  abhinc  anno,  a  Saturnini  et  Ursacii  et  Valentts 
communione  me  cum  Gallicanis  episcapis  separavi. 

Der  Ort,  an  dem  die  Broschüre  geschrieben  wiurde,  bestimmt  sich  dadurch,  dass 
Hilarius  noch  im  Exil  verweilt  (c.  2).  Also  schrieb  er  sie  während  seines  Aufenthaltes  in 
Constantinopel. 

Ausg.  von  Migne  10  Sp.  577. 

894.  De  synodis.  In  manchen  Handschriften  wird  ein  Sendschreiben 
des  Hilarius  über  die  Synoden  dem  Werk  de  trinitate  als  13.  Buch  hinzu- 
gefügt. Es  ist  dies  zwar  mit  Unrecht  geschehen,  denn  unsere  Schrift 
steht  unabhängig  von  dem  genannten  Werke  da,  allein  in  dieser  Hinzu- 
fügung liegt  doch  der  richtige  Gedanke,  dass  die  Schrift  eine  Ergänzung 
zu  jenem  Hauptwerk  des  Hilarius  bildet,  da  hier  das  Geschichtliche 
in  der  Streitfrage  über  die  Person  Christi  in  den  Vordergrund  tritt.  Die 
Veranlassung  der  Schrift  war  folgende:  Gallische  Bischöfe  hatten  gegen 
Ende  des  Jahres  358  ^)  in  Sachen  des  Glaubensstreites  an  den  verbannten 

^j  Reinkens,  Hilarius  p.  174  Anm. 


264  Hilarius  Ton  Poitieni.    (§  895.) 

Hilarius  geschrieben  und  ihn  gebeten,  sie  über  die  Glaubensbekenntnisse 
der  Orientalen  näher  zu  unterrichten.  Dieser  Aufforderung  kam  Uilariiis  ^ 
mit  Freuden  nach;  es  handelte  sich  ja  angesichts  der  vom  Kaiser  aus-  j 
geschriebenen  Doppelsynode,  welche  für  die  Orientalen  in  Seleucia  und  f&r 
die  Occidentalen  in  Bimini  stattfinden  sollte,  darum,  den  gallischen  Bi- 
schöfen, die  unentwegt  auf  Seite  der  Orthodoxie  standen,  ihren  Kampf 
gegen  den  Arianismus  zu  erleichtem.  Er  richtet  daher  ein  Schreiben  an 
die  Bischöfe  Galliens,  der  beiden  Germanien  und  Britanniens,  allein  that- 
sächlich  ist  der  Brief  für  alle  kirchlichen  Kreise  bestimmt.  Nach  emer 
Einleitung  folgt  der  historische  Teil,  welcher  die  cc.  10 — 63  umfasst.  In 
demselben  werden  die  zweite  sirmische  Glaubensformel  vom  Jahre  357. 
die  zwölf  Anathematismen  von  Ancyra  (358),  die  antiochenische  Formel 
vom  Jahre  341,  das  Bekenntnis  des  orientalischen  Teils  der  Synode  von 
Sardica,  welches  zu  Philippopel  festgestellt  wurde  (343 — 344),  endlich  die 
im  Jahre  351  gegen  Photinus  verfasste  erste  sirmische  Formel  behandelt 
Obwohl  die  griechisch  abgefassten  Glaubensformeln  bereits  ins  Lateinische 
übertragen  waren,  so  fertigte  sich  doch  Hilarius  eigene  Uebersetzungen 
derselben  an,  da  die  vorhandenen  in  ihrer  wörtlichen  Fassung  unbrauchbar 
erschienen.^)  Auf  den  historischen  Teil  folgt  nach  einigen  allgemeinen 
Betrachtungen  das  Spekulative.  Hilarius  stellt  selbst  (c.  64)  sein  Glaubens- 
bekenntnis auf  und  erörtert  die  dogmatische  Frage. 

Auch  diese  Schrift  lässt,  wie  das  Hauptwerk,  die  eigentümliche  spe- 
kulative Begabung  des  Hilarius  erkennen  und  hat  hohes  dogmengeschicht- 
liches Interesse.  Das  Sendschreiben  entbehrte  eines  sachlichen  Titels,  und  in 
der  That  kennen  die  guten  Handschriften  bloss  die  Uebersobrift  „epistula^. 
Gewöhnlich  aber  wird  der  Brief  unter  dem  Titel  „de  synodis",  welchen 
Worten  die  Benediktiner  noch  „seu  de  fide  Orientalium*  hinzufügten,  an- 
geführt. 

Anlass  der  Schrift,  c.  5  quod  nonnuUi  ex  vobis,  quorum  ad  me  patuerunt  scripta 
deferriy  quae  exhide  Orientales  in  fidei  profesaionibiis  gerant  et  gesserunt,  significari  rof*is 
huniilitatis  meae  litter Is  desiderastis. 

Zeit  der  Schrift.  Aus  c.  8  ergibt  sich,  dass  Hilarius  bereits  Kunde  von  der  Doppel- 
s}niode,  die  abgehalten  werden  sollte,  erhalten  hatte,  und  zwar  sollte  diese  Doppels^-node  in 
Ancyra  und  Rimini  gehalten  werden.  An  Stelle  von  Ancyra  trat  aber  bald  Seleucia.  Die 
Synode  fand  im  Sommer  359  statt.  Die  Schrift  wird  daher  in  den  Anfang  des  Jahres  350 
oder  Ende  358  fallen. 

Ziel  der  Schrift,  c.  7  omnes  fides,  quae  post  sanctam  synodum  Nicaenam  direr:*h 
t empor ibus  et  locis  editae  sunt,  cum  sententiarum  omnium  atque  etiam^  verborum  additis 
per  me  expositionibus  destitiavi. 

Ausg.  von  Migne  10  Sp.  479. 

Apologctica.  Gegen  das  Sendschreiben  de  synodis  hatte  Lucifer  von  Calaris  Oppo- 
sition erhoben.  Hilarius  verteidigte  sich  gegen  diese  Vorwürfe  in  einer  eigenen  Sclirift,  von 
der  sich  aber  nur  Fragmente  erhalten  haben,  bei  Migne  Bd.  10  Sp.  545  anter  dem  Titel: 
Apologetica  ad  reprehensores  libri  de  synodis  responsa. 

895.    Die   Schrift   gegen  Auxentius  (Liber  contra  Auzentium). 

Der  letzte  Kampf,  den  Hilarius  gegen  den  Arianismus  durchfocht,  richtete 
sich  gegen  den  Mailänder  Bischof  Auxentius.  Derselbe  war  Arianer,  hatte 
aber  dem   Kaiser  Valentinian  I.   ein   Glaubensbekenntnis  übergeben,    das 

*)  c.  9  ex  yraeco  in  latinum  ad  verbum       dem  absoUUianem  non  potest  ad  intellegentiae 
expressa  translatio  affert  plerumque  ohscuri-       simplicitatem  conservare, 
fatem,  dum  ciistodita  verborum  coUatio  eam- 


Hilarius  von  Poitiers.    (§  896.)  265 

t  der  orthodoxen  Lehre  übereinzustimmen  schien.  Der  Kaiser  schützte 
her  den  Bischof  und  wies  fremde  Einmischung  in  die  Angelegenheiten 
r  Mailänder  Diözese  durch  ein  Dekret  zurück.  Allein  Hilarius  liess  sich 
durch  nicht  von  seinem  Vorgehen  gegen  den  arianischen  Bischof  ab- 
irecken; er  setzte  bei  dem  Kaiser  durch,  dass  in  Mailand  eine  Synode 
gehalten  wurde,  um  die  Rechtgläubigkeit  des  Auxentius  zu  untersuchen. 
1  der  Synode  nahm  auch  Hilarius  teil.  Auxentius  gab  eine  mündliche 
klärung  ab,  über  die  ein  schriftlicher  Bericht  an  den  Kaiser  erstattet 
irde.  Späterhin  formulierte  Auxentius  noch  selbst  ein  schriftliches  Glau- 
(isbekenntnis.  Dem  Kaiser  genügten  diese  Erklärungen,  nicht  aber  dem 
larius.  Als  er  fortfuhr,  den  Auxentius  zu  bekämpfen,  riss  dem  Kaiser 
r  Faden  der  Geduld,  er  wies  den  hartnäckigen  Gegner  aus  Mailand 
g.  Hilarius  gehorchte,  aber  er  liess  nicht  vom  Kampfe  ab;  er  griff 
*  Feder  und  schrieb  eine  Broschüre,  die  sich  allgemein  an  die  Kirche 
htet,  besonders  aber  die  Bischöfe  von  Italien  im  Auge  hat.  In  dieser 
irift  erzählt  der  Bischof  die  Vorgänge,  welche  sich  in  dem  Streit  gegen 
xentius  abspielten,  und  sucht  durch  eine  Kritik  des  von  Auxentius  ab- 
^ebenen  schriftlichen  Glaubensbekenntnisses  nachzuweisen,  dass  Auxen- 
s  im  Herzen  noch  Arianer  sei.  Dieses  Glaubensbekenntnis  ist  als  An- 
ng  unserer  Schrift  beigegeben,  und  es  ist  interessant,  die  Stimme  des 
gners  urkundlich  zu  vernehmen.  Auch  die  schriftliche  Fixierung  des 
siubensbekenntnisses,  wie  es  Auxentius  in  der  Mailänder  Synode  münd- 
h  abgegeben  hatte,  war  von  Hilarius  nach  c.  7  seiner  Denkschrift  bei- 
geben worden.  Allein  dasselbe  findet  sich  nicht  mehr  in  unserem  Texte; 
enso  fehlt  das  Dokument  über  die  Verbaiidlijingen  der  Synode  zu  Ri- 
ni,  welches  Auxentius  seinem  schriftlichen  Glaubepsbekenntnis  nach  c.  15 
igeschlossen  hatte. 

Die  Broschüre  fordert  unser  Interesse  heraus,  w^il  sie  über  historische 
)rgänge  aus  der  Regierungszeit  des  Valentinian  I.  einen  sachkundigen  Be- 
iht  liefert;  sie  ist  aber  auch  theologisch  interessant,  weil  sie  den  Arianis- 
is  in  ebenso  klarer  wie  bündiger  Weise  charakterisiert;  sie  ist  endlich 
ch  interessant,  weil  wir  sehen,  wie  diese  erbitterten  Streitigkeiten  in 
ortklauberei  auslaufen. 

Die  Abfassung  der  Schrift  wird  in  das  Jahr  364  oder  365  fallen. 

Die  Zeit  der  Schrift  bestimmt  sich  dadurch,  dass  dieselbe  in  die  Regierungszeit 
lentinians  I.  (364 — 375)  fällt.  Die  Verhandlmigen  gegen  Auxentius  erfolgten  femer  in 
Wesenheit  des  Valentinian  in  Mailand.  Valentinian  entfernte  sich  aber  im  November  365 
a  Mailand  und  begab  sich  nach  Paris.  Auch  auf  die  folgenden  Jahre  erstreckte  sich 
se  Abwesenheit.  Die  Vorgänge  wie  unsere  Schrift  müssen  d^naach  in  die  Jahre  364 
3r  365  fallen.  Die  Angabe  des  Auxentius  c.  13  ab  ahiectis  antt  ann09  decem  ist  eine 
ndzahl. 

Ausg.  von  Migne  10  Sp.  609. 

896.  Die  historischen  Fragmente.  Im  Jahre  1590  fand  P.  Pithoeus 
einer  jungen  Handschrift  zu  Paris  Fragmente  eines  historischen  Werks, 
5lches  dem  Hilarius  zugeschrieben  wurde.  Da  er  hoffte,  noch  auf  eine 
;ere  Handschrift  zu  stossen,  zögerte  er  mit  der  Herausgabe  derselben 
d  starb,  ehe  er  seine  Absicht  ausführen  konnte.  Die  Herausgabe  der 
agniente  übernahm  Nie.  Faber;  er  liess  dieselben  im  Jahre  1598  er- 
leinen.     Später  fand   der  Jesuit  Sirmond   zu   Rheims   ein   bei    weitem 


266  Hilarins  Ton  Poitien.    (§  896.) 

älteres  Exemplar  dieser  Fragmente.     Dasselbe  konnten  die   Benediktiner 
nicht  mehr  fiir  ihre  Ausgabe  auffinden.     Doch  waren  die  Varianten  der  ] 
Handschrift  durch  Baluze  bekannt. 

Im  ganzen  sind  es  15  Fragmente,  die  jedoch  in  der  üeberlieferung 
in  zwei  Gruppen  geschieden  sind.  Die  eine  Qruppe,  welche  die  Fragmente 
XI,  XIII,  III,  Vin,  IX,  V,  VII  nach  der  jetzigen  Ordnung  umfasst,  ist 
anonym;  dagegen  die  andere  Gruppe,  bestehend  aus  den  Fragmenten  1, 
II,  IV,  XII,  XIV,  XV,  VI,  X  wird  ausdrücklich  mit  Hilarius  in  Verbindung 
gebracht,  indem  sowohl  am  Anfange  als  am  Ende  die  Autorschaft  des- 
selben hervorgehoben  wird.  Die  Bruchstücke  sind  in  ungeordnetem  Zu- 
stand überliefert;  die  jetzige  Ordnung  rührt  von  den  Benediktinern  her. 
Unter  den  Fragmenten  befindet  sich  eines  (No.  I),  welches  sich  deutlich 
als  Einleitung  zu  einem  historischen  Werke  gibt.  Aus  demselben  geht 
hervor,  dass  der  Verfasser  die  Geschichte  der  arianischen  Häresie  dar- 
stellen will  und  zwar,  um  des  genaueren  darzulegen,  dass  es  sich  in  der 
ganzen  Bewegung  nicht  um  persönliche  Angelegenheiten,  sondern  um  eine 
Fälschung  des  wahren  Glaubens  handle.  Der  Verfasser  kündigt  also  ein 
historisches  Werk  mit  dogmatischer  Grundlage  an.  Dass  diese  Einleitung 
von  Hilarius  geschrieben,  dafür  spricht  nicht  bloss  das  äussere  Kriterium 
der  üeberlieferung,  sondern  auch  innere  Kriterien.  Sowohl  der  Stil  ab 
die  angedeuteten  Lebensverhältnisse  passen  auf  keinen  anderen  als  auf 
Hilarius.  Auch  auf  die  Zeit,  in  der  das  Werk  begonnen  wurde,  weist  die 
Einleitung  deutlich  hin;  es  ist  dies  die  Zeit,  in  der  Hilarius  in  Con- 
stantinopel  verweilte,  also  359 — 360.  Die  übrigen  14  Fragmente  tragen 
einen  anderen  Charakter;  es  sind  Aktenstücke,  welche  sich  auf  die  Ge- 
schichte des  Arianismus  beziehen.  Dazwischen  vernehmen  wir  aber  öfters 
die  Stimme  des  Autors,  der  die  in  den  Dokumenten  dargestellten  Ereig- 
nisse miteinander  verbindet  oder  dieselben  verurteilt.  Soweit  diese  Zu- 
that  des  Autors  einen  grösseren  Zusammenhang  darstellt,  wie  z.  B.  in 
Fragment  No.  H,  tritt  auch  hier  die  Eigentümlichkeit  des  Hilarius  zutage 
oder  spricht  wenigstens  nichts  gegen  seine  Autorschaft.  Wir  müssen  sonach 
annehmen,  dass  alle  Fragmente,  welche  Zwischenausführungen  enthalten, 
diesem  historischen  Werk,  von  dem  uns  die  Einleitung  erhalten  ist,  an- 
gehören. Hierbei  macht  es  keinen  Unterschied,  ob  solche  Fragmente  aus 
der  einen  oder  der  anderen  Gruppe  der  üeberlieferung  stammen,  denn 
die  Zusammengehörigkeit  beider  Gruppen  ist  zweifellos,  i)  Die  Fragmente 
ohne  Autorzusätze  müssen  vorläufig  als  irrelevant  ausser  Acht  bleiben. 
Es  fragt  sich,  wie  die  Trümmerhaftigkeit  des  Werks  zu  deuten  ist.  Es 
bieten  sich  zwei  Wege  der  Erklärung  dar,  entweder  liegen  uns  Excerpte 
aus  einer  ehemals  vollständigen  Schrift  vor  oder  wir  haben  die  Concepte 
eines  nicht  fertig  gewordenen  Werks.  Den  ersten  Weg  der  Erklärung 
glauben  wir  nicht  betreten  zu  können,  denn  in  der  ganzen  Sammlung  fehlt 
ein  sichtliches  Prinzip,  das  der  Excerptor  befolgt  hätte.    Wollte  er  z.  B.  die 

MVgl.dieBenediktinerausgabeT.2(17oO)  initium  ducitur,  rescriptum  est  litt«ris  Orien- 

p.  475:  ,est  primae  partis  initium  manifest«  talium,   quae  in  iisdem   mss.  partem  posire- 

continiiatio    post^rioris:    Synodi    enim   Pari-  mam  claudunt.** 

eiensis  epistola,  a  qua  in  mss.  primae  partis  i 


HUarias  Ton  Poitiers.    (§  896.)  267 

Aktenstücke  ausheben,  so  war  die  Aufnahme  der  Zwischenbemerkungen 
unnötig;  auch  ist  bei  dieser  Annahme  verwunderlich,  warum  die  ganze 
Einleitung  unverkürzt  erscheint.  Wir  entscheiden  uns  daher  für  die  zweite 
Annahme  und  behaupten,  es  liegt  ein  unvollendetes  Werk  des  Hi- 
larius  vor.  Wenn  man  sich  erinnert,  dass  dasselbe  in  Constantinopel  be- 
gonnen wurde,  so  findet  man  auch  leicht  den  Qrund  der  Nichtvollendung 

*  auf;  da  Hilarius  360  in  seine  Heimat  verwiesen  wurde ,  er  also  den 
Schauplatz  der  arianischen  Kämpfe  verliess,  mochte  er  keinen  rechten 
Zweck   des   Buches   mehr  abgesehen   haben.     Wenn   sich   die   Gelehrten 

'  darauf  stützen,  dass  doch  Hieronymus  ein  Werk,  aus  dem  unsere  Frag- 
mente stammen,  gekannt  habe,  so  befinden  sie  sich  in  einem  Irrtum;  denn 
gerade  die  unbestimmte  weitschweifige  Art,  wie  Hieronymus  dieses  Werk 

'  eitiert,  weist  darauf  hin,  dass  er  auch  nichts  anderes  kannte,  als  die 
Sammlung  der  Fragmente,  die  wir  kennen.  Ist  diese  Ansicht  richtig,  so 
ergibt  sich  mit  Notwendigkeit,  dass  nur  die  Fragmente,  welche  Zwischen- 
bemerkungen  enthalten,   bestimmt  waren,  in  das  Werk  aufgenommen  zu 

.  werden.     Von  den  Fragmenten  dagegen,   die  der  Zwischenbemerkungen 

:  entbehren,  kann  man  nur  behaupten,   dass  sie  zu  der  Materialsammlung 

'  des  Hilarius  gehörten.  Ob  sie  Hilarius  wirklich  auch  aufgenommen  hätte, 
entzieht  sich  natürlich  aller  Berechnung.  Eine  ganz  andere  Frage,  als 
die  der  Zugehörigkeit  der  Fragmente  zu  dem  unfertigen  Werk,  ist   die 

'  nach  der  Echtheit  der  in  den  Fragmenten  enthaltenen  Aktenstücke.  Diese 
Frage  ist  eine  Frage  für  sich.  An  Hilarius  als  Fälscher  zu  denken,  liegt 
durchaus  kein  Anlass  vor;  dagegen  ist  es  wohl  sehr  leicht  möglich,  ja  auch 
sogar  wahrscheinlich,  dass  schon  zur  Zeit  des  Hilarius  von  den  streitenden 
Parteien  gefälschte  Aktenstücke  in  Umlauf  gesetzt  wurden.  So  wird  jetzt 
allgemein  angenommen,  dass  vier  Briefe  des  Papstes  Liberius  auf  einer 
Fälschung  beruhen. 

Aber  selbst  in  seiner  unvollendeten  Gestalt  ist  das  historische  Werk 
des  Hilarius  von  sehr  grosser  Bedeutung  für  die  Qeschichte  des  Arianismus. 
Manche  Nachrichten  und  manche  Aktenstücke  verdanken  wir  allein  diesen 
Fragmenten.  Es  ist  daher  zu  bedauern,  dass  diese  Geschichte  der  ariani- 
schen Kämpfe  ein  Torso  geblieben. 

Handschriftliches  Zeugnis.  Das  Fragment  No.  I  wird  eingeleitet:  Incipit 
liber  Saneti  Hilarii  Pictavensis  provinciae  Aquitaniae,  in  quo  sunt  omnia,  quae  ostendunt, 
9€l  quomodo,  quibusnam  causis,  quibus  instantibus  sub  Imp.  Canstantio  factum  est  Arimi- 
nense  ConcUium  contra  formellam  Nicaeni  tractatus,  qua  universae  haereses  comprehensae 
eranU  Am  Schloss  von  Fragment  No.  X  steht:  Explicit  saneti  Hilarii  liber  ex  opere 
historico.  Duchesne  (Akten  des  5.  intemat.  Kongresses  kathol.  Gelehrten,  München  1901, 
p.  58)  fasst  das  Werk  als  eine  Art  , Blaubach''  auf. 

Zeugnis  des  Hieronymus.  Hieronym.  de  vir.  ill.  c.  100  liber  Adversus  Valentem 
tt   Ursctcium  historiam  Ariminensis  et  Seleuciensis  synodi  continens. 

Methode.  Fragm.  1,  7  Omnia  enim  sunt  et  separanda  temporibus  et  distinguenda 
iudiciis  et  secemenda  personis  et  verborum  diiudicanda  virtutibus,  ne  forte  tot  epistolis, 
tot  synodis  tune  frequenter  iniectis,  pernicioso  ante  finem  fastidio  expleatur. 

Ausgangspunkt  der  Schrift.  Fragm.  1,  6  (Sp.  631)  Incipiam  ab  his  quae  proxime 
gesta  sunt,  id  est,  eo  tempore  quo  primum  in  Arelatensi  oppido  frater  et  comminister  meua 
Paulinus  ecclesiae  Trevirorum  episcopus  eorum  se  perditioni  simulationique  non  miaewUr 

Charakter  der  Schrift    Fragment  1,  4  (Sp.  630)  Proferre  in  eomeieiUiam  tf* 
cam  opus  tento  grave  et  multiplex,   diabolica  fraude  perplexum^  haereticorum  parU  ' 
dissimulatione  mültorum  ac  metu  praeiudicatum,  locorum,  in  quibua  g$tia  r§$  ««^ 
agimus,  desperatione  peregrinum,  tempore  antiquum,  silentio  notum^  pridim  Hmt^ 


I 


268  Hilarins  Ton  Poitiers.    (§  897.) 

pace  praeteritum,  proonme  impia  faUacisaimarum  hominum  eaUiditaU  renovatum;  hocqtu 
quo  etiam  in  Romani  imperii  negotiis  quiea  earpitur^  rex  angitur,  palatium  ferret,  epUatfi  \ 
circumcursant  f  officiales  magistri  volitant,   adversus  aposiwicos  viros  offieiorum  omnium  " 
festinatione  turbatur, 

Ausg.  von  Migne  10  Sp.  627. 

897.  De  trinitate  (de  fide).  Im  Exile  schrieb  Hilarius  sein  ans 
zwölf  Büchern  bestehendes  Hauptwerk,  in  dem  er  die  Ansichten  der  Ari- 
aner  zu  widerlegen  sucht.  Wie  dasselbe  betitelt  war,  kann  nicht  sicher 
gesagt  werden,  denn  die  Ueberlieferung  ist  in  diesem  Punkt  schwankend 
und  etwas  unsicher.  Die  grösste  Wahrscheinlichkeit  hat  der  Tit^l  ,de 
fide"  für  sich;  der  herkömmliche  Titel  „de  trinitate''  dagegen  drückt  nicht 
genau  den  Inhalt  des  Werks  aus;  denn  die  Lehre  vom  hl.  Geist  ist  nur 
ganz  rudimentär  und  nebenbei  behandelt,  der  Schwerpunkt  der  ganzen 
Untersuchung  liegt  vielmehr  in  dem  Nachweis  der  Göttlichkeit  Christi 
Die  Abfassungszeit  der  Bücher  bestimmt  sich  durch  die  Dauer  des  Exik 
welches  von  Anfang  356  bis  Anfang  360  währte;  das  Werk  wird  also  in 
die  Zeit  von  356 — 359  fallen.  Die  drei  ersten  Bücher  sind  durch  einen 
längeren  Zwischenraum  von  den  folgenden  getrennt.  Auf  die  Gliederung 
des  Werks  legt  der  Verfasser  den  grössten  Wert;  in  einem  Einleitungs- 
buch gibt  er  eine  ausführliche  Uebersicht  über  die  behandelte  Materie 
und  legt  genau  den  Inhalt  der  einzelnen  Bücher  dar.  Demgemäss  han- 
deln die  Bücher  2  und  3  im  allgemeinen  über  die  göttliche  Zeugung  des 
Sohnes  und  seine  Wesensgleichheit  mit  dem  Vater.  Mit  dem  vierten  Buch 
beginnt  der  polemische  Teil,  der  alle  Irrlehren  der  Arianer,  soweit  sie  sick 
auf  die  Gottheit  Christi  beziehen,  aufdeckt  und  zu  widerlegen  sucht.  Die 
zwölf  Bücher  sind  der  Reihe  nach  geschrieben  worden.  Der  sich  zu- 
nächst aufdrängende  Gedanke,  das  erste  Buch  sei  nach  Vollendung  der 
elf  anderen  hinzugefügt  worden,  erweist  sich  bei  genauerer  Betrachtung 
als  unhaltbar.  Hilarius  hat  sich  von  Anfang  an  ein  bis  ins  einzelnste 
gehende  Schema  der  weitläufigen  Untersuchung  entworfen  und  dasselbe 
genau  nach  der  Anlage  durchgeführt. 

Es  kann  nicht  unsere  Aufgabe  sein,  das  theologische  System  des 
Hilarius  im  einzelnen  zu  entwickeln;  hier  können  nur  einige  allgemeine 
Andeutungen  gegeben  werden,  welche  die  Stellung  des  Buches  in  der 
Litteratur  kennzeichnen.  Vor  allem  ist  festzuhalten,  dass  das  Problenn, 
das  in  der  Schrift  behandelt  wird,  für  Hilarius  nicht  bloss  eine  theo- 
logische Streitfrage,  sondern  eine  Lebensfrage,  eine  Frage  der  ewigen 
Seligkeit  ist.  Daher  rührt  der  hohe  sittliche  Ernst  und  die  Wärme,  welche 
das  Oanze  durchdringt  und  in  dem  schönen  Schlussgebet  einen  wirksamen 
Ausdruck  findet.  Bei  dieser  Stellung  des  Verfassers  zur  Frage  ist  ea  ent- 
schuldbar, wenn  er  in  den  Gegnern  nicht  bloss  dissentierende,  aondeni 
auch  gottlose  und  böse  Menschen  erblickt.  Die  von  ihm  entwickelte  Theo- 
logie ist  abhängig  von  dem  griechischen  Geiste,  welcher  ja  bekanntüdi 
das  spekulative  Element  in  das  Christentum  eingeführt  hat,  allein  es  ge- 
bricht dem  Hilarius  durchaus  nicht  an  Originalität.  Eine  spekulative  Be- 
gabung ist  unleugbar  vorhanden.  In  der  Benutzung  der  hl.  Schrift  schlägt 
er  ganz  andere  Wege  ein,  als  fiiiher  in  der  Erklärung  des  Evangelium 
Matthaei   und  später  in   der  Psalmenerklärung;   das  wilde  Allegorisieren 


miarhiB  Ton  Poitiers.    (§  897.)  269 

*t  auf,  und  eine  mehr  nüchterne  Exegese  tritt  an  seinen  Platz.  So  hat 
in  die  christologische  Frage  in  selbständiger  Haltung  eingegriffen  und 
11t  uns  ein  Glied  in  der  Entwicklung  der  Lehre  von  der  Göttlichkeit 
risti  dar.  Es  kann  ihm  nicht  verargt  werden,  dass  es  ihm  nicht  ge- 
gen ist,  das  Problem  der  Trinität  in  seiner  ganzen  Tiefe  zu  umfassen. 
)  Behandlung  des  hl.  Geistes  ist  ja,  wie  schon  gesagt,  über  einen  ersten 
satz  nicht  hinausgekommen.  Die  Erörterung  der  Trinität  in  ihrem  vollen 
ifang  musste  einer  späteren  Zeit  vorbehalten  bleiben.  Aber  auch  von 
i  christologischen  Partien  zeigen  manche,  dass  er  der  Schwierigkeiten 
ht  völlig  Herr  geworden,  i)  Auch  darf  nicht  verschwiegen  werden,  dass 
Darstellung  nicht  überall  zur  vollen  Klarheit  durchgedrungen  ist  und 
;h  das  Ringen  des  Gedankens  mit  dem  Ausdrucke  erkennen  lässt.  Aber 
darf  auch  nicht  übersehen  werden,  dass  Hilarius  die  grossen  Schwierig- 
ten der  Latinisierung  der  griechischen  Terminologie  zu  überwinden 
te.  Trotz  dieser  Mängel  bildet  das  Werk  eine  der  glänzendsten  Er- 
einungen  in  der  Litteratur  des  arianischen  Kampfes. 

Der  Titel  der  Schrift.  In  den  ftlteren  Handschriften  ist  der  Schrift  kein  Titel 
;egeben,  in  jOngeren  dagegen  wird  dieselbe  verschieden  betitelt:  de  fide,  de  trinitate 
de  fide  sanctae  trinitatis  adveraua  Ariano»,  Aach  die  Schriftsteller  variieren.  Hiero- 
los  citiert  das  Werk  duodecim  adversum  Arianos  Ubri;  Rnfin,  Cassian  und  andere 
-en  es  nnter  dem  Titel  de  fide  an.  Gassiodor  und  Fortunatus  eitleren  de  trinitate.  Die 
ediktiner  ziehen  den  Titel  de  trinitate  vor,  allein  derselbe  dürfte  kaom  anzunehmen 
,  da  das  Buch  keine  spekulative  Begründung  der  ganzen  Trinität  enthält.  Am  wahr- 
^inlichsten  ist  der  Titel  ^de  fide",  da  durch  denselben  für  die  damalige  Zeit  genugsam 
Thema,  nämlich  die  GötÜichkeit  Christi,  bezeichnet  wird.  Auch  im  Gontexte  1,  16  wird 
9  so  gebraucht.  Es  kommt  hinzu,  dass  auch  Ambrosius  seine  Schrift  gegen  die  Aiianer, 
LTScheinlich  in  Nachahmung  des  Hilarius,  ,de  fide*  betitelt  hat.  Auf  das  Zeugnis  des 
ronymus  ist  dagegen  nicht  viel  zu  geben,  da  er  in  der  Anführung  der  Titel  bekanntlieh 
r  nachlässig  verfiüiren  ist. 

Ort  und  Zeit  der  Abfassung.  10,  4  Loquemur  exsules  per  ho8  lihros,  et 
no  Dei,  qui  vinciri  non  potest,  liher  excurret.  Dass  die  drei  ersten  Bücher  durch  einen 
;eren  Zeitraum  von  den  folgenden  getrennt  sind,  erhellt  ans  4,  1 :  anteriaribua  libellis, 

8  tarn  pridem  canscripaimus Da  das  Kzil  von  356—360   währte,   ist  die  Mög- 

keit  einer  längeren  Unterbrechung  des  Werks  gegeben.  Die  Ansicht,  dass  die  drei  ersten 
;her  vor  dem  Exil  geschrieben  wurden  und  die  Unterbrechung  des  Werks  durch  die 
bannung  hervorgerufen  wurde,  ist  eine  Irrige,  denn  sie  steht  in  Widerstreit  mit  der 
«n  Stelle;  auch  würde  man  dann  eine  ganz  andere  Fassung  der  zweiten,  in  der  die 
tsetzung  des  Werks  angekündigt  wird,   erwarten.    Wenn  Erasmus  die   allerdings  auf 

ersten  Anschein  sehr  probable  Meinung  aufstellt,  dass  das  erste  Buch  nach  den  11 
hem  geschrieben  worden  sei,  so  ist  diese  Ansicht  eine  irrige,  denn  4,  2  und  9,  10  wird 

das  erste  Buch  hingewiesen.  Auch  ist  nur  bei  dem  Vorausgehen  des  ersten  Buches 
;lich,  dass  sich  Hilarius  in  einer  dort  (1,  26)  angekündigten  Materie  korrigiert;  denn 
ersetzt  die  Häresie  Hebions  durch  die  des  Photinus  (7,  3  und  7,  7). 

Die  Gomposition  des  Werks.  1,  20  Ac  primum  ita  totius  operis  modum  tem- 
avimus,  ut  aptissimua  legentium  profectibtia  eonnexarum  aibi  libellorum  ordo  succederet, 
U  enim  ineomposUum  indigestumque  placuit  afferre:  ne  operis  inordinata  congeries 
ticum  quemdam  tumultum  perturbata  vodferatiane  praeheret.  Der  Inhalt  der  einzelnen 
:her  ist  folgender  (1,  21):  Post  hunc  primi  huius  sermonis  libellum,  sequens  ita  sacra- 
»tum  edoeet  divinae  generationis,  ut  baptizandiin  Fatre  et  Filio  et  Spiritu  sancto 
ignorent  nominum  veritatem  etc.  1,  22  Post  hunc  itaque  lenem  ac  brevem  demon- 
Uae  Trinitatis  sermonem  tertius  liher,  etsi  sensim,  tarnen  jam  proficienter  incedit  Natu 
quod   ultra  humani  sensus  intelligentiam  Dominiks  de  se  professus  est,  quantis  potest 


>)  Förster,  Zur  Theologie  des  Hilarius  <  Ghristologie  hinterlässt  zweifellos  den  Ein- 

eologische   Studien    und    Kritiken    1888  i  druck  eines  nicht  überwundenen  doketischen 

52):  „An  der  Klippe  des  Doketismus  segelt  |  Zugs,  trotz  aller  Bemühungen,   die  vollkom- 

nriua  ziemlich   nart  vorüber,   und   seine  1  men  menschliche  Beschaffenheit  festzuhalten.* 


270  HilariM  Ton  PoiUen.    (§  898.) 


potentiae  exempUa  ad  inteUigentiae  fidem  coaptat,  dieena:  Ego  inFatre,  et  Pater  in  mt: 
ut  quod  ab  homine  per  naturam  hebetem  non  capUur,  id  fides  jam  rationabHi»  ttcieniitt 
consequatur:  quia  neque  non  credendum  de  se  Deo  est,  neque  opinandum  est,  extra  ratumtm 
fidei  esse  inteUigentiam  potestatis.  Mit  dem  vierten  Bach  beginnt  der  Kampf  mit  den  Hitvth 
kern,  der  fortläuft  bis  zum  siebten  Buch,  und  zwar  werden  hier  die  Angriffe  der  Hiretiket 
gegen  die  Gottheit  Christi  abgewiesen.  1,  28  Oetavus  liber  ....  tottu  in  unius  Dei  demtm- 
stratione  detentus  est;  non  auferens  filio  Dei  nativitatem,  sed  neque  per  eam  duum  deonm 
divinitatem  introducens,  1,  29  Nontts  liber  totus  in  repellendis  iis,  qjiMe  ad  infirmaniam 
unigeniti  Dei  nativitatem  ab  impiis  ursurpaniur,  intentus  est  etc.  Das  zehnte  Bach  be- 
zieht sich  auf  die  richtige  Deutang  der  Schmerzensäosserangen  Christi  (Matth.  26,  38;  26, 39; 
27,  46;  Lucas  23,  46).  Es  heisst  (1, 31):  quia  expassionis  genere  et  professiane  quaedam  per 
stultae  intelligentiae  sensum  ad  contumeliam  divinae  in  Domino  Jesu  Christo  naturae  ririu- 
tisque  rapuerunt;  ea  ipsa  demonstranda  fuerunt,  et  ab  his  impiissime  intellecta  esse,  et  t 
Domino  ad  protestationem  rerae  et  perfeetae  in  se  maiestatis  esse  memorata.  Das  elfte 
Buch  bezieht  sich  auf  die  Interpretation  der  Stellen:  Joann.  20,  17  and  1  Corinth.lö.27 
und  28,  wo  von  einer  Unterordnung  Christi  anter  Gott  die  Rede  ist.  Das  zwölfte  Bock 
bezeichnet  der  Verfasser  als  die  Krone  des  Ganzen;  es  handelt  sich  hier  nftmlich  dämm, 
die  ewige  Geburt  des  Sohnes  gegen  Missdeatangen  sicher  zu  stellen  and  anch  den  hl.  Geist 
in  die  Trinität  aufzunehmen;  vgl.  1,  34  ad  aeternae  nativitatis  eomplectendam  intelUgentism. 

Das  zweite  Buch.  Ein  Wiener  Papyrus  8.  IV  oder  V,  der  mehrfach  die  Subscriptio: 
Dulcitiiis  (Freund  Augustins)  Aquini  legebam  trägt,  enthält  umfangreiche  BruchstQcke  der 
ersten  sechs  Bücher  de  fide.  Mit  Ausnahme  des  zweiten  Baches  stimmt  dieser  Papjr« 
mit  den  ältesten  Handscbriften  des  Werks  überein.  In  dem  genannten  Bach  bieten  die 
späteren  Handschriften  einen  überarbeiteten  Text  dar.  Ob  Hilarius  selbst  diese  Ueber- 
arbeitung  vorgenommen,  wie  Sedlmayer,  Das  zweite  Buch  von  Hilarius  de  trinitate  in 
Wiener  Papyrus  (Serta  Harteliana,  Wien  1896,  p.  180)  will,  ist  mir  zweifelhaft. 

Ausg.  von  Migne  10  Sp.  25. 

Der  Tractat  contra  Arianes.  Die  letzten  Blätter  des  Wiener  Papyrus  enthalte« 
IiVagmente  eines  Traktates  contra  Arianes.     „Das  Bruchstück  beginnt  auf  Fol.  97'*  mit  dei 

Worten tandum  est,  ut  cum  nobis  inde  eonvenerit  ....  and  schliesst  auf  Fol.  101^  mit 

....  cide,  quam  aequanimiter  ferre  debeam**  (Sedlmayer  p.  179).  Eine  Probe  daraus  wiw 
mitgeteilt.  Sedlmayer  möchte  den  Traktat  dem  Hilarius  selbst  beilegen.  , Vielleicht 
war  es  der  Entwurf  zu  einem  grösseren  Werke,  das  dann  unausgeführt  blieb,  oder  eine 
Vorarbeit  zu  de  trinitate,  oder  eine  selbständige  kleinere  Schrift  verwandten  Inhalte«»,  dif 
der  Heilige  um  des  grossen  Werkes  willen  unterdrückte*  (p.  180). 

Von  den  polemischen  Schriften  ist  verloren  gegangen: 

Ad  praefectum  Sallustium  sive  contra  Dioscorum.  Hieronym.  epist.  70. '•  i 
(1  Sp.  428  Vall.)  hrerl  libello,  quem  scrlpsit  contra  Dioscorum  medicum,  quid  in  UtterU  ' 
possit,  ostendit.  Die  Schrift  ist  abgefasst,  nachdem  Julian  den  Sallust  zum  Präfekten  er- 
hoben hatte;  vgl.  Amm.  Marc.  21,  8,  1  discedens  inier  haec  Julianus  a  Bauracis,  peracfh, 
quae  dociiimus  dudum,  SaUnsfium  praefectum  promotum  remisif  in  Gallias.  Weiteres  über 
Sallust,  den  Julian  sich  im  Jahre  863  zum  Collegen  im  Consulat  erkor,  bei  Reinkens, 
Hilarius  p.  266. 

898.  Charakteristik  des  Hilarius.  Jeder  Kampf  wirft  grosse  Männer 
an  die  Oberfläche,  indem  er  die  schlummernden  Kräfte  erweckt.  Die  Wahr- 
heit dieses  Satzes  wird  uns  auch  bestätigt  durch  den  heftigen  arianischen 
Streit,  welcher  gar  lange  Zeit  die  ganze  Welt  in  Aufregung  erhielt.  Im 
Orient  taucht  die  hehre  Gestalt  des  Athanasius  auf,  im  Oecident  befindet 
sich  in  den  ersten  ileihen  der  Streitenden  der  Bischof  von  Poitiers,  Hi- 
larius, den  man  nicht  mit  Unrecht  den  Athanasius  des  Abendlandes  ge- 
nannt hat.  Wie  von  Athanasius,  so  strömt  auch  von  Hilarius  die  Macht 
der  Persönlichkeit  aus.  Wo  er  auftritt,  gewinnt  er  einen  dominierenden 
Einfluss  auf  die  Geister  seiner  Zeit.  Mit  dem  Feuereifer  der  Ueberzeugung 
tritt  er  für  das  nicaenische  Glaubensbekenntnis  ein,  nicht  aus  Rechthaberei, 
sondern  weil  er  glaubte,  dass  die  Kirche  mit  dem  Symbolum  Nicaenum 
stehe  oder  falle.  Es  war  kein  geringer  Kampf,  den  er  durchzuführen  hatte, 
denn  der  Hof  war  arianisch  gesinnt  und  sein  eigener  Metropolit  Saturninus 


Hilariofl  Ton  Poitiers.    (§  898.)  271 

sron  Arles  hielt  zur  Häresie;  aber  er  verzagte  nicht.  Seiner  mächtigen 
A^utorität  gelang  es,  die  gallischen  Bischöfe  aus  den  Banden  des  Arianis- 
mus  zu  befreien,  selbst  als  er  durch  die  Intriguen  seiner  Qegner  in  die  Ver- 
bannung wandern  musste,  wurde  der  starke  Mann  nicht  gebrochen.  Sein 
beweglicher  Geist  wusste  auch  aus  dem  Unglück  Nutzen  zu  ziehen,  er 
vertiefte  sich  in  die  weiten  Gänge  der  griechischen  Spekulation  und  schuf 
das  glänzendste  Werk  seines  Lebens,  die  zwölf  Bücher  über  die  Trinität, 
in  denen  er  den  Arianismus  ebenso  wirksam  bekämpfte,  wie  früher  durch 
seine  Worte  und  seine  Thaten.  Auch  im  Orient  wurde  Hilarius  eine  ge- 
feierte, hochangesehene  Persönlichkeit.  Die  Bischöfe  des  Ostens  beugten 
sich  unter  dem  Einfluss  des  bedeutenden  Mannes.  Als  einziger  occidenta- 
lischer  Bischof  nahm  er  an  der  Synode  zu  Seleucia  teil,  und  als  eine 
Deputation  von  dem  Conzil  an  den  Kaiser  nach  Constantinopel  abgeschickt 
¥urde,  finden  wir  auch  Hilarius  in  ihrem  Gefolge,  und  sofort  merken  auch 
iie  Gegner  die  Anwesenheit  des  gefürchteten  Mannes  in  der  Hauptstadt. 
3en  Bemühungen  der  Feinde  gelang  es,  den  Hilarius  aus  Constantinopel 
;u  entfernen.  Er  kehrte  in  seine  Heimat  zurück;  sofort  entsteht  wieder 
leues  Leben  in  dem  Kampfe.  Mit  der  Absetzung  des  Saturninus,  welche 
luf  der  Synode  zu  Paris  beschlossen  wurde,  hatte  Hilarius  den  Kampf 
;egen  den  Arianismus  siegreich  beendet.  Die  Geschichte  erkennt  ihm 
svillig  das  Verdienst  zu,  Frankreich  für  das  orthodoxe  Bekenntnis  ge- 
wronnen  zu  haben.  Aber  der  Geist  des  Hilarius  strebte  über  sein  Vater- 
land hinaus;  die  Idee  der  grossen  allgemeinen  Kirche  hatte  gewiss  auch 
sein  Herz  erfüllt,  er  trug  den  Kampf  jetzt  nach  Italien.  Mit  seinem  Er- 
scheinen in  Mailand  ist  er  wieder  Mittelpunkt  der  Bewegung,  und  wiederum 
erblickten  die  Gegner  in  seiner  Entfernung  aus  Mailand  die  beste  Schutz- 
waflfe  für  ihre  Sache.  Wir  sehen,  dass  Hilarius  eine  wahre  Herrscher- 
natur war;  diese  Herrscher natur  zeigt  sich  auch  darin,  dass  er  bei  aller 
Prinzipientreue  sich  von  unfruchtbarem  Starrsinn  ferne  hielt  und  den  Geg- 
nern gerne  goldene  Brücken  baute.  Der  grosse  Kirchenfürst  war  im  Be- 
sitze der  gesamten  Bildung  seiner  Zeit.  Von  der  heidnischen  Welt  führte 
ihn  das  Studium  der  hl.  Schrift  zu  dem  Christentum ;  diese  beantwortete 
ihm  die  Frage,  die  ihm  seine  heidnischen  Autoren  nicht  beantworten 
konnten.  Es  gewährt  hohes  Interesse,  diesen  Entwicklungsgang,  den  er 
uns  selbst  in  den  Büchern  über  die  Trinität  schildert,  zu  verfolgen. 
In  der  Schriftauslegung  steht  Hilarius  unter  dem  Banne  seiner  Zeit, 
unter  dem  Druck  der  Allegorie.  Allein  diese  allegorische  Erklärungsweise 
gibt  dem  Bischof  Gelegenheit,  die  Gaben  seiner  reichen  Phantasie  zu  ent- 
falten. Was  aber  besonders  merkwürdig  ist,  der  Mann  weiss  auch  seine 
Phantasie  zu  zügeln  und  in  den  verschlungensten  Pfaden  der  Dialektik 
sich  zurechtzufinden,  üeber  seine  Theologie  urteilen  die  Fachmänner  in 
der  anerkennendsten  Weise.  Er  weiss  den  Griffel  zu  führen  und  schreibt 
einen  originellen  Stil.  Das  Bestreben,  den  Gedanken  zu  vertiefen,  erzeugt 
nicht  selten  Schwere  und  Dunkelheit  des  Ausdrucks,  die  Darstellung  hat 
keinen  flüssigen  Charakter,  das  Ringen  des  Schriftstellers  mit  dem  Ge- 
danken prägt  sich  deutlich  aus.  Sein  Stil  schmiegt  sich  aber  dem  Gegen- 
stande  an,    der   dargestellt   werden   soll;    seine  an  den  Hof  gerichteten 


272  HiUrins  Ton  Poiüers.    (§  899.) 

Schreiben  tragen  ein  anderes  Colorit  als  sein  spekulatives  Werk.  Nicbt 
immer  hält  sich  seine  Darstellung  in  einer  gewissen  Vornehmheit;  er  kann, 
wie  die  Schrift  gegen  den  Kaiser  Constantius  darthut,  auch  im  Tone  eines 
Pamphletisten  reden.  Hier  und  da,  doch  verhältnismässig  selten,  zeigt 
der  Autor,  dass  er  auch  eine  Rhetorenschule  besucht  hat  und  brennt  ein 
Antithesenfeuerwerk  ab.  Doch  niemals  hat  in  seinen  Schriften  die  Phrase 
ihren  Thron  aufgeschlagen.  Hieronymus  will  beobachtet  haben,  dass  sieh 
Hilarius  den  Quintilian  zum  Muster  erkoren  habe,  allein  es  dürfte  schwer 
sein,  zwischen  den  beiden  Schriftstellern  engere  Beziehungen  herauszu- 
finden. Dagegen  erinnern  wir  uns  leicht,  wenn  wir  die  weithergeholten 
und  zum  Teil  geschraubten  Einleitungen,  die  jeder  Schrift  vorausgehen, 
uns  ins  Gedächtnis  zurückrufen,  an  den  römischen  Historiker  Sallust. 

Hilarius  als  Theologe.  Die  fachm&niUBchen  UrteUe,  deren  wir  einige  anführa. 
lauten  sehr  günstig.  Dorn  er,  Entwicklungsgeschichte  der  Lehre  von  der  Person  Christi 
von  den  ältesten  Zeiten  bis  auf  die  neueste  1  (Stuttgart  1845)  p.  1037  sagt:  «Hilariu 
gehört  zu  den  am  schwersten  verständlichen,  aber  auch  originellsten  und  tiefsinnigste! 
Kirchenlehrern.  Seine  Christologie  ist  eine  der  interessantesten  ans  dem  christlichen  Alter- 
tum.'* Nitzsch,  Die  patristische  Periode  (Grundriss  der  christl.  Dogmengeschichte,  BerL 
1870,  p.  170):  „Dieser  Athanasius  des  Abendlandes  ist  nach  Tertullian  und  tv 
Augustin  der  originellste  tiefsinnigste,  am  meisten  spekulativ  begabte  and  an  bibliadur 
Mystik  genährte  Dogmatiker  der  lateinischen  Kirche.  Auf  dem  Grande  onmittelbarei 
fleissigen  Bibelstudiums  und  aufrichtig  katholischer  Gesinnung  zeigt  er  sich  der  Traditia! 
und  der  Hierarchie  gegenüber  ebenso  selbständig,  wie  der  Caesaropapie  and  der  entschie- 
denen Ketzerei  gegenüber  unerbittlich.  Aber  Anregung,  Richtung  und  Form  haben  and 
seinen  Gedanken  griechische  Kirchenlehrer  gegeben,  vor  allem  Irenaeaa,  Origenes  xaÄ 
Athanasius."  Harnack,  Lehrbuch  der  Dogmengeschichte  2'  (Freiburg  1894)  p.  243  Anm.  2: 
„Hilarius  ist  der  erste  Theologe  des  Abendlandes,  der  in  die  Geheinmisse  oes  Nicaemuns 
eindringt,  bei  aller  Abhängigkeit  von  Athanasius  ein  eigentümlicher  Denker,  der  den  alexan- 
drinischen  Bischof  als  Theologe  übortroffen  hat.*^  Ueber  seine  Theologie  handeln  Dorner 
in  seinem  Werke  „Entwicklungsgeschichte  etc."  (p.  1037),  eine  bahnbrechende  rnter- 
suchung;  Möhler,  Athanasius  der  Grosse  und  die  Kirche  seinerzeit,  Mainz'  1844,  p.  441^; 
Förster,  Zur  Theologie  des  Hilarius  (Theologische  Studien  und  Kritiken  61  (1888)  p.  645.<: 
Baltzer,  Die  Theologie  des  hl.  Hilarius  von  Poitiers  (Progr.),  Rottweil  1879;  Die  Christo^ 
logie  des  hl.  Hilarius  von  Poitiers,  ebenda  1889;  Wirthmüller,  Die  Lehre  des  hl.  Hi- 
larius von  Poitiers  über  die  Selbstentäusserung  Christi,  Regensburg  1865;  A.  Beck,  Die 
Lehre  des  hl.  Hilarius  von  Poitiers  (und  Tertullians)  über  die  Entstehung  der  Seelen  (Philos. 
Jahrb.  13  (1900)  p.  37).     Loofs,  Realencycl.  für  Protestant.  Theol.  8»  (1900)  p.  57. 

Ueber  den  Stil.  De  trinit.  1,38  Trihue  ergo  nobis  verbarum  significaiionem,  in- 
teUigentiae  himefty  dictorum  honorem j  veritatis  fidem.  Tract.  super  psalm.  13,  1  sed  loquen- 
tibus  nobis  ea  quae  didicimus  et  legimus,  per  sollicUudinem  sermocinandi  honor  est  red- 
dendus  auctori.  Et  ejcemplum  nobis  caelestis  doctrinae  j)raestat  humani  officii  eomwetudo. 
Si  enim  quis  rerba  regis  interpreians  et  praecepta  eixis  in  aurem  popuH  deducens  curat 
diligenter  et  caute  per  officii  reverentiam  regis  satisfacere  dignitati,  tU  cum  honore  ae  reii- 
gione  omnia  et  relegantur  et  audiantur:  quanto  magis  convenit  dei  eloquia  ad  cognitionem 
humanam  reiractantes  dignos  nos  hoc  officio  praestare?  Hieronym.  epist.  58,  10  (1  Sp.  324 
Vall.)  Hilarius  gallicano  cothurno  aitolUtur  et  cum  Graeciae  floribus  adometur  langis  inter- 
dum  2}eriodis  involmtur  et  a  lectione  simpUciorum  fratrum  procül  est.  J.  Stix,  Zorn  Sprach- 
gebrauch  des  hl.  Hilarius  von  Poitiers  in  seiner  Schrift  de  trinitate,  Rottweil  1891. 

899.  Das  Fortleben  des  Hilarius.  Die  Wirksamkeit  des  Hilarius 
war  eine  so  tiefgehende,  dass  sich  das  Andenken  an  sie  bis  in  die  spä- 
testen Zeiten  wach  erhalten  hat.  Wie  man  aus  Sulpicius  Severus  sieht, 
verknüpfte  sich  mit  dem  Namen  des  Hilarius  der  Ruhm,  das  ortho- 
doxe Bekenntnis  in  Gallien  wieder  hergestellt  zu  haben,  i)  Bald  lagerte 
sich  auch   der  Heiligenschein  um  die  Person  des  Bischofs,   und  jetzt  tritt 

M  Sulpicius  Sev.  Chron.  2,  45,  7  (p.  99       larii  beneficio  GalHas  nostras  piaculo  haeresuf 
Halm)  illud  apud  omnes  constitit  unius  Hi-   \   liberatas. 


miariofl  Ton  Pottiers.    (§  899.)  273 

er  in   das  Reich    der  Legende    ein;    das  Mirakelbüchlein   des  Yenantius 
Fortanatus  belehrt  uns,   wie  sehr  auch  in  dieser  Beziehung  sein  Ruhm 
gestiegen  war.^)  Auch  in  seinen  litterarischen  Produkten  hatte  sich  Hila- 
riu8  sein  Fortleben  gesichert.    Zwar  die  Gelegenheitsschriften,   die  er  in 
seinem  Kampfe  gegen  den  Aiianismus  verfasste,  mussten  naturgemäss  in 
späterer  Zeit  in  den  Hintergrund  treten,  allein  seine  Bibelcommentare  und 
sein  spekulatives  Werk  über  die  Trinität  gewannen  eine  einschneidende 
'  Bedeutung  für  die  Folgezeit.   Durch  die  Bibelcommentare  war  zum  ersten- 
mal die   allegorische  Erklärung  der  alexandrinischen  Schule   in   bedeut- 
^  samer  Weise  dem  Abendland  vorgeführt  worden.   Die  Allegorie  blieb  dann 
durch  das  ganze  Mittelalter  in  Uebung,  beherrschte  die  Predigt  und  durch- 
^  drang  auch  die  Kunst.    Das  tiefsinnige  Werk  über  die  Trinität  kann  das 

*  Verdienst  für  sich  beanspruchen,  den  Occident  mit  dem  Wesen  der  grie- 
(duschen  theologischen  Spekulation  in  glänzender  Weise  bekannt  gemacht 
^m  haben;  wir  können  nachweisen,  dass  es  von  den  nachkommenden 
^kirchlichen  Schriftstellern  gelesen  wurde ;^)  der  Behandlung  der  christo- 
i  logischen  Probleme  hat  es  stets  Fermente  geliefert.')  Auch  das  erscheint 
1^  ab  bedeutungsvoll,  dass  Hilarius  zum  ersten  Male  den  Grundsatz  verficht, 
;  dass  hl.  Qegenstände  an  und  ffir  sich  eine  würdige  Form  der  Darstellung 

*  erheischen.^)  Wie  bei  allen  bedeutenden  Persönlichkeiten  der  Glanz  des 
;!  Namens  leicht  dazu  verführt,  ihnen  fremde  Produkte  zuzuschieben,  so  ist 
^es  auch  bei  Hilarius  geschehen,  doch  in  geringem  Masse;  die  Originalität 
I»  seines  Stiles  trat  als  Hindernis  entgegen.  Die  Neuzeit  urteilt,  wie  gesagt, 
'^  Uist  durchweg  anerkennend  über  die  theologische  Bedeutung  des  Hilarius. 

»  Unechte  Produkte  siod  folgende: 

i  1.  Abhandlangen  über  Matth.  1,  Job.  1  and  Matth.Q,  2  f.;  sie  warden  pabliziert  aas 

-  Vaticanns  4222  von  A.Mai,  Nova  Patram  Bibl.  1  (Rom  1852)  pars  1  p.  477.  Schon  die 
,  Benediktiner  (Ansg.  1  p.  YII)  haben  aaf  Grund  von  zwei  Stellen  die  Autorschaft  des  Hilarius 
.  bestritten,  weil  die  Sprache  hier  eine  andere  sei  als  die  des  Hilarius,  und  selbst  Mai  (p.  475) 
>  Tormag  nicht  die  Bedenken  ob  der  Echtheit  zu  unterdrücken. 

b  2.  Der  Commentar  zu  den  Briefen  des  Paulus.    Pitra  hat  den  im  cod.  Cor- 

'  beienais  s.  IX  (jetzt  in  der  Stadtbibliothek  zu  Amiens  No.  88)  enthaltenen  Conunentar  zu 
f  den  13  paulinischen  Briefen  dem  Hilarius  von  Poitiers  zugeschrieben;  allein  der  Commentar 
j  irt  gar  kein  einheitliches  Werk;  denn  der  Commentar  zu  den  drei  ersten  paulinischen 
f  Briefen  ist  mit  dem  sog.  Ambrosiaster  identisch  (§  945),  der  zu  den  übrigen  Briefen  ist  da- 
,  gegen  die  Uebersetznng  eines  Commentars  Theodors,  der  Bischof  von  Mopsuestia  392/3—428/9 
^  war;  vgl.  über  diesen  Eihn,  Theodor  von  Mopsuestia  und  Junilius  Afncanus  als  Exegeten, 
f  IVeib.  i.  Br.  1880.  (Gegen  die  Abfassung  des  Ambrosiaster  durch  Hilarius  vgl.  Marold, 
^  Der  Ambroeiaster  nach  Inhalt  und  Ursprung,   Zeitschr.  für  wisa.  Theol.  27  (1884)  p.  454.) 

AIb  Pitra  (Spicilegium  Solesmense  1  (Paris  1852)  p.  49  f.)  Teile  dieses  Commentars  und 
,  Collationen  desselben  veröffentlicht  hatte,  erkannte  J.  L.  Jacobi  (Deutsche  Zeitschr.  für 
^  diriatl.  Wissenschaft  u.  christl.  Leben,  Augustnummer  1854),  dass  wir  hier  eine  Uebersetzung 
;  Theodors  vor  ans  haben,  und  unabhängig  von  ihm  machte  auch  F.  J.  A.  Hort  (Journal  of 

elasaical  and  sacred  philology  4  (1859)  p.  302)  die  gleiche  Entdeckung.  Hort  fand  über- 
[  üea  eine  zweite  Handschrift  des  durch  den  Corbeiensis  überlieferten  Commentars,  den  Har- 
;  leianos  30d3  s.  IX.  Wie  die  vorhandenen  Fragmente  des  griechischen  Originals  zeigen, 
'  acMiesst  sich  die  Uebersetzung  treu  an  dasselbe  an  (vgl.  Swete  p.  XXXVI,  p.  XLl);  die 
t  Laiinität  weist  auf  Afrika  hin  (vgl.  dens.  p.  XLI);  der  Verfasser  scheint  juristisch  gebildet 

m  sein  (vgl.  ebenda)  und  im  6.  Jahrhunderi;  gelebt  zu  haben  (vgl.  p.  LVUI).    üeber  den  Wort- 


^)  Ueber  das  Gedicht  des  Venant.  For- 
tanat.  2,  15  vgl.  Leo  in  seiner  Ausg.  p.  43. 

*)  Vgl.  Migne  10  Sp.  9  no.  2.  Centonen 
ans  demselben  bei  Migne  10  Sp.  883;  Sp.  887. 

')  Förster,  Theologische  Studien  und 


Kritiken  61  (1888)  p.  656:  3eine  Lehre  ist 
für  die  zukünftige  Entwicklung  der  christo- 
logischen  Frage  nicht  ohne  Bedeutung  ge- 
blieben." 

*)  Vgl.  oben  p.  264  Anm.  1. 


Haadtraoh  der  kltM.  AltertmatwImeiiaeliAft.  vm.  4.  18 


274  Lueifer  Ton  Calaris.    (§  900.) 

schätz  Tgl.  p.  XXXVII.  Die  lateinische  Uebersetcung  kannte  aach  Hrabamis;  aber  meik- 
wOrdig  ist,  dass  in  seiner  Vorlage  der  lateinische  Theodor  von  Mopsuestia  später  begina,  ih 
in  den  genannten  Handschriften;  vgl.  Swete  p.  XLIX:  «It  is  certain  that  in  ihis  Ms.  the  woA 
of  Ambrosiaster  was  carried  on  to  Üie  end  of  Uphesians,  bis  place  being  usurped  hj  T1ieo4«n 
only  in  the  eight  foUowing  epistles.'^  —  Ausg.  Nach  den  partieUen  VeröffenUiehaa^ 
Pitras  im  Spicil.  Solesmense  und  Jacobis  in  den  Haller  Programmen  1855,  1856,  1858. 
1860,  1866,  1872  erschien  die  erste  vollständige  Ausgabe  von  H.  B.  Swete,  TheoM 
episcopi  Mopsnesteni  in  epistolas  B.  Pauli  commentarii;  the  latin  Version  with  the  greek 
fragments  with  an  introduction,  notes  and  indices.    2  Bde.,  Cambridge  1880/82. 

3.  Eine  Homilie;  sie  findet  sich  bei  Fr.  Liverani,  Spicileginm  Liberianom,  FIorb 
1863,  p.  113. 

4.  Ein  Brief  bei  Migne  (Bd.  10  Sp.  783);  vgl.  G.  Morin,  Revue  B^^ctme  U 
(1898)  p.  97. 

Andere  unechte  Produkte  siehe  bei  Migne  10  Sp.  519;  Sp.  879. 

Die  Ueberlieferung  liegt  klar  gesichtet  zunächst  nur  in  dem  von  A.  Zingerl« 
beai'beiteten  Psalmencommentar  vor.  Derselbe  zog  folgende  Handschriften  heran:  eoda 
rescriptus  Sangallensis  722  s.  VI/VIT;  Veronensis  XIII  11  s.  VI;  Vaticanus  Regin.  95aX; 
Parisinns  1691  s.  IX/X;  Turonensis  s.  X/XI;  Coloniensis  XXIX  (Darmst  2025)  s.  IX;  Panaiini 
1693,  olim  Mazarin.  s.  XI;  von  den  jüngeren:  cod.  Vaticanus  251  s.  XIII;  Vaticanus  249,  2tt 
s.  XV;  Duacenus  220  s.  XII;  hinzugekommen  ist  noch  eine  Handschrift  von  Lyon  s.  VI  (vgl 
Zingerle  in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akad.  Bd.  128  (1898)  Abb.  10).  Eine  Hui 
Schrift  der  Eapitelbibliotibek  von  St.  Peter  in  Rom  s.  VI  trägt  die  Subscriptio:  eontuli .... 
apud  Casulas  conatittitus  anno  XIV  Thransamund  regia  (509  f.);  Schriftprobe  bei  ZsDgt- 
meister  u.  Wattenbach,  Exempla  cod.  lat.  Tab.  52. 

Ausg.  des  Hilarius.  Die  editio  princeps  stammt  aus  dem  Jahre  1510  und  erscliici 
zu  Paris.  Von  den  älteren  Ausgaben  nennen  wir  die  Basler  aus  dem  Jahre  1535,  welclt 
Er  asm  US  besorgte;  die  Pariser  Ausgabe  des  Jahres  1572  von  Gillot.  Epochemachcii 
war  die  sogenannte  Benediktinerausgabe,  welche  von  Peter  Consta nt  (Paris  1693)  k» 
rflhrt  Eine  wertvolle  Neubearbeitung  dieser  Benediktinerausgabe  ist  die  Veroneser  des  Jalini 
1730,  welche  dem  berühmten  Gelehrten  Scipio  Maffei  verdankt  wird.  Ein  sehr  fehl» 
hafter  Abdruck  der  Veroneser  Ausgabe  ist  die  Venetianer  Ausg.  1749—1750.  Auf  der  Vcn- 
noser  Ausgabe  ruht  auch  die  letzte  an  Druckfehlem  reiche  Gesamtausgabe  der  Wnb 
des  Hilarius  bei  Migno,  Patrol.  lat.  9  und  10.  Eine  neue  Ausgabe  mit  Benutzung  aller 
kritischen  Hilfsmittel  hat  A.  Zingerle  in  Angriff  genommen;  erschienen  ist  bis  jetzt: 
S.  Hilarii  episcopi  Pietavicnsis  tractatus  super  psalmos  (Corpus  Script,  eccles.  lat.  22.  Wia 
1891);  vgl.  dazu  Wien.  Stud.  8  (1886)  p.  331;  11  (1889)  p.  314;  Kleine  philol.  Abb.  4  i\im 
brück  1887)  p.  55. 

2.  Lueifer  von  Calaris. 

900.  Biographisches.  Zu  den  Männern,  welche  in  dem  Kirchen- 
streite unter  Constantius  eine  Rolle  spielten,  gehörte  auch  Lueifer,  Bischof 
von  Calaris  (Cagliari  auf  Sardinien).  Er  befand  sich  bei  der  Gesandtschaft, 
welche  sich  im  Auftrag  des  Papstes  Liberius  im  Jahre  354  zum  Kaiser 
nach  Arles  begab,  um  die  Berufung  einer  neuen  Synode  zu  betreiben. 
Diese  Synode  wurde  im  Jahre  355  in  Mailand  abgehalten.  Als  Legat  des 
Papstes  erschien  auch  Lueifer  mit  dem  Presbyter  Pancratius  und  den 
Diakon  Hilarius.  Da  Lueifer  sieh  standhaft  weigerte,  Athanasius  un- 
gehört  zu  verdammen,  wurde  er  in  die  Verbannung  geschickt.  Er  hielt 
sich  an  mehreren  Orten  auf;  wir  hören  von  Germanicia  in  Commagene 
und  Eleutheropolis  in  Palästina.^)  Als  das  Edikt  Julians  erschien,  welches 
allen  verbannten  Bisehöfen  die  Rückkehr  in  ihre  Diözesen  gestattet«,  b^ 
fand  sieh  Lueifer  in  der  Thebais.  Der  sardinisehe  Bischof  verliess  jetzt 
sein  Exil;  auch  Athanasius  kehrte  zurück  und  berief  ein  Conzil  nacl 
Alexandrien,  um  die  kirchlichen  Parteien  zu  einigen.  Der  grosse  Mann 
hatte   wohl   erkannt,   dass  im  langen  Lauf  des  Streites  die  Parteigegen- 

*)  Krüger  p.  21. 


Laoifer  Ton  Calaris.    (§  901.)  275 

Use  sich  so  abgemildert  hatten,  dass  eine  versöhnende  und  vermittelnde 
»^i^a:u  i^jjj  Platze  war.     An  dieser  Synode  nahm  Lucifer  nicht  teil,  son- 


liess  sich  vertreten.  Er  selbst  begab  sich  nach  Antiochien,  um  die 
ort  bestehenden  kirchlichen  Wirren  in  seinem  intransigenten  Sinne  zu 
rdnen.^)  Als  die  versöhnlichen  Beschlüsse  des  Conzils  zur  Kenntnis  Lu- 
ifers  kamen,  brach  der  verbissene  Zelot  mit  seinen  bisherigen  Freunden. 
■r  blieb  nicht  isoliert;  es  tauchte  das  Schisma  der  Luciferianer  auf,  welche 
Ue  froheren  Arianer  für  unfähig  erachtet  wissen  wollten,  ein  Kirchenamt 
a  bekleiden,  üeber  die  letzten  Lebensjahre,  die  Lucifer  wiederum  in 
ardinien  zubrachte,  wissen  wir  nichts.  Sein  Tod  fallt  in  das  Jahr  370 
der  371. 

Zeugnisse.  Hieronyin.  de  vir.  ill.  95  lAicifer,  Caralitanus  episcopus  cum  Pancratio 
\  Büario  Romanae  eccUsiae  clericis  ad  Conatantium  imperatorem  a  Liberio  episcopo  pro 
tfe  iegatus  missus,  cum  nollet  suh  nomine  AthancLsii  Nicaenam  damnare  fidem,  in  Palae- 
fimam  rdegatus,  mirae  canstantiae  et  praeparati  animi  ad  martyrium,  contra  Canstantium 
mpmratarem  Bcripsit  Hbrum,  eique  legendum  misit  ae  non  muUo  post  sub  Juliano  principe 
wwersus  CaraJis,  Valentiniano  regnante,  obiit,  Hieronyin.  z.  J.  2386  =  370  n.  Chr.  (2 
•  197  Seh.)  Lucifer  Caralitanus  episcopua  moritur,  qui  cum  Gregorio  epiacopo  Hispaniarum 
t  J^iUme  Libgae  numquam  se  Arrianae  miscuit  pravitati;  vgl.  jedoch  Krüger  p.  56  Anm.  5. 
^g).  anch  den  Index  bei  Qaenther,  CoUectio  Avellana  2  p.  837  s.  v.  Lucifer. 

901.  Die  Schriften  Lucifers.  Zum  Verständnis  der  Schriftstellerei 
!jncifers  ist  von  der  Thatsache  auszugehen,  dass  seine  litterarischen 
Produkte  sämtlich  im  Exil  geschrieben  und  an  den  Kaiser  Con- 
(tantius  gerichtet  sind.  Dadurch  bestimmt  sich  Anlass  und  Ziel  der 
ichriften.  Lucifer  greift  zur  Feder,  weil  ihm  durch  die  Verbannung 
{Tosses  unrecht  geschehen.  Er  wendet  sich  an  Constantius,  weil  er  in 
hm  den  Urheber  des  ihm  widerfahrenen  Unrechts  sieht,  und  er  bezweckt 
ngleich,  den  Kaiser  in  der  Qlaubenssache  auf  die  rechte  Bahn  zu  bringen. 
^ir  zählen  die  Schriften  in  der  Ordnung  auf,  in  der  sie  wahrscheinlich 
kbgefasst  sind. 

1.  De  non  conveniendo  cum  haereticis.  Die  Schrift,  die  allem 
Lnscheine  nach  unter  dem  frischen  Eindruck  des  Conzils  in  Mailand  ver- 
aast ist,  wendet  sich  gegen  den  Ausgleich  mit  den  Arianern,  die  als 
, Söhne  der  Finsternis"  bezeichnet  werden,^)  und  verurteilt  die  Politik  des 
Ilaisers,  der  im  Interesse  des  Friedens  die  Einigung  der  kirchlichen  Par- 
aien  herbeif&hren  wollte.^) 

2.  De  regibus  apostaticis.  Constantius  hatte,  um  sein  Verfahren 
n  der  Qlaubenssache  zu  rechtfertigen  und  dasselbe  als  ein  gottgefälliges 
^erk  hinzustellen,  darauf  hingewiesen,  dass  seine  Regierung  doch  sicht- 
tch  von  oben  gesegnet  sei.  Diesem  Ausspruch  des  Kaisers  tritt  Lucifer 
mtgegen,  weist  auf  das  Schicksal  verschiedener  Könige  im  alten  Testa- 
nent  hin,  hebt  hervor,  dass  die  Strafe  nur  aufgeschoben  sei,^)  und  dringt 
n  Constantius,  von  dem  Arianismus  zur  wahren  Kirche  zurückzukehren, 
lamit  ihm  die  Verzeihung  Gottes  zu  teil  werde. 

Zar  Entstehangsgeschichte  der  Schrift.  Als  der  Ansspruch  des  Kaisers  wird 
■k  Eingang  angegeben  (p.  85,  7):  nisi  catholica  esset  fides  Arriif  hoc  est  mea,  nisi  plaeitum 


«)  Vgl.  Krüger  p.  50. 

«)  Vgl.  p.  20,  4. 

')  Vgl.  p.  13,  18  nobis  dicebas:  pacem 


volo  fieri  und  p.  14,  1. 
*)  Vgl.  p.  49,  29. 


U 


276  Luoifer  Ton  Galarüi.    (§  901.) 

es»et  deo  quod  illam  persequar  fidem  quam  contra  no$  aeripserint  apud  Kiciam,  numpmm 
profecto  adhuc  in  imperio  florerem.  In  etwas  anderer  Fassnng  wird  der  Ansspra«^  lock 
mehrmals  wiederholt;  ygl.  p.  57,  15;  59,  8;  59,  24;  61,  6;  61,  21. 

Ueber  das  Ziel  der  Schrift  geben  Aufschluss  die  Worte  35,  5:  paucorum  VAi 
in  apostaaia  atque  crudelitate  aequalium  regum  facta  desiderati  reaerare  ....  non  iUonm 
regutn  facio  mentionem  qui  a  dei  notUia  fuerunt  alieni;  de  his  aolis  tracto  qui  in  Jud/m 
noscuntur  regnasse. 

3.  De  sancto  Athanasio.  Der  Kaiser  Constantias  hatte  auf  dem 
Conzil  von  Mailand  verlangt,  Athanasius  ungehört  zu  verurteilen.  Dies 
sah  Lucifer  als  eine  schreiende  Ungerechtigkeit  an.  Um  den  Nachweis 
dafür  zu  liefern,  schrieb  er  zwei  Bücher  «de  sancto  Athanasio*.  In  der 
massgebenden  Ueberlieferung  aber  lautet  die  Ueberschrift  des  Werks: 
„Quia  absentem  nemo  debet  iudicare  nee  damnare",  und  in  der  That  wird 
damit  der  Richtpunkt  der  ganzen,  ungeheuer  weitschweifigen  Darstellung 
bezeichnet.   Viel  Material  liefern  wieder  die  Bücher  des  alten  TestameDts. 

Zur  Entstehungsgeschichte  der  Schrift  Der  Eingang  der  Schrift  laata 
(p.  66,  4):  Cogis  nos,  Constanti,  absentem  damnare  consacerdotem  nostrum  religiasum  AÜn^ 
nasium;  sed  divina  id  facere  prohibemur  lege, 

4.  De  non  parcendo  in  deum  delinquentibus.  Wie  in  der 
zweiten  Schrift,  so  ist  es  auch  hier  ein  Ausspruch  des  Constantius,  der 
dem  Lucifer  Anlass  zu  einem  Pamphlete  gibt.  Der  Kaiser  hatte  sich  über 
das  unverschämte  Verhalten  des  Lucifer  und  seine  Arroganz  gegen  flu 
misshebig  ausgesprochen.  Dieser  wohlbegründete  Tadel  versetzte  dei 
fanatischen  Bischof  in  die  höchste  Aufregung;  er  hielt  dem  Kaiser  dai 
Wort  entgegen,  dass  er  als  Priester  das  Recht  habe,  dem  Häretiker  die 
Wahrheit  zu  sagen.     Er  sei   wahrhaftig  und  fürchte  niemand  als  6ott>) 

Zur  Entstehungsgeschichte  der  Schrift.  Die  Aeusserung  des  Kaisers  gibt 
Lucifer  p.  212,  2  also  wieder:  „ego  te  argiw  cur  insolens  sis,  cur  coniumeliasus  imperaton 
extiteris;  et  tu  fidei  causam  retexis.^ 

5.  Moriendum  esse  pro  dei  filio.  Der  Grundgedanke  der  Schrift 
ist:  wir  halten  fest  an  dem  Glauben  an  den  einzigen  Sohn  Gottes,  auch 
wenn  die  grössten  Martern  und  der  Tod  uns  treffen,  denn  unser  wartet  ein 
ewiger  Thron  im  Himmel.  Wir  betrachten  es  sogar  als  ein  Glück,  för 
Christus  den  Tod  zu  erleiden.  Die  Grausamkeit  des  Constantius  gegen 
die  orthodoxen  Christen  wird  bis  zum  Ueberdruss  erwähnt  und  ihm  das 
Strafgericht  Gottes  in  Aussicht  gestellt.  Der  Traktat  ist  etwas  lesbarer 
als  die  übrigen;  der  Grund  liegt  darin,  dass  die  Bibelstellen  nicht  in  so 
erdrückendem  Masse  herangezogen  sind.  Auch  darf  nicht  übersehen  wer- 
den, dass  der  Autor  in  dieser  Schrift  nicht  selbständig  ist,  denn  er  schreibt 
den  pseudocyprianischen  Traktat  „de  laude  martyrii"  und  einige  Briefe 
Cyprians  aus. 

Quellen.  Harnnck  (Texte  und  Untersuchungen  Bd.  13  Heft  4  p.  4)  gibt  eine 
üebersicht  der  von  Lucifer  ausgeschriebenen  Stellen.  Aus  denselben  geht  hervor,  da» 
Lucifer  ein  Exemplar  benutzt  hat,  in  dem  der  Traktat  „de  laude  martyrii''  mitten  unt^ 
den  Briefen  6,  10,  37,  55  (vielleicht  auch  58)  gestanden  hat,  d.  h.  dass  er  ein  Gypnan* 
Exemplar  benutzt  hat,  in  dem  die  Schriften  wesentlich  ebenso  geordnet  waren,  wie  in  den 
Mo  mm  senschen  Verzeichnis.  In  der  Schrift  kommt  auch  der  Satz  vor  p.  310,  11:  quou^qw 
tandem  ahuteris  dei  patientia,  Constanti?  Allein  es  wäre  zuviel  geschlossen,  wenn  nui 
nach  diesem  Satz  eine  Bekanntschaft  Lucifors  mit  den  ciceronischen  Schriften  annehmfn 
würde,  da  ja  der  zu  Grunde  liegende  Satz  Ciceros  ein  geflügeltes  Wort  darstellt. 

Die  Abfassungszeit  der  Schriften.    Da  das  Exil  Lucifers  von  356-361  währt«'. 

')  p.  261,  16. 


Luoifer  Ton  CalariB.    (§  902.)  277 

kk  der  Zeitrahmen  fttr  dessen  Schriften  gegeben.  Die  Bestimmung  der  Abfassangszeit  jeder 
Miselnen  Schrift  ist  mehr  oder  weniger  hypothetisch,  im  Grunde  genommen  auch  nicht 
widxtig.  Hartel  (Archiv  für  lat.  Lex.  3  (1886)  p.  3)  bestimmt  die  einzelnen  Schriften  chrono- 
logiBch.    Vgl.  jedoch  Krüger  p.  102. 

Acht  Briefe  sind  der  Ausg.  Harteis  beigegeben;  von  denselben  stehen  No.  3 — 8 
im  Yaticanus.    Darunter  sind  mehrere  Briefe  von  Lucifer. 

Exhortatio  ad  neophytos.  Ueber  die  von  Gaspari  dem  Lucifer  zugeschriebene 
Schrift:  Exhortatio  S.  Ambrosii  episc.  ad  neophytos  de  symbolo  vgl.  §  906  p.  283. 

903.  Charakteristik.  Lucifer  war  ein  Mann  von  Charakter,  aber 
kein  Mann  von  Geist.  Er  war  ganz  unfähig,  den  spitzfindigen  Spekula- 
tionen über  das  Horoousion  zu  folgen;  was  er  in  sich  aufgenommen  hatte, 
war  der  Satz,  dass  Christus  der  eingeborene  Sohn  Gottes  und  gleichen 
Wesens  mit  dem  Vater  sei.  Dieser  Satz  bildete  für  ihn  das  Element 
•eines  Lebens,  und  wer  ihn  nicht  teilte,  galt  ihm  als  verworfener  Mensch. 
Die  Häresie  erscheint  ihm  schrecklicher  als  das  grösste  Verbrechen. 
Starrer  Eigensinn  und  wilder  Hass  gegen  anders  Denkende  machen  das 
Wesen  dieses  Mannes  aus.  Er  war  der  Kirche  nützlich,  solange  es  galt, 
der  kaiserlichen  Eirchenpolitik  Trotz  zu  bieten;  er  erwies  sich  schädlich 
und  unnütz,  als  es  sich  darum  handelte,  durch  weise  Mässigung  dem 
nicaenischen  Glaubensbekenntnisse  zum  Sieg  zu  verhelfen.  Es  ist  eine 
eigentümliche  Lronie  des  Schicksals,  dass  der  Mann,  der  die  Häresie  mit 
dem  grössten  Abscheu  verfolgte,  selbst  zum  Schismatiker  wurde.  Die  Eng- 
herzigkeit dieses  Bischofs  zeigt  sich  auch  in  der  ablehnenden  Haltung, 
welche  er  gegenüber  der  weltlichen  Bildung  einnimmt.  Die  hl.  Schrift 
ersetzt  ihm  alle  Bücher;  er  ist  sogar  stolz  auf  seine  Unkenntnis  der  pro- 
fimen  Litteratur.  Auch  auf  die  Darstellung  legt  er  keinen  Wert.  Er 
nimmt  aus  dem  Volksidiom,  was  ihm  gerade  passt,  mag  es  das  gebildete 
Ohr  noch  so  beleidigen.  Ein  Gefühl  für  Schönheit  und  Ebenmass  der 
Form  ist  ihm  gänzlich  versagt.  Ein  solcher  Mann  ist  nicht  zum  Schrift- 
steller geboren;  er  greift  nur  zur  Feder,  wenn  die  Umstände  ihn  dazu 
drängen.  Lucifer  ist  im  wesentlichen  nichts  anderes  als  ein  Pamphletist. 
Der  Hass  gegen  den  arianisch  gesinnten  Kaiser  Constantius  ist  der  Lebens- 
odem seiner  Schriften.  Man  staunt,  wie  es  möglich  war,  den  Herrscher 
eines  grossen  Reiches  mit  solchen  Schimpfworten  zu  belegen;  man  staunt 
noch  mehr,  wenn  man  hört,  dass  der  Fanatiker  Sorge  dafür  trug,  dass 
seine  Schmähschriften  auch  dem  Kaiser  zu  Händen  kamen.  Wahrlich, 
unsere  hohe  Bewunderung  nimmt  der  Kaiser  in  Anspruch,  der  nichts  an- 
deres that,  als  dass  er  bei  dem  Bischof  anfi-agen  Hess,  ob  denn  diese 
Schriften  wirklich  ihn  zum  Verfasser  hätten. i)  Die  rohe  Natur  Lucifers 
liess  sich  nicht  zur  Umkehr  bestimmen;  er  antwortete  mit  hochmütigem 
Trotze.^)  Die  Pamphlete  sind  eine  höchst  unerfreuliche  und  sehr  ermü- 
dende Lektüre.  Der  Autor  ist  gar  nicht  im  Stande,  ein  Thema  zu  ent- 
wickeln; er  stellt  einen  Satz  hin  und  schleppt  dann  von  allen  Seiten  aus 
der  Bibel  Stellen  herbei,  welche  nach  seiner  Ansicht  zur  Begründung  des 
aufgestellten  Satzes  dienen  können.  Dieses  Heranziehen  von  ^ 
geschieht  in  einem  Masse,  dass  der  Leser  fast  erdrückt  wi 

')  Vgl.  den  Brief  p.  321   der  Hartel-  ')  Vgl  das  8d* 

sehen  Ausg.  HarteL 


278  ^^  Luoiferianw.    (§  903.) 

das  Gute,  dass  uns  ein  reicher  Born  der  vorhieronymianischen  Bibelüber^ 
Setzung  erschlossen  wird.  Dass  die  willkürlichste  Exegese  mltonteriiaft, 
ist  leicht  begreiflich.  Seine  Unfähigkeit,  einen  Qedanken  auszospinnen, 
nötigt  ihn  zu  schablonenhafter  Anwendung  stilistischer  Formen;  so  wird 
z.  B.  in  dem  ersten  Traktate  die  Frageform  zu  Tode  gehetzt.  Kunst- 
voller Periodenbau  ist  diesen  Produkten  ganz  fremd.  Für  den  Theologen 
haben  diese  Pamphlete  nur  geringes  Interesse,  denn  ihr  Autor  ist  in  der 
Theologie  ein  Ignorant.^)  Sie  konnten  auch  nicht  in  die  Bewegung  der 
damaligen  Zeit  eingreifen,  sie  blieben  eine  vereinzelte  Stimme  in  den 
wogenden  Kampfe.  Für  die  Jetztzeit  haben  sie  nur  psychologisches  Inter- 
esse; wie  in  einem  Spiegel  geben  sie  uns  den  Charakter  Lueifers,  rdn 
und  unverfälscht. 

Lacifers  feindselige  Stimmung  gegen  die  weltliche  Bildung,  p.  306,  U 
nos  vero,  quibua  ad  loquehdwn  natura  sufficit,  alieni  ab  omni  seientia  ethnicalium  litten- 
runtf  ad  omnem  desiruendam  haeresem  valemus,  quia  res  ipsa  et  veritas  loqttantur,  p.  306, 23 
nos  sumus  tantum  sacras  scientes  liiteras.  noster  sermo  est  communis,  contra  tester  pdUttu 
ornatuSf  qui  etiam  dici  mereatur  disertus,  p.  256,  6  probant  epistolae  mtae  mediocrUalu 
et  libri  rustico  licet  sermone  descripti.  p.  294,  23  quae  dignus  es  a  rusticis  licet  tamtn 
Christianis  audis.    Vgl.  aber  Weyman,  Zeitschr.  für  österr.  Gymn.  43  (1892)  p.  110. 

Die  Ueb erlief erung  beraibt  auf  einem  einzigen  Codex,  dem  Vaticanas  133  8.  IX^l; 
von  demselben  besitzen  aber  nur  die  Lesarten  erster  Hand  urkundlichen  Wert. 

Ausg.  Die  erste  Ausgabe  rührte  von  Tilius  her  und  erschien  im  Jahre  1568  ib 
Paris;  derselben  liegt  der  genannte  Codex  zu  Grund;  vgl.  Hart  eis  Prolegomena  p.  IL 
Weiter  sind  zu  erwähnen  die  Ausgabe  in  Maxima  Bibliotheca  veterum  pafcmm  tom.  4  (Ljod 
1677)  p.  181  und  die  Ausgabe  des  Andreas  Gallandi  in  dem  6.  Band  der  Bibliotiüei 
veterum  patrum  aus  dem  Jahre  1770.  Es  folgte  im  Jahre  1778  zu  Venedig  die  Ausgabe  der 
Brüder  Dominions  und  Jacob  Coleti.  Aus  der  Ausgabe  der  Coleti  floss  die  Migne» 
13  Sp.  692.  Massgebend  ist  jetzt  die  Ausgabe  von  Hartel,  Luciferi  Calaritani  opascnU 
(vol.  14  des  Corpus  scriptorum  ecclesiasticorum  latinonim,  Wien  1886). 

Litteratur.  G.  Krüger,  Lucifer,  Bischof  von  Calaris,  u.  das  Schisma  der  Laci- 
ferianer,  Leipz.  1886  (das  erste  Kapitel  erschien  auch  als  Dissertation,  Giessen  1886); 
Hartel,  Lucifer  von  Cagliari  und  sein  Latein  (Archiv  für  lat.  Lexikographie  3  (1886)  p.  1). 

3.  Die  Luciferianer. 

903.  Die  Schriften  der  Luciferianer.  Nachdem  das  Concil  von 
Nicaea  im  Jahre  325  die  rechtgläubige  Formel  über  die  Trinität  fest- 
gestellt hatte,  wollte  man  denjenigen,  welche  sich  derselben  unterwerfen 
und  ihre  Häresie  abschwören  würden,  die  Aufnahme  in  die  allgemeine 
Kirche  gewähren.  Bezüglich  der  Laien  erhoben  sich  keine  Schwierigkeiten: 
dagegen  war  den  Rigorosen  die  Aufnahme  der  ehedem  häretischen  Bischöfe 
ein  Greuel,  weil  ihr  Abfall  vom  wahren  Glauben  nicht  verziehen  werden 
könne.  Die  Bewegung  knüpft  sich  an  den  Namen  Lueifers,  und  obwohl 
man  nicht  erweisen  kann,  dass  dem  Schisma  von  ihm  eine  greifbare  Ge- 
stalt gegeben  worden  sei,  atmete  die  Opposition  der  Luciferianer  doch 
seinen  Geist.  Ueber  das  Schisma  unterrichtet  uns  besonders  eine  Bitt- 
schrift der  Presbyter  Faustinus  und  Marcellinus,  in  der  sie  im  Jahre 
383  oder  384  die  Kaiser  Valentinian,  Theodosius  und  Arcadius  um  Schutz 
gegen   die   zahlreichen   Bedrückungen   anflehten.     Ein   noch  vorhandenes 

^)  Doch  kennt  er  Tertulllan;  vgl.  Har-   '   lianisches  Gut  henutzt,  sondern  auch  bei  der 


nack,  Tertullian  in  der  Litt,  der  alten  Kirche 
(Sitzungsber.  der  Berl.  Akad.  der  Wissensch. 
1895  p.  551):   „Lucifer  hat  nicht  nur  tertul- 


Wiedergabe  der  orthodoxen  TrinitAisIehr« 
tertullianische  Formeln  eingemischt,  ja  sogar 
mit  dem  Wortlaut  des  Nicaenums  verbunden.* 


Die  Lnoiferianer.    (§  903.) 


279 


kaiserliches  Rescript  an  den  praefectus  pra^torio  Cynegius  gibt  den  beiden 
Piresbytern  Recht.  Der  Verfasser  der  Bittschrift  ist  Faustinus,  dessen 
lehriftstellerische  Eigentümlichkeit  wir  noch  durch  zwei  Schriften  kon- 
trollieren können.  Wahrscheinlich  nachdem  durch  das  kaiserliche  Schreiben 
die  Rechtgläubigkeit  des  Faustinus  anerkannt  war,  wandte  sich  die  Kai- 
serin Flaccilla,  die,  wie  es  scheint,  arianische  Neigungen  hatte,  an  den 
Presbyter,  um  über  die  Trinität  authentische  Belehrung  zu  erhalten.  Wir 
besitzen  noch  eine  dritte  Schrift  von  Faustinus;  es  ist  ein  Glaubens- 
bekenntnis an  den  Kaiser  erstattet,  um  sich  vom  Verdachte  des  Sabellianis- 
niiis  zu  reinigen.  Vermutlich  lag  dieses  Qlaubensbekenntnis  zeitlich  vor  den 
beiden  anderen  Schriften.  Aus  der  Bittschrift  lernen  wir  noch  den  Bischof 
Qregor  vonElvira  (bei  Granada)  als  Luciferianer  kennen ;9  allein  diese 
Persönlichkeit  ist  schwer  zu  fassen  und  die  Feststellung  ihrer  Schriftstellerei 
wehr  problematisch.  Am  wahrscheinlichsten  ist  noch  Gregors  Autorschaft 
der  Schrift  de  trinitate  sive  de  fide  ad  versus  Arianes.  Auch  der  Diakon 
Hilarius  von  Rom,  der  den  Lucifer  zu  Constantius  begleitete,^)  gehörte 
der  luciferianischen  Richtung  an  und  zwar  in  der  extremsten  Form;  denn 
er  wollte  nicht  einmal  die  arianische  Taufe  gelten  lassen  und  verfasste 
zu  diesem  Zweck  eine  Schrift  über  die  Wiedertaufe  der  Häretiker,  welche 
sich  indessen  nicht  erhalten  hat.  Allein  er  gewann  mit  seiner  Ansicht 
keinen  tieferen  Boden,  und  mit  seinem  Tode  war  auch  sie  zu  Grabe  ge- 
tragen. 

Der  sog.  libellas  precum.    Derselbe  steht  in  der  collectio  Avellana  unter  No.  2 

L5  Günther)  und  ist  durch  eine  Zwischenbemerkung  des  Redaktors  irrig  mit  No.  1  Ver- 
den; vgl.  0.  Günther,  Avellana-Studien  (Sitzungsber.  der  Wiener  Akad.  134  (1896)  p.  9) 
und  dagegen  Wittig,  Papst  Damasus  I.  (Rom.  Quartalschr.  Supplemenibd.  14  (1902)  p.  55). 
Aüflser  der  Avellana  fliesst  aber  noch  ein  anderer  Kanal  der  Ueberlieferung  in  anderen 
Sammlungen;  vgl.  Günther  p.  10.  Hier  lautet  die  Ueberschrift:  De  confeasione  verae  fidei 
et  Oittentatiane  saerae  communionis  et  persecutione  adveraantium  veritati.  Ueber  das  Yer- 
hUtnis  der  beiden  Quellen  handelt  eingehend  Günther  p.  69.  Zuerst  publizierte  die 
Schrift  Jacob  Sirmond  unter  dem  Titel:  Marcellini  et  Faustini  presbyterorum  libellus 
precum  ad  imperatores,  nunc  primum  in  lucem  editus  . . . .,  Paris  1650;  seit  dieser  Ausg. 
wM  das  Schnftchen  unter  dem  Titel  libellus  precum  angeführt;  vgl.  auch  Migne,  Patrol. 
Iftt.  13  Sp.  83.  Gennadius  de  vir.  ill.  c.  16  scripsit  (Faustinus)  et  librum  quem  Valentiniano, 
TTkeodasio  et  Ärcadio  imperataribus  pro  defensione  suorum  cum  MarceUino  quodam  pres- 
h^tero  obtülit,  Ueber  die  Zeit  der  Schrift  (383  oder  384)  vgl.  Krüger,  Lucifer  von  Calaris, 
Leipz.  1886,  p.  62  Anm.  2.  Ueber  die  Ueberreichung  der  Schrift  in  Constantinopel  vgl.  §  6 
p.  8  G.  in  hoc  Constantinopolitana  urbe.  §  1  p.  5  G.  deprecamur  mansuetudinem  vestram, 
fiissimi  imperatores  Valentiniane  Theodosi  et  Ar  codi.  §  4  p.  6  6.  ostendimus  non  nos  esse 
hatreticos  et  tarnen  quasi  haereticos  vehementer  ädfligi,  §  86  p.  30  G.  et  hoc  ipsum  neces- 
farium  est,  ut  falsi  cognomenti  discuiiamus  invidiam,  qua  nos  iactant  esse  Luciferianos. 
Ueber  das  Schisma  der  Luciferianer  vgL  G.  Krüger  p.  58. 

Des  Faustinus  Tractat  de  trinitate  sive  de  fide  contra  Arianes.  Genua- 
dina  de  vir.  ill.  c.  16  Faustinus  presbtfter  scripsit  ad  personam  Flaccillae  reginae  (f  386) 
Ädversum  Ärianos  et  Macedonianos  libros  Septem  (Kapitel),  his  eos  maxime  Scripturarum 
tesiimoHiis  arguens  et  convincens,  quibus  Uli  pravo  sensu  tUuntur  ad  blasphemiam.  Irr- 
Utaüich  ist  in  einigen  Handschriften  und  Ausgaben  die  Adressatin  Galla  Placidia  genannt. 
Die  Worte  et  Macedonianos  finden  ihre  Rechtfertigung  durch  das  7.  Kapitel,  in  dem  die 
Lehre  vom  hL  Geist  gegen  ketzerische  Ansicht  verteidigt  wird.  Uebor  die  Veranlassung 
VgL  die  Vorrede  (Sp.  37  Migne):  sollicita  interrogatione  perquiris,  quomodo  capitula  illa 
wlvantur,  quae  ab  Ärianis  adversus  Catholicos  saerae  legis  interpretationibus  opponuntur. 


1)  §  88  (p.  15  Günther)  ad  sanetum  Qre- 
^finriutn  EHberitanae  civitatis  constantissimum 
tpUeopum  fidelis  nuntius  dettUit  impiam  Osii 


praevaricationem . 

')  Vgl.  Hieronym.  de  vir.  ill.  c.  95. 


280  I>ie  Iiiioiferian«r.    (§  908.) 

Ueber  den  Inhalt  des  Briefes  der  Kaiserin  vgl.  ebenda  (Sp.  38  M.):  sed  quia  in  his  qmt 
scribere  dignata  es  ex  persona  h<ureticorum,  vidi  plurima  esse  confusa,  ut  ridereris  mihi 
non  plenius  nosse  quae  asserant  Arianü  Der  Text  bei  Migne,  Patrol.  lat.  13  Sp.  37 
stammt  aus  Gallandi,  Bibl.  vet.  Patr.  7  p.  439.  —  Gegen  die  Ansicht  Langena  (De  Com- 
mentariorum  in  epistolas  Paolinas  qui  Ambrosii  et  Qnaestionam  biblicaram  quae  Augustin 
nomine  feruntur  scriptore,  Bonn  1880;  G^sch.  der  röm.  Kirche,  Bonn  1881,  p.  599),  dai« 
Faustinus  der  Verfasser  des  Ambrosiaster  (und  der  dem  Augustin  beigelegten  Qaaeai  ex 
vet.  et  nov.  Testam.)  sei,  vgl.  Marold,  Der  Ambrosiaster  nach  Inhalt  imd  Ursprung  (Zeitsdir. 
für  wiss.  Theol.  27  (1884)  p.  462)  und  unten  §  945. 

Des  Faustinus  fides  Theodosio  imp.  oblata.  Im  Eingang  (13  Sp.  79  Mipei 
wendet  sich  Faustinus  gegen  die  nobis  invidiam  facientes,  quad  veltUi  haeresim  Sabeüii 
tueamur.  Das  Schriftchen  wird  in  die  2ieit  von  379—381  gesetzt,  «quo  tempore  Elentfaefo- 
poli  versabatur  Faustinus,  ubi  et  exagitatum  se  queiitur  a  Turbone  illius  nrbis  episcopo^ 
(Migne  Sp.  34). 

Gregor  von  Eliberis  in  Bfttika.  Hieronym.  de  vir.  iU.  c.  105  Gregorius,  Baetkm 
EHberi  episcopus,  usque  ad  extremam  senectuiem  diversos  mediocri  sermone  tractatus  am- 
posuit  et  de  fide  elegantem  Ubrum,  hodieque  superesse  dicitur,  Z.  J.  2386  =  370  n.  dir. 
(2  p.  197  Seh.)  Lucifer  Caralitanus  episcopus  moritur,  qui  cum  Qregorio  episc.  Hispaniarum 
et  Fiione  Libyae  numquam  se  Arrianae  miscuit  pravitati,  üeber  Gregorius  vgl.  G.  Krfiger. 
Lucifer  etc.  p.  76  und  Garns,  Die  Kirchengesch.  von  Spanien  2,  1  (Regensb.  1864)  p.  310. 
der  indessen  mit  Vorsicht  zu  benutzen  ist.  Man  suchte  zunfichst  nach  der  schon  dem 
Hieronymus  unbekannten  Schrift  de  fide,  und  man  glaubte,  sie  in  der  Broschüre  de  fide 
orthodoxa  contra  Arianes  aus  dem  Jahre  359  gefunden  zu  haben.  Die  Broschüre  erscheint 
jetzt  unter  den  Schriften  des  Phoebadius  (Migne,  Patrol.  lai  20  Sp.  81),  des  Vigüiu 
von  Thapsus  (Migne  1.  c.  62  Sp.  466)  und  des  Ambrosius  (Migne  17  Sp.  549).  Ffir  Gregor 
von  Eliberis  sprechen  sich  aus  Fr.  Florio,  De  sancto  Gregorio  lUiberitano  libelli  de  fide 
auctore,  nee  non  de  sanctis  Hilario  et  Hieronymo  Origenis  interpretibua,  Bologna  1789; 
Duchesne,  Bulletin  crit.  15  (1894)  p.  181  (dagegen  Krüger  p.  80;  Ficker,  Studien  si 
Vigilius  von  Thapsus,  Leipz.  1897,  p.  8).  Für  Gregor  ist  auch  geltend  zu  machen,  daas 
Augustin  epist.  148  den  Traktat  unter  dem  Namen  des  Gregor  von  Nazianz  kennt;  diese 
Autorschaft  ist  natürlich  unmöglich,  aber  sie  erklärt  sich,  wenn  in  der  Ueberlieferung  eis 
Gregorius  episcopus  als  Autor  genannt  wird,  und  es  Ifisst  sich  diese  handschriftliche  Ueber 
lieferung  auch  nachweisen;  vgl.  Morin,  Revue  d'histoire  et  de  litt^rature  religieuses  5  (19O0i 
p.  153.  Derselbe  (p|tl45)  will  ausser  de  fide  orthodoxa  noch  folgende  zwei  Schriften  dem 
Gregor  zuteilen:  «)  Tractatus  Origenis  de  libris  ss.  scripturarum;  diese  20  Homi 
lien  stehen  in  zwei  Handschriften,  einer  von  Orlöans  s.  X  und  einer  von  St.  Omer  s.  XII,  uod 
sind  von  P.  Batiffol  (Paris  1900)  veröffentlicht  worden.  Batiffol  hält  sie  der  Ueber 
lieferung  entsprechend  für  ein  Produkt  des  Origenes,  welches  von  Victorinus  von  PetUu 
lateinisch  bearbeitet  worden  sei.  Mit  Recht  wird  diese  Ansicht  sowohl  von  Morin  (p.  146 
als  von  Weyman  (Archiv  für  lat.  Lexikographie  11  (1898—1900)  p.  467;  p.  545)  bestritten. 
Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  wir  ein  lateinisches  Original  vor  uns  haben.  Weyman 
will  es  dem  Novatian  zuteilen,  allein  der  Standpunkt,  den  der  Verfasser  in  der  Trinitäto- 
lehre  einnimmt,  weist  auf  das  4.  Jalu-hundert;  vgl.  Morin  p.  160;  vgl.  auch  Batiffol. 
Bulletin  de  litti^rature  ecclesiast.  1900  p.  283;  gegen  Morin  vgl.  denselben  p.  190.  Zor 
Frage  vgl.  noch  Funk,  Theol.  Quartalschr.  82  (1900)  p.  534;  Jordan,  Die  Theologie  der 
neuentdeckten  Predigten  Novatians,  Leipz.  1902.  ß)  Septem  libri  de  trinitate.  Unter 
den  gedruckten  Werken  des  Vigilius  von  Thapsus  befinden  sich  12  Bücher  de  trinitate: 
allein  nur  die  sieben  ersten  bilden  für  sich  ein  abgeschlossenes  Ganze,  das  mit  den  fol- 
genden Büchern  nichts  zu  thun  hat;  es  fehlen  dalier  auch  die  charakteristischen  Redens 
arten  der  sieben  ersten  Bücher  in  den  fünf  letzten.  In  der  Ueberlieferung  sind  sie  meist 
dem  Athanasius  zugeschrieben;  auch  der  Name  des  Augustinus,  des  Ambrosius  und  des  £a 
sebius  werden  mit  den  Büchern  in  Zusammenhang  gebracht. 

Für  die  Zuteilung  der  drei  Schriften  an  einen  Autor  führt  Morin  eine  besonders 
charakteristische  Phrase  an,  die  sich  in  allen  drei  Schriften  gleichmässig  findet:  Tractatus 
Origenis  p.  96, 19  Ilieremias  receptissimus  prophetarum;  ebenso  de  trinitate  lib.  1  (62  Sp.242C 
Migne)  und  de  fide  orthodoxa  c.  7  (17  Sp.  561  D  Migne).  Es  ergeben  sich  übrigens  nocb 
andere  Aehnlichkeiten  sowohl  in  Bezug  auf  die  Sprache  als  auf  den  Inhalt. 

Der  Diakon  Hilarius  von  Rom.  Hieronym. dial. ad v.Lucif.  c. 21  (23  Sp.  175  Migne) 
qui  (Hilarius)  ne  baptizatos  quidein  recipiat  ab  Arianis  ....  et  cum  iam  homo  mortuus  sit, 
cum  homine  pariter  interiit  et  secta.  c.  27  (Sp.  181  M.)  legat  et  ipsius  Hilarii  libeJfos,  quos 
adversus  nos  de  haereticis  rebaptizandla  edidit.  Vgl.  G.  Krüger,  Lucifer  von  Calaris  etc. 
p.  88.  Gegen  die  Abfassung  des  Ambrosiaster  durch  unsem  Hilarius,  welche  zuerst  Bellar- 
min  behauptete,  vgl.  Marold,  Der  Ambrosiaster  nach  Inhalt  und  Ursprung  (Zeitschr.  ftir 
wiss.  Theol.  27  (1884)  p.  461)  und  unten  §  945. 


Andere  Bekämpf  er  des  Arianiemne.    (§  904.)  281 

4.  Andere  Bekämpfer  des  Arianismus. 

904.  Die  Schrift  des  Phoebadius.  Als  Hilarius  durch  Constantius 
nach  dem  Morgenland  verbannt  wurde,  war  die  rechtgläubige  Kirche  in 
Gallien  ohne  geistiges  Haupt.  Ein  solches  war  aber  um  so  mehr  nötig, 
als  durch  die  sog.  zweite  sirmische  Glaubensformel  der  Arianismus  einen 
starken  Verstoss  gemacht  hatte.  Da  stellte  sich  zur  rechten  Zeit  als  Vor- 
kämpfer Bischof  Phoebadius  von  Agennum  in  Aquitanien  ein  und  ver- 
anstaltete eine  Synode,  in  der  die  sirmische  Lehre  verdammt  wurde.  Auch 
mit  einer  schneidigen  Schrift  griff  er  im  Jahre  357  in  die  Bewegung  ein. 

Zeagnisse  über  Phoebadius.  Hieronym.  de  vir.  iU.  108  Phoebadius,  Agenni  GaU 
liarum  episcopus^  edidit  Contra  Arianes  librum.  Dieuntur  eius  et  alia  esse  opuscula,  quae 
needum  legi.  Vivit  usque  hodie  (892)  decrepita  senectuie,  Salpicius  Severus  Chron.  2,  44, 
Ip.  97  Halm  constantissimus  inter  eos  habebatur  nosterFoegadius{Phoehh^uB).  —  J.  DräsekOi 
Fboebadius  von  Agennum  und  seine  Schrift  gegen  die  Arianer  (Zeitschr.  ftlr  kirchl.  Wissensch. 
und  kirchl.  Leben  10  (1889)  p.  335;  p.  391). 

Abfassungszeit  des  liber  contra  Arianes.  Da  die  Schrift  eine  Widerlegung 
der  zweiten  sirmischen  Qlaubensformel  ist,  kann  sie  nicht  lange  nach  dem  Erlass  der- 
selben geschrieben  sein;  dies  wird  bestätigt  durch  die  Worte  c.  19  (Sp.  27  Migne)  qui  nuper 
ad  no8  hänc  fidem  egregiam  miserunt;  vgl.  auch  den  Anfang  der  Schrift. 

Unechte  Schriften.  Bei  Migne  (Patrol.  lat.  20  Sp.  31)  findet  sich  unter  den 
Schriften  des  Phoebadius  ein  Traktat  de  fide  orthodoxa  contra  Arianos  und  ein  libellus  fidei 
(Migne  I.e.  Sp.  49).  Der  erste  Traktat  gehört  aber  höchst  wahrscheinlich  dem  Gregor 
von  Eliberis  an;  v^.  §  908. 

Ausg.  Editio  princeps  von  Th.  Beza,  Athanasii  dialogi  etc.,  Genf  1570.  Andere 
Ausg.  sind  die  von  Pithoeus,  Paris  1586;  von  G.  Barth,  Frankfurt  1623  (ungünstig  be- 
urteilt von  Drftseke,  Zeitschr.  fOr  wiss.  Theol.  38  (1890)  p.  87);  von  Gallandi,  Bibl. 
vet.  Patr.  5  (1769)  p.  250;  von  Migne,  Pairol.  lat.  20  Sp.  18. 

Litteratur.  Hist.  lit.  de  la  France  1,  2  p.  266;  J.  H.  Reinkens,  Hilarius  von 
Poitiers,  Scha£fhausen  1864,  p.  166. 

905.  Altercatio  Heracliani  laici  cum  Qerminio,  episcopo  Sirmiensi. 
Ein  ungemein  interessantes  Denkmal  aus  der  Zeit  der  arianischen  Kämpfe 
ist  ein  von  Gaspari  aufgefundener  und  publizierter  Dialog,  der  zwischen 
dem  arianischen  Bischof  von  Sirmium,  Qerminius,  und  einem  Laien,  Namens 
Heraclianus,  in  Sirmium  öffentlich  stattgefunden  hat.  Es  waren  nämlich 
Heraclianus,  Firmianus  und  Aurelianus  wegen  ihres  nicaenischen  Glaubens 
ins  Gefängnis  geworfen  worden.  Der  Bischof  Germinius  Hess  die  Ge- 
fangenen zu  einem  öffentlichen  Verhör  sich  vorführen;  von  den  Gefangenen 
war  aber  Heraclianus,  obwohl  Laie,  in  der  Glaubensstreitfrage  wohl  be- 
wandert; er  trat  dem  Bischof  kühn  entgegen  und  brachte  ihm  eine  Nieder- 
lage bei.  Diese  Disputation  zwischen  dem  Bischof  und  Heraclianus  bat 
ein  Zuhörer  nicaenischen  Bekenntnisses  wohl  unmittelbar,  nachdem  die- 
selbe stattgefunden,  aufgezeichnet.  Der  Streit  dreht  sich  um  die  Trinität 
und  wird  auf  Grund  von  Bibelstellen  geführt.  In  den  Streit  mischen  sich 
aoch  anwesende  Kleriker  ein,  nämlich  Theodorus  und  Agrippinus.  Der 
Verlauf  des  Gespräches  ist  hoch  dramatisch;  nicht  bloss  mit  Gründen, 
sondern  auch  mit  Schlägen  wird  operiert.  Germinius  gerät  gleich  im 
Anfang  des  Gespräches  in  Wut,  und  auf  einen  Befehl  von  ihm  prügeln 
ein  Diakon  und  ein  Lektor  den  Heraclianus  durch;  am  Schlüsse  wurden 
die  drei  Nicaener  sogar  gezwungen,  ein  arianisches  Glaubensbekenntnis 
zu  unterschreiben.  Doch  weiss  Germinius  auch  mildere  Seiten  anzuschlggei 
er  erinnert  den  Heraclianus  daran,  dass  er  von  ihm,  dem  Bischof, 
Taufe  empfangen  habe,  er  lobt  sein  gutes  Herz,  seine  gute  Famil*'' 


282  Andere  Bekftmpfer  dee  Arianlmiiui.    (§  906.) 

als  am  Schlüsse  der  Unterredung  ein  Geschrei  sich  erhebt,  die  Oefangenen 
dem  kaiserlichen  Provinzialstatthalter  auszuliefern,  wehrt  GernuBias  mit 
den  Worten  ab:  Sie  wissen  nicht,  was  sie  thun!  und  entschuldigt  sie  durch 
das  Vorgehen  der  gleichgesinnten  Bischöfe.  0  In  der  Disputation  zeigt 
sich  der  Laie  den  ihm  gegenübertretenden  Klerikern  weit  überlegen;  ^ 
gerät  niemals  in  Verlegenheit,  stets  schlagfertig  pariert  er  die  Einwände 
der  Opponenten  und  bringt  sie  zum  Verstummen. 

Das  Schriftchen  spricht  die  Sprache  des  Volkes  und  lässt  uns  einen 
Blick  in  die  damaligen  Regungen  des  Volksgeistes  thun;  alles  ist  lebendig 
und  aus  unmittelbarer  Empfindung  hervorgegangen.  Interessant  ist,  wie  die 
Trinität  durch  das  Bild  vom  Sonnenstrahl  begreiflich  gemacht  werden  soll.') 

Das  Glaubensbekenntnis  des  Heraclianus  «ist  lediglich  eine  wSrtb'che  Re- 
prodaction  der  christologischen  Ausf&hrang  Tertollians  Apolog.  c.  21,  die  hier  wie  eine 
autoritative  regula  fidei  produciert  ist!''  (Harnack,  Tertollian  in  der  Litt  der  alten  EircJie, 
Sitzungsber.  der  Berl.  Akad.  der  Wissensch.  1895  p.  551.) 

U eberlief erung.  Das  Gespräch  ist  ttberliefert  in  einer  Stuttgarter  (Zwiefaltener 
8.  XII)  und  in  einer  Carlsruher  (Reichenauer  s.  X)  Handschrift  Die  Ueberachnft  im  Cazla- 
ruher  Codex  lautet:  AUercatio  UeracUani  laici  cum  Oertninio,  episcopo  Sirmiensi,  de  fidt 
Synodi  Nicaenae  et  Ariminensis  Arianorum.  Quod  gestum  est  in  civUate  Sirmiana  coram 
omni  pqpulo,  Idus  Janxiariae,  VI  feria,  Gratiano  et  Dagälaifo  consulibus  =  866;  v^ 
Clinton,  Fasti  Romani  1  p.  4M;  im  Stuttgarter  lautet  die  Ueberschrift  einfach:  Altercaiü 
Germinii  Ariani  et  Heracliani  cathoHci.  Aufgefunden  und  veröffentlicht  wurde  die  altercatio 
von  Caspari,  Eirchenhistorische  Anecdota  1  (Christiania  1883)  p.  133. 

90Jß.  Die  Schrifbstellerei  des  Eusebius  von  Vercellae.  Unter  die 
vom  Kaiser  Constantius  ihrer  Rechtgläubigkeit  wegen  verfolgten  Bischöfe 
gehört  auch  der  Bischof  Eusebius  von  Vercellae,  der  in  den  Orient  ver- 
bannt wurde.  Unter  Julian  konnte  er  aus  dem  Exil  zurückkehren,  und  es 
ist  selbstverständlich,  dass  er  seine  Kräfte  gegen  den  Arianismus  ins  Feld 
stellte.  Er  bearbeitete  den  Psalmencommentar  des  Eusebius  von  Caesarea 
in  lateinischer  Sprache;  das  Werk,  das  dem  Hieronymus  noch  vorlag,  ist 
uns  aber  verloren  gegangen.  Dagegen  sind  zu  uns  herübergerettet  worden 
drei  Briefe  des  Bischofs,  welche  sich  auch  auf  den  Glaubenskampf  beziehen. 
Man  wollte  ihm  noch  Anderes  zuteilen,  allein  diese  Versuche  sind  fehl- 
geschlagen. In  dem  Domschatz  zu  Vercellae  befindet  sich  aber  eine  Evan- 
gelienhandschrift,  welche  von  Eusebius'  eigener  Hand  geschrieben  sein 
soll  und  ein  wertvoller  Zeuge  für  den  vorhieronymianischen  Bibeltext  ist 
(§  773).     Eusebius  starb  im  Jahre  371. 

Zeugnisse  über  Eusebius.  Hieronym.  de  vir.  ill.  96  Eusebius,  natione  Sardur 
et  ex  lectore  urbis  Bomae  Vercellensis  episcopus,  ob  confessionem  fidei  a  Constantio  principt 
Scythopolim  et  indc  Capj)adociam  relegatus,  sub  Juliano  imperatore  ad  eeclesiam  rerersui 
edidit  In  Pmhnos  commenfarios  Eusebii  CaesariensiSy  quos  de  Graeco  in  Latinum  vertent, 
et  mortmis  est  Valentiniano  et  Valente  regnantibus.  Epist.  61,  2  (1  Sp.  346  Vall.)  sit  in 
culpa  eiusdem  confessionis  Vercellensis  Eusebius,  qui  omnium  psalmorum  commentarios  haero 
tici  hominis  vertu  in  nostrum  eloquium. 

Die  drei  Briefe  des  Eusebius.  1.  An  Constantius  (Migne  12  Sp.  947).  2.  Ad 
presbyteros  et  plebem  Italiae  (Migne  1.  c).  3.  Ad  Gregorium  episcopom  Spanensem  (Migne 
10  Sp.  713). 

Eine  Tauf  rede  ist  veröffentlicht  von  C.  P.  Caspari,  Quellen  zur  Gesch.  des  Tauf- 

*)   Gleich    im   Eingang    sagt   Germinius  I  quia   solis  est    radius,   nee   separatur  suh- 

(p.  134):  hoc  Eusebius  iUeexiliaticius  te  do-  I  stanfia,  sed  extenditur,  ut  lumen  de  lumint 

cuit,  et  HilariuSf  qui  nunc  ipse  de  exilio  venit,  I  accensum,   Manet  integra,  indefecta  matem, 

wo  das  ttunc  sehr  ungenau  ist.  '  etsi  plures  inde  traduces  qualitatum  mutueru. 

*)  p.  143  cum  radius  ex  sole  porrigitur,  |  Ita   et   quod  de  deo  profectum  est,   deus  ett 

portio  ex  summa  est;  sed  sol  erit  i»  radio,  \  et  dei  filius,  et  unum  ambo. 


Arianer.    (§907.)  288 

Symbols  and  der  GUubensregel  2  (Christiania  1869)  p.  132  und  wiederam  in  den  Alten 
und  neaen  Quellen  etc.,  Ghristiania  1879,  d.  186.  Gaspari  wollte  die  Taufrede  dem  Lucifer 
beüegen.  Allein  dass  sie  demselben  nicht  gehört,  kann  begründet  werden.  Andererseits 
ist  es  aber  auch  haltlos,  wenn  sie  G.  Krüger  (Lucifer,  Bischof  von  Galaris,  Leipz.  1886, 
p.  118)  dem  Eusebius  zuerkennt;  vgl.  oben  p.  277.  Ein  Glaubensbekenntnis  de  sancta  trini- 
tate  confessio  (Migne  12  Sp.  959)  wurde  ebenfalls  aus  unzureichenden  Gründen  dem  Eu- 
sebius zugeschrieben. 

Der  Evangeliencodex  von  Vercellae  ist  herausgegeben  von  J.  Belsheim,  Codex 
Yercellensis.  Quattuor  evangelia  ante  Hieronymum  latine  translata  ex  reliquiis  codicis  Ver- 
cellensis  saeculo  ut  videtur  IV.  scripü  et  ex  editione  Iriciana  principe  denuo  ed.  J.  B., 
Ghristiania  1894.  

Hosius,  Bischof  von  Corduba  (f  357).  Er  war  einer  der  grössten  Vorkämpfer 
gegen  die  Arianer  im  Abendlande;  ein  griechisch  geschriebener  Brief  steht  bei  Athanasius 
Hifltoria  Arianomm  c.  44  (Migne,  Patrol.  gr.  25  Sp.  744;  Patrol.  lat.  8  Sp.  1827).  Ais  Schriften 
des  Hosius  lernen  wir  kennen:  1.  De  laude  virginitatis,  ein  Brief  an  seine  Schwester, 
2.  De  interpretatione  vestium  sacerdotalium,  quae  suntin  veteri  testamento; 
vgl.  Isidor  de  vir.  iU.  5  (G.  v.  Dziafowski,  Isidor  und  lldefons  als  Litterarhistoriker, 
Kirchengeschichtl.  Stud.  4.  Bd.  2.  Heft  (Münster  1898)  p.  10)  Ositis  Corduhenais  ecclesiae 
HvUcUis  Hispaniarum  episcapua,  eloquentiae  inribus  exercU<Uu8,  acripsU  ad  sororem  auam 
de  laude  virginitatis  epiatolam  pulchro  ac  diaerto  comptam  eloquio:  composuitque  et  aliud 
op%A8  de  interpretatione  veatium  sacerdotalium,  quae  sunt  in  veteri  testamento,  egregio  quidem 
sensu  et  ingenio  elaboratum.  Die  Worte  composuitque  —  elaboratum  erachtet  M.  Ihm, 
Beiträge  zur  alten  Gesch.  und  griech.-rCm.  Altertumsk.,  Festschr.  für  0.  Hirschfeld,  Berl. 
1903,  p.  343  für  interpoliert.  3.  Doctrina  Hosii  episc.  de  observatione  disciplinae 
Dominicae.  Pitra  (Analecta  sacra  et  classica  pars  1  (Paris  1888)  p.  117)  hat  aus  zwei 
cod.  Parisini  1454  und  3842  eine  Sammlung  von  49  kurzen  Sentenzen  veröffentlicht,  die 
eingeleitet  werden  mit  incipit  doctrina  Hosii  episcopi  de  observatione  disciplinae  Dominicae 
und  geschlossen  werden  mit  eocpliciunt  sententiae  Hosii  episcopi.  Es  sind  gewöhnliche 
Lebenaregeln:  Valetudinem  cura,  Litibus  parce,  Necessaria  eme;  sie  nehmen  nur  selten 
einen  religiösen  Charakter  an,  z.  B.  Modice  in  s<ucularibus  labora.  Ueber  die  sog.  Canon  es 
desConcils  vonSardica  vgl.  Isidor  1.  c.  in  Sardicensi  etiam  concilio  quamplurimas  edidit 
ipee  (Hosius)  sententitis;  Hefele,  Conciliengesch.  1'  (Freib.  1878)  p.  556;  J.  Friedrich, 
Die  Unechtheit  der  Canones  von  Sardica.  II  (Sitzungsber.  der  Münchener  Akad.  der  Wissensch. 
1902  p.  383). 

5.  Arianer. 

907.  Arianische  Schrifbstellerei.  Den  Schriften  der  Häretiker  war 
ein  hartes  Los  beschieden;  nur  schwer  konnten  sie  zu  den  nachfolgenden 
Oeschlechtern  gelangen;  denn  da  die  Häresie  als  ein  Verbrechen  betrachtet 
wurde,  waren  auch  die  häretischen  Bücher  verfehmt.  In  der  Regel  ist 
68  nur  ein  Zufall,  wenn  uns  häretische  Schriften  erhalten  blieben.  Auch 
bei  den  arianischen  Werken  ist  dies  der  Fall;  sie  sind  in  der  christ- 
lichen Litteratur  nur  spärlich  vertreten.  Der  später  zum  Christentum 
übergetretene  Marius  Victorinus  suchte  zwei  in  Briefform  gehaltene  Trak- 
tate des  Arianers  Gandidus  zu  widerlegen;  zum  besseren  Verständnis 
schickt  er  sie  seiner  Widerlegung  voraus,  und  so  sind  sie  uns  erhalten  ge- 
blieben. Von  dem  Arianer  Potamius,  Bischof  von  Lissabon,  der  in  den 
Olaubenskämpfen  eine  hervorragende  Rolle  spielte,  hat  sich  ein  schwül- 
stiger Brief  an  Athanasius  zu  uns  herübergerettet,  in  dem  der  Brief- 
schreiber sich  ganz  auf  den  Standpunkt  des  Athanasius,  d.  h.  des  ortho- 
doxen Bekenntnisses,  stellt.  Ausserdem  haben  wir  von  ihm  noch  zwei 
Predigten,  eine  über  Lazarus  und  eine  über  das  Martyrium  des  Propheten 
Isaias.  Beide  Schriftstücke  leisten  in  der  Schilderung  des  Or& 
glaubliches  und  bieten  als  pathologische  Erscheinung  eir 
dar.  Auf  dem  Rand  einer  alten  Pariser  Handschrift  «& 
als  Seitenstück  zu  Ambrosius  de  fide  und  den  ge« 


284  Arianen    (§907.) 

eine  arianische  Qegenschrift,  welche  einem  Maximinus  angehört  und  mh 
besonders  gegen  Ambrosius  wendet.  Der  Verfasser  ist  vielleicht  identisch 
mit  dem  aus  Augustin  bekannten  Gothenbischof.  Die  Streitschrift  gehdrt 
wahrscheinlich  in  das  Jahr  383  und  hat  zur  Grundlage  die  Synode  von 
Aquileia,  welche  am  3.  September  381  statt  hatte,  und  in  der  die  Arianer 
Palladius  und  Secundianus  auf  Betreiben  des  Ambrosius  verurteilt  wurden. 
Der  Autor  steht  auf  einem  niedrigen  litterarischen  Standpunkt;  er  ist 
unselbständig  und  nährt  sich  mit  den  damals  üblichen  Schlagwörtern. 
Unter  den  Quellen,  welche  die  Dissertatio  benutzte,  erregt  unsere  Auf- 
merksamkeit am  meisten  das  Fragment  eines  panegyrischen  Briefes  auf 
Ulfila,  das  dessen  Schüler  Auxentius  verfasste.  Dasselbe  handelt  zuerst 
von  dem  Glauben  Ulfilas,  um  sodann  auf  dessen  Lebensverhältnisse  ein* 
zugehen.  Das  biblische  Latein  strahlt  uns  stark  aus  dem  Schriftstück 
entgegen.  Andere  Ueberreste  arianischer  Schriftstellerei  barg  das  Kloster 
Bobbio;  sie  kamen  wahrscheinlich  dahin  auf  Veranlassung  Columbans,  der 
sich  die  Bekämpfung  der  arianischen  Häresie  angelegen  sein  liess.  Auf 
Palimpsestblättem  dieses  Klosters  wurden  Fragmente  eines  Commentars 
zu  Lukas  und  dogmatisch-polemische  Traktate  entdeckt.  Als  Autor  des 
Commentars  wurde  der  Gothenaj)ostel  Ulfila  vermutet,  als  Verfasser  der 
Traktate  ein  Schüler  desselben,  vielleicht  sein  Panegyriker  Auxentius. 
beides  dürfte  aber  zu  voreilig  geschlossen  sein. 

Des  Zusammenhangs  wegen  scheint  es  uns  rätlich  zu  sein,  auch  noch 
einige  von  Arianern  herrührende  Produkte  anzureihen,  welche  nicht  mehr 
dem  Zeitraum  angehören,  der  in  dem  vorliegenden  Bande  behandelt  ist 
So  hat  sich  eine  anonyme  arianische  Schrift  erhalten,  weil  sie  von  Seiten 
Augustins,  dem  sie  418  vorgelegt  wurde,  in  der  Schrift  contra  sermonera 
Arianorum  eine  Widerlegung  fand.  Den  Chrysostomusausgaben  wird  ein 
lückenhafter  lateinischer  Commentar  zu  Matthaeus  beigegeben;  er  fuhrt 
den  Namen  „opus  imperfectum  in  Matthaeum"  und  ist  das  Werk  eines 
Arianers  aus  dem  fünften  oder  sechsten  Jahrhundert. 

Ucbcr  die  Briefe  des  Arianers  Candidus,  welche  den  Schriften  des  Marias 
Victor  inus  Do  genoratione  divini  Verbi  ad  Candidum  Ariannm  und  Adversos  Ariam  libri 
quatuor  zu  Grunde  liegen,  vgl.  §  831.    Text  bei  Migne  8  Sp.  1013;  Sp.  1035. 

Zeugnisse  über  Potamius.  Collcctio  AveUana  epist.  2,  32  (p.  14,  30  G.)  Potamm 
Odyssiponae  civitatis  episcopiis  primum  quidem  fidem  catholicam  vindicans,  postea  rert> 
praemio  fundi  fiscalis,  quem  habere  concupiverat ,  fidem  praevartcatus  est.  Epist.  2,  41 
(p.  17,  21)  sed  et  Fotamio  non  fuit  innlia  sacrae  fidei  praeraricatio,  deniqae  cum  ad  fundtim 
properat,  quem  pro  impia  fidei  suhscriptione  ab  imperatore  meruerai  impeirare,  dans  nom 
^Joenas  liwjfuae,  per  quam  blasphemaveratf  in  via  moritur  nullos  fructus  fundi  vtl  visioiu 
percipiens.  --  Garns,  Die  Kirchengesch.  von  Spanien  2.  Bd.  1.  Abt.  (Regensb.  1864)  p.  315. 

Epistola  Potamii  ad  Atbanasium.  Diesen  Brief  edierte  zuerst  d'Acherj. 
Spicileg.  2  (1657)  p.  3(36;  in  der  neuen  Ausg.  tom.  3  (1723)  p.  299  unter  dem  Titel:  Epuftola 
Potamii  ad  Afhanasiutn  episcopum  Alea-aftdrinum  de  consuhstantialitate  Filii  Dei.  AI» 
zweite  Uebcrschrift  wird  angegeben:  Epistola  Potamii  ad  Athanasium  ab  Arianis  {impe- 
titum)  postquam  in  concilio  arimineusi  subscripserunf,    Text  bei  Migne  8  Sp.  1416. 

Die  Traktate  des  Potamius  de  Lazaro  und  de  martyrio  Isaiae  prophetae 
(Migne  8  Sp.  1411).  Beide  Traktate  stammen  augenscheinlich  vom  demselben  Verfasser; 
er  nennt  sich  im  ersten  Traktat  (Sp.  1414),  indem  er  in  wunderlicher  Weise  eine  Apo- 
strophe an  sich  selbst  richtet:  Age,  age,  PotattU,  servus  Dei  viri:  si  aliquid  praerales,  dt 
laudibus  Domini  vcl  pauca  narrato.  Aus  der  Predigtsammlung  des  Zeno  von  Verona  haben 
die  Brttder  Ballerini  die  zwei  Traktate  ausgeschieden  (Verona  1729). 

Dissertatio  Maximini  contra  Ambrosium.  In  dem  cod.  Parisinus  8907  sind 
Fol.  298 — 31  r,  336—349  die  Ränder  von  einer  etwas  jüngeren  Hand  als  die,  von  welch«: 


Arianer.    (§907.)  285 

der  Text  herrfihrt,  beschrieben.  Die  Textschrift  gehört  in  die  erste  Hälfte  des  5.  Jahr- 
luroderts,  die  Randschrift  in  eine  etwas  spätere  Zeit,  wahrscheinlich  ins  6.  Jahrhundert. 
Seliriftproben  finden  sich  bei  W.  Wattenbach  und  K.  Zangemeister,  Exempla  codicum 
latinorum  tab.  XXII;  Fr.  Eauffmann  im  Anfang.  Bezüglich  der  Zeit  kommt  Kauff mann 
(p.  XL)  zu  dem  Ergebnis,  dass  Maximinus  seine  Rechtfertigungsschrift  frühestens  im  Jahre 
S82  und  spätestens  384  vor  dem  am  10.  oder  11.  Dezember  dieses  Jahres  erfolgten  Tode 
des  Damasus  verfasst  haben  muss.  Er  will  sie  in  das  zweite  Semester  des  Jahres  888 
setzen.  Auf  die  Zeitlage  deuten  die  Worte  (P  309'  p.  77  K.):  haec  fuU  ratio,  ui  et  ihi  (in 
Constantinopel)  recogitarent  de  conciUo  promisao  a  Theodo8io  imperatore,  quod  Gratiamis 
Imperator  tarn  interdixerat.  Ueber  die  Quellen  vgl.  Eauffmann  p.  XXX VIII.  Die  Disser- 
tatio  ist  durch  eine  Lücke  in  der  Mitte  geschädigt,  so  dass  sich  zwei  fast  gleich  grosse  Teile 
ergeben.  Die  Autorschaft  des  Maximinus  ergibt  sich  aus  der  öfters  von  fremder  Hand  (p.  LVI) 
eingeschobenen  Formel  Maximinus  episcopus  (oder  episkopus)  disseretis  (oder  interpretans) 
dieit  (oder  dixit).  Was  die  Persönlichkeit  des  Maximinus  anlangt,  so  denkt  Eauffmann 
(p.  LV)  an  den  Gothenbischof  Maximinus,  der  sich  427  mit  Augustin  in  eine  Disputation 
eingelassen  hatte;  vgl.  Augustins  CoUatio  cum  Maximino  Arianoium  episcopo  (Migne  42 
8p.  709)  und  Contra  Maximinum  haereticum  Arianorum  episcopum  1.  2  (Sp.  743). 

Auxenti  de  fide,  vita  et  obitu  Wulfilae.  So  betitelt  Eauffmann  (p.  LIX)  eine 
epiBtula  laudatoria  des  Auxentius  über  Ulfila  (f  383),  welche  Maximinus  in  seiner  Dissei-tatio 
als  Quelle  benutzte  und  aus  der  er  ein  Fragment  mitteilte.  Maximinus  P  304  (p.  73  E.)  nam 
ei  ad  orientem  perrexisse  memoratos  episcopos  cum  Ulfila  epiakopo  ad  comitatum  Theodosi 
inperatoris,  epistula  deela  <rat  Auxenti  episkopi  Dorostorensis  (Silistria  in  Moesia  inferior), 
ibique  imperatorem  adisse  atque  eis  promissum  fuisse  coHcUium>,  Ueber  die  Beziehungen 
des  Auxentius  zu  Ulfila  belehrt  P  306'  (p.  75  E.)  quem  (Ulfilam)  condigne  laudare  non 
sufficio  et  penitus  tacere  non  audeo,  cui  plus  omnium  ego  sum  debitor,  quantum  et  amplius 
in  me  laborabit,  qui  me  a  prima  aetcUe  mea  a  parentibus  meis  diseipulum  suscepit  et  saeras 
litteras  docuit  et  veritatem  manifestavit  et  per  misericordiam  dei  et  gratiam  Cristi  et  carna- 
iiier  et  spiritaliter  ut  filium  suum  in  fide  educavit, 

Litteratur.  G.  Waitz,  Ueber  das  Leben  und  die  Lehre  des  Ulfila,  Hannover  1840; 
W.  B esse  11,  Ueber  das  Leben  des  Ulfilas  und  die  Bekehrung  der  Gothen  zum  Christentum, 
Göttingen  1860;  Fr.  Eauffmann,  Aus  der  Schule  des  Wulfila  (Texte  und  Untersuchungen  zur 
altgerman.  Religionsgesch.  1,  Strassb.  1899);  Saltet,  Un  texte  nouveau:  La  diss.  Maximini 
contra  Ambrosium  (Bulletin  de  litt,  eccl^iast .  2  ( 1 900)  p.  118);  Boehmer-Romundt,  Ueber 
den  litterarischen  Nachlass  des  Wulfila  und  seiner  Schule  (Zeitschr.  für  wiss.  Theol.  1903  p.  233 ; 
p.  361);  Ein  neues  Werk  des  Wulfila?  (Neue  Jahrb.  für  das  klass.  Altert.  1903  p.  272). 

Die  Bobbioschen  arianischen  Fragmente.  Aus  Palimpsesten  des  Elosters 
Bobbio  hat  A.  Mai  Fragmente  eines  Commentars  zu  Lukas  und  dogmatisch-polemische 
Traktate  veröffentlicht  (Scriptorum  vet.  nova  collectio  tom.  3  pars  2  (Rom  1828)  p.  191); 
auch  bei  Migne  13  Sp.  593.  Beide  sind  unzweifelhaft  von  Arianem  geschrieben  una  stehen 
auf  demselben  dogmatischen  Standpunkt,  a)  Der  Commentar  zu  Lukas.  Ueber  die  in 
den  Commentar  (bes.  1,  32)  eingestreuten  arianischen  Lehren  vgl.  Er  äfft,  Progr.  p.  10.  Sie 
stimmen  mit  dem  Bekenntnis  Ulfilas  überein  und  Er  äfft  (p.  15)  hält  den  Gothenbischof 
für  den  Verfasser  des  Commentars;  vgl.  dagegen  Bessell,  Gott.  gel.  Anz.  1861  p.  211; 
Boehmer-Romundt  p.  244  (Z.  f.  w.  Th.),  der  an  Auxentius  denkt.  Ueber  die  Zeit  des 
Commentars  liegen  einige  Indicien  vor;  derselbe  wendet  sich  noch  häufig  gegen  heidnische 
Anschauungen  und  ermuntert  zum  Martyrium;  vgl.  zu  5,  11.  Er  wird  daher  ca.  370  ge- 
schrieben sein,  für  welche  Zeit  Martyrien  der  Gothen  bekannt  sind.  /9)Die  dogmatisch- 
polemischen Abhandlungen.  Sie  rtlhren  möglicherweise  von  einem  Verfasser  her. 
Frsgm*  1  (Sp.  595  M.)  nee  potuimus  amplius  contradicere,  desiderante  sanctitate  tua  verae  fidei 
conscriptam  aceipere  instructionem  ....  non  sublimitate  sermonis,  vel  eompositae  orationis 
verho  confidentes,  quorum  omnino  Studium  non  habulmus,  sed  ad  misericordiam  Domini 
eonfugientes,  ad  cuius  gloriam  loqui  proposuimus,  Ueber  die  Autorschaft  der  Traktate  vgl. 
Kr  äfft  (p.  16):  ,Stilu8  quidem  aliqua  parte  differt  ab  eo,  qui  in  commentario  obvius  est, 
attamen  cum  fragmentis  ulfilanis  ab  Auxentio  conscriptis  ita  congruit,  ut  vix  quisquam  dubi- 
tare  possit,  Ulfilae  diseipulum  sive  Auxentium  ipsum  sive  alium  tractatus  magistri  calamo 
excepisse.*  Ueber  die  iSeit  vgl.  denselben  p.  17:  „Sed  post  commentarium  tractatus  nostros 
conscriptos  esse  inde  ratiocinamur,  quia  neque  ullo  loco  ethnici  mores  impugnantnr  neque 
martynnm  celebratur.'  E rafft  verlegt  daher  die  Traktate  in  die  Zeit  des Theodosius.  (Ueber 
das  arianische  Glaubensbekenntnis,  welches  betitelt  ist  primus  eapitulus  fidei  eatholicae,  vgl. 
denselben  1.  c.)  Eauffmann  (p.LVII)  spricht  die  Vermutung  aus,  dass  Maximinns  der  V<^ 
fasser  derTraktate  sei;  Boehmer-Romundt  (p.  263  Z.f.  w.Th.)  denkt  an  PalladioB  YonBß 

Litteratur.    E rafft.  De  fontibus  Ulfilae  arianismi  ex  fragm.  Bobiens.  ervrf* 
1860;  v^.  dazu  denselben,  Die  Anfänge  der  christl.  Eirche  bei  den  germ.  Y^Blk^ 
1854)  p.  336;  Mercati,  Stndi  e  testi  7  (1902)  p.  45. 


286  Amlnrosins.    (§908.) 

Spätere  arianische  Prodakte  sind:  1.  Quidam  sermo  Arianorum  aine 
nomine  auctoris  sui,  voraosgeschickt  der  Schrift  Augustins  Contra  sennonem  AnaDonm 
über  onus  (Migne  42  Sp.  677).  Ueber  die  Veranlaasung  vgl.  Retract.  2,  52.  2.  Das  sog. 
opus  imperfectum  in  Matthaenm  (Migne,  Patrol.  gr.  56  Sp.  611).  Als  Verfasser 
vermutet  Boehmer-Romnndt  (Zeitschr.  fOr  wiss.  Theol.  1903  p.  404)  Maximin. 

6.  Ambrosius. 
908.  Biographisches.  Ueber  das  Leben  des  Ambrosius  haben  wir 
eine  Biographie,  welche  sein  Sekretär  Paulinus  auf  Veranlassung  Augustins 
verfasste.  Man  sollte  nun  meinen,  dass  Paulinus  uns  eine  treue  Lebens- 
geschichte seines  Herrn  gebe;  allein  der  Mann  schrieb  sein  Buch,  dem 
wundersüchtigen  Geiste  der  Zeit  folgend,  mehr  zur  Erbauung  als  zur  Be- 
lehrung, und  wir  haben  reichen  Qrund,  seinen  Angaben  oft  Misstraoen 
entgegenzusetzen.  Unsere  beste  biographische  Quelle  sind  die  Schriften 
des  Ambrosius  selbst,  besonders  seine  Briefe,  aus  denen  sich  seine  ein- 
zelnen Lebenszüge  klar  abheben.  Selbstverständlich  kann  unsere  Bio- 
graphie nur  sehr  skizzenhaft  sein;  wir  müssen  uns  auf  die  Hauptdaten  be- 
schränken. Ambrosius  entstammte  einer  vornehmen  Familie;  sein  Vater 
war  praefectus  praetorio  in  Qallien,  und  dieses  Land  ist  die  Heimat  des 
Kirchenlehrers.  Als  der  Vater  des  Ambrosius  gestorben  war,  zog  die  Witwe, 
die  ausser  Ambrosius  noch  zwei  Kinder  Marcellina  und  Satyrus  hatte,  nacli 
Rom;  in  dieser  Stadt  erhielt  Ambrosius  vorzugsweise  seine  Ausbildung. 
Wie  sein  Vater  betrat  auch  er  die  Beamtenlaufbahn.  Sein  rednerisches 
Talent  brachte  ihn  rasch  vorwärts;  noch  in  jungen  Jahren  wurde  er  Con- 
sular  von  Aemilien  und  Ligurien  mit  dem  Sitz  in  Mailand.  Damit  erhielt 
er  die  Stätte  für  eine  Wirksamkeit,  welche  der  Weltgeschichte  angehören 
sollte.  In  seiner  amtlichen  Stellung  zeichnete  sich  nämlich  Ambrosius 
derart  aus,  dass  nach  dem  Tode  des  Bischofs  Auxentius  ihn  die  Arianer 
wie  die  Katholiken  im  Jahre  374  auf  den  Bischofsstuhl  erhoben.  Die 
Wahl  erfolgte  ganz  wider  seinen  Willen  und  seine  Erwartung.  Nachdem 
er  aber  einmal  das  geistliche  Amt  übernommen  hatte,  lebte  er  ganz  seinem 
hohen  Beruf.  Von  der  Wahrheit  des  Nicaenums  vollständig  überzeugt, 
erachtete  er  es  als  seine  erste  Pflicht,  mit  den  Irrlehren  aufzuräumen. 
Zunächst  erfolgte  ein  wuchtiger  Schlag  gegen  die  Arianer  auf  dem  Concil 
zu  Aquileia  (381),  dessen  Seele  der  Mailänder  Bischof  war;  alsdann  trat 
er  mit  zäher  Willenskraft  den  Anstrengungen  der  nationalen  Partei  ent- 
gegen, welche  den  alten  Kultus  regenerieren  und  wieder  den  Altar  der 
Viktoria  in  der  Kurie  aufgestellt  wissen  wollte.  Nach  Gratians  Tod  (Au- 
gust 383)  trat  Ambrosius  auch  politisch  in  den  Vordergrund,  da  er  mit 
zwei  Missionen  an  den  Empörer  Maximus  betraut  wurde.  Sie  gaben  ihm 
Gelegenheit,  Proben  seiner  praktischen  Klugheit  abzulegen.  In  eine 
schwierige  Situation  kam  der  Bischof,  als  die  arianisch  gesinnte  Kaiserin 
Justina  den  Arianern  für  ihren  Kultus  eine  mailänder  Kirche  eingeräumt 
haben  wollte.  Ambrosius  setzte  diesem  Verlangen  starren  Widerstand  ent- 
gegen; zwei  Jahre,  385  und  386,  dauerten  diese  Kämpfe,  Ambrosius  ging 
siegreich  aus  denselben  hervor.  Als  der  Streit  ausgeglichen  war,  bahnten 
sich  wieder  freundschaftliche  Beziehungen  zwischen  Ambrosius  und  dem 
Hofe  an,  und  der  Kirchenfürst  war  dem  jungen  Valentinian  in  dessen 
letzten  Lebensjahren  ein  treuer  Berater  und  Besdhützer.     Den  Gipfel  der 


AmbroBiu«.    (§  908.)  287 

bischöflichen  Macht  erreichte  Ambrosius,  als  er  es  wagte,  im  Interesse 
der  Kirche  und  der  Humanität  mit  dem  grossen  Theodosius  den  Kampf 
zu  eröfifnen.  Der  ferne  Osten  gab  den  ersten  Anlass.  In  Kallinikum,  einer 
Handelsstadt  am  Euphrat  in  der  Provinz  Osroene,  hatten  fanatische  Chri- 
sten, die  von  Juden  insultiert  worden  waren,  die  Synagoge  zerstört  (388); 
gegen  diese  Qewaltthat  schritt  der  Kaiser  in  der  Weise  ein,  dass  er  die 
Unruhestifter  verurteilte,  die  Synagoge  wieder  aufzubauen;  auch  der  Bi- 
schof, der  wahrscheinlich  die  Rolle  des  Anstifters  gespielt  hatte,  wurde 
zu  den  Kosten  des  Wiederaufbaues  herangezogen.  Dass  Katholiken  und 
noch  dazu  ein  Bischof  den  ungläubigen  Juden  eine  Synagoge  erbauen 
sollten,  war  für  Ambrosius  ein  unerträglicher  Qedanke;  er  wandte  sich 
an  den  Kaiser  und  ruhte  nicht,  bis  dieser  das  Dekret  zurücknahm.  Ist 
das  Verfahren  des  Bischofs  nur  von  kirchlichem  Interesse  geleitet  und 
daher  nicht  ganz  einwandfrei,  so  liegt  das  Becht  in  dem  zweiten  Fall 
ganz  auf  seiner  Seite.  In  einem  Aufruhr,  der  zu  Thessalonich  wegen  einer 
geringfügigen  Sache  entstand  (390),  waren  römische  Beamte  grausam  hin- 
gemordet worden;  diese  schreckliche  That  forderte  eine  ernste  Sühne; 
allein  Theodosius  vollzog  sie  in  unmenschlicher  Weise  derart,  dass  er  auf 
die  in  dem  Cirkus  versammelte  Menge  unterschiedslos  einhauen  liess,  wo- 
durch eine  grosse  Masse  von  Menschen  ums  Leben  kam.  Die  Ungerechtig- 
keit des  Kaisers  war  hier  so  gross,  dass  ihn  der  Kirchenfttrst  in  einem 
Briefe  zur  öffentlichen  Busse  auffordern  konnte;  und  der  mächtige  Kaiser 
musste,  um  nicht  der  Kirchengemeinschaft  verlustig  zu  gehen,  sich  dieser 
Busse  unterwerfen.  Für  Ambrosius  kamen  nach  diesen  aufreibenden  Kämpfen 
ruhigere  Jahre;  doch  lähmte  auch  das  herannahende  Alter  nicht  seine 
Berufstreue  und  seine  Wachsamkeit  für  die  Kirche.  Er  starb  am  4.  April  397. 

Biographische  Quelleo.  Die  Vita  Ambrosii  von  Paulinns  ist  abgedruckt  bei 
*Migne  14  Sp.  27;  Ballerini  6  Sp.  885.  Eine  alte  griechische  üebersetzung  findet  sich 
bei  A.  Papadopulos-Keramens,  'JydXexra  leQoaoXvfÄttixfjg  maxvoXoyiag  1  (St.  Petersb. 
1891)  p.  27.  Eme  handschriftliche  Vita  ist  Yon  den  Benediktinern  mitgeteilt  (Migne  1.  c. 
Sp.  4^);  die  Benediktiner  selbst  haben  eine  chronologische  Vita  vorwiegend  ans  den  Schriften 
des  Ambrosins  zosammengestellt  (Migne  Sp.  65). 

Biographische  Zeugnisse,  a)  Das  Geburtsjahr  wird  bestimmt  aus  epist.  59»  4 
cum  annutn  tertium  et  quinquagesimum  tarn  perduxerim  und  §  8  nos  aiitem  ohieeti  bar- 
harieis  moiibus  et  bellorum  procellis  in  medio  versamur  omnium  molestiarum  freto.  Je 
nachdem  man  die  letzte  Stelle  auf  die  Unruhen  des  Maziraus  887/888  oder  auf  die  des 
Engenius  898/894  bezieht,  ergibt  sich  als  Geburtsjahr  circa  383  oder  circa  340.  Für  840 
entscheiden  sich  Foerster,  Ambrosius  p.  19  Anm.  2  und  Ihm,  Studia  Ambrosiana  p.  55, 
f5r  das  Jahr  383  oder  884  Rauschen,  Jahrb.  der  christl.  Kirche  p.  273  Anm.  7.  Eine 
sichere  Entscheidung  ist  nicht  möglich,  ß)  Geburtsort  Paulinus,  Vita  Ambrosii  8  posito 
in  administratione  praefecturae  Galliarum  patre  eins  ÄmhrosiOy  natus  est  Ambrosius.  Da 
der  Vater  praefectus  praetorio  in  Gallien  war,  nimmt  man  Trier  als  Geburtsort  des  Am- 
brofiias  an.  y)  Erziehung  in  Rom.  Paulinus  4  cum  adolemsset  et  esset  in  urbe  Roma 
eoftstitutus  cum  matre  vidua  et  sorore,  quae  virginitatem  iam  fuerat  professa  ....  edoctus 
liberalibus  disciplinis  ex  urbe  egressus  est,  cf)  Amtliche  Laufbahn.  Paulinns  5  pro- 
fessus  in  auditorio  praefecturae  praetorii  ita  splendide  causas  peroravit,  ut  eligereiur  a 
riro  illustri  Probe,  tune  praefecto  praetorii,  ad  consilium  tribuendum,  post  haec  consulari- 
tcUis  suscepit  insignia,  ut  regeret  Liguriam  AemUiamque  provincias  venitque  Mediolanum. 
b)  Seine  Wahl  zum  Bischof  berührt  er  de  officiis  1,  1,  4  ego  raptus  de  tribunalibus  atque 
administrationis  infulis  ad  sacerdotium.  Nach  Paulinus  8  erfolgto  die  Wahl  vor  dem  Tode 
Valentinians  I.,  d.  h.  vor  dem  17.  November  375;  da  als  Tag  der  Weihe  stets  der  7.  Dezember 
gefeiert  wurde,  kann  die  Bischofswahl  nicht  in  das  Jahr  875  fallen,  sondern  muss  minde- 
stens um  ein  Jahr  zurückverlegt  werden.  Für  das  Jahr  374  zeugt  Theophanes  Chronogr. 
p.  60,  28  Boor ;  unrichtig  Hieronym.  z.  J.  2390  =  378  n.  Chr.  (2  p.  198  Seh.)  post  Auxenti  seram 


288  Ambrosins.    (§  909.) 

mortem,  Mediolanii  Ambrosio  episeapo  conHUuto,  omnia  ad  fidem  reetam  Italia  ronttrtUw. 
C)  üeber  das  Concil  von  Aqaileia  (381)  y^.  besonders  epist  9 — 12.  fj)  Ueber  dai 
Eingreifen  des  Ambrosius  in  das  Papstschisma  (Damasos  and  ürsinns)  vgL  epist  11. 
&)  üeber  das  Vorgehen  des  Ambrosius  gegen  die  heidnische  Partei,  basonden 
Symmachus,  in  der  Frage  des  Altars  der  Viktoria,  vgl.  epist.  17,  18,  57;  de  obita  Valen- 
tiniani  19;  H.  Richter,  Das  weström.  Reich,  BerL  1865,  p.  587  und  oben  §  819.  i)  Ueber 
die  Mission  des  Ambrosins  an  Maximas  vgl.  epist.  24.  Es  handelt  sich  am  xwei 
Reisen;  die  erste  fand  im  Winter  888/384  statt;  die  Zeit  der  zweiten,  welche  die  A» 
lieferung  der  Leiche  Gratians  zum  Zwecke  hatte,  ist  strittig;  gewöhnlich  wird  sie  m  d« 
Jahr  886  oder  387  gesetzt;  Rauschen  (Jahrb.  der  christl.  Kirche  etc.  p.  487)  setzt  nt 
aber  richtig  384/885  an.  x)  üeber  die  zwei  Angriffe  der  Kaiserin  Jnstina  auf 
Ambrosius  wegen  Gewährung  einer  Kirche  f&r  den  arianischen  Koltos  vgl.  epist.  20,  21  lod 
den  sermo  contra  Auxentium.  Der  erste  fand  statt  385.  Die  chronologiBche  Fixierung  6» 
zweiten  Angriffs  bietet  Schwierigkeiten  dar;  vgl.  Rauschen  (I.e.  p.  489),  der  Ihn  insJik 
386  verlegt.  Ueber  die  Vorgänge  vgl.  auch  Richter  p.  603.  A)  Ueber  das  Ereignis 
inKallinikum  (388)  vgl.  epist.  40  und  41;  in  dem  letzteren  Brief  heisst  es  za  Anfang:  am 
relatum  esset  synagogam  Judaeorum  incensam  a  christianis,  auctore  episeapo,  et  VcUentink- 
norum  conventiculum,  iussum  erat,  me  Aquileiae  posito,  ut  synagoga  ab  episeopo  reaedif- 
caretur  et  in  monachos  vindtcareturj  qui  incendissent  aedificium  Valentinianorutn.  tum  ep, 
cum  saepius  agendo  parum  proficerem,  epistolam  dedi  imperatori,  quam  simul  miai,  §jl)  Ueber 
das  Ereignis  von  Thessalonich  (390)  vgl.  epist.  51;  de  obitu  Theodos.  34.  üeber  des 
Bericht  des  Paulinus  (24)  und  Theodoret  vgl.  die  kritische  ErOrtemng  bei  Foerster,  An- 
brosius  p.  67.  Gegen  den  Bericht  Theodorets  (Hist.  eccles.  5,  17)  vgl.  Rsnschen  p.  320; 
Van  Ortroy  in  den  Ambrosiana;  dagegen  de  Broglie  in  s.  Monographie,  y)  Ueber  die 
letzten  Beziehungen  des  Ambrosius  zu  Valentinian,  der  392  von  Arbogast  er- 
mordet wurde,  vgl.  epist.  53;  de  obitu  Valentiniani  25;  Paulinus  80.  I)  Ueber  Engen  and 
Ambrosius  vgl.  epist.  57;  Paulinus  31;  vgl.  auch  epist.  62  und  61.  o)  Ueber  den  Tod 
des  Ambrosius  (4.  April  397)  vgl.  Paulinus  Z2  post  cuius  (Theodosii)  obUum  (17.  Janur 
395)  fere  triennium  supervixit;  vgl.  noch  die  Benediktiner  (Migne  14  Sp.  112).  Vgl.  snd) 
die  fasti  Ambrosiani  bei  Ihm,  Stndia  Ambrosiana  p.  4. 

Allgemeine  Litteratur  über  Ambrosius.  Tillemont,  M^.  10  (1705)  p. 78: 
p.  729;  A.  Duc  de  Broglie,  L'öglise  et  Tempire  romain  au  IV^  si^le  6  Bde.,  Paris  1856 
—1866;  E.  Bernard,  De  S.  Ambrosii  Mediolanensis  episc.  vita  publica,  Paris  1864;  A.  Ban- 
nard, Histoire  de  St.  Ambroise,  Paris  1871;  Paris'  1899;  ins  Deutsche  übers,  von  J.  Biitl. 
Freib.  i.  Br.  1878;  ins  Italienische  von  G.  Scurati,  Mailand  1873;  C.  Locatelli,  Vita  di 
S.  Ambrogio,  Mailand  1875;  Fr.  Boehringer,  Die  Kirche  Christi  und  ihre  Zeugen  oder  die 
Kirchengesch.  in  Biographien  Bd.  10:  Ambrosius,  Erzbischof  von  Mailand,  2.  Ausg.,  Stutt- 
gart 1877;  Tb.  Foerster,  Ambrosius,  Bischof  von  Mailand.  Eine  Darstellung  seines  Lebem* 
und  Wirkens,  Halle  a/S.  1884;  vgl.  auch  dessen  Artikel  in  Haucks  Realencycl.  für  Pro- 
testant. Theol.  und  Kirche  1'  p.  443;  M.  Ihm,  Studia  Ambrosiana  (Fleckeis.  Jahrb.  Supple- 
mentbd.  17  (1890)  p.  1);  das  Jubiläumswerk  Ambrosiana,  scritti  varii  pubblicaU  nel  XV  cen- 
tenario  dclla  morte  di  S.  Ambrogio,  Mailand  1897;  A.  Amati,  S.  Ambrogio.  Genealogia. 
cronologia,  carattcre  e  genesi  delle  idce  in  den  Rend.  des  R.  Ist.  Lomb.  Scienze  e  Lettere 
S.  2,  vol.  60  (1897)  p.  Sil;  Detti  e  atti  di  S.  Ambrogio  relativi  alla  chiesa  pura  libera  ed 
una  (ebenda  p.  588);  Nuovi  studi  su  S.  Ambrogio;  la  proprieta;  il  diritto  pensle  (ebendi 
p.  764;  p.  892);  C.  Ramoussi,  S.  Ambrogio,  Mailand  1897;  A.  Duc  de  Broglie,  St.  Am- 
broise (340— 397),  Paris  1899;  Paris*  1901;  Jülicher,  Pauly-Wissowas  Realencycl.  1  Sp.l8r2. 
Vgl.  auch  A.  Ebert,  Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittelalters  V  (Leipz.  1889)  p.  143. 

IMM).  Die  Schriftstellerei  des  Ambrosius.  Es  muss  scharf  im  Auge 
behalten  werden,  dass  die  Schriftstellerei  des  Ambrosius  im  engsten  Zu- 
sammenhang mit  seiner  praktischen  VS^irksamkeit  steht  und  gleichsam 
einen  Niederschlag  derselben  bildet.  Seine  Hymnen  verfolgen  den  Zweck, 
den  katholischen  Gottesdienst  zu  heben  und  dadurch  den  arianischen  Con- 
ventikeln  Abbruch  zu  thun.  Seine  prosaischen  Schriften  sind  zu  einem 
sehr  grossen  Teil  aus  Predigten  erwachsen;  sie  haben  die  Bestimmung, 
das  gesprochene  Wort  in  weitere  Kreise  zu  bringen,  üeber  die  äussere 
Herstellung  seiner  Bücher  äussert  sich  Ambrosius  in  einem  Briefe:  nach 
demselben  pflegte  er  sie  entweder  zu  diktieren  oder  auch  mit  eigener 
Hand  zu  schreiben.  Der  letzte  Modus  war  ihm  bequemer,  weil  er  seine 
Worte  genauer  überlegen   und  sich  mehr  gehen  lassen  konnte;   auch  hu- 


Ambrosiu^-    (§  909.)  289 

nanitäre  Rücksichten  Hess  er  hier  obwalten:  so  diktierte  er  nicht  gern 
aachts,  weil  er  anderen  die  Nachtruhe  nicht  rauben  wollte.  Schrieb  er 
dt^was  selbst,  so  wurden  Abkürzungen  nicht  vermieden;  auch  die  Kalli- 
Sraphie  wurde  dabei  nicht  in  Rechnung  gezogen.  Sollte  daher  ein  von 
ilim  geschriebenes  Buch  einem  Freunde  übergeben  werden,  so  war  die 
Qmsetzung  in  deutlichere  und  klarere  Schrift  notwendig.  Als  Ambrosius 
Bin  berühmter  Eanzelredner  geworden  war,  konnte  es  auch  vorkommen, 
dass  seine  Vorträge  nachstenographiert  wurden  und  dann  in  dieser  Form 
in  die  Oeffentlichkeit  gelangten.  Dass  Ambrosius  ein  Werk  vor  der  Heraus- 
gabe auch  einem  Freunde  vorlegte,  um  dessen  Verbesserungen  noch  dem- 
selben zugute  kommen  zu  lassen,  wird  in  einem  Fall  ausdrücklich  be- 
liebtet; der  Bischof  von  Placentia,  Sabinus,  scheint  der  Vertrauensmann 
des  Ambrosius  in  litterarischen  Dingen  gewesen  zu  sein.  Bei  dieser  Durch- 
siebt kam  es  dem  Ambrosius  besonders  darauf  an,  dass  der  Ausdruck  für 
dogmatische  Begriffe  scharf  und  bestimmt  gewählt  werde,  um  dem  Oegner 
keine  Waffe  in  die  Hände  zu  liefern. 

Die  Schriften  des  Ambrosius  reichen  von  etwa  377  bis  zu  seinem  Todes- 
jabr  (397) ;  ^)  die  chronologischen  Indicien  der  Briefe  lassen  sich  verfolgen 
von  379 — 396.  Bei  der  Besprechung  der  Werke  ist  die  chronologische 
Anordnung  nicht  durchführbar,  da  manche  zeitlich  nicht  sicher  fixiert 
werden  können.  Wir  führen  daher  die  Schriften  nach  dem  Inhalt  in  Gruppen 
vor  und  unterscheiden  demgemäss  a)  exegetische,  ß)  moralisch-aske- 
tische, y)  dogmatische  Schriften,  i)  Reden  und  Briefe;  anhangs- 
weise werden  wir  unter  e)  zwei  Werke  behandeln,  die  mit  Unrecht  dem 
Ambrosius  beigelegt  wurden,  nämlich  den  Ambrosiaster  und  die  Lex 
Dei  sive  Mosaicarum  et  Romanarum  legum  collatio.  Unter  den 
exegetischen  Schriften  nehmen  das  Exameron,  unter  den  moralisch- 
asketischen de  officiis  ministrorum,  unter  den  dogmatischen  de  fide  die 
erste  Stelle  ein.  Die  Hymnen  des  Ambrosius  haben  wir  im  Zusammen- 
hang mit  der  übrigen  christlichen  Poesie  erörtert  (p.  206);  auch  die  dem 
Ambrosius  wahrscheinlich  angehörende  Uebersetzung  von  Josephus' 
Indischem  Krieg  wagten  wir  nicht  von  den  übrigen  Historikern  loszu- 
lösen (p.  100). 

Aeassere  Herstellung  der  Schriften.  Epist.  47,  1  transmisi  petitum  codicem 
Weripium  apertius  atqui  enodatius,  quam  ea  scriptura  est,  qtuim  dudum  direxi,  ut  legendi 
faeilitate  nullum  iudicio  tuo  afferatur  impedimentum.  nam  exemplaris  Über  non  ad  speciem, 
wed  ad  necessitatem  seripttts  est;  non  enim  dietamus  omnia,  et  maxime  noctibus,  quibus 
moiumus  aliis  graves  esse  ac  molesti;  tum  quia  ea  quae  dictantur,  impetu  quodam  praruunt 
H  profluo  cursu  feruntur.  nobis  autem  quibus  curae  est  senilem  sermonem  familiari  usu 
md  unguem  distinguere  et  lento  quodam  figere  gradu,  aptius  videtur  propriam  manum  nostro 
afjfigere  stUo,  ut  non  tam  deflare  aliquid  videamur,  quam  abscondere:  neque  aUerum  scri- 
hemtem  erubeseamus,  sed  ipsi  nobis  conscii  sine  ullo  arbitrio,  non  solum  auribus,  sed  etiam 
oculis  ea  ponderemus,  quae  seribimus,  Paulintis,  Vita  Ambroeii  38  (14  Sp.  40  Migne)  nee  operam 
deelinabat  seribendi  propria  manu  libros,  nisi  cum  aliqua  infirmitate  corpus  eius  attineretur. 

Der  Beurteiler  der  ambrosianischen  Schriften  Sabinus.    Epist  48»  1  rfml- 
•Mi  mihi  libeUos,  quos  tuo  iudicio  probatiores  habtbo.    ideo  miai  aiios  ntm  imiMi  Ahmm 
d^eetatus,  sed  pr amissa  a  te  et  petita  a  me  veritate  iüectus:  mala  m^*^ 
iudicio,  si  quid  movet,  priusquam  foras  prodeat,  unde  iam  revooemäi 

« 
^)  Zu  den  frühesten  Schriften  gehören  I  welche  er  aber  nkU  a 
de  Tirginibus  und  de  paradiso;    die    letzte      Rauschen  p.  595. 
Schrift  ist  die  Erklftrung  des  43.  Psalms, 

HAndlnich  der  klMi.  Altortumiwlaaenacliaft.  VIII,  4. 


290  Ambrosiiui.    (§910.) 

quam  laudari  a  te,  quod  ab  aliis  reprehendatur  ....  nescio  quo  enim  modo  praeter  impn. 
dentiae  caliginem,  quae  me  circumfundit,  unumquemque  faUuni  eua  scripta  et  aurem  pnt- 

tereunt incautius  plerumque  aliquid  promitur,  aliquid  accipUur  nutlevoUntiue,  aliqmi 

exit  ambiguum  ....  notam   appone  ad  verbum  dtdni  panderia  et  faüacis  staterae,  ne  qmi 
pro  se  esse  adversarius  interpretetur.    Sabinus  ist  waluscheinlich  der  Bischof  von  Plaeentii; 
denn  in  manchen  Handschriften  ist  in  den  an  ihn  gerichteten  Briefen  46  und  58  der  AdreM  . 
noch  hinzugefügt  episcopo;  vgl.  Ihm,   Stndia  Ambrosiana  p.  50  Anm.  275.     Die  Benedik-  I 
tiner  setzen  den  Brief  ums  Jahr  389  an.  < 

Für  die  Chronologie  der  Schriften  haben  die  Benediktiner  in  ihrer  Ausg.  dai 
Beste  geleistet;  eine  Revision  ihrer  Ergebnisse  ist  von  Ihm,  Studia  Ambroaiana,  Fleckai 
Jahrb.  Supplementbd.  17  (1890)  vorgenommen  worden;  er  gibt  auch  eine  Tabelle  p.  78. 

a)  Exegetische  Schriften. 

910.  Allgemeines.  Das  Buch  der  Bücher  war  für  Ambrosius  die 
hl.  Schrift,  man  kann  sagen,  dass  sie  ihm  völlig  in  Fleisch  und  Blut  fiber- 
gegangen war.  Bei  jeder  Gelegenheit  steht  ihm  ein  passendes  Schrift- 
wort zur  Verfügung.  Die  hl.  Schrift  ist  ihm  die  Fundgrube  für  die  Glau- 
benslehre, und  an  ihrer  Hand  bekämpft  er  die  häretischen  Meinungen  seiner 
Zeit;  sie  ist  ihm  aber  auch  eine  Fundgrube  für  die  Moral  und  Erbaoung 
der  Gläubigen.  Sie  muss  daher  für  Ambrosius  die  Grundlage  der  Predigt 
bilden.  In  ihrer  Auslegung  folgt  er  der  Richtung  der  Zeit,  indem  & 
einen  dreifachen  Sinn  der  Schriftworte  annimmt,  einen  buchstäbliclen, 
einen  moralischen  und  einen  mystischen.  Für  den  Prediger  sind  die  zwei 
letzten  Erklärungsweisen  natürlich  viel  fruchtbarer  als  die  erste.  Bei  einer 
reichen  Phantasie  kann  man  ja  alles  Mögliche  aus  einem  Text  heraos- 
deuten  und  für  die  Paränese  fruchtbar  machen.  Bei  den  Zuhörern  war 
diese  Aufdeckung  des  höheren  Sinns  sehr  beliebt;  wir  haben  dafür  das 
Zeugnis  des  hl.  Augustin,  dem  gerade  an  den  Predigten  des  Ambrosius 
das  gefiel,  dass  hinter  den  Buchstaben  etwas  viel  Höheres  zur  Erscheinung 
gebracht  wurde. ^)  „Der  Buchstabe  tötet,  der  Geist  macht  lebendig*,  kann 
man  als  den  Leitstern  der  Prediger  in  jenen  Zeiten  betrachten.  Die  alle- 
gorische Auslegung  leistete  überdies  dem  Christentum  noch  zwei  wesent- 
liche Dienste;  man  konnte  einmal  mit  ihrer  Hilfe  die  vielen  anstössigen 
Stellen  des  alten  Testamentes  aus  dem  Wege  räumen,  indem  man  ihnen 
einen  geistigen  Sinn  unterschob,  dann  aber  konnte  man  —  und  das  war 
noch  wichtiger  —  eine  innige  Verbindung  des  alten  Testamentes  mit  den 
neuen  herstellen.  Dies  geschah  dadurch,  dass  man  im  alten  Testamente 
Typen  nachspürte,  welche  auf  Christus  und  sein  Wirken  hinwiesen.  Be- 
sonders die  Psalmen  waren  hier  sehr  ergiebig.  In  der  griechischen  Lit- 
teratur  war  die  allegorische  Schrifterklärung  besonders  durch  Philo  uni 
Origenes  angebahnt  worden.  Ambrosius  folgte  ihnen  vielfach,  allein  dod 
mit  selbständigem  Urteile.  Er  eliminiert  das  spezifisch  Jüdische  bei  Philo 
oder  setzt  es  ins  Christliche  um;  er  vermeidet  die  extremen  Richtungen. 
zu  denen  sich  Origenes  fortreissen  Hess.  Er  lässt  auch  die  buchstäbliche 
Erklärung  zur  Geltung  kommen  und  stellt  sich  dadurch  an  die  Seite  der 
antiochenischen  Schule.  Basilius,  dem  er  sich  häufig  anschliesst,  hat 
mässigend  auf  die  Allegorisierungssucht  gewirkt.  Auch  mit  dem  not- 
wendigen handschriftlichen  Apparat  hat  sich  Ambrosius  bekannt  gemacht 
Er  vergleicht  den  lateinischen  Text  mit  dem  griechischen,  wägt  auch  ver- 

*)  Augustin.  confess.  6,  4. 


Ambrosia«.    (§911.)  291 

tchiedene  Lesarten  ab.  Allein  die  Bemerkungen  dieser  Art  sind  doch  nur 
gelegentlich,  wir  können  keine  tieferen  Studien  des  Ambrosius  auf  diesem 
Stobiete  erwarten.  Der  praktische  Zweck  der  hl.  Schrift  und  ihre  Ver- 
irertung  für  die  Predigt  stehen  ihm  obenan.  Die  Entstehung  der  exegeti- 
schen Werke  des  Ambrosius  aus  Predigten  lässt  sich  in  den  meisten  Fällen 
noch  aus  Spuren,  die  sich  im  Texte  vorfinden,  nachweisen.^)  Ambrosius 
acheint  dabei  folgendes  Verfahren  eingeschlagen  zu  haben:  er  nahm  die 
Predigten,  die  er  in  Buchform  bringen  wollte,  her  und  machte  aus  ihnen 
ein  Ganzes,  ohne  jedoch  überall  ihre  ursprüngliche  Gestalt  verwischen  zu 
wollen.  Bei  manchem  Werk  mochte  auch  fremde  Hand  thätig  sein;  sicher 
ist  dies  bei  dem  Commentar  zu  den  zwölf  Psalmen.  Bei  einigen  Trak- 
taten, bei  denen  sich  die  Entstehung  aus  Predigten  nicht  mehr  nachweisen 
lässt,  muss  es  unentschieden  bleiben,  ob  sie  von  vornherein  die  Form  der 
Abhandlung  hatten  oder  sie  erst  später  durch  Redaktion  erhielten.  Da 
die  Zeitbestimmung  der  Schriften  nicht  immer  zweifellos  ist,  reihen  wir 
dieselben  nach  Massgabe  der  hl.  Schrift  aneinander. 

Die  siebeD  Bttcher  der  Patriarcheo.  Cassiodor.  instit.  div.  litt.  c.  1  (70  Sp.  1111 
Migne)  Item  sanctus  Ambrosius  de  patriarchis  Septem  lihros  edidit,  qui  mülta  loca 
Veteris  Testamenti  foctis  quaestionxbus  suaviter  enodavit.  Diese  sieben  Bttcher  scheinen  ge- 
wesen zu  sein:  de  Abraham  1.  U,  de  Isaac,  de  bono  mortis,  de  Jacob  et  vita  beata  l.  II,  de 
Joseph;  vgl.  noch  Sehen  kl,  Corpus  32  pars  1  p.  IUI.  Ueber  die  Reihenfolge  vgl.  den- 
selben p.  XII:  „Opusculum  de  Noe  confectum  esse  videtur  anno  CCCLXXXIHI,  deinde 
umomm  fere  triam  spatio  interiecto  secuti  sunt  libri  de  Abraham,  de  Isaac,  de  bono  mortis, 
de  Jacob,  de  Joseph  intra  biennium  vel  triennium  conscripti.*  Aus  £xam.5,  12,  36  p.  169  Seh. 
ti  cum  paukium  conticuisset,  iterum  sermonem  adorsus  ait  muss  man  folgern,  dass  Am- 
brosius ein  Exemplar  benutzte,  das  von  einem  Stenographen  nachgeschrieben  wurde. 

De  Helia  et  ieiunio,  de  Nabuthae,  de  Tobia  ^eodem  consilio  scripti  —  nam 
osagis  ad  morum  emendationem  quam  ad  librorum  divinorum  explicationem  spectant  atque 
»b  esm  rem  idem  fere  orationis  sonus  et  stilus  in  omnibus  conspicitur  —  adfinitate  quadam 
tnter  se  conexi  sunt,  accedit  quod  in  eis  omnibus  ex  sermonibus  concinnatis  Ambrosius 
I.  Basilii  homilias  in  usum  suum  convertit  ita,  ut  et  sententias  gravissimas  et  multis  locis 
Bmmm  conformationes  orationiaque  omamenta  et  colorem  inde  mutuaretur*  (Schenkl,  Corpus 
leript  eccles.  lat.  82  pars  2  p.  XVIIII). 

911.  Ezameron')  1.  VI.  Dieses  Werk  behandelt  die  Schöpfungs- 
geschichte an  der  Hand  der  Genesis.  Es  zerfällt  in  sechs  Bücher,  indem 
jedem  Tag  ein  Buch  gewidmet  ist.  Das  Werk  ist  aber  aus  neun  Homilien 
entstanden,  welche  in  der  Fastenzeit  von  Ambrosius  gehalten  wurden. 
Diese  neun  Predigten  verteilen  sich  auf  sechs  Tage  in  der  Weise,  dass 
ftn  je  drei  Tagen  Ambrosius  zweimal  über  die  Materie  gepredigt  hat.  Auf 
die  sechs  Bücher  sind  die  neun  Vorträge  so  verteilt,  dass  das  erste, 
dritte  und  fünfte  je  zwei  Predigten,  die  übrigen  je  eine  Predigt  umfassen. 
Das  Werk  ist  keine  vollständig  originelle  Leistung;  es  ruht  im  wesent- 
lichen auf  den  neun  Homilien,  welche  der  grosse  Basilius  über  die  sechs 
Bchöpfüngstage  gehalten.  Zwar  gibt  Hieronymus  auch  an,  dass  Ambrosius 
in  seinem  Exameron  noch  Schriften  des  Origenes  und  des  Hippolytus  be- 
natzt habe;  allein,  da  die  bezüglichen  Schriften  der  beiden  Kirchenväter 
nur  in  einzelnen  Fragmenten  vorliegen,  können  wir  die  Richtigkeit  der 
von  Hieronymus  ausgesprochenen  Ansicht  nicht  mehr  in  vollem  Umfange 
prüfen ;  so  viel  darf  aber  behauptet  werden,  dass  diese  Abhängigkeit  eine 


^)  Vgl.  Schenkl,  GorpuB  Script,  eccles. 
Imi.  32  pars  1  p.  I. 

^)  Exameron  ist  die  handschriftlich  be- 


^anbigte    Form,    nicht    Hexähneron;    ygl. 
Schenkl  p.  XII. 

19' 


292  AmbrosiiiB.    (§911.) 

sehr  minimale  war.  Auch  dem  Baailius  gegenüber  hat  sich  Ambroaos 
seine  Selbständigkeit  vollkommen  bewahrt.  Er  ändert  hie  und  da  eine 
Ansicht  des  Basilius  ab  und  macht  viele  Erweiterungen;  was  aber  nod 
wichtiger  ist,  er  assimiliert  sich  das  fremde  Gut  so,  dass  es  wie  säi 
eigenes  erscheint.  Bei  der  Lektüre  dieser  Vorträge  empfindet  man  ni^ 
gends  die  Abhängigkeit  des  Lateiners  von  dem  Griechen.  Die  Erkenntnis 
des  Verhältnisses,  in  dem  Ambrosius  zu  Basilius  steht,  weist  auch  der 
Quellenforschung  den  richtigen  Weg.  Sie  hat  nach  Ausscheidung  der  ?oi 
Basilius  abhängigen  Partien  ihre  besondere  Aufmerksamkeit  auf  die  Zi- 
Sätze  des  Ambrosius  zu  richten.  Dass  Ambrosius  das  Pratum  Suetov 
benutzt  hat,  dafür  steht  ein  sicheres  Beispiel  zu  Gebote,  aber  diese  Be> 
nutzung  scheint  einen  viel  grösseren  Umfang  einzunehmen;  besonders  ii 
dem  Teil,  der  über  den  Menschen  handelt  und  der  bei  Basilius  fehlt» 
lieferte  wahrscheinlich  das  suetonische  Werk  das  meiste  Material. 

Die  Schöpfungsgeschichte  des  Ambrosius  ruft  in  mehrfacher  Hingiclit 
unser  Interesse  hervor.  Wir  lernen  aus  ihr  zunächst  das  Verhältnis  kennen, 
in  dem  das  erstarkte  Christentum  sich  zur  Naturerkenntnis  stellt.  Wir 
sehen,  dass  die  hl.  Schrift  auch  als  Lehrmeisterin  der  Naturgesetze  gOL 
Das  göttliche  Wort  muss  nach  dieser  Anschauung  überall  seine  Oeltong 
haben,  und  ihm  gegenüber  fallen  die  Meinungen  der  Philosophen  zu  Boden. 
Es  ist  nicht  ratsam,  nach  Dingen  zu  forschen,  über  welche  die  Bibel 
schweigt;  die  Hauptsache  bleibt  immer,  auf  jene  Dinge  sein  Augenmerk 
zu  richten,  welche  uns  zum  ewigen  Leben  fähren.  Wir  werden  gewarnt, 
der  Natur  zuzuschreiben,  was  der  Allmacht  Gottes  zugeschrieben  werden 
muss.  Dass  Gott  zu  jeder  Zeit  das  Naturgesetz  aufheben  kann,  ist  bei 
dieser  Anschauung  selbstverständlich.  Bei  der  Erklärung  des  Schöpfungs- 
berichtes suchen  die  neun  Predigten  den  Wortsinn  genau  festzustellen, 
allein  hie  und  da  greifen  sie  doch  auch  zur  Allegorie.  Das  Haopt- 
ziel,  das  sich  der  geistliche  Redner  steckt,  ist  natürlich  die  Erbauung 
seiner  Zuhörer.  Er  ist  daher  bestrebt,  ihnen  die  Weisheit  und  Allmacht 
des  Schöpfers  in  glänzenden  Farben  darzuthun,  dann  aber  auch  sie  die 
mahnende  Stimme  der  Natur  vernehmen  zu  lassen,  üeberall  weiss  der 
Prediger  Beziehungen  zwischen  dem  Menschen  und  der  Natur  herzu- 
stellen; besonders  die  Tierwelt  muss  ihm  viele  Beispiele  für  seine  Ei- 
hortationen  liefern.  Wir  können  uns  denken,  dass  diese  Predigten  einen 
grossen  Eindruck  auf  die  Zuhörerschaft  machten.  Selbst  bei  der  Lektüre 
treten  noch  ihre  Vorzüge  uns  scharf  und  bestimmt  entgegen.  Wir  ergötzeo 
uns  an  den  glänzenden  Naturschilderungen,  an  den  reichen  Erzählungen 
aus  dem  Leben  der  Tiere,  an  den  eingestreuten  Sittenzügen;  wir  fühlen 
mit  die  warme  Liebe,  die  der  Bischof  für  seine  Gläubigen  hegt  und  die 
sich  stets  fern  von  dem  Tone  des  Zeloten  hält,  ja  sogar  mitunter  einen 
humoristischen  Ton  anschlägt.  Eine  wunderbare  Harmonie  ist  über  das 
Ganze  ausgegossen,  eine  Harmonie,  wie  sie  nur  aus  einer  in  sich  ge 
festigten  Seele  hervorgehen  kann. 

AbfassuDgszeit.  Es  steht  fest,  dass  Ambrosius  das  Exameron  als  alter  Mann  g^ 
schrieben.  4,  5,  20  p.  127  Seh.  heisst  es:  quae  pneri  risimus  ea  senes  commemorare  qui 
po'^sHmiisi'  Der  Kirchengesang,  der  386  eingeführt  wurde,  war  bereits  in  üebong;  vgl 
3,  1,  5  und  3,  5,  23;  auch  war,  wie  man  aus  5,  24,  88  schliessen  muss,  der  Hymnus  *Aet€rM 


▲mbrosia'«    (§  911.)  293 

a.  conditor'  schon  gedichtet,  weil  er  hier  paraphrasiert  wird;  also  rnuss  das  Ezameron 
386  fallen.    Noch  etwas  weiter  kommen  wir  herab,  wenn  wii*  3,  1,  8  yergleichen,  wo 

:irchliche  Lage  in  einer  Weise  geschildert  wird,  welche  erst  nach  dem  Tode  der  Kai- 
Jnstina  (888)  eintrat.    Vgl.  Kellner,  Der  heilige  Ambrosius,   Bischof  von  Mailand, 

Irklärer  des  Alten  Testaments,  Regensb.  1898,  p.  78  und  Ihm,  Stndia  Ambrosiana  p.  13; 

sehen,  Jahrb.  der  christl.  Kirche  unter  Theodosius,  Freib.  i.  Br.  1897,  p.  491;  Schenkl, 

OS  32  pars  1  p.  VII  (386—890). 

Die  Gomposition.  6,  1,  1  p.  204  Seh.  qui  (sermo)  etsi  per  quinque  tarn  dies  non 
ocri  labore  nobis  proceaserit,  tarnen  hodiemo  die  maiore  curarum  aderescU  faenore, 
in  hoc  et  superiorum  dierum  perieulum  est  et  totius  aumnui  certaminia,  5,  24,  92 
3  Seh.  fkU  mane  dies  sextus.  Daraus  folgt,  dass  die  letzten  Predigten  an  zwei  auf- 
iderfolgenden  Tagen  statthatten;  es  ist  daher  wahrscheinlich,  dass  der  ganze  Cyklus 
rortrftge  an  sechs  unmittelbar  aufeinander  folgenden  Tagen  gehalten  wurde.  Im  ftbiften 
i  werden  die  zwei  Vorträge,  aus  denen  dasselbe  besteht,  sogar  durch  die  Zwischen- 
»rkung  kenntlich  gemacht:  5,  12,  36  p.  169  Seh.  et  cum  pauMum  conticuiMet,  iterum 
anem  adarsua  ait.  Als  der  zweite  Vortrag  zu  Ende  ging,  war  es  Nacht:  5,  24,  84 
19  Seh.  dum  sermanem  producimu8,  eece  iam  tibi  et  noctumae  aves  cireumpolant.  Im 
9n  Buch  wird  der  Schluss  der  einen  Predigt  durch  eine  Formel  (8,  5,  24  p.  75  Seh. 
4nia  saecula  saeculorum  amen)  deutlich  gekennzeichnet.  Auch  im  ersten  Bucn  können 
cwei  Predigten  deutlich  herausfinden,  denn  1,  6,  24  p.  28  Seh.  finden  wir  wiederum  eine 
igtschlussformel:  qui  eat  deua  benedictua  in  saecula.  Weitere  Anzeichen  Yon  Predigt- 
tloiitten  fehlen  innerhalb  der  einzelnen  Bttcher.  Der  Schluss  der  Bttcher  wird  als  sol- 
deutUch  markiert.  Der  Aufbau  des  Werks  kann  demnach  in  folgender  Weise  klar- 
st werden: 

Die  1.  Homilie  umfasst  1,  1,  1 — 1,  6,  24. 

,2.        ,  .       1,  7,  25-1,  10,  38. 

„     3.        „  „2.  Buch. 

,4.        ,  ,       3,  1,  1-3,  5,  24. 

,5.        .  ,       3,  6,  25-3,  17,  72. 

»     6.        „  »14.  Buch. 

.7.        ,  .        5,  1,  1-5,  11,  35. 

,     8.        ,  ,5,  12,  86—5,  24,  92. 

„     9.        „  „6.  Buch, 

diese  neun  Homilien  an  sechs  Tagen  gehalten  wurden,  hat  er  an  drei  Tagen  zwei 
igten  gehalten  und  zwar  am  ersten,  dritten  und  fünften.  Andeutung  über  die  Tages- 
in  der  die  Predigten  gehalten  wurden,  geben  die  Stellen  2,  5,  22;  4,  9,  34.  Ueber  die 
eszeit,  in  der  die  Homilien  gehalten  wurden,  gibt  Aufschluss  5,  24,  90  p.  208  Seh. 
'operet  Jesu  domini  passio,    Ueber  die  Gomposition  ygl.  Schenkl,  Praef.  p.  I. 

Quellen.  Hieronym.  epist.  84,  7 ;  1  Sp.  525  Vall.  (ad  Pammach.)  centum  quinquaginta 
prope  sunt,  ex  quo  Origenes  mortuus^st  I^ri  ....  nuper  s.  AmbrosiiM  sie  HexaJ^meron 
r  compilavitf  ut  magis  Hippolyti  sententias  Basiliique  sequeretur.    Vgl.  Kellner,  Am- 
ins p.  78.    Ueber  die  Benutzimg  des  Basilius  ygl.  auch  Foerster,  Ambrosius  p.  117. 
1  Philo  scheint  hie  und  da  benutzt,  ygl.  Schenkl,  Corpus  32  pars  1  p.  XV;  Aber  Ori- 
«  und  Ambrosius  ygl.  denselben  p.  Xini;  über  Hippoljtus  und  Ambrosius  denselben  1.  c. 
Benutzung  yon  Suetons  Pratum  wird  durch  Ginddus  Cambrensis  itinerar.  Cambriae  1,  7 
ugt  (Reifferscheid,   C.  Suetoni  Tranquilli  reliquiae,  Leipzig  1860,   p.  254  No.  162); 
ihm  stammt  die  Geschichte  des  Hundes  (6,  24),  welche  sicn  in  Antiochien  zutrug.     Es 
rweifellos,   dass  mit  diesem  einzigen  Fall  die  Benutzung  Suetons  nicht  abgeschlossen 
Wie  ich  glaube,  kann  hier  die  Forschung  noch  manchen  Baustein  zur  Rekonstruierung 
Pratum  gewinnen.    Die  durch  Reifferscheid  begründete  unrichtige  Auffassung  des 
um  hinderte  die  Hebung  des  Schatzes.    Ueber  andere  sekundäre  Quellen  ygl.  Schenkl 
p.  XII.   Ueber  die  Erzählung  yom  Vogel  Phoenix  (5,  23,  79)  ygl.  Harnack,  Sitzungsber. 
Beri.  Akad.  1894  p.  605. 

Zur  Charakteristik.  Der  Gegensatz  zur  weltlichen  Wissenschaft  erhellt  aus  fei- 
len Stellen:  2,  2,  7  p.  46  Seh.  sed  ea  quae  sunt  aliena  ab  studio  nostro  et  a  divinae 
anis  Serie  his  qui  foris  sunt  relinquamus:  nos  inhaereamus  scripturarum  caelesttum 
isterio,  2,  I,  3  p.  42  Seh.  vos  quaeso  ut  naturaliter  aestimare  quae  dicimus  probabiliter 
implici  mente  et  sedulo  ingenio  pensare  dignemini,  non  secundum  philosophiae  tradi- 
fs  et  inanem  seductionem  suasoriae  veri  similia  coüigentes,  sed  secundum  regulam  veri- 
',  quae  oraculis  divini  sermonis  expHmitur  et  contemplatione  tantae  maiestatis  fidelium 
Tribus  infunditur.  6,  2,  8  p.  209  Seh.  vidii  in  sancto  spiritu  non  iUas  marcescenüs  iam 
entiae  vanitates  sequendas,  quae  rebus  inexplicabilibus  mentem  nostram  oceupani  l¥^»» 
'am,  sed  ea  potius  describenda  quae  ad  virtutis  spectarent  profectum.  1,  6,  S^ 
Uta  magis  intendamus  animum  in  quibus  vitae  sit  profectus  aeternae.    tX 


294  AmbroBins.    (§  912.) 

deutung  des  Willens  Gottes  fOr  die  Natur  ^gi  2,  %,  4  p.  43  Seh.  imperat  naturae,  tum  poiti. 
bilitati  obtemperat,  non  mensunw  coüigit,  nan  pondua  examinat,  voluntcu  eius  mensura  rerum 
est  4,  2,  6  p.  1 14  Seh.  nan  sol  aut  luna  feeunditatis  auct&res  8unt,  sed  deu$  pater  per 
dominum  Jesum  omnibus  liberalitatem  ferttiitatis  inpertit.  3,  2,  8  p.  64  Seh.  vox  dei  eß> 
ciens  naturae  est.  1,  6,  22  p.  19  Seh.  non  (terra)  libramentis  suis  inmohilis  manet,  sti 
frequenter  dei  nutu  et  arbitrio  commovetur.  —  Die  Allegorie  erscheint  zum  Beispiel  3,  1, 2: 
die  congregatio  der  Gewässer  wird  mit  der  congregatio  der  Kirche  verglichen.  3,  5,  23 
p.  75  Seh.  bene  mari  plerumque  comparatur  ecclesia,  —  üeber  moralische  Natsanwendmign 
belehren  folgende  SteUen:  4,  8,  31  p.  136  Seh.  eius  (lunae)  exemplo  eognoseia,  o  hämo,  Htkü 
rerum  humanarum  esse  posse  et  mundanae  totius  ereaturae,  ([uod  non  aliqtuindo  rud- 
vatur.  5,  18,  58  p.  184  Seh.  discant  homines  amare  ßios  ex  usu  et  pietate  eomieum  a.B.T. 
—  Natnrschilderongen,  z.  B.  der  Sonne  4,  1,  1,  des  Meeres  als  Symbol  5,  5,  23,  der  Flor 
3,  8,  36.  —  Sittenzüge,  z.  B.  5,  1,  2;  gegen  die  Astrologie  4,  4, 12  n.  s.  f.;  Aber  den  Veg^ 
tarianismos  3,  7,  28.  —  Humoristische  Zttge:  3,  4,  17;  5, 12,  36. 

Ueberlieferung.  Die  Handschriften  des  Ezameron  sind  sehr  zahlreich,  üotcr 
denselben  nehmen  die  erste  Stelle  ein  die  Fragmente  des  Aurelianensis  s.  VII.  Von  da 
ttbrigen  Handschriften  unterscheidet  Schenkl  zwei  Klassen,  die  eine,  die  bessere,  bestdwBd 
aus  Cantabrigiensis  coli.  corp.  Christi  193  s.  VIII,  Parisinns  12135  s.  IX,  Pariainns  3964 
8.  IX,  Veronensis  XXVII  25  s.  X,  die  andere,  die  schlechtere,  aus  zwei  Gruppen,  Angi€Bn 
CXXV  8.  IX,  Augiensis  CCXV  s.  X,  Monacensis  6258  s.  X,  Monacensis  8728  s.  X,  Seneuii 
F  V  8  8.  XI.    Ueber  den  Mischcodex  Bemensis  325  s.  XI  vgl.  Schenkl  p.  XXXI. 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  123;  Ballerini  1  Sp.  1;  Corpus  Script,  eccles.  lat.  32  pars  1  p.1 

913.  De  paradiso.  Diese  Schrift  bietet  uns  an  der  Hand  der  Genesis 
eine  Erörterung  über  das  Paradies  und  die  Stammeltem  Adam  und  Eva 
bis  zu  ihrem  Falle.  Die  Auslegung  ist  fast  durchgängig  eine  allegorische 
und  schliesst  sich  an  Philo  an.  Von  den  vielen  wunderlichen  Deutung^ 
wollen  wir  nur  eine  hier  anführen,  weil  sie  in  der  Folgezeit  sehr  populär 
wurde,  die  Deutung  der  vier  Flüsse  des  Paradieses.  Diese  werden  näm- 
lich mit  den  vier  Kardinaltugenden  Klugheit  (prudentia),  Mässigung  (tem- 
perantia),  Tapferkeit  (fortitudo)  und  Gerechtigkeit  (iustitia)  verglichen.^) 
Aber  die  Spekulation  über  diese  vier  Kardinaltugenden  geht  noch  weiter, 
indem  sie  mit  bestimmten  Zeitepochen  in  Verbindung  gebracht  werden. 
Die  prudentia  wird  repräsentiert  durch  die  Zeit  von  der  Erschaffung  der 
Welt  bis  zur  Sündflut,  die  temperantia  durch  die  Zeit  von  der  Sündflut 
bis  auf  Moses,  die  fortitudo  durch  die  Epoche  von  Moses  und  den  übrigen 
Propheten,  die  iustitia  durch  die  Zeit  des  Christentums.*)  Die  Schrift 
verfolgt  zugleich  polemische  Zwecke,  sie  wendet  sich  nämlich  gegen  Apelles 
und  die  Manichäer.  Die  Form  der  Schrift  ist  die  der  gelehrten  ünte^ 
suchung;  nichts  weist  auf  Homilien  hin.  Als  Ambrosius  sie  schrieb,  war 
er  noch  nicht  lange  in  den  Klerus  eingetreten.  Da  er  im  Jahre  374  durch 
die  Wahl  zum  Bischof  in  den  geistlichen  Stand  aufgenommen  wurde,  wird 
die  Schrift  nicht  lange  nach  374  geschrieben  sein;  sie  fällt  also  in  die 
erste  Zeit  seines  bischöflichen  Wirkens. 

Abfassungszeit.  Belehrend  sind  die  Worte  epist.  45,  1  (Sp.  1142  M.)  ego  la» 
dudum  de  eo  (paradiso)  scripsi,  nondum  veteranus  sacerdos.  Geschrieben  ist  die 
Schrift  vor  de  Cain  et  Abel,  wo  1,  1  auf  de  paradiso  verwiesen  wird,  und  ebenso  vor  de 
Abraham,  wo  2,  1,  1  auf  de  paradiso  c.  2  Bezug  genommen  wird;  vgl.  Ihm,  Studia  Am- 
brosiana p.  14;  Schenkl,  Corpus  32  pars  1  p.  VIII. 

Quellen.  Herangezogen  sind  folgende  Schriften  Philos  (4,  24  p.  281  Seh.;  2,  11 
p.  271,  8  Seh.):  liber  de  mundi  opificio,  libri  legis  allegoriarum  und  quaestiones  et  solutioDes 
in  genesim.   Vgl.  Kellner,  Ambrosius,  Regensb.  1893,  p.  90;   Foerster,  Ajoibrosius  p.  105. 

5,  27  p.  284  Seh.  nee  mihi  praeiudicat  Symmachi  interpretatio etsi   aliquotiens  in  ser- 

motte  et  Äcylas  et  ipse  confessi  sint.    Ueber  die  Polemik  gegen  Apelles,  Schüler  Marcions. 

')  3,  14.  I  2)  3,  19. 


Ambrosius.    (§§  913,  914.) 


295 


TgL  Harnack,  Sieben  neae  Bruchstücke  der  Syllogismen  des  Apelles  (Texte  and  Unter- 
•nchiiDgen  Bd.  6  Heft  3  (Leipz.  1890)  p.  116;  ebenda  N. F.  5, 3  (Leipz.  1900)  p. 93).  —  Schenk!, 
Corpus  32  pars  1  p.  XXI. 

Zur  Charakteristik.  5,  28  p.  284  Seh.  plerique,  quorum  auctor  Apelles,  aicut  hahes 
iM  triceaimo  et  octavo  tomo  eins,  hos  quaestiones  proponurU.  S,  38  p.  294  Seh.  ?ioc  obiciunt 
gui  vetus  non  recipiunt  testamentum. 

Ueberlieferung.  Vgl.  Sehen  kl  p.  LH:  ^Tota  recensio  a  duobus  codicibas  s.  Villi 
pendet,  Audomaropolitano  72  et  Parisiaco  1913,  oüm  Colbertino/ 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  275;  Ballerini  1  Sp.  197;  Corpus  Script,  eccles.  lat.  32 
pArs  1  p.  265. 

913.  De  Cain  et  Abel.  Mit  der  Schrift  de  paradiso  bringt  der  Autor 
in  ausdrücklichen  Zusammenhang  die  Schrift  de  Cain  et  Abel.  Auch  hier 
verfährt  der  Verfasser  wiederum  allegorisch  und  wiederum  steht  er  in 
Abhängigkeit  von  Philo.  Besonders  das  Opfer  der  Brüder  gibt  reich- 
lichen Anlass  zu  seltsamen  Deutungen.  Formell  unterscheidet  sich  unsere 
Schrift  von  der  de  paradiso  dadurch,  dass  sie  das  oratorische  und  das 
paränetische  Element  mehr  hervortreten  lässt.  Die  Einteilung  in  zwei 
BQcher  ist  innerlich  nicht  begründet  und  vielleicht  auf  Zufall  zurückzu- 
führen. *) 

Abfassnngszeit.  Der  Schriftsteller  verweist  auf  die  Schrift  de  paradiso:  1,  1,  1 
p.  839  Seh.  de  paradiso  in  superioribus  pro  captu  nostro  ut  potuimus  quod  dominus  infudit, 
9€nsu8  invenit,  digessimus,  in  quUms  Adam  atque  Evae  lapsus  est  conprehensus.  Die  Schrift 
de  patriarchis  11,  55  verweist  dagegen  auf  unsere  Schrift  2,  2,  7.  Sie  wird  also  vor  887 
entstanden  sein.    Gegen  Ihm,  Studia  Ambrosiana  vgl.  Rauschen  p.  492. 

Quellen.  Benutzt  sind  folgende  Schriften  Philos  (1,  8,  32  p.  367,  3  Seh.  quidam): 
De  eo,  quod  deterius  potiori  insidiari  soleat;  de  sacrificüs  Abel  et  Cain  (vgl.  Wen  dl  and, 
Neuentdeckte  Fragmente  Philos,  Berl.  1891,  p.  127)  und  quaestiones  et  solutiones  in  gene- 
aiiii.  Siegfried,  Phüo  von  Alexandria,  Jena  1875,  p.  872;  Foerster  p.  106;  Schenkl, 
Corpus  32  pars  1  p.  XXIII. 

ueberlieferung.  Die  Handschriften,  die  nicht  über  das  11.  Jahrh.  zurückgehen, 
stammen  alle  aus  einem  Archetypus,  dessen  bester  Repräsentant  cod.  Senensis  F  Y  8 
8.  XI  ist. 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  815;  Ballerini  1  Sp.  247;  Corpus  Script,  eccles.  lat.  32 
pars  1  p.  339. 

914.  De  Noe.^)  In  das  Gebiet  der  allegorischen  Schrifterklärung 
gehört  auch  der  Traktat  de  Noe,  der  uns  lückenhaft  überliefert  ist.  Auch 
hier  ist  Ambrosius  ganz  von  Philo  abhängig.  Der  Schwerpunkt  des  Trak- 
tats liegt  in  der  Vergleichung  der  Arche  mit  dem  menschlichen  Körper. 

Abfassungszeit  1,  1  p.  413  Seh.  requiescamus  in  eo  (Noe)  ab  omni  istius  mundi 
woilicUudine,  quam  cottidie  diversis  exagitationibus  sustinemus.  pudet  filiis  supervivere, 
taedet,  cum  tot  adversa  atidiamus  carissimorum,  lucem  hanc  carpere:  ipsarum  ecclesiarum 
divtrsos  fluctus  tempestatesque  vel  praesentes  subire  vel  recipere  animo  quis  tarn  fortis  ut 
paiienter  f erat 9  Diese  Schilderung  lAsst  sich  schwer  auf  ein  bestimmtes  Jahr  deuten;  die 
Benediktiner  (Admonitio  Sp.  361)  setzen  die  Schrift  ins  Jahr  379,  Schenkl  (Corpus  32 
pv9  1  p.  Yini)  in  die  Jahre  383/84.  Sicher  ist,  dass  der  Traktat  vor  de  officiis  (1,  18,  78 
=  de  Noe  c.  8)  und  vor  de  Abraham  (vgl.  Rauschen,  Jahrb.,  Freib.  1897,  p.  494)  fällt. 
Gegen  Kellners  Ausführungen  (p.  96)  vgl.  Rauschen  (p.  492),  der  die  Eingangsstelle 
maf  die  Zeit  nacti  der  Schlacht  bei  Adrianopel  bezieht  und  also  schliesst:  „B&b  Werk  de 
Noe  et  arca  dfirfte  also  gegen  £nde  878  verfasst  sein.  Damit  wäre  dann  zugleich  ge- 
geben, dass  die  Schriften  De  paradiso  und  De  Cain  et  Abel  in  den  Jahren  375^378  ent- 
standen sind.** 

Die  Lückenhaftigkeit  der  Schrift  erhellt  aus  ihr  selbst  (25,  91)  und  wird  auch 
durch  das  Zeugnis  des  Augustin  bestätigt;  denn  bei  ihm  werden  zwei  Stellen  aus  der 
Schrift  mitgeteilt,  die  sich  jetzt  nicht  mehr  in  ihr  finden. 


1)  Vgl.  Schenkl,  Corpus  32  pars  1  p.  V. 

')  Dies  ist  der  durch  die  massgebende 

handschriftliche  Ueberlieferung  bezeugte  Titel, 


nicht  de  Noe  et  arca,  auch  nicht»  wir 
gustin  sagt,   de  arca  Noe;   y|^  B 
Corpus  32  pars  1  p.  XXlin. 


296  Ambrosius.    (§  915.) 

Quellen  aind  die  quaestiones  et  solntiones  in  genesim  von  Philo  (5,  12  p.  421,22 
Seh.  alii);  vgl.  Kellner  p.  98.  üeber  die  Beschaffenheit  der  anima  wird  ein  kleiner  Ex- 
curs  (25,  92  p.  478  Seh.)  eingestreut,  der  mit  Tertnllian  de  anima  c.  5  und  Macrob.  comm.  de 
Isomn.  Seip.  1,  14,  19  Berührung  hat;  vgl.  Schenkl,  Corpus  82  pars  1  p.  XXV. 

Zur  Charakteristik.  1,  1  p.  413  Seh.  Noe  sancH  adorimur  vUam  mores  ffttta, 
altitudinem  quoque  mentis  explanare,  ai  possumus, 

Ueberlieferung.  Die  Sehrift  wurde  nicht  viel  gelesen;  die  wenigen  Handschriftii 
stammen  aus  einem  durch  zwei  Lücken  (vgl.  3,  7  p.  417  Seh.;  25,  91  p.  478  Seh.)  entsteOta 
Archetypus.  Unter  denselben  zeichnen  sich  aus  Parisinus  12137,  oüm  Corbeiensis  a.  EX; 
vgl.  Sehen  kl  p.  LXI. 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  361;  Ballerini  1  Sp.  301;  Corpus  Script  ecdes.  hrL32 
pars  1  p.  413. 

915.  De  Abraham  1.  n.  Die  Schrift  de  Abraham  besteht  aus  zwei 
Büchern;  beide  handein  über  Abraham  in  ganz  verschiedener  Weise,  h 
dem  ersten  Buche  wird  Abraham  als  Vorbild  den  Eatechumenen  vorge- 
stellt; es  kommt  also  hier  die  moralische  Interpretation  in  Anwendtmg. 
Im  zweiten  Buch  will  Ambrosius  den  höheren  Sinn,  der  in  den  Thaten  Abra- 
hams liegt,  erschliessen ;  hier  greift  er  zur  allegorischen  Erklärungs- 
weise.  Das  erste  Buch  führt  die  Erzählung  aus  dem  Leben  Abrahans 
weiter  als  das  zweite;  diese  Verschiedenheit  ist  daraus  zu  erklären,  das 
Ambrosius  im  ersten  Buch  selbständig  vorgeht,  im  zweiten  dagegei 
sich  an  eine  Schrift  Philos  anlehnt.  Dass  dem  ersten  Buch  Predigten, 
welche  der  Bischof  an  seine  Katechumenen  hielt,  zu  Grunde  liegen,  ist 
aus  mehreren  Stellen  ersichtlich.  Bei  dem  zweiten  Buch  fehlt  ein  sol- 
ches Anzeichen;  dasselbe  stellt  sich  vielmehr  in  die  Reihe  der  Bücher  de 
paradiso,  de  Cain  et  Abel  und  de  Noe,  bei  denen  ebenfalls  eine  Ent- 
stehung aus  Vorträgen  nicht  wahrscheinlich  gemacht  werden  kann.  Be- 
reits Ambrosius  hat  die  beiden  verschiedene  Zwecke  verfolgenden  Bücher 
zu  einer  Einheit  zusammengefasst.  Grösseres  Interesse  hat  für  den  Leser 
das  erste  Buch;  es  laufen  zwar  auch  hier  viel  Klügeleien  mit  unter, 
auch  ist  das  Typische  nicht  ganz  vermieden  und  müssen  wir  viele  lang- 
atmigen Paränesen  mit  in  den  Kauf  nehmen,  allein  wir  bekommen  ein 
christliches  Ideal  gezeichnet,  und  dieses  Ideal  wird  in  ausdrücklichen  Gegen- 
satz zu  den  idealistischen  Schilderungen  von  Piatons  noXitsia  und  von 
Xenophons  Cyropädie  gebracht.^)  Nicht  mit  Unrecht  hat  man  das  Buch 
eine  christliche  Cyropädie  genannt.  Ueberall  ist  der  Verfasser  bestrebt 
aus  dem  Leben  Abrahams  Nutzanwendungen  für  das  christliche  Leben  zn 
gewinnen.^)  Besonders  merkwürdig  sind  die  Lehren,  welche  denen,  die 
sich  verheiraten  wollen,  gegeben  werden;  gemischte  Ehen  werden  stark 
verurteilt.  3)  An  einer  anderen  Stelle  werden  die  Frauen  ermahnt,  ihre 
Kinder  selbst  zu  stillen.*)  Abraham  wird  als  Ausbund  aller  Tugenden  ge- 
schildert; besonders  seine  Hingebung  an  Gott  wird  stark  empfohlen.*) 

Abfassungszeit.  Sicher  ist,  dass  die  Schrift  nach  de  paradiso  fällt,  denn  de  Abr. 
2,  1,  1  wird  auf  de  paradiso  2,  11  verwiesen.  Ferner  fällt  sie  auch  nach  de  exe.  Satyri, 
denn  de  Abr.  1,  5,  38  wird  auf  das  zweite  Buch  de  exe.  Satyri  (de  fide  resurrectionis)  2. 96 


')  1,  1,  2.  i  »)  1,  9,  84. 

^)  Diese    Nutzanwendungen    werden    in  '  *)  1,  7,  63. 

verschiedener   Weise    eingeführt:    1,    7,    59  *)  \,h,Z2i^,h2%^Q\i.diximus  de  Ahrakat 

p.  »540  Seh.  durch  discite,  1,  7,  63  p.  543  Seh.  |   devotione  ac   de  fide,   de  prudentia   iustitk 
durch  moralis  locus,  1,  9,  90  p.  560  Seh.  durch       caritate  parsimonia:  nunc  etiam  de  hospitali- 


pulcherrlmus  locus  ad  instruendos. 


täte  dicamus. 


Ambrosius.    (§§916,917.) 


297 


Dgewiesen.  Da  Satyras  379  gestorben  iat,  muss  die  Scbrift  nach  379  geschrieben  sein, 
ellner  (p.  98)  setzt  dieselbe  vor  Ostern  387;  auch  die  Mauriner  nehmen  dieses  Jahr  an. 

Quellen.  Die  Frage  nach  den  Quellen  kommt  fast  nur  für  das  zweite  Buch  in 
»tracht.  Dasselbe  ist  hanptsftchlich  nach  dem  dritten  Sermo  der  quaestiones  et  solutiones 
genesim  des  Philo  bearbeitet.  Dies  ist  schon  daraus  ersichtlich,  daas  Ambrosius  mit 
im  Kapitel  der  Genesis  (17,  21)  das  Leben  Abrahams  abbricht,  wo  auch  Philo  stehen  ge- 
ieben  ist.  Ueber  spärliche  Entlehnungen  aus  anderen  philonischen  Büchern  vgl.  Sehen  kl, 
>rpus  32  pars  1  p.  XXYU.  Unwahrscheinlich  ist  die  Ansicht  Schenkls,  dass  das  Werk 
ivoUendet  sei.   Ueber  einige  philonische  Gedanken  im  ersten  Buch  vgl.  denselben  p.  XXVI. 

Zur  CharakteristiK.  1,  1,  1  p.  501  Seh.  Abraham  libri  huius  tUulus  est,  quoniam 
r  ordinem  huius  quoque  patriarchae  gesta  cansiderare  animum  subiit.  de  quo  nobis  mo- 
tlis  primo  erit  traetatus  et  simplex.  nam  si  aüiore  disputatione  processus  quidam  et 
rma  viriutis  et  quaedam  species  exprimatur,  tarnen  forensia  quoque  actuum  eins  veatigia 
^eetare  virtutis  profectua  est.  2,  1,  1  p.  564  Seh.  moralem  quidem  loeum  persecuti  sumus 
ra  potuimus  intellectus  simplicitate  ....  verbum  dei  ....  paratum  invenis  et  opor- 
num,  ut  animam  legentis  pertranseat  ad  revelanda  propheticarum  scripturarum  aenigmata. 
tde  non  absurdum  reor  referre  ad  altiora  sensum  et  per  historiam  diversarum  personarum 
rtutis  formae  quendam  proeessum  eocplieare,  maxime  cum  iam  in  Adam  inteUectus  pro- 
ndioris  exordia  degustarimus.  Das  erste  Buch  wendet  sich  üfters  an  Eatechumenen; 
^.  l,  1,  59  p.  540  Seh.  discite  qui  ad  gratiam  baptismatis  tenditis.  1,  4,  23  p.  518  Seh. 
loniam  cum  his  mihi  sermo  est  qui  ad  gratiam  baptismatis  nomen  dederunt.  1,  4,  25 
519  Seh.  sed  et  vos  moneo,  viri,  maxime  qui  ad  gratiam  domini  tenditiS'  1,  9,  89 
560  Seh.  fortasse  audientes  haee,  fUiae,  quae  ad  gratiam  domini  tenditis. 

Ueberlieferung.  Das  erste  Buch  wurde  viel  mehr  gelesen  als  das  zweite.  Auch 
ii  diesem  Traktat  bildet  Parisinus  12137,  olim  Corbeiensis  s.  IX  die  Grundlage  des  Textes; 
;1.  Schenkl  p.  LXX. 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  419;  Ballerini  1  Sp.  365;  Corpus  Script,  eccles.  lat.  32 
irs  1  p.  501. 

916.  De  Isaac  et  anima.  In  dieser  Schrift  wird  die  Vermählung 
;aaks  mit  Rebekka  in  die  Verbindung  Christi  mit  der  Seele  umgedeutet, 
s  ist  bekannt,  dass  Isaak  wegen  seiner  Opferung  durch  den  Vater  gern 
B  ein  Vorbild  Christi  angesehen  wird.  Es  lag  daher  nahe,  auch  seine 
ermählung  mit  Christus  in  Verbindung  zu  bringen.  Für  die  Allegorien 
t  besonders  verwertet  das  hohe  Lied.^)  Wahrscheinlich  ist,  dass  Am- 
-osius  die  Commentare  des  Origenes  zu  diesem  biblischen  Werk  benutzt 
it;  allein  da  dessen  beide  Commentare  bis  auf  Fragmente  verloren  ge- 
ingen  sind,  lässt  sich  der  Umfang  der  Benutzung  nicht  mehr  feststellen. 

Titel  der  Schrift.  Augustin.  c.  Jul.  Pelag.  1»  8,  44;  2,  5,  12  citiert  die  Schrift  mit 
m  Titel  de  Isaac  et  anima;  auch  alte  Handschnften  haben  diese  Bezeichnung.  Daneben 
scheint  auch  in  der  Ueberlieferung  de  Isaac  vel  anima,  Ambrosius  weist  in  der  Schrift 
bono  mortis  mit  de  anima  auf  unsem  Traktat  hin,  und  in  der  That  entspricht  dieser 
iel  mehr  dem  Inhalt  der  Schrift,  da  von  Isaak  verhältnismässig  wenig  die  Rede  ist. 
shrscheinlich  war  jedoch  der  ursprüngliche  Titel  de  Isaac,  zu  dem  später  zur  Erläuterung 
!  anima  hinzugefügt  wurde;  vgl.  Schenkl,  Corpus  32  pars  1  p.  XaVIIII. 

Abfassungszeit.  Die  Schrift  fällt  nach  der  Expositio  in  psalmum  118,  denn  4,  17 
»rweist  auf  die  expositio. 

Zur  Charakteristik.  Auf  die  Form  des  Vortrags  weisen  die  Worte  4,  85  p.  668  Seh. 
nit  pascha,  venit  indulgentia,  advenit  remissio  peccatorum  hin. 

ueberlieferung.  Für  die  Traktate  de  Isaac,  de  bono  mortis,  de  fuga  saeculi,  de 
icob  sind  unsere  Führer  der  Audomaropolitanus  72  und  Parisinus  1918,  beide  s.  IX;  vgl. 
chenkl  p.  LXXUI. 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  501;  Baller ini  1  Sp.  457;  Corpus  Script,  eccles.  lat.  82 
irs  1  p.  641. 

917.  De  bono  mortis.  Eine  Ergänzung  zu  der  Schrift  de  Isaac  et 
aima  bildet  der  Traktat  de  bono  mortis.  Der  Autor  hat  selbst  diese 
erbindung   im  Eingang  deutlich   angedeutet.     Von    der  vorigen  Schrift 


^)  Welche  Quellen  er  hier  benutzte,  lässt 
ch  nicht  sicher  bestimmen;  wahrscheinlich 


sah  er  den   Commentar   des  Origenes  ein; 
vgl.  Schenkl,   Corpus  82  pars  1   p.  XXX. 


298  Ambrosius.    (|  918.) 

unterscheidet  sich  die  unsrige  aber  dadurch,  dass  sie  nicht  exegetischer, 
sondern  ethischer  Natur  ist.  Dies  schliesst  natürlich  nicht  aus,  da» 
viele  Bibelstellen  herangezogen  werden  und  das  apokryphe  vierte  Bock 
Esdras  ausgenützt  wird.^)  Der  oratorische  Charakter  der  Schrift  tritt 
besonders  gegen  den  Schluss  stark  hervor;  es  ist  daher  wahrscheinliii, 
dass  auch  hier  Vorträge  zu  Gründe  liegen.  Die  Betrachtung  geht  von 
der  Unterscheidung  eines  dreifachen  Todes  aus;  er  statuiert  nämlich  einei 
Tod  der  Sünde,  einen  mystischen  Tod,  wenn  jemand  der  Welt  abstirbt 
und  Gott  lebt,  endlich  einen  Tod,  der  in  der  Trennung  des  Leibes  und 
der  Seele  besteht.  Bezüglich  des  letzteren  wird  nun  auseinandergesetzt, 
dass  derselbe  an  und  für  sich  weder  ein  Gut  noch  ein  Uebel  ist,  und 
dass  er  eines  von  beiden  nur  durch  uns  selbst  wird.  Der  Bischof  schil- 
dert die  Mühseligkeiten  des  Lebens,  von  denen  uns  nur  der  Tod  befrdt 
Er  schildert  uns  den  Körper  nach  der  von  Plato  begründeten  Anschauung 
als  eine  Fessel  der  Seele,  welche  der  Tod  sprengt;  er  hebt  endlich  her- 
vor, dass  sogar  für  den  Sünder  der  Tod  insofern  ein  Segen  ist,  als  er 
ihm  die  Möglichkeit  benimmt,  weitere  Sünden  zu  thun.  Die  Unsterblid- 
keit  der  Seele  wird  fast  nur  durch  die  hl.  Schrift  begründet ;  andere  Be- 
weise sind  nur  flüchtig  berührt.*)  Plato  wird  zwar  erwähnt,  allein  es 
heisst  von  ihm,  dass  er  seine  Weisheit  den  hl.  Schriften  verdanke.')  Die 
Schrift  ist,  um  unser  Urteil  zusammenzufassen,  vom  Boden  christlicher 
Anschauung  ausgegangen  und  auch  nur  für  solche  berechnet;  der  Philo- 
sophie leistet  sie  keine  Dienste.  Der  paränetische  Charakter  ist  über- 
wiegend; dazu  gibt  der  mystische  Tod  reichliches  Material. 

Zusammenhang  der  Schrift  mit  de  Isaac  et  anima.  Der  Eingang  der  Schrift 
de  bono  mortis  weist  auf  de  Isaac  et  anima  hin  mit  den  Worten  1,  1  p.  703  Seh.  qu<miam 
de  anima  super iore  libro  sermonem  aliquem  contexuhmis,  faciliorem  viam  putamu3  de  hoM 
mortis  conficere  aliquid. 

Ueber  die  Ueberlieferung  vgl.  §  916. 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  539;  Ballerini  1  Sp.  501;  Corpus  Script,  eccles.  Iat32 
pars  1  p.  703. 

918.  De  fuga  saeculi.  Der  Redecharakter  dieser  Schrift  scheint 
wiederum  aus  dem  Schluss  zu  erhellen.  In  seinem  Vortrag  hat  der  Bischof 
diesmal  Getaufte  im  Auge,  denen  weitläufig  auseinandergesetzt  wird,  dass 
die  Flucht  vor  der  Welt  die  Flucht  vor  der  Sünde  ist,  und  dass  es  unsere 
Aufgabe  ist,  unsere  Seele  Gott  ähnlich  zu  machen.  Auch  in  diesem  Traktat 
benutzte  Ambrosius  den  Philo  und  zwar  dessen  Schrift  de  profugis.  Ihm 
schliesst  er  sich  besonders  an  in  der  Erklärung  der  sechs  Freistädte,  von 
denen  Mos.  4,  35,  11  die  Rede  ist. 

Abfassungszeit.  3,  16  p.  176  Seh.  talis  enim  inquit  nobis  decebat  (Hebr.  7, 26i 
recta  est  elocutio,  siquidem  apud  eos  qui  verborum  et  elocutionum  dilectum  habut- 
runt,  huiusmodi  invenitur  dicente  aliquo:  locum  editiorem  quam  victorihus  decebat 
(Sallust.  Hist.  1,  140  M.).  quod  ideo  non  praeterii,  ut  sciamus  quia  apostolus  naturalümt 
magis  quam  vuUjatis  aut  secuftdum  artem  utitur  verbis.  Nach  einer  Beobachtung  Bueche- 
lers  (Rhein.  Mus.  43  (1888)  p.  293)  schöpft  hier  Ambrosius  aus  der  Beispielsammlung  des 
Anisianus  Messius,   nicht    direkt   aus   Sallust,    dem   das   citierte   Beispiel   entnommen  ist 

^)   Er   hat   auch    die    xvgua    (fo^at   des  i   corum  (Plato)  conposuit.     11,51    p.  747  Seh. 

Epicur   benutzt;    vgl.   Schenkl,    Corpus  32  quis    utique  prior  Hesdra  an  Piaton i^  .... 

pars  1  p.  XXXII.  nostra   sunt   quae   in  philosophorum   litterii 

^)  9.  42.  praestant. 

8)  5,  19  p.  720  Seh.  hoc  ex   libro  Canti- 


Ambrosius.    (§§919,920.) 


299 


Wllasten  wir  genau  das  Jahr,  in  dem  diese  Beispielsammlung  herausgegeben  wurde,  so 
kitten  wir  damit  auch  den  terminus  post  quem  für  die  Schrift  des  Ambrosius.  Allein 
diätes  Jahr  kann  nicht  sicher  ermittelt  werden;  vgl.  oben  §  839.  Combinationen  über  die 
AMusongszeit  siehe  bei  Ihm,  Studia  Ambroaiana  p.  19,  der  es  nicht  fQr  wahrscheinlich 
htlH,  dass  die  Schrift  vor  889/90  entstanden  ist.  Die  Mauriner  nehmen  als  Entstehungsjahr 
887  an.  Da  Sehen  kl  (p.  XII)  das  Büchlein  des  Arusianus  Messius  nicht  lange  nach  391 
•eilt,  glaubt  er,  dass  die  Schrift  de  fuga  saeculi  bald  nach  391  entstanden  sei. 

Quellen.  Ausser  der  Beispielsammlung  des  Arusianus  Messius  ist  besonders  be- 
aotit  die  Schrift  Philos  nsgl  tpvyttdwv;  vgl.  Foerster,  Ambrosius  p.  111;  Ihm,  Philon  und 
Ambrosius  (Fleckeis.  Jahrb.  141  (1890)  p.  282);   Schenkl  p.  XYII. 

Ueber  die  Ueberlieferung  vgl.  §  916.  , 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  569;  Ballerini  1  Sp.  537;  Corpus  Script,  eccles.  lat.  32 
pan  2  p.  163. 

919.  De  Jacob  et  vita  beata  1.  n.  Das  von  den  alten  Philosophen 
viel  behandelte  Problem  „Was  macht  uns  glücklich?"  konnte  von  christ- 
lichem Standpunkte, aus  leichter  beantwortet  werden.  Die  Antwort  konnte 
nur  lauten:  Olücklich  werden  wir,  wenn  wir  den  Willen  Gottes  thun. 
Dieser  Grundgedanke  durchzieht  auch  die  genannte  Schrift  des  Ambrosius, 
der  wiedenmi  Predigten  zu  Grunde  liegen.^)  Er  gibt  seiner  Gemeinde  An- 
leitung zum  christlichen  Leben  und  führt  auch  den  Gedanken  aus,  dass 
Widerwärtigkeiten  das  Glück  des  vir  perfectus,  d.  h.  des  wahrhaft  christ- 
lichen Mannes,  nicht  aufheben  können.  Diesen  theoretisch  gehaltenen  Dar- 
legungen folgt  im  zweiten  Buch  eine  praktisch  exegetische.^)  Jakob  und 
mdere  Persönlichkeiten  des  alten  Testaments  werden  als  Muster  des  glück- 
lichen Lebens  vorgeführt.  Hier  tritt  nun  auch  wieder  die  allegorische 
Exegese  auf  den  Plan.  Eine  Glanzpartie  dieses  zweiten  Buches  ist  die 
Erzählung  von  den  sieben  maccabäischen  Brüdern.  Selbständig  ist  Am- 
brosius auch  in  dieser  Schrift  nicht;  er  benutzte  vorwiegend  das  soge- 
nannte^) 4.  Maccabäerbuch:  eig  Maxxaßaiovg  rj  nsQl  avToxQotoQog  XoyKXf^iov, 
welches  man  irrtümlich  dem  Flavius  Josephus  zuschreibt;  freilich  ist  der 
Kirchenvater  gezwungen,  den  Xoyiafiog  zu  christianisieren. 

Ueber  die  Hauptquelle  vgl.  Freudenthal,  Die  Flavius  Josephus  beigelegte 
Schrift  aber  die  Herrschaft  der  Vernunft,  Breslau  1869,  p.  32.  Ueber  andere  sekundäre 
Quellen  vgl.  Schenkl  p.  XV. 

ZnrCharakteristik.  1,  7,  28  p.  21  Seh.  neque  adversa  corporis  vitae  heatae  munus 
imminuunt  neque  de  eins  aliquid  suavitate  delibant,  quia  non  in  delectatione  corporis  vitae 
heatüudo  est,  sed  in  conscientia  pura  ah  omni  Iahe  peccati  ....  habet  in  se  remunerationem 
99iam  qui  sequitur  Jesum  et  in  suo  affectu  praemium  et  gratiam,  etiamsi  dura  sustineat, 
beatus  tarnen  est  suis  mortbus  etc. 

Ueber  die  Ueberlieferung  vgl.  §  916. 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  597;  Ballerini  1  Sp.  569;  Corpus  Script,  eccles.  lat.  32 
p«r8  2  p.  2. 

920.  De  Joseph  patriarcha.  Oern  nimmt  Ambrosius  seine  Muster 
für  die  christlichen  Tugenden  aus  den  Büchern  des  alten  Testaments. 
Abraham  ist  ihm  ein  Vorbild  für  die  Ergebung  in  den  göttlichen  Willen, 
Isaak  für  die  schlichte  Einfalt,  Jakob  für  die  Ausdauer,  Joseph  natürlich 
f&r  die  Keuschheit.  Aber  der  überall  nach  Geheimnissen  in  der  hl.  Schrift 
suchende  Bischof  sieht  in  Joseph  noch  viel  mehr,  nämlich  ein  Vorbild 
Christi.    In  allen  seinen  Handlungen  erblickt  er  Hindeutungen  auf  Leben 


0  2,  5,  23  p.  45  Seh.  sicut  audisti  legi 
hcdie. 

•)  2,  1,  1  p.  31  Seh.  superiore  lihro  de 
frirtutum  praeeeptis   disputavimus,    sequenti 


clarorum  virorum  utamur  exemplis, 

*)  Vgl.  Reusch,  Einleitung  in  das  al^" 
Testament,  Freiburg  1859,  p.  135. 


300  Ambrotins.    (§921.) 

und  Wirken  des  Erlösers,  und  es  ist  ihm  eine  ganz  besondere  Freude,  die 
Worte  des  alten  Testaments  mit  Worten  des  neuen  Testaments  vergleichend 
zusammenzustellen.  Seine  Auslegungen  sind  um  so  beachtenswerter,  wei 
sie  selbständig  sind.O  Wir  bewundem  die  reiche  Phantasie  des  frommen 
Mannes,  der  überall  aus  dem  Leben  Josephs  Analogien  zu  Christus  herans- 
klügelt. 

Abfassangszeit.  6,  38  p.  96  Seh.  et  factum  est  inquU  poat  biennium,  menlkr 
de  hoc  noatri  spadonie  tempore^  niei  et  dies  canvenit,  quia  post  biennium  reeepit  effmm 
nee  recordatus  ut,  sed  admonitus  ....  sed  cito  hune  laeum  praeterecU  dolor,  ne  ipsa  cm. 
memoratione  crudescal;  ne  ipsius  quidem  sermanis  mei  meminisse  deleeteU,  quem  turne  im" 
poris  vel  effuderit  dolor  vel  extorserii  ecclesiae  contumelia,  6,  35  p.  97  Seh.  et  Doee  pnep^ 
Situs  erat  et  praepositus  regis  animalium  ad  disciplinam  mulorum,  hoc  est  spadonwm  am- 
malium.  hie  quoque  sacerdotem  domini  detüfit  et  regem  fraude  conmovit  in  saeeriäu 
periculum  et  hie  Syrus  erat,  num  mentior,  quando  et  patria  et  facta  conveniunt?  Amn 
quoque  a  cubiculo  regis  et  ipse  praepositus,  dum  invadere  ecclesias  domini  inproba  temeri' 
täte  contendit  populumque  fidelem  spoliare  ac  persequi,  gravibus  sacrüegia  suppiieiii  er- 
pendit.  Es  kommt  hinzu  eme  Stelle  ans  einem  Briefe  des  Ambrosins  an  seine  Schwette 
Marcellina,  der  in  das  Jahr  385  fällt:  20,  28  denique  etiam  speciali  expressione  Caüig^im, 
praepositus  cubicüli,  mandare  mihi  ausu^  est:  me  vivo  tu  contemnis  Valeniinianumf  cofä 
tibi  tollo.  Respondi:  Deus  pennittat  tibi,  ut  impleas  quod  minaris;  ego  enim  potior  qusi 
episcopi,  tu  fades  quod  spadones,  Ambrosins  bezieht  sich  in  den  Schilderungen  misenr  I 
Schrift  offenbar  auf  Calligonus.  Man  vergleiche  noch  über  das  Schicksal  dieses  Mama  7 
Augustin.  contra  Jul.  Pelag.  6,  14  Calligonum  Valentiniani  iunioris  eunuchum  gladio  nsn^ 
mus  ultore  punitum  meretricis  confessione  convictum.  Da  die  insolente  Handlungsweise  d« 
Eunuchen  ins  Jahr  385  fäUt  und,  als  unsere  Predigten  gehalten  wurden,  ein  biennium  vtt- 
flössen  ist,  kommen  wir  auf  das  Jahr  387  als  Abfassungszeit;  vgl.  Ihm,  Stadia  AmW 
siana  p.  16;  vgl.  auch  Sehen  kl.  Corpus  32  pars  1  p.  XI,  der  das  Erscheinen  der  Schrift 
um  die  Jahre  389/90  bestimmt. 

Zur  Charakteristik.  1,  1  p.  73  Seh.  sanctorum  vita  ceteris  normo  vivendi  eA^ 
ideoque  digestam  plenius  accipimus  seriem  scripturarum,  ut  dum  Abraham,  Isaac  et  Jat(k 
ceterosque  iustos  legendo  cognoscimus,  velut  quendam  nobis  innocentiae  tramitem  eorum 
rirtufe  reseratum  enitentibus  vestigiis  jy^^equamur.  de  quibus  mihi  cum  frequens  tractatui 
fuerit,  hodie  sancti  Joseph  historia  occurrit.  in  quo  cum  plurima  fuerint  genera  ririutum, 
tum  praecipue  insigne  effulsit  castimoniae,  aus  welchen  Worten  zugleich  die  ursprüng- 
liche Predigtform  erhellt. 

Ueberlieferung.  Für  de  Joseph  und  de  patriarchis  ist  ein  codex  von  Boalogne 
8iir  mer  32  s.  VII  massgebend;  vgl.  Scnenkl  p.  XXI. 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  641;  Ballerini  1  Sp.  617;  Corpus  Script,  eccles.  Ut.  ^ 
pars  2  p.  78. 

931.  De  patriarchis.^)  Bekannt  sind  aus  Gen.  49,  3  die  Segnungen, 
die  Jakob  seinen  Söhnen  spendete.  Ambrosins  hätte  mehrfach  Gelegen- 
heit gehabt,  dieselben  zu  behandeln,  allein  er  tiberging  sie,  oflfenbai-  weil 
er  bereits  im  Sinne  hatte,  eine  eigene  Schrift  darüber  zu  schreiben.  Diese 
Segnungen  boten  ja  der  wilden  allegorischen  Exegese  einen  grossen  Tummel- 
platz, und  der  Kirchenvater  hat  sie  reichlich  ausgenutzt.  Der  natürliche 
Sinn  wird  gänzlich  beiseite  geschoben,  selbst  das  Moralische  wird  mit  einer 
einzigen  Ausnahme  (7,  33)  ungenutzt  gelassen.  Ueberall  werden  Fäden 
gesponnen,  welche  das  alte  Testament  mit  dem  neuen  verknüpfen.  Die 
Schrift  kann  als  eine  Ergänzung  zu  der  de  Joseph  patriarcha  betrachtet 
werden,  und  in  manchen  Handschriften  erscheint  sie  als  solche.  Wegen 
dieses  innigen  Zusammenhangs  werden  wir  die  Schrift  auch  in  das  Jahr 
387  oder  bald  darnach  ansetzen.  Damit  stimmt,  dass  der  im  Jahre  38^ 
geschriebene  Commentar  zu  Lucas  (4,  21)  erwähnt  wird. 

^jUebereinigesPhilonischevgl.  Schenkl   '  ^)  Dies,   nicht  de  benedictionibus  patri- 

p.  XVII.  I   archarum  bt  der  best  beglaubigte  Titel. 


Ambrosia«.    (§§922,923.) 


301 


üeber  die  Abfassangszeit  vgl.  Ihm,  Stadia  Ambrosiana  p.  17. 
üeber  die  Ueberlieferung  vgl.  §  920. 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  673;  Ballerini  1  Sp.  655;  Corpus  Script  eccles.  lai  32 
pars  2  p.  125. 

922.  De  Helia  et  ieinnio.  Auch  das  Fasten  gab  dem  Ambrosius 
Stoff  zu  Predigten,  0  deren  Produkt  die  angegebene  Schrift  ist.  Er  hielt 
sie  beim  Beginn  der  Quadragesima;  das  Jahr  ist  unbekannt.  Doch  war 
der  Hymnengesang  schon  in  der  Mailänder  Kirche  üblich,')  wir  kommen 
also  in  die  Zeit  nach  386.  Er  knüpft  seine  Exhortation  an  ein  alttesta- 
mentliches  Beispiel  an,  nämlich  an  Elias;  allein  da  er  über  denselben 
bereits  in  mehreren  Schriften  gehandelt,^)  berührt  er  nur  kurz  seine 
Thaten.  Ausführlich  verbreitet  sich  der  Bischof  über  das  Wesen  des  Fa- 
stens; es  fällt  dabei  manches  interessante  Streiflicht  auf  die  Geschichte 
dieser  Bussübung.  Auf  den  nichttheologischen  Leser  übt  die  mittlere  Partie, 
welche  gegen  die  Trinkgelage  zu  Felde  zieht,  die  grösste  Anziehung  aus. 
Hier  bekommen  wir  Bilder,  die  nach  dem  Leben  gezeichnet  sind;  die 
Scene  der  zechenden  Offiziere  ist  von  packender  Realität.^)  Mit  Erstaunen 
sehen  wir,  wie  alt  unsere  Zechgebräuche  sind.  Der  Schluss  schildert  die 
Prasserei  als  die  Quelle  aller  XTebel  und  mahnt  die  Katechumenen,  sich 
durch  den  Empfang  der  Taufe  für  immer  von  der  Schwelgerei  loszusagen. 
Für  seine  Vorträge  hat  Ambrosius  wiederum  den  Basilius  benutzt;  er 
schöpft  aus  den  drei  Reden  de  ieiunio,  in  ebriosos  und  exhortatio  ad 
baptismum. 

Abfassungszeit.  Gegen  die  Ansicht  der  Benediktiner,  dass  die  Schrift  nach  dem 
Tode  des  Maximus  verfasst  sei,  vgl.  Rauschen,  Jahrb.  der  christi.  Kirche  etc.,  Freib. 
1897,  p.  273.  Dass  die  Schrift  vor  392  falle,  wird  mit  Unrecht  aus  17,  62  p.  448  Seh.  im- 
ptratarum  geschlossen  (Schenkl  p.  XIII);  vgl.  dagegen  Ihm,  Studia  Ambrosiana  p.  19. 

Quellen.   Ueber  die  Verwertung  der  drei  Reden  des  Basilius  vgl.  Schenkl  p.  XVIIII. 

Zur  Charakteristik.  17,  62  p.  448  Seh.  'bibamua'  inquiunt  *opto  salutem  impera- 
tarum,  ut  qui  non  biberit  fiat  reus  indevotionis;  videtur  enim  non  amare  imperatarem  qui 
pro  eins  salute  non  biberW.  13,  48  p.  439  Seh.  tnensura  prapanUur,  eertatur  aub  tudice, 
sub  lege  decemitur,  aganithetes  Ulis  furor  est,  Stipendium  debiliiM,  victoriae  praemium 
culpa.  13,  47  p.  439  Seh.  tä  tragoediarum  actores  primo  sensitn  vocem  excitant,  donec  udae 
fpocis  aperiant  iter,  ut  postea  magnis  possint  clamaribus  personare,  ita  isti  quoque  in  prin- 
eipio  prolusariis  se  exercent  pocuiis,  ut  inritent  sitim,  ne  forte  restinguant  eam  et  satiati 
postea  bibere  non  possint, 

Ueberlieferung.  Die  Grundlage  der  Recension  bildet  der  Parisinus  1732,  olim 
Thnaneus  et  deinde  Colbertinus,  s.  VIII;  vgl.  Schenkl  p.  XXX Villi. 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  697;  Ballerini  1  Sp.  687;  Corpus  Script,  eccles.  lat.  32 
pars  2  p.  411. 

923.  De  Nabnthae.^)  Bekannt  ist  aus  dem  dritten  Buche  der  Könige 
die  Geschichte  Ahabs  und  Naboths.  Ahab  war  lüstern  nach  einem  Wein- 
berge Naboths;  allein  er  konnte  denselben  von  Naboth  nicht  erlangen, 
weil  dieser  das  Erbe  seiner  Väter  nicht  veräussern  wollte.  Wegen  dieser 
Weigerung  wurde  Naboth  unschuldig  zum  Tode   gebracht,  um  Ahab  in 


^)  Der  Predigtcharakter  erhellt  z.  B. 
aus  20,  75  p.  457  Seh.  audistis  hodie  in  lec- 
tione  decursa. 

«)  15,  55. 

')  3.  5  p.  414  Seh.  sed  de  Heliae  gestis 
plurima  iam  frequenti  diversorum  librorum 
sermone  digessimus  et  cavendum  arbitror, 
ne  in  eadem  recurramus,  cum  praesertim  in 


opere  suo  ipse  laudetur. 

*)  Schenkl  p.  VI:  „Neque  a  vero  abest 
Ambrosium,  cum  bene  sciret  eos  (tribunos 
militum  centurionesque)  ventnros  esse,  ora- 
tionem  ita  conformavisse,  ut  acrius  in  ebrie- 
tatem  inveheretur*. 

*)  So  gibt  den  Titel  Schenkl;  die  Vul- 
gata  ist  de  Nabuthe  Jezraelita. 


302  Ambrosins.    (§  924.) 

den  Besitz  des  Weinbergs  zu  setzen.  Diese  Geschichte  gibt  eine  treffende 
Illustration  der  Habsucht,  und  Ambrosius  benutzte  sie,  um  gegen  ein  Orond- 
übel  seiner  Zeit  in  eindringlicher  Weise  Stellung  zu  nehmen.  Verwertet 
sind  in  dieser  Schrift  von  Ambrosius  zwei  Homilien  des  Basilius.  üeber 
die  Zeit  der  Abfassung  lässt  sich  nichts  Sicheres  mitteilen. 

Quellen.  Schenkl  p.XVIin:  ^contaminatione  quadam  ita  nsus  est,  ntmodoiezU 
homilia  (Basilii),  qua  capitis  All  evangelii  Lucae  versus  XVIII  illastratar,  modo  septimi. 
quae  in  divites  inscribitor,  ad  sermones  explendos  et  exoraandos  nteretor.* 

Ueberlieferung.  Grundlage  ist  auch  hier  der  Parisinus  1732  s.  VIII,  der  leider 
durch  Lücken  Schaden  gelitten  hat;  vgl.  Schenkl  p.  XXXX. 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  781;  Ballerini  1  Sp.  725;  Corpus  Script,  eccles.  Ut  32 
pars  2  p.  469. 

924.  De  Tobia.  Das  Buch  Tobias  gibt  Ambrosius  Anlass  zu  einer 
Reihe  von  Predigten  gegen  den  Wucher,  bei  welchen  die  zweite  Homüie 
des  Basilius  zum  14.  Psalm  benutzt  wurde.  Tobias  besass  nämlich  unter 
anderen  Tugenden  auch  die,  keiAe  Zinsen  für  ein  Darlehen  zu  nehmen. 
An  diese  Thatsache  knüpft  der  Bischof  an.  Der  Titel  der  Schrift  ist 
irreführend ;  abgesehen  von  dem  Eingang  bildet  nicht  Tobias,  sondern  der 
Wucher  den  Gegenstand  der  Schrift.  Ambrosius  spricht  sich  gegen  die 
Zulässigkeit  des  Zinses  und  die  Pfandnahme  aus  und  stützt  sich  wesent- 
lich auf  das  alte  Testament;  das  neue  Testament,  meint  er,  bedeute  nicht 
die  Aufhebung  des  alten,  sondern  vielmehr  die  Erfüllung  desselben.  Es 
ist  wohl  nicht  zweifelhaft,  dass  grosse  wucherische  Missstände  in  seiner 
Gemeinde  den  Bischof  veranlassten,  die  Schärfe  des  hl.  Wortes  anzuwenden. 
Seine  Rede  trifft  sowohl  die  Schuldner  als  die  Gläubiger.  Von  den  beiden 
Klassen  erhalten  wir  interessante  Charakterzüge,  die  auch  auf  die  Gegen- 
wart Anwendung  finden  können.  Der  Redner  malt  in  düsteren  Farben; 
er  verwertet  sogar  ein  hartes  Wort  Catos,  das  er  in  Cicero  *)  gelesen  hatte. 
Besonders  das  ungemessene  Anwachsen  des  Kapitals  ist  ihm  ein  Greuel 
Sein  Pathos  schlägt  nicht  selten  in  einen  Wortkampf  und  ein  Wortspiel 
um;  aber  auch  an  tief  ergreifenden  Ermahnungen  fehlt  es  nicht.  Doch 
nicht  bloss  ihre  negative  Seite  hat  die  Schrift,  sondern  auch  ihre  positive. 
Ambrosius  dringt  in  seine  Zuhörer,  statt  des  materiellen  Wuchers  den 
geistlichen  zu  treiben,  d.  h.  mit  ihrem  Geld  die  Armen  zu  unterstützen, 
das  Wort  Gottes  zu  verkündigen  und  den  Irrenden  den  Weg  des  Heils 
zu  zeigen.  Auch  dieser  geistliche  Wucher  trage  seine  Zinsen,  indem  er 
uns  ein  Anrecht  auf  die  ewige  Seligkeit  verschaffe. 

Die  Vorträge  erregten  grosses  Aufsehen.  Es  entstand  Unzufrieden- 
heit in  den  angegriffenen  Kreisen;  sie  machten  geltend,  dass  das  Zins- 
und  Pfandnehmen  etwas  alt  Hergebrachtes  sei.  Diese  Reden  kamen  dem 
Bischof  zu  Ohren,  und  er  entgegnet  denselben  an  einer  Stelle.  Hierin 
liegt  für  unsere  obige  Behauptung  der  Beweis,  dass  der  vorliegende  Traktat 
aus  mehreren  Predigten  zusammengearbeitet  ist.  Der  Bischof  weist  alles 
Persönliche  von  sich,  seine  Rede  treffe  nur  das  Laster  der  Habsucht. 

Ueber  die  Abfassungszeit  der  Schrift  lässt  sich  nichts  Bestimmtes 
eruieren;  das  einzige  Zeitmoment,  das  sie  bietet,  die  Erwähnung  der 
Hunnen, 2)   hilft   uns   nicht  viel.     Auch   der  Umstand,   dass  Ambrosius  in 

')  De  officiia  lib.  2  gegen  Ende.  |  «)  11,  39. 


Ambroei^^«    (§925.) 


303 


einem  Briefe  an  den  Bischof  von  Trient,  Vigilius,  gegen  den  Wucher 
eifert,^)  liefert  kein  festes  Fundament  für  eine  chronologische  Schluss- 
Tolgerung;  dies  erkennt  man  schon  daraus,  dass  aus  der  Briefstelle  so- 
wohl die  Priorität  *)  als  auch  die  Posteriorität «)  der  Schrift  gefolgert  worden 
Bind.  Weiter  kommen  wir,  wenn  wir  auf  die  innere  Beschaffenheit  des 
Werks  unser  Augenmerk  richten.  Die  Freude  an  dem  Wort  und  an  der 
Phrase,  die  jedem  Leser  auffällt,  und  die  den  gelehrten  Erasmus  veran- 
lasste, sogar  die  Echtheit  der  Schrift  in  Zweifel  zu  ziehen,  weist  unsern 
Traktat  in  eine  frühe  Lebenszeit  des  Ambrosius,  wo  er  noch  unter  dem 
Eindruck  seiner  rhetorischen  Bildung  stand. 

Quellen.  Schenkl  p.  XX:  ,Una  tantom  Baailii  homilia  —  alteram  in  psalmum 
Xlin  dico  —  Ambrosius  usus  est  in  libello  de  Tobia,  quam  totam  fere  partim  ad  verbum 
expressam  partim  splendidiore  elocutione  illustratam  in  opusculum  suum  recepit." 

Zur  Charakteristik.  23,  88  p.  569  Seh.  nos  non  peraanae  obtrectamus,  sed^avari- 
Hae,  nee  fefeUit  dixisse  aliquos,  cum  ante  hoc  biduum  iractatus  noster  eorum  conpuncxiseet 
affeetum:  quid  sibi  voluit  epiecapus  adversus  faeneratores  tractäre,  qutm  navum  aliquid 
admisaum  sit  etc.? 

Ueberlieferung.   Führer  ist  hier  wiederum  der  Parisinus  1732  s.VIII;  vgl.  Schenkl 

p.  xxxxnii. 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  759;  Ballerini  1  Sp.  759;  Corpus  Script,  eccles.  lat.  32 
pars  2  p.  519. 

925.  De  interpellatione  Job  et  David.  Dieses  in  den  Ausgaben  in 
vier  Bücher  eingeteilte  Werk  erörtert  zwei  Gedanken.  In  den  ersten 
zwei  Büchern  werden  die  Leiden  des  menschlichen  Lebens  vorgeführt, 
und  zwar  wird  im  ersten  Buch  Job,  im  zweiten  David  als  Dulder  hin- 
gestellt. Die  Unterlage  für  den  ersten  Teil  bildet  das  Buch  Job,  für  den 
zweiten  der  41.  und  42.  Psalm.  Das  dritte  Buch  und  das  vierte  beschäf- 
tigen sich  mit  der  Klage  der  Menschen,  dass  es  dem  Bösen  gut,  dem 
Outen  dagegen  schlecht  ergehe,  und  suchen  sie  als  unbegründet  ab- 
zuweisen. Auch  hier  müssen  das  Buch  Job  und  der  72.  Psalm  dem  Pre- 
diger Stoff  liefern.  In  der  handschriftlichen  ueberlieferung  finden  wir 
jedoch  keine  Bucheinteilung,  sondern  nur  vier  Predigten,  von  denen  jede 
für  sich  besteht  und  ihre  eigene  Ueberschrift  hat,  ohne  dass  dieselben 
zu  einem  Ganzen  durch  einen  Titel  zusammengefasst  werden.  An  Will- 
kürlichkeiten der  Exegese  sind  auch  diese  Bücher  reich;  der  Zusammen- 
hang wird  oft  ganz  ausser  acht  gelassen. 

Abfassnngszeit.  Die  Manriner  setzen  die  Schrift  ungefähr  in  das  Jahr  388.  Sie 
stützen  sich  auf  zwei  Stellen,  auf  4,  6,  24  p.  284  Seh.  und  3,  8,  24  p.  262  Seh.  yide  quem- 
eulmodum  in  civitatibus  bonorum  prineipum  imagines  perseverent,  deleantur  imaginea  tyran- 
Mcrum.  Aus  der  ersten  Stelle  schliessen  sie,  dass  der  gemeinsame  Psalmengesang  noch 
nicht  eingeffthrt  war,  was  also  auf  die  Zeit  vor  386  hinweist;  aus  der  zweiten  Stelle  fol- 
gern sie,  dass  der  Aufstand  des  Jahres  387,  wo  Statuen  des  Theodosius  vernichtet  wurden, 
noch  nicht  stattgefunden  hatte,  denn  sonst  würde  Ambrosius  aus  Klu^eit  jene  Worte  nicht 
gebraucht  haben.  Allein  diese  Schlussfolgerungen  schiessen  über  das  Ziel  hinaus;  vgl.  Ihm, 
Stadia  Ambrodana  p.  21  und  Kellner,  Ambrosius  p.  126;  Schenkl  p.  XII. 

Die  Gomposition  des  Werks.  Schenkl  p.  III:  „Si  editiones  inspicis,  (opusculum) 
in  quattuor  libros  divisum  habes  eosque  communi  titulo  'de  interpellatione  Job  et  David' 
instructos.  sed  longo  alia  est  res  in  codicibus.  etenim  quattuor  in  eis  inter  se  excipiunt 
orationes  neque  numeris  significatae  neque  uno  titulo  comprehensae,  sed  suam  quaeque  in- 
Bcriptionem  prae  se  ferentes.  unde  iam  constat  singulos  sermones  nobis  traditos  esse  non- 
dom  in  unnm  corpus  redactos/     Diese  vier  Predigten  sind  aber  in  den  Handschriften  ver- 


')  19,  4. 

')  Foerster,  Ambrosius  p.  87. 


»)  Ihm,  Stud.  Ambr.  p.  20. 


304  Ambrosiiia.    (§§  926,  927.) 

schieden  geordnet.    In  geringeren  Handschriften,  dem  Dnacensis  227  s.  XII  und 
14464  s.  XII,  nimmt  die  Predigt,  welche  in  der  gaten  üeberliefemng  an   zweiter  Stelle    i 
steht,  die  vierte  ein,  und  Schenkl  ist  in  seiner  Ansg.  dieser  Ordnung  gefolgt.    Erasmti    I 
hat  diese  Rede  ftlr  anecht  erklArt  Schenkl  (p.  V)  glaubt,  dass  die  vierte  Predigt  de  iater-    ; 
pellatione  David  mit  den  drei  übrigen  nicht  zusammenhänge  und  erst  später  wegen  der 
Verwandtschaft  des  Inhalts  mit  denselben  verbunden  worden  sei.   1,  1,  3  p.  212  Seh.  utriutqm 
(Job  et  David)  interpellationes  considerare  cordi  est,  quod  in  his  vitae  hwnanae  forma  er- 
primitur,   causa  agitur,  praerogativa  formaiur,   suo  igitur  ardine  speetandae  nobis  tuwt. 
2,  1,  1  p.  233  Seh.  superior  nobis  disputatio  fuit  de  interpellatione  sanctorum,  quod  frofOi» 
et  inbecilla  condicio  hutnana,   quae  nusquam  sui  habeat  firmitatem  nisi  in  proteetione  tse- 
lesti:  hodie  nobis  ea  sumenda  est,  quod  vulgus  hominum,  plerique  etiam  prudentium  tnUt 
moventur,  cum  vident  iniustos  affluere  rebus  secundis,  iustos  autem  frequenter  adflictari  ü 
hoc  saeculo, 

üeberiieferung.  Massgebender  Ffihrer  ist  cod. Parisinus  1732  s.  VUI;  TgL  Schenkl 
p.  XXX. 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  797;  Ballerini  2  Sp.  5;  Corpus  Script,  eccles.  kt.  33 
pars  2  p.  211. 

^26.  Apologia  prophetae  David.  Beim  Lesen  der  hl.  Schrift  hatten 
gewiss  manche  daran  Anstoss  genommen,  dass  der  König  David  sich  zweier 
grosser  Vergehen  schuldig  gemacht  hatte,  des  Ehebruchs  und  des  Mords. 
XTm  die  Skrupel  dieser  Leute  zu  beseitigen  oder  zu  mindern,  hielt  Am- 
brosius  Predigten^)  über  diesen  Gegenstand,  welche  er  später  in  Buch- 
form brachte.  Der  Bischof  erblickt  eine  Milderung  der  Schuld  Davids  in 
dessen  offenem  Bekenntnis  und  in  dessen  Zerknirschung.  Zu  diesem  Zweck 
nimmt  er  den  50.  Psalm  vor,  in  dem  David  sein  Schuldbekenntnis  ablegt, 
und  erläutert  denselben,  natürlich  oft  in  mystischem  Sinne.  Im  Parisiniu 
1732  ist  dem  Titel  noch  die  Widmung  ,ad  Theodosium  Augustum"  bei- 
gefügt; wir  haben  keinen  rechten  Grund,  zu  bezweifeln,  dass  dieser  Zusatz 
von  Ambrosius  herrühre.«) 

Abfassungszeit.  Der  terniinus  post  quem  ergibt  sich  aus  6,  27,  wo  auf  den  Tod 
Gratians  (August  888)  hingewiesen  wird.  Der  terminus  ante  quem  erhellt  aus  dem  Hin- 
weis in  der  expos.  ev.  Luc.  3,  38  p.  127  Seh.  de  qua  historia  (sc.  de  caede  Uriae),  qucninm 
alibi  plenius  diximus,  hie  franscurrendum  videtur  auf  unsere  Schrift.  Die  expositio  be- 
steht aber  aus  Predigten,  welche  wahrscheinlich  ins  Jahr  886  oder  Anfang  387  fallen. 

Zur  Charakteristik.  1,  1  p.  299  Seh.  Äpologiam  prophetae  Dapid  praesenti  adri- 
puiwus  atilo  scribere,  non  quo  ille  indigeat  hoc  munere,  qui  tantis  meritis  enituit  rirtu- 
tibusque  effloruit,  sed  qiäa  plerique  gestorum  eius  lecta  serie  non  introspicientes  rim  $erip- 
turarum  vel  occulta  mysteriorum  mirantur  quomodo  tantus  propheta  adulterii  primo,  deinde 
homicidii  contagia  non  declinaverit.  8,  41  p.  324  Seh.  sed  iam  se  ipse  (David)  defendot; 
nam  quinquagensimum  (sie)  psalmum  ad  eam  scripsit  historiam. 

Üeberiieferung.  Die  besten  Handschriften  sind:  cod.  Bononiensis  (Boulogne  snr 
mer)  32  s.  VII  und  Parisinus  1732  s.  VIII;  vgl.  Schenkl  p.  XXXIII. 

Ausg.:  Migne  14  Sp.  851;  Ballerini  2  Sp.  73;  Corpus  Script  eccles.  lai  3f 
pars  2  p.  299. 

927.  Die  unechte  Apologia  David  altera.  Neben  der  im  vorigen 
Paragraphen  besprochenen  Apologie  Davids  existiert  noch  eine  zweite, 
auch  aus  Predigten  hervorgegangene,  welche  in  der  üeberiieferung  eben- 
falls dem  Ambrosius  zugeteilt  ist.  Auch  diese  geht  von  den  zwei  grossen 
Vergehen  Davids  aus,  dem  Ehebruche  und  dem  Morde,  allein  der  Stoff 
wird  doch  iu  ganz  anderer  Weise  behandelt.  Vor  allem  erhält  der- 
selbe eine  dreifache,  genaue  Gliederung.  Zuerst  wendet  sich  der  Ver- 
fasser gegen  die  Heiden,  welche  den  Christen  ihre  Sünden  höhnisch  vor- 
rückten.    Dann  richtet  er   seine  Rede  an   die  Juden,  welche   den  David 

»)  0,  20  p.  311  Seh.  ut  hodie  lectum  est.   \  «)  Schenkl  p.  V. 


Ambrosiiw.    (§928.)  305 

trotz  seiner  Missethaten  als  Sohn  Gottes  betrachteten,  endlich  legt  er  den 

e  Christen  die  Mysterien  dar,  welche  in  der  Geschichte  Davids  eingeschlossen 

Hegen.     Schon   diese   schuhnässige   Gliederung  ist   dem  Ambrosius,    der 

IKgressionen  liebt  und  sich  gehen  lässt,  fremd.    Auch  in  Bezug  auf  den 

Stil  finden  sich  Diskrepanzen.    Femer  müsste  auffallend  erscheinen,  dass 

"  Ambrosius,  wenn  er  der  Verfasser  der  zweiten  Apologie  wäre,  gar  keine 

^  Rficksicht  auf  die  erste  nimmt.    Es  kommt  hinzu,  dass  Augustin  die  zweite 

-c  Apologie  nicht  kennt,  da  er  nur  die  erste  anführt,  und  dass  theologische 

Probleme  berührt  werden,  welche  der  nachambrosianischen  Zeit  angehören. 

'  Die  Schrift  ist  von  einem  Manne  verfasst,  der  sich  die  erste  Apologie  zur 

-  Nachahmung  erkoren  hatte. 

DieUnechtheit    Im  Remensis  trägt  der  Traktat  keine  Ueberschrift;  im  Duacensis 

-^  227  8.  XII  lautet  dieselbe:   Liber  seeundus  saneti  Ambrosii  de  apologia  David.    Ueber  die 

Nftchahmmig  der  echten  Apologie  vgl.  Sehen  kl  (p.  Villi),  der  einige  stellen  gibt.    Augostin 

^  eiÜert  an  drei  Stellen  (contra  JuL  Pel.  2,  7,  20;  1,  4,  11;  contra  duas  ep.  Fei.  4,  11)  nnr  die 

s  6rate  Apologie,  scheint  sonach  die  zweite  nicht  zu  kennen,    üeber  gewisse  Aehnlichkeiten 

-  der  Apologia  altera  nnd  de  sacramentis  vgl.  Schenkl  p.  X. 

~  Zur  Gliederung.    4,  21p.  369  Seh.  tripertitam  diviaionem  traetatua  huius  polli' 

~  eUi  sutnus,  unam  adversus  gentiles,  aliam  adveraum  Judaeos,  tertiam  apud  ecclesiam.    b,  31 
_  p.  878  Seh.  divisianem  tractatiM  ita  putavi  esse  faciendam,  ut  apud  gentües  lapsus  condi- 
eiams  non  negaretur,  carrectio  erroris  adstrueretur,  apud  Judaeos  autetn  ideo  lapsum  esse 
^  mmdum  David  doceretnus,  ne  amplius  Judaeorum  perfidia  daudicaret  eumque  vel  dei  fUium 
F  d^tmerent  credere,  quem  viderent  communi  eondicUme  ohnoxium  fuisse  peccato,   Christiani 

-  9€ro  surgentis  ecclesiae  mysteria  possint  advertere.    Schenkl  p.  YIII:    „Mirum  est  eum 

psalmi  L  interpretationem  non  absolvisse,  sed  tantum  incohasse,  quae  res  utmm  oratori 
^  ^81  tribuenda  an  eo  explicanda  sit  quod  post  sectionem  74  quaedam  interciderint  plane 
^  incertnm  esse  Maurinis,  qui  de  hoc  libello  utiliter  disputaverunt,  libenter  adsentior.'' 

Zur  Charakteristik.    5,  28  p.  376  Seh.  uno  die  vel  per  angustias  ingenii  vel  per 

fragüUatem  vocis  omnetn  serietn  non  possum  inplere  tractatus.  5,  31  p.  378  Seh.  iam  et 
r  wm^eriore  die  et  hodie  Judaeis  tantis  responsum  arbitror. 

üeberlieferung.    Massgebend  fOr  die  recensio  ist  cod.  Remensis  352  s.  XII;   vgl. 

Schenkl  p.  XXXVUI. 
r-  Ausg.:   Migne  14  Sp.  887;   Ballerini  2  Sp.  119;   Corpus  Script,  eccles.  lat.  32 

=  pars  2  p.  359. 

■  928.  Enarrationes  in  XTT  psalmos  Davidicos.    Der  Psalter  war  ein 

^  Lieblingebuch  des  Ambrosius,  und  mit  Vorliebe  schöpfte  er  aus  demselben 
m  in  seinen  Predigten  und  erläuterte  auch  gelegentlich  den  einen  oder  anderen 

-  Psalm.  ^)     Aber    er  machte   die   Psalmen   auch   selbst  zum   Gegenstande 
^  eigener  Vorträge;  sie  liegen  uns  vor  in  den  enarrationes  in  XU  psalmos, 

welche  nach  seinem  Tode  zu  einem  Corpus  vereinigt  wurden,  und  in  der 

'^  expositio  in  psalmum  118.  Die  in  den  enarrationes  erläuterten  zwölf  Psalmen 

sind:  1,  35—40,  43,  45,  47,  48,  61.   Von  diesen  bilden  35 — 40  eine  engere 

Gruppe,*)  da  der  nachfolgende  Commentar  immer  an  den  vorangehenden 

'  anknüpft.  Auch  die  Commentare  zu  45,  47,  48  und  61  haben  einen  gemein- 

:    samen  Charakter.  >)    Die  zwölf  Commentare  sind  zu  verschiedenen  Zeiten 

-  abgefasst  worden.    Noch  auf  dem  Todesbette  diktierte  er  die  Erläuterung 

-  des  43.  Psalms,  der  darum  nicht  ganz  vollendet  ist.    Die  frühesten  fallen 
^    nach  386.     Er  folgte  also  in  der  Erklärung  der  einzelnen  Psalmen  nicht 

der  Ordnung  des  Psalters.  Auch  diese  Commentare  sind  ursprünglich, 
'-    wie    bereits    angedeutet,    Predigten    gewesen,^)    welche   dann    später   zu 


*)  VgL  ein  Verzeichnis  bei  Ihm,  Studia 
Ambrosiana  p.  22. 

«)  Vgl.  Migne  8p.  918. 

*)  Kellner,  Der  hl.  Ambrosius  p.  187. 

Haadiraoh  d«r  kliM.  AlkertnmtwiBMxwcluift.   vm.  4.  ^(^^ 


^)  35,  20  sicut  lectio  hodierna  nos  doeuit. 
36,  2  iste  qui  nobis  hodierna  lectione  pro- 
positus  est. 


L 


306  Ambrosius.    (§  929.) 

einem  Ganzen  vereinigt  wurden.  Sie  lassen  die  moralische  Interpretation 
stark  hervortreten,  doch  greifen  sie  auch  zur  Allegorie;  denn  in  den 
Psalmen  ist  nach  der  Ansicht  des  Ambrosius  das  ganze  Leben  und  Wirken 
Christi  prophetisch  angedeutet.  Auch  benutzt  der  Prediger  gern  die  Ge- 
legenheit, die  orthodoxen  Lehren  seinen  Zuhörern  einzuschärfen,  um  sie 
gegen  die  Irrlehren  zu  wappnen.  Benutzt  sind  bei  diesen  Vorträgen  Ba- 
silius  und  Origenes. 

üeber  die  Abfassungszeit  dieser  zwOlf  Conunentare  Iftsst  sich  Folgendes  fest- 
stellen : 

Comm.  in  ps.  1.  Da  in  demselben  der  Psalmengesang  erwähnt  wird  (prol.  9\  kominen 
wir  in  die  Zeit  nach  386. 

Comm.  in  ps.  86.  Hier  werden  (19)  die  Kämpfe  der  Arianer  und  der  Ortho- 
doxen erwähnt,  die  dadurch  entstanden  waren,  dass  jene  die  Ansliefening  einer  Kirdie 
forderten.  49  wird  des  Abfalls  der  Mönche  Sarmatio  und  Barbatianus  gedacht,  welchen 
die  Benediktiner  in  das  Jahr  389  setzen  (Migne  Sp.  918),  und  über  welchen  Ambrom 
in  einem  gegen  Ende  seines  Lebens  geschriebenen  Brief  ansftthrlicher  handelt.  Endlidi 
erwähnt  er  (25)  den  von  Theodosius  über  Eugenius  i.  J.  394  davongetragenen  Sieg.  V^ 
auch  38,  27. 

Comm.  in  ps.  87.  Hier  haben  wir  (43)  eine  zeitliche  Anspielung  auf  das  Blutbad 
in  Thessalonich  (390). 

Comm.  in  ps.  40.  Hier  wird  (38)  auf  den  Commentar  zum  Lukas-Evangelium  hia- 
gewiesen. 

Comm.  in  ps.  48.  In  Expos,  ev.  Luc.  3,  15  kündigt  A.  eine  Ausführung  an,  welche 
48,  8  erfolgt  ist;  also  ist  der  Commentar  zu  Psalm  48  nach  386  verfasst. 

Comm.  in  ps.  61.  Hier  wird  (26)  auf  die  zweite  Gesandtschaft  des  Ambroeiib 
an  Maximus  und  den  Tod  des  Gratian  angespielt.  Jene  Gesandtschaft  fand  höchst  wahr- 
scheinlich 884/385  statt;  vgl.  §  908. 

Comm.  in  ps.  43.  Aus  der  vita  Ambrosiana  des  Paulinus  (42)  erhellt,  dass  dieser 
Commentar  in  das  Jahr  397  fällt. 

Zur  Charakteristik.  Praef.  7  in  Itbro  Psalmorum  profectus  est  omnium  et  mtdl- 
cina  quaedam  salutis  humanae.  Ebenda  8  in  psalmis  nobis  non  solum  nascUur  Jesus;  sm 
etiam  salutarem  illam  suscipit  corporis  passionem,  quiescit,  resurgit,  ascendit  ad  coehm, 
sedet  ad  dexteram  Pairis.  Von  der  Praefatio  wird  zur  Erklärung  übergeleitet  durch  den 
Satz  (12):  sed  iam  psalmi  istius  qui  propositus  est  nobis,  ingrediamnr  exordia. 

Ausg.  von  Migne  14  Sp.  921;  Ballerini  2  Sp.  157. 

929.  Expositio  in  psalmum  118.  Der  Psalm  118(1 19)  i)  «Wohl  denen, 
die  ohne  Wandel  leben"  umfasst  22  Oktonare,  d.  h.  es  sind  je  8  Zeilen 
zu  einer  Strophe  zusammengefasst.  Weiterhin  hat  sich  der  Dichter  die 
Schranke  gesetzt,  dass  er  die  Oktonare  durch  das  hebräische  Alphabet 
laufen  und  überdies  noch  jede  Zeile  innerhalb  des  Oktonars  mit  dem  be- 
treffenden Buchstaben  beginnen  lässt.  *)  Ein  Zusammenhang  der  22  Stro- 
phen lässt  sich  nicht  herstellen.  Es  bildet  jeder  Oktonar  für  sich  mehr 
oder  weniger  eine  Einheit  und  konnte  daher  leicht  zum  Gegenstand  einer 
selbständigen  Erörterung  gemacht  werden;  dies  that  Ambrosius,  indem  er 
unsern  Psalm  nach  der  Folge  der  Oktonare  in  22»)  Predigten*)  behandelte. 
Wir  haben  dadurch  eines  der  umfangreichsten  Werke  des  Kirchenvaters 
erhalten.     Bei   der  Erklärung  der  Oktonare  wird   das  Hauptgewicht  anf 

\)  Ueber   die   verscliiedene  Zählung  der  i  fange  nach  sehr  ungleich,  so  dass  die  Mite- 

Psalmen  vgl.  Reu  seh,  Einleitung  in  das  alte  lichkeit  nicht  abgewiesen   werden  kann,  es 

Testament,  Freiburg  1859,  p.  51.  •  sei  die  eine  oder  andere  Predigt,  so  wie  se 

2)  Vgl.  Tholuck,  Auslegung   der  Psal-  vorliegt,   aus   mehreren  zusammengearbeitet 

men,  Halle  1843,  p.  506;   Thalhof  er,   Er-  \  worden. 

klärung  der  Psalmen,  Regensb.  1857,  p.  611;  .           *)  3,  29  bene  admonuit  lectio  evangfUi, 

Delitzsch,     Psalmencommentar    2    (Leipz.  i  quae  decursa   est.     6,   16  pulchre  lectum  fM 

1860)  p.  186.  I  hodie. 


3"i 


)  Die  Predigten  sind  jedoch   dem  Um- 


Ambrositii.    (§930.)  307 

die  moralische  Anwendung  gelegt;  doch  wird  hie  und  da  auch  die  alle- 
gorische Auslegung  herangezogen.  Die  Schrift  gibt  dem  Bischof  reichliche 
Gelegenheit,  gegen  die  Gebrechen  der  Zeit  und  besonders  gegen  die  Irr- 
lehren sich  zu  kehren.  Für  die  Erklärung  liefert  ihm  wiederum  Origenes 
Material.  Dieselbe  ist  aber  ungleichmässig ;  bald  wird  der  ganze  Satz 
erläutert,  bald  nur  ein  einzelnes  Wort  hergenommen ;  bald  verbreitet  er 
dich  über  eine  Stelle  länger,  bald  kürzer. 

AbfassangBzeit.  Die  expositio  ist  geschrieben  nach  dem  Commentar  zu  Lukas, 
denn  14,  38  wird  dieser  Commentar  schon  erwähnt,  aber  vor  der  Schrift  de  Isaac  et  anima, 
denn  hier  wird  unsere  expositio  citiert:  4,  17  (1  p.  654  Seh.)  de  hoc  mysterio  (üibi  aaepiua 
diximus  et  maxime  in  psalmo  CXVIIL  Allein  da  die  Zeit  dieser  beiden  Schriften  nicht 
mit  voller  Bestimmtheit  ermittelt  werden  kann,  nützen  die  beiden  termini  nicht  viel. 
]  Sicher  ist,  dass  die  expositio  nach  386  fällt,  denn  es  wird  der  Hymnengesang  erwähnt,  der 
886  in  Mailand  eingeführt  wurde;  vgl.  8,  48  immo  plerique  sunt  eiusmodi  dies;  ut  atatim 
muridiania  haris  adveniendum  sit  in  Ecclesiam,  canendi  hymni,  celehranda  ablatio.  Damit 
■fceht  im  Einklang,  dass  die  Wiederkehr  des  Tages,  an  dem  die  Gebeine  der  Märtyrer 
Ckrvasius  und  Protasius  von  Ambrosius  aufgefunden  wurden,  gefeiert  werden  konnte;  vgl. 

6,  16  celebramus  diem  sanctorum  quo  revelata  sunt  populis  corpora  aanctorum  martyrum. 
'    Die  Auffindung  wird  aber  in  das  Jahr  386  verlegt  (vgl.  Ihm,  Studia  Ambrosiana  p.  24),  von 

den  Maurinem  allerdings  in  das  Jahr  385  oder  386  (vgl.  Migne  Sp.  1195).  Auch  die  Er- 
'  wähnung  der  arianischen  Verfolgungen  passt  zu  dieser  Zeit.  Die  Abfassung  dürfte  zwei 
Jahre  in  Anspruch  genommen  haben;  vgl.  Ihm,  Studia  Ambrosiana  p.  24;  die  Predigten 
werden  also  wohl  387  und  388  gehalten  worden  sein. 

Quellen.  Die  Abhängigkeit  von  Origenes  ergibt  sich  besonders  aus  den  von  Pitra 
ans  vatikanischen  Handschriften  veröffentlichten  Scholien  des  Origenes  zu  dem  118.  Psalm; 
▼gl.  dessen  Analecta  sacra  3  (Venedig  1883)  p.  246. 

Zur  Ueberliefernng.  Ueber  den  cod.  Treverensis  1285  s.  XI  vgl.  Ihm,  Studia 
'    Ambrosiana  p.  95. 

Ausg.  von  Migne  15  Sp.  1197;  Ballerini  2  Sp.  435. 

930.  Expositio  evangelii  secundum  Lncan  1.  X.  Auch  das  neue 
Testament   hat   Ambrosius    zimi   Gegenstande   seiner   Homilien   gemacht. 

'  Diese  Predigten^)  hat  er  zu  einem  Werk  von  10  Büchern  zusammengefasst. 
Auch  in  diesem  Commentar  wiegt  der  moralische  und  mystische  Gesichts- 
punkt vor,  doch  wird  auch  das  Historische  herangezogen.  Merkwürdig  ist 
aber  der  synoptische  Zug,  der  durch  den  Commentar  geht.    Ambrosius 

.  zieht  nämlich  auch  die  andern  Evangelien  heran,  besonders  wenn  sie  einen 
Widerspruch  zu  enthalten  scheinen,  und  sucht  dann  durch  allegorische 
Erklärung  eine  Konkordanz  herzustellen.  Die  Bekämpfung  der  Häresien 
ist  ein  Hauptzweck,  den  Ambrosius  in  diesem  Commentar  verfolgt. 

Entstanden  ist  dieses  Werk  386;  die  Schlussredaktion  fällt  vielleicht 
noch  in  den  Anfang  von  387. 

Titel.  Aus  Ambrosins  selbst  kann  der  Titel  nicht  eniiert  werden;  bei  Augustin 
aber  (de  gratia  Christi  44,  48)  heisst  es:  in  expositione  evangelii  secundum  Lucan.  Ueber 
andere  Bezeichnungen  Tgl.  Schenklp.  X. 

Abfassungszeit.  In  dem  Commentar  werden  folgende  Werke  des  Ambrosius 
citiert:   1.  de  viduis  aus  dem  Jahre  377   (2,  62;  4,  49;  4,  50;   10,  6),   2.   de  fide  (3,  32; 

7,  68;  8,  95),  3.  de  spiritn  sancto  aus  dem  Jahre  381  (6,  31;  freilich  ist  dieses  Citat  nicht 
ganz  sicher,  da  auch  de  Joseph  gemeint  sein  kann),  4.  apologia  David  nach  dem  Jahre  383 

.  (3,  38),  5.  das  verlorene  Buch  expositio  Esaiae  prophetae  (2,  56).  Also  ist  der  Commentar 
.  nach  383  entstanden.  Dagegen  wird  unser  Lukascommentar  citiert  in  folgenden  Schriften : 
1.  der  Schrift  enarratio  in  psalmos  Xll  Davidicos  (40,  38),  2.  expositio  psalmi  CXVIII  aus 
dem  Jahre  387  oder  388  (14,  38),  8.  der  Schrift  de  patriarchis  aus  dem  Jahre  387  oder  bald 
nachher  (4,  21),  4.  de  institutione  virginis  aus  dem  Jahre  391  oder  392  (6,  42).  Also  fällt 
der  Commentar  vor  391  oder  392.    Wir  haben  sonach  den  terminus  post  quem  383,   den 

')  8,  73  p.  428  Seh.  pulchre  mihi  hodie      est  sacerdotii.    7,  48  p.  301  Seh.  in  hodiemo 


Ugitur  legis  exordium,  quando  mei  natalis 


tractatu. 

20* 


308  Ambrosina.    (§  931.) 

terminus  ante  quem  891/92.  Genauer  lässt  aich  die  Zeit  in  diesem  Intervallam  also  fest- 
stellen: 7,  52  schildert  er  den  arianischen  Bischof  Auzentius,  ebenso  (vgL  die  Stellen  bd 
Ihm,  Studia  Ambrosiana  p.  25)  wie  in  der  Rede  gegen  diesen  (16,  22,  24),  welche  im 
Jahre  386  gehalten  wurde;  vgl.  Schenkl  p.  VI.  Darnach  ist  die  AbfaasongBzeit  des  Luka»- 
commentars  im  Jahre  386  oder  noch  zu  Anfang  des  Jahres  387  sehr  wahrscheinlich.  9, 32 
deutet  auf  die  Friedenszeit;  diese  wird  von  Schenkl  (p.  VUII)  in  Einklang  mit  Rauschen 
auf  das  Jahr  388  bezogen;  es  wäre  dann  der  Lukascommentar  frfihestenB  388  geschriebea, 
selbstverständlich  noch  später  die  expositio  des  118.  Psalms;  Tgl.  Rauschen,  Jahrb.  der 
christl.  Kirche  unter  Theodosius,  Freib.  i.  Br.  1897,  p.  495. 

Quellen.  Schenkl  p.  XIII:  ,In  huius  operis  libris  primo  et  secnndo  Oiigenis  ia 
Lucan  homilias  expilavit  ita,  nt  eins  explicatio  fere  tota  pendeat  ab  eis  qnae  apud  Origesen 
leguntur  ....  ultra  librum  II  vero  Ambrosius  Origems  homilüs  non  usus  esse  videtur.*  Ueber 
die  Bearbeitung  des  3.  Buches  nach  Eusebius  vgl.  unter  ^Composition*.  Weiterhin  bemerb 
Schenkl  (p.  V):  «Ex  eodem  fönte  (Eusebio)  fluxerunt  quae  in  libri  X  ss.  147 — 184  ab  Ajb- 
brosio  proferuntur,  et  ipsa  certe  parum  idonea  quae  diebus  dominicis  coram  populo  indocto 
tractentur."     Ueber  sekundäre  Quellen  handelt  ebenfalls  Schenkl  p.  XIV  und  p.  XY. 

Zur  Composition.  10,  6  p.  457  Seh.  sequebatur  de  vidua  locus,  quam  quoniam  m 
fft  libro  quem  de  viduis  scripaimus  praedicavimus,  nunc  sequestramus.  Die  Verweisan^ 
auf  andere  Schriften  erfolgten  erst  bei  der  Umarbeitung.  '  Ueber  den  Charakter  des  drittes 
Buches,  das  nicht  ursprünglich  die  Predigtform  hatte,  vgl.  Schenkl  p.  V;  es  ist  eine  Be- 
arbeitung von  Eusebius'  Werk  nsgl  rrjg  rtjv  svttyyeXlay  diatptoyiag. 

Zur  Charakteristik.  Prol.  2  p.  3  Seh.  tria  sunt  quae  philosophi  mundi  istiu 
praecellentissima  putaverunt,  triplicem  scilicet  esse  saptentiam^  quod  aut  naturalis  sit  tud 
moralis  aut  rationalis. 

Fortleben  des  Commentars.  Ueber  das  Verhältnis  des  Hieronymos  znm  Com- 
mentar  vgl.  Schenkl  p.  XV;  über  Augustins  Beurteilung  des  Commentars  vgl.  denselbet 
p.  XVII;  über  Cassiodor  und  den  Commentar  p.  XVIII. 

U eberlief erung.  Die  Handschriften  sind  zahlreich.  Schenkl  hebt  aus  dieser 
Schar  14  Codices  heraus.  Der  älteste  und  beste  ist  der  Bobiensis  s.  VII,  der  leid«*  ver- 
stümmelt ist  und  kaum  den  dritten  Teil  enthält.  Dazu  gesellen  sich  als  massgebend  Am- 
brosianus  C  127  inf.  s.  IX,  Bononiensis  (Boulogne  sur  mer)  35  s.  IX,  Parisiiias  Nonv.  seq. 
1438  s.  X  und  die  eine  Gruppe  bildenden  Handschriften  Monacensis  14117  s.  X/XI,  Ssn- 
gallensis  99  s.  IX,  96  s.  X,  Monacensis  18522^  s.  X.  Ueber  die  verschiedene  Buchein- 
teilung des  Werks  vgl.  Schenkl  p.  X.  Es  gab  nämlich  auch  eine  Einteilung  in  neos 
Bücher,  welche  das  sechste  und  siebte  zu  einem  zusammenfasste;  diese  Einteilung  lag 
auch  dem  Augustin  vor. 

Ausg.:  Migne  15  Sp.  1527;  Ballerini  3  Sp.  9;  Schenkl,  Corpus  Script,  eccles. 
lat.  vol.  32  pars  4  (Wien  1902);  vgl.  Weyman,  Gott.  gel.  Anz.  1903  No.  6. 


Die  verlorene  expositio  Esaiae  prophetae.  Expos,  ev.  Luc.  2,  56  (p.  71  ScL; 
quid  sit  autem  in  Uierusalem  sisti  domino  dicerem,  nisi  in  Esaiae  commentis  ante  dixiffem. 
Mehrere  Fragmente  sind  uns  durch  Augustin  überkommen;  vgl.  de  gratia  ChriBti  49,  54: 
de  peccato  orig.41,  47;  de  nuptiis  1,  35, 40  =  2,  5,  15;  contra  Julian.  1, 4,  11;  2,  8,  22;  contn 
secund.  respons.  4,  105;  4,  108;  contra  duas  ep.  Jul.  4,  11,  29 — 31;  de  bono  persever.  23,64. 
Die  Fragmente  sind  zusammengestellt  in  der  Ausg.  von  Ballerini  vol.  2  Sp.  895.  Vgl 
Ihm,  Studia  Ambrosiana  p.  75. 

Commentarius  in  cantica  canticorum.  Ambrosius  hatte  in  seinen  vielen 
Schriften  oft  Bezug  auf  das  hohe  Lied  genommen.  Der  Gedanke  lag  sehr  n&he,  die  StelleB 
zu  sammeln  und  so  einen  Commentar  des  hohen  Liedes  von  Ambrosius  herzast«llen.  Eine 
solche  Sammlung  unternahm  der  Cisterciensermönch  Wilhelm  von  St.  Theoderich  bei  Reims 
(t  1148);  vgl.  Migne  15  Sp.  1851;  Ballerini  2  Sp.  787. 

(i)  Moralisch-asketische  Schriften. 

931.  De  officiis  ministrorum.  Obwohl  die  Fixierung  der  dogma- 
tischen Sätze  Jahrhunderte  lang  die  christlichen  Geister  in  Anspruch  nahm, 
Aviirden  doch  auch  ethische  Probleme,  besonders  von  praktischen  Gesichts- 
punkten aus,  in  den  ersten  Zeiten  der  christlichen  Kirche  behandelt. 
Allein  eine  zusammenhängende  christliche  Ethik,  die  man  der  bisherigen 
philosophischen  gegenüberstollen  konnte,  fehlte  noch.  Es  verdient  daher 
alle  Anerkennung,  dass  sich  Ambrosius  an  diese  wichtige  Aufgabe  wagte. 


AmbroBiiia.    (§981.) 


309 


Leider  entsprach  dem  Wollen  nicht  das  Können ;  es  gebrach  dem  Kirchen- 
lehrer so  sehr  an  systematischem  Denken,  dass  sein  Versuch  nur  unvoll- 
kommen gelingen  konnte.  Charakteristisch  ist  schon,  dass  er  sich  an  ein 
heidnisches  Werk  anlehnte,  an  das  bekannte  Buch  Ciceros  ,de  officiis"; 
in  dem  ganzen  Aufbau  folgte  er  seinem  Vorbild,  allein  damit  schuf  er 
flieh  eine  Grundlage,  welche  für  eine  christliche  Ethik  nicht  passte.  Weiter- 
hin erschwerte  sich  Ambrosius  seine  Arbeit  dadurch,  dass  er  zunächst 
seine  Kleriker  ins  Auge  fasste,  allein  trotzdem  eine  allgemeine  Ethik 
geben  wollte.  Dadurch  erhielt  die  Darstellung  etwas  Unorganisches  und 
Schwankendes.  Cicero  hatte  ein  besonderes  Augenmerk  auf  Beispiele  ge- 
richtet, die  grösstenteils  der  römischen  Geschichte  entnommen  waren;  an 
ihre  Stelle  setzte  der  Kirchenvater  solche  aus  den  Büchern  des  alten 
Testaments.  ^)  Den  grössten  Wert  legte  aber  Ambrosius  darauf,  für  seine 
ethischen  Anschauungen  Belege  aus  der  hl.  Schrift  beizubringen;  hierbei 
verleiht  er  gern  dem  Gedanken  Ausdruck,  dass  die  Weisheit  der  Philo- 
sophen schon  von  den  Vätern  des  alten  Testaments  ausgesprochen,  sonach 
die  christliche  Ethik  beträchtlich  älter  als  die  philosophische  sei.^)  Es 
ist  kein  Zweifel,  dass  die  Verbindung  der  Ethik  mit  der  christlichen 
Religion  den  ethischen  Problemen  einen  anderen  Charakter  gegeben  hat. 
Der  Satz,  dass  das  höchste  Gut  der  Menschen  im  ewigen  Leben  liege, 
f&hrte  das  transscendentale  Moment  in  die  Moral  ein;  allein  vollständig 
loslösen  konnte  sich  Ambrosius  von  den  stoischen  Elementen,  welche  in 
dem  Buche  Ciceros  ausgebreitet  lagen,  keineswegs.  Man  erkennt  deutlich, 
wie  sehr  das  christliche  Denken  noch  in  den  Banden  der  nationalen  An- 
schauungen gefesselt  lag.  Auch  hier  drängte  die  Entwicklung  dazu, 
Christliches  und  Nationales  zu  einer  Harmonie  zu  verschmelzen.  Bereits 
Ambrosius  lieferte  manchen  Baustein  zu  dem  grossen  Werk;  so  war  es 
bedeutsam,  dass  er  die  vier  Cardinaltugenden  in  seine  Darstellung  auf- 
nahm;') nicht  minder  bedeutsam  war  es,  dass  er  mit  den  Stoikern  voll- 
kommene und  mittlere  Pflichten  unterschied  und  dadurch  die  Bahn  für 
eine  höhere  und  niedere  Sittlichkeit  wies. 

Ambrosius  schrieb  das  Buch  als  reifer  Mann,  nachdem  er  auf  eine 
lange  Amtsthätigkeit  zurücksehen  konnte;  er  vermochte  daher  manche 
Züge  aus  seiner  bischöflichen  Wirksamkeit  einzufügen.  Um  nur  einen 
Fall  zu  erwähnen,  er  berührt  den  Verkauf  von  Kirchengefässen  zum  Los- 
kauf von  Kriegsgefangenen.  Von  gegnerischer  Seite  wurde  er  ob  dieser 
Massregel  hart  angegriffen,  allein  der  Kirchenvater  vermag  den  Angriff 
sehr  gut  zurückzuweisen.  *)  Der  praktische  Gesichtspunkt  ist  es,  der  immer 
wieder  in   der  Darstellung  durchbricht*)   und   manchmal  den  Autor  ver- 


^)  3, 22, 138  inierim  eopiam  muUam  exem- 
püarum  offerunt:  nam  prope  omnia  maiarum 
9xempla,  plurima  quoque  dieta  his  tribus 
inelusa  libris  tenentur;  ut  et  si  senno  nihil 
deferat  ffratiae,  aeriea  tarnen  vetustatis  quo- 
dam  compendio  expresea  plurimum  instruC' 
Hanis  confertU, 

«)  Vgl.  1,  12,  44;  1,  21,  94;  1,  28,  133; 
1,  29,  141;  1,  36,  179;  2,  2,  6  aeeipiant  quam 
louge  aniequam  philosophärum  nomen  audi- 


retur,  per  08  sancti  David  tUrumque  aperte 
videatur  expressum. 

*)  Die  Erörterung  beginnt  1,  25. 

*)  2,  28. 

')  Vgl.  die  Bemerkung  über  den  incessus 
1,  18,  71;  über  die  Stimme  1,  19,  84;  über 
Verhaltnngsmassregeln  der  Kleriker  1,  20; 
gegen  scherzhafte  und  bäuerische  Rede  der 
Kleriker  1,  23;  über  die  Zudringlichkeit  der 
Bettler  2,  16. 


310  AlnbroBius.    (§  981.) 

anlasst,  die  Form  der  Abhandlung  aufzugeben  und  in  eine  Anrede  an 
seine  Kleriker  überzugehen.  Man  hat  darnach  die  Hypothese  aufgestellt, 
als  sei  das  ganze  Buch  de  officiis  aus  Vorträgen  oder  Predigten  des  Am- 
brosius  entstanden.  Allein  die  Darstellung  schliesst  sich  zu  eng  an  Cicero 
an,  und  es  ist  ganz  unwahrscheinlich,  dass  der  Mailänder  Bischof  den 
heidnischen  Autor  einem  Cursus  von  Predigten  oder  Vorträgen  zu  Grunde 
gelegt  hätte.  Dass  aber  einzelne  Predigten  in  das  Werk  hineingearbeitet 
wurden,  ist  zweifellos.  Den  Charakter  der  ambrosianischen  Schriftstellerei 
verleugnen  auch  diese  Bücher  nicht;  sie  zeigen  uns  keinen  Gelehrten, 
sondern  einen  Mann,  der  mitten  im  Leben  steht  und  zu  den  öffentlichen 
Fragen  in  humanem  Sinn  Stellung  nimmt.  ^)  Es  ist  leicht  begreiflich,  dass 
schon  der  Name  des  Autors  der  Schrift  eine  grosse  Verbreitung  sichern 
musste;  und  in  der  That  wurde  das  Werk  im  Mittelalter  viel  gelesen. 

Titel.  Die  Mauriner  sagen  in  der  Einleitung  (Migne  Sp.  17):  „Quem  (titaliun  De 
officiis  ministronim)  nos  ex  manoscriptis  fere  omnibus  ac  notae  melioris  restitiiimaB^ ;  vgl 
auch  Augustin.  ad  Hieronym.  epist.  116,  21  (1  Sp.  768  Vall.)  qui  {Ambrasius)  suos  quofiam 
libros  utilium  praeeeptionum  plenos  de  officiis  voluit  appeUare, 

Abfassungszeit.  1,  18,  78  verweist  Arobrosius  auf  die  Schrift  de  NoS;  da  aber  die 
Zeit  dieser  Schrift  nicht  ermittelt  werden  kann,  hilft  uns  die  Erwähnung  nichts.  Zeitansoe- 
lungen  finden  sich  folgende:  1,  18,  72  sagt  er  von  zwei  Elenkem,  die  vom  katholischen 
orthodoxen  Glauben  abfielen,  folgendes:  alter  Ärianae  infestationis  tempore  fidem  de- 
seruiff  alter  pecuniae  studio^  ne  iudieium  suhiret  sacerdotale,  se  nostrum  negatit.  Die« 
Stelle  weist  auf  die  Zeit  hin,  in  der  die  arianische  Kaiserin  Justina  den  Katholizismus  ver- 
folgte. Eine  zweite  Stelle  ist  folgende:  2,  29,  150  meministis  ipn  qucties  adreraus  regalts 
impetus  pro  viduarum,  immo  omnium  depositis  eertamen  aubierimus  ....  recens  eremptum 
ecclesiae  Ticinensis  proferam,  quae  viduae  depositum,  quod  susceperat,  amittere  periclitahatur. 
Mit  Wahrscheinlichkeit  wird  angenommen,  dass  diese  Geschichte  sich  zu  Anfang  386  ab- 
spielte, als  sich  Valentinian  in  Ticinum  aufhielt.  Andere  Zeitereignisse,  wie  eine  HungeranoC 
in  Rom  (3,  7,  49)  und  kriegerische  Zeitläuft«  (2,  15,  70),  lassen  sich  schwer  sicher  bestimmen, 
führen  aber  doch  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  über  das  Jahr  386  zurück.  Sonach  bleibt 
das  Jahr  386  der  späteste  Termin,  den  wir  für  die  Abfassung  des  Werks  ansetzen  können; 
vgl.  Ihm,  Studia  Ambroaiana  p.  26. 

Zur  Composition.  2,  6,  25  fieque  enim  mihi  ad  mercatores  lucri  cupidine  ataro$. 
sed  ad  filios  sermo  est,  et  sermo  de  officiis^  quae  vobis  quos  elegi  in  ministerium  domini. 
inculcnre  gestio.  1,  8,  13  audisiis  (Migne:  audisti)  hodie  lectum,  1,  8,  25  dum  legimut  hodu 
evflngeJlum.  1,  7,  23  neque  improvide  ad  vos  filios  meos  scribens,  huius  psalmi  prooemio 
usus  sum.  Die  Benediktiner  sagen  in  der  admonitio  (Migne  Sp.  23):  ^nullua  est  dubitaodi 
locus,  quin  sermonibus  publice  habitis  maximam  partem  constent  hi  libri.* 

Litteratur.  F.  Bittner,  De  Ciceronianis  et  Ambrosianis  officiorum  libris  commen- 
tatio,  Brausberg  1849;  F.  Hasler,  Uober  das  Verhältnis  der  heidnischen  und  christlichen 
Ethik  auf  Grund  einer  Vergleichung  des  ciceronianischen  Buches  ,de  officiis*  mit  dem 
gleichnamigen  des  hl.  Ambrosius,  München  1866;  Dom.  Leitmeir,  Apologie  der  christl. 
Moral,  Darstellung  des  Verhältnisses  der  heidnischen  und  christl.  Ethik  zunächst  nach  einer 
Vergleichung  des  ciceronianischen  Buches  „de  officiis**  mit  dem  gleichnamigen  des  hl.  Am- 
brosius, Augsb.  1866;  J.  Dräseke,  Ciceronis  et  Ambrosii  de  officiis  libri  III  inter  se  com- 
parantur  (Rivista  di  filol.  4  (1876)  p.  121);  J,  Reeb,  Ueber  die  Grundlagen  des  Sittlichen 
nacli  Cicero  und  Ambrosius.  Vergleichung  ihrer  Schriften  de  officiis.  Ein  Beitr.  zur  Be- 
stimmung des  Verhältnisses  zwischen  heidnisch-philos.  und  christl.  Ethik,  Zweibrücken  1ST6. 
P.  Ewald,  Der  Einfluss  der  stoisch-ciceronianischen  Moral  auf  die  Darstellung  der  Ethik 
bei  Ainljrosius.  Leipz.  1881 ;  R.  Thamin,  St.  Ambroise  et  la  morale  chr^tienne  au  IV "^^  siede. 
Etüde  comparee  de  traites  des  devoirs  deCicöron  et  de  s.  Ambroise,  Paris  1895;  Th.  Schmidt. 
Ambrosius,  sein  Werk  de  officiis  libri  III  und  die  Stoa,  Diss.  Erlangen  1897.  Vgl.  anch 
A.  Ebert,  Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittelalters  P  (Leipz.  1889)  p.  157. 

Ausg.  von  Migne  16  Sp.  2.3;  Ballerini  4  Sp.  21.  Sonderausg.  von  J.  G.  Kra- 
binger,  Tübingen  1857. 

Ueberset Zungen  von  C.  Haas,  Die  Pastoralschriften  des  hl.  Gregor  des  Grossen 
und  des  hl.  Ambrosius  von  Mailand  übersetzt,  Tübingen  1862,  p.  271;   von^F.  X,  Schulte. 

^)  So  spricht  er  sich  z.  B.  8,  7  gegen  die  Vertreibung  der  Fremden  zur  Zeit  einer 
Hungersnot  aus. 


Ambrosio0*    (§932.)  311 

Ansge wählte  Schriften  des  hl.  Ambrd)»ias,  Bischof  von  Mailand  (Bibl.  der  Kirchenväter  2 
(Kempten  1877)  p.  12). 

932.  De  virginibus  L  m.  Von  den  Predigten  des  Ambrosius 
machten  besonders  diejenigen  grossen  Eindruck,  welche  er  zur  Empfehlung 
der  Jungfräulichkeit  hielt.  Die  Kunde  von  diesen  Vorträgen  drang  über  das 
Weichbild  von  Mailand  hinaus;  von  Bologna  und  Plazentia  strömten  Jung- 
frauen nach  Mailand,  um  hier  den  Schleier  zu  nehmen,  ja  selbst  über  das 
Meer  erstreckte  das  begeisterte  Wort  des  Bischofs  seine  Wirkung;  auch 
mos  Mauretanien  eilten  Jungfrauen  nach  Mailand,  um  die  Gelübde  der 
Jungfräulichkeit  abzulegen.  Es  ist  nicht  zu  verwundern,  dass  vielfach 
Stimmen  in  der  Jungfrauenwelt  laut  wurden,  welche  eine  schriftliche 
Fixierung  dieser  Predigten  wünschten,  damit  auch  diejenigen,  welche  sie 
nicht  hören  konnten,  sich  doch  wenigstens  an  ihrer  Lektüre  erfreuen 
möchten.  Besonders  scheint  die  Schwester  des  Ambrosius,  Marcellina, 
die  selbst  eine  gottgeweihte  Jungfrau  war,  den  Bruder  gedrängt  zu  haben, 
Beine  Vorträge  niederzuschreiben.  Ambrosius  willfahrte  den  Wünschen 
der  Jungfrauen  und  machte  aus  seinen  Predigten  ein  Werk  von  drei 
Büchern.  Im  ersten  Buch  legt  er  den  Wert  der  Virginität  dar  und  zer- 
streut manche  Einwendungen  gegen  diese  Tugend,  welche  die  Heiden  in 
ihrem  Wesen  nicht  gekannt  hatten.  In  den  zwei  folgenden  Büchern  gibt 
der  fromme  Bischof  den  Jungfrauen  Lehren.  Dies  geschieht  namentlich 
dadurch,  dass  denselben  leuchtende  Beispiele  vorgehalten  werden.  Vor 
allem  wird  ihnen  die  Himmelskönigin  zur  Nachahmung  empfohlen,  alsdann 
greift  der  Autor  in  das  Leben  der  hl.  Thekla  hinein ;  den  Glanzpunkt  des 
zweiten  Buches  bildet  aber  die  romanhafte  Oeschichte  einer  antiochenischen 
Jungfrau,  welche  einem  öffentlichen  Lusthause  überantwortet,  durch  Ver- 
kleidung entkam  und  mit  ihrem  Retter  den  Martertod  erlitt.  In  dem 
dritten  Buche  wird  dem  Leser  die  Geschichte  der  hl.  Pelagia  dargeboten. 
Auch  dem  ersten  Buch  fehlt  es  nicht  an  einem  Beispiel;  hier  schöpft  der 
Autor  aus  dem  Leben  der  hl.  Agnes  Stoff  für  sein  Thema.  Diese  Bei- 
spiele sind  mit  starken  rhetorischen  Farben  aufgeputzt;  der  Schriftsteller 
läset  gerne  seine  Personen  längere  Reden  halten.  Trotz  des  Wortreich- 
tums fQhlen  wir  doch  das  warme  Interesse  des  Bischofs  für  seinen 
Gegenstand.  Das  dritte  Buch  gewinnt  einen  besonderen  Charakter  da- 
durch, dass  hier  Marcellina  in  den  Vordergrund  tritt.  Mancher  interessante 
Zug  aus  dem  Ordensleben  der  damaligen  Zeit  lässt  sich  hier  gewinnen. 
Die  rhetorische  Kunst  verleugnet  sich  auch  hier  nicht.  So  wird  die  Rede 
des  Liberius,  die  dieser  bei  der  Einkleidung  der  Marcellina  in  Rom  hielt, 
eingestreut. 

Die  Schrift  wurde  abgefasst  im  Jahre  377,  als  Ambrosius  noch  nicht  drei 
Jahre  im  bischöflichen  Amte  war.  Die  jugendliche  Begeisterung  erfrischt 
noch  heute  den  Leser;  die  Schrift  gehört  zu  den  schönsten  des  Ambrosius. 

Abfassnngszeit.  2,  6,  89  haec  ego  vobis,  sanctae  virgines,  nondum  triennalis  ««- 
eerdos  munuscula  paravi. 

Zur  Charakteristik.  1,  1,  1  seribendi  aliquid  sententia  fuit;  maiore  siquidem 
pudoris  perieulo  auditur  vox  nostra  quam  legitur;  Über  enim  non  erubescit.  1,  2,  5  et  bene 
proeedit,  ut  quoniam  hodie  natalis  est  virginis  (nftmlich  der  hl.  Agnes),  de  virginibus  sit 
loquendum,  et  a  praedicatione  liber  sumat  exordium.  1,  3,  10  invitat  nunc  integritatis 
amor,   ei  tu,   sorar  sancta,   vel  mutis  tacita   moribuSf   ut   aliquid  de  virginitate  dicamus. 


812  Ambrosia«.    (§§938,934.) 

1,  10,  57  denique  de  Flaeentino  saerandae  vir^ines  veniunt,  de  Bcnaniensi  veuiunt,  de  Mauri- 
tania  veniunt,  ut  hie  velentur.  2,  1,  1  superiare  libro  ptanium  virginitatis  munus  sit,  nrfw- 
mu8  explicare;  ut  per  se  eaelegtia  gratia  muneris  invUet  legeniem.  seeundo  libro  virgimem 
institui  decet  et  tamquam  competentium  praeceptorum  magisteriis  erudiri,  2,  1,  5  quomam 
pleraeque  dbsentes  nostri  desiderabant  termonis  usum,  volumen  hoc  eondidi:  quo  pmfeettit 
ad  ee  voeis  meae  munus  tenentes,  deesse  non  crederent,  quem  tenerenl, 
Ausg.  von  Migne  16  Sp.  187;  Ballerini  4  Sp.  189. 

933.  De  viduis.  Mit  der  Schrift  de  virginibus  bringt  Ambrosias 
in  ausdrückliche  Verbindung  die  Schrift  de  viduis.  Nach  den  Jungfrauen 
folgen  in  der  Wertschätzung  die  Witwen,  da  auch  sie  der  Keuschheit 
leben  können.  Der  Bischof  verwirft  zwar  nicht  eine  zweite  Ehe,  allein 
er  ermuntert  auch  nicht  zu  derselben.  Der  Witwenstand  steht  ihm  höher 
als  die  Ehe.  Die  Vorzüge  desselben  näher  darzulegen,  ist  Zweck  der  vo^ 
liegenden  Abhandlung.  Er  greift  zur  hl.  Schrift  und  findet  dort  nachahmens- 
werte Beispiele  für  die  Witwen;  er  zeigt,  dass  dieselben  sich  des  beson- 
deren göttlichen  Schutzes  erfreuen;  er  greift  aber  auch  in  das  volle  Leben 
hinein,  um  von  einer  zweiten  Ehe  abzuschrecken.  Ein  bestimmter  Vor- 
fall aus  der  seelsorgerischen  Thätigkeit  des  Ambrosius  gab  den  nächste 
Anlass  zur  Abfassung  der  Schrift.  Er  hatte  eine  Witwe  getröstet  and 
sie  veranlasst,  die  äusseren  Zeichen  der  Trauer  abzulegen,  allein  diese 
Witwe  scheint  in  diesem  Vorgehen  des  Bischofs  eine  stille  Mahnung  za 
einer  zweiten  Ehe  gefunden  zu  haben.  Dieser  irrigen  Annahme  trat  Am- 
brosius in  der  Weise  entgegen,  dass  er  die  ganze  Frage  einer  prinzipiellen 
Würdigung  unterstellte. 

Wegen  des  innigen  Zusammenhangs,  in  den  Ambrosius  selbst  die 
Schrift  mit  de  virginibus  gebracht,  wird  für  beide  Schriften  dieselbe  Zeit 
der  Abfassung  anzusetzen  sein. 

Die  Echtheit  der  Schrift  wurde  angefochten,  allein  die  Gründe  der 
Anfechtung  sind  nichtig;  sie  haben  ihre  Wurzel  in  dogmatischen  Streitig- 
keiten über  die  Anrufung  der  Heiligen,  i) 

Zur  Charakteristik.  1,  1  hene  acciditf  fratres,  ut  quoniam  tribus  libris  superio- 
ribus  de  virginum  laudihiis  disseruimus,  viduarum  tractatus  incideret;  neque  enim  inhänorai 
debuimus  praeterire  et  a  virginum  praeconio  separare,   quas  apostolica  sententia  cum  ri>- 

ginibits  copulavit.    11,68  neque  prohibemus  aecundas  nuptias,  sed  non  suademus plu* 

di^iOy  non  prohibemus  secundas  nuptias,  sed  non  probamus  saepe  repetUas.  9,  59  suasimw, 
fateor,  ut  vestem  mutares,  non  ut  flammeum  sumeres;  ut  a  sepxdcro  recederes,  non  ut  thalo" 
mum  praeparares. 

Ausg.  von  Migne  16  Sp.  233;  Ballerini  4  Sp.  241. 

934.  De  virginitate.  In  älteren  Ausgaben  wurde  die  unter  dem 
Namen  de  virginitate  gehende  Schrift  als  viertes  Buch  des  Werkes  De 
virginibus  gelesen.  Mit  Recht  haben  die  gelehrten  Benediktiner  unseren 
Traktat  aus  dieser  Verbindung  losgelöst  und  zur  selbständigen  Schrift 
erhoben.  Dass  unsere  Monographie  nicht  zu  der  Schrift  de  virginibus 
gehört,  geht  schon  daraus  hervor,  dass  das  Ende  dieses  Werkes  vom 
Schriftsteller  ausdrücklich  markiert  wird.*)  Auch  wird  in  dem  Buche  De 
virginitate  auf  die  Schrift  De  viduis  Bezug  genommen,')  welche  jünger  ist*) 

M    Vgl.    darüber    Migne,     Admonitio  viduis  cap.  9. 

Sp.  233;  F ©erster,  Ambrosius  p.  88.  '           *)  Vgl.  Migne  in  der  admonitio  Sp.  263: 

^)  De  virginibus  3,  7,  32   inm  ad  fineni  „libro  de  viduis,  quem  constat  libris  de  vir- 

orationis  vela  pandenti  bene  suggeris  etc.  ginibus  posteriorem  esse.* 

3j  De   virginitate  8,  46  wird   citiert   de 


Ambrosiiis.    (§  985.) 


313 


als  De  virginibns.  Auch  die  Composition  beider  Schriften  ist  verschie- 
den; die  Schrift  De  virginibus  ist  an  Marcellina  gerichtet,  die  Schrift  De 
▼irginitate  an  Jungfrauen  und  Witwen.  Endlich  bietet  auch  die  hand- 
schriftliche Ueberlieferung  deutliche  Anzeichen  für  die  Trennung  der  beiden 
Traktate.  Die  warmen  Vorträge  des  Ambrosius  zur  Empfehlung  der  Jung- 
firäulichkeit  hatten  vielfachen  Anstoss  erregt.  Der  Bischof  verteidigt  sich 
in  der  Schrift  De  virginitate  gegen  die  ihm  gemachten  Vorwürfe,  indem 
er  darzuthun  sucht,  dass  die  Jungfräulichkeit  weder  verwerflich,  noch  neu, 
noch  unnütz  sei.  Allein  der  Verfasser  bleibt  nicht  bei^dem  Negativen 
stehen,  er  verbreitet  sich  auch  in  positiver  Weise  über  das  Thema.  Eine 
streng  logische  Anordnung  des  Stoffes  wird  vermisst,  besonders  der  Ein- 
gang steht  nur  in  losem  Zusammenhang  mit  dem  Folgenden.  Es  erklärt 
sich  dies  wohl  daraus,  dass  die  Schrift  aus  mehreren  Predigten  zu- 
sammengearbeitet ist.  Die  Zusammenarbeitung  erfolgte  in  der  Weise,  dass 
der  Predigtcharakter  nicht  verwischt  wurde.  So  wird  ausdrücklich  auf 
das  Fest  von  Peter  und  Paul,  an  dem  die  Predigt  gehalten  wurde,  hin- 
gewiesen,^) an  einer  anderen  Stelle^)  wird  auf  die  Lesung  des  Evangeliums 
zurückgegriffen.  Verglichen  mit  der  Schrift  De  virginibus  ist  unser  Traktat 
viel  dürrer,  nur  das  Gleichnis,  das  von  der  Biene  genommen  (c.  XVII), 
erinnert  an  die  Zartheit  jener  Schrift.  Sachlich  interessant  ist  die  Er- 
örterung der  vier  Gardinaltugenden  (c.  XVIII).  Stellen  aus  dem  hohen  Lied 
werden  gern  herangezogen.  Deutliche  Anzeichen  für  die  Abfassungszeit 
der  Schrift  fehlen;  doch  ist  kein  Zweifel,  dass  sie  nicht  lange  nach  De 
virginibus  entstanden  ist,  weil  der  Verfasser  die  hier  vorgetragenen  An- 
sichten über  die  Jungfräulichkeit  verteidigt. 

Zur  Charakteristik.  8,  11  quo  in  negotio  etiam  no8  vocamur  in  culpam.  Quam 
f andern?  Quia  nuptias  prohibuimus  illicitas.  5,  24  nee  quemquam  publice  arguo,  sed  me 
ip9um  defensatum  venia  ....  criminis  autem  invidia  haec  est,  quia  suadeo  castitatem.  7,  35 
nee  improbum  nee  novum  integritatie  est  Studium,    Videamus  ne  forte  inutile  iudicetur. 

Ausg.  von  Migne  16  Sp.  265;  Ballerini  4  Sp.  273. 

935.  De  institutione  virginis.  Unter  den  Schriften  des  Ambrosius 
befindet  sich  ein  Traktat,  der  in  der  handschriftlichen  Ueberlieferung 
betitelt  ist:  Sermo  de  Sanctae  Mariae  virginitate  perpetua.  In  den  Drucken 
dagegen  lautet  der  Titel  und  zwar  ohne  Zweifel  ebenfalls  nach  hand- 
schriftlicher Ueberlieferung:  Ad  Eusebium  institutio  oder  De  institutione 
Virginis.  Der  Titel  ad  Eusebium  institutio  führt  uns  näher  auf  die  Ent- 
stehung des  Werkes.  Aus  den  zwei  ersten  Kapiteln  desselben  ergibt  sich, 
dass  ein  Mann  seine  Enkelkinder  dem  Ambrosius  zur  Erziehung  übergeben 
und  dass  sich  darunter  Ambrosia  befand,  welche  den  Schleier  nahm.  Bei 
diesem  Anlass  hielt  der  Bischof  eine  Rede  an  die  Jungfrau.  Diese  Rede 
schickte  er  mit  einer  Einleitung  an  den  Grossvater  der  Ambrosia.  Nach 
der  Ueberschrift  müsste  dieser  Mann  also  Eusebius  gewesen  sein.  Es 
unterliegt  kaum  einem  Zweifel,  dass  dieser  Eusebius  der  vornehme  Bürger 
von  Bologna  war,  mit  dem  Ambrosius  in  innigem  Freundschaftsverhält- 
nisse stand.^)    Die  Rede  ist  stark  dogmatisch  gehalten;   denn  sie  wendet 


^)  19, 124  hodie  natali  eorum  (sc.  Petri 
et  Pauli)  Spiritus  sanctus  inerepuit. 

*)  3,  14  eerte  hoc  docuit  hodierna  quae 


decursa  est  lectio. 

»)  Vgl.  die  Briefe  54  und  55  (16  Sp.  1167 
Migne). 


314  Ambroaiiui.    (§§  986,  987.) 


U. 


sich  gegen  die  Häretiker,  welche  die  Jungfräulichkeit  Marias  leugneo. 
Besonders  hat  der  Autor  hier  den  Bischof  Bonosus  im  Auge.  Auch  mj- 
stische  Interpretationen  laufen  mit  unter.  Eine  wärmere  Haltung  gewinnt  i^r 
die  Rede  erst  am  Schluss,  wo  sich  der  Redner  direkt  an  Ambrosia  vor 
dem  Akt  der  Einweihung  wendet.  Die  Benediktiner  setzen  die  Schrifi 
in  das  Jahr  892,  indem  sie  besonders  das  Aufkommen  der  Häresie  da 
Bonosus  in  Erwägung  ziehen. 

Zur  Charakteristik.  1,  1  eommendas  mihi  pignus  tuum,  ^uod  aeque  €9t  mtm^ 
Ämbrosiam  Domini  ^acram:  et  pio  affectu  eius  tibi  aaaeris  prautantiorem  reliqw  mUp 
sollieUudinem,  2,  15  de  qua  (virginitate)  licet  frequentihua  libris  dlxerimus,  tamen  memonA 
pignoris  causa  hunc  ad  te  librum  condendum  arbitrati  sumus,  5,  85  fuerunt  qui  en 
(sc.  Mariam)  negarent  virginem  peraetftrasae.  Hoc  tantum  aaeriUgium  siUre  iamduim 
maluimua:  sed  quia  causa  vocavit  in  medium,  ita  ut  eius  prolapsionis  etiam  Epifetfm 
argueretur,  indemnatum  non  putamus  relinquendum.  Vgl.  des  Näheren  Ihm,  Stndia  A» 
brosiana  p.  29,  der  die  Schrift  in  das  Jahr  391  oder  392  setzt. 

Ausg.  von  Migne  16  Sp.  305;  Ballerini  4  Sp.  815. 

936.  Exhortatio  virj^tatis.    Als  der  Usurpator  Eugen  im  Begrüe 
war,   die  Alpen  zu  überschreiten,  flüchtete  sich  Ambrosius  nach  Bologio. 
Hier  fand  er  die  Gebeine  des  Vitalis  und  des  Agricola.^)     Als  die  Flores- 
tiner  von  der  Anwesenheit  des  Bischofs  in  Bologna  Kunde  erhalten  hattea, 
wurde  er  eingeladen,  die  von  einer  Witwe  Juliana  erbaute  Kirche  einio- 
weihen.   Ambrosius  folgte  der  Einladung;  er  begab  sich  nach  Florenz  mit 
Reliquien  der  von  ihm  aufgefundenen  heiligen  Leiber.')    Die  Rede,  welche 
der  Mailänder  Bischof  bei  der  Einweihung  des  Gotteshauses  hielt,  bildet 
den  vorliegenden  Traktat,  und  zwar  deutet  nichts  auf  eine  Umarbeitung 
hin,   durch  welche  die  Rede  den  Charakter  einer  Schrift  erhalten  hfitte. 
Die  Composition  des  Schriftstücks  ist  eine  sehr  eigentümliche;  in  die  Rede 
ist  nämlich  eine  zweite  Rede  eingeschaltet,  eine  Ansprache,  welche  Juliana 
an  ihre  Kinder  hielt,  um   sie   zu  ermuntern,  den  Stand  der  Ehelosigkeit 
zu  erwählen.   Diese  eingeschobene  Rede  ist  natürlich  nur  ein  Kunstmittel. 
Der  Autor  will   uns  die   fromme  Einwirkung  der  Mutter  auf  ihre  Kinder 
nicht  durch  eine  Erzählung,  sondern  durch  eine  lebendige  Ansprache  der 
Witwe  selbst  vor  Augen  stellen.     Den  Worten  der  Juliana  fügt  Ambrosius 
seine  eigenen   hinzu;   er   gibt  den  Kindern  fromme  Lehren   und  vollzieht 
dann  den  Einweihungsakt  mit  einem  kräftigen  Gebet.     Die  Rede   fallt  in 
das  Jahr  398.») 

Zur  Charakteristik.  Paulin.  vita  Ambrosii  27  (14  Sp.  36)  hoc  (das  Vorgehen  des 
Eugenius)  uhl  cognovit  Sacerdos  (Ambrosius),  derelicta  cicitate  Mediolanensi,  ad  quam  Uli 
(Eugenius)  festinato  rettiebaf,  ad  Bononiensem  civifatefH  emigrarit,  atque  inde  Farentinm 
Hsque  perrexit,  Uhl  cum  aliquantis  degeret  diebus,  itivitatus  a  ilorentinis,  ad  Tusciam 
usqite  descendit.  Exhort.  1,  1  ego  ad  liononiense  itivitatus  conririum,  übt  sancti  tnartyrif 
celehrata  translatio  est,  apophoreta  rohis  pleno  sanctiiatis  et  gratiae  reserrari.  Die  Rede 
der  Juliana  wird  eingeleitet  durch  die  Worte  3,  13  succinxit  mentis  viscera,  et  circumfusam 
Sie  videns  numero  fiUarum  triumy  et  unius  filiiy  quo  solent  terreri  caeterae,  hoc  fortior  facta, 
tali  filios  aUoquio  convenU.  Geschlossen  wird  die  Rede  durch  die  Worte  8,  53  haec  et  aUn 
pla  mater, 

Ausg.  von  Migne  16  Sp.  335;  Ballerini  4  Sp.  349. 

1)37.  De  lapsu  virginis  consecratae.  Eine  Jungfrau  mit  Namen 
Susanna  aus  vornehmer  Familie  hatte  wider  den  Willen  ihrer  Eltern  sich 

^)  Benutzt  ist  unsere  Schrift  in  dem  un-   ,  ')  Oder  894,  was  Ihm.  Studia  Anibro- 

echton  Brief  No.  3  (17  Sp.  747  Migne).  siana  p.  30  auch  für  möglich  hält. 

*    Er  nennt  sie  apophoreta.  \ 


AmbrosioM.    (§  988.) 


315 


ierlich  Oott  geweiht,  später  aber  das  Gelübde  der  Keuschheit  gebrochen, 
'h  mit  einem  Jüngling  eingelassen  und  das  aus  dieser  Verbindung  ent- 
rungene Kind  getötet.  1)  Der  Bischof  hält  ihr  in  scharfen  Worten  ihr 
ergehen  vor,  schildert  mit  lebhaften  Farben  das  Aergernis,  das  sie  ge- 
lben, den  Kummer  ihrer  Familie,  wobei  er  zugleich  alle  Ausreden,  die 
)  vorbringen  könnte,  ihr  abschneidet.  Auch  den  Verführer  treffen  scharfe 
'orte  des  Bischofs.  Aber  nicht  zur  Verzweiflung  soll  die  gefallene  Jung- 
Gtu  gebracht  werden;  der  Bischof  zeigt  ihr  den  Weg  der  Busse,  durch 
dche  sie  sich  wenigstens  von  ewiger  Höllenstrafe  befreien  könnte.  Mit 
Der  der  Jungfrau  in  den  Mund  gelegten  Klage  schliesst  das  Schriftstück. 
an  rhetorischer  Charakter  tritt  ausserordentlich  scharf  zutage;  die  Kunst- 
ittel  der  Rede  sind  stark  in  Anwendung  gekommen,  und  es  lässt  sich 
h^ver  glauben,  dass  diese  declamatio  von  Ambrosius  stammt. 

Die  Echtheitsfrage.  Die  Ueberlieferung  spricht  f&r  Ambrosius.  Im  codex  68 
n  JEpinal  s.  VII/VIII  und  im  cod.  17  A  s.  X  des  Seminars  von  Autun  finden  wir  unsere 
brift  unter  dem  Titel:  Epistola  Nicetae  episcopi  de  lapsu  Susannae  devotae  et  cuiusdam 
iOfHa.  Obwohl  der  Text  an  vielen  Stellen  von  der  Fassung  abweicht,  die  unter  dem 
•men  des  Ambrosius  bekannt  ist,  liegt  doch  dasselbe  Schriftstfick  vor.  Allein  der  Text 
icht  mit  10,  44  Stridor  dentium  ....  humiliatus  sum  ab;  dann  folgen  die  Worte:  Hanc 
Isiolam  8anctu8  emendavit  Ambrosius  quia  ut  ab  ipso  auctore  fuerat  edita  non  erat  ita 
9f%iam  ah  imperitissimis  fuercU  viciata.  Emendatd  mediolano;  vgl.  Morin,  L*£pistula  ad 
"SÜiem  lapsam  de  coUection  de  Corbie.  Opuscule  in^dit  de  la  fin  du  IV**  siäcle  (Revue 
«iMictine  14  (1897)  p.  194).  Diese  Notiz  verdient  keinen  Glauben.  Schon  das  ist  auf- 
iliS,  dass  das  Schriftstfick  als  Brief  bezeichnet  wird,  während  es  sich  doch  als  Rede  dar- 
»Ut.  Was  die  Subscriptio  besagt,  ist  ganz  unwahrscheinlich;  auf  der  einen  Seite  war  die 
ide  dem  Nicetas  (vgl.  §  965)  zugeteilt,  offenbar  nach  Grennadius,  auf  der  anderen  Seite  war 

der  Ueberlieferung  Ambrosius  als  Autor  genannt.  Zwischen  beiden  Thatsachen  wollte  die 
ibacriptio  vermitteln.  Die  Benediktiner  belassen  die  Schrift  unter  den  Werken  des  Ambro- 
■b;  allein  sie  verkennen  nicht,  dass  der  Stil  sich  merklich  von  dem  ambrosianischen  ab- 
)be ;  unter  allen  Umständen  meinen  sie,  dass  die  Schrift  der  Zeit  des  Ambi*08ius  angehöre, 
euerdings  tritt  auch  Morin  (p.  195)  für  die  Echtheit  ein.  Er  will  die  Stilverschiedenheit 
idiirch  erklären,  dass  unsere  Rede  zu  den  „discours  improvis^s*^  gehOre,  «que  nous  a 
anftmis  Theureuse  indiscrötion  de  ses  auditeurs.*     „II  conhent  des  indiscr^tions  analogues 

Celles  qui  ont  ^t^  relev^es  dans  TExplanatio  et  dans  le  De  sacramentis,  quoique  d'un 
itre  genre.* 

Ausg.  von  Migne  16  Sp.  367;  Ballerini  4  Sp.  385. 

y)  Dogmatische  Schriften. 

938.  Die  Schriften  über  die  Trinität.  In  den  dogmatischen  Schriften 
ritt  die  trinitarische  Frage  der  ganzen  Zeitlage  nach  naturgemäss  in  den 
Vordergrund.  Auch  diese  Schriftstellerei  des  Ambrosius  wurde  durch  äussere 
fomente  bestimmt.  Der  junge  Kaiser  Gratian,  der  zu  Ambrosius  mit 
;ros8er  Verehrung  emporblickte,  wünschte  von  ihm  eine  schriftliche  Be- 
Bhrung  über  die  Trinität.  Es  ist  recht  bezeichnend  für  den  Kaiser,  dass 
r  seinem  Wuns^e  Ausdruck  gab,  als  er  im  Begriffe  war,  dem  Kaiser 
Valens  im  Kampfe  gegen  die  Gothen  beizustehen,  und  dass  er  noch  in 
lieser  schweren  Zeit,  wo  das  Reich  in  allen  Fugen  krachte,  den  theo- 
Dgischen  Subtilitäten  sein  Interesse  zuwandte.  Ambrosius  schrieb,  um 
lern  Verlangen  des  Kaisers  stattzugeben,  Ende  877  oder  Anfang  878  zwei 
tücher  über  den  Glauben  (de  fide)  und  übersandte  sie  dem  Kaiser. >) 
Lls  Gratian  von  seinem  Feldzug  zurückgekehrt  war,  regte  er  im  Jahre  379 


')  8,  34. 

')  Die  Bttcher  werden  sowohl  von  Au- 


toren als  in  Handschriften  auch  de  trii^ 
betitelt;  vgl.  die  admonitio  bei  Mign^  ^ 


tt 


316  Ambrosiiui.    (§  938.) 

eine  durch  eine  Erörterung  über  die  Natur  des  hl.  Geistes  vermehrte  neu 
Auflage  der  zwei  Bücher  an.    Ambrosius  versprach  auch,   den  WQ]ttijk|}:s 
des  Kaisers  zu  erfüllen,  allein  vorher  wollte  er  noch  mehrere  Fragen,  dii  |^ 
in  dem  Werk  de  fide  zu  kurz  behandelt  waren,  eingehend  erörtern.  Be- 
sonders war  es  aber  der  Angriff  des  Arianers  Palladius  auf  seine  zwq    _ 
ersten  Bücher,  der  ihm  den  Oriffel  in  die  Hand  drückte.^)    So  kamen  al^": 
den  zwei  Büchern  noch  drei  hinzu.    Nachdem  Ambrosius  in  den  fünfBi-l.  _ 
ehern   die  Wesensgleichheit   des  Vaters  und  des  Sohnes   dargethan  oil^ 
gegen   die  Einwürfe  der  Arianer  verteidigt  hatte,    erübrigte  noch,  diil'*^. 
Wesensgleichheit  des  hl.  Geistes  zu  erweisen.     Der  Gegenstand  vv  1^/ 
nicht  so  leicht  zu  behandeln,  doch  fehlte  es  nicht  an  griechischen  Ho-"^'^ 
Stern,  welche  auch  dieses  Thema  erörtert  hatten;  besonders  Didymusdff 
Blinde  war  für  den  Mailänder  Bischof  eine  reiche  Fundgrube.*)     Der  SM 
wuchs  dem  Verfasser  zu  drei  Büchern  heran,  die  dem  Kaiser  Gratian  ii  l*^ 
Jahre  381  überreicht  wurden.     Allein  noch  einmal  erhielt  Ambrosius  6e-i!^'_ 
legenheit,  auf  das  Problem  der  Trinität  zurückzukommen.     Am  Hofe  da  1^ 
Kaisers  Gratian   befanden  sich  zwei  arianisch  gesinnte  Kämmerer,')  die|*p 
den  Bischof  zu  einer  öffentlichen  Erörterung  über  das  Geheimnis  der  Mensck-  rZ 
werdung  Christi,  das  auch  auf  dem  Concil  von  Aquileia  verhandelt  worden,  r^ 
aufforderten;    als   dieselben  aber   am  bestimmten  Tage  nicht  erschien«!  1^ 
waren,  behandelte  trotzdem  Ambrosius  das  vorgeschlagene  Thema  in  einer  V. 
Predigt.     Auf  Wunsch  Gratians  erweiterte  er  diese  Predigt  zu  der  Schrift  '^' 
de  incarnationis  dominicae  sacramento. 

Abfassungszeit  der  Bücher  de  fide.  Zu  beachten  ist,  daas  die  zwei  erstei 
Bücher  etwas  früher  geschrieben  sind  als  die  drei  letzten;  vgl.  3,  1.  Die  Abfassongszeit  der 
zwei  ersten  Bücher  wird  bestimmt  durch  die  Worte  (1  prol.  3)  petiB  a  tne  fidei  libeUumy  sancU 
imperatoTj  profecturus  ad  proelium.  Es  ist  die  Zeit  gemeint,  da  Gratian  im  Begriffe  wir. 
dem  Valens  im  Kampfe  gegen  die  Gothen  beizustehen;  es  war  Ende  377  oder  Anfang  378, 
Jedenfalls  fallen  die  Bücher  vor  die  Niederlage  des  Valens  bei  Hadrianopel;  vgl.  2,  16, 136 
neque  vero  te^  imperatorj  pluribus  tenere  deheo  hello  intetitum  et  victricia  de  harharU  tro- 
phaen  meditantem.  Frogredere  plane  scuto  fidei  septus  et  gladium  Spiritus  habens:  pro- 
yredere  ad  victoriam  superioribus  promissam  temporibus  et  divinis  oraeulis  prophetatam. 
Im  Jahre  379  schrieb  Gratian  an  Ambrosius  (Migne  Sp.  876):  Rogo  te  ut  mihi  des  ipsum 
tractatum,  quem  dederas,  atigendo  illic  de  Spirifu  sancto  fidelem  disputationem,  worauf  Am- 
brosius antwortet  (Migne  Sp.  878):  Misi  duos  libellos  (d.  h.  die  zwei  ersten  Bücher  de  fide). 
quorum  iam,  quia  tuae  clemenfiae  sunt  probati,  periculum  non  verebor:  de  spiritu  rero 
inierim  reniam  scriptioni  peto;  quoniam  quem  iudicem  mei  sim  sermonis  habiturus^  agnori 
Die  drei  letzten  Bücher  fallen  also  in  die  Zeit  zwischen  379  und  der  Abfassung  der  Bücher 
de  spiritu  sancto;  vgl.  Ihm,  Studia  Ambrosiana  p.  31.  —  üeber  den  cod.  Parisinus  8907 
vgl.  Ka  uff  mann,  Texte  und  Untersuchungen  zur  altgerman.  Religionsgesch.  1  (Strassb. 
1899)  p.  XVII.    -  Text  bei  Migne  16  Sp.  527;  Ballerini  4  Sp.  573. 

Abfassunjjszeit  der  Schrift  de  spiritu  sancto.  1  prol.  17  wird  der  Tod  des 
Gothenkönigs  Athanaricus  erwähnt,  der  Januar  381  erfolgte.  Ebenda  18  erscheint  der 
Bischof  von  Alexandria  Petrus  noch  lebend;  derselbe  starb  aber  in  iemselben  Jahre  vor 
dem  Monat  Juli.  Die  Abfassung  der  drei  Bücher  de  spiritu  sancto  fällt  also  in  das  Jalir 
381;  vgl.  Migne  Sp.  699;  Ihm,  Studia  Ambrosiana  p.  32.  —  Text  bei  Migne  16  Sp.  703: 
Ballerini  4  Sp.  753.  —  Schermann,  Die  griech.  Quollen  in  Ambros.  de  spiritu  sancto. 
München  1902. 

Abfassungszeit  der  Schrift  de  incarnationis  dominicae  sacramento. 
Die  Schrift  ist  nach  den  Büchern  de  tide  entstanden;  vgl.  7,  62  nonne  de  Patris  ei  Filii 
divimtate   quinque    Ulis,    quos   scHpsisii,   Ubris   conclusurum    te  esse  promiseras?    Die  Ab- 

M   Vgl.    Diss.    Maximini    P   337  p.  80;  |   p.  XXXVI. 

vgl.   8,    1,    2   (Sp.  589    Migne)    mens    prnra  ;  2)  ygi  ^jj^  g^monitio  bei  Migne  Sp.  TÖl. 

quorundam    serendis    intenta    quaestionibus,  *)  Vgl.  die   vita  Ambrosii  von  Paulinn* 

stilo  lacessit    uheriore   confici;   Kau  ff  mann       §  18  (14  Sp.  33  Migne). 


Ambrosiu«-    (§939.)  317 

llnng  wurde  noch  zu  Lebzeiten  Gratians  verfasst;  vgl.  8,  80  ergo  ut  respondeam,  clemen- 
me  imperatar,  per  te  mihi  propositae  quaestiani.  Sonach  fällt  die  Schrift  nicht  vor 
nnd  nicht  nach  383,  in  welchem  Jahr  bekanntlich  Gratian  den  Tod  fand;  vgl.  Ihm, 
lia  Ambrosiana  p.  83.  Wahrscheinlich  wird  das  Abfassongsjahr  382  sein;  vgl.  Kauff- 
in  p.  XXXVm.  —  Text  bei  Migne  16  Sp.  817;  Ballerini  4  Sp.  875. 

939.  Andere  dogmatische  Schriften.  Nicht  bloss  die  Trinität,  son- 
D  auch  andere  dogmatische  Probleme  wurden  von  Ambrosius  behandelt. 
;h  hier  griffen  praktische  Rücksichten  ein.  So  war  es  eine  alte  Streit* 
re,  ob  alle  Sünden  nachgelassen  werden  könnten.  Diese  Streitfrage 
*  besonders  durch  die  Novatianer  aufgekommen,  die  sich  auf  den  rigo- 
ischen  Standpunkt  stellten.  Die  Kirche  aber  entschied  sich  für  die 
le  Auffassung,  und  auch  Ambrosius  trat  für  dieselbe  in  den  zwei  Bü- 
ro über  die  Busse  (de  poenitentia)  ein.  Den  Gegenstand  einer  zweiten 
matischen  Schrift  bildet  die  Unterweisung,  welche  die  Neugetauften 
r  die  Sakramente  zu  empfangen  hatten;  sie  ist  gegeben  in  einer  Schrift, 
che  den  Titel  de  mysteriis  führt  und  besonders  alttestamenÜiche 
ge  typologisch  verwertet.  Mit  der  Schrift  de  mysteriis  steht  in  eng- 
a  Zusammenhang  die  de  sacramentis,  welche  aus  sechs  Büchern, 
.  aus  ebensoviel  Predigten  besteht.  Der  Inhalt  der  beiden  Werke  ist 
wesentlichen  derselbe.  Vergleicht  man  beide  Schriften  genauer  mit- 
knder,  so  sieht  man,  dass  in  den  Büchern  de  sacramentis  eine  andere 
tion  herrscht  und  Eigentümlichkeiten  vorkommen,  welche  von  Am- 
)ius  abstechen;  die  Bücher  de  sacramentis  werden  also  Ambrosius  nicht 
ehören,  sondern  von  einem  späteren  Autor,  der  etwa  im  fünften  Jahr- 
dert  lebte,  verfasst  worden  sein.  Nicht  völlig  gesichert  ist  auch  die 
orschaft  des  Ambrosius  bei  der  explanatio  symboli  ad  initiandos; 
ist  eine  extemporierte,  von  einem  Zuhörer  nachgeschriebene  Rede,^) 
che  das  Glaubensbekenntnis  erläutert  und  hierbei  gegen  den  Arianismus 
ilung  nimmt.  Dagegen  ist  eine  mit  dem  Namen  des  Ambrosius  versehene 
lortatio  ad  neophytos  de  symbolo  mit  Entschiedenheit  dem  Mai- 
ler Bischof  abzusprechen.  Ebenso  apokryph  ist  eine  für  den  Greatianis- 
9  eintretende  altercatio,  die  am  Anfang  verstümmelt  ist  und  die  Bibel- 
len  nach  der  Itala  citiert.  Mehr  philosophischen  Inhalts  war  die  ver- 
me  Schrift  de  sacramento  regenerationis  sive  de  philosophia, 
sich  dieselbe  besonders  gegen  Plato  wandte.  Was  in  der  gleichfalls 
lorenen  Schrift  ad  Pansophium  puerum  gestanden,  lässt  sich  nicht 
littein.  Dogmatischen  Inhalts  aber  war  die  ebenso  nicht  erhaltene  ex- 
jitio  fidei,  aus  der  Theodoret,  Bischof  von  Cyrus,  ein  längeres  Bruch- 
ck  in  griechischer  Sprache  mitgeteilt  hat. 

De  poenitentia.  Enarrationes  in  psalm.  XXXVII  §  1  (14  Sp.  1009  Migne)  de 
titentiä  duos  tarn  dudum  scripsi  libelloSf  et  Herum  scrihendum  arhitror.  Eine  sichere 
bestimmong  ist  nicht  möglich;  die  Benediktiner  (Migne  Sp.  463)  teilen  die  Schrift  dem 
re  384  zn.  üeber  den  Inhalt  sagen  dieselben  (1.  c):  „Vix  alibi  clarios  a  Christo  ecclesiae 
ita  peccatonun  dimittendorum  auctoritas,  necessitas  eonindem  confitendonim,  ac  tandem 
onim  operom  corporisque  castigationum  meritum  manifestantor.**  Ueber  die  Schwierig- 
,  die  dadurch  entsteht,  dass  im  Commentar  zu  Lucas  strengere  Auffassung  vertreten 
1,  vgl.  Foerster,  Ambrosius  etc.  p.  90.  —  Text  bei  Migne  16  Sp.  465;  Ballerini 
p.  509. 

De  mysteriis.  1,  2  nunc  de  mysteriis  dicere  tempus  admonet,  atque  ipsam  sacrO' 
iorum  rationem  edere:  quam  ante  haptismum  si  putassemus  insinuandam  nondum  i 

*)  Vgl.  Gas  pari,  Quellen  zur  Gesch.  des  Taufs3rmbols  p.  61. 


318  Ambrosins.    (S  939.) 

tiatis,  prodidisse  potius  quam  edidisse  aestimaremur.  Ans  1,  1  de  maraUhu»  qwdidwim\-'^ 
sermonem  habuimuSf  cum  vel  pairiarcharum  gesta,  vel  prarerbiarum  Ugerentur  praeapk 
darf  wohl  geschlossen  werden,  dass  die  Schnft  nach  den  Abhandlungen  über  Abnh«, 
Isaac  und  Jacob  geschrieben  sei.  Die  Benediktiner  (Migne  Sp.  387)  setzen  daher  it 
Schrift  um  387  an.  In  den  meisten  Handschriften  lautet  der  Titel:  De  mysteriie  mv$  im. 
tiandis,  in  den  ältesten  aber  de  divinis  mysteriis  oder  de  mysterüs.  Die  Echtheit  w«ie 
mit  Unrecht  bezweifelt.  Es  liegt  dieselbe  Individualität  vor,  wie  bei  den  echten  Schrift« 
des  Ambrosius;  vgl.  einige  Belege  bei  Ihm,  Studia  Ambrosiana  p.  80  Amn.  124.  —  Tot 
bei  Migne  16  Sp.  389;  Ballerini  4  Sp.  427. 

De   sacramentis.    Für  die   Unechtheit  sprechen  sich  aus  die  Benediktiner  (t^ 
Migne  in  der  praef.  Sp.  415),  Foerster  p.  96,  Ihm,  Studia  Ambros.  p.  72:    «Explontn 
habeo  auctorem  non  esse  Ambrosium  librosque  saec.V  vel  VI  compodtos  esse.*     Die  B«i«> 
diktiner  verlegen  die  Abfassung  der  Schrift  in  die  Zeit  bald  nach  Ambrosius.     Tillemoct 
u.  a.  halten  den  Bischof  Maximus  von  Turin  für  den  Autor;  diese  Hypothese   lisst  äd 
jedoch    nicht  fest  begründen.     Fr.  Probst  (Liturgie   des   vierten  Jahrhunderts  und  dera 
Reform,  Münster  i.  W.  1893,  p.  239)  hält  für  den  Verfasser  der  Schrift  Ambrosius.  der  At 
Predigten,   aus  denen  die  Schrift  besteht,  zur  Schrift  de   mysterüs  umgearbeitet  habe;  « 
seien  aber  auch  die  Predigten  nach  der  stenographischen  Niederschrift  eines  ZuhQrers  pvUi- 
ziert  worden  und  dies  sei  das  Werk  de  sacramentis.    Für  nachgeschriebene  Predigten  dci 
Ambrosius  hält  unsere  Schrift  wie  die  explanatio  Morin,  Revue  B^n^dictine  12  (1895)  p.  38i 
—  Text  bei  Migne  16  Sp.  417;  Ballerini  4  Sp.  457. 

Explanatio  symboli  ad  initiandos.  Von  A.Mai,  Scriptorum  vet.  nova  colledii, 
Rom  1833,  p.  156  wurde  eine  Schrift  aus  einem  cod.  Vaticanos-Bobienais  herausgegebci 
unter  dem  Titel:  Beati  Ambrosiif  episcopi  Älediolaftensis,  explanatio  Symboli  ad  initiandü: 
auch  bei  Migne  17  Sp.  1155;  Ballerini  6  Sp.  277.  In  abweichender  Gestalt  war  dien 
Rede  auch  bereits  aus  einem  cod.  s.  XIII  des  Klosters  Lambach  publiziert  in  der  Ami. 
der  Werke  des  Maximus  von  Turin  von  Bruno  Brunus,  Rom  1784,  Appendix  p.  3>}: 
auch  bei  Migne  57  Sp.  853.  Beide  Textesgestaltungen  jetzt  abgedruckt  bei  Casptri. 
Ungedruckte,  unbeachtete  und  wenig  beachtete  Quellen  zur  Gesch.  des  TaufsymboU  loi 
der  Glaubensregel  2  (Christiania  1869)  p.  50.  Die  Ueberlieferung  schwankt  in  Bezug  ui 
die  Autorschaft  zwischen  Ambrosius  und  Maximus.  Caspari  spricht  sich  nach  Erwi^oig 
aller  Umstände  für  Ambrosius  als  Verfasser  aus  (p.  73). 

Exhortatio  sancti  Ambrosii  episc.  ad  neophytos  desymbolo.  Unter  diesa 
Titel  befindet  sich  im  cod.  Vindobonensis-Palatinus  664  s.  XIV  diese  Rede,  der  ein  Schreiber 
über  der  Zeile  auch  den  Namen  Augustinus  beigefügt  hat.  Ausserdem  ist  die  Exhorüd-} 
noch  im  Vindobonensis  305  s.  XV  enthalten;  vgl.  Caspari,  Quellen  zur  Gesch.  des  Turf- 
Symbols  2  p.  128,  wiederholt  in  den  alten  und  neuen  Quellen  etc.,  Christiania  1879,  p.  l'?6 
(auch  bei  Ballerini  6  Sp.  285).  ,Dio  Auslegung  des  Symbols  in  der  Rede,  soweit  mia 
von  einer  solchen  reden  kann,  ist  ganz  vom  Gegensatz  zum  Arianismus  beherrscht:  dieser 
Gegensatz  bestimmt  Alles  in  der  Rede*  (Caspari  p.  147).  Die  Worte  ad  neophytos  müssen 
hier  wohl  von  noch  nicht  Getaufton  verstanden  werden;  vgl.  Caspari  p.  150.  Die  Autor- 
schaft des  Ambrosius  ist  unmöglich;  vgl.  Caspari  p.  178.  Derselbe  (p.  181)  will  Lucifar 
von  Cagliari  als  Verfasser  der  Exhortatio  hinstellen,  dagegen  G.  Krüger  (Lucifer,  Bisciiof 
von  Calaris,  Leipz.  1886,  p.  118)  Eusebius  von  Vercellae.  Beide  Annahmen  entb<?hren  der 
zureichenden  Begründung. 

Altercatio  sancti  Ambrosii  contra  eos,  qui  animam  non  confitenter 
esse  facturam.  aut  ex  traduce  esse  dicunt.  Ueberliefert  in  Parisinus  2025  s.  XID, 
1710  s.  XIV,  1920  s.  XIV,  Monacensis  6311  s.  X.  Auch  Johannes  von  Sevilla  (aus  der 
ersten  Hälfte  des  9.  Jahrh.)  bezeichnet  unsere  Schrift  als  ein  Werk  des  Ambrosius;  v^. 
Caspari,  Kirchenhistorische  Anecdota  1  (Christiania  1883)  p.  230  (auch  bei  Ballerini  6 
Sp.  851).    Allein  dass  dieser  der  Verfasser  nicht  sein  kann,  steht  fest;  vgl.  Caspari  p.  Xu. 

Die  verlorene  expositio  fidei.  Theodoret,  Bischof  von  Cyrus  (Eiänistes  sive 
Polymorphus  Dial.  2)  führt  ein  längeres  Fragment  an  rov  dyiov  'AfißQoaiov  äTiiaxortor  Mi- 
dio'Adyov  eV  ix^^iasv  TtiareüJi;  abgedruckt  bei  Migne  16  Sp.  847;  Ballerini  4  Sp.909.  Ueber 
andere  Fundstätten  vgl.  Ihm,  Studia  Ambrosiana  p.  77. 

Andere  verlorene  Schriften.  1.  De  sacramento  regenerationis  sive  de 
philosophia.  Vgl.  Augustin.  contra  Jul.  Pel.  2,  5,  14;  2,  6,  15;  2,  8,  24;  2,  7,  20.  2,  7.  IV 
audi  ergo  quid  dicat  in  libro  de  philosophia  contra  Platonem  philosophum,  qui  hominum 
animas  rerolvi  in  hvstitts  assererat  et  animarum  tantummodo  deum  opinatur  auctortm, 
rorpora  autem  diis  minor ibus  facienda  decernit.  Auf  diese  Schrift  bezieht  sich  auch,  w« 
Augustin  (epist.  31,  8  a.  d.  J.  396)  sagt:  lihros  heatissimi  papae  Ambrosii  credo  habere  sancti- 
tatvm  tuam;  eoA  autem  multum  desidero,  quos  adversus  nonnullos  imperitissimos  et  super- 
biesimos,  rjui  de  Piatonis  libris  dominum  profecisse  contendunt,  diligentissime  scripsit.  Frag- 
mente  in   der  Ausg.  von  Ballerini   4   Sp.  905;   neue   Hinweise   bei   Ihm,    Studia  Am- 


Ambrosin«.    (§  940.)  319 

p.  76.    2.  Ad  Pansophium  puerum.    Diese  Schrift  beruht  auf  einem  Bericht 
'wnnderglftubigen  Paulinus  m  seiner  vita  des  Ambrosius  §  28.    Als  nämlich  Ambrosius 
'/M  in  Florenz  weilte,   wohin  er  sich  vor  dem  Usurpator  Eugenius  geflüchtet  hatte,    er- 
»  er  ein  verstorbenes  Kind  mit  Namen  Pansophius  wieder  zum   Leben.    Paulinus 
fort:  ad  quem  etiam  infaniulum  Hbellum   conscripsit,   ut  quod  per  aetatis  infantiam 
nan  poterat,  legendo  eognosceret.  verumtamen  factum  acriptis  suis  non  commemoravit : 
^uo  affectu  declinaverit  commemorare,  non  est  nostrum  iudicare;  vgl.  auch  ebenda  §  50. 
Ueber  die  Schrift  de  fide  orthodoxa  contra  Arianes  vgl.  §  903. 
Ausg.  ausgewählter  dogmatischer  Schriften  des  Ambrosius  bei  H.  Hurter, 
rum  Patrum  opusc.  sei.  Ser.  1:  De  poenitentia  t.  5:  De  mysteriis  t.  7;  De  fide  ad 
um  Augustum  t.  30.  ^  y  . 


r  ji 


(f)  Reden  und  Briefe. 

940.  Die  Trauerreden  auf  Satyrus  1.  II.  Der  Bruder  des  Ambro- 
-Mius,  Satyrus,  hatte,  nachdem  jener  das  bisehöfliche  Amt  angetreten,  die 
.^jVerwaltung  des  väterlichen  Vermögens  übernommen.  Als  Vermögensver- 
=^?walter  erachtete  er  es  für  seine  Pflicht,  einen  Schuldposten  von  einem 
—-^wissen  Prosper  in  Afrika  einzutreiben.  Trotz  der  Abmahnungen  seines 
^{.geistlichen  Bruders  begab  sich  Satyrus  selbst  nach  Afrika.  Nachdem  er 
•-•liein  Geschäft  dort  abgewickelt  hatte,  kehrte  er  nach  Italien  zurück.  Er 
^' tegab  sich  zuerst  nach  Rom  und  von  da  nach  Mailand,  um  angesichts 
^£.der  drohenden  kriegerischen  Verwicklungen  in  der  Nähe  des  geliebten 
^Bruders  zu  sein.  Allein  er  fiel  bald  in  eine  Krankheit,  weiche  ihn  im 
—'Jahre  375  dahinraffte.  Ambrosius  hielt  selbst  dem  verstorbenen  Bruder 
:^:-die  Leichenreden.  Die  eine  sprach  er  am  Tag  der  Bestattung  vor  der 
» ausgesetzten  Leiche  in  der  Kathedrale,  die  andere  sieben  Tage  später  am 
.  Grabe;  beidemale  war  ein  zahlreiches  Publikum  erschienen.  Die  beiden 
=;.  Beden  wurden  von  Ambrosius  zu  einer  Schrift  vereinigt,  wobei  kleine 
■(>:  Aenderungen  gemacht  werden  mussten.^)  In  manchen  Handschriften  wird 
^  das  erste  Buch  de  excessu  Satyri  fratris  sui,  das  andere  de  resurrectione 
^.  mortuorum  betitelt.*) 

=^  In  der  ersten  Rede  gibt  Ambrosius  vor  allem  seinem  tiefen  Schmerze 

^  Ausdruck.  Beide  Brüder  waren  ja  durch  die  grösste  Seelenharmonie  mit- 
^^r  einander  verbunden;  auch  äusserlich  glichen  sie  sich  so,  dass  sie  oft  mit- 
-ö  einander  verwechselt  wurden.  Er  gibt  eine  warme  Schilderung  von  dem 
~*  Charakter  des  Verstorbenen;  trotz  allen  Schmerzes  vermag  er  doch,   sich 

•r  und  seiner  Schwester  Marcellina  Trost  zu  spenden.  Die  Rede  bietet  un- 
■t  gemein  zarte  Stellen,  und  man  kann  sich  leicht  denken,  welch  tiefen  Ein- 
^  druck  die  Worte  des  Redners  auf  die  lauschende  Versammlung  machten; 

i  de  gibt  uns  ein  schönes  Bild  der  zärtlichsten  Geschwisterliebe.  Auch 
^  für  das  kirchliche  Leben  gewinnen  wir  manchen  lehrreichen  Zug;  so  ist 
^  das,  was  vrir  über  die  hl.  Eucharistie  lesen,  von  grossem  Interesse.  Auch 
Kf  der  Zeitlage  gedenkt  der  Redner;  wir  hören  gleichsam  wie  der  Feind  an 

den  Thoren  pocht. 
^  Die  zweite  Rede  hat  einen  anderen  Charakter;  sie  ist  ruhiger  ge- 

^  halten  und  gibt  weniger  dem  persönlichen  Schmerze  Ausdruck,  sie  fasst 
->   das  Thema  vielmehr  vom  allgemein  menschlichen  Standpunkte  an.    Sie 


')  Der  Schriftcharakter  erhellt  aus  den 
Eingangsworten  der  zweiten  Rede :  Superiore 
libro  aiiquid  indulsimus  .... 

')  ionbrosius  selbst  citiert  die  Bttcher 


in  Enarr.  in  XII  Fr'  049 

Migne)  non  praitr 
lationis  et  resurf^ 


tu. 


320  Ambroaius.    (§  941.) 

zeigt,  dass  der  Tod  nicht  beklagt  werden  dürfe,  weil  er  durch  die  Oesetnp 
der  Natur  begründet  sei,  dann  weil  er  uns  von  den  Leiden  des  Leb« 
erlöse,  endlich  weil  der  Leib  auferstehe.  Bei  diesem  letzten  Punkt  ^c^ 
weilt  der  Redner  am  längsten ;  an  Hand  der  Vernunft,  an  Hand  der  Natir 
und  an  den  Beispielen  Auferstandener  verficht  er  den  Satz  von  der  US^ 
liehen  Auferstehung.  Durch  die  zweite  Rede  tritt  die  ganze  Schrift  ia 
die  Litteraturgattung  der  Consolationes,  welche  die  Heiden  schon  viel  be- 
arbeitet hatten,  ein.  Das  Ganze  ist  eine  schöne  Trostschrift  auf  chriit- 
licher  Grundlage. 

Abfassungszeit.  1,  30  raptua  est,  ne  in  manua  incideret  Barbarorum:  ntptm 
est,  ne  totitis  orhia  excidia,  mundi  finem,  propinquarum  funera,  eivium  martes,  ne  poitrm 
sanctarum  virginum  atque  viduarum,  quod  omni  morte  aeerbius  est,  cd^upionem  vidmt. 
1,  32  cum  a  viro  nobili  revocareris  Symmacho  tuo  parente,  quod  ardere  beüo  Itdlia  di» 
retutf  quod  in  periculum  tenderes,  quod  in  hostem  ineurreres;  respondisti  hane  ip9n 
tibi  causam  esse  veniendi,  ne  nostro  deesses  periculo,  ut  consortem  te  fraterni  discrimm 
exhiberes.  Darnach  entscheiden  sich  für  das  Jahr  379  Tillemont,  die  Benediktiner.  Ui 
(Studia  Ambros.  p.  37)  und  Goyau,  Chronologie  de  Tempire  romain  z.  J.  379.  Ffir  te 
Jahr  375  trat  Seeck  (Ausg.  des  Symmach.  p.  XLIX)  ein,  und  anf  seine  Seite  stellte  wk 
Rauschen,  Jahrb.  der  christl.  Ejrche  unter  dem  Kaiser  Theodoaius  d.  Gr.,  Freib.  in  9t  |' 
1897,  p.  475.  Den  Entscheid  gibt  1,  32;  der  hier  genannte  Symmachus  ist  mit  dem  Ter  |^l 
fasser  der  Relatio  identisch  und  muss  damals  in  Afrika  gewesen  sein.  Symmachus  vi  1« 
aber  Proconsul  in  Afrika  von  373—374;  7.  September  375  hatte  er  bereits  einen  Nad-I^ 
folger  erhalten.  Die  Rückreise  erfolgte  in  einem  Winter.  Da  Ambrosins  schon  BiscWp 
war,  als  er  die  Rede  schrieb,  muss  die  Rückreise  des  Satyms  im  Winter  374;75  erfo^ls 
sein.  Sein  Tod  ist  im  Martyrologium  Romanum  am  17.  September  verzeichnet;  daa  Jik  ifi 
muss  nach  dem  Gesagten  375  sein,  und  in  den  Septeml^er  dieses  Jahres  fäUt  auch  die 
Abfassung  der  zwei  Dücher.  In  diesem  Jahr  fand  auch  der  Ueberfall  der  Sarmaten  qbI 
Quaden  statt,  auf  den  die  erste  Stelle  hindeutet. 

Zur  Charakteristik.  Im  Eingang  der  zweiten  Rede  (2,2)  sagt  er:  nunc  die  9ty 
timo  ad  sepulcrum  redimus  . . . .  a  fratre  paululum  ad  communem  humani  generis  effkir- 
tationem  iurat  derivare  meutern.  2,  3  unde  jyroposuimus,  solari  nos  communi  usu  nee  durun 
putare,  quidquid  universos  maueret;  et  ideo  mortem  nofi  esse  lugendam:  pritnum,  quia  com- 
munis Sit  et  cunctis  debita;  deinde,  quia  nos  saeculi  huius  absolvat  aerumnis;  postrtm^ 
quia  somni  specie  ubi  ab  istius  mundi  labore  requietum  sit,  vigor  nobis  rivacior  refundatur. 
Eine  Analyse  der  Schrift  bei  Schenkl,  Wien.  Stud.  16  (1895)  p.  40. 

Ausg.  von  Migne  16  Sp.  1289;  Ballerini  5  Sp.  21;  Schenkl,  S.  Ambrosü  d« 
excessu  fratris  lib.  1,  in  den  Ambrosiana,  Mailand  1897,  No.  V. 

Das  Epithaphium  auf  Satyrus.  Anthol.  lat.  vol.  2;  Carm.  lat.  epigr.  ed.  Bae- 
cheler  fasc.  2,  Leipz.  1897,  No.  1421  Uranio  Satyro  supremum  f rater  honorem  \  martern 
ad  faevam  detuUt  Ambrosius.  \  haec  meriti  merceSj  ut  sacri  sanguinis  umor  ]  finitimas  pent- 
frans  adluat  exuvias. 

941.  Die  Trauerrede  auf  Valentinian  11.  Am  15.  Mai  392  wurde 
Valentinian  II.  von  Arbogast  in  Vienne,  wo  dieser  ihn  thatsächlich  gefangen 
hielt,  ermordet.  Dieser  plötzliche  Tod  des  jungen  Kaisers  musst«  Am- 
brosius besonders  nahe  gehen,  denn  er  befand  sich  eben  auf  dem  Wege, 
um  seinem  Schützling  seine  gewaltige  moralische  Hilfe  zukommen  zu  lassen, 
als  ihn  die  Todesnachricht  ereilte  und  er  unverrichteter  Dinge  heimkehren 
musste.  Erst  zwei  Monate  nach  der  Ermordung  ^)  wurde  die  Leiche  Valen- 
tinians  nach  einem  Dekrete  des  Theodosius  zur  ewigen  Ruhe  bestattet 
Diu  Leichenrede  hielt  Ambrosius  und  zwar  in  Gegenwart  zweier  Schwestern 
des  Verblichenen;  es  waren  dies  Justa  und  Grata,  welche  das  Gelübde 
ewiger  Jungfräulichkeit  abgelegt  hatten.  Dem  Redner  war  seine  Sache 
insofern  leicht  gemacht,  als  ihn  die  innigsten  Beziehungen  mit  dem  Ver- 

*j  c.  49  duorum  mensium  curricuUi  in  fraterni  funeris  quotidiano  clausistis  ampIvxH. 


AmlnroBios.    (§942.)  321 

orbenen  verbanden.  Er  konnte  also  aus  dem  Herzen  reden  und  hat  es 
ich  gethan.  Mit  Wärme  schildert  er  die  treffliehen  Eigenschaften  Yalen- 
nians,  der  die  Jahre  der  Jugend,  aber  die  Reife  des  Alters  besass,^)  der 
n  Bittenreines  Leben  ftthrte  ynd  der  selbst  den  Tadel  der  Feinde  zur 
aredlung  seines  Charakters  ausnutzte.')  Schwierigkeiten  macht  dem  Redner 
sr  Umstand,  dass  der  junge  Kaiser  ohne  die  Taufe  aus  dem  Leben  ge- 
Ueden;  allein  er  kommt  auch  über  diese  Schwierigkeit  hinweg,  da  ja 
^8  Verlangen  Yalentinians  nach  der  Taufe  offen  vorlag.  >)  Bibelstellen 
erden  reichlich  eingestreut,  besonders  merkwürdig  ist  die  Verwendung 
9B  hohen  Liedes;  doch  klingt  auch  manche  Reminiscenz  aus  der  heid- 
ifichen  Welt  hindurch.    Mit  einem  Oebet  schliesst  wirkungsvoll  die  Rede. 

Der  Titel.  In  den  meisten  Handschriften  ist  der  Titel:  de  consoUUione  Valentiniani 
Kmt  epUtola  de  consolatiane  Valentiniani, 

AuBg.  von  Migne  16  Sp.  1857;  Ballerini  5  Sp.  91. 

942.  Die  Trauerrede  auf  Theodosius  den  Ghrossen.  Am  17.  Januar 
95  war  der  grosse  Kaiser  Theodosius  aus  dem  Leben  geschieden.  40  Tage 
ftch  dem  Tode  (26.  Februar)  wurde  die  Leiche  zur  Beisetzung  nach  Con- 
Antinopel  überführt;  bei  der  Trauerfeier  hielt  Ambrosius  die  Leichenrede 
Eid  zwar  in  Gegenwart  des  Honorius.  Gewiss  war  wie  bei  Valentinian 
I  auch  bei  Theodosius  Ambrosius  der  geeignete  Trauerredner;  denn  zwi- 
rhen  beiden  grossen  Persönlichkeiten  bestanden  die  innigsten  Beziehungen. 
ie  Rede  nimmt  den  Ausgangspunkt  von  schweren  elementaren  Ereig- 
issen,  welche  auf  den  Tod  des  Theodosius  hindeuteten.  Was  bei  Sueton 
s  regelmässige  Rubrik  in  seinen  Biographien  erschien,  tritt  merkwürdiger- 
eise auch  bei  unserem  Bischof  an  den  Tag.  Den  Kern  der  Bede  bildet 
GttQrlich  ein  Preis  auf  die  Tugenden  des  verstorbenen  Kaisers;  unter  den- 
ilben  ragte  am  meisten  seine  Frömmigkeit  hervor,  und  der  Redner  hat 
Lchts  unterlassen,  dieselbe  ins  hellste  Licht  zu  setzen.  Wirksam  wird 
usgeführt,  dass  Theodosius  von  sich  sagen  konnte:  Ich  habe  geliebt  und 
vrar  den  Herrn.  Dass  dem  frommen  Kaiser  die  ewige  Seligkeit  zu  teil 
rerden  musste,  ergab  sich  als  notwendige  Schlussfolgerung;  auch  dieses 
[oment  hat  Ambrosius  in  seiner  Rede  kräftig  ausgestaltet.  Weitere  Oesichts- 
«inkte  waren  für  ihn  die  Söhne  des  Verstorbenen  und  die  persönlichen 
Beziehungen,  die  den  Redner  mit  Theodosius  verknüpften;  hier  nimmt  die 
iede  den  höchsten  Schwung  an;  sie  streift  auch  einen  der  glänzendsten 
bfolge  des  Redners,  die  öffentliche  Busse  des  Kaisers  nach  dem  von  ihm 
mgeordneten  Blutbad  in  Thessalonich.  Worte  der  hl.  Schrift,  besonders  des 
ilten  Testaments,  streut  der  bibelkundige  Bischof  in  reichem  Masse  ein,  und 
ler  114.  Psalm  vrird  fast  über  Gebühr  ausgenützt.  Auch  diese  Rede  zeigt, 
lass  es  Ambrosius  nicht  möglich  war,  seine  Gedanken  zu  einem  festen  Or- 
ganismus zu  vereinen  und  künstlerisch  zu  formen.  Die  Episode  über  die  Auf- 
Indung  des  Kreuzes  durch  Helena,^)  die  in  gar  keinem  inneren  Zusammen- 
long  zum  Thema  steht,  ist  eine  fast  unbegreifliche  Geschmacklosigkeit. 

AbfasBungszeit  c.  3  eius  ergo  principia  et  proxime  canclamavimus  obitum  et 
\une  quadrageiimam  eelebramus  adiistente  eacris  altaribus  HonoHo  principe,  quia 

^)  c.  8  aeerhant  dolorem  annorum  im-  *)  c.  51. 

naturitas,  et  consiliorum  teneetus.  *)  c.  43. 

«)  c.  15. 

Htndbiich  der  klMi.  AltMiornfwiMenaolult.  Yln,  4.  21 


322  AmbroBiiui.    (§948.) 

8icut  sanetus  Joseph  pairi  auo  Jacob  quadraginta  diebui  humationis  officia  d^Uilil^  ttog 
hie  Theodosio  patri  iwita  peraolvU, 

Ausg.  von  Migne  16  Sp.  1385;  Ballerini  5  Sp.  121. 

943.  Sermo  contra  Auxentinm  de  basilicis  tradendiB.    Die  Bede 
ist  interessant,  weil  sie  uns  in  die  Zeitkämpfe  einen  Blick  werfen  liasL 
Der  Hof  war  bekanntlieh  unter  Justina  und  Valentinian  arianisch  gesiiut 
und  beanspruchte  auch  für  seinen  Kultus  eine  eigene  Kirche.     Da  diont 
das  Nicaenum  nicht  bekämpft  werden  sollte,  war  eigentlich  gegen  dieaei 
Anspruch  des  Hofes  nichts  einzuwenden;  es  war  eben  eine  einfache  F(rw 
derung  der  Religionsfreiheit.    Allein  das  Nicaenum  hatte  schon  im  Yolb 
zu   festen  Boden  sich   errungen,  und  es  war  daher  verkehrt,   in  einen 
Dekret  vom  Januar  386  auf  die  unter  Constantius  zu  stände  gekommem 
Vermittlungsformeln  des  Concils  von  Rimini  (359)   zurückzugreifen,  auf 
Grund  derselben  Gleichberechtigung   zu  verordnen  und  die  dagegen  Hu- 
delnden mit  Leibesstrafe  zu  bedrohen.     Der  furchtlose  0  Ambrosius  setzte  1 
dem  Ansinnen  des  Hofes  passiven  Widerstand  entgegen;')   auch  der  üUr' 
ihn  verhängten  Verbannung  fUgte  er  sich  nicht.     Der  Hof  aber  wagte 
nicht,  gegen  den  von  der  Volksgunst  getragenen  Bischof  entschieden  Y(n^ 
zugehen,  zumal  da  durch  die  Auffindung  der  Reliquien  der  Märtyrer  Ger- 
vasius  und  Protasius,  und  durch  die  sich  daran  schliessenden  Wander 
die  Begeisterung  des  Volkes  für  den   nicaenischen  Glauben   einen  höhet 
Grad   erreicht   hatte.     So  konnte  denn  der  Ausgang   des   Streites  nick 
zweifelhaft  sein;  Ambrosius  musste  Sieger  bleiben,  neben  dem  Staate  mnaste 
eine   zweite   höhere   Macht   anerkannt  werden.')     Eine    Situation   dieses 
Kampfes  führt   uns   die  eben  erwähnte  Rede  vor,   die  angesichts  .der  die 
Kirche  besetzt  haltenden  bewaffneten  Macht*)  an  das  Volk  gerichtet  wurde. 
Der  Bischof  begründet  sein  Verhalten  und  zieht  genau  die  Grenzlinie  zwi- 
schen der  kaiserlichen  und   der  kirchlichen  Macht.     Leidenschaftlich  wird 
der  arianische  Bischof  Auxentius  bekämpft;  er  stammt  aus  Scythien  undl 
hiess  ursprünglich  Merkurinus,   änderte  aber  seinen  Namen   in  Auxentius' 
um,ö)  offenbar  weil  der  Vorgänger  des  Ambrosius  auf  dem  BischofsstuE 
Auxentius,   bei   den  Arianern   noch   in  gutem  Andenken   stand.     Niemak 
hatte   ihn  Ambrosius   als  Bischof  anerkannt,   ferner  eine  Disputation  mit 
ihm   vor  weltlichen   Richtern   abgelehnt.     Auch   diese   Rede    lässt  keineo 
reinen  Genuss  bei  dem  Leser  aufkommen;    neben   vielen  schönen  und  er- 
greifenden Stellen   weist  sie  auch  viele  Spitzfindigkeiten  und  Geschmack- 
losigkeiten auf. 

Ausg.  von  Migne  16  Sp.  1007;    Ballerini  5  Sp.  143. 

Die  zwei  zu  Ehren  des  Gervasius  und  Protasius  gehaltenen  Reden  aid 
einem  Brief  des  Amhrosius  an  seine  Schwester  Marcellina,  in  dem  er  über  die  AafiSndang 
der  Reliquien  dieser  Heiligen  berichtet,  einverleibt;  vgl.  Migne  16  Sp.  1019;  Ballerini 
5  Sp.  157;  Foerster,  Ambrosius  p.  247;  Ihm,  Studia  Ambrosiana  p.  35. 

Unechte  Reden  sind  wahrscheinlich  die  von  de  Corrieris  (1834)  anfgefundena 
Predigten   über  Luk.  12,  33  vendite   omnia   quae  possidetis  et  date   eleemosynam,   welche  ii 

*)  c.  4  ego  iam  didici  non  timere.  *)  c.  10  saepserunt  nempe  armati  basHicni. 

^)  c.  2  adversus   arma,   mUites,   Gothas  ^)  c.  22  ne  cognosceretur  quis  esset^  mh 

quoqtie  lacrimae  meae  arma  sunt.  tavit    sihi   vocabulum;    ut    quia    hie    fuerä 

•)  Ueber  die  Vorgänge  vgl.  Foerster,  Auxentius  episcopus  Arianus,  ad  decipiemdam 

Ambrosius   p.  45;    H.  Richter,   Das   west-  plebem,  quam  ille  tenuerat,  se  vacaret  Auxm- 

röm.  Reich,  Berl.  1865,  p.  611.  tium. 


AmbroBioa.    (§  944.)  323 

«r  Ausg.  Ballerinis  (Bd.  5  Sp.  195)  publiziert  sind,    unecht  ist  auch  der  Traktat  in 
^liiL  4,  4,  veröffentlicht  von  Liberani,  Spicilegium  Liberianum,  Florenz  1863,  p.  3. 

944.  Die  Correspondenz  des  Ambrosius.  Dass  ein  Mann,  der  sich 
o  hervorragend  an  dem  öffentlichen  Leben  beteiligte,  auch  eine  rege 
Korrespondenz  führen  musste,  ist  klar;  und  in  der  That  sind  uns  von 
kLinbrosius  91  Briefe  überliefert,  welche  in  den  Handschriften  in  der  ver- 
cdiiedensten  Weise  aneinander  gereiht  sind.  Die  Benediktiner  haben  daher 
ine  neue  Ordnung  der  Briefe  vorgenommen,  indem  sie  zwei  EJassen  fest- 
etzten,  der  ersten  die  Briefe  zuwiesen,  welche  chronologisch  bestimmbar 
ind,  der  zweiten  die,  bei  denen  dies  nicht  der  Fall  ist.  So  haben  sie 
Ür  die  erste  Klasse  63,  für  die  zweite  28  Briefe  erhalten.  Es  sind  nicht 
klle  Briefe  des  Ambrosius  auf  uns  gekommen;  denn  wir  finden  in  unserer 
ISorrespondenz  Hindeutungen  auf  Briefe,  welche  sich  in  derselben  nicht 
rorfinden. 

Die  Correspondenz  des  Ambrosius  bietet  nicht  viele  eigentliche  Briefe, 
I.  h.  Briefe,  in  denen  ein  vertraulicher  Verkehr  zwischen  zwei  Personen 
>b waltet;  die  meisten  Stücke  der  Sammlung  sind  Abhandlungen,  Predigten, 
Sendschreiben,  Instruktionen,  welche  nur  durch  die  Adresse  die  Form  des 
Briefes  erhalten.  Sie  haben  daher  nichts  gemein  mit  den  Briefen  des 
Symmachus,  die  lediglich  in  zierlichen  Phrasen  sich  ergehen,  ohne  einen 
greifbaren  Inhalt  zu  geben.  Sie  sind  für  die  Zeitgeschichte  von  der  grössten 
Wichtigkeit;  unter  ihnen  ragen  die  Briefe  an  die  Kaiser  mächtig  hervor. 
Die  berühmte  Relatio  des  Symmachus,  das  kaiserliche  Edikt  gegen  die 
Zerstörer  der  Synagoge  in  Kallinikum,  das  grausame  kaiserliche  Urteil 
gegen  die  Unruhestifter  in  Thessalonich  waren  Themata,  welche  neben 
grosser  Festigkeit  auch  unendliche  Klugheit  und  feinen  Takt  des  Brief- 
Bchreibers  erforderten. 

Wer  eine  Charakteristik  des  grossen  Bischofs  sich  verschaffen  will, 
muss  vor  allem  diese  Correspondenz  in  die  Hand  nehmen.  Feste  Glau- 
benstreue, unbeugsamer  Mut,  grosser  Weitblick,  praktische  Klugheit  sind 
die  Eigenschaften,  die  uns  am  wirksamsten  entgegentreten. 

üeber  den  Brie fy erkehr  vgl.  epist.  47,  4  quarum  (epUtolarum)  eiusmodi  usu$ 
ni,  ut  disiuneti  loeorum  intervaUia  affectu  adhciereamus,  in  ^ibus  inter  absentea  imago 
r^fulget  praesentiae,  coUoctUio  scripta  separaioa  copulat,  in  quibus  etiam  cum  amico  tniscemus 
onimum,  et  mentem  ei  nostram  infundimus. 

üeber  die  Zeit  der  Briefe,  soweit  sie  sich  feststellen  lässt,  handelten  umsichtig 
die  Benediktiner  (Migne  16  Sp.  851).  Einer  sorgfältigen  Reyision  wurden  die  Ergebnisse 
von  Ihm  (Studia  Ambrosiana  p.  38)  unterzogen;  vgl.  dessen  chronologische  Tafel  p.  58, 
welche  Briefe  für  die  Jahre  379—396  aufweist.  Ueber  die  Zeit  der  Briefe  40  und  41,  welche 
in  Sachen  der  Synagoge  in  Kallinikum  geschrieben  wurden  (Ende  388),  und  den  Ort  der 
Abfassung  (Mailand)  vgl.  G.  Rauschen,  Jahrb.  der  christl.  Kirche  unter  dem  Kaiser  Theo- 
dosius  d.  Gr.,  Freib.  i.  Br.  1897,  p.  532.  Ueber  die  Abfassungszeit  einer  Gruppe  von  Briefen 
gibt  kritische  Bemerkungen  Rauschen  ebenda  p.  272. 

Unechte  Briefe.  Die  Benediktiner  haben  f&nf  Briefe  ausgeschieden  und  vier  in 
der  Appendix  (Migne  17  Sp.  735;  vgl.  auch  Ballerini  6  Sp.  533)  gegeben,  zugleich  ver- 
ständige Bemerkungen  Ober  deren  Unechtheit  vorausgeschickt.  Auf  zwei  dieser  Briefe  be- 
sieht sich  die  Abhandlung  von  F.  Savio,  Due  lottere  falsamente  attribuite  a  s.  Ambrpgio 
(Naovo  Bullettino  di  archeol.  crist.  3  (1897)  p.  153),  nämlich  auf  No.  8  Aber  die  Heiligen 
Vitalis  und  Agricola  (17  Sp.  747  Migne)  und  auf  No.  2  Ober  Gervasius  und  Protasius  (Sp.  742  SL). 
üeber  No.  3  geht  der  Verfasser  kurz  hinweg,  da  die  Unechtheit  des  Briefes  and  seine  '  ~ 
hingigkeit  von  der  Schrift  des  Ambrosius  Exhortatio  virginitatis  feststehe.  Um  so  aof 
licher  handelt  er  von  No.  2;  er  hält  einen  Ravennaten  fOr  den  Verfasser  des  Briefes  (p* 
Ueber  die  Zeit  des  Briefes,  die  nicht  später  als  das  6.  Jahrhundert  anzosetsen 

21* 


324  Ambrosia»,    (f  945.) 

5.  161.    üeber  die  Zateilnng  der  ^efe  an  denselben  YerfaasMr  v^.  p.  169.    Aber  tni 
as  von  den  Benediktinern  gegebene  echte  GorpnB  blieb  von  Anfeohtangen  nicht  Terschoit    i 
Ganz  mit  Unrecht  wollte  Langen  (Qeech.  der  rOm.  Kirche  1  ^1881)  p.  510  Ann^.  1;  p.  5tt   I 
Anm.  2)  nach  dem  Vorgang  des  Jesuiten  Ghifflet  die  Schreiben  des  Ambrosias  10—14,   j 
welche  sich  auf  das  Goncil  von  Aqoileia  881  beziehen,  verdftehtigen;  vgl  die  bündige  Wider- 
legung Rauschens  1.  c.  p.  481;  siehe  noch  Ihm,  Stndia  Ambros.  p.  41. 
Ausg.  von  Migne  16  Sp.  875;  Ballerini  5  Sp.  B19. 

e)  Schriften,  welche  irrtümlich  dem  Ambrosins  zugeteilt  wurden. 

945.  Der  sog.  Ambrosiaster.  Es  ist  uns  ein  Gommentar  zu  den 
13  paulinischen  Briefen  erhalten,  welcher  von  jeher  die  Aufmerksamkeit 
auf  sich  zog.  Der  Gommentar  ist  ein  bedeutendes  Werk,  das  eine  Fülle 
interessanter  Thatsachen  und  Notizen  darbietet  Sachkundige  Beurteiler 
behaupten  sogar,  dass  wir-  vor  dem  16.  Jahrhundert  kein  exegetisches  Werk 
über  die  Paulusbriefe  besitzen,  das  sich  mit  dem  in  Frage  stehenden 
vergleichen  könnte.  Seit  dem  neunten  Jahrhundert  wurde  der  Gommentar  l 
mit  Ambrosius  in  Verbindung  gebracht;  allein  zur  Zeit  des  Wiederauflebens 
der  Wissenschaften  erkannten  die  Gelehrten,  dass  Ambrosius  der  Verfasser 
nicht  sein  könne,  und  nannten  ihn  Ambrosiaster,  was  hier  gleichbedeutend 
mit  Pseudo-Ambrosius  ist.  üeber  die  Zeit  seines  Werks  hat  zum  Glück 
der  Verfasser  die  Leser  nicht  im  Dunkel  gelassen;  er  schrieb  nicht  lange 
nach  Julian  unter  dem  Papst  Damasus,  der  von  366—384  regierte,  üeber  ( 
die  Persönlichkeit  des  Verfassers  wollte  jedoch  lange  Zeit  sich  kein  sicherer  I 
Anhaltspunkt  ergeben,  und  die  verschiedenen  Hypothesen,  die  in  dieser 
Hinsicht  aufgestellt  wurden,  brachen  bei  näherer  Prüfung  zusammen,  in 
neuerer  Zeit  jedoch  wurde  das  Problem  allem  Anschein  nach  einer  befriedi- 
genderen Lösung  entgegengeführt;  es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass  der 
Gommentar  von  dem  Juden  Isaak  herrührt.  Dieser  war  zum  Christentum 
übergetreten  und  beteiligte  sich  nach  seinem  üebertritt  in  hervorragender 
Weise  an  dem  Kampf,  den  ürsinus  gegen  Damasus  um  den  päpstlichen 
Stuhl  führte.  Im  Jahre  372  leitete  er  eine  gerichtliche  Klage  gegen  Da- 
masus ein,  die  aber  ungünstig  für  den  Kläger  ausfiel  und  seine  Verbannung 
nach  Spanien  zur  Folge  hatte.  Diese  schlimmen  Erfahrungen  mochten  dem 
ränkesüchtigen  Juden  das  Christentum  verleidet  haben;  er  kehrte  wieder 
zur  Synagoge  zurück.  Im  Jahre  378  sprachen  die  zu  einem  Concil  ver^ 
sammelten  Väter  in  einem  Briefe  an  die  Kaiser  von  seinem  Rücktritt  zum 
Judentum,  und  es  liegt  kein  Grund  vor,  diese  Angabe  in  Zweifel  zu 
ziehen.  Dass  die  christlichen  Schriftsteller  von  diesem  Juden  nicht  gern 
redeten,  ist  begreiflich;  Hieronymus  schweigt  über  ihn  in  seinem  Buche 
über  die  kirchlichen  Schriftsteller.  Als  er  von  einem  Vortrage  Isaaks 
in  Rom  berichtete,  brachte  er  es  auch  nicht  übers  Herz,  dessen  Namen 
zu  nennen.  Bei  dieser  Verhasstheit  des  Juden  ist  es  als  ein  Wunder  zu 
betrachten,  dass  sieh  eine  Schrift  unter  seinem  Namen  auf  die  Nachwelt 
gerettet  hat;  es  ist  ein  von  Sirmond  herausgegebener  Traktat  über  die 
Trinität  und  die  Incarnation,  vielleicht  nur  ein  Bruchstück  einer  grösseren 
Schrift.  Damit  hatte  man  eine  Basis  gewonnen,  um  andere  Schriften 
Isaaks,  die  sich  etwa  nur  anonym  oder  unter  fremden  Namen  erhalten 
haben,  aufzuspüren.  Der  erste  Versuch  in  dieser  Art  war  die  Zuteilung 
eines  Glaubensbekenntnisses,   das  aber  mehr  einen  trinitarischen  Trakti^t 


Ambrosins.    (§945.)  325 

)  darstellt,  an  Isaak;  das  Schriftstück  war  vielleicht  ein  Teil  des  genannten 
'  dogmatischen  Werks.  Viel  wichtiger  war  es  aber,  dass  ein  Vergleich  des 
\  Ambrosiaster  und  der  von  demselben  Verfasser  herrührenden  Quaestiones 
veteris  et  novi  Testamenti,  die  irrtümlich  unter  Augustins  Werke  geraten 
waren,  mit  den  unter  Isaaks  Namen  erhaltenen  Schriften  so  viele  Aehn- 
lichkeiten  darbot,  dass  man  den  Commentar  zu  den  paulinischen  Briefen 
und  die  Quaestiones  unserem  Isaak  zuteilen  konnte.  Für  die  Geschichte 
des  Ambrosiaster  ist  es  von  Interesse,  dass  Augustin  denselben  unter  dem 
Namen  des  hl.  Hilarius  kannte,  und  dass  Hieronymus,  als  er  seine  Er- 
klärung des  Galaterbriefs  schrieb,  den  Commentar  totschwieg.  Neuerdings 
hat  man  auch  ein  Stück  der  coUectio  Avellana,  das  eine  Anklage  gegen 
Damasus  enthält,  als  ein  Produkt  Isaaks  erklärt.  Man  sieht,  die  Oestalt 
Isaaks  nimmt  in  der  Litteraturgeschichte  festere  Umrisse  an. 

Zeit  des  Commentars.  In  1  Timoth.  3,  14  tU  cum  totus  mundus  Dei  sU,  ecclesia 
tarnen  domus  eius  dieatur,  cuius  hadie  rector  est  Damasus,  Wir  haben  keinen  Grund,  die 
letiten  Worte  als  eine  Interpolation  anzusehen.  In  2  Thess.  2,  7  usque  ad  Dioeletianum, 
H  navissime  Julianum,  qui  arte  quadam  et  subtilitate  eoeptam  perseeutionem  implere  non 
pciuU,  quia  desuper  eoncessum  mm  fuerat.  Aus  diesen  Stellen  ergibt  sich,  dass  der  Am- 
VroBiaster  Zeitgenosse  des  Damasus  (866—384)  war. 

Abfassungsort  der  Quaestiones.  Die  Art  und  Weise,  wie  die  kirchlichen  Ver- 
hältnisse besprochen  werden,  deuten  mit  Entschiedenheit  auf  Rom  hin.  Quaest.  115  (35 
Sp.  2849  Migne)  hie  in  urbe  Roma  et  finibua  eiu8,  quae  aacratisHma  appellatur.  Entgegen- 
stehende Bemerkungen  der  Benediktiner  beseitigt  Morin,  L' Ambrosiaster  p.  99. 

Abfassungszeit  der  Quaestiones.  Quaest.  44  (Sp.  2243  M.)  rechnet  der  Ver- 
fasser von  der  Zerstörung  Jerusiilems  bis  auf  die  Zeit,  wo  er  schrieb,  ca.  300  Jahre;  also 
ist  die  Schrift  um  870  entstanden.  Quaest.  115  (Sp.  2853  M.)  quid  dicamus  esse  de  Pan- 
MOfiMi,  quae  sie  erasa  est,  ut  remedium  habere  non  possit?  Die  Worte  werden  auf  die 
Ereignisse  des  Jahres  374  bezogen.  Die  Quaestiones  fallen  also  in  dieselbe  Zeit  wie  der 
Commentar. 

Das  Verhältnis  des  Commentars  und  der  Quaestiones.  Der  Verfasser  der 
beiden  Schriften  wird  wegen  der  üebereinstimmung  von  Gedanken  und  Worten  als  iden- 
tisch erachtet;  vgl.  Migne  35  Sp.  2207  und  Langen  in  dem  Bonner  Programm  1880.  In 
neuester  Zeit  hat  Marold  (Der  Ambrosiaster  nach  Inhalt  und  Ursprung  p.  441)  zu  erweisen 
gesucht,  dass  die  Verfasser  der  beiden  Schriften  verschieden  seien.  Allein  seine  Argumente 
sind  nicht  Überzeugend,  wie  Morin  (L' Ambrosiaster  p.  98  Anm.  8)  unter  Zustimmung  Zahns 
(Der  Ambrosiaster  und  der  Proselyt  Isaak  p.  317)  gezeigt  hat. 

Der  Autor  des  Commentars  (und  der  Quaestiones).  Die  Frage  nach  dem 
Autor  .bildet  ein  viel  besprochenes  Problem  der  historischen  Theologie.  Für  die  Verbindung 
des  Commentars  mit  Ambrosius,  die  seit  dem  9.  Jahrhundert  eintrat,  war  vielleicht  die 
Stelle  Cassiodors  de  inst.  div.  litt.  c.  8  (70  Sp.  1120  Migne)  dicitur  etiam  et  beatum  Am- 
hrosium  sulmotatum  eodicem  epistolarum  omnium  säncti  Pauli  reliquisse  suavissima  ex- 
positione  eompletum,  quem  tamen  adhuc  invenire  non  potuL  sed  diUgenti  cura  perquiro 
von  Einfluss.  An  der  Autorschaft  des  Ambrosius  hftlt  noch  ballerini,  Ausg.  des  Ambro- 
sius 3  Sp.  851  fest;  allein  gegen  Ambrosius  spricht  alles,  so  dass  seine  Autorschaft  als 
sbgethan  erachtet  werden  kann.  Gegen  die  Autorschaft  des  Hilarius  von  Poitiers  spricht 
schon  die  Erklftrungsweise  des  Ambrosiaster,  die  sich  von  der  typischen  fernhält;  vgl. 
Marold,  Ambrosiaster  p.  456.  Dass  Augustin  (vgl.  oben  p.  261)  den  Commentar  unter  dem 
Namen  des  sanctus  Hilarius  las,  beweist  nur,  dass  die  Arbeit  des  verhassten  Judenchristen 
mit  diesem  Namen  versehen  wurde,  um  ihr  Eingang  in  die  christlichen  Kreise  Afrikas  zu 
▼erschaffen.  Auch  auf  Hilarius  diaconus  riet  man.  Langen  hatte  in  dem  Bonner  Progr. 
1880  und  auszugsweise  in  seinem  Werke,  Qesch.  der  röm.  Kirche,  die  Hypothese  zu  be- 
gründen gesucht,  dass  der  Luciferianer  Faustinus  (§  908)  der  Verfasser  sei.  Mit  Recht 
hat  diese  Hjrpothese  Marold  (p.  462)  zurückgewiesen.  1899  hat  Morin  (L' Ambrosiaster 
et  le  juif  converti  Isaac)  die  Ajosicht  entwickelt,  dass  der  aus  den  Händeln  mit  Damasus 
bekannte  Jude  Isaak  der  Verfasser  unseres  Commentars  sei.  Seine  Begründung  ist  sehr 
einnehmend  und  hat  Zustimmung  bei  Zahn  p.  314  und  Burn,  The  Ambrosiaster  and  Isaac 
the  converted  Jew  u.  a.  geAmden.  (Die  Einwände  Zimmers,  Pelagius  von  Irland,  Berl. 
1901,  p.  120  Anm.,  sind  belanglos.)  Merkwürdigerweise  hat  Morin  1903  seine  Hypothese 
aufgegeben  und  ohne  durchschlagende  Grttnde  den  Staatsmann  Decimius  Hilarianus  Hilarius 
(vgl.  CIL  8,  1219)  ab  Verfasser  hingestellt;  vgl.  Nachtrag. 


326  Ambrosins.    (§  945.) 

Biographisches  über  Isaak.  In  einem  Schreiben  an  Ghratian  nnd  YalentimaB  H^ 
das  die  in  einem  Concil  von  878  versammelten  Kirchenväter  erliessen,  heiast  es  (Manii, 
Sacrorom  concüiorum  nova  et  amplissima  collectio  3  (Florenz  n.  Venedig  1759)  p.  626}:  Sie 
factio  profecit  Ursini,  ut  Isaae  Judtieo  subortuUo,  qui  facto  ad  aynagogam  recunu  cot- 
Ustia  mysteria  profanavit,  saneti  fratris  nostri  Damasi  peteretur  eaput,  sanguU  imwem- 
tium  funderetur,  eomponereniur  doli,  quibus  ditfino  plane  ingtinetu  Providentia  ttttrat 
pietatis  occurrit,  spoHaretur  prope  eeclesia  omnibus  ministeriis.  Der  Prozees  fand  uci 
Wittig,  Papst  Damasus  I.  Qaellenkrit  Stnd.  zu  seiner  G^ch.  nnd  Charakteristik  (RBb. 
Qnartalschr.  Supplementheft  14  (1902)  p.  24)  im  Jahre  372  statt  Er  hatte  einen  ftr  Da- 
masus günstigen  und  für  Isaak  ungünstigen  Ausgang;  denn  es  heiast  in  dem  Briefe  weiter: 
Vestrae  iudicio  tranquillitati»  pr^>ata  est  innoceniia  memorati  fratris  nostri  Damasi,  iV 
tegrUas  praedicata  est,  Isaac  quoque  ipse,  tibi  ea  quae  detuUt  probare  tum  poiuU  (Papt- 
buch  ed.  Duchesne  1  p.  212),  meritorum  suorum  sortem  tulit.  Dieses  Schicksal  beatead 
in  der  Verbannung;  denn  in  dem  Antwortschreiben  der  Kaiser  Oratian  und  Valentimaa 
(GoUectio  Avellana  No.  13;  1  p.  55  Günther)  heiast  es:  Ursinum  quidem  OaUia  cohercet 
et,  ne  motus  aliquos  inquietos  exerceat,  cohibet  Ägrippina  secessio  (vgl.  Witt  ig  p.  23)  — 
Hisacem  (Sirmond:  Isacem)  remotus  Hispaniae  angulus  tiiulo  damnatianis  inelusU,  nm 
bene  capiti  consulturum,  si  quid  turbarum  vesanus  agitaverit. 

Hieronymus  und  Isaak.  Hieronvm.  zu  Tit  3,  9  (7  Sp.  735  Vall.)  audim  ego  (etwi  . 
363—365;  vgl.  Schoene,  Die  Weltchronik  des  Eusebius,  Berl.  1900,  p.  236)  quemdam  4i  1 
Hebraeis,  qui  se  Romae  in  Christum  credidisse  simulabat,  de  geneodogiis  domini  nastri  Jen 
Christi f  quae  scripta  sunt  in  Matthaeo  et  Luca,  facere  quaestionem,  quod  pidelicet  a  Sahmone 
usque  ad  Joseph  nee  numero  sibi  nee  vocabuhrum  aequalitate  eonsentiant.  Qui  cum  cordü 
simplicium  pervertisset,  quasi  ex  adytis  et  oraculo  deferebat  quasdam,  ut  sibi  videbatur^ 
solutiones,  cum  magis  debuerit  iustitiam  et  misericordiam  et  dilectionem  dei  quaerere  et  poä 
Uta,  si  forte  occurrisset,  de  nominibus  et  numeris  disputare  (vgl.  Quaest  56).  Saiis  forsiUn 
de  Hebraeorum  superciUo  et  plus  quam  neeesse  fuerit  dixerimus;  sed  occasio  ncbis  data  est,  { 
de  genealogiis  et  contentione  et  rixis,  quae  ex  lege  veniunt,  disserendi.  Mit  Recht  bezidit 
Zahn  (Der  Ambrosiaster  und  der  Proselyt  Isaak  p.  315)  diese  Stelle  auf  den  Juden  Isaak. 
Ueber  das  Verhältnis  des  Hieronymus  zu  Isaak  gibt  auch  Aufechluss  die  heftige  Polemik 
gegen  die  Benutzung  griechischer  Codices  bei  der  Bibelübersetzung,  welche  wir  zn  B5m. 
5,  14  (Sp.  96  Migne)  lesen  und  welche  schon  Semler  in  Simons  Krit.  Sehr,  über  das 
neue  Testament  3  p.  XXXVIl  als  direkt  gegen  Hieronymus  gerichtet  glaubt.  Bei  diesem 
gespannten  Verhältnis  zwischen  Isaak  und  Hieronymus  finden  wir  es  begreiflich,  dass 
Hieronymus  den  Isaak  in  seinem  Buch  de  vir.  ill.  überging  und  dass  er  den  Coramentar 
des  Isaak  ignorierte,  wenn  er  in  der  Vorrede  zum  Commentar  des  Galaterbriefs  schrieb: 
aggrediar  opus  intentatum  ante  me  linguae  nosfrae  scriptoribus. 

Die  übrigen  Schriften  Isaaks  sind:  1.  Liber  fidei  de  sancta  trinitate  et 
de  incarnatione  Domini  (Migne,  Patrol.  gr.  33  Sp.  1541).  Gennadius  de  vir.  ill.  26 
Isaac  scripsit  De  sancta  Trinitate  et  De  incarnatione  Domini  librum  obscurissimae 
disputationis  et  involuti  sermonis  confirmans  ita  in  una  deitate  tres  esse  personas,  ut  tarnen 
Sit  in  singulis  aliquid  proprium,  quod  non  habeat  alia,  Patrem  scilicet  hoc  habere  proprium, 
quod  ipse  sine  origine  origo  sit  aliorum,  Filium  hoc  habere  proprium,  quod  genitus  genitort 
non  sit  posterior,  Spiritum  sanctum  hoc  habere  proprium,  quod  nee  factus  nee  genitus  et 
tarnen  sit  ex  altero.  De  incarnatione  vero  Domini  ita  scripsit,  ut  manentibtis  in  ea  duabu» 
naturis  una  credatur  Filii  Dei  persona.  Dieses  von  Gennadius  charakterisierte  Werk  ist 
uns  erhalten  und  von  Sirmond  1630  publiziert  worden.  In  der  Handschrift  Parisinus  lat 
1564  s.  VIII/IX  (vgl.  Maassen,  Gesch.  der  Quellen  und  der  Litt,  des  canonischen  Rechts 
1  (Graz  1870)  p.  604)  wird  der  Traktat  eingeführt  durch  die  Worte:  Ineipit  fides  Isaiisex 
Judaeo,  wofür  zu  lesen  ist  Isacis  ex  Judaeo.  Vielleicht  ist  das  Werk  nicht  voUst&ndig  über- 
liefert. 2.  Expositio  fidei  catholicae.  Caspari,  Kirchenhistorische  Anecdota  1  (Chri- 
stiania  1888)  p.  304  hat  aus  einem  aus  Bobbio  stammenden  cod.  Ambrosianas  I.  101  Sup. 
s.  VIII  eine  Expositio  fidei  catholicae  veröffentlicht,  die  aber  mehr  den  Charakter  eines 
antiarianischen  Traktats  hat.  Am  Schluss  ist  die  Expositio  verstünunelt.  Am  eil i  legt 
diese  Expositio  dem  Juden  Isaak  bei.  Aber  Morin  (L* Ambrosiaster  p.  101)  hegt  trotz  aller 
Aehnlichkeit  noch  Zweifel;  doch  vgl.  Zahn  p.  316.  3.  Quae  gesta  sunt  inter  Liberium 
et  Felicem  episcopos  (Collectio  Avellana  No.  1;  1  p.  1  Günther).  Die  Schrift  ist  eine 
Anklage  gegen  den  Papst  Damasus  in  den  Streitigkeiten  mit  Ursin.  üeber  den  dem  In- 
halt nicht  entsprechenden  Titel  vgl.  Wittig  p.  67.  Als  Verfasser  dieser  Schrift  sieht  Wittig 
(p.  71)  den  Juden  Isaak  an.  Auch  diese  Hypothese  fordert  noch,  besonders  nach  der  sprach- 
lichen Seite  hin,  eine  Nachprüfung. 

Die  Uoberlieferung.  Ueber  die  Verbindung  eines  Teils  des  Commentars  mit  einer 
Uebersetzung  eines  Commentars  zu  paulinischen  Briefen  von  Theodor  von  Mopsuestia  vgl. 
oben   §  899.     Ueber   den    cod.  Cassinensis   s.  VI   des   Commentars   vgl.   Reifferscheid, 


▲mbrosius.    (§  946.)  327 

i"  SÜBiiiigaber.  der  Wiener  Akad.  71  (1872)  p.  148  und  Ballerini,  Ausg.  des  Ambrosiaa  3 
\  8p.  868.  Ueber  die  zweifache  üeberlieferong  der  Qnaestiones  vgl.  Langen,  Progr.  p.  9. 
A  Ausg.  Yon  Migne  17  Sp.  45;  Ballerini  3  Sp.  373. 

^     ^    ^    Litteratnr.    Arnold,  Realencycl.  fttr  proiest  Theol.  1*  p.  441;   W.  P.  Dickson, 

>  Dietionar^  of  Christian  Biography  von  Smith  und  Wace  1  p.  89;  Langen,  De  common- 
3^  ivioTiim  in  epistolas  Panlinas  qui  Ambrosii  et  Quaestionum  biblicamm  quae  Aagostini  no- 
ai^adne  ferontor  scriptore,  Bonn  1880;  Gesch.  der  rOm.  Kirche  1  (1881)  p.  599;  Marold,  Der 
^i)  Ambroeiaster  nach  Inhalt  und  Ursprung  (Zeitschr.  fttr  wiss.  Theol.  27  (1884)  p.  415);  G.  Morin, 
»;  L'Ambrosiaster  et  le  juif  converti  Isaac  contemporain  du  pape  Damase  (Revue  d'histoire 
■»  it  de  littöratnre  religieuses  4  (1899)  p.  97);  Th.  Zahn,  Der  Ambrosiaster  und  der  Proselyt 
k,t  Inak  (Theol.  Litteraturblatt  1899  No.  27  p.  313);  A.  E.  Burn,  The  Ambrosiaster  and  Isaac 
!^  tiie  converted  Jew  (The  Expositor  Ser.  5  (1899)  p.  368);  A.  Souter,  The  genuine  prologue 
^  io  Ambrosiaster  on  2  Corintbians  (Joum.  of  Theol.  Stud.  1902  p.  89);  Morin,  Hilarius  TAm- 
w  broeiaster  (Revue  B^n^dictine  1903  p.  113). 

946.  Mosaicarum  et  Bomanamm  legum  collatio.  Als  die  Christen 
'  anfingen,  auch  der  weltlichen  Litteratur  ihren  Blick  zuzuwenden,  mussten 
ft^  sie  auf  Stellen  stossen,  welche  christliche  Gedanken  und  Anschauungen 
*i  enthielten.  Man  durfte  nicht  ruhig  an  denselben  vorübergehen;  denn  sie 
l'  konnten  leicht  von  den  Anhängern  des  Heidentums  zu  ihren  Gunsten  aus- 
h  gespielt  werden;  sie  forderten   daher  eine  Erklärung.     Am  besten  kam 

*  man  über  diese  Concordanz  hinweg,  wenn  man  zeigte,   dass  die  christ- 

*  liehen  Anschauungen  bei  weitem  älter  seien  als  die  entsprechenden  pro- 
«  fimen.  Das  neue  Testament  eignete  sich  meistens  nicht  hierzu,  da  es 
^  jünger  war  als  die  klassischen  Autoren;  dagegen  bot  das  alte  Testament 
l  die  wirksamste  Waffe  dar,  um  die  christlichen  Wahrheiten  als  die  älteren 

>  erscheinen  und  nebenbei  durchblicken  zu  lassen,  dass  am  Ende  die  Heiden 
'  mittelbar  aus  dem  alten  Testament  schöpften.  Sehr  belehrend  ist  in 
l  dieser  Beziehung  Ambrosius  in  seiner  Schrift  de  officiis,  wo  er  bei  den 
f  verschiedensten  Gelegenheiten  ciceronische  Sätze  im  alten  Testament  aus- 
'  geprägt  finden  will.  Auf  den  Gedanken,  dass  die  Weisheit  der  römi- 
^  sehen  Welt  schon  im  alten  Testament  stecke,  geht  auch  die  Schrift  aus, 
:  welche  gewöhnlich  als  Mosaicarum  et  Romanarum  legum  collatio  bezeichnet 
'  wird,  und  zwar  greift  der  Autor  die  Seite  des  geistigen  Lebens  auf,  in 
,   der  die  Römer  unstreitig  die  grössten  Erfolge  errungen  hatten,  das  Recht. 

Es  musste  ein  ungeheuerer  Triumph  für  die  christliche  Sache  werden, 
'  wenn  für  Sätze  ihrer  berühmten  Rechtslehrer  ähnlich  lautende  des  alten 
Testamentes  angeführt  werden  konnten.  Der  Autor  geht  in  der  Weise 
zu  Werke,  dass  er  in  16  Titeln  ebenso  viele  Rechtsmaterien  behandelt;  die 
meisten  sind  strafrechtlicher  Natur.  ^)  Er  führt  zuerst  die  beweisende 
Stelle  aus  dem  Pentateuch  an  und  zwar  in  einer  von  der  Uebersetzung 
des  Hieronymus  abweichenden  Gestalt;')  auf  sie  lässt  er  dann  die  ent- 
sprechenden Sätze  aus  den  Schriften  der  römischen  Juristen  oder  aus  den 
kaiserlichen  Constitutionen  folgen.  Zwischenbemerkungen  enthält  sich  der 
Aator  fast  ganz;  er  mochte  glauben,  dass  die  einfache  Gegenüberstellung 
schon  eine  beredte  Sprache  rede.  Nur  einmal  ruft  er  höhnisch  den  Ju- 
risten zu,  sie  sollten  jetzt  einsehen,  dass  das,  was  die  12  Tafeln  in  Bezug 
auf  Diebe  festsetzten,  schon  im  alten  Testament  stehe  und  daher  Moses 
die  Priorität  gebühre.    Damit   hat  der  Autor  zugleich   den  Zweck 


^)  Der  letzte  Titel  handelt  de  legitima  saccessione. 
>)  Vgl.  Mommsen  p.  130. 


b 


328  Ambrosia«.    (|  946.) 

Sammlung,  die  wohl  nicht  vollständig  auf  uns  gekommen  ist,  deutlich  g«. 
kennzeichnet.  Was  die  Zeit  der  Sammlung  anlangt,  so  kommen  wir  hOcht  |^ 
wahrscheinlich  in  das  Ende  des  Jahres  394  oder  in  den  Anfang  des  Jahni 
395.  Ueber  die  Person  des  Zusammenstellers  haben  wir  keine  ZeugnisM 
und  sind  auf  Vermutungen  angewiesen.  Allein  die  bisher  vorgebrachte 
erweisen  sich  nicht  als  haltbar;  weder  ein  Jurist  Licinius  Rufinus  nod 
der  Gegner  des  Hieronymus,  Rufinus,  noch  Hieronymus  lassen  sich  duid 
irgend  ein  festes  Zeugnis  stützen.  Für  Ambrosius  als  Verfasser  ktm 
zwar  ein  spätes  Zeugnis  ins  Feld  geführt  werden,  aber  dasselbe  ist  m 
und  für  sich  unwahrscheinlich,  und  sonstige  Belege  wollen  sich  nicht  iilr 
Ambrosius  auffinden  lassen.  Die  Autorschaftsfrage  muss  daher  vorlänlig 
als  ungelöst  angesehen  werden.  In  der  profanen  juristischen  Litteratnr 
hat  die  Sammlung  keine  Beachtung  gefunden;  im  kirchlichen  Rechtsleben 
des  Mittelalters  dagegen  fand  sie  ihre  Stelle. 

Titel.  Im  Berolinensis  ist  das  Werk  betitelt:  Lex  äei  quam  deuB  preeepk  m 
Moysen'j  im  Vercellensis  und  Vindob.:  Lex  dei  quod  precepit  (Yindob.:  preeoepit)  d<mi%m 
ad  Moysen;  vgl.  Mommsen,  Ausg.  p.  118.  Fflr  diesen  nicht  recht  passenden  Titel  iit 
die  Bezeichimng  Mosaicanim  ot  Romanarum  legum  collatio  üblich  geworden,  welche  nem 
von  L.  Charondas  in  der  Vorrede  zu  seiner  Ausg.  der  Digesten  (1572)  aufgebracht  mk 
von  Stephan  US  und  Guiacius  ttbemommen  wurde;  vgl.  Jörs  Sp.  367. 

Der  Zweck  der  collatio  ist  von  dem  Verfasser  auf  das  deutlichste  durch  dii 
Worte  (7, 1, 1)  scitote,  iuris  cansuUi  u.s.  w.  (vgl.  den  Absatz  „Eigene  Bemerkungen*)  gekon- 
zeichnet.  Schon  bei  Tertullian  (Apol.  45)  findet  sich  dieser  Gedanke:  seiatis  ipsa»  fiyn 
veatras,  quae  videntur  ad  innocentiam  pergere,  de  divina  J^e  ut  antiquiert  forma  mutuatv 
esse.  Praktische  Zwecke  für  die  Rechtsprechung  hat  der  Verfasser  nicht  verfolgt,  und  wir 
vermögen  daher  nicht  zuzustimmen,  wenn  Dirksen  (p.  125)  als  Plan  der  Sammluog  liii- 
stellt,  zu  zeigen,  „dass  die  christlichen  Einwohner  des  rOmischen  Reiches  nicht  ausscUi«!- 
lich  nach  den  geltenden  weltlichen  Rechten,  gleichviel  ob  heidnischen  oder  christlicbci 
Ursprungs,  in  juristischen  Verhältnissen  zu  beurteilen  seien,  sondern  dass  auch  dem  gött- 
lichen Recht  eine  selbständige  Geltung  und  Anwendung  abseiten  der  weltlichen  Gerichts- 
barkeit vindiciert  werden  müsse."  Ebensowenig  können  wir  Earlowa  beistimmen,  wenn« 
(p.  969)  sagt,  Plan  der  collatio  sei,  zu  zeigen,  „dass  gegen  die  Geltung  des  in  der  vorcos- 
stantinischen  Zeit  entstandenen  ius  vom  christlichen  Standpunkt  nichts  einzuwenden  sei,  6 
dasselbe  mit  den  vom  Christentum  anerkannten  mosaischen  Satzungen  übereinstimme  und,  wo 
es  etwa  denselben  nicht  völlig  entspreche,  durch  die  novellae  constitutiones  abgeändeit  sei' 

UnVollständigkeit  der  Sammlung.  Da  bei  Hinkmar  von  Rheinis  (opera  ed 
Sinnend,  vol.  1  p.  627;  vgl.  Savigny,  Gesch.  des  röm.  Rechts  im  Mittelalter  2-  p.  2^2; 
Duemmler,  Gesch.  des  ostfränk.  Reichs  1  p.  457)  unsere  Sammlung  sicut  in  primo  Ubr« 
legis  liomanae  etc.  citiert  wird,  muss  dieselbe  aus  mehreren  Büchern  bestanden  haben  and 
daher  unvollständig  sein. 

Eigene  Bemerkungen  des  Autors.  5,  3,  1  hoc  quidem  iuris  ent:  tnentem  tarnen 
legis  Moifsi  imperaioris  Theodosii  constifuiio  ad  plenum  secuta  cognoscUur.  6,  7,  1  idtm 
dicitur  in  eos,  qui  incestas  nuptias  contraxerunt.  maledieti  tarnen  sunt  omnes  incesti  per 
legem,  cum  adhuc  rudihus  popuUs  ex  divino  nutu  condita  isdem  adstipulantibits  sanriretur. 
et  utique  omnes  maledieti  puniti  sunt,  quos  dirina  et  humana  sententia  consana  tore  dam- 
navit,  7,  1,  1  quod  si  duodecim  tnhularum  nocturnum  furem  [quoquo  modo,  diurnum]  autem 
si  se  audent  telo  defenderey  inferfici  iuhent,  scitote,  iuris  consulti,  quia  Moyses  priut  hoc 
statuit,  sirut  lecfio  mani festat.  14,  3,  6  seiend  um  tarnen  est  ex  novellis  constitutionihus  capi- 
tali  sententia  plagiafores  pro  atrocitate  facti  puniendos:  quamvis  et  Paulus  relatis  supra 
speciebus  crucis  et  mvtalli  huiusmodi  reis  inrogaverit  poenam. 

Abfassungszeit.  Der  Verfasser  citiert  (5,  8)  eine  an  den  Vicarius  urbis  Romu 
Orientius  gerichtete  Verordnung  in  einer  Fonn,  in  der  er  sie  nicht  aus  dem  cod.  Theodos. 
haben  kann;  denn  abgesehen  in  Bezug  auf  Abweichungen  in  Ort  und  Zeit  gibt  sie  der 
Veifa.sser  der  collatio  in  einer  ausführlicliercn  Gestalt.  Der  feste  terminus  ante  quem  ist 
sonai'h  das  Jahr  488,  in  wolcheni  der  cod.  Theodos.  erlassen  wurde.  Es  handelt  sich, 
den  terminuH  jtost  quem  fostzustolleu :  der  feste  Punkt  ist  hier,  dass  die  fragliche  Verord- 
nung im  .fahre  390  erhissen  wurde:  al80  muss  die  collatio  zwischen  390  und  438  entstandea 
sein.  »SeliiMi  wir,  ob  auch  dieses  Intervallum  noch  eingeengt  werden  kann.  Man  hat  an- 
nehnH>n  wollen,  dass  die  collatio  nach  dem  Citiergcsctz  des  Jahres  426  entstanden  sei.  weil 


AmbroBioB.    (§  946.)  329 

%  d<»t  an  erster  Stelle  als  massgebend  erachteten  Autoren  hier  berttcksichtigt  seien;  allein 
>ae  Sohlnssfolgerang  ist  unzutreffend,  weil,  wie  Huschke  (p.  9)  geaseigt,  das,  was  dui«h 
B  CStiergesetK  festgesetzt,  längst  in  Uebung  war.  Weiter  fimrt  folgende  Erwägung.  Die 
Vttrcbiimg  des  Yalentinian,  Theodosius  und  Arcadius  wird  in  der  kleinen  Einleitung  dem 
AodoQinB  allein  zugeschrieben  (die  Worte  item  Theodosianua  sind  Glossem).  Wenn  der 
v^aaser  im  Occident  schrieb,  so  konnte  er  den  Theodosius  allein  erwähnen  zu  der  Zeit,  in 
r  derselbe  die  AUeinherrschaft  über  das  Westi'eich  besass;  dies  war  der  Fall  nach  dem 
de  Valentinians  (392)  und  der  Niederwerfung  des  Eugenius  (394).  Da  Eugenius  am 
September  894  besiegt  wurde  und  Theodosius  am  17.  Januar  895  starb,  wird  £e  collatio 
dieeer  Zwischenzeit  entstanden  sein.    Vgl.  Mommsen,  Ausg.  p.  127. 

Der  Autor  der  collatio.  a)  Licinius  Rufinus.  Der  Name  tritt  zuerst  unter 
n  französischen  Gelehrten  des  16.  Jahrhunderts  auf  (vgl.  Rudorff  p.  265;  Mommsen 
112),  und  zwar  weist  die  erste  Spur  auf  Johannes  Tilius  (du  Tillet),  Bischof  von 
ienx  (t  1570),  der,  wie  P.  Pithou  in  seiner  Ausg.  erzählt,  die  collatio  einem  Licinius 
Kfimis  beilegt.  Dass  der  Zeitgenosse  des  Paulus,  der  Jurist  Licinius  Rufinus,  nicht  der 
itor  der  collatio,  welche  Theodosius  L  citiere,  sein  kOnne,  sah  Cuiacius,  und  er  dachte 
&  daher  Alter  Licinius  Rufinus  irgend  einen  Christen,  ß)  Rufinus.  Einen  anderen  Weg 
hing  Huschke  (p.  24)  ein;  er  dachte,  indem  er  Licinius  preisgab,  an  Rufinus,  den  Gegner 
m  Hieronymus.  Allein  „Licinius  Rufinus*  ruht  bezüglich  der  Ueberlieferung  auf  so  un- 
serem Boden,  dass  diese  Worte  keine  Basis  abgeben.  Gegen  Huschke  spricht  Überdies, 
as  in  dem  Schriftenverzeichnis  des  Rufinus  bei  Gennadius  die  collatio  nicht  erwähnt  wird. 
Ambrosius.  Die  Autorschaft  des  Mailänder  Bischofs  suchte  auf  Grund  der  im  Absatz 
fortleben  der  collatio*  gegebenen  Stelle  ttber  Ebediesus  Rudorff  (Abb.  p.  281)  zu  er- 
useii;  vgl.  auch  Ihm,  Studia  Ambrosiana  p.  68.  An  und  fttr  sich  ist  das  erwähnte  Zeugnis 
dit  ohne  Bedenken;  es  kommt  hinzu,  dass  kein  Schriftsteller  von  diesem  Werk  des  Am- 
osins  etwas  weiss,  was  doch  bei  der  immerhin  nicht  geringen  Bedeutung  desselben  auf- 
UiS  erscheint,  (f)  Hieronymus.  Der  Notiz  einer  mittelalterlichen  Vita  des  Hieronymus 
l^^nd  (ad  iuris  quoque  consültas  singularem  sonantemque  edidit  l%brum\  will  Gonrat 
[ermes  35  (1900)  p.  344)  Hieronymus  als  Verfasser  der  coli,  hinstellen.  Die  Notiz,  die 
nreli  simanB  auf  ein  anders  geartetes  Werk  zu  deuten  scheint,  ist  verdächtig,  b)  Isaak. 
lalleicht  darf  hier  die  Vermutung  angeschlossen  werden,  dass  Isaak  der  Verfasser  der 
»Uatio  ist  Wenigstens  ist  auffällig,  dass  die  in  Titel  15  erwähnten  Manichaeer  im  Am- 
mwaster  2  Timoth.  3,  6  angedeutet  sein  sollen  wie  in  der  collatio  durch  die  lex  Moysis; 
id  noch  merkwürdiger  ist,  dass  auch  hier  dieselbe  Verordnung  Diokletians  benutzt  wird, 
e  in  Titel  15  herangezogen  ist.  Die  Stelle  lautet:  Quamvis  omnibua  haeretieis  hoc  con- 
Miai,  ut  9uhintranU8  domos,  mulieres  subdolis  et  versutis  verhis  capiant,  ut  per  eas  viros 
fcipiant  more  patris  sui  diaboli,  qui  per  Evam  Adam  eircumvenit;  Maniehaeia  tarnen  prae 
t^ris  congruit;  es  folgt  eine  höchst  interessante  Schilderung  der  Manichaeer,  worauf  fort- 
i&hren  wird:  Haec  ergo  Apoatolus  maxime  de  his  prophetavit,  quos  constat  apostolorum 
tmpore  non  fuiese,  aicut  nee  Arianes;  quippe  cum  Diocütianus  imperator  constitutione  sua 
mignet,  dieens:  Sordidam  hanc  et  impuram  haeresim,  quae  nuper,  inquit,  egressa  est  de  Per^ 
ds.  Dass  der  Ankläger  des  Damasus  juristische  Kenntnisse  haben  musste,  ist  klar;  vgl. 
naest.  115  (35  Sp.  2348  Migne)  ante  Jüliani  edictum  mulieres  viros  suos  dimittere  nequibant. 
nch  die  Sprache  (vgl.  Rudorff  p.  275)  dürfte  nicht  dagegen  sprechen;  z.  B.  für  quia  = 
^tod  (oti;  7,  1)  vgl  Ambrosiaster  zu  1  Gor.  7,  19  manifestum  est,  quia  nee  obest  nee  prodest. 

Römische  Quellen.  Benutzt  sind  Gaius'  Institutionen,  Papinians  responsa,  de- 
nitiones,  liber  singularis  de  adulteriis,  Paulus'  sententiae,  responsa,  liber  singularis  de 
mriis,  1.  s.  de  adulteriis,  1.  s.  de  poenis  omnium  legum,  1.  s.  de  poenis  paganorum,  Ulpians 
latitutiones,  ad  edictum,  liber  singularis  regularum,  de  officio  proconsulis,  Modestins 
Ifferentiae.  Ausser  den  Juristenschriften  hat  er  auch  Constitutiones  benutzt  und  zwar 
ian  cod.  Chregorianus,  cod.  Hermogenianus  und  einige  spätere  Constitutionen  (14,  3,  6;  5,  8). 

Fortleben  der  collatio.  Hinkmar  von  Rheims  (f  882)  benutzte  in  der  Eheschei- 
tnngBsache  Lothars  des  Zweiten  und  der  Thietberga  unsere  collatio,  indem  er  eine  Stelle 
«a  de  stupratoribus  und  eine  aus  de  incestis  nuptiis  entnahm;  er  entlehnte  sie  aber  nicht 
tirekt  aus  der  collatio,  sondern  aus  einer  kirchlichen  Sammlung  römischer  Rechtsquellen; 
rgL  Rudorff,  Abb.  p.  293;  Mommsen,  Ausg.  p.  112.  Auch  in  dem  Nachtrag,  den  der 
Siachof  Remedius  von  Chur  der  Sanct  Galler  Epitome  hinzufügte,  ist  die  collatio  benutzt; 
rgl.  Rudorff  1.  c,  der  weiterhin  angibt:  „Eine  ungedruekte  Canonensammlung  des  elften 
fahrhunderts  in  fünf  Büchern,  welche  in  einer  Vaticanischen  Handschrift  (No.  1339)  und 
liner  zweiten  zu  Montecasino  (No.  216)  erhalten  ist  und  in  Oberitalien  verfasst  ward,  be- 
mtzt  in  einer  Stelle  IV,  106  de  homiddis  qui  aliquändo  absolvuntur  aliquando  damnantur 
Tustinianus  rex  die  CoUatio  1,  7*;  vgl.  auch  Mommsen,  Ausg.  p.  113.  Der  nestorianische 
Ifetropolit  von  Nisibis  und  Armenien  Ebediesus  (f  1318)  verfasste  eine  Sammlung  von 
äynodalbeschlflssen,  welche  aus  neun  Abhandlungen  besteht.  In  der  Vorrede  zu  der  dritten 


330  AmbroBius.    (§947.) 

Abhandlung,  welche  über  die  Intestaterbfolge  handelt,  gibt  er  eine  Geschichte  dieaea  lub. 
tata;  hier  stoasen  wir  auf  eine  Stelle,  die  ans  dem  Syro-Chaldäiachen  fibersetzt  also  laatit: 
Composuit  deinde  (legea)  post  hoa  Ambroaiua  episcopus  Mediolanensium,  cum  a  Valentinmm 
rege  iuaaua  eaaet  acHbere  et  in  ordinem  redigere  statuta  et  rä^ng  ^ytjfMCi  regicnum:  H  o 
regihua  Chriatiania  etiam  acripaerunt  iura  et  deereta  Conatantinua  iile  magnus  et  T%ea4d' 
aiua  et  Leo,  et  haec  quidem,  ut  camperimua,  in  terra  Oeeideniia,  —  Conrat,  GeacL  d« 
Qnellen  und  Litt  des  röm.  Rechts  im  früheren  Mittelalter  1  (Leipz.  1891)  p.  87;  p.  311 

Die  Ueberliefernng  basiert  anf  drei  Handschriften.  Es  smd  dies:  I.  Berouneiai 
269  s.  IX,  die  Handschrift,  nach  der  Pierre  Pithon  1578  die  collatio  herausgegeben.  Nad- 
dem  die  Handschrift  lange  verschollen  war,  kam  sie  1887  nach  Berlin.  2.  Vercellensis  IS 
8.  X,  von  Blume  1822  ans  Licht  gezogen.  3.  Vindobonensis  (olim  SaÜsburgensis)  2160  9.1 
1822  von  Lancizolle  entdeckt. 

Ausg.  Editio  princeps  von  F.  Pithoeus,  Fragmenta  qnaedam  Papinlani  Pufi 
Ulpiani  Gaii  Modestini  ....  cum  Moysis  legibus  coUata,  Paris  1573.  Massgebende  Aug. 
ist  jetzt  die  von  Mommsen,   CoUectio  libromm  iuris  anteiustiniani  3  (Berl.  1890)  p.  196. 

Litteratur.  Huschke,  Ueber  Alter  und  Verfasser  der  legom  Mosaic.  et  Bflo. 
collatio  (Zeitschr.  für  geschichtl.  Rechtswissensch.  13  (1846)  p.  1);  H.  £.  Dirftsen,  üeber 
die  collatio  legum  Mosaicarum  et  Roman,  in  Bezug  auf  die  Bestimmmig  dieser  Rechti- 
sammlung  und  auf  die  Methode  ihrer  Redaktion  (1846),  Hinterl.  Sehr.  2  (1871)  p.  100;  L 
Rudorff,  Ueber  den  Ursprung  und  die  Bestimmung  der  Lex  Dei  oder  Mosaicarom  et  Bt-  I 
manarum  legum  collatio  (Abb.  der  Berl.  Akad.  der  Wissensch.  1868  p.  265) ;  RechtigescL 
I  (Leipz.  1857)  p.  284;  0.  Earlowa,  Rom.  Rechtsgesch.  I  (Leipz.  1885)  p.  966;  P.  Erflger, 
Gesch.  der  Quellen  und  Litt,  des  rOm.  Rechts,  Leipz.  1888,  p.  802;  Ihm,  Stadia  Amln- 
siana  (Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  17  (1890)  p.  68);  Mommsen,  Ausg.  p.  109;  L  Las- 
ducci,  Storia  del  diritto  romano  1*  (Padua  1895)  p.  268;  Th.  Kipp,  Gesch.  der  Qnellei 
des  röm.  Rechts,  Leipz.*  1903,  p.  132;   Jörs,  Pauly-Wissowas  Realencycl.  Bd.  4  Sp.  367. 

947.  Charakteristik  des  Ambrosius.  Nicht  als  Schriftsteller,  sonden 
als  Bischof  von  Mailand  hat  Ambrosius  seinen  Weltruf  erlangt.  Und  in  der ) 
That  hat  nicht  leicht  je  eine  kraftvollere  Persönlichkeit  einen  BischofsstoU 
inne  gehabt;  die  grosse  Menge  hatte  den  richtigen  Blick,  als  sie  seiner 
Zeit  dem  hohen  Beamten  fast  wider  seinen  Willen  die  Bischofswürde  auf- 
zwang. Fest  durchdrungen  von  seiner  hohen  Aufgabe  hatte  Ambrosios 
nur  ein  Ziel,  dem  Interesse  der  Kirche  zu  dienen  und  dasselbe  nach  allen 
Seiten  hin  mächtig  zu  schützen.  Als  die  nationale  Partei  unter  Führung 
des  Symmachus  den  Versuch  machte,  heidnische  Einrichtungen  ins  Leben 
zurückzurufen,  fand  sie  in  Ambrosius  einen  unbeugsamen  Gegner.  Die 
Einheit  der  Kirche  stand  ihm  über  alles,  und  die  Häretiker,  welche  diese 
Einheit  zerstörten,  bekämpfte  er  mit  allen  ihm  zu  Gebote  stehenden  ehren- 
haften Mitteln.  Auch  vor  den  grössten  Schwierigkeiten  schreckte  der  feste 
Mann  hierbei  nicht  zurück;  aber  in  allen  seinen  Kämpfen  verfolgte  er  nie- 
mals selbstsüchtige  Zwecke,  und  die  verschlungenen  Pfade  der  Intrigae 
waren  ihm  unbekannt.  Geraden  Wegs  ging  er  auf  sein  Ziel  los,  und  seine 
zähe  Willenskraft  ruhte  nicht  eher,  als  bis  dasselbe  erreicht  war.  Ein 
scharfer  praktischer  Blick  kam  ihm  bei  allen  seinen  Handlungen  sehr  zu 
statten.  Die  Reinheit,  Selbstlosigkeit  und  Festigkeit  seines  Charakters  war 
es,  welche  ihm  bei  seinen  Zeitgenossen  ein  so  hohes  Ansehen  verschafften; 
selbst  der  kaiserliche  Hof  blickte  zu  dem  Mailänder  Bischof  mit  Verehrung 
und  Bewunderung  empor.  Mit  verschiedenen  Herrschern  stand  er  in  engen 
persönlichen  Beziehungen ;  für  den  Kaiser  Gratian  schrieb  er  seine  Bücher 
über  die  trinitarische  Frage;  für  Valentinian  unternahm  er  die  wichtige 
und  gefahrvolle  Reise  zu  dem  Empörer  Maximus,  auch  hier  seine  kraftvolle 
Persönlichkeit  einsetzend;  dem  Kaiser  Theodosius  widmete  er  die  apologiA 
prophetae  David;  auf  Valentinian  und  Theodosius  hielt  er  die  Leichen- 
reden.  Aber  diese  intimen  Beziehungen  hinderten  ihn  nicht,  wenn  er  das 


AmbroBiiM.    (§  947.)  33] 

WTohl  der  Kirche  gefährdet  sah,   den  Herrschern  entgegenzutreten.     Die 
Kaiserin  Justina  musste  dies  zu  ihrem  Leide  erfahren,  als  sie  den  Arianern 
n  Mailand  zu  einer  Kirche  verhelfen  wollte.   Noch  mehr  musste  die  Macht 
ies    Bischofs  Kaiser  Theodosius   fühlen,   als   er   die  harten  Verfügungen 
iv^Sen  der  Unruhen  in  Kallinikum  und  Thessalonich  traf.   Alle  diese  Kämpfe 
indeten  mit  dem  Sieg  des  Bischofs  und  weckten   schon  den  Gedanken, 
läse  neben  der  staatlichen  Macht  eine  zweite  grössere  sich  erhebe,   die 
tffacht  der  Kirche.   Auch  scheinbar  die  Interessen  der  Kirche  zu  verletzen, 
icheute  sich  der  mutige  Mann  nicht;  als  es  galt,   Kriegsgefangene  loszu- 
Uiafen,  besann  er  sich  keinen  Augenblick,  Kirchengeräte  zu  diesem  Zweck 
5U   verkaufen.   Als  die  Hinrichtung  der  Priscillianisten  verfügt  wurde,  ver- 
urteilte er  diese  Gewaltmassregel.     Dass  die  Schriftstellerei  bei  einer  so 
nnineDt  praktischen  Natur  nur  in  zweiter  Linie  stehen  konnte,  ist  leicht 
begreiflich;  auch  sie  ist  eine  Frucht  seiner  amtlichen  Wirksamkeit.     Als 
Symnendichter  trat  er  auf,  um  mit  den  Arianern  zu  rivalisieren.    Fast  alle 
leine  prosaischen   Schriften   sind   aus  umgearbeiteten  Predigten   hervor- 
Segangen.     Keines  dieser  Produkte  kann  als  ein  echtes  Kunstwerk   an- 
gesehen werden.     Zur  Schriftstellerei  fehlten  dem  Ambrosius  wesentliche 
EÜgenschaften;  er  ist  kein  spekulativer  Kopf  und  besitzt  keine  Originalität 
der  Gedanken;  seine  Abhängigkeit  von  den  Quellen,  besonders  von  Philo 
and  Basilius,  ist  eine  ausserordentlich  starke.    In  seiner  Theologie  stützt 
er  sich  überhaupt  auf  die  griechischen  Meister,  und  wenn  er  auch  ihre 
Errungenschaften  voll  in  sein  Eigentum  verwandelt,  so  war  es  ihm  doch 
'  nicht  beschieden,  neue  Wege,  wie  später  Augustin,  der  theologischen  For- 
'Bchung  zu  erschliessen.     Strenge  systematische  Darstellung  ist  ihm  fremd 
^geblieben;   er  versteht  nicht,  seine  Gedanken   zu   einer   straffen  Einheit 
msammenzufassen,   und  er  ergeht  sich  nur  zu  oft  in   Abschweifungen, 
i  welche  den  Leser  ermüden.     Auch  in  der  dialektischen  Erörterung  der 
>  Begriffe  ist  er  schwach,   und  seine  polemischen  Bücher  entbehren  daher 
!  der  Kraft.     In   der  Exegese   der  hl.  Schrift,  besonders  des  alten  Testa- 
:  ments,  steht  er  unter  dem  Banne  seiner  Zeit,   der  Allegorie.     Die  von 
der  Bibel  durchtränkte  Sprache  seiner  Schriften  hält  sich  zwar  frei  von 
der  rhetorischen  Mache  der  Zeit,   zeigt  aber  auch  keine  besondere  ori- 
ginelle Gestaltungskraft.    Die  Predigten  des  Ambrosius  machten,  wie  wir 
ftos  dem  Zeugnis  Augustins  wissen,    auf  die  Zuhörer  einen   gewaltigen 
Eindruck;  der  Grund  ist  leicht  ersichtlich,  sie  wurden  durch  den  Zauber 
einer  grossen  Persönlichkeit  verklärt  und  gehoben.     Dieser  Zauber  geht 
dem  geschriebenen  Worte  ab;  es  lässt  uns  daher  kalt,  und  nicht  gerade 
oft  drängen  sich  auch   dem  Leser  Züge  einer  gewaltigen  Individualität 
auf.     Kurz,  die  Bedeutung  des  Ambrosius  ist  nicht  in  der  Wissenschaft, 
sondern  im  Leben  zu  suchen. 

Die  hohe  historische  Stellung  des  Ambrosius  sicherte  auch  seinen 
Schriften  ein  langes  Fortleben;  besonders  das  Werk  de  officiis  wurde 
ein  viel  gelesenes  Buch.  Auch  von  anderen  Schriften  des  BischofiB  finden 
sich  Spuren  bei  späteren  Autoren.^)    Ja  sein  grosser  ^< 


>)  Vgl.  die  Testiinonia  bei  Migne  14  8p.  118.    SSi 


332  YerfasBer  von  Briefen  und  Predigten,    (f  948.) 

als  Aushängeschild  für  fremde  litterarische  Produkte  gebraucht.  Nock 
mächtiger  wirkte  Ambrosius  auf  die  kirchliche  Litteratur  durch  die  Eii-  i 
führung  des  Hymnengesangs;  damit  legte  er  den  Keim  zur  chrisÜiclitt  | 
lyrischen  Dichtung,  welche  dann  Jahrhunderte  hindurch  eine  liebevolle 
Pflege  fand.  Am  mächtigsten  wirkte  aber  Ambrosius  auf  die  späteren 
Generationen  dadurch,  dass  seine  gewaltige  Persönlichkeit  einen  Augustinn 
für  die  Kirche  gewonnen  hat,  durch  dessen  wunderbaren  Genius  der  Occi- 
dent  die  führende  Rolle  in  der  Theologie  errang. 

Zeugnisse  zur  Charakteristik.  Epist.  48,  3  in  iis  (Schziften)  nan  farenui  Um. 
ditiae  et  auatoria  verha,  sed  fidei  sinceritaa  est  et  confesifionia  achrieteis.  8,  1  ^  noairm  tm 
secundum  artem  scripaiase,  nee  noa  obnitimur;  non  enim  aeeundum  ariem  geripaerutäf  mi 
aecundum  gratiam,  quae  auper  omnem  artem  eat;  acripaerunt  enim  quat  spirüua  na  Ufi 
dahat.  Ihm,  De  Ambrosio  Vergilii  imitatore  (Studia  Ambroaiana  p.  80).  Interesaant  'nk 
die  boshafte  Notiz  bei  Hieronym.  de  vir.  iU.  124  Ambroaiua,  Mediolanensis  episeopua,  uapi 
in  praeaentem  diem  acribit,  de  quo,  quia  aupereat,  meum  iudieium  aubiraham,  ne  in  aUV' 
utram  partem  aut  adulatio  in  me  reprehendatur  aui  veritaa.  Eine  scharfe  und  geistreicki, 
aber  etwas  einseitige  Charakteristik  gibt  H.  Richter,  Das  weström.  Reich,  BerL  1861, 
p.  602;  vgl.  dagegen  Foerster,  Ambrosius  p.  124. 

Die  Theologie  des  Ambrosius.  J.  E.  Pruner,  Die  Theologie  des  hL  Ambraan^ 
Eichstätt  1862;  ttber  die  Theologie  des  Ambrosius  handelt  jetzt  auch  A.  Harnack  ■ 
3.  Bd.  der  Dogmengeschichte;  W.  Balkenhol,  Die  kirchenrechtlichen  Anschauungen^ 
hl.  Ambrosius  und  seinerzeit  (Katholik  1888,  1  d.  118;  p.  284;  p.  387;  p.  484);  F.  Bartk. 
Ambrosius  und  die  Synagoge  zu  Callinicum  (Theol.  Zeitschr.  aus  der  Schweiz  6  (1889)  p.  tth 
J.  B.  Kellner,  Der  hl.  Ambrosius  als  Erklärer  des  Alten  Testaments,  Regensb.  1893; 
R.  Allier,  S.  Ambroise  et  Tintol^rance  clöricale  (Revue  chr^tienne  1899,  März);  A.  GoH- 
schmidt,  Die  KirchenthUr  des  hl.  Ambrosius  von  Mailand.  Ein  Denkmal  frOhchiistL  Skn^ 
tur,  Strassb.  1902. 

Abhängigkeit  von  den  Quellen.  Mit  Recht  bemerkt  Schenkl  (1  ^.  XXIIIj; 
dass  die  bekannte  Stelle  aus  Cicero  (ad  Atticum  12,  52,  8),  in  welcher  Cicero  seine  phfli- 
sophischen  Schriften  dnoygatpa  nennt,  auch  auf  eine  Reihe  von  Schriften  des  Ambroni 
passe,  indem  er  beispielsweise  ausführt:  „sententias  mutuatus  est  a  Philone,  verba  de  am 
addidit.  nonnumquam  sane  digressiones  intexuit  librorum  divinorum  locia  omatas,  praeoepii 
moralibus  refertas,  quibus  rebus  sacerdotis  boni  officium  fideliter  explevit,  cetera  omnii 
Philoni  debentur.* 

Ausg.  Ausgezeichnet  ist  die  Ausg.  der  Mauriner  J.  du  Frische  und  N.  le  Nourry.  [ 
Paris  1686—1690  in  2  Foliobänden;  dem  zweiten  Band  ist  eine  wichtige  Appendix  be- 
gegeben; nachgedruckt  Venedig  1748 — 1751  in  4  und  1781—1782  in  8  Bänden;  auch  die 
Ausg.  von  Migne  14 — 17  beruht  auf  der  Mauriner  Ausgabe.  Es  folgte  die  Ausg.  tob 
P.  A.  Ballerini,  Mailand  1875  ff.  in  6  Bänden.  Die  Ausg.  des  Wiener  Corpus,  welche  t« 
C.  Schenkl  in  Angriff  genommen  wurde,  ist  bis  jetzt  nicht  zum  Abschluss  gekommei; 
erschienen  sind  vol.  32  pars  1  und  2  (Wien  1896/97)  und  pars  4  (1902),  exegetische  SchiiftM 
enthaltend.     Ueber  die  Ausg.  vgl.  Schenkl  pars  1  p.  LXXVII. 

Uebersetzungen.  Ausgewählte  Schriften  des  hl.  Ambrosius  übers,  von  F.  X.  Schalt« 
1,  Kempten  1871  (Ueber  die  Jungfrauen,  Ueber  die  Witwen,  Ueber  die  Jungfräulickkeii 
Ueber  die  Geheimnisse,  Ueber  die  Busse,  Ueber  den  Tod  seines  Bruders  Satyros),  2,  19n 
(Von  den  Pflichten  der  Kirchendiener,  Trostrede  auf  den  Tod  Valentinians  IL,  Rede  aif 
den  Tod  des  Kaisers  Theodosius,  Der  Tod  ein  Gut,  die  Flucht  vor  der  Welt).  Ueber- 
Setzung  ausgewählter  Reden  von  Th.  Köhler,  Leipz.  1892  (G.  Leonhardi,  Die  EVedigt  d« 
Kirche  20).  Ins  Englische  finden  sich  ausgewählte  Schriften  übersetzt  von  H.  de  Romestio. 
A  select  library  of  Nicene  and  Post-Nicene  fathers  Ser.  2  vol.  10,  New  York  1896. 

7.  Verfasser  von  Briefen  und  Predigten. 

948.  Briefe  und  Predigten  verschiedener  Verfasser.  Neben  Am- 
brosius stehen  noch  andere  Kirchenfürsten,  welche  in  der  praktisches 
Wirksamkeit  ihre  Lebensaufgabe  erblickten  und  deshalb  litterarisch  nur 
in  dem  Briefe  und  in  der  Predigt  thätig  waren.   So  stand  der  Nachfolger 

als  Schenkl   in    der  Regel   die  Autoren   angeben,   von   denen   eine  Schrift  des  Ambrosiu 
citiert  wird. 


Yerfasaer  Ton  Briefen  nnd  Predigten,    (f  948.) 


333 


Ambrosius,  Simplicianus,  mit  Augustin  in  regem  brieflichen  Ver- 
kehr. Während  uns  ein  Brief  des  Augustinus  an  Simplicianus  (epist.  37 
ins  dem  Jahre  397)  i)  erhalten  wurde,  ist  kein  Schreiben  des  Simpli- 
sianus  an  Augustinus  wie  an  irgend  einen  Anderen  auf  die  Nachwelt  ge- 
kommen. An  Simplicianus  ist  auch  ein  Brief  des  Bischofs  Vigilius  von 
Frient  gerichtet,  in  dem  er  das  Martyrium  des  Sisinnius,  Martyrius  und 
(Llexander  erzählt,  wie  er  das  auch  in  einem  Briefe  an  Joannes  Ghryso^ 
itomus  gethan.  Interessant  sind  die  Briefe  des  Papstes  Siricius  (384 — 
S98),  weil  sie  uns  über  die  Entwicklung  des  Kirchenrechts  belehren.  Der 
Ekrief,  der  an  den  spanischen  Bischof  Himerius  gerichtet  wurde,  ist  in  die 
pKpstiiche  Dekretalensammlung  aufgenommen  worden.  Auch  von  Chro- 
matios,  dem  Bischof  von  Aquileia  (ca.  387 — 407),  gab  es  Briefe;  er  stand 
mit  den  grössten  Kirchenfürsten  seiner  Zeit  in  Verbindung.  Wir  nennen 
mir  Ambrosius  und  Hieronymus,  der  ihm  Schriften  dedizierte.  Allein  die 
Briefe  des  Chromatius  sind,  vielleicht  mit  einer  Ausnahme,*)  verloren.  Da- 
gegen sind  uns  von  ihm  18  Predigten  (tractatus)  erhalten;  von  denselben 
beziehen  sich  17  auf  Matthaeus  Kap.  3,  5,  6;  sehr  wahrscheinlich  ist  die 
Vermutung,  dass  Chromatius  das  ganze  Evangelium  in  Homilien  be- 
mrbeitet  hat.  Für  sich  steht  eine  Predigt  über  die  acht  Seligkeiten;  sie 
xeichnet  sich  durch  schlichte,  echte  Frömmigkeit  verratende  Darstellung 
ans.  Die  Sprache  des  Chromatius  ist  die  eines  gebildeten  Mannes.  Mit 
Paulinus  von  Nola  verkehrte  der  Bischof  von  Rotomagus  (Ronen),  Vic- 
"tricius;  in  der  Correspondenz  des  Paulinus  sind  zwei  Briefe  an  ihn  über- 
fiefert.  Ausserdem  haben  wir  von  ihm  einen  rhetorisch  zugestutzten  Traktat 
<de  laude  sanctorum,  wohl  eine  in  Buchform  gebrachte  Predigt  Zum 
3chlus8  gedenken  wir  noch  der  Briefe,  welche  von  den  Päpsten  Li  her  ins 
und  Anastasius  überliefert  und  die  für  die  Kirchengeschichte  nicht  ohne 
ITITichtigkeit  sind.  Bei  dem  ersteren  sind  einige  Briefe,  welche  ihn  als 
einen  arianisch  Gesinnten  darstellen,  als  Fälschungen  auszuscheiden. 

Simplicianus.  Gexmadius  de  yir.  ill.  37  SimpUdanua  episcopus  muUia  episttdia 
Jbortatu9  est  Augustinum  adhuc  presbyterum,  agitare  ingenium  et  expositicni  Scripturarum 
wmeare,  ut  etiam  novus  quondam  Ambrosius,  Origenis  iQyoöutixitjg  etc.  videretur.  Unde  et 
.msmitaa  ad  eius  personam  Scripturarum  quaestiones  absolvit.  Est  eius  epistula  Proposi- 
tionum,  in  qua  interrogando  quasi  disdturus  doeet  doctorem, 

Vigilius.    Gennadiua  de  vir.  iU.  88  Vigilius  episcopus  scripsit  ad  quendam  SimpH" 
J€ianum  In  laudem  martyrum  libellum  et  epistulam  continentem  gesta  sui  temporis  apud 
^mrbaros  martyrum,    Ausg.  der  zwei  Briefe  von  Migne  13  Sp.  549.    Im  ersten  Brief  be- 
Jteiclmet  er  sich  als  episcopus  Tridentinae  ecclesiae. 

Siricins.  Jaff4  (Regesta  pontificom  romanorom  P  (Leipz.  1885)  p.  40)  leitet  seine 
Besesten  dieses  Papstes  mit  den  Worten  ein:  «Primae,  qoae  ezstant,  epistolae  pontificiae, 
in  qmbns  anni  eonsnlom  nominibos  indicantor,  sunt  Siricii  255.  258.*  Ausg.  von  Migne 
18  8p.  1181;  Uebersetzung  yon  Wenzlowsky,  Die  Briefe  der  Pftpste  2  (Bibliothek  der 
JBSrchenTftter,  Kempten  1876)  p.  410. 

Chromatius.  Von  Ambrosius  haben  wir  in  No.  50  einen  Brief  an  denselben;  vgl. 
dartiber  Ihm,  Studia  Ambrosiana  p.  51.  Ueber  den  Verkehr  mit  anderen  Theologen  vgl. 
die  Zeugnisse  bei  Migne  Sp.  809.  Dass  die  Predigten  fttr  die  Lektüre  bestimmt  waren, 
aeigt  tract.  5,  2  (Sp.  341  M.)  et  multa  simüia  quae  praetermisimus,  ne  taedium  legentibus 
faeeremus,  Ueber  den  Anlass  des  Traktates  de  octo  beatitudinibus  vgl.  den  Eingang:  Dat 
mobis,  fratreSf  eonventus  hie  populi  et  mercaius  frequentia  occasionem  proponendi  sermonis 
Süangeliei.  Ueber  einen  anechten  Briefwechsel  vgl.  Migne  Sp.  369.  Ausg.  von  Migne 
M  Sp.  828.  —  Juli  eher,  Pauly-Wissowas  Realencycl.  3  Sp.  2452;  vgl.  auch  §  968. 


t  ^)  Migne  38  Sp.  151.  Ausserdem  haben 

wir  noch  eine  Schrift  De  diversis  quaest.  ad 


Simplicianum  libri  II  (Migne  40  Sp.  101). 
«)  Vgl.  §  976. 


) 


334  VerfaMer  Ton  Briefen  nnd  Predigten«    (§  949.) 

Victriciiie.  Briefe  des  PaulinuB  von  Nola  an  Victricios  No.  18  (1  p.  128  Hutdi, 
No.  37  (1  p.  816  H.).  Sein  tractatos  de  laude  sanctomm  bei  Migne  20  8p.  443  ist  neu  haui 
gegeben  von  San  vage  und  Fougard,  Paris  1895.  Ueber  seine  Sprache  vgl.  E.  Panekcr, 
Zeitochr.  fOr  österr.  Gymn.  32  (1881)  p.  481;  Weyman,  Wien.  Stud.  17  (1896)  p.315.  Dv 
Verfasser  nennt  sich  §  6  (Sp.  448)  selbst:  $ed  quid  ego  pauper  Victricius  cultar  rttter  it 
loci  qualifate  formido?  Er  ist  Bischof  von  Rotomagns  (Ronen);  vgl.  §  2.  Er  nemt  aa 
Produkt  liber;  vgl.  §  9  (Sp.  451)  sed  nos  in  tanta  graiuIatioHe  librum  iumuUu  quaaimm 
refercimua.    (Revue  des  questions  historiques  1908.) 

Die  Briefe  des  Papstes  Liberius  (352—366).  Ausser  einer  Rede,  die  liberiH 
liieh>  als  er  der  Schwester  des  Ambrosius,  Marcellina,  den  Schleier  Überreichte,  and  6 
uns  Ambrosius  (de  virginibus  3,  1;  16  Sp.  219  Migne;  vgl.  auch  Migne  8  Sp.  1845)  i^ 
teilt,  und  seiner  von  Theodoret  (Hist.  eccl.  2,  13)  aufbewahrten  Erklärung  vor  CfwishiMin 
in  Mailand  sind  uns  auch  Briefe  erhalten.  Jaffa,  Regesta  pontificam  romanomm  l'(La|i 
1885)  verwertet  unter  No.  208—216  die  bei  Migne  stehenden  7  Briefe  (8  Sp.  1349->1S^ 
unter  No.  223  den  Brief  €td  cathoUcos  episcopos  Italiae  (Migne  Sp.  1372),  anter  No.2S 
einen  griechisch  geschriebenen  ad  universos  Orientis  orthodaxos  episropos  (Migne  Sp.  IS^li: 
vgl.  auch  Harteis  Ausg.  des  Lucifer  p.  320,  p.  327.  Mit  dem  Zeichen  der  Unechtheit  sindWi 
Jaffü  versehen:  unter  No.  207  der  bei  Migne  (Sp.  1395)  stehende  Brief,  unter  No.  217^ 
Brief  ad  orientales  (Migne  Sp.  1365),  unter  218  der  ad  Ursacium,  Valentem  et  Gtrminrm 
(Migne  Sp.  1368),  unter  219  der  ad  Vincentium  epiwopum  Capuanum  (Migne  Sp.  ISTli 
Diese  Fälschungen  gehen  auf  eine  arianische  Urheberschaft  zurttck,  welche  zeigen  voUm. 
dass  Liberius  arianisch  gesinnt  war;  vgl.  Grisar,  Wetzer  und  Weites  Kirchenlexikoi  ? 
(1891)  Sp.  1956.  Weitere  Fälschungen  sind:  Jaff^  No.  229  =  Migne  Sp.  1395,  PatnL 
gr.  28  Sp.  1441  an  Athanasius  (griechisch);  No.  222  =  Sp.  1406  ad  Athanasium  et  epiie^ 
Äegyptios  responsoria;  No.  224  =  Sp.  1399  ad  omnes  generaliter  epiacopos;  No.  225  =  8p.  140^ 
decreta  Liberii  papae  üb.  13  cap.  9;  No.  226  =  Sp.  1408  ibidem  cap.  10;  No.  227  =  Sp.  UU« 
ibidem  cap.  12.    Apokryph  sind  auch  die  Gesta  Liberii  (Migne  8  Sp.   1388). 

Die  Briefe  des  Anastasius  L  (398 — 401).  er)  Der  Brief  an  Bischof  Johannei  1 
von  Jerusalem  (Migne  20  Sp.  68;  21  Sn.  627;  48  Sp.  231).  Johannes  hatte  den  PapetW  | 
fragt,  ob  Rufinus  (§§  967, 969)  wegen  einer  Uebersetzung  der  Schrift  des  Origenes  zu  verdamoa 
sei.  Die  Antwort  lautet,  dass  alles  auf  die  Absicht  asJcomme,  die  der  Uebersetzer  bei  seine; 
Arbeit  gehegt  habe,  ß)  Der  Brief  an  Bischof  Simplicianus  von  Mailand  (Migic 
20  Sp.  73;  22  Sp.  772).  Der  Bischof  von  Alexandria,  Theophilus,  hatte  die  Verurteilng 
von  Sätzen  des  Origenes  in  einer  Synode  von  Alexandria  durchgesetzt;  es  lag  ihm  dua. 
dass  auch  die  übrigen  Bischöfe  davon  Kenntnis  erhielten;  er  schrieb  daher  an  Papst  Ani- 
stasius,  der  seinerseits  wieder  dem  Simplicianus  Mitteilung  machte,  y)  Der  Brief  u  1 
Bischof  Venerius  von  Mailand  (400—409).  Dieser  Brief  wurde  nach  einer  Brfl&s^  I 
Haudschrift  des  10.  Jahrhunderts  zuerst  von  C.  Ruelens  (Bibliophile  beige  6  (1871)  p.  121i  ' 
herausgegeben.  Er  wurde  dann  noch  öfters  publiziert,  z.B.  von  Nolte,  Der  Katholik  £  I 
(1872)  p.  251,  zuletzt  von  J.  van  denGheyn,  Revue  d'histoire  et  de  littärature  religieoM 
4  (1899)  p.  5.  Er  stammt  aus  dem  Jalire  400  oder  401.  Angedeutet  ist  der  Brief  in  des 
an  Johannes  (20  Sp.  72  Migne):  qudlem  e^natolam  ad  fratrem  et  coepiscopum  noatrum  Veneriw 
diligentiori  cum  perscriptam  parvitas  tiostra  transmiserit,  ex  subditis  poteris  comprohan. 
Wichtig  ist  unser  Schreiben,  das  sich  ebenfalls  auf  die  Verurteilung  der  Ketzereien  da 
Origenes  bezieht,  für  die  Beurteilung  der  Rechtgläubigkeit  des  Liberius.  —  Auch  Tn echte« 
läuft  unter  dem  Namen  des  Anastasius.  Deutsche  Uebersetzung  echter  und  unechter  P^> 
dukte  von  Wenzlowsky,  Die  Briefe  der  Päpste  2  (Bibliothek  der  Kirchenväter,  Kenpt« 
1876)  p.  492.  —  J.  Langen,  Gesch.  der  röm.  Kirche  bis  zum  Pontifikate  Leos  L.  Bon 
1881,  p.  652;  Jaffö,  Regesta  pontificum  romanomm  V  No.  276,  281,  282. 

949.  Die  Predigten  Zenos.  Unter  den  kirchlichen  Schriftstellern 
hat  Zeno  keine  Stelle  gefunden ;  weder  Hieronymus  noch  Gennadius  konnten 
von  ihm  ein  gelehrtes  Werk  anführen.  Allein  durch  seine  Traktate,  d.  L 
bischöfliche  Piedigten,^)  ist  er  doch  in  die  Litteratur  gekommen.  Freilich 
ist  dieser  schriftstellerische  Nachlass  nicht  wenigen  Bedenken  unterworfen: 
von  den  neueren  Herausgebern  wurden  93  Stücke,  16  grössere  und  71 
kleinere,  d.  h.  skizzenhaft  gehaltene,  ihm  zugeteilt.  In  der  Sprache  hat 
man  Anklänge  an  Apuleius  von  Madaura  beobachtet.*)     Auch  über  Leben 

')  Kessler,  Patrol.  1  p.  740.  an  Tertullian  gebildet  hat*  (Harnack,  Ter- 

'^)    Diese    Uebereinstimmung    Avird    sicli  tullian  in  der  Litt,  der  alten  Kirche,  Sitzung«- 

zum  Teil  dadurcb  erklären  lassen,  „dass  Zeno  ber.   der   Berl.   Akad.   der  Wissenach.   1?&5 

seinen  rJedankentuisdnick  und  Stil  vor  allem  ■   p.  551). 


Paoianiui«  Bischof  Ton  Barcelona.    (§  950.)  335 

Wirksamkeit  Zenos   lässt  sich  nur  schwer  ins  Reine  kommen;  die 
Sangbare  Ansicht  ist  von  den  Gebrüdern  Ballerini  begründet  worden;  dar- 
war er  Afrikaner  1)  und  Bischof  von  Verona  in  den  Jahren  362—380. 

Litteratur.  Fr.  A.  Schütz,  S.  Zenonis  episc.  Yeron.  doctrina  christiana,  Leipz. 
;  L.  J.  y.  Jazdzewski,  Zeno  Veron.  episc.  commentatio  patrologica,  Regensb.  1862; 
V.  X>orner,  Lehre  von  der  Person  Christi  V  (stattgart  1845)  p.  754;  R.  Sabbadini,  Rivista 
li  lUoL  class.  12  (1884)  p.  139.  G.  Weyman,  Studien  zu  Apnleius  und  seinen  Nachahmern 
flSfeBongsber.  der  Münchener  Akad.  1893,  Bd.  2,  Heft  3  p.  350;  Nachträge  bei  Gatscha, 
Mssert  philol.  Vindob.  6  (1898)  p.  157)  hat  die  Anklänge  Zenos  an  Apuleius  zusammen- 
■iMifeellt,  auch  einiges  über  die  theologischen  Quellen  mitgeteilt 

Ausg.  von  P.  et  H.  Ballerini,  Verona  1739;  abgedruckt  bei  Gallandi,  Bibl.  vet 
itttr.  5  p.  105  und  bei  Migne  11  Sp.  258.  Neueste  Ausg.  von  J.  B.  K.  Graf  Giuliari, 
Viarona  1883.  —  Deutsch  von  Leipelt,  Kempten  1877  (Bibliothek  der  Kirchenväter). 


Petronius  von  Bologna.  Im  cod.  Monacensis  14386  s.  X  stehen  zwei  kurze  Pre- 
mit  folgender  Ueberschrift:  Sermo  Petronii  episcopi  Veronensis  in  natale  sancH  Ze- 
4s.  Item  sermo  cuius  supra  in  die  ardintUianis  vel  natale  episcopi.  Die  erste  Predigt 
Öfters  publiziert,  so  bei  Giuliari  in  der  Ausg.  Zenos  p.  CXtVII  aus  einem  cod.  Vero- 
113  s.  XV.  Die  beiden  Predigten,  und  zwar  die  zweite  zum  erstenmal,  sind  ver- 
ntlieht  von  Morin,  Revue  Bönödictine  14  (1897)  p.  3.  Dem  Zeugnis  der  Handschrift, 
Petronius  von  Verona  der  Verfasser  der  beiden  Traktate  sei,  steht  das  des  Genna- 
entgegen  (de  vir.  ill.  42):  Petronius,  Bononiensis  Italiae  episcopus,  vir  sanetae  vitae  et 
wmonaeharum  studiis  ab  adulescentia  exercitatus,  scripsisse ptUatur  Vitas  patrum  Äegypti 
m^onachorum,  quas  velut  speetdum  ac  normam  professionis  suae  monachi  amplectuntur, 
Ueffi  mb  eins  nomine  De  ordinatione  episcopi  ratione  et  humilitate  plenum  tractatum, 
HtMm  HngtM  elegantior  ostendit  non  ipsius  esse  sed,  ut  quidam  dicunt,  patris  eius  Pe- 
trami  eloquentis  et  eruditi  in  saectdarihiis  litteris  viri  —  et  credendum,  nam  et  prae- 
f§eium  praetorio  fuisse  se  in  ipso  tractatu  designat.  Moritur  Theodosio  et  Valentiniano 
TWj^nantibus,  Hier  wird  also  der  Traktat  de  ordinatione  episcopi,  der  doch  wohl  mit  un- 
■arer  zweiten  Predigt  identisch  ist,  der  Ueberlieferung  gemäss  dem  Petronius  Bononiensis 
Maiiae  episcopus  zugeschrieben,  eine  Autorschaft,  die  aber  Gennadius  in  Zweifel  zieht.  Sein 
Hanptargument  ist,  dass  sich  der  Autor  desselben  praefectus  praetorio  bezeichnet  und  dass 
ikJier  als  solcher  der  Vater  des  Bischofs  anzusehen  sei.  In  der  vorhandenen  Homilie  fehlt 
ami  die  ausdrückliche  Bezeichnung  als  praefectus  praetorio ;  allein  sie  enthält  doch  im  An- 
fmg  eine  Anspielung  auf  eine  Standesänderung  des  Redners.  Vielleicht  wusste  also  Gennadius 
MI8  einer  anderen  Quelle,  dass  der  Vater  des  Bischofs  nraef.  praetorio  war,  und  hat  es  unter- 
lassen, dies  hier  anzumerken.  Aber  es  ist  gewiss  nicht  unmöglich,  dass  auch  der  Bischof 
Petronius,  ehe  er  sein  geistliches  Amt  antrat,  wie  Ambrosius  in  hoher  weltlicher  Stellung  sich 
Wfiund.  Die  Kritik  des  Gennadius,  soweit  sie  vom  Stil  ausgeht,  ist  unbegründet,  da  die 
Schrift  vitae  patrum  Aegypti  monachorum  von  Rufin  stammt,  also  keinen  Vergleichungs- 
punkt  dari>ieten  kann.  Andererseits  lag  es  nahe,  da  in  der  ersten  Predigt  von  Zeno,  Bischof 
▼on  Verona,  die  Rede  war,  Petronius  zum  Nachfolger  desselben  zu  machen.  Vgl.  Gzapla, 
Gennadius  ab  Litterarhistoriker  (Kirchengeschichtl.  Stud.  4.  Bd.  1.  Heft  (1898)  p.  94). 

8.  Pacianus,  Bischof  von  Barcelona. 

950.  Die  Schrifbstellerei  des  Pacianus.  Es  ist  eine  bekannte  That- 
sache,  dass  in  den  Lebensanschauungen,  auch  nachdem  die  goldene  Mittel- 
straie  sich  durchgerungen  hat,  doch  noch  von  Zeit  zu  Zeit  sich  laxe  oder 
rigorose  Richtungen  hervorwagen.  Besonders  das  religiöse  Leben  bietet 
Beispiele  in  reicher  Fülle  dar.  In  unserer  Epoche  ist  ein  charakteristischer 
Fall,  dass  in  Spanien  Spuren  des  Novatianismus,  der  denen,  welche  nach 
der  Taufe  wiederum  schwere  Sünden  begangen,  die  Eirchengemeinschaft 
versagte,  auftauchen.  Gegen  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  lebte  dort 
ein  nicht  näher  bekannter  Sympronianus,  der  sich  mit  dem  Bischof  Pacianus  *) 
von  Barcelona  in  einen  brieflichen  Verkehr  über  die  Principien  des  Nova- 

^)  Man  beruft  sich  auf  den  Traktat  de  I  *)  Sein  Sohn  war  Dexter,  der  den  Hien 

Arcadio  martyre;   vgl.  Schoenemann  bei  1   nymus  zur  Abfassung  der  viri  illustres  var- 
Migne  11  Sp.  248.  ,   anlasste  (§  978);  vgl.  de  vir.  ill.  132. 


336  Padamui,  Bisehof  toh  BaroelmuL    (§  950.) 

tianismus,  dem  er  huldigte,  einliest    Ans  dieser  Correspondenz  sind  vm 
drei  Briefe  des  Bischofs  erhalten.^)    Der  erste  Brief  handelt  besondcn 
über  die  Berechtigung  der  Bezeichnung  .Katholisch' ;  es  kommen  hier  die 
berühmten  Worte  vor:   , Christ  ist  mein  Name,  Katholik  mein  Beinime.' 
Sympronianus  hatte  dem  Bischof  bereits  zweimal  geschrieben,  auch  eioa 
Traktat  über  den  Novatianismus  beigelegt,   als  Pacianns   den   zweitei 
Brief  an  ihn  richtete,  der  sich  namentlich  mit  der  Person  des  Novatiani 
beschäftigte.     Der  dritte  Brief  ist  eine   Widerlegung   des    übersandtet 
Traktats;  da  die  Sätze  meist  im  Wortlaut  gegeben  werden,    können  inr 
ihn  fast  ganz  rekonstruieren.    Der  Kernpunkt  des  Novatianismus,  dass  ei 
nach  der  Taufe  keine  Busse  gebe  und  dass  die  Kirche  Todsünden  nidit 
vergeben  könne,  ist  in  dem  Briefe  gleich  an  den  Anfang  gestellt.    In  ge> 
bildeter  Sprache  und  nicht  ohne  Gewandtheit*)  schreibt    Pacianus,  oid 
nicht  selten  ist  der  feine  Tadel  und  die  feine  Ironie  bemerkenswert;  die  k 
theologischen  Gedanken  entlehnt  er  grösstenteils  von  Gyprian  und  TertoDiaa. 
Ausser   diesen  Briefen   schrieb  Pacianus  noch  eine  Taufrede,    welche  ii 
der  Ueberlieferung  zuletzt  steht,  und  einen  Mahnruf  zur  Busse,   der  sid 
wohl  an  die  Gattung  der  koyoi  tt^ot^ctttixo!  angeschlossen  haben  wird;  hier 
erörtert  er  die  Verschiedenheit  der  Sünden,   dann   spricht  er   über  die, 
welche  sich  aus  falscher  Scham  der  Busse  entziehen,   weiterhin  über  die, 
welche  die  Heilmittel  der  Busse  nicht  kennen  oder  zurückweisen;  endBdi 
führt  er  noch  aus,  welcher  Lohn  die  Bussfertigen  und  welche  Strafe  die 
Unbussfertigen  erwartet.    In  einer  Invective  ^Hirschlein''  betitelt,  eifert  er 
gegen  die  aus  dem  Heidentum  noch  beibehaltenen  Spiele,  besonders  gegei 
das  tolle  Treiben  am  Neujahrstag.    Die  Schilderungen  waren  so  drastisch, 
dass  beim  Erscheinen  des  Buches  die  Befürchtung  laut  wurde,  es  könnten 
manche  aus  der  Lektüre  eine  Anreizung  zu  den  angedeuteten  Ausgelassen- 1 
heiten  empfangen.     Die  Schrift  hat  sich  nicht  erhalten. 

Zeugnis  über  Pacianas.  Hieronym.  de  vir.  ill.  106  Pacianus,  in  Pyrenaei  ittgit 
Barcelonne  episcopus,  castigatae  eloquentiae,  et  tarn  vita  quam  sermane  cfarus,  aeriptit  tarn 
opiMcula,  de  quibus  est  CervuSy  [in  kalendis  Januariis  et  contra  alios  ludas  pagani/w]H 
Contra  NovatianoSf  et  sub  TJieodosio principe  iam  ultima  senectuie  mortuus  est.  Da  Hie»- 
nymus  seine  viri  illustres  892  schrieb,  muss  Pacianus  vor  diesem  Jahr  gestorben  sein,  mi 
da  Theodosius  379  zur  Regierung  kam,  nach  diesem  Jahr.  Epist.  2,  4  ego  a  parrulo  diu- 
ceram  {Veryilium}.  —  Garns,  Die  Kirchengesch.  von  Spanien  2.  Bd.  1.  Abt.  (Regeuk 
1864)  p.  318. 

DeCatholico  nomine.  Epist.  1,  4  Christianus  mihi  nomen  est,  Catholieus  ven 
cognomen;  vgl.  epist.  2,  2  de  Catholico  nomine  multa  respondi  placide. 

Do  Symproniani  litteris.  Epist.  2,  6  vacare  tibi  scribis;  et  ideo  te  contentim 
delectant.  mihi  vero  catholicis  negoiiis  occupato,  post  triginta  ferme  dies  litterae  tuae  in- 
ditoe  Huntf  pont  alios  quadraginta  repetitae.  2,  1  accipe  pauca  de  litteris  tuis  qucu  tractatm 
practulisti.    Am  Schluss  bespricht  er  auch  einen  ins  Einzelne  gehenden  Traktat. 

Contra  tractatus  Novatianorum.  Epist.  8,  I  tractatus  omnis  Novatianorum  qiuB 
ad  me  conferiis  undique  propositiontbus  destinasti^  Symproniane  frater,  hoc  continet:  quoi 
post  baptismum  poenitere  non  liceat;  quod  mortale  peccatum  Ecclesia  donare  non  pos$it^ 
immo  quod  ipsa  pereat  recipiendo  peccatttes. 

Sermo  de  baptismo.  Cap.  1  aperire  desidero  qualiter  in  baptismo  n€iscamurf  it 
qualiter  innovemur.  verbis  sane  ipsius  loquar,  fratres,  ne  forte  me  ob  nitorem  sententiorum^ 
stilo  exsuliasse  credatis  ....  aper  iam  quid  fuerit  ante  gentilitas,  quid  fides  praestetj  quU 
haptismus  indulgeat. 

M  Aus  1,  3   (Sp.  1054  Migne)   schliesst  ,    Apollinaristen  verdammt  worden. 
Garns   (p.  H19),   dass   die  Briefe   nach   377  *)   üeber  das  rhetorische   Gepräge  d«f 

geschrieben    seien,    da   in   diesem  Jahre   die   ;    Sprache  Pacians  vgl.  Gruber  p.  55. 


PriBoillian  und  die  PrisoillianiBten.    (§  951.)  337 

Paraenesis,  sive  exhortatorina  libellas,  ad  poenltentiam.  c.  2  sermonum 
meorum  hie  ordo  servabitur,  primum  ut  de  modo  criminum  edisseram  ....  tum  de 
^fit  fideJibus  dieam  qui  remedium  suum  erubescentes  male  verecundi  sint,  et  inquituUo  cor- 
ae  poUuta  mente  communieant  ....  tertio,  de  his  erU  sermo,  qui  confessis  bene  aper- 
eriminibus  remedia  poeniteniicte  (ictusque  ipaos  exomologesis  adminiatrandae  aut 
aut  reeuaant,  postremo  illud  apertisaimum  enitemur  ostenderej  quae  poena  ait  aut 
agentibua  poenitentiam  aut  etiam  negligentibua,  atque  ideo  in  vulnere  auo  ac  tumore 
f^orieniibua:  quae  ruraua  aü  eorona,  quod  praemium,  conaeientiae  maeulaa  recta  et  ordinaria 
^^mfksBione  purgantibua. 

Qa eilen.  Besonders  sind  benutzt  Cyprian  (epist.  2,  7;  3,  24)  und  Tertollian  (epist. 
k^84);  Aber  Cyprian  vgl.  C.  Goetz,  Gesch.  der  Crprianischen  Litterator,  Basel  1891,  p.  72; 
mmat  Tertollian  ygl.  Harnack,  Sitzungsber.  der  Berl.  Akad.  der  Wissensch.  1895  p.  566. 
Sprache.  Ueber  Anklänge  an  Vergil  vgl.  Grub  er,  Stadien  zu  Pacianus  von 
lona,  München  1901,  p.  8;  an  Horaz  p.  10;  an  Cicero  1.  c.  Ueber  das  Lexikalische 
Grammatikalische  vgl.  denselben  p.  41  und  48. 

Cervulus.  Gegen  den  Einwand  der  Gegner,  dass  die  Aufdeckung  der  Unsittlich- 
nicht  selten  die  Begierde  nach  derselben  aufstachele,  bemerkt  der  Bischof  (Paraenesis 
tm  1)  ironisch:  eo  uaque  progreaaia  noatratium  moribua,  ut  admonitoa  ae  exiatiment  cum 
\  hoc  enim,  puto,  proxime  Cervulua  ille  profecit,  ut  eo  dÜigentior  fieret,  quo  im- 
notabaiur.  et  tota  illa  reprehenaio  dedecoria  expreaai  ae  aaepe  repetiti,  non  com- 
videatur,  aed  erudiaae  luxuriam,  me  miaerum/  quid  egg  facinoria  admiai?  puto, 
Bmmcierant  Cervulum  facere,  niai  Wia  reprehendendo  monatraaaem.  Der  Titel  Certma  bei 
mymus  wird  einer  Unachtsamkeit  seine  Entstehung  verdanken. 

Die  Ueberlieferung  ist  noch  nicht  methodisch  untersucht;  Peyrot  hat  für  seine 
j.  zwei  Handschriften  herangezogen,  Parisinus  2182  s.  XU/XIII,  Vaticanus  Regin.  331 
I»  X/XI;  Weyman  fügt  eine  Grenobler  Handschrift  262  s.  XII  hinzu. 

Ausg.  Editio  princeps  von  J.  Tilius  (Jean  du  Tillet),  Paris  1538;  eine  neue  Re- 
Munon  besorgte  Galland i  (Bibl.  vet.  patr.  7  p.  255),  die  dann  wieder  von  Migne  (13 
Bh^l051)  übernommen  wurde.  Neue  Ausg.  von  Ph.  H.  Peyrot  (Utrechter  Diss.),  Zwolle 
lS96;  ygl.  dazu  die  lehrreiche  Recension  von  Weyman,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1896 
Ap.  1057;  Sp.  1104  und  Pfeilschifter,  Wochenschr.  für  klass.  Philol.  1896  Sp.  1112. 
KnÜsche  Beiträge  von  Gruber  p.  13;  Weyman  1.  c. 

9.  Priscillian  und  die  Priscillianisten. 

951.  Biographisches  über  Priscillian.  Ueber  Priscillian  und  seine 
Sekte  wurde  bislang  der  Bericht  des  Sulpicius  Severus  in  seiner  Chronik  als 
inassgebende  Quelle  angesehen.  Wir  geben  die  Orundzüge  dieses  Berichtes. 
Die  Sekte  weist  in  ihrer  Wurzel  auf  den  Orient  und  Aegypten  zurück. 
Bin  gewisser  Marcus  aus  Memphis  brachte  zuerst  eine  gnostische  Lehre 
nach  Spanien;  sie  fand  Eingang  in  gebildete  Kreise:  eine  vornehme  Frau 
mit  Namen  Agape  und  ein  Rhetor  Helpidius  bekannten  sich  zu  ihr.  Dieses 
Paar  gewann  für  die  neue  Lehre  den  vornehmen  und  reichen  Priscillian, 
und  damit  erhielt  die  Sekte  ihr  Haupt ;  denn  dieser  besass  Eigenschaften, 
«reiche  eine  Anziehungskraft  auf  andere,  besonders  die  Frauenwelt,  aus- 
übten. Infolgedessen  gewann  Priscillian  immer  grösseren  Anhang;  selbst 
Bischöfe,  wie  Instantius  und  Salvianus  ergriffen  seine  Partei.  Auf  die 
Befahr,  die  der  rechtgläubigen  Kirche  von  seiten  der  Priscillianisten  drohte, 
vrorde  zuerst  der  Bischof  Hyginus  von  Gorduba  aufmerksam;  dieser  trug 
die  Sache  dem  Bischof  von  Emerita,  Hydatius,  vor.  Allein  Hydatius,  ein 
roher  Fanatiker,  machte  durch  sein  ungeschicktes  Eingreifen  das  Uebel 
noch  ärger.  Zur  Unterdrückung  der  Häresie  wurde  im  Jahre  380  ein 
Concil  in  Saragossa  ausgeschrieben ;  aber  die  Häretiker  stellten  sich  nicht, 
80  dass  ein  Gontumazurteil  gegen  sie  erlassen  werden  musste.  Von  dem- 
selben wurden  die  Bischöfe  Instantius  und  Salvianus,  die  Laien  Helpidius 
und  Priscillianus  betroffen.  Mit  der  Ausführung  wurde  der  Bischof  von  Osso- 

Handbaoh  der  klaas.  AlteHnmiwisiiexiaohafi.    Vm.  4.  22 


1 


338  Prisoillian  und  die  PrisoillUaisteii.    (§  951.) 

nuba  ^)  Itacius  betraut,  welcher  zugleich  die  Exkommunikation  von  Hygin» 
vornehmen  sollte,  der  sich,  nachdem  er  anfangs  gegen  die  Sekte  aufgebt 
später  merkwürdiger  Weise  derselben  anschloss.  Um  ihre  Partei  zu  stiriuB, 
machten  jetzt  die  Bischöfe  Instantius  und  Salvianus  den  Priscillian,  ds 
bisher  ein  Laie  war,  zum  Bischof  von  Abila  (Avila  am  Adaja).  Andi  ii 
weltliche  Macht  wurde  jetzt  von  den  intransigenten  Bischöfen  Hyditai 
und  Itacius  in  Bewegung  gesetzt ;  Hydatius  erlangte  sogar  ein  Dekret  ?oi 
Kaiser  Gratian,  durch  das  den  Priscillianisten  nicht  bloss  ihre  Crdba 
weggenommen,  sondern  sie  überdies  exiliert  wurden,  um  aus  der  schlimmei 
Lage,  in  die  sie  jetzt  geraten  waren,  herauszukommen,  beschloBsen  & 
Priscillianisten,  sich  nach  Rom  an  Papst  Damasus  zu  wenden ;  InstantiBi, 
Salvianus  und  Priscillian  begaben  sich  dahin.  Allein  die  Mission  wir 
erfolglos;  der  Papst  Damasus  verweigerte  ihnen  die  Audienz,  auch  An- 
brosius  wies  sie  zurück.  Jetzt  suchten  Priscillian  und  seine  Be^^ 
auf  einem  anderen  Wege  Rettung;  sie  erwirkten  durch  Bestechung  dn 
magister  officiorum  Macedonius  ein  Dekret,  welches  das  Gratians  aufhob  qbI 
ihnen  ihre  Kirchen  zurückgab.  Auch  die  Gegner  machten  jetzt  Versud», 
die  staatlichen  Autoritäten  für  ihre  Sache  zu  gewinnen.  Doch  einen  ^ 
scheidenden  Schlag  konnten  sie  erst  führen^  nachdem  Maximus  sich  zm 
Imperator  aufgeworfen  hatte.  Itacius  ging  den  neuen  Kaiser  an,  gega 
Priscillian  vorzugehen;  Maximus  schenkte  den  Worten  des  Bischofs  gen 
Gehör,  zumal  da  er  glaubte,  durch  die  Verfolgung  der  Häresie  sich  die 
Gunst  der  Geistlichkeit  zu  sichern.  Er  befahl  daher,  dass  die  PriscillianisUi 
auf  einer  Synode  zu  Bordeaux  erscheinen  sollten,  um  sich  zu  rechtfertigen. 
Priscillian  verlangte  hier  aber,  vor  den  Kaiser  gestellt  zu  werden.  Damil 
war  die  Sache  an  die  weltliche  Autorität  geleitet,  und  die  beiden  unver- 
söhnlichen Bischöfe  Hydatius  und  Itacius  begannen  nun  ihr  Werk  ge^^n 
Priscillian  und  seine  Anhänger.  Vergeblich  legte  sich  der  hl.  Martin  von 
Tours  ins  Mittel ;  ihm  war  der  Process  an  und  für  sich  ein  Stein  des  An- 
stosses,  da  er  die  Entscheidung  eines  weltlichen  Gerichtes  in  geistlichen  An- 
gelegenheiten nicht  anerkennen  konnte ;  auch  meinte  er,  dass  die  kirchliche 
Remedur  vollständig  ausreiche ;  in  der  That  erlangte  er  von  Maximus  einen 
Aufschub  der  Sache.  Allein  als  Martin  von  Tours  abgereist  war,  machten 
sich  andere  Einflüsse  geltend,  welche  den  Kaiser  bestimmten,  den  Procea 
weiter  verfolgen  zu  lassen.  Das  Resultat  war,  dass  Priscillian  und  seine 
Anhänger  wegen  maleficium,  womit  man  jeglichen  Unfug  verbotener  Künste 
bezeichnete,  verurteilt  wurden.  Der  Kaiser  bestätigte  das  Todesurteil; 
dasselbe  wurde  an  Priscillian  und  mehreren  seiner  Anhänger,  wie  Latro- 
nianus  und  Euchrotia,  vollzogen.  Gegen  andere  Priscillianisten  wurde  mit  | 
Verbannung  vorgegangen. 

So  weit  die  Darstellung  des  Sulpicius  Severus.  Eine  Kritik  derselben 
war  schwierig,  da  von  der  gegnerischen  Seite  kein  Bericht  vorhanden  war. 
Von  den  Schriften  Priscillians  hatte  man  nur  die  Canones  zu  den  Briefen 
des  Apostels  Paulus,   die  zwar  über  die  Anschauung  Priscillians  manches 

M  Bei  Sulpicius  Severus  (Chron.  2, 47,  3)   >   für  das  überlieferte  Sossuhensi  wird  mit  Recht 
ist  überliefert:  Ithacio  Sossuhensi  episcopo\   \    Ossonuhensi  geschrieben. 


PriBoillian  und  die  PrisoilUanisten.    (§  951.)  339 

M>ten,  allein  die  Vorgänge,   die  zur  Verfolgung  Priscillians  führten,  un- 
lerQhrt  Hessen,  wie  aus  nachfolgender  Skizze  erhellt. 

Biographische  Zeugnisse  aber  Priscillian.  Hieronym.  de  vir.  ill.  121  Pris- 
^Oiianus,  Abilae  episcopus,  qui  factiane  Uydatii  et  Ithacii  Treveris  a  Maximo  tyranno  caesua 
Wii,  tdidit  tnuUa  opuscula,  de  quibus  ad  nos  aliqua  pervenerutU.  Hie  usque  hodie  a  non- 
mtilU  Gnosticcte,  id  est  Basilidis  veJ  Marci,  de  quibus  Irenaeus  scripsit,  kaereseos  accusatur, 
t^ftndentibus  aliis  non  ita  eum  sensisse,  ut  arguUur,  a)  Entstehung  der  Sekte.  Sulpicius 
farver.  Chron.  2,  46,  2  (p.  99  Halm)  primus  eam  (die  H&rede)  intra  Hispanicis  Marcus  intulit, 
äegjfpio  profectuSf  Memphi  artus.  huius  auditares  fuere  Ägape  quaedam,  non  ignobilis  mu- 
itr,  et  rhetor  Helpidius  (vgl.  auch  y)  .  ab  his  Priscillianus  est  institutus.  ß)  Beginn  der 
Verfolgung.  2f  46,  7  (p.  100  H.)  iamque  paulatim  perfidiae  istius  tabes  pleraque  Hispaniae 
90rvaserat,  quin  et  nonnuUi  episcoporum  depravati,  inter  quos  Instantius  et  Salvianus  Pris- 
fiOianum  non  solum  consensione,  sed  sub  quadam  etiam  coniuratione  suseeperant,  quoad 
EFjß^nus,  episcopus  Cordubensis,  ex  vicino  agens,  comperta  ad  Ydacium  Emeritae  sacerdottm 
f^trrei,  y)  Concil  von  Saragossa  (380).  %  47,  1  apud  Caesaraugustam  sgnodus  con- 
pregatur,  cui  tum  etiam  Aquitani  episcopi  interfuere.  verum  haeretici  committere  se  iudicio 
«Of»  ausi:  in  absentes  tarnen  lata  sententia  damnatique  Instantius  et  Salvianus  episcopi, 
EMpidius  et  Priscillianus  laici.  additum  etiam  ut,  si  qui  damnatos  in  communionem  rece- 
9is9ei,  sciret  in  se  eandem  sententiam  promend<im,  atque  id  Ithacio  f  Sossubensi  episcopo 
m^otium  datum,  ut  decretum  episcoporum  in  omnium  notitiam  deferret  et  maxime  Hyginum 
factra  communionem  faceret,  qui,  cum  primus  omnium  insectari  palam  haereticos  coepisset, 
wamUa  turpiter  depravatus  in  communionem  eos  recepisset,  Schwierigkeiten  macht  die  Unter- 
icheidung  der  beiden  Bischöfe  mit  den  ähnlichen  Namen;  wir  folgen  hier  der  WOrzburger 
äandschnft,  welche  den  Bischof  von  Emerita  Hydatius  nennt  (vgl.  z.  B.  p.  40,  12  Seh.),  den 
inderen  Verfolger  Itacius  (p.  23,  24),  der  nach  wahrscheinlicher  Vermutung  (vgl.  Halm  zur 
Stelle)  als  episcopus  Ossonubensis  zu  bezeichnen  ist.  d)  Weihe  des  Priscillian  zum 
Bischof.  2,  47,  4  Instantius  et  ScUvianus  ....  Priscülianum  etiam  laicum  ....  episcopum 
Im  AbUensi  oppido  constituunt,  s)  Das  Dekret  Gratians  gegen  die  Priscillianisten. 
^  47,  6  (p.  101)  Ydacio  supplicante  elicitur  a  Gratiano  tum  imperatore  rescriptum,  quo  uni- 
ferai  haeretici  excedere  non  ecclesiis  tantum  aut  urbibus,  sed  extra  omnes  terrae  propelli  iube- 
b€Mtur.  C)  Reise  der  Bischöfe  Instantius,  Salvianus  und  Priscillianus  nach 
ftom.  2,  48, 1  Instantius,  Salvianus  et  Priscillianus  Romam  profecti,  ut  apud  Damasum,  urbis 
Mi  tempestate  episcopum,  obiecta  purgarent  ....  hi  ubi  Romam  pervenere,  Damaso  se  pur- 
fore  cupienteSf  ne  in  conspectum  quidem  eius  admissi  sunt,  regressi  Mediolanum  aeque  ad- 
persantem  sibi  Ambrosium  reppererunt.  tj)  Das  Eingreifen  des  Macedonius.  2,48,5 
tarrupto  Macedonio,  tum  magistro  officiorum,  rescriptum  eliciunt,  quo  calcatis,  quae  prius 
üUeretä  erant,  restitui  ecclesiis  iubebantur.  ^)  Eingreifen  des  Usurpators  Maximus. 
K,  49,  6  (p.  102)  ubi  Maximus  oppidum  Treverorum  victor  ingressus  est,  ingerit  (Itacius)  preces 
plenas  in  Priscillianum  ac  socios  eius  invidiae  atque  criminum,  quibus  permotus  imperatar, 
äatia  ad  praefectum  Oalliarum  atque  ad  vicarium  Hispaniarum  litteris,  omnes  omnino, 
quos  labes  illa  involverat,  deduci  ad  synodum  Burdigalensem  iubet.  ita  deducti  Instantius 
ei  PrisciUianus  ....  Priscillianus  ....  ad  principem  provocavit,  i)  Verurteilung  Pris- 
cillians. 2,  50,  8  (p.  103)  is  (praefectus  Evodius)  Priscillianum  gemino  iudicio  auditum  con- 
pictum  que  maleficii  nee  diffitentem  obscenis  se  studuisse  doctriniSj  nocturnos  etiam  tur- 
pium  feminarum  egisse  conventus  nudumque  orare  solitum,  nocentem  pronuntiavit  redegitque 
in  eustodiam,  donee  ad  principem  referret,  gesta  ad  palatium  delata  censuitque  Imperator, 
Priscillianum  sociosque  eius  capite  damnari  oportere  ....  Latronianus  quoque  et  Euchrotia 
^adio  perempti.  Die  Hinrichtung  der  Euchrotia  streift  der  Panegyriker  Latinius  Pacatus 
Drepanius  in  seiner  Rede  auf  'Hieodosius  (p.  297  B.):  de  virorum  mortibus  loquor,  cum 
descensum  recorder  ad  sanguinem  feminarum  et  in  sexum  cui  bella  parcunt  pace  saevUum? 
9ed  nimirum  graves  suberant  invidiosaeque  causae  ut  unco  ad  poenam  clari  vatis  matrona 
mperetur.  obiciebatur  enim  atque  etiam  probabatur  mulieri  viduae  nimia  religio  et  dili- 
gentius  cuUa  divinitas.    Vgl.  noch  vita  S.  Martini  20,  1—7;  dial.  2  (3),  11—13. 

Zur  Charakteristik  des  Priscillian.  Sulpicius  Sever.  Chron.  2,  46,  3  p.  99  Halm 
{Priscillianus)  familia  nobiJis,  praedives  opibus,  acer,  inquies,  facundus,  multa  Uctione 
eruditus,  disserendi  ac  disputandi  promptissimus,  felix  profecto,  si  non  pravo  studio  corru- 
pisset  Optimum  ingenium:  prorsus  multa  in  eo  animi  et  corporis  bona  cerneres,  vigilare 
mvUum,  famem  ac  sitim  ferre  poterat,  habendi  minime  cupidus,  utendi  parcissimus,  sed 
idem  vanissimus  et  plus  iusto  inflatior  profanarum  rerum  scientia:  quin  et  magieas  artes 
a5  adolescentia  eum  exercuisse  creditum  est, 

Aeltere  Litteratur.    P.  Th.  Cacciari,  De  Priscillianistannr  ^ 
Rom  1751  =  Migne,  Patrol.  lat.  55  Sp.  991;  S.  van  Vries,  De  P^ 
fotis,  doctrinis  et  moribus,   Utrecht  1745;  Lfibkert,  De  haami  t^ 
hagen  1840(1841);  J.  M.  Mandernach,  Gesch.  des  PmcSOInto 


340 


PrisoiUian  und  die  Priseilliaiiisten.    (§  952.) 


navs,   üeber  die  Chronik  des  Sulpicias  SeveruB,  Berl.  1861,  p.  5  =  Gea.  Abh.  2  (1&^) 
p.  87;  Garns,  Die  Eirchengesch.  von  Spanien  2.  Bd.  1.  Abt.  (Regensb.  1864)  p.  359. 

952.  Die  Ganones  zu  den  Briefen  des  Paulus.  Ein  Unbekannto 
hatte  Prisciliian  aufgefordert,  gegen  die  Häresien  eine  Streitschrift  ab> 
zufassen.  Dabei  wollte  er  nicht  ein  rhetorisches  oder  dialektisches  Werk 
haben,  sondern  meinte,  dass  die  ketzerischen  Ansichten  ihre  beste  Wider* 
legung  durch  das  Schriftwort  fänden,  da  an  demselben  die  Schlauheit  ia 
Häretiker  unbedingt  scheitern  müsse.  Prisciliian  kam  diesem  Auftrag  n 
folgender  Weise  nach.  Als  Schriftwort  legte  er  die  14  paulinischen  Bri^ 
zu  Grunde;  diese  Briefe  ging  er  nach  den  verschiedensten  Seiten  dei 
Glaubens  und  des  kirchlichen  Lebens  durch,  indem  er  jeden  Brief  zugleidi 
in  Sektionen  zerlegte.  Nachdem  das  Schriftwort  in  dieser  Weise  durck- 
gearbeitet  war,  handelte  es  sich  darum,  totioi  zu  konstituieren  und  unter 
jeden  ronog  das  auf  ihn  bezügliche  in  den  verschiedenen  Briefen  zerstreute 
Material  zusammenzuarbeiten ;  soweit  es  möglich  war,  schloss  er  sich  in 
der  Fassung  möglichst  an  den  Wortlaut  der  biblischen  Stellen  an.  La 
ganzen  erhielt  er  90  ron-oi,  die  er  „Ganones"  nannte;  jedem  Canon  fagte 
er  die  verwerteten  Bibelstellen  in  Ziflfernbezeichnungen  bei.  *)  Das  Wöi 
repräsentiert  uns  einen  Abriss  der  paulinischen  Theologie,  durch  den  der 
Kern  der  göttlichen  Wahrheiten  herausgestellt  wird  und  ohne  eigentlicbe 
Polemik  den  Häresien  einfach  gegenübertritt.  Die  Ganones  fanden  in  Bibel- 
handschriften Verbreitung,  zumal  da  sie  auch  unter  dem  Namen  des  Hiero- 
nymus  umliefen;  sie  dienten  als  eine  gute  Einleitung  zu  den  paulinischen 
Briefen.  Selbst  das  Bekanntwerden  des  wahren  Autors  konnte  die  Sammlung 
der  Ganones  nicht  dem  Untergang  zuführen ;  doch  hielt  man  es  für  geboten, 
eine  von  allen  heterodoxen  Ansichten  gereinigte  Ausgabe  herzustellen.  Ein 
uns  nicht  näher  bekannter  Bischof  Peregrinus  nahm  diese  Umarbeitung  vor. 
und  nur  in  dieser  umgearbeiteten  Gestalt  ist  uns  die  Sammlung  erhalten. 

Ausser  den  Ganones  war  noch  eine  Stelle  über  die  menschlichen  Seelen 
bekannt,  die  Orosius  in  seinem  Commonitorium  de  errore  Priscillianistarura 
et  Origenistarum  aus  einem  Briefe  Priscillians  wörtlich  angeführt  hatte.*) 

Die  Veranlassung  der  Ganones  erhellt  aus  dem  Prolog  (p.  110):  postularerai. 
ut  contra  haereticorum  versutam  fallaciam  firmissimum  aliquod  propugnaculum  in  dirinit 
scripturis  sagaci  indagine  reperirem,  quod  noti  tarn  prolixum  vel  fastidiosum  esset  qua» 
concinnum  ac  venustutn  existeret,  per  quod  velocius  eorum  prosterneretur  inpudentia,  qw 
obiecta  sibi  verissima  testimonia  in  suum  pravissimum  sensum  ea  interpretari  nituntw 
aut  certe  negent  Jiaec  esse  scripta.  Ideoque  contra  eos  tale  aliquid  excogitandnm  «» 
diciSy  quod  non  versuta  oratoris  eloquentia  turgescat  vel  luhricis  dialecticae  syüogism 
inrolvatur,  nam  haec  quibusdam  viaxima  solent  esse  perfugia,  sed  tale  sit  vis,  quod  men 
f>eritate  effulgeat  atque  mira  constet  scripttirarum  auctoritate.  Ula  vero  vitari  debtr( 
quae  sunt  spiritali  et  innocuae  fidei  Christianae  contraria  atque  inimica,  quippe  qm< 
mundi  cxistens  sapientia  ab  apostolo  sit  stultitia  nuncupata. 

Die  Ausführung  des  Vorschlags.  Auf  die  Vorschläge  des  Ungenannten  ent- 
gegnet Prisciliian  folgendes  (p.  110):  haec  te  saepissime  audiens  et  alia  his  similia  «ih 
scribente  e  re  mihi  vi.sum  est  ipsas  scripturas  in  medio  positas  idest  quattuordecim  epi- 
stulds  beatissimi  Pauli  apostoli  in  earum  textu  sensus  testimoniorum  disiinguere  ipsisqut 
testimoniis  numeros  ordinäre,  quosque  numeros  unicuique  epistularum  ah  uno  incipi(v 
itsque  in  finem  quantitatis  suae  viodum  sequaciter  atramenfo  supemotare.  Praeterm  a 
ipsifi  testimoniis  quacdam  verba   decerpens   canones  iisdem  concinnavi  saporibtis  ipson» 


^)  Die  regelmässige  Form  der  Einleitung 
geschieht  durch  quin,  wodurch  die  Canones 
zugleich  den  Charakter  von  Inhaltsangaben 


erhalten. 

2)  Vgl.  Schepss,  Ausg.  p.  153. 


Priaoillian  und  die  PrlBoUlianiBten.    (§  953.)  341 

^BÜnumiorum  canstantes,  Quibus  canonibua  epi8t%Uarum  titulos  et  ipsorum  UsHmoniarum 
uwneros  stU)ter<idnotam,  ut  übt  vel  quotum  quaeres  tesHmonium,  per  ewndem  canonem  cui 
See  8ubdüa  sunt  faciüime  reperias,  Ipsi  autem  canones  proprios  habent  numeros  mineo 
99eripto8  idest  in  quatttiordecim  episttUas  canones  nonaginta;  quosque  numeros  in  omnem 
aetMm  scripturae  convenientibus  sd)i  testimonüs  supemotcUos  invenies  iUic  viddicet,  unde 
f^iemque  canoni  pauca  verba  necessaria  esse  vident%tr.  Cur  autem  non  omne  testimonium 
tismdeat  canon,  soUerti  studio  animadverte,  qtUa  eadem  testimonia  ex  mtUtis  versibus 
9mstant,  canones  autem  ex  paucis  verbis  eo  quod  semper  ad  respondendum  pauca  verba 
roferantur,  Ideoque  evenit,  ut  cUiguortmi  testimoniorum  principia  tantum  cum  canone 
IM  9%tbdita  sunt  conveniant,  aliorum  autem  medietas,  nonnuüorum  vero  finis,  plerumque 
l4um.  Et  idcirco  duorum  vel  irium  seu  plurimorum  canonum  numerum  in  unum  testi- 
lanmm  mineo  supemotcUum  invenies,  ut  iam  dixi,  ülic  tamen  unde  pauca  verba  um- 
Hique  vident%ir  esse  necessaria. 

Die  üeberarbeitung  durch  Peregrinus.  Das  Prooemiuin,  das  im  Cavensis  an- 
jaftthrt  wird  als  Prooemium  sancti  Peregrini  episcopi  in  epistolis  Pauli  Apostoli,  lautet 
p.  109  Seh.):  prologum  subter  adiectum  sive  canones  qui  subsecuntttr  nemo  putet  ab  Hiero- 
>ymio  facios,  sed  potius  a  Priscüliano  sciat  esse  conscr^tos.  Et  quia  erant  ibi  plurima 
€Ude  necessaria,  correctis  his  quae  pravo  sensu  posita  fuerant  aliay  ut  erant  utÜiter  or- 
\i9uUa,  prout  oportebat  inteüegi  iuxta  sensitm  fidei  catholicae  exemplavi.  Quod  probare 
Hfterit  qui  vel  ülud  opus  quod  ipse  iuxta  sensum  suum  male  in  cdiquibus  est  interpretatus 
UsctMserit  vel  hoc  quod  sanae  doctrinae  redditum  est  sagaci  mente  perlegerit.  Wer  dieser 
Peregrinus  war,  kann  nicht  festgestellt  werden;  vielleicht  verbirgt  sich  unter  dem  Namen 
lo^^ar  ein  Anonymus;  vgl.  Schepss,  Ausg.  p.  179.  üeber  die  Veränderungen,  die  Pere- 
pnnos  vorgenommen,  vgl.  denselben  p.  XLI;  Paret  p.  6. 

üeberlieferung.  Für  die  Restituierung  des  Textes  wurden  von  Schepss  (p.  XXX) 
Mixende  Handschriften  herangezogen:  cod.  Cavensis  14  s.  IX  (in  der  Abtei  La  Cava  bei 
Smlemo),  Legionensis  der  Domkirche  in  Leon  (Spanien)  6  s.  X,  Legionensis  des  Real  cole- 
pata  de  San  Isidro  s.  X,  Toletanus,  jetzt  in  Madrid  s.  X,  Parisinus  9380,  olim  Mesmianus 
I.  IX,  mit  dem  der  cod.  Aniciensis  in  Le  Puy  aufs  engste  zusammenhängt,  Vaticanus  5729, 
ilim  Farfensis  s.  X,  Pistoriensis  151  s.  X/XI,  Lipsiensis  13  s.  Xlll/XiV ;  über  andere  Hand- 
idiriften  vgl.  Schepss  p.  XXXVI.  Als  die  besten  Führer  erachtet  Schepss  (p.  XL)  den 
[Cavensis  und  Legionensis  6. 

Ausgaben  der  Canones.  Herausgegeben  wurden  die  Canones  von  Zacharia  in 
ler  bibliotheca  Pistoriensis,  Turin  1752,  p.  67;  von  A.  Mai,  Spicilegium  Romanum  9  (1843); 
Schepss  p.  109. 

Zur  Erläuterung.  Paret  (p.  1)  fasst  die  Canones  als  eine  gegen  eine  manichäische 
iTorlage  (p.  65)  gerichtete  Streitschrift;  vgl.  dagegen  Hilgenfeld  p.44. 

Orosius  und  Augustin  als  Bestreiter  des  Priscillianismus.  Um  415  schrieb 
[>ro8iiis  Ad  Aurelium  Augustinum  commonitorium  de  errore  Priscillianistarum  et  Origeni- 
llanmi,  welches  Schepss  auf  Grund  der  Codices  Laudunensis  330  s.  IX  und  Parisinus  2093 
1.  "XTTI  in  seiner  PriscilHanausgabe  (p.  151)  neu  herausgab.  An  dieses  Commonitorium  schliesst 
■ich  Augustins  Schrift  Ad  Orosium  contra  Priscillianistas  et  Origenistas  an. 

953.  Die  Würzburger  Traktate  Priscillians.  In  der  Würzburger 
dniversitätsbibliothek,  die  an  patristischen  Handschriften  ziemlich  reich- 
haltig ist,  befindet  sich  ein  Codex  aus  dem  5.  oder  6.  Jahrhundert,  der 
11  Traktate  kirchlichen  Inhalts  enthält,  aber  keinen  Autornamen  für  diese 
[Produkte  angibt.  Diese  Handschrift  erregte  bereits  die  Aufmerksamkeit 
des  verstorbenen  Oberbibliothekars  A.  Ruland;  er  fertigte  sich  eine  Copie 
und  trug  sich  wahrscheinlich  mit  dem  Gedanken  an  die  Herausgabe  der 
Traktate ;  allein  er  kam  nicht  dazu.  Aus  seinem  Nachlass  kam  die  Copie 
an  den  berühmten  Theologen  Döllinger  in  München,  aber  auch  er  gab 
nichts  von  derselben  an  die  Oeffentlichkeit ;  doch  bezeichnete  er  Priscillian 
als  Verfasser,  wie  dies  von  dem  norwegischen  Gelehrten  Caspari  bezeugt 
wird.  Feststeht  also,  dass  geraume  Zeit  vor  der  editio  princeps  Priscillian 
als  Verfasser  der  Traktate  hingestellt  wurde,  sei  es  dass  Ruland,  sei  es 
dass  Döllinger  zuerst  diese  Combination  vornahm.  Allein  im  Jahre  1885 
stiess  auch  Schepss,  ein  strebsamer  und  eifriger  Gelehrter,  auf  die 
Würzburger  Handschrift  und  gab  die  Traktate,  die  er  ebenfalls  dem  P 


; 


342  Prifloillian  und  die  PriseimanisteB.    (§  958.) 

cillian  zuschrieb,  im  Jahre  1889  heraus.    Um  die  Autorschaft  der  May 
nymen  Traktate  festzustellen,  müssen  wir  von  dem  zweiten  Traktat  an»- 
gehen,  der  an  Papst  Damasus  (366 — 384)  gerichtet  ist.      Durch  dies« 
Traktat  werden  wir  auf  historischen  Boden  gestellt.     Geistliche,  die  tqo 
dem  spanischen  Bischof  Hydatius  aus  Emerita  wegen  Häresie  verfolgt 
werden,  rufen  die  Vermittlung  des  Papstes  an;  dies  geschieht  nach  doi 
Goncil  von  Saragossa,  also  nach  380.    Nun  erfahren  vrir,  dass  Instantiiig, 
Salvianus  und  Priscillian  sich  nach  der  Synode  von  Saragossa   nach  Roa 
begeben  haben,  um  die  Entscheidung  des  Papstes  in  ihrer  Sache  anzurofeD. 
Der  gleich  zu  Anfang  des  Traktats  genannte  Hydatius  ist  uns  ab  Verfolg« 
der  Priscillianisten   auch  aus  Sulpicius  Severus  bekannt.      Ebenso  wisaa 
wir  aus  dessen  Chronik  (2,  47,  3),  dass  der  im  zweiten  Traktat  (40,  1;  41,  &) 
genannte  Hyginus  in  die  priscillianischen  Händel  verflochten  war;  endliek 
erfahren  wir  aus  derselben  Quelle  (2,  48,  4),   dass  der  im  Traktat  (41, 2) 
genannte  Ambrosius  Priscillian  gegenüber  Stellung  nahm.      Nach  dieses 
historischen  Daten  muss  man  den  Schluss  ziehen,  dass  der  zweite  Traktit 
aus  dem  Kreise  der  Priscillianisten  stammt.     Nun  kennen  wir,  wie  bereits 
hervorgehoben,  die  Personen,  welche  in  der  priscillianischen  Angelegenheit 
sich  nach  Rom  wandten;   eine   dieser  drei  Personen   muss   der  Verfasser 
der  Eingabe   sein.     Von    vornherein   ist   es   höchst  wahrscheinlich,  das 
das  Haupt  der  Bewegung  auch  die  Rechtfertigungsschrift  verfasst  hat;  es 
kommt  hinzu,  dass  Priscillian  als  Schriftsteller  von  Hieronymus  bezeugt  ist, 
während  dies  bei  Instantius   und  Salvianus  nicht  der  Fall  ist.     Nur  eis 
Zeugnis  spricht  dagegen:   Priscillian   wird  bei  Sulpicius  Severus  facundus 
genannt;^)  aber  kein  Prädikat  passt  weniger  auf  den  Verfasser  des  zweiten 
Traktates   als   dieses.     Das  Schriftstück  ist  in   einem   elenden  Latein  ge- 
schrieben,  zeigt  keine   Gewandtheit    und  Durchsichtigkeit   des   Stils  und 
verrät  nirgends   eine  höhere  Bildung  des  Autors.     Auch    das  zweite  Prä- 
dikat,  das  Sulpicius   dem  Priscillian   zuerkennt,   disserendi   ac    disputandi 
promptissimus,    findet  in    unserem   Traktat  keine  wirksame   Bestätigung. 
Aus  dieser  Schwierigkeit  können  wir  uns  durch  die  Annahme  helfen,  dass 
die  Charakteristik  des  Sulpicius  Severus,  soweit  die  litterarische  Thätigkeit 
in  Frage  kommt,  eine  oberflächliche  und  denThatsachen  nicht  entsprechend« 
ist.     Auch  der  erste  Traktat  ruht  sichtlich  auf  dem  Fundament  der  pris- 
cillianischen Bewegung;  schon  der  aus  derselben  sattsam  bekannte  Itacins 
ist  ein  genügender  Beleg  hiefür.    Wenn  der  zweite  Traktat  von  Priscillian 
herrührt,   so  muss  auch  der   erste  sein  Eigentum  sein.     Mit    dem  dritten 
Traktat,   der  über  die  Benutzung  der  apokryphen  Bücher  handelt,   haben 
wir  keinen  historischen  Boden  mehr  unter  den  Füssen;  es  fehlen  geschicht- 
liche Thatsachen.     Doch   wird  der  Zusammenhang  mit  den   zwei  anderen 
Traktaten  dadurch  hergestellt,  dass  auch  diese  die  Apokryphenfrage  nicht 
unberücksichtigt  gelassen  haben.  2)    Es  treten  noch  innere  Kriterien  hinzu, 
welche  für   den   priscillianischen  Ursprung   sprechen;    diese    inneren  Kri- 
terien kommen  allein  zur  Anwendung  in  den  Traktaten  IV — XI,  da  in  den- 
selben auf  die  Wirren   nicht  eingegangen  wird  und  überhaupt  historische 

1)  Chron.  2,  46,  3  (p.  99  H.).  |  *)  30,  11;  41,  21. 


Prisoillian  und  die  Prisoillianisten.  (§  958.)  343 

Bpielungen  fehlen.  Wenn  wir  nun  finden,  dass  in  diesen  Traktaten 
Beiben  Reihen  von  Bibelstellen,  weiterhin  gleiche  Anschauungen  und 
ianken,  endlich  dieselbe  Ausdrucksweise  uns  entgegentreten,  wie  in  den 
lones,  dem  orosianischen  Fragment  und  den  Traktaten  I  und  II,  so 
rden  wir  das  ganze  Würzburger  Corpus  mit  Priscillian  in  Verbindung 
zen  dürfen. 

Die  Autorschaft  der  Traktate.  Ueber  das  Verhilltnis  Döllingers  and  Ra- 
ds, der  zwar  nicht  genannt  ist,  aher  der  Natur  der  Sache  nach  allein  gemeint  sein  kann, 
die  Mitteilungen  des  norwegischen  Gelehrten  Caspari  bei  Schepss,  Priscillian,  ein 
aufgefundener  lat.  Schriftsteller  des  4.  Jahrhunderts  p.  12.  Zweifelhaft  erscheint  mir, 
Döllinger,  wie  Schepss  annimmt,  oder  Ruland  zuerst  den  Namen  Priscillians  mit 
»en  Traktaten  in  Verbindung  gebracht  hat.  Zur  Begründung  der  Autorschaft  Priscillians 
.  Schepss  1.  c.  p.  11  Anm.  2.  Einwendungen  erhoben  in  der  Autorfrage  E.  Michael 
;.  Jes.)  in  der  Zeitschr.  fOr  kathol.  Theol.  1892  p.  692  und  Sittl,  Bursians  Jahresber. 
Bd.  2.  Abt  (1889)  p.  44;  68.  Bd.  2.  Abt.  (1891)  p.  267.  Gegen  die  Aufstellungen  der 
ien  Gelehrten  verteidigte  sich  Schepss  in  der  Abh.  Pro  Priscilliano  p.  128;  hier  (p.  130) 
it  Schepss  seine  Ansicht  über  die  Autorschaft  in  folgende  Worte  zusammen:  «Wer 
Bt  soll  denn,  in  der  Zeit  nach  dem  in  tr.  II  mehrfach  genannten  Goncil  von  Saragossa 
.  vor  dem  Tode  des  Damasus,  also  zwischen  380  und  384,  wer  soU,  als  Bischof 
Spanien  kommend,  als  erklärter  Feind  des  Hydatius,  und  als  solcher  auch  bei  Am- 
sius  verdächtigt,  als  Freund  des  Symphosius  und  Hyginus,  welch  letzterer  nach  Sulp. 
.  aus  einem  Verfolger  ein  Beschülzer  des  Prise,  wurde,  wer  sonst  ausser  Prise,  auf 
alle  im  Traktat  gegebenen  Umstände  und  auch  der,  dass  Redner  erst  als  Mann  die 
ife  empfing,  ungezwungen  passen,  soll  so  als  beredter  Verteidiger  einer  angefein- 
3n  Gemeinde  in  Rom  an  den  Papst  Damasus  appelliert  haben?"  Was  die  Einwen- 
gen  Michaels  anlangt,  so  rügen  sie  die  Mangelhaftigkeit  der  Beweise,  die  Schepss 
»einem  Vortrage  vorbringt;  allein  diese  Mängel  hat  der  Herausgeber  in  seinem  Aufsatz 
o  Priscilliano**  gründlich  beseitigt.  Die  Abhandlung  Michaels  hat  wegen  ihres  stark 
nalistischen  Charakters  keine  Förderung  der  Frage  gebracht;  vgl.  Merkle,  Der  Streit 
r  Priscillian  (Theolog.  Quartalschr.  78  (1896)  p.  631).  Beachtenswerter  scheinen  die 
wände  Sittls  zu  sein,  der  den  Beweis  der  Autorschaft  für  Traktat  1  und  II  erbracht 
ibt,  dagegen  dies  für  die  Traktate  III — XI  leugnet,  indem  er  noch  hervorhebt,  dass  in 
ktat  III  eine  andere  Sprache  herrsche.  Aber  auch  diese  Einwendungen  sind  in  dem 
aatz  «Pro  Priscilliano"  stichhaltig  widerlegt  worden;  vgl.  die  gleichen  Citatenreihen,  die 
den  angezweifelten  Traktaten  ebenso  wie  in  Traktat  1  und  II  und  in  den  Canones  er- 
Binen  (p.  134;  p.  136);  über  die  Gleichheit  von  Wendungen  in  der  Stelle  des  Orosius 
in  den  angezweifelten  Traktaten  vgl.  p.  137;  über  Gleichheit  der  Gedanken  in  den 
Jichen  und  in  den  unzweifelhaft  priscillianischen  Schriften  vgl.  p.  141 ;  über  die  Gleich- 
;  des  Stils  und  der  Sprache  vgl.  p.  142;  Archiv  für  lat.  Lexikographie  3  (1886)  p.  309  Anm. 

Allgemeine  Litteratur.  Schepss,  Priscillian,  ein  neuaufgefundener  lat.  Schrift- 
ler des  4.  Jahrhunderts,  Würzb.  1886;  H.  Haupt,  Priscillian,  seine  Schriften  und  sein 
zess  (Gorrespondenzblatt  der  westdeutschen  Zeitschr.  für  Gesch.  und  Kunst  8  (1889)  No.  4 
96);  Puech,  Journal  des  savants  1891  p.  110,  p.  243,  p.  307;  Schepss,  Pro  Priscilliano 
ien.  Stud.  15  (1893)  p.  128). 

Die  Theologie  Priscillians.  Fr.  Paret,  Priscillianus,  ein  Reformator  des  vierten 
rhunderts,  Würzb.  1891  (verfehlt,  da  er  den  Priscillian  zu  einem  Bekämpfer  des  Mani- 
eismus macht).  Gegen  ihn  wendet  sich  Hilgenfeld,  Priscillianus  und  seine  neuent- 
kten  Schriften  (Zeitschr.  für  wiss.  Theol.  35  (1892)  p.  1).  Sehr  verständig  handelt  über 
Theologie  Priscillians  auch  Loofs,  Theolog.  Litteraturzeitung  1890  Sp.  9;  vgl.  auch 
Moeller,  Lehrb.  der  Eirchengesch.  1  (Freib.  i.  B.  1889)  p.  463;  0.  Riemann,  Priscil- 
us,  ein  Reformator  des  4.  Jahrhunderts  (Protest.  Eirchenzeitnng  1891  No.  24/25);  Künstle, 
e  Bibliothek  der  S^bole  und  theolog.  Traktate  zur  Bekämpfung  des  Priscillianismus 
westgotischen  Ananismus  aus  dem  6.  Jahrh.  (Forschungen  zur  christl.  Litteratur-  u. 
^mengesch.  1,  4,  Mainz  1900);  Fr.  Lezius  stellt  PrisciUianstudien  in  Aussicht. 

Die  üeberlieferung.  Der  betreffende  Würzburger  Codex  trägt  die  Signatur  Mp. 
q.  3  s.  V/VI;  derselbe  ist  durch  zwei  grössere  Lücken  entstellt;  die  erste  hat  den  An- 
%  des  dritten  Traktates  verschlungen,  die  zweite  den  Schluss  des  achten  und  den  An- 
;  des  neunten  Traktates;  vgl.  Schepss,  Ausg.  p.  XII.  Vielleicht  enthielten  diese  Quater- 
len  anstössige  Stellen.  Interessant  ist  die  Subscriptio  von  Traktat  III:  Finit,  incipü 
rtcUus  paschae.  lege  felix  Amantia  cum  tuis  in  Christo  ihesu  domino  no8t\r6\.  Dieses 
antia  wurde  ausradiert  und  durch  eine  tironische  Note  ersetzt,  welche  Schmitz  dorr 
lantius'  oder  'Amins'  auflöst.  Stammt  diese  Anrede  von  Priscillian  her,  so  hat  er  weoj 


344  Prisoillian  und  die  PriBoUlianisten.    (§  954.) 

Btens  einen  der  folgenden  Traktate  an  eine  Frau  gerichtet;  dass  Franen  zu  seinen  ^"^*«bw 
gehörten,  ist  hekannt. 

Ausg.  Editio  pnnceps  von  G.  Schepss,  PrisciUiani  qoae  anpersont;  acceditOrNi 
commonitorium  de  errore  PriscillianiBtanun  et  Origenistamm  (Corpns  Script.  eccle8.1at  ?qL1^ 
Wien  1889). 

954.  Die  Streitschriften  Priscillians.    Unter  den  elf  überliefeitei 
Traktaten  sind  am  wichtigsten  die  drei  Streit-  oder  Rechtfertigungsschriflei, 
weil   sie  die  priscillianische  Bewegung  von  einer  anderen  Seite  aus  ar 
Darstellung  bringen.     In  den  Anfang  der  Wirren  scheint   der  dritte  a 
Anfang  verstümmelte  Traktat  zu  gehören,  der  über  die  Apokryphen  haoddt 
Die  Priscillianisten  hatten  nämlich  nicht  bloss  die  canonischen,  sooden    j 
auch  aussercanonische  Bücher  benutzt,  also  den  Kreis  der  GlaubensqueDfli    [ 
weiter  gezogen.     Selbstverständlich  musste  die.  orthodoxe  Kirche  dagega 
reagieren.  ^     Zu  seiner  Rechtfertigung  führt  Priscillian  aus,  dass  schon  ii 
der  hl.  Schrift  der  Gebrauch  aussercanonischer  Schriften  nachweisbar  sei;*) 
indem  er  aber  zugeben  muss,  dass  die  Apokryphen  mitunter  auch  Häre- 
tisches enthalten,   zieht  er  sich  den  Boden  unter  den  Füssen  weg.^)    Dv 
zweite  Traktat  ist  eine  Denkschrift,   welche   die  Priscillianisten  mit  Em- 
pfehlungsschreiben ihrer  Gemeinden  an  Papst  Damasus  in  Rom  richtete, 
wohin  sie  sich  persönlich  begeben  hatten.     Der  Verfasser  der  Denkschrift 
ist  natürlich  Priscillian  selbst.     Zwei  Punkte  sind  es,   welche   die  Priacfl- 
lianisten  dem  römischen  Bischof  klar  zu  legen  suchen;   einmal  wollen  äe 
erweisen,  dass  sie  ganz  auf  katholischem  Standpunkt  stehen,  dann  wolla 
sie   die  Vorgänge  seit  der  Synode  von  Saragossa   und   die  Umtriebe  im 
Bischofs  Hydatius   ins  rechte  Licht  rücken;  sie  verlangen,   dass   man  sie 
vor  Gericht   stelle   und  die  vorgebrachten  Anschuldigungen  erweise;  denn 
bisher  seien   sie   keines  Vergehens  überführt  worden.     Die  letzte  Recht- 
fertigungsschrift richtet   sich   im   Namen   einer  Mehrheit    wieder  an  eine 
Mehrheit  und  widerlegt  wiederum  die  gegen  die  Priscillianisten  erhobenen  | 
Anschuldigungen ;  diese  beziehen  sich  auf  Glaubenssätze  und  auf  den  Ge- 
brauch von  Apokryphenbüchern.   Daneben  erscheint  ein  ganz  neuer  Vorwurf, 
nämlich  dass  die  Priscillianisten  der  Magie  ergeben  seien.*)    Wie  der  Schluss 
zeigt,  wendet  sich  die  Eingabe   an   einen  Verein  von  Bischöfen,    d.  h.  an 
eine   Synode,   welche   die  Anschuldigungen   als  unbegründet   erklären  soll 
Die  Annahme  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  Rechtfertigungsschrift  for 
die  Synode  von  Bordeaux  (384)  bestimmt  war,  zumal  da  aus  dem  Anfang 
des  Traktats  deutlich  erhellt,  dass  schon  Rechtfertigungsschriften,  wie  die 
des  Tiberianus  und  Asarbus,  vorausgegangen  waren.     An  dieselbe  richtet« 
sich  vermutlich   eine   Streitschrift   des   Bischofs  Itacius,   in    der    ebenfaDs 
die    magischen   Künste    (maleficiorum    artes)    der    Priscillianisten    hervor- 
gehoben   waren.      Unser   Traktat   hat   oflFenbar   diese  Schrift  des  Itacius, 
der  ausdrücklich  als  Ankläger  genannt  wird,^)  im  Auge. 

Es  ist  nicht  zweifelhaft,   dass   durch   diese  Rechtfertigungsschriflen 

^)    Hier    galt    der   Grundsatz    (p.  53,  4)  ')  Es  ist   nicht  durchschlagend   für  die 

ultra  nihil  quacras!  sufficit  te  Uijere  quod  kirchlichen  Kreise,  wenn  er  sagt  (p.  56,  lli: 

in  canone  scrihtum  (sie)  est.  sed  nee  propter  nequitias  pessimorum  pro- 

')  p.  50,  18  ef  hacc  scripta  in  libris  ca-  '  phetia  damnanda  sanctorutn  est. 
noyüs  nan   leiiimus,   sed   recepta   a   canone  \  *)  Vgl.  23,  22. 

conprobamus.  \  ß)  Vgl.  23,  24. 


PriBoillian  und  die  PrisdllianiBten.    (§  954.)  345 

Sache  Priscillians  in  mancher  Beziehung  in  ganz  anderem  Lichte  er- 
ieint  als  bei  Sulpicius  Severus  ^)  und  dass  die  Darstellung  dieses  Historikers 

fiehr  als  einmal  korrigiert  werden  muss;   so  ist  z.  B.   eine  Verurteilung 

PHscillians  und  seiner  Genossen  auf  der  Synode  von  Saragossa  eine  un- 

e  Behauptung  des  Hauptgegners  Hydatius ;  das  Conzil  hatte  sich  nur 

allgemein  gegen  Auswüchse  des  Asketentums  und  gegen  das  Gon- 

^Irentikelwesen  ausgesprochen,  ohne  einen  Namen  zu  nennen ;  auch  scheint 
---s|bus  Eintreten  des  Itacius  in  diese  Wirren  zu  früh  angesetzt  zu  sein.  Wahr- 
,.,::^Mll6inlich  steht  also  die  Erzählung  des  Sulpicius  Severus  in  Abhängig- 
^jlMt  von  der  Darstellung  wie  sie  Hydatius  gegeben;  jedenfalls  darf  der 
^^iHlBtoriker,  der  die  Eirchengeschichte  des  Jahres  380  erzählen  will,  die 
>;^|priBcillianischen  Traktate  nicht  ausser  acht  lassen.^  Dass  die  Verleumdung 
■:=:JBBgeii  Priscillian  ausserordentlich  thätig  war,    lässt  sich  manchmal   aus 

.den  Worten  des  Sulpicius  Severus  selbst  entnehmen,  so  wenn  er  sagt,  ^) 
^.man  habe  geglaubt,  dass  PrisciUiaif  von  Jugend  auf  magischen  Künsten 
^^* ergeben  gewesen  sei,  oder  wenn  er  für  den  sittenlosen  Umgang  mit 
r~  Kauen  sich  auf  das  Gerede  der  Leute  als  Quelle  beruft ;  ^)  wer  Frauen  zu 
'  ^  seinen  Schülerinnen  zählt,  gibt  gehässigen  Gegnern  nur  zu  leicht  Gelegenheit 
'_  zn  Klatsch  und  üblen  Nachreden.  Wenn  wir  sonach  annehmen  müssen, 
33a88  wir  mit  Hilfe  der  Traktate  in  mancher  Hinsicht  die  priscillianische 
J*  Bewegung  richtiger  beurteilen  können,  so  fehlt  doch  noch  sehr  viel,  um  ein 
^  vollkommen  klares  Bild  über  die  Häresie  zu  erhalten.^)  Es  scheint,  dass 
^  eine  klare  Gedankenbewegung  dieser  Häresie  abging,   dass  der  Phantasie 

mehr  Rechnung  getragen  wurde  als  dem  Verstand,  dem  äusserlich  aske- 
^   tischen   Leben  mehr  als  dem  inneren.     Feststeht  aber,   dass  gnostische 

Elemente  mit  der  Häresie  verbunden  waren. 

Die  einzelnen  Traktate.  Der  erste  Traktat  entbehrt  der  Ueberschrift;  der 
r  Herausgeber  nennt  ihn  Über  Apologeticus.  Der  zweite  Traktat  ist  überschrieben:  Incipü 
Vber  ad  Danuxsum  episcopum;  der  dritte  incipü  liber  de  fide.  de  apocryphia;  der  Heraus- 
geber setzt  et  vor  de  apocryphis  ein.  Dieser  Zusatz  ist  wohl  unnötig,  da  de  apocryphis 
▼on  de  fide  abhängig  gemacht  werden  kann. 

Die  Zeit  der  Traktate.  Von  den  drei  Schriften  ist  die  älteste  die  dritte;  sie 
fiült  noch  vor  das  Concil  von  Saragossa,  denn  diese  Synode  ist  noch  nicht  erwähnt;  vgl. 
Hilgenfeld  p.  41;  Dierich  p.  16.  Nach  Hilgenfeld  (p.  77)  u.a.  ist  der  erste  Traktat 
an  die  Synode  von  Saragossa  gerichtet;  dagegen  sucht  Dierich  (p.  37)  nachzuweisen,  dass 
er  vielmehr  an  die  Synode  von  Bordeaux  (384)  eingereicht  ist  und  eine  Antwort  auf  eine 
Streitschrift  des  Itacius  darstellt  (p.  40).  Bernays  (Ges.  Abh.  2  p.  96  Anm.  16)  hat  auf 
eine  Stelle  aus  Isidor.  de  vir.  ill.  15  aufmerksam  gemacht;  sie  lautet:  Itaciits  Hispaniarum 
episcaptM,  cognomento  et  eloquio  Clarits,  scripsit  quemdam  librum  sub  apohgetici  specie, 
tft  quo  detestanda  PrisciUumi  dogmcUa  et  maleficiorum  eins  artes  libidinumque  eiua  probra 
demonstrtU:  ostendens,  Mar  cum  quemdam  Memphiticum,  magicae  ariis  sdentissimum, 
discipulum  fuisse  Manis,  et  IMscüliani  magistrum.  Hie  autem  cum  ürsatio  episcopo  ob 
necem  eittsdem  Priscüliani,  cuius  accusatores  extiterant,  ecdesiae  commtmione  privatus 
exüio  condemnatvfr,  tbique  die  tdtimo  fungitur,  Theodoaio  maiore  et  Valentiniano  regnantibus. 
Die  mcdeficiorum  artes  scheinen  auf  einen  Stand  der  antipriscillianischen  Bewegung  zu 
deuten,  bei  welchem  es  sich  nicht  mehr  um  kirchliche  Vergehen  handelte,  sondern  auch  um 
Kriminalverbrechen,  welche  es  ermöglichten,  die  Sache  dem  weltlichen  Richter  zu  über- 
weisen.   Dies  führt  auf  die  Zeit  nach  dem  Concil   von  Saragossa;   die  Schrift  des  Itacioa 

^)  Eine  bündige  Darlegung  des  Verlaufs  !  ')  Chron.  2,  48,  3  (p.  101  H.)  fuü  in  mt- 

der  Bewegung,  wie  ihn  Priscillian  darstellt,  gibt  mone  hominum, 
Loofs,'nieolog.Litteraturzeitungl890Sp.l2.  *)  So  sagt  auch  Loofs  (Sp.  12):   J>* 

')  Chron.  2, 46, 5  (p.  99  H.)  quin  et  magicas  •  gnostisch-priscillianistische  System  za  ^ 

artes  ab  adolescentia  eum  exercuisse  credi-  .  struieren,  ermöglichen  auch  die  neuen  Qp* 

tum  est,  I  m.  E.  nicht.* 


346  Prisoillian  und  die  PrisoUlianiaien.    (§§  955,  956.) 

wird  daher  mit  dem  Concil  von  Bordeaux  in  Verbindung  stehen.    Ist  das  richtig,  so  ftDt  f  ^ 
der  zweite  Traktat  vor  den  ersten;  die  Traktate  wären  also  zu  ordnen  3,  2,  1.  i 

Zur  Kritik  des  Berichtes  des  Sulpicius  Severus  und   der  Darstellvig  l! 
der  Traktate  vgl.  besonders  Dierich,   Die  Quellen  zur  Gesch.  Priscillians,   BreaL  1997, 
p.  20  und  die  auf  entgegengesetztem  Standpunkt  stehende  Abhandlung  Merkles,  Der  SM 
aber  Priscillian  (Theolog.  Quartalschr.  78  (1896)  p.  630). 

955.  Die  Homilien  und  das  Gebet.  Den  drei  Rechtfertigungsschrifia 
werden  die  übrigen  Traktate  gegenübergestellt ;  sie  haben  das  mit  einander 
gemein,  dass  sie  die  historischen  Vorgänge  unberührt  lassen.  ^)  Die  Akten- 
stücke sind  Homilien  oder  Predigten,  nur  das  letzte  zeigt  mehr  den  Charakter 
eines  Gebetes  mit  starker  dogmatischer  Färbung.  Die  letzten  drei  Nummen 
sind  wahrscheinlich  von  Priscillian  als  Bischof  verfasst,  wie  man  schoi 
aus  den  Adressen  „ad^opulum**  und  ;,super  fideles*  vermuten  möchte;*) 
die  übrigen  waren  allem  Anschein  nach  für  engere  Kreise  seiner  Anhänger 
bestimmt.  3)  Die  vierte  Homilie  leitet  die  40tägigen  Fasten  vor  Osten 
ein;  die  fünfte  nimmt  ihren  StofT  aus  der  Qenesis,  indem  sie  über  <hs 
Problem  der  Schöpfung  spricht.*)  Auch  der  sechste  Traktat  knüpft  u 
das  alte  Testament  an  und  zwar  an  das  12.  Kapitel  des  Buches  Exodos 
und  ist  insofern  merkwürdig,  als  hier  der  Anfang  eine  Nachahmung  des 
2.  Buches  de  trinitate  (de  fide)  von  Hilarius  enthält. s)  Auf  die  Psahnen  1 
und  3  beziehen  sich  die  Stücke  VII  und  VIII ;  von  dem  neunten  Traktat,  da 
an  eine  ganze  Gemeinde  gerichtet  ist,  hat  sich  nur  ein  geringer  BruchteB 
erhalten,  da  eine  Lücke  den  Schluss  von  VIII  und  den  Anfang  von  IX  ver- 
schlungen hat.  Im  zehnten  Traktat  hat  der  Redner  besonders  auf  Psalm  39 
Rücksicht  genommen.  Die  Theologie  Priscillians  leuchtet  auch  aus  diesen 
Traktaten  hervor,  und  wir  erkennen,  dass  sie  nicht  mit  der  orthodoxen 
Lehre  in  Einklang  zu  setzen  ist.  In  Bezug  auf  die  Schöpfung^)  und  auf 
die  Trinität  '^)  vertritt  er  heterodoxe  Ansichten,  üeberhaupt  will  Priscillian  I 
seine  Anhänger  über  den  gewöhnlichen  katholischen  Standpunkt  hinaus  m 
einer  höheren  Einsicht  führen. 

Dio  Argumente  der  einzelnen  Homilien.  No.  IV  ist  überschrieben:  Licipä 
Iractatus  paschae,  No.  V  trägt  die  Subscriptio  ftnit  tractatus  getiesis,  No.  VI  hat  die  SnV 
scriptio  finit  tractatus  exodi,  No.  VII  finit  tractatus  psalmi  primi,  No.  VIII  trägt  die  üeber- 
Schrift  incipit  tractatus  psalmi  tertii;  der  Traktat  IX,  der  am  Anfang  verstQmmelt  ist, 
gibt  die  Subscriptio  explicit  tractatus  ad  populum,  No.  X  tractatus  ad  populum  explicit^ 
No.  XI  ist  überschrieben :  Incipit  benedictio  super  fideles. 

956.  Die  Priscillianisten  und  ihre  Gegner.  Unter  den  zahlreichen 
Anhängern,  die  Priscillian  für  seine  Lehre  gewonnen  hatte,  befanden  sici 
auch  solche,  welche  für  die  Häresie  litterarisch  thätig  waren.  So  schrid) 
Tiberianus  zur  Entkräftung  der  gegen  ihn  gerichteten  Anklage  eine  Apo- 
logie in  schwülstigem  Stile ;  allein  sie  half  ihm  nichts,  denn  sein  Vermögen 
wurde  konfisziert  und  er  selbst  auf  eine  Insel  in  die  Verbannung  geschickt 
Man  hat  in  einem  Brief,  der  sich  unter  den  Werken  des  Hieronymus  be- 
fand, diese  Apologie  finden  wollen,  allein  mit  Unrecht.     Neben  TiberianQs 

^)   Sie   sind   daher   vor   dem   Ausbruch  !  durch  Priscillian  vgl.  Schepss,  Pro  Priscü- 

der  Wirren  geschrieben;  vgl.  Hilgenfeld  1  liano  p.  138  und  den  Index  zu  seiner  Ause. 

p.  55.  I  p.  168. 

2)  Vgl.  Hilgenfeld  p.  53.  |  «)  Vgl.  Hilgenfeld  p.  64.     Ueber  spl- 

')  Vgl.  Hilgenfeld  1.  c.  I  tere   Anlehnung    an    kirchliche    Ausdmckr 

*)  Vgl.  Hilgenfeld  p.  57.  |  weise  vgl.  denselben  p.  66. 

*)  Ueber    die    Benutzung    des   Hilarius  i  ")  Vgl.  Hilgenfeld  p.  62. 


Prisoillian  und  die  PrisoilUaniBten.    (§  956.) 


347 


wird  noch  Asarbus^)  als  der  Verfasser  einer  Verteidigungsschrift  in  der 
priscillianischen  Sache  genannt ;  auch  er  wurde  hingerichtet.  Eine  merk- 
irtlrdige  Persönlichkeit  ist  der  Priscillianist  Latronianus;  er  war  Dichter, 
and  Hieronymus  stellt,  wohl  in  überschwenglicher  Weise,  seine  Produkte 
Buf  die  gleiche  Linie,  wie  die  der  klassischen  Zeit;  von  einem  litterarischen 
Kntreten  f&r  die  Häresie  ist  dagegen  nichts  bekannt.  Ein  priscillianischer 
Bkaihriftsteller  ist  aber  Dictinius,  der  jedoch  später  wieder  zur  orthodoxen 
Kirche  zurückkehrte.  Als  Priscillianist  kam  er  zu  der  Ansicht,  dass  die 
Anhänger  der  Sekte  nur  ihren  Genossen  gegenüber  zur  Wahrheit  ver- 
lachtet seien,  dass  sie  dagegen  die  Katholiken  belügen  dürften;  diese 
Ansicht,  die  sich  im  Qrunde  genommen  als  eine  Rechtfertigung  der  Not- 
lüge darstellt,  führte  er  an  der  Hand  von  zwölf  Quästionen  in  einer  Schrift 
durch,  die  er  „Wage''  (Libra)  nannte.  Zur  Begründung  seiner  These 
otQtzte  er  sich  besonders  auf  Beispiele  des  alten  Testaments.  Augustin 
nahm  in  seiner  Schrift,  welche  den  Titel  „contra  mendacium"  führt,  auf 
die  Libra  Rücksicht,  und  dadurch  sind  wir  in  den  Stand  gesetzt,  dieselbe 
einigermassen  zu  rekonstruieren. 

Aber  auch  die  Gegner  bedienten  sich  der  Litteratur  als  einer  wirk- 
samen Waffe.  Einen  derselben  haben  wir  bereits  kennen  gelernt,  den 
Bischof  von  Ossonuba  Itacius,  der  kurz  vor  der  Synode  von  Bordeaux 
in  eigener  Sache  schrieb,  zugleich  aber  auch  den  Vorwurf  der  Häresie,  der 
aiitlichen  Verirrung  und  der  Magie  gegen  die  Priscillianisten  schleuderte. 
Vielleicht  hat  dieser  Itacius  auch  die  Schrift  gegen  den  Arianer  Maribadus 
▼erfasst.  Auf  Widerlegung  manichäisch-priscillianischer  Irrtümer  deutet  ein 
Werk  des  Oly  mpius,  welches  die  menschliche  Natur,  nicht  den  freien  Willen, 
filr  das  Böse  verantwortlich  macht;  auch  Augustin  scheint  dieses  Werk 
gekannt  zu  haben.  Im  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts  kämpfte  Orosius 
gegen  die  Sekte  und  ging  Augustin  um  seinen  Beistand  an,  der  ebenfalls 
eine  antipriscillianische  Streitschrift  lieferte.')  Um  die  Mitte  des  fünften 
Jahrhunderts  waren  Pastor  und  Syagrius  gegen  den  Priscillianismus  thätig. 
Der  erstere  schrieb  für  eine  Synode  ein  Glaubensbekenntnis,  das  uns  noch 
erhalten  ist;  der  letztere  verfasste  eine  Schrift  über  den  Qlauben  mit 
polemischer  Tendenz,  wohl  auch  gegen  den  Priscillianismus.  Auch  sieben 
Traktate  über  das  Symbol  hat  Gennadius  unter  dem  Namen  des  Syagrius 
gelesen.  Ebenfalls  um  die  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  bekämpfte  der 
Bischof  Turibius  von  Astorga  in  einem  Briefe  an  zwei  spanische 
Bischöfe  den  priscillianischen  Gebrauch  der  Apokryphen.  Trotz  der  Ver- 
urteilung durch  mehrere  Synoden  erhielt  sich  der  Priscillianismus  einige 
Jahrhunderte  hindurch;  erst  der  Synode  zu  Braga  (im  Jahre  563)  gelang 
ee,  der  Sekte  den  Todesstoss  zu  versetzen. 

Zengnisse  Aber  Tiberianus.  Hieronym.  de  vir.  Ul.  123  Tiberianus  Baeticua 
Mcripsüfpro  suspicione  qua  cum PriscüUano  acci^sabatttr  haereseos,  Apologeticum  tumenti 
etmpotüoque  sermane,  sed  post  auorum  cciedem,  taedio  victua  eocüii,  mutavü  propositum 
€t  iuxta  Sanctam  Scripturam  'canis  reversus  ad  vomüum  suum'  filiam,  devotam  Christo 
virgmem,  matrimanio  copuiavit.    Priscülian  p.  3,  7  Schepss  quamvis  frequentibus  libeU» 


')  Bei  Snlpicius  Severus  (Chron.  2, 51,  4 
p.  104  Halm)  heisst  der  Mann  im  cod.  Vati- 
caiiiis  824  8.  XI  Asarwua;  die  Stelle  heisst: 


damnatique  Asarivus  et  Aurelius  d 
gladio,  # 

«)  Vgl.  §  952. 


348  PriBoiUian  und  die  PrisoUlianiBten.    (§  956.) 

lociiti  fidem  nostram  hereticorum  omnium  docmata  damnaverimus  et  libeUo  /rotr« 
nostrorum  Tiberiani,  Asarbi  et  ceterorum,  cum  quibus  nobis  una  fides  et  uttii«  est  sonne,  i 
cuncta  docruata  quae  contra  Christum  videantur  esse  damncUa  sint.  Solpicius  Servil  I 
ChroD.  2,  51,  4  (p.  104  Halm)  Tiberianus  ademptü  bonis  in  Syltnancim  insuiam  datiu. 

Das  Apologeticum  des  Tiberianus.  Johannes  Chiysostomas  TrombeDi  bai 
in  einer  Handschrift  mit  Werken  des  Hieronymus  eine  Epistel,  die  er,  da  er  sah,  daas  m 
nicht  von  Hieronymus  stammen  könne,  dem  Hilarius  von  Poitiers  ohne  diirchschla|;eiii 
Gründe  zuwies.  I>er  Brief  stellt  eine  Unterweisung  im  Christentum  dar,  enth&lt  aber  m 
Schluss  die  Worte,  welche  nach  Vaticanus  289  s.  XI/XH  also  lauten:  Veniam  auUm  ■ 
tua  postulo  »incerissima  sanctitate  orans  ut  tua  sanctiias,  cui  peritior  via  a  J}eo  et  mw- 
tior  comprobata  est,  in  omnibt^  in  quibua  mediocritas  mea  vel  praetertnisit,  vel  ituaik 
plenius  explanare  non  potuit,  correcta  reformare  et  supplere  dignetur:  aut  si  proboftik. 
ut  est  a  nobis  opu^culum  coeptum  te  petente  et  Deo  (idiuvante  perfectum,  non  habere  fui 
desit,  in  orationibus  tarn  tuis  sanctis  quam  omnium  frcUrum  memoriam  mei  habeas,  JB 
sciant  aemuli  fidei  meae  praestitam  rationem,  et  convenire  cum  eccUsia  recognosctmi,  t 
mayis  ministerium  sumant;  ut  non  solum  gratületnur  nos  credidisse,  verum  etiau  sK. 
quaniuhim  inimicis  et  credetitibus  profuisse.  Aus  diesen  Worten  will  Morin  (Revue  B^ 
dictine  15  (1898)  p.  98)  folgendes  schliessen:  „On  avait  mis  en  doute  Torthodoxie  de  f» 
teur.  Un  personnage  important,  dösigne  par  les  termes  respectueux  Prudeniia  vestra  tu 
Sanctiias,  lui  demanda  de  mettre  par  ^crit,  pour  sa  justification,  Tenseignement  qu'il  ö» 
nait  ä  son  peuple."  Mit  Rücksicht  auf  Hieronymus  denkt  er  an  Tiberianus  als  Verteet 
allein  in  dem  vorliegenden  Brief  kann  man  unmöglich  eine  Apologie  wegen  Häresie  id  (kr 
von  Hieronymus  angedeuteten  Weise  erkennen. 

Zeugnisse  über  Latronianus.  Hieronym.  de  vir.  ill.  122  Latroniam^,  protinem 
Hispaniaey  vir  valde  eruditus  et  in  metrico  opere  veteribus  conparandus,  cacsus  e$t  tt 
ipse  Treveris  cum  PrisciUiano,  Felicissimo,  Jtdiano  et  Euchrotia,  isdem  fcu:tionis  am- 
toribus,  Extant  eins  ingenii  opera  dix^ersis  metris  edita,  Sulpicius  Severus  Chron.  2, 51. } 
(p.  104  Halm)  Latronianus  quoque  et  Euchrotia  gladio  perempti. 

Die  Wage  (Libra)  des  Dictinius.  Vgl.  Fr.  Lezius,  Die  Libra  des  Priscillanista 
Dictinius  von  Astorga  (Abb.  Alezander  von  Oettingen  gewidmet,  München  1898,  p.  113;. 
Auguätin.  contra  mendacium  8,  5  (41  p.  477  Zycha)  Dictinii  lihrum,  cutW  nomen  est  LOn, 

€0  quod  pertractatis  duodecim  quaestionibus  relut  unciis  explicatur talem  Xiitm 

qua  horretidae  blasphemiae  continentur.     Ueber  den  Namen  vgl.  noch  Lezius  p.  123. 

Litterarische  Gegner  der  Priscillianisten.  Wir  fassen  hier  alle  zusamna 
und  schliessen  daher  auch  diejenigen  an,  welche  nach  unserem  Zeitraum  wirkten. 

1.  Itacius,  Bischof  von  Ossonuba.  Ueber  ihn  vgl.  Isidor.  de  vir.  ill.  15  d» 
Stelle  ist  oben  p.  845  ausgeschrieben).  Dass  der  Itacius  des  Isidor  mit  Itacius  von  Osso- 
nuba identisch  ist,  scheint  nicht  zweifelhaft  zu  sein.  Weiterhin  ist  es  wahrscheinlich,  dus 
ihm  noch  ein  anderes  Werk  zuziiteilen  ist.  Sichard  hat  in  seinem  Antidotum  contn 
diversas  omnium  fere  seculonim  haereses,  Basel  1528,  fol.  121b  eine  Schrift  unter  folgendea 
Titel  herausgegeben:  Idacii  Clari  Hispani  contra  Varimadum  Arianum  liber  et  difficilUmonm 
quorumque  locorum  de  trinitate  declaratio.  In  der  praef.  dieser  Schrift  heisst  es  (Sp.  351  Migne): 
iJudum,  dilcctisfiimi  f rat  res,  in  ^capoli,  urbe  Cawjjaniae,  constitutus,  c^iiusdam  Varima^ 
Arianae  sectae  diaconi  propositionibus ,  a  quodam  studioso  ac  religiosissimo  viro  mAt 
oblatisy  rustico  quidem  sermone  respondens,  in  uno  corpore  simul  de  unitate  Trinitoüi 
JiheUos  (liffessi.  Nun  hat  Vigilius  von  Thapsus  in  seinem  dialogus  contra  Axianos  etc.  -,  4^' 
(Sp.  2'J6  Aligne)  eine  Schrift  citiert:  s^icut  in  libro  quem  adrersus  Maribadum,  fu:fand9e 
huereseos  cestrae  diaconum,  edidimus,  plcnlssime  consiat  expressum.  Diese  hier  genansie 
Schrift  identifizieile  Chifflet  mit  der  von  Sichard  herausgegebenen.  Die  Namensforn 
Varimadus  statt  Maribadus  sei  nur  gewählt  worden,  um  den  Autor  vor  Verfolgungen  n 
sichern;  eben  zu  diesem  Zweck  sei  auch  der  Autor  Vigilius  pseudonym  durch  Idacius  b^ 
zeichnet  worden.  Spilter  sei  infüljj;e  der  Wandlung  der  Verhältnisse  es  nicht  mehr  nötig 
gewesen,  pseudonym  aufzutreten,  und  der  Verfasser  habe  daher  in  dem  Dialog  contti 
Arianes  sich  und  den  Gegner  genannt.  Gegen  diese  Identifizierung  wendet  sich  Ficker. 
Studien  zu  Vigilius  von  Thapsus,  Leipz.  1897,  p.  49.  —  Migne  62  Sp.  351. 

2.  Olympius.  Gennadius  de  vir.  ill.  23  Olympiu^  natione  Hispanus,  episcopvi, 
scripsit  librum  fidei  adccrf^us  eos,  qni  natnram  et  non  arbitrium  in  culpam  rocant,  osiew- 
de)is  non  creatione  sed  Inoboedicntia  tnsertutn  naturae  malum.  Es  ist  nicht  unmoglick 
dass  in  dieser  Schrift  neben  den  Manichaeem  auch  die  Priscillianisten  bekämpft  wurdfi 
Wahrscheinlich  hat  Augustin  (contra  Julianum  Pelag.  1,  8)  unsere  Schrift  ebenfalls  im  Au^ 
wenn  er  sie  auch  serrno  ecclesiastiafs  nennt;  vgl.  Czapla,  Gennadius  als  Litterarhistorikcr 
(Kirchengobchichtl.  Stud.  4.  Bd.  1.  Heft  (18JKS)  p.  61). 

3.  Pastor.  Gennadius  de  \är.  ill.  77  Fastor  episcopus  cofiposuit  libcUum  in  modu» 
sijmboU  partum   iotam  paene   ecclesiasticam   creduliiaiem  per  sententias   continentem,  » 


Die  Donatiaten.    (§  957.)  34g 

MO  itUer  ceteras  dissensiones,  ^pM8  praetermissia  auctorum  vocabülia  anathematizat,  Priscü- 
Mamas  cum  ipso  auctoris  nomine  damnat,  Hydatias  Chron.  z.  J.  433  (Monnmenta  Germ.  bist, 
aiitiqiiiss.  11  p.  22  ed.  Mommsen)  in  conventu  Lucensi  contra  voluntatem  Agresti  Im- 
episcopi  Pastor  et  Syagrius  episcopi  ordinantur.  M  o  r  i  n ,  Pastor  et  Syagrios  deux 
DB  perduB  da  cinqui^me  si^cle  (Revue  Bön^dictme  10  (1893)  p.  385;  vgl.  auch  12  (1895) 
pw  888)  hat  diese  Schrift  Pastors  in  einem  Glaubensbekenntnis  wieder  gefiinden,  das  einer 
■Uli  ganz  sicher  feststehenden  Synode  von  Toledo  (wahrscheinlich  im  Jahre  447)  zugeschrieben 
Mrd;  TgL  Hefele,  Conciliengesch.  2>  (Freib.  i.Br.  1875)  p.806.  Auch  Eattenbusch  (Das 
üpoefc.  ^mbol.  1  p.  158;  p.  407)  hat  an  Pastor  gedacht.  Das  Glaubensbekenntnis  ist  ab- 
Badmckt  in  Denzingers  Enchiridion  symbolorum  et  definitionum,  Würzb.''  1894,  p.  31. 

4.  Syagrius.  Gennadius  de  vir.  ill.  66  Syagrius  scripsit  De  fide  adversum  prae- 
&^nmpiuosa  haereUcorum  vocabula,  quae  ad  desiruenda  vel  innitUanda  sanctae  IVinitatis 

usurpata  simt,  dicentium  Patrem  non  debere  Pcttrem  dici,  ne  in  Patris  nomine 
sonet,  sed  Ingenitum  et  Infectum  ac  Solitarium  nuncupandum,  ut^  quicquid  extra 
in  persona  est,  extra  illum  sit  in  natura,  ostendens  et  Patrem  posse  quidem  dici 
Tngenüum  licet  scriptura  non  dixerit,  et  ex  se  genuisse  in  persona  Füium,  non  fecisse, 
^  €X  se  protulisse  in  persona  Spiritum  Sanctum,  non  genuisse  neque  fecisse,  Suh  huius 
Sj/ßagrii  nomine  Septem  De  fide  et  regulis  fidei  libros  praetitrdatos  inveni,  sed  quia 
hm^fua  variantur,  non  omnes  eius  esse  credidi.  Vgl.  auch  die  unter  No.  3  ausgeschriebene 
SMle  des  Hydatius.  Die  Schrift  de  fide  lief  wahrscheinlich  auf  eine  Bekämpfung  des 
IBlteien  Piiscillianismus  hinaus;  vgl.  Gams,  Die  Eirchengesch.  von  Spanien  2.  Bd.  I.Abt. 
(R^ensb.  1864)  p.  467.  Auch  diese  Schrift  hat  Morin  hcmdschriftlich  als  vorhanden  nach- 
Mwieeen,  wenn  auch  der  Verfasser  nicht  genannt  wird.  Mai  publizierte  in  der  Nova  col- 
lectio  3,  2  p.  249  ein  Fragment  daraus.  In  einer  Handschrift  von  Rheims  s.  XI/XII  fand 
Morin  nach  dieser  Schrift  sieben  Traktate,  die  über  das  Symbol  handeln.  Gennadius  las 
iie  in  seiner  Handschrift  unter  dem  Namen  des  Syagrius,  bezweifelte  aber  die  Autorschaft; 
wegen  der  Verschiedenheit  des  Stils.  Diese  sieben  Traktate  sind:  1.  Exhortatio  s.  Ambrosii 
epiBcoiH  ad  neophytos  de  symbolo;  vgl.  p.283  und  318.  Eattenbusch,  Das  apostol.  Symbol 
1  (Leipz.  1894)  p.  202  und  p.  408.  2.  Sermo  beati  Augustini  episcopi  de  sancta  Trinitate  = 
]^-Angnstin  Sermo  232  (39  Sp.2173  Migne);  vgl.  oben  p.  280,  281;  Eattenbusch  p.  189 
Anm.  1.  Der  Traktat  wird  von  den  Benediktinern  Vigilius  von  Thapsus  beigelegt  3.  Der 
an  dritter  Stelle  stehende  Traktat  (Sermo  113  Sp.  1969  M.)  wird  von  den  Benediktinern  als 
ein  Auszug  aus  des  Vigilius  Schrift  gegen  Palladius  bezw.  aus  dem  Werk  des  Phoebadius 
Tcxn  Agennum  de  fide  orthodoxa  contra  Arianos  angesehen;  vgl.  Eattenbusch  1.  c.  4.  Der 
vierte  Traktat  (Sermo  236  Sp.  2181  M.)  enthält  die  professio  fidei  des  Pelagius;  vgl.  Eatten- 
busch p.  190.  5.-7.  Die  drei  noch  fibrigen  Traktate  (Senn.  237—239  Sp.  2183  M.)  han- 
delii  de  symbolo  ac  de  deitate  et  omnipotentia  Patris;  sie  rühren  von  einem  Veif asser 
har;  vgl.  Eattenbusch  p.  190  Anm.  2. 

5.  Turibius,  Bischof  von  Astorga.  Ueber  sein  Leben  vgl.  V.  de  Bück,  Acta 
Smctomm  Oct  13  (Paris  1883)  p.  226.  Von  ihm  ist  ein  Brief  erhsJten  (ca.  446),  in  dem 
6r  sich  gegen  die  von  den  Priscillianisten  benutzten  Apokryphen  wendet  und  deren  hetero- 
doxen  Iidialt  hervorhebt.  —  Ausgabe  bei  Migne  54  8p.  693. 

10.  Die  Donatisten. 

957.  Der  Donatismus.  Eine  reiche  Quelle  erschloss  sich  für  die 
ehristliche  Litteratur  durch  den  Donatismus,  der  die  katholische  Kirche  in 
Afrika  zu  sprengen  drohte.  Er  verdankt  seine  Entstehung  einem  äusseren, 
scheinbar  geringfügigen  Anlass.  Die  Bischofswahl  Gaecilians  in  Garthago 
wurde  beanstandet,  was  eine  Scheidung  der  Gemeinde  im  Gefolge  hatte; 
die  Einmischung  der  staatlichen  Gewalt  zu  Gunsten  Gaecilians  verschärfte 
den  Gonflikt,  und  es  scheiterten  daher  die  Versuche,  die  in  Rom,  Arles 
nnd  Mailand  gemacht  wurden,  das  Schisma  zu  beseitigen,  unter  den  Gegnern 
Gaecilians  ragte  mächtig  die  Persönlichkeit  des  Donatus,  dem  seine  Partei 
den  Namen  des  Grossen  gegeben,  durch  Frömmigkeit  und  Gelehrsamkeit 
hervor;  leider  hat  sich  keine  seiner  Schriften  erhalten.  Die  Stärke  der 
gegnerischen  Partei  beruhte  auf  der  Gunst  des  Hofes  und  auf  dem  festen 
Anschluss  an  Rom.  Der  Gegensatz  war  zunächst  ein  rein  persönlicher; 
aHein  im  Laufe  des  Streites  spitzte  er  sich  zu  einer  principiellen  Frage 


350  ^^®  Donatisten.    (§  958.)  I 

zu.    Unter  den  Einwänden,  die  man  gegen  die  Wahl  Caecilians  erhob,  wnilr/ai 
auch  geltend  gemacht,  dass  er  seine  Weihe  durch  den  Bischof  Fdiz  itklk  ^ 
Aptunga  erhalten  habe,  der  ein  Traditor  sei,  da  er  während  der  duitb.lltKti''  • 
tianischen  Verfolgungen  die  hl.  Bücher  an  die  Staatsgewalt  aasgdiditll^^' 
habe ;  der  Weiheakt  aber,  den  ein  solcher  Bischof  vollzogen  habe,  sei^lijt^  ^^ 
gültig.     Damit  war  aber  die  Frage  nach  dem  Verhältnis  der  GnadeDmitUl^^ 
zu  dem  Spender  aufgeworfen  worden  und  die  Wirkung  derselben  von  Jt|i^  ^ 
Qualität  der  Spender  abhängig  gemacht.    Die  Donatisten  meinten,  memalM:^-  ^ 
könne  spenden,  was  er  nicht  habe  und  der  Unreine  könne  demnach  n^K^^^' 
nicht  die  Reinheit  verleihen.    Es  ist  klar,  dass  mit  dieser  AnschanongMc^^^ 
Kirche  als  Heilsanstalt  sehr  modifiziert  wurde;  es  lag  ein  kirchlicheaiuli^^'^ 
vor,  das  aber  an  der  rauhen  Wirklichkeit  Schiffbruch  leiden  musste.     l^'^ 

Zeugnis  über  Donatns  den  Grossen.    Hieronjm.  de  vir.  ill.  93  Donatw,  a  fi\i^^ 
Donatiani  per  Africam  sub   Constantino  Constantioqtie  principibus,  culserens  a  noiMi  i^ 


Scripturas  in  persectUione  ethnicis  traditcu  totam  paene  Africam  et  maxime  NymiämX 
8ua  persiMsione  decepit.  Extant  eius  mtdta  ad  suam  haeresim  pertinentia  et  De  SfirinX 
Sancto  liber  Ariano  dogmati  congruens.    Er  ist  zu  scheiden  von  dem  BistnmsTervMi  I ; 
Donatns  aus  Gasae  Nigrae,  mit  dem  der  Donatismus  anhob.  I 

Litteratur.    D.  Völter,  Der  Ursprung  des  Donatismus,  Freib.  i.  Br.  und  Ttflnagal. 
1883;   W.  Thümmel.   Zur  Beurteilung  des  Donatismus,   Halle  1893;   Ribbeck,  DouftBl 
und  Augustinus,  Elberfeld  1858.  I 

958.  Die  Schriften  des  Tyconius.  Unter  den  Donatisten  nimmk 
Tyconius  eine  hervorragende,  aber  zugleich  separierte  Stellung  ein.  & 
erkannte,  dass  manche  Ansichten  des  Donatismus  in  Bezug  auf  den  Kirchei- 
begriff unhaltbar  seien,  und  stellte  Sätze  auf,  denen  Augustin  seinen  Bei- 
fall spendete.  Es  werden  uns  zwei  Schriften  genannt,  welche  sich  vo^ 
mutlich  auf  diesen  Kampf  bezogen,  leider  aber  verloren  gingen.  Dies  ist 
um  so  mehr  zu  bedauern,  als  Tyconius  in  der  einen,  um  seine  Sache  zu  ver- 
fechten, auf  die  alten  Synoden  eingegangen  war.  Selbstverständlich  konntei  | 
die  Donatisten  dieser  Zwietracht  im  eigenen  Lager  gegenüber  nicht  ruhig 
bleiben;  der  Donatistenbischof  Parmenian  richtete  an  Tyconius  einen 
Brief,  in  dem  er  dessen  antidonatistische  Anschauungen  zu  widerlegei 
suchte.  Merkwürdiger  Weise  machte  Augustin  diesen  Brief  Parmenians  zuo 
Gegenstand  einer  eigenen  Schrift,  in  der  er  für  den  katholischen  Kirchen- 
begriff  eintrat.  Augustin  wusste  an  Tyconius  besonders  dessen  Belesenhöl 
in  der  hl.  Schrift  rühmlich  hervorzuheben;  und  in  der  That  scheint  das 
Schriftstudium  den  Lebensnerv  in  der  litterarischen  Thätigkeit  des  Tyconioi 
gebildet  zu  haben.  Interessant  ist  es  hierbei,  dass  er  sich  nicht  Mo» 
praktisch  in  der  Auslegung  der  Bibel  bethätigte,  sondern  auch  durch  eine 
theoretische  Anweisung  die  Bibelexegese  fördern  wollte.  Durch  die  alle- 
gorische Erklärung  war  nämlich  die  Interpretation  der  hl.  Schrift  auf  eine 
abschüssige  Bahn  geraten,  indem  den  unsinnigsten  Einfällen  durch  Auf- 
deckung eines  versteckten  Sinnes  Thür  und  Thor  geöffnet  war.  Um  also 
die  Bibelerklärung  auf  eine  feste  Bahn  zu  bringen,  schrieb  er  sieben 
Regeln,  welche  er  durch  eine  Anzahl  Beispiele  erläuterte.  Wir  heben,  oin 
dem  Leser  eine  Vorstellung  von  den  Regeln  zu  geben,  einige  heraus.  Id 
der  ersten  Regel  setzt  der  Autor  auseinander,  dass  Christus  und  seine 
Kirche  ein  Leib  seien,  dass  daher  in  einer  Stelle  zuerst  von  Christus  und 
dann  von  der  Kirche  die  Rede  sein  könne,  und  dass,  welches  von  beide« 


Die  Donatisten.    (§  958.) 


351 


r  Fall  sei,  nur  durch  die  Vernunft  entschieden  werde.  In  der  zweiten 
^el  wird  davon  ausgegangen,  dass  die  Kirche,  so  wie  sie  auf  Erden 
ftehe,  aus  einer  rechten  und  linken  Seite,  d.  h.  aus  Guten  und  Bösen 
("tehe,  und  dass  demgemäss  das  Schriftwort  bald  die  eine,  bald  die  andere 
te  im  Auge  haben  könne,  der  Interpret  also  stets  auf  diesen  üeber- 
i^g  zu  achten  habe.    In  der  vierten  Regel  zeigt  Tyconius,  dass  oft  das, 

8  in  specie  ausgesagt  sei,  in  genere  gedeutet  werden  müsse,  und  um- 
kehrt. Dass  also  z.  B.  die  Prophezeiung,  die  sich  zunächst  auf  Ninive 
Kieht,  zugleich  Geltung  für  die  Kirche  hat,  wie  auch  durch  manche  Aus- 
l&cke  der  Stelle,  die  über  die  species  hinausführen,  angedeutet  wird.  Frei- 
ih  konnte  auch  nach  diesen  sieben  Regeln  noch  viel  in  die  Schriftworte 
Lueingeheimnisst  werden,  doch  war  jetzt  an  die  Stelle  der  Regellosig- 
eit  die  feste  Regel  getreten.     Dieses  Werkchen  ist  uns  noch  erhalten; 

9  muss  zur  Zeit  seines  Erscheinens  reichen  Anklang  gefunden  haben, 
'eil  Augustin  «ich  veranlasst  sah,  es  in  verkürzter  Gestalt  in  seine  christ- 
jhe  Unterweisung  aufzunehmen.  Verloren  ist  dagegen  der  Gommentar 
)8  Tyconius  zur  Apokalypse  in  drei  Büchern;  der  Verlust  trat  ver- 
Ütnismässig  spät  ein,  denn  im  neunten  Jahrhundert  war  derselbe,  wie  ein 
ter  Bibliothekskatalog  ausweist,  noch  in  St.  Gallen.^)  Aber  trotz  des 
erlustes  können  wir  denselben,  wenn  auch  nicht  dem  Wortlaut,  so  doch 
)m  Gedankengang  nach,  fast  ganz  restituieren.  Diese  exegetische  Arbeit 
18  Tyconius,  welche  die  Apokalypse  durchaus  spiritualistisch  erklärt,') 
it  nämlich  alle  späteren  Commentare  zur  Apokalypse  beherrscht;  beson- 
^rs  hat  ein  spanischer  Geistlicher  Beatus  von  Libana  im  achten  Jahr- 
mdert  den  Gommentar  reichlich  ausgeschrieben.  Da  fUr  den  Ausschreiber 
»r  Donatismus  nicht  mehr  vorhanden  war,  konnte  er  sich  seinem  Original 
)genüber  frei  bewegen,  ohne  seine  kirchliche  Rechtgläubigkeit  in  grosse 
»fahr  zu  bringen,  b) 

Tyconius  ist  eine  tief  angelegte  Natur  und  verfügt  über  eine  Welt 
m  Gedanken;  den  Mittelpunkt  dieser  Gedanken  bilden  die  realen  Ver- 
dtnisse  der  wirklichen  Gegenwart,  welche  er  auf  höhere  Principien  zurück- 
iten  will.*)  Er  ist  ein  Mann,  der  von  der  Praxis  den  Weg  zur  Theorie 
idet.  Seine  Sprache  ist  gedrungen  und  kraftvoll,  in  seinem  Denken  ist 
durchaus  selbständig  und  die  Hochachtung,  die  ihm  Augustin  zollt,  wohl 
»rechtigt. 

Die  Orthographie  des  Namens.  Die  Form  «Tichomus"  oder  «Tychoiiias"  ist 
ndschriftlich  nicht  beglaubigt;  vgl.  Haassleiter,  Forschungen  etc.  p.  12  Anm.  8.  Der 
imensis  364  s.  IX  des  liber  regolanun  gibt  die  Form  Tyconii,  welche  auch  der  Heraus- 
ber  Burkitt  angenommen  hat;  vgl.  denselben,  Ausg.  p.  103.  Der  Vaticanus  Regin.  590 
X  des  liber  regularum  bietet  Thiconi.  Haussleiter  bevorzugt  die  Form  «Ticonius*. 
»zfiglich  der  Schreibung  «Ticonius*  und  «Tyconius'^  kann  man  schwanken;  aber  feststeht, 
88  der  Name  nicht  mit  „ch'  zu  schreiben  ist. 

Zeugnis  über  Tyconius.  Gennadius  de  vir.  ilL  18  Tichanius  natione  Äfer,  in 
nnü  litterü  eruditus,  iuxta  historiam  sufficienter  et  in  saeciUaribus  non  ignarus  fuü 
in  ecclesiasticis  quoque  negotiis  studiostis.  Scripsit  De  hello  intestino  libros  et  Ex" 
>8%tione8  diversarum  causarum,  in  quibiM  ob  suorum  defensionem  antiquarum 


')  Bei  Becker  (Catalogi  bibliothecarum 
tiqui,  Bonn  1885,  No.  22,  242  p.  48)  ist 
rseichnet:  Expositio  tichonii  aonatistae 
apoccdipsim  vol,  I  vetus. 

«)  Vgl.  Bousset  p.  63. 


')  So  erwfihnt  HieronymuB  niemals  den 
Schismatiker,   obwohl  er  ihn  kannte:  v 
Haussleiter,  Zeitschr.  fOr  klnshL  ^ 
(1886)  p.  253. 

«)  Vgl  Hahn  p.  21. 


352  ^^  Donatisten.    (§  958.) 

meminit  synodorum.  E  quibus  omnibus  agnoscUwr  Donatianae  partis  fuisse.  Con;«^ 
et  Regulas  ad  inveatigandam  et  invefiietidam  intelUgentiam  Scripturarum  octo  {hr^ 
lieh  statt  8ej)tem),  quas  uno  volumine  conclu8Ü.  Exposuü  et  Apocalypsin  Jokl^%%^^^' 
ex  integro,  nihü  in  ea  camale,  sed  totum  inteUigens  spiritale  ....  Floruit  hie  rtr  aam^ 
qua  ei  ante  memoratus  RufinuSf  Theodosio  et  fdiis  eins  regnantibua.  Als  OptttuQ 
370  gegen  Parmenian  schrieb,  erwähnte  er  den  Tyconius  nicht;  daraus  darf  mit  Sichct^ 
geschlossen  werden,  dass  Tyconius  damals  noch  nicht  litterarisch  aufgetreteo  war.  Dji 
Blüte  ist  demnach  nach  370  anzusetzen.  Sie  fällt  aber  vor  390,  da  um  diese  Zeit  Fr 
menian  starb,  der  den  Tyconius  wegen  seiner  dem  echten  Donatismns  widerstreiteiialib:- 
Ansichten  bekämpfte  und  dessen  Verurteilung  auf  einer  Synode  durchsetzte.  Die  W«k 
et  fdiis  eius  werden  daher  falsch  sein;  vgl.  Hahn  p.  5.  —  Eihn,  Wetzer  and  Wdli 
Kirchenlexikon  12«  (Freib.  i.  Br.  1901)  Sp.  153. 

Ziel  und  Gliederung  des  liber  regularum.  p.  1  Burkitt  n^c^Mart um  duxink 
omnia  quae  mihi  videntur  libellum  regulärem  scribere,  et  secretorum  legis  veluti  data  i  m^  .- 
luminaria  fabricare.  sunt  enim  qua^dam  regulae  mysticae  quae  universae  legis  rtetttui  4      '" 
tinent  et  veritatis  thesauros  aliquibus  invisibiles  faciunt;  qtiarum  si  ratio  regvAanaLm 
invidia  ut  commuyiicamus  accepta  fuerit,  clausa  quaeque  patefient  et  obscura  dünait' 
buntur,  ut  quis  prophetiae  inmensam  silvam  perambtdans  his  regtdis  quodam  modo  Iwi  V^. 
tramitibus  dedt44:tus  ab  errore  defendatur.    Sunt  autem  regulae  istae:  I.  De  I>MiiMdL>i 
corpore  eius.    IL  De  Domini  corpore  bipertiti).    III.  Depromissis  et  lege.    IV.  De  ^ptfx 
et  genere.    V.  De  temporibus.    VI.  De  recapitulaiione.    VII.  De  didbolo  et  eius  coiy^t. 

Fortleben  des  liber  regularum.    Ausgezogen  und  besprochen  sind  die  Rezu 
des  Tyconius  in  Augustin.  de  doctrina  christiana  3,  30—37.     Cassian  contra  Nestorinm^S 
(Corpus  Script,  cccl.  lat.  Bd.  17)  behandelt,  ohne  den  Tyconius  zu  erwähnen,  den  ersten  Teil  1*^., 
der  f{inften  Regel.     Im  liber  de  promissionibus,  der  gewöhnlich  mit  Prosper  von  Aqniluia  p^ ' 
verbunden  wird,  ist  Tyconius  citiert  4,  13  (Migne  51  Sp.  848).  Weiter  ist  der  Über  reguWn  I**' 
benutzt  von  Job.  Diaconus  (Spicilcg.  Solesmense  ed.  Pitra  1  p.  294),  Cassiodor  de  inst  h.  1*^; 
litt.  10  (70  Sp.  1122  Migne)  primum   est  post  huius  operis  instituta,   ut  ad  introdudon  \'^ 
Scripturae  dirinae,   quos  postea  referemus,  sollicüa  mente  redeamus,   id   est,  Ticwin 
Donatistam,   sanctum   Augustinum   de  Doctrina   Christiana^  Hadrianum,   Eucheriun  d 
Junilium  quos  sedula  curiositatc  collegi;  ut  quibus  erat  similis  intentio,   in  uno  cor];^( 
adunati  Codices  dauderentur .    Isidor  liber  sententiarum  1,  19.     Vgl.  Burkitt  p.  XVIII. 

Die  Uebt'rlicfcrung  des  liber  regularum  beruht  auf  dem  cod.  Remensis  3^ 
8.  IX,  dorn  Vaticanus  Rcginensis  590  s.  X.  Hiezu  kommt  noch  eine  Epitonie  in  dem  <:•>: 
Modoctianus  (in  Monzii  bei  Mailand)  s.  IX/X.     Vgl.  Burkitt  p.  XXIV. 

Ausg.  des  liber  regularum.  Editio  princeps  von  Grynaeus,  Basel  löö: 
Ausg.  von  A.  Schott  in  der  Magna  bibliotbeca  veterum  patrum  1622;  femer  in  derBibÜ-v 
theca  patrum  von  Gallandi  tom.  8;  Abdruck  bei  Migne  18  Sp.  15.  Massgebende  Auk. 
ist  dio  von  Burkitt,  Tt'xts  and  studies  3,  1,  Cambridge  1894. 

Die   Restitution    des   Commentars.     Benutzt   wurde   der  Commcnt^u-   von  Pri- 
niasius,  Bischof  von  Hadnimetum  (s.  VI),  von  Boda  Venerabilis  (t  735),  in  den  pseudoauoisä- 
nisclicn  Homilien  in  apocalypsim  B.  Joannis,  von  Cassiodor  (cos.  514)  in  seinen  complexioDes 
apocalypsis.    Von   diesen  Autoren  scheidet  fast   ganz  aus  Cassiodor,  da  die  Benutzung  dei 
Tyconius  nur  eine  spärliche  ist.     Die  pseudoaugustinischen  Homilien  halten  die  Reihcnfolp 
der  Kapitel  und  Verse  nicht  ein;  Primasius  und  Boda,  der  zunächst  aus  Primasius  schfijift. 
aber   auch   den  Tyconius   selbst   vor   sich   liegen  hatte,   sind  durch  die  orthodoxe  Lehre  ii 
der  Benutzung   des  Donatisten  Tyconius   })eengt;   tiber  den  Commentar  des  Primasiuä  vgl 
Haussleitcr,  Forschungen  etc.  p.  11.    Der  beste  Führer  zur  Restitution  ist  der  Apokal}'p8^ 
commentar   des  spanisclien  Geistlichen  Beatus  aus  Libana  (ed.  Florez,   Madrid   1770',  »I«: 
im  Jahre  784,  wo  das  donatistische  Schisma  nicht  mehr  in  Frage  kam,  dem  Bischof  Etherin 
von  Osma  gewidmet  wurde.    Die  Richtung  zur  Restitution  hat  zuerst  Haussleiter  darzelegl 
den    einzuschreitenden  Weg   im    einzelnen    Bousset   gezeigt;    vgl.   auch  Hahn    p.  8.    Di 
r>eatus  seine  benutzten  Autoren   nennt,   ist  für  die  Ausscheidung  des  Tyconius   ein  Fund*- 
ment  vorhanden;    vgl.  die  Nacliweise    von  Bousset  bei  Hahn  p.  10.     Ueber  den  Bestand 
des  aus  Beatus  zu  gewinnenden  Tyconiuscommentars  vgl.  Hahn  p.  11.     Dem   CommeDtai 
des  Beatus  geht  eine  summa  dicendorum  voraus;  eine  solche  Einleitung  wird  auch  dem 
Commentar  des  Tyconius   vorausgegangen  sein;    die  vorliegende  geht  daher  in  ihrem  Ken 
wohl  auf  Tyconius  zurück,  ist  aber  von  Beatus  einer  Umarbeitung  unterzogen  worden:  v^. 
Hahn  p.  lo.    (legen  den  Versuch  Haussleiters  (Zeitschr.  etc.  p.  251),  in  der  summa  dicfO- 
doniin  einen  Apocalypsecommentar  des  Hieronymus  zu  erblicken,  vgl.  Hahn  1.  c.    Es  komm« 
noch  hinzu  Tyconii  AlVi  fragmenta  Commentarii  in  Apocalypsin  (2,  18—4,  1;  7,    16—12.  fii, 
veröffentlicht  aus  coil.  Taurincnsis  F.  IV  Nr.  1   im  Spicilegium  Casinense  8,  1  (1897)  p.  L*»»?. 
l  eher  die  Hedeutung  der  Fragmente  vgl.  Hahn  p.  14.     Der  Commentar  war,  wie  wir  aw 
H<nlas  Prolog    wissen,  in  drei  Bücher   geteilt.     Bei    der  Restitution  ist  vor  allem  das.  w« 
(ÜM  Ausschreilier  des  Tyconius  aus  Victorin  (§  748)  entlehnt  haben,  auszuscheiden. 


Optatiu.    (§959.)  353 

Litteratur  zum  Apokalypaecommentar.    J.  Haasaleiter,  Die  Commentare 

Irinas,  Tichonias  nnd  HieronymiiB  zur  Apokalypse  (Zeitschr.  für  kirchl.  Wissensch. 

Urchl.  Leben  7  (1886)  p.  245);   Die  lat.  Apokalypse  der  afrikan.  Kirche  (Forschungen 

tftoech.  des  neatestamentl.  Canons   und   der  altkii'chl.  Litt.  4  (1891)  p.  1);   Boasset, 

^>ffenbarang  Johannis  (Erit.-ezeget.  Commentar  über  das  Nene  Testament  begründet 

Seinr.  Aag.  Wilh.  Meyer  16.  Abt  5.  Aafl.  (Göttingen  1896)  p.  60;  p.  71);  T.  Hahn, 

-Stadien  (Stad.  zar  Gesch.  der  Theol.  and   der  Kirche  6.  Bd.  2.  Heft  (1900)  p.  7). 

Verlorene  Schriften   sind:    1.  De  hello  intestino  libri  tres.    Tyconias  «hat 

Schrift  wohl  seine  ganze  Lehre  von  der  Kirche  entwickelt,  freilich  anlfisslich  der 

in  seiner  Partei*  (Hahn  p.  58).    Tyconias  trennte  sich  n&nlich  in  seinen  An- 

n  über  die  Kirche  vielfach  von  seiner  Partei.  2.  Expositiones  diversaram  caa- 

Wie  aas  dem  Zasatz  des  Gennadias  heiTorgeht,   hatte  Tyconias  in  dieser  Schrift 

-^ranchiedene  Synodalbeschlüsse  zarückgegriffen,   am  seine  Ansicht  von  der  Kirche  zu 

n  und  darzuthun,  dass  sie  die  ursprünglich  wahre  ist;  vgl.  Augustin.  epist.  93,  44. 

Zur  Charakteristik  des  Tyconius.     Augnstin.  contra  Pannen.  1,  1  (43  Sp.  33 

)  Tiekonium,  hominem  quidem  et  acri  ingenio  prtiediium  et  uberi  eloquio.    De  doc- 

ehrist  3,  43  (34  Sp.  82  Migne)  qviod  ideo  dicendum  putavi,  ut  liber  ipse  {regularum 

ii)  et  Ugahtr  a  atudiosis,  quia  plurimum  adiuvat  ad  scripturas  inteüigendaa.    3,  42 

a  M.)  Tichonius  ....  contra  Danatistas  inmctissime  scripsit. 


Andere  Donatisten,  welche  der  Litteratur  angehören,  sind: 

1.  Yitellius.  Das  einzige  Zeugnis,  das  wir  von  Yitellius  besitzen,  gibt  Gennadius 
'.  ill.4  Viteüius  Äfer  Donatianorum  schisma  defendena  scripsit  De  eo  quod  odio  8int 
do  Dei  8er vi.    In  quo  si  tacuisset  de  nostro  velut  persecutorum  nomine,  egregiam 

ediderat,    Scripsit  et  Adversus  gentes  et  adversus  nos,  velut  traditores  in 
Dtütharum  Scripturarum,  et  ad  regtUam  ecclesiasticam  pertinetitia  multa  dis' 
daruit  8uh  Constante,  filio  Constaniini  principis, 

2.  Gresconius.    Diesen  Donatisten  lernen  wir  durch  die  Schrift  Augustins  contra 
iom  grammaticum  partis  Donati  libri  quatuor  (Migne  43  Sp.  445)  kennen,   welche 

406  gesdirieben  ist;  vgl.  Augustin.  retraci  2,  26. 

11.  Optatus. 

969.  Das  antidonatistische  Werk  des  Optatus.    Nach  Donat  dem 
in  war  in  der  Reihe  der  donatistischen  Bischöfe  Parmenian  gefolgt, 
jener,  so  griff  auch  dieser  litterarisch  in  den  kirchlichen  Kampf  ein. 
lam  Donatisten  Tyconius,  der  eine  Sonderstellung  in  Bezug  auf  mehrere 
[en  eingenommen  hatte,  trat  er  mit  einem  an  ihn  gerichteten  Briefe 
[tgegen.    Noch  wichtiger  wurde  ein  Werk,  in  dem  er  die  katholische 
angriff;  dasselbe  hatte  eine  starke  Verbreitung  gefunden,  und 
lein  wurde  der  Wunsch  geäussert,  dass  es  zu  einer  Aussprache  der 
den  kommen  möchte.    Allein  da  an  mündliche  Verhandlungen  nicht 
denken  war,  nahm  der  Bischof  Optatus  von  Mileve  den  Griffel  in  die 
um  sich  in  einer  Schrift  mit  dem  Gegner  abzufinden;  er  schloss 
_  hierbei  ziemlich  eng  an  den  Gedankengang  des  Donatisten  an,')  wo- 

^  ^Eurch  die  Disposition  seines  Werks  merklichen  Schaden  erlitt.  Im  ersten 
r  4Ba<5li  setzt  sich  Optatus  als  Ziel,  den  Ursprung  des  Schisma  darzulegen ; 
^^=^a  diesem  Zweck  benutzte  er  eine  Aktensammiung  über  den  religiösen 
L  ^Streit  und  fügte  sie  am  Schluss  seines  Werkes  hinzu.  Zum  Glück  ist  uns 
Teil  dieser  Sammlung  erhalten.    Lange  Zeit  lagerte  über  diesen  in- 


r 
r 


0  1,  6  p.  8  Z.  werden  die  Omndzüge 

parmeniuiischeii  Werks  also  gegeben:  tu 

loco  dixisti  conparctHones  laudesque 

iamaiia  et  praeter  camem  Christi  a  te 

tractatam  cetera  bene  dixisti,  hoc  enim 

18  pro  nobia  te  dixisse  euo  loco  monstra- 

aecundo  autem  loco  exclusis  haereticis 

Bandlmdi  dtr  ¥1iw.  AltertmiifwiMenBcluift.  vm,  4. 


unam  dixisti  esse  ecclesiam;  sed  eam  ubi 
sit,  agtwscere  noluisti.  tertio  loco  traditores 
nullis  certis  personis  aut  nominibus  occu- 
sasti.  quarto  a  te  unitatis  laceraH  sunt  ooe* 
rartt.  quinto,  ut  minuta  praetermiUaßr 
de  oleo  et  sacrificio  pecctxtoria. 


354  OpUtnB.    (§959.) 

teressanten  Aktenstücken  der  Druck  der  Hyperkritik ;  ihre  Echtheit 
angefochten  und  selbst  dem  Optatus  die  RoUe  eines  Fälschers  zngei 
Jetzt  ist  durch  eine  methodische  Untersuchung  dieser  Materialsan 
wieder  ihr  Recht  zu  Teil  geworden;  die  Aktenstücke  aus  dem  doi 
sehen  Streite  müssen  im  grossen  Ganzen  als  echt  angesehen  werden. 
Optatus  sich  die  Dinge  von  seinem  Standpunkt  aus  angesehen,  ist  zwe 
allein  ihn  grober  Unwahrheit  zu  bezichtigen,  würde  verfehlt  seii 
zweiten  Buche  wird  erörtert,  wo  die  wahre  Kirche  Christi  zu  suche 
Hier  ist  es  für  den  Autor  leicht,  die  Gegner  in  die  Enge  zu  treibe 
donatistische  Kirche  war  auf  einen  Winkel,  auf  Afrika,  beschräoj 
stand  in  keinem  Zusammenhang  mit  Rom,  die  katholische  Grosskirc 
gegen  war  über  alle  damals  bekannten  Länder  verbreitet  und  durch  i 
Anschluss  an  Rom  zu  einer  festen  Einheit  zusammengewachsen, 
starken  Stützpunkt  für  ihre  Sache  und  für  die  Bekämpfung  der 
fanden  die  Donatisten  in  den  Verfolgungen,  die  sie  durch  bewafihet 
schreiten  der  staatlichen  Macht  erduldet  hatten;  dass  dieses  milit 
Einschreiten  den  Katholiken  nicht  zur  Last  zu  legen  sei,  will  das 
Buch  darthun.^)  Die  Betrachtung  geht  in  dem  vierten  Buch  zum 
weis  über,  dass  die  Katholiken  nicht  die  Todsünder  seien,  deren 
man  verschmähen  müsse.  ^)  Die  Donatisten  hatten  auch  als  6n 
aufgestellt,  dass  an  den  Katholiken  die  Wiedertaufe  vorgenommen 
müsse;  diesen  Grundsatz  bekämpft  der  Autor  im  fünften  Buche, 
er  die  dogmatische  Frage  von  dem  Verhältnis  des  Spenders  zum  ^ 
deten  Gnadenmittel  näher  prüft.*)  An  das  fünfte  Buch  schliesst  sie 
Inhalt  nach  das  sechste  an,  wo  andere  harte  Massregeln  der  Don 
gegen  die  Katholiken  als  Befleckte  5)  besprochen  werden. ö) 

Damit  war  das  Werk  abgeschlossen;  ein  Bild  von  dem  Vo| 
krönte  als  Schmuck  das  Ganze.  In  der  Zeit  von  370 — 375  übergi 
tatus  sein  litterarisches  Produkt  der  Oeffentlichkeit.  Obwohl  der  kath 
Bischof  den  Begi'iff  der  Brüderlichkeit  den  Gegnern  gegenüber  st 
den  Vordergrund  treten  Hess  und  den  donatistischen  Bischof  mit  , 
angeredet  hatte,  brachte  das  in  wohlmeinender  Absicht  geschriebem 
doch  nicht  die  Versöhnung  im  Streit;  dazu  enthielt  es  noch  immer  % 
Worte  und  zu  schwere  Vorwürfe  gegen  die  Schismatiker.  An  diese 
Aeusserungen  klammerten  sich  die  Donatisten  an  und  wendeten  eii 
wenn  man  ihre  Väter  als  Verräter  bezeichne,  man  kein  Recht  ha 
die  Söhne  der  Verräter,  zur  Kirchengemeinschaft  aufzufordern.    Der 

*)  Hier  ist  charakteristisch  die  Definition   !  semiper  auditur:  hoc  muntts  baptis 
2,  1  p.  32  ecclesia  una  est,  ciiius  sanctitas 
de  sacrameniü  colligitur,  non  de  persona- 
rum  superhia  ponderatur. 

*)  Dieses  Buch  enthält  ein  interessantes   |  ^)  Illustriert  durch  das  Abwa 

Kapitel  (4)  über  die  circumcelliones.  i   Kirchenwände,  welche  die  Donatisi 

•)  Ueber   eine   Anzahl  Ketzer  vgl.  4,  5    '   katholischen  Gotteshäusern  vomah] 
p.  108.  I  «)  6,  5  p.  152   conflastis   inp 

^)  Z.  B.  5,  4  p.  127  non  potest  id  munus  i   crudeliter  confregistis  et  incons%ü 
ab   liomine   dari,   quod   divinum   est,     5,  6 
p.  132  qui  non  habet,   quod  det,   quomodo 
dat?    5,  7  p.  133  iam  illud  quam  ridictUum 
est,  quod  quasi  ad  gloriam  vestram  a  vobis 


dantiSf  non  accipientis.     p.  137  et 
versis  servientibus  non  dominium, 
sterium. 


altaria;  puellas  miseras  non  sine 
ut  secundam  miteUam  acciperent, 
cum  de  prima  in  lectione  recitari  f 


Optatna.    (§959.)  355 

I  an  der  Beseitigung  des  Schisma  alles  gelegen  war,  meinte,  dass  man 
I  Gegner  noch  mehr  entgegenkommen  müsse ;  er  entschloss  sich  daher, 
a  15  Jahre  nach  dem  Erscheinen  des  Werkes,  zu  einer  zweiten  Be- 
Bitung.  In  einem  eigenen  Buche  suchte  er  zu  zeigen,  dass  auch  die 
«r,  wenn  sie  nur  gewollt  hätten,  die  Aufnahme  in  die  katholische 
che  wieder  erlangt  hätten;  um  so  leichter  könne  man  die  Wieder- 
aahme  den  Söhnen  gewähren,  die  ja  nicht  die  erste  Schuld  an  dem 
»te  trügen.  In  dem  neuen  Buch  wandte  er  sich,  wie  es  scheint,  nicht 
IT  speciell  an  Parmenian,  sondern  an  alle  Donatisten.^)  Auch  zu  den 
igen  Büchern  machte  er  Zusätze  und  Entwürfe  zu  Einschaltungen. 
»n  Optatus  konnte  seinen  Plan  nicht  zu  Ende  führen,  und  so  kommt 
dass  wir  von  dem  siebenten  Buch  nur  den  Anfang  der  Untersuchung 
«n,  während  die  übrigen  ihm  beigegebenen  Stücke  Entwürfe  für  die 
ausgehenden  Bücher  darstellen.  Trotzdem  kam  auch  diese  nicht  fertig 
rordene  Partie  mit  den  Urkunden  als  Anhang  in  die  Oeffentlichkeit; 
r  die  Bezeichnung  der  unfertigen  Skizzen  als  siebentes  Buch  wurde,  wie 
icheint,  erst  nach  Hieronymus  eingeführt,  da  er  nur  sechs  Bücher  kennt. 

Biographisches.    Hieronym.  de  vir.  ill.  110  OptattM  Afer,  episcopus  (vgl.  7,  2 

70,  15  Z.)  Müevüanus  (d.  h.  Mileve  oder  Milev,  eine  Stadt  Numidiens),  ex  parte  catho- 

scripsit  8%ib  Valentiniano  (364 — 375)  et  Valente  (364 — 378)  principibua  Ädveraum 

%ai%anae  partis  calumniam  librns  sex,  in  quibus  adserü  crimen  Donatianorum 

%os  fcUso  retorqueri. 

Anlass  des  Werks.  1,4  p.  6Z.  cuius  {Parmeniani)  dictis  cum  respondere  veri- 
cogente  conpellimur,  erit  inter  nos  ahsentes  qiwquomodo  conlatio.  eodem  modo  satis- 
et  desideriia  (üiquorum.  nam  a  multis  saepe  desideratum  est,  ut  ad  eruendam  veri- 
m  ab  cUiquibus  defensoribus  partium  conflictus  haberetwr.  et  fieri  potuit.  sed  quo- 
m  ei  accessum  prohibent  et  aditus  intercludunt  et  consessum  vitant  et  conloquium 
sgant,  vel  tecum  mihi,  frater  Parmeniane,  sit  isto  modo  conlatio,  ut,  quia  tractatus 
g  quos  in  manibus  et  in  ore  mültorum  esse  voluisti,  non  aspematus  sum  neque  con- 
391,  sed  omnia  a  te  dicta  patienter  atulivi,  audias  et  tu  humilitatis  nostrae  responsa, 
nenianns  war  kein  Afrikaner;  vgl.  1,  5  p.  7  quia  peregrinus  es;  vgl.  noch  3,  3  p.  73. 

Abfassangszeit  des  Werks.  Der  tenninns  post  qaem  ergibt  sich  aus  1,  13 
3  ferme  ante  annos  sexaginta  et  quod  excurrit  per  totam  Äfricam  persecutionis  est 
igata  tempestas;  es  ist  die  diokletianische  Verfolgung  gemeint,  welche  von  303—305 
rte.  Also  schrieb  Optatus  sicher  nicht  vor  365,  sonach  etwa  870.  Der  tenninus  ante 
n  muss  375  sein,  da  in  diesem  Jahre  einer  der  beiden  Kaiser  starb.  Dieser  letzte 
linns  erhfilt  auch  seine  Bestätigung  durch  eine  Stelle  (4,  5  p.  109),  in  der  Photinus 
9$enH8  temporis  haereticus  genannt  wird;  da  nun  Photinus  376  aus  dem  Leben  schied, 
Q  Optatus  jene  Stelle  nur  vor  diesem  Jahr  geschrieben  haben.  Mit  dem  gewonnenen 
rvaUum  370—375  steht  im  Widerspruch,  dass  im  Catalog  der  römischen  Päpste  Siricius 
Ihnt  wird  (2,  3  p.  37,  11),  der  von  384 — 398  regierte.  Dieser  Widerspruch  kann  nur 
erklärt  werden,  dass  zu  dem  Werk  des  Optatus  später  von  ihm  selbst,  nicht  wohl 
einem  andern,  Zusätze  gemacht  wurden.  Das  Problem  spielt  auch  in  das  siebente 
h  hinein. 

Titel  und  Argumente  des  Werks.  Die  Bücher  werden  gewöhnlich  mit  dem 
ilx  contra  Parmenianum  Donatistam  bezeichnet;  die  handschriftliche  Ueberlieferung 
Dt  nur  libri  Optati  ohne  jeden  Beisatz.  Nur  der  cod.  Remensis  fttgt  am  Schluss  des 
fcen  Buches  bei:  adversus  Parmenianum  scistnaticorum  auctorem;  vgl.  Ziwsa,  Ausg. 
Cn.  Auch  die  Argumente  zu  den  einzelnen  Bttchem  rühren  nicht  von  Optatus  her; 
Ziwsa  p.  XIII. 

Disposition  des  Werks.  1,  7  p.  9  sed  mihi  videtur  primo  loco  traditorum 
eismaücorum  indicandas  esse  civitaies  personas  et  nomina,  tU  quae  a  te  de  his  dicta 
t,  veros  audores  et  certos  reos  suos  agnoscant.  deinde  mihi  dicendum  est,  quae  vel 
tu  una  ecclesia,  quae  est,  quia  praeter  unam  altera  non  est,  tertio  a  nchis  müitem 
esse  Petitum  et  cid  nos  non  pertinere,  quod  ab  operarOs  unUatiB  dieOwr  esH  eoni' 
mm.  quarto  loco,  quis  sit  peccator,  cuius  sacrificium  repwUat  4^»^-  '  ■ 

1)  Vgl.  Dnpin  bei  Migne  11  Sp.  763. 


356  Optota«.    (§969.) 

fugiendum  sü,  quinto  de  baptismate,  sexto  de  tnconsideratis  praesumptianibus  et  t 
vestris.  Auch  sonst  nimmt  0.  auf  die  Disposition  Rftcksicht;  TgL  5,  1  p.  118  ^ 
legis  qui  ftterint  et  auctores  scismcUis,  in  primo  libro  tnanifesHssinUs  doeument\ 
dimus,  et  apud  nos  esse  unam  veram  ecdesiam  catholicam  secundo  monttnmmm 
(wahrscheinlich  sind  hier  die  Worte  et  quarto  ausgefallen)  vero  probiMvirnus,  qua* 
fiicta  esse  dicuntur,  ad  nos  mvnime  pertinere  et  vos  tnagis  peccatores  esse  indiei 
docuimus.  iam  de  baptismate  hoc  loco  dicendum  est;  vgl.  2,  9  p.  45;  2,  18  p.  48;  3, 
Auch  Verweisungen  auf  spätere  Bttcher  finden  stat^  z.  B.  1,  5  p.  8  cuius  sacraw^ei 
tota  quinto  libro  tnonstrabitur,  2,  26  p.  66  sed  hanc  in  sexto  libro  demonstrabo.  3 
tn  primo  libello  probavimus  et  in  quarto  proctU  dubio  probatwri  sumus. 

Das  siebente  Buch.  Dass  das  Werk  des  Optatns  ursprünglich  ans  aecb 
bestand,  erhellt  aus  seiner  Disposition  (1»  7);  auch  Hieronymus  kannte  nur  secb 
Die  Veranlassung  des  siebenten  Buches  wird  vom  Autor  also  angegeben  (7,  1  p.  158):  • 
post  invidiae  silvatn  securibus  veritatis  abscisam  video  adhuc  vestras  vel  vestrorun 
cationes  puUülare,  quas  vos  audio  dicere,  ad  unam  communionem  non  oportuisst 
cum  filios  traditorum  vos  esse  constiterit,  ad  ea  pauca  respondeam.  Die  mfld 
fassung  erhellt  aus  folgenden  Stellen:  7,  1  p.  166  Juiec  si  a  vestris  parentibus  suo 
dicerentur,  quis  eos  a  communione  sua  repeUeret?  7,  3  p.  178  haec  si  commen 
communicare  cupientes,  quando  vos  catholica  pio  sinu  suscipere  dubitaret  ecdet 
constet  vos  non  traditores  esse,  sed  filios  traditorum?  1,  2  p.  168  inde  est,  quod  \ 
dudum  in  communionem  nostram  voluimus  recipere,  quia  vos  illo  tempore  non  j 
sed  principes  vestri,  Dupin  hatte  anfangs  das  siebente  Buch  als  unecht  erklir 
später  gab  er  diese  Ansicht  auf  und  statuierte  (11  Sp.  763  Bügne),  .partem  üHm 
Optati,  quae  liber  septimus  dicitur,  non  esse  revera  librum  distinctum  a  caeteris, 
ditamenta  ad  quosdam  libros  ab  ipso  Optato  composita  opere  iam  confecto."  AJ 
Eingang  des  Buches,  der  auf  den  Inhalt  der  früheren  Bücher  hinweist,  lässt  doch 
nähme  wahrscheinlich  erscheinen,  dass  Optatus  noch  ein  siebentes  Buch  schreibe 
das  aber  nicht  zum  Abschluss  kam.  Ueber  die  Zusätze  dieses  Buches  aus  dem 
anus,  welche  Dupin  in  die  Appendix  verwiesen  hat  (Migne  Sp.  1098),  vgl.  Ziws 
p.  XXX.  Eine  RQckverweisung  auf  das  vierte  Buch  findet  sich  7,  2  p.  169.  U 
siebente  Buch  im  allgemeinen  vgl.  noch  Z  i  w  s  a  p.  VIII. 

Die  doppelte  Recension.  Nicht  bloss  das  siebente  Buch  lässt  eit 
Recension  klar  zutage  treten,  sondern  auch  im  Innern  des  Werks  finden  sich  Spu 
solchen.  Wir  erinnern  an  den  schon  besprochenen  Gatalog  der  römischen  Bis( 
Siricius  aufgeftthrt  wird.  Da  kein  stichhaltiger  Grund  vorliegt,  das  siebente  l 
Optatus  abzusprechen,  werden  wir  nicht  an  eine  Recension  von  anderer  Seite  2 
haben,  sondern  vielmehr  annehmen,  dass  Optatus  selbst  sein  Werk  behufs  eii 
Auflage  bearbeitete,  aber  nicht  mehr  damit  zum  Abschluss  kam.  Ueber  die  Kap 
10  des  fünften  Buches  vgl.  Ziwsa  p.  XI.  Ueber  c.  12  des  dritten  Buches  vg 
bei  Migne  11  Sp.  1025;   Ziwsa  p.  X. 

Die  dem  Optatus  beigeschlossene  Aktensammlung.  Optatus  w 
an  mehreren  Stellen  auf  das  beigefügte  Aktenmaterial  hin;  vgl.  1,  22  p.  25  Con 
Ivarum  rerum  adhuc  ignarum  his  precibus  rogaverunt,  quarum  exemplum  infra 
est.  1,  14  p.  16  et  t^etustcis  membranarum  testimonium  perhibei,  quas  dubitan 
ferre  poterimus.  1,  26  p.  28  de  his  rebus  liabemus  volumen  actorum,  quod  si  qu 
in  novissimis  partibus  legat.  Es  sind  10  Aktenstücke,  welche  in  dem  cod.  ( 
des  Optatus  erhalten  sind.  Ihre  Echtheit  wurde  besonders  angefochten  von  Se 
sogar  auf  Optatus  Verdacht  geworfen ;  so  schreibt  er  (Zeitschr.  für  Eirchengesch. 
„Dass  in  diesem  Falle  Optatus  selbst  der  Fälscher  gewesen  ist,  lässt  sich  zwai 
widerleglich  beweisen,  ist  aber  meines  Erachtens  äusserst  wahrscheinlich* ;  p.  5( 
aber  Optatus  teils  selbst  gelogen,  teils  aus  dem  Machwerk  eines  Lügners  ges< 
so  ergibt  sich  daraus,  dass  seine  historische  Darstellung  so  gut  wie  unbrauchbar  if 
die  Untersuchungen  von  Duchesne  ist  das  Urteil  über  diese  Aktenstücke  ein  unbc 
geworden,  so  dass  ihre  Echtheit  im  grossen  Ganzen  als  feststehend  angenom 
Wir  führen  die  Hauptresultate  seiner  Untersuchungen  vor:  1.  Zwischen  330  und 
in  Afrika  ein  Aktenfascikel  mit  dem  Titel  Gesta  purgationis  Caeciliani  et  1 
gestellt,  in  dem  die  Aktenstücke  vereinigt  waren,  welche  die  Rechtmässigkeit 
Caecilians  zum  Bischof  erweisen  sollten.  2.  Etwa  370  benutzte  diese  Aktensam 
tatus  füi'  sein  Werk  und  schloss  sie  auch  demselben  an.  3.  Auch  Augustin  ben 
Sammlung;  ferner  wurde  sie  im  Religionsgespräch  zu  Carthago  411  herangezog« 
Teil  dieser  Sammlung  ist  uns  hinter  Optatus  durch  den  cod.  Parisinus  (Colberi 
s.  XI  erhalten.  5.  Alle  diese  Aktenstücke  sind  unzweifelhaft  authentisch.  6.  I 
an  der  Ehrlichkeit  des  Optatus  ist  unbegründet. 

Litteratur  zu  den  Aktenstücken.    Ausser  den  §  957   citierten  Abi 


PhilaatriiiB  and  Gandentiiui.    (§  960.)  857 

Bibbeck  und  Völter  sind  noch  anznfttbren:  M.  Deutsch,  Drei  Aktenstücke  zur 
sh.  des  Donatismus,  Berl.  1875;  0.  Seeck,  Die  Zeitfolge  der  Gesetze  Constantins  (Zeitschr. 
Rechtsgesch.  10  (1889)  Roman.  Abt.  p.  1;  p.  177);  Quellen  und  Urkunden  ttber  die  An- 
:!e  des  Donatismns  (Zeitschr.  für  Eirchengesch.  10  (1889)  p.  505);  L.  Duchesne,  Le 
iler  du  Donaüsme  1890  (Extrait  des  Mölanges  d'archöol.  et  d'hist.  publik  par  l'^cole 
i^use  de  Rome  t  10);  ein  Referat  steht  bei  Harnack,  Gesch.  der  altchristl.  Litt  1 
pi.  1893)  p.  744.  üeber  ähnliche  Sanmilungen,  die  zum  Zweck  der  Rechtfertigung  zu- 
mengestellt  wurden,  vgl.  Duchesne,  L'origine  du  livre  bleu  (Akten  des  5.  internst 
Bresses  kathol.  Gelehrten,  München  1901,  p.  55). 

Sprache  und  Stil  des  Optatus.  Vgl.  Ziwsa,  Eranos  Yindobonensis  p.  174,  der 
■nders  die  Redefiguren  erörtert;  vgl.  auch  Ron  seh,  Zeitschr.  für  Gsterr.  Gymn.  35  (1884) 
Dl  =  Collectanea  philol.,  Bremen  1891,  p.  158. 

Ueberlieferung.  Massgebend  sind  folgende  Handschriften:  Petropolitanus,  olim 
beiensis  Q.  v.  omd.  I,  2  s.  V/VI,  er  enthält  die  ersten  zwei  Bücher  und  getrennt  davon 
Argumente  aller  Bücher;  Aurelianensis  169  s.  VII,  er  enthält  nur  ein  Fragment  des 
«nten  Buches;  Parisinus  1711,  olim  Colbertinus  1951  s.  XI,  er  enthält  mehr  als  die  Hälfte 
sechsten  Buches  und  das  siebente  Buch,  in  das  einiges  aus  dem  dritten  Buch  eingestreut 
Parisinus  13.  335,  olim  Germanensis  609  s.  XY,  Remensis  221  s.  IX,  aus  dem  Pari- 
is  1712,  olim  Baluzianus  290  s.  XIV  stammt;  vgl.  Ziwsa,  Ausg.  p.  XIV;  Eranos  Vindo- 
anais,  Wien  1893,  p.  168. 

Ausg.  Editio  princeps  von  Cochlaeus,  Mainz  1549;  er  benutzte  den  cod.  Cusanus 
C  7  s.  XV,  welcher  nur  die  ersten  sechs  Bücher  enthält;  vgl.  Ziwsa  p.  XXIX;  p.  XL. 
8  folgte  ihr  zu  Paris  die  Ausg.  von  Balduinus;  1569  erschien  die  2.  Auflage;  in  dieser 
Ig.  wurde  der  Tilianus  benutzt;  vgl.  Ziwsa  p.  XXIX.  Ganz  ausgezeichnet  sind  die  Aus- 
en  Dupins,  Paris  1700,  dann  Amsterdam  1701  und  Antwerpen  1702;  abgedruckt  bei 
llandi,  Bibl.  vet  patr.  5  p.  459,  Migne  11  Sp.  883  und  Hurter,  S.  patr.  opusc.  sei.  10, 
0.    Die  neueste  Ausg.  ist  die  von  C.  Ziwsa,  Corpus  Script  eccles.  lat  26  (Wien  1893). 

12.  Philastrius  und  Qaudentius. 

960.  Das  Eetzerbuch  des  Philastrias.  Augustin  ^)  berichtet  uns 
1  einem  Celsus,')  der  in  sechs  Büchern  die  Häupter  der  verschiedenen 
losophenschulen  mit  kurzer  Angabe  ihrer  Ansichten  zusammenstellte  und 
fast  100  Persönlichkeiten  vorführte.  Nachdem  das  Christentum  in  die 
dt  eingezogen  war,  lag  der  Gedanke  sehr  nahe,  die  verschiedenen  Häre- 
1  und  ihre  Urheber  ebenfalls  zusammenzustellen.  Und  in  der  That  er- 
ienen  sowohl  in  der  griechischen  als  in  der  römischen  Welt  Ketzer- 
aloge.  Schon  oben  (§  702,  3)  haben  wir  einen  unter  Tertullians  Namen 
fanden  libellus  adversus  omnes  haereses  kennen  gelernt;  auch  unsere 
3che  bringt  einen  solchen  Ketzerkatalog,  nämlich  das  Werk  des  Phila- 
1118,  Bischofs  von  Brescia.  lieber  Philastrius,  der  auch  Philaster  ge- 
int wird,  herrscht  tiefes  Dunkel,  und  dieses  wird  auch  nicht  gelichtet 
*ch  eine  Rede,  welche  der  Nachfolger  des  Philastrius  auf  dem  Bischofs- 
hl,  Gaudentius,  auf  ihn  gehalten  hat.  Er  berichtet  uns  nichts  über 
Q6  Familie  und  über  sein  Vaterland;^)  er  erzählt  lediglich,  dass  Phila- 
lus  in  verschiedenen  Gegenden  umherzog,  um  Gottes  Wort  zu  predigen 
1  Heiden  und  Arianer  zu  bekämpfen,  dass  er  in  Mailand,  ehe  Ambrosius 
i  Bischofsstab  ergriff,  dem  arianischen  Bischof  Auxentius  entgegentrat 
1  sich  hierbei  selbst  körperlichen  Misshandlungen  aussetzte,  dass  er 
^h  zu  Rom  verweilte  und  endlich,  dass  er  in  Brescia  einen  festen  Sitz 
sein  Wirken  erhielt.  Von  Augustin  wissen  wir,  dass  er  gelegentlich 
des  Aufenthalts  in  Mailand  die  Bekanntschaft  des  Philastrius  machte. 


^)  De  haeres.  prol.  ''  Alexandriner  oder  Aegyptier  halten.   Giiei 

•)  2,  2*  §  473  p.  328.  war  er  nicht  (vgl.  cap.  121,  8),  ebensowi 

*)  Marx  (p.  aI)  mOchte  ihn  für  einen  {  Römer;  vgl.  cap.  121,  7;  111,  5. . 


358  Phüastriiui  imd  QaudentinB.    (§  960.) 

Die  Akten  des  Concils  von  Aquileia  (381)  bezeichnen  unseren  Philastrim 
als  Teilnehmer  an  demselben.  In  der  Zeit  von  385—391  schrieb  dieser 
Philastrius  einen  Ketzerkatalog,  und  während  Celsus  es  auf  ungefähr  lOO 
Nummern  gebracht  hatte,  weist  sein  Katalog  deren  156  auf.  Philastrius 
war  ein  der  Zahlenspielerei  ergebener  Mann;  indem  er  sowohl  die  Häre- 
sien des  alten  Bundes,  wie  die  des  neuen  bis  auf  seine  Zeit  behandelte, 
gewann  er  dort  28  Häresien,  hier  100  +  28,  also  im  ganzen  156.  Ld 
zweiten  Teil,  der  die  nachchristlichen  Häresien  erörterte,  machte  er  zwei 
Teile,  von  denen  der  eine  die  Nummern  29 — 92  umfasst,  der  andere  die 
Nummern  93 — 156.  Dem  ersten  Teil  liegt  als  Prinzip  die  Aufeinander- 
folge der  Häresien  zu  Grunde,  dem  zweiten  die  Lehrmeinungen,  welche 
naturgemäss  eine  kurze  Widerlegung  nach  sich  ziehen  müssen.  Aber  and 
hier  finden  wir  wieder  eine  Zahlenspielerei,  indem  jeder  Teil  64  Nummen 
enthält.  Bei  einem  solchen  Schematismus  konnte  es  natürlich  nicht  ohne 
Gewaltthätigkeiten  abgehen ;  der  Autor  veranstaltet  eine  wahre  Jagd  nadi 
Häresien  und  rechnet  dazu  auch  solche  Ansichten,  welche  über  unwesent- 
liche, nicht  den  Glaubensgrund  umstürzende  Dinge  ausgesprochen  wurden; 
ein  fester  Begriff  der  Häresie  geht  ihm  daher  gänzlich  ab.^)  Auch  kommt 
es  vor,  dass  aus  einer  Häresie  zwei  gemacht  werden.^)  Ueber  die  Quellen, 
die  Philastrius  benutzte,  fehlt  es  noch  an  einer  abschliessenden  Unter-  ( 
suchung;  doch  scheint  so  viel  festzustehen,  dass  er  nicht  den  Epiphanias  fl 
heranzog,  sondern  mit  ihm  aus  dem  Syntagma  des  Hippolytus  schöpfte.  | 
Obwohl  die  Schrift  des  Philastrius  im  ganzen  als  ein  dürftiges  Machwerk 
zu  bezeichnen  ist,^)  blieb  sie  doch  nicht  unbeachtet;  Gaudentius  lässt  ibre 
Kenntnis  durchblicken;*)  ausgiebig  wurde  sie  benutzt  von  Augustin  in 
seinem  Buch  über  die  Ketzereien.^)  Auch  der  sog.  Praedestinatus  kannte 
den  Ketzerkatalog  des  Philastrius. 

Uober  den  Namen  des  Schriftstellers.  £s  kommen  vor  die  Formen  PhiUstiiot 
und  Philast^r,  dann  werden  auch  diese  Fonnen  mit  F  geschrieben.  Augustin  hat  in  den 
Brief  ad  Quodvultdeum  (222)  die  Form  Füastrius;  in  dem  etwas  späteren  Werke  de  haere- 
sibus  aber  gebraucht  er  die  Form  Filasier.  In  den  gesta  episcoporum  aqoileia  (p.  S8  Kad^ 
mann)  erscheint  die  Form  Filastro.  Im  Catalogus  episcoporum  (p.  38  K.)  wird  er  ?'ckukr 
genannt.     Die  üeberlieferung  spricht  für  die  Schreibung  mit  F;  vgl.  Marx,  Ausg.  p.  X. 

Biographisches.  Gaudentius  de  vita  et  obitu  Philastrii  (20  Sp.  998  Migne)  credau 
deo  fide  plenissima,  exiit  et  ipse  de  terra  stia  et  de  cognatione  sua  et  de  domo  patris  m\ 
et  sequebatur  verhum  dei,  ab  Omnibus  saeculi  impedimentis  exutus  ....  sed  circumiens  uw- 
i'ersum  peyie  ambitum  Bomani  orbis,  dominicum  praedicavit  verbum  ....  non  solum  conin 
Gentiles  atque  Judaeos,  verum  etiam  contra  haereses  omnes,  et  maxime  contra  furentm 
eo  tempore  Arianam  perßdiam  tanto  fidei  vigore  pugnavit,  ut  etiam  verberibiLS  subderetw 
....  nam  et  in  mediolanensi  urbe  idoneus  olim  custos  dominici  gregis  futt,  Ariano  repuf- 
nans  AuxentiOj  priusquam  beatus  eligeretur  Ambrosius.  Romae  etiam  non  exiguo  tempm 

*)  Z.  B.  cap.  102,  1  alia  est  heresis  quae  \           •)  Marx  (p.  XXXV)  nennt  den  Katalog 

terrae   motum   non   dei  iussione  et  indig-  \    „modo  satis  exilis,  modo  serraonibas  in  fw- 

natione  fieri,  sed   de  natura  ipsa  elemen-  '   mam  homiliamm  exundans.* 

torum  opinatur.   Dieser  zweite  Abschnitt  des  '           *)  Vgl.  Gaudentius  sermo  15  (20  Sp.949 

zweiten  Teils  bietet  besonders  viele  Beispiele.  Migne)  =  Philaster  cap.  24,  3. 

2)  Vgl.  Augustin.  de  haeres.  41  No'etianos  ')  Ueber  die  Quellen  Augustins  bemerti 

et  Sabellianos  sab  II  yiumeris  tamquam  duas  Marx  p.  XIII:    „In   quo  componendo  (iibrei 

hereses  posnit.    45  Filaster  autem  continua-  usus   est  Epiphanü  et  Filastrii   opere  cappi 

tim  ponit  ambos  (i.  e,  Paulum  et  Fotinum)  '    1 — 57,    Filastrium    deinde    solum    excezpait 

sub  singulis  et  propriis  numeris,  quasi  hereses  ,   capp.  58 — 80,    tum   scriptoria   adhibnit  ano- 

77,   cum   dicat  Fotinum  in  omnibus  Pauli  •   nymi  cuiusdam  librum  de  haeresibus  capp.  81. 

secutum  fuisse  doctrinam.  82,  denique  Eusebii  histoiiam  cap.  83.* 


PhiUatrinB  and  Oandentiiui.    (§  960.)  359 

^fwrtUus,  müUo8  et  publica  et  privata  disptUatione  lucratiis  in  fide  est post  ülo8  itaque 

^cuüus  animarum  plurium  scUutares  Brixia  eum  rudis  quandam  sed  cupida  doctrinae 
proffterut^  Noch  dem  Vorgang  Dupins  erachtet  Marx  (p.  VII)  die  Rede  de  vita  et  obitu 
Philaatrii  nicht  fOr  ein  Werk  des  Gaudentius;  er  hält  sie  fOr  ein  Produkt  eines  Brixianers 
Mis  dem  Ende  des  8.  oder  Anfang  des  9.  Jahrhunderts.  (Ueber  ein  sapphisches  Gedicht 
i^Qf  Philastrius  vgl.  Marx  p.  VII.)  Doch  die  Beweisführung  von  Marx  ist  nicht  recht  Aber- 
seu^nd.  Philastrius  nahm  an  dem  Goncil  von  Aquileia  (September  381)  teil;  vgl.  Eauff- 
mann,  Texte  und  Untersuchungen  zur  altgerm.  Religionsgesch.  1  (Strassb.  1899)  p.  38. 
A^naftthrliche  Charakteristik  bei  Gaudentius  1.  c.  Das  Todesiaühr  des  Philastrius  ist  nicht  be- 
kannt; doch  steht  soviel  fest,  dass  er  vor  397  starb;  denn  Gaudentius,  der  Nachfolger 
dee  Philastrius  auf  dem  Bischofsstuhl  zu  Brixia,  spricht  an  seinem  Ordinationstage  von  Am- 
broains  als  von  einem  Anwesenden  (Serm.  16;  20  Sp.  958  Migne);  nun  ist  aber  Ambrosius 
897  gestorben,  also  fiel  die  Ordination  des  Gaudentius  und  somit  der  Tod  des  Philastrius 
▼or  dieses  Jahr;  vgl.  Ihm,  Studia  Ambrosiana  (Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  17  (1890)  p.  8 
Anm.  8);  Marx,  Ausg.  p.  m. 

Titel.  Im  Petropolitanus  lesen  wir:  Incipit  liber  Filcistri  episcopi  de  fieresibus; 
im  Yindobonensis  heisst  es:  In  hoc  corpore  continentur  —  id  est  Füastri  episcopi  Brixanae 
ekntaiis  —  de  omntbus  Iieresibus,  Im  Petropolitanus  lautet  die  Subacriptio :  explicit  diver- 
•artim  hereseorum  (sie)  liber;  im  Vindobonensis  dagegen:  explidt  Fikistri  episcopi  Brixiani 
de  Omnibus  heresibus, 

Inhalt  des  Werks.  Praef.  p.  1  Marx  de  hereseon  diversa  pestilentia  variisque  errori- 
bu9  qui  ab  origine  mundi  emerserint  et  sub  Judaeis  defluxerint  et  ex  quo  venit  dominus 
noster  Jesus  salvatOTt  in  carne  pullülaverint,  dicere  oportet  numerumque  earum  paulatim 
exponer e.    üeber  die  Gomposition  und  die  Zahlenspielerei  vgl.  Marx,  Ausg.  p.  XXXV. 

Abfassungszeit.  Diese  würde  sich  leicht  ergeben,  wenn  zwei  Stellen  richtige 
Angaben  enthielten,  nämlich  1 12,  2  inde  a  domino  usque  nunc  anni  quadringenti  triginta 
plus  minus.  106,  2  quadringentos  iam  et  plus  annos  transisse  cognoscimus  <et>,  ex  quo 
venit  dominus,  fuisse  completos.  Aber  397  weilte  Philastrius  nicht  mehr  unter  den  Lebenden. 
Wir  müssen  daher  diese  Stelle  ausscheiden  und  sie  wahrscheinlich  mit  Marx  (p.  XV)  auf 
die  Zeit  des  Herausgebers  des  philastrischen  Werks  beziehen.  Einen  terminus  post  quem 
gibt  an  die  Hand  106,  1  putant  quidam  quod  ex  quo  venit  dominus  usque  ad  consum- 
fnationem  saeculi  non  plus  non  minu^  fieri  annorum  numerum  nisi  trecentorum  sexaginta 
qumque  usque  ad  Christi  domini  iterum  de  caelo  divinam  praesentiam.  Allein  da  Phi- 
jastrius  zeigt,  dass  dieses  Jahr  unrichtig  angenommen  sei  und  dass  seitdem  mehr  Jahre  ver- 
flooaen  seien,  muss  die  Schrift  nach  365  geschrieben  sein.  Der  terminus  ante  quem  ergibt 
sich  aus  c.  83  qui  et  Parmeniani  nu/nc  appellantur  a  Parmeniano  quodam,  qui  eorum 
nuper  successit  erroribus  atque  fcUsitati.  Die  Stelle  setzt  den  Parmenian  als  lebend  voraus ; 
dieser  war  aber  sicher  393  tot,  da  in  diesem  Jahre  sein  Nachfolger  Primian  auf  dem  Goncil 
TOD  Karthago  verurteilt  wurde.  Auch  noch  auf  einem  anderen  Wege  können  wir  den  ter- 
minus ante  quem  feststellen;  wie  aus  c.  142  ff.  hervorgeht,  kennt  Philastrius  die  Uebersetzung 
des  alten  Testaments  von  Hieronymus,  die  im  Jahre  391  vollendet  wurde,  noch  nicht.  Also 
fiült  die  Abfassung  der  Schrift  in  die  Zeit  von  365—391.  Aber  dieses  Intervallum  kann 
dnrch  folgende  Betrachtung  eingeengt  werden.  24,  3  erwähnt  er  das  genus  aut  Graccorum 
aut  Aniciorum,  Bei  Aniciorum  wird  Philastrius  an  den  Anicius  Auchenius  Bassus,  der 
praef.  urbia  382  war,  restitutor  generis  Aniciorum  genannt  wird  und  auch  zum  Christentum 
eich  bekannte,  gedacht  haben,  wie  bei  Graccorum  an  Furius  Maecius  Gracchus,  praef. 
urbis  376.  Merkwürdig  ist,  dass  die  Priscillianisten  c.  84  charakterisiert,  aber  nicht  mit 
Namen  genannt  werden;  dies  Schweigen  erklärt  sich  am  besten,  wenn  die  von  Einsichtigen 
Temrteilte  Hinrichtung  Priscillians  (385)  schon  vollzogen  war.  Die  Abfassung  der  Schrift 
dürfte  somit  etwa  in  die  Jahre  385—391  fallen.  An  das  kaiserliche  Edikt  (383)  gegen  die 
Häretiker  (Cod.  Theodos.  16,  5, 11)  scheint  der  Anfang  der  Schrift  anzuklingen.  —  Lipsius, 
Zur  Quellenkritik  p.  30;  Zahn,  Gesch.  des  neutestamentl.  Kanons,  2.  Bd.  1.  Hälfte  (Erlangen 
n.  Leipz.  1890)  p.  234;  Marx,  Ausg.  p.  XI. 

Quellen  des  Philastrius.  R.  A.  Lipsius,  Zur  Quellenkritik  des  Epiphanios, 
Wien  1865,  p.  4;  Harnack,  Zeitschr.  für  bist.  Theol.  1874  p.  143;  Lipsius,  Die  Quellen 
der  ältesten  Ketzergesch.  neu  untersucht,  Leipz.  1875,  p.  91;  A.  Hilgenfeld,  Die  Ketzer- 
C^esch.  des  Urchristentums,  Leipz.  1884.  Bei  der  Quellenuntersuchung  handelt  es  sich  um 
drei  Schriften,  um  das  Panarion  des  Epiphanius  aus  dem  Jahre  376  oder  377  (vgl.  Harnack, 
Gesch.  der  altchrist].  Litt.  1  (Leipz.  1893)  p.  149),  Pseudotertullians  libellus  adversus  omnes 
haeresee  (§  702, 3)  und  des  Philastrius  liber  de  haeresibus.  Lipsius  (Zur  Quellenkritik  p.  5) 
stellt  den  Satz  auf,  dass  Epiphanius  und  Philastrius  eine  gemeinsame  Grundschrift  vor  sich 
hatten,  deren  Ordnung  bei  Pseudotertullian  noch  vorliegt.  „Beide  bearbeiten  diese  Qnuid- 
schrift  selbständig,  indem  der  eine  sie  an  dieser,  der  andere  an  jener  Stelle  erweitert 
ohne  die  ursprüngliche  Ordnung  zu  ändern.*^   Er  leugnet  (p.  29)  die  BenatEong  dea  Ron 


360  PliilasiriiM  ond  Qandentiiui.    (§  961.) 

durch  Philastrius.     Als  diese  Grandschrift  erachtet  er  Hippolyts  tfvyrayfia  nqoq  and^a^  ro^ 
alpia etg  (im  ganzen  32).    Die  Grandschrift  schloss  mit  Kontos;  Tgl.  LipBia8Lc.p.3i   . 
Hinzugefügt  ist  also  von  Epiphanias  58 — 80  (Lipsias  p.  16),  von  Phüastrias  54—156  (p.  14).  I 
Ueber  die  Abhängigkeit  des  Philastrius  von  Hippolytos  in  der  Chronologie  vgl.  Marx,  Ausg.  ^ 
p.  XXXYII.    Vgl.  auch  Kunze,  De  bist,  gnosticismi  fontibas,  Leipz.  1894. 

Fortleben  des  Philastrius.  Augustin.  epist.  ad  Quodynltdeom  PhiUutrius  quiddm 
Brixiensis  episcopus,  quem  cum  S,  Ambrosio  Mediolani  eHam  ipse  vidi  (383 — 388),  Kiripml 
hinc  librum,  nee  ülas  haereses  praetermittens  quae  in  populo  Judaeo  fuerunt  ante  ad- 
ventum  domini,  easque  XXVIII  commemoravit,  et  post  domini  adventum  CXXVIIL 
üeber  die  Benutzung  des  Philastrius  (und  anderer  Quellen)  in  dem  über  de  haereaibas  Aii- 
gnstins  vgl.  Marx  p.  XIII.  üeber  den  sog.  Praedestinatna  und  Phüastrias  vgL  denseHwi 
p.  XYII;  über  Gregor  den  Grossen  und  Philastrius  p.  XVlll. 

Ueberlieferung.  Von  Marx  sind  für  die  Textesrestituiemng  herangezogen  cod. 
Petropolitanus  auct.  lat.  I  Q.  v.  38,  olim  Gorbeiensis  s.  IX,  in  dem  aber  die  Praefatio  oad 
haer.  1—28  fehlen;  Vindobonensis  1080,  olim  Salisburgensis  219  s.  IX  (es  fehlen  die  Hin- 
sien 107,  115,  117,  140,  151,  154)  und  der  Cheltenhamensis  12263  s.  VIU  (enthXlt  blon 
Kapitel  148).  Es  kommt  femer  noch  die  Handschrift  in  Betracht,  welche  Sichard  seiner 
Ausgabe  zu  Grunde  gelegt  hatte  und  die  jetzt  verloren  zu  sein  scheint;  sie  stand  mit  dem 
Vindobonensis  in  Zusammenhang,  bot  aber  den  Text  in  sehr  verdorbenem  Zostand;  v^ 
Marx,  Ausg.  p.  XVIII. 

Ausg.  Editio  princeps  von  J.  Sichard,  Basel  1528;  es  folgten  die  Aoag.  von  J.  A. 
Fabricius,  Hamburg  1721  (ein  ausgezeichnetes  Werk);  die  von  P.  Galeardi,  BresoA 
1738;  von  Gallandi,  Bibl.  vet.  patr.  7  (1770)  p.  475;  Migne  12  Sp.  1111;  Fr.  Oehler, 
Corpus  haereseologicum  1  (Berl.  1856)  p.  1.  Neueste  Ausg.  ist  die  von  Fr.  Marx,  C!oipQs 
Script,  eccles.  lat.  38,  Wien  1898. 

961.  Die  Predigten  des  Gaudentius.  Der  Schüler  des  Philastrius 
war  Gaudentius.  Leider  sind  wir  über  sein  Leben  ebenso  mangelhaft 
unterrichtet  wie  über  das  des  Philastrius ;  weder  das  Qeburts-  und  Sterbe- 
jahr, noch  sein  Vaterland  sind  uns  bekannt.  Von  ihm  selbst  erfahren 
wir,  dass  er,  als  Philastrius  starb,  im  Orient  weilte.  Dort  ereilte  ihn 
auch  die  Nachricht,  dass  er  zum  Nachfolger  seines  Lehrers  ernannt  sei 
Nicht  wenig  sträubte  er  sich,  das  verantwortungsvolle  Amt  anzunehmen; 
allein  der  Einfluss  des  mächtigsten  Kirchenfürsten  Ambrosius,  das  Zureden 
der  orientalischen  Bischöfe  und  die  Versicherung  der  Bürger  von  Brescia, 
dass  sie  sich  eidlich  verpflichtet  hätten,  den  Gaudentius  zum  Bischof  zu  | 
wählen,  besiegten  den  Widerstand.  Er  kehrte  daher  vom  Orient  nach  , 
Brescia  zurück,  wobei  er  zugleich  Reliquien  mit  sich  führte.  Seine  bischöf-  j 
liehe  Wirksamkeit  in  Brescia  war  von  glücklichem  Erfolg  begleitet;  seine 
Kanzelreden  fanden  den  grössten  Beifall  und  wurden  sehr  häufig  von 
Stenographen  nachgeschrieben.  Auch  in  den  schwebenden  Kirchenfragen 
trat  der  hochangesehene  Mann  mit  seinem  Einfluss  hervor.  Als  Johannes 
Chrysostomus  verfolgt,  in  die  Verbannung  geschickt  und  eine  Gesandt-  j 
Schaft  an  den  kaiserlichen  Hof  von  kirchlicher  Seite  beschlossen  wurde, 
befand  sich  unter  den  Teilnehmern  derselben  unser  Gaudentius,  und  der 
Briefwechsel  des  Johannes  Chrysostomus  lehrt  uns,  dass  er  grosse  Stücke 
auf  den  Brixianer  Bischof  hielt. 

In  die  Litteratur  kam  Gaudentius  durch  Benivolus;  dieser  magister 
memoriae  Valentinians  IL,  der  so  treu  an  dem  nicaenischen  Bekenntnis 
festhielt,  dass  er  lieber  sein  Amt  aufgab,  als  ein  den  Arianern  günstiges 
Dekret  zu  concipieren,  war  durch  Krankheit  verhindert,  die  Osterpredigten 
des  Gaudentius  zu  hören;  er  ersuchte  daher  den  Bischof,  diese  Predigten 
für  ihn  niederzuschreiben;  diesem  Verlangen  kam  Gaudentius  nach  und 
fügte  noch  einige  andere  Predigten  hinzu,  so  dass  jetzt  ein  Corpus  der 
Predigten  des  Gaudentius  vorlag.    Ausser  diesem  Corpus  sind  noch  einige 


Bi»  Autoren  Ton WallfkhrtBboriohten  und  Beaohreiber  des  hl.  Landts.  (§  962.)    36] 

Predigten  überliefert;  von  ihnen  ist  die  vielgelesenste  die  über  Leben  und 
Tod  des  Philastrius,  deren  Echtheit,  jedoch  wie  ich  glaube  ohne  Grund, 
bestritten  wird.  Apokryph  dagegen  ist  ein  sapphisches  Gedicht  auf  Phila- 
strius,  und  noch  das  eine  oder  andere  Stück  hat  fälschlich  den  Namen  des 
Gaudentius  angenommen. 

Gaudentius  ist  ungleich  gebildeter  als  sein  Lehrer  Philastrius.  Er 
schreibt  einen  klaren  und  einfachen  Stil  und  ist  im  ganzen  angenehm 
zu  lesen. 

Biographisches.  In  seiner  bei  der  Ordination  gehaltenen  Rede  sagt  Gandentias, 
dass  er  der  Annahme  der  bischöflichen  Würde  lange  widerstrebt  habe,  and  fährt  dann  fort 
(Sp.  956):  sed  beatus  pater  Anibrosius  ceterique  venerandi  antistites,  sacramento ,  qtu> 
temere  vo8  ipsos  ohUgtisHs,  cistricti,  tcUes  ad  me  epistolaa  cum  vestra  legatione  miserunt, 
«#  sme  damno  animae  meae  ultra  iam  resistere  non  valerem,  cui  ab  Ortentalibus  quoque 
episcopia,  nisi  meum  ad  vos  reditum  pollicerer,  scUutaris  communio  negaretur.    Sermo  17 

(ßp,  964)  cum  per  urbes  Cappadociae  Jerusalem  pergerem in  ipsa  maxima  Cappa- 

dodae  cwitate,  quae  appellatur  Caesarea, repeinmus  quasdam  dei  famulas qud)iM 

ab  oüunculo  suo  summo  sacerdote  ac  becUo  confessore  Basüio  olim  traditae  fuerant  horum 
muartyrum  venerandae  reliquiae,  quas  desiderio  nostro  incunctanter  ac  fideliter  tribuerunt, 
Ueber  den  magister  memoriae  Valentinians  II.  im  Jahre  385,  Benivolns,  Tgl.  Rofin.  bist. 
eecles.  2,  16  (21  Sp.  524  Migne).  üeber  die  Tliätigkeit  des  Gandentius  für  den  verbannten 
J(^annes  Chrysostomos  vgl.  des  letzteren  Brief  184  (52  Sp.  715  Migne);  Palladius  dialogos 
de  Tita  S.  Joannis  Chrysostomi  cap.  4  (Migne,  Patrol.  gr.  47  Sp.  15). 

Veranlassung.  Gaudentius  schreibt  an  Benivolus  (Sp.  827):  communis  voti  fuerat, 
«#  ea  quae  de  divinis  eloquiis  per  paschales  dies  proxime  praeteritos  explanavi,  coram 

valuisses  audire (Sp.  830)  ex  ingenti  aegritudine  tuum  tunc  adhuc  corpus  invalidum, 

ne  supradictae  festivitati  interesses,  inhibuit magnopere  exegisti,  ut  scriberem  quid 

w%aquaque  die  illius  sacratissimae  hebdomadis  sanctae  fratemitoH  a  me  expositum  memi- 
mMsem  ....  scribere  tibi  aggrediar  omnino  iisdem  sensibus,  et  fortasse  etiam  verbis,  quibus 
me  in  ecclesia  locutum  esse  reminiscor,  ut  loquelam  meam,  qtudiscumque  est,  fädle,  cum 
legeris,  recognoscas.  quatuor  praeterea  breviores  tractatus,  quos  de  diversis  capitulis  evan- 
gäa  apud  te  olim  fuisse  me  locutum  prodidisti,  et  quintum  de  Machabaeis  martyribus, 
emendatos  tibi,  quoniam  cogis,  remittam,  ut  eos,  si  ulla  utüi  memoria  dignos  arbitraris, 
m  postrema  parte  schedulae  huius  simiU  transcribendos  adiungas.  de  Ulis  vero  tractatibus, 
quas  notarOs  {ut  comperi)  latenter  appositis,  procul  dubio  interruptos  et  semiplenos  otiosa 
quarumdam  studia  coUigere  praesumpserunt,  nihil  ad  me  attinet. 

Die  einzelnen  Schriften  des  Gaudentius.  Durch  das  Schreiben  an  Benivolus 
Bind  bezeugt  die  zehn  Osterpredigten,  ebenso  die  vier  Predigten  über  verschiedene  Kapitel 
des  Evangeliums  und  die  über  die  Macchabäer,  also  im  ganzen  15.  Inhalt  und  Stil  lassen 
«ach  noch  folgende  vier  Stücke  als  echt  erscheinen:  1.  de  ordinatione  sui,  2.  de  dedicatione 
baailicae,  3.  ad  Serminium,  4.  ad  Paulum  diaconum.  Galeardi  fügte  noch  zwei  hinzu: 
1.  de  Petro  et  Paulo,  2.  de  vita  et  obitu  Philastrii.  Die  Echtheit  der  Rede  de  vita  et  obitu 
Fhilasfcrii  wird  von  Marx  bezweifelt;  vgl.  p.  359.  Dagegen  ist  über  die  ünechtheit  des 
Carmen  sapphicum  zu  Ehren  des  Philastrius  kein  Zweifel  gestattet.  Der  Bischof  Rampertus 
ans  dem  9.  Jahrhundert  sagt  über  dieses  Gedicht  (Marx  p.  VII):  Sed  et  rhythmicum  hym- 
num  quem  ergo  auctoritatis  Gaudentium  episcopum  fecisse  ferunt  cantare  de  ipso  seaüle 
eontueverat.  Gaudentium  autem  ipsum  composuisse  nuto,  cum  longe  aliterque  sensus  primae 
lineae  sit  et  ipse  rJiyihmus  elementa  nominis  compositoris  sui  per  capita  ut  ita  dixerim 
versuum,  si  quis  intendat,  habeat.  Das  Gedicht  bietet  folgendes  Akrostichon:  Filastrius 
Briciiensis  praesul,    Ueber  anderes  Apokiyphe  vgl.  Galeardi  bei  Migne  Sp.  809. 

üeber  die  Sprache  vgl.  Paucker,  Zeitschr.  für  österr.  Gymn.  32  (1881)  p.  481. 
Er  charakterisiert  Gaudentius  als  «scriptor  band  indisertus,  non  tam  quidem  ingenii  lumini- 
hoB  sensnumque  vigore  quam  ingenua  quadam  still  simplicitate  ac  satis  castigato  eloquio 
piülwbiliB,  qnamvis  sordium  secuB  sui  nee  ipse  immunis.* 

Ausg.  von  Galeardus,  Padua  1720;  Migne  20  Sp.  827. 

13.  Die  Autoren  von  Wallfahrtsberichten  und  Beschreiber 

des  hl.  Landes. 

962.  Wallfahrtsbericht  der  sog.  Silvia.  Durch  dieselbe  Hand- 
schrift, durch  welche  uns  Bruchstücke  vom  Hymnenbuch  des  Hilarius  und 


362    I>i«  Autoren  yon  WalUkhrUberiohten  and  Beaohreiber  da«  hL  LuidM.  (|  962.) 

dessen  Schrift  de  mysteriis  erhalten  sind,  wurde  uns  auch  der  Bericht 
über  eine  Wallfahrt  nach  dem  hl.  Lande  bekannt.  Dieser  Reisebericht 
rührt  von  einer  aus  dem  südlichen  Frankreich  stammenden  Frau  her, 
welche  einem  Orden  angehörig  ihre  Erlebnisse  zu  Nutzen  und  Frommen 
ihrer  Ordensschwestern  zusammengestellt  hat.  Wahrscheinlich  war  die 
Erzählerin  die  Aebtissin  ihres  Klosters;  daraus  würde  sich  auch  leicht 
erklären,  dass  ihr  auf  ihrer  Reise  der  Klerus  mit  ausgesuchter  Höflichkeit 
entgegenkam  und  dass  die  Staatsautorität  ihr  für  unsichere  Wegestrecken 
eine  militärische  Begleitung  zur  Verfügung  stellte,  i)  Ob  aber  die  Wall- 
fahrerin mit  Silvia,  der  Schwester  des  östlichen  Reichsministers  Rufinas, 
die  allerdings  auch  in  derselben  Zeit  eine  Reise  in  das  hl.  Land  unter- 
nahm, identisch  ist,  wie  der  erste  Herausgeber  angenommen,  muss  doch 
noch  unentschieden  bleiben.  Der  Reisebericht  ist  unvollständig  auf  uns 
gekommen;  es  fehlt  der  Anfang,  da  die  Erzählung  uns  gleich  in  den  Be- 
such des  Berges  Sinai  versetzt,  auch  in  der  Mitte  sind  beträchtliche  Lücken, 
endlich  ist  der  Schluss  verloren  gegangen.  Die  Reise,  die  in  die  Zeit 
von  379 — 387/88  fällt,  richtete  sich  zuerst  nach  Jerusalem;  von  da  aas 
machte  die  Pilgerin  Exkursionen  nach  dem  Berg  Sinai,  nach  dem  Berg 
Nebo,  endlich  zum  Grabe  Jobs  und  anderen  Orten.  Mittlerweile  waren 
drei  Jahre  verstrichen;  die  Wallfahrerin  dachte  jetzt  an  die  Heimkehr; 
doch  wollte  sie  zuvor  noch  Mesopotamien  aufsuchen,  um  das  Mönchsleben, 
von  dem  sie  so  viel  gehört  hatte,  aus  eigener  Anschauung  kennen  zu 
lernen;  auch  zog  sie  Edessa  mit  dem  Grabe  des  hl.  Thomas  mächtig  an. 
Auch  diese  Reise  führte  sie  aus.  Alsdann  nahm  sie  ihren  Weg  nach 
Constantinopel,  wobei  sie  jedoch  nicht  unterliess,  einen  oder  den  anderen 
Abstecher  nach  einem  in  religiöser  Hinsicht  merkwürdigen  Ort  zu  machen.*) 
In  Constantinopel  angekommen,  stellte  sie  das,  was  sie  gesehen,  zusammen; 
zu  ihrem  Wallfahrtsbericht  fügte  sie  noch  einen  Anhang,  in  dem  sie  die 
Liturgie  der  Kirchen  Jerusalems  in  ausführlicher  Weise  beschrieb. 

Die  Klosterfrau  ist,  wie  sich  das  von  selbst  versteht,  auf  ihrer  Reise 
nur  von  religiösen  Interessen  geleitet;  sie  will  die  ihr  durch  die  hl.  Schrift 
bekannten  Oertlichkeiten,  Kirchen,  Klöster  und  Gräber  der  Heiligen  mit 
eigenen  Augen  sehen;  doch  ist  sie  für  die  Naturschönheiten  nicht  ganz 
unempfindlich,  und  es  kommt  vor,  dass  eine  bezaubernde  Gegend  ihr  den 
Ruf  entlockt,  sie  hätte  so  Wundervolles  in  ihrem  ganzen  Leben  noch  nicht 
gesehen. 3)  Sehenswürdigkeiten  wurden  ihr  ausserordentlich  viele  gezeigt; 
die  Mönche,  die  in  den  besuchten  Gegenden  gern  die  Führer  machten, 
befriedigten  ihre  Neugierde,  die  sie  selbst  eingesteht,  in  erstaunlichem 
Masse.  Jede  in  der  hl.  Schrift  bezeichnete  Oertlichkeit  konnten  sie  nach- 
weisen;^) die  Legendenbildung  war  sichtlich  ins  Ungemessene  fortge- 
schritten.   Die  fromme  Ordensschwester  freut  sich  innig  dessen,  was  man 

*)  9,  3  p.  49  Geyer  nos  inde  iain  remisi-  Jessen.    Hierher  gehört  auch   die  Beschrei- 

mus  miUtcSj  qui  nobis  pro  disciplina  romana  bung   der   grossen   Aussicht   auf   dem   Berg 

auxilUi  praebuerant,  quamdiu  per  loca  su-  Sinai  (3,  8  p.41);  vgl.  noch  13,  2  p.  56  valUm 

specta  ambulareramxis.  pulchram  satis  et  amoenam. 

^)  Z.  B.  22  p.  69  {marUjrium  s.  Tedae).  ^)  7,  2  p.  47   ostefidebant   nobis  singula 

')  9,  4  p.  50    pulchriorem    territorium  loca,   qnae  semper  ego  iuxta  scripturas  rt- 
pxito  me  misquam   vidisse,   quam  est  terra  \  quircham. 


Die  Autoren  Ton  Wellfahrteberiobten  und  Besohreiber  de«  hl.  Landes.  (§  962.)    363 


hr  zeigte,  und  nur  selten  bricht  durch  ihren  Bericht  ein  leiser  Zweifel.^) 
)eim  Besuch  der  merkwürdigen  Oertlichkeiten  wurden  die  auf  sie  bezüg- 
ichen  Worte  der  hl.  Schrift  oder  der  Heiligenlegende  gelesen ;  *)  Gebet  und 
i^salmenrecitation  sollten  den  Dank  für  das  Gesehene  ausdrücken.  Die 
Srzählerin  redet  in  volksmässigem  Latein;  ihr  Reisebericht  ist  daher  für 
lie  Entwicklungsgeschichte  der  lateinischen  Sprache  nicht  ohne  Wichtig- 
keit. Auch  für  die  Geographie  erhalten  wir  aus  dem  Wallfahrtsbericht 
nanchen  Baustein.  Für  die  Geschichte  der  Liturgie  bildet  der  Anhang 
)ifie  Quelle  ersten  Ranges.  Das  Reisebuch  der  frommen  Schwester  blieb 
licht  unbeachtet;  wir  stossen  auf  seine  Spuren  im  12.  Jahrhundert,  wo 
i8  von  Petrus  Diaconus  ausgeschrieben  wurde. 

Die  Verfasserin.  Durch  den  Verlost  des  Anfangs  der  Schriffc  ist  anch  der  Autor- 
uune  verloren  gegangen.  Doch  ergeben  sich  einige  ZQge  aus  dem  Pilgerbericht.  Eine  Frau 
st  es,  welche  den  Bericht  geschrieben  hat;  vgl.  16,  3  p.  58  Geyer  ut  sum  satis  curiosa. 
hre  Heimat  ist  das  südliche  Gallien;  denn  sie  vergleicht  den  Euphrat  mit  der  Rhone;  vgl. 
8,  2  p.  61  üa  decurrit  h€U)en8  impetum,  sicut  habet  fluvius  Rodanus,  nisi  quod  ctdhuc 
naior  est  Eufrates,  Sie  wendet  sich  an  Ordensschwestern;  vgl.  3,  8  p.  40  illud  vos  volo 
cire,  dominae  venerabües  sorores.  19,  19  p.  64  dominae  animae  meae,  46,  4  p.  98  do- 
fnnae  sarores,  23,  10  p.  71  vos  tantum,  dominae,  lumen  meum,  memores  mei  esse  digna- 
nmt.  Die  Schreiberin  will  also  dem  Kloster  angehört  haben,  an  dessen  Religiösen  sie  sich 
vendet,  und  zwar  wird  man  nach  der  Auszeichnung,  die  sie  Oberall  auf  ihrer  Reise  er- 
ahren,  auf  einen  hohen  Rang  der  Pilgerin  schliessen  müssen;  sie  wird  wohl  die  Aebtissin 
les  Klosters  gewesen  sein.  Bestätigt  wird  diese  Annahme  dadurch,  dass  in  einem  Biblio- 
hekskatalog  von  Monte  Casino  aus  dem  Jahre  1532  der  Anfang  des  Pilgerberichts  durch 
±hbatissa  bezeichnet  war.  Gamurrini  (p.  XXXIV)  hat  die  Hyjpothese  aufgestellt,  dass 
insere  Pilgerin  identisch  sei  mit  der  Schwester  des  Ministers  des  Ostreichs  Rufinus,  welche 
»8  Aquitanien  stammend  um  dieselbe  Zeit  eine  Reise  ins  hl.  Land  machte;  vgl.  Palladius 
lisi  Lausiaca  c.  143,  144.  Wenn  sich  auch  die  grosse  Aufmerksamkeit  und  der  militftrische 
kshutz,  der  der  PUgerin  auf  der  Reise  zuteil  wurde,  durch  die  Verwandtschaft  mit  Rufinus 
eicht  erklären  Hesse,  so  wäre  doch  andererseits  auch  auffallend,  dass  sich  in  den  Berichten 
liemals  eine  Anspielung  auf  Rufinus  vorfindet.  So  ansprechend  die  Hypothese  Gamurrinis 
mch  ist,  kann  sie  doch  nur  den  Grad  einer  Wahrscheinlichkeit  in  Anspruch  nehmen. 

Abfassungszeit.  Der  terminus  ante  quem  ergibt  sich  also.  Die  Pilgerin  kam 
mch  nach  Edessa;  hier  scheidet  sie  bei  der  Angabe  der  von  ihr  gesehenen  OerÜichkeiten 
rwischen  der  Hauptkirche  und  dem  Grabmal  des  hl.  Thomas  als  zwei  verschiedenen  Oert- 
ichkeiten;  vgl.  19,  2  p.  61  pervenimus  ....  Edessam.  übi  cum  pervenissemus,  statim  per- 
'eximus  ad  ecclesiam  et  ad  martyrium  sancti  Thomae,  Nun  wurden  aber  394  die  Ge- 
>eine  des  Apostels  in  die  Hauptkirche  übertragen;  vgl.  Chron.  Edess.  bei  Assemani,  Bibl. 
>r.  1  p.  399.  Also  fällt  die  Peregrinatio  vor  394.  Der  terminus  post  quem  wird  uns  20,  12 
>.  67  an  die  Hand  gegeben.  Nachdem  der  Bischof  der  Reisenden  die  Entfernung  von  Nisibis 
md  Hur  bestimmt  hat,  fährt  er  fort:  sed  modo  ibi  accessus  Romanorum  non  est;  totum 
mim  illud  Persae  tenent.  Die  Ausdehnung  der  persischen  Herrschaft  Aber  diese  Oertlich- 
ceiten  fällt  ins  Jahr  363,  in  dem  Julian  starb  und  Jovian  einen  schmählichen  Frieden 
ichloss.  Also  fällt  unser  Reisebericht  zwischen  363  und  394.  Dieses  Intervallum  kann 
über  noch  eingeengt  werden  durch  folgende  Erwägung.  In  der  Peregrinatio  herrscht  Qberall 
idrchlicher  Friede ;  sie  kann  daher  nicht  während  der  arianischen  Verfolgungen  unter  Kaiser 
Valens  (364—378)  geschrieben  sein,  sondern  erst  nach  dessen  Tode,  also  nach  378.  Sonach 
fWt  die  Schrift  zwischen  378  und  394.  Auch  dieses  Intervallum  kann  wiederum  ein- 
geschränkt werden.    Der  Bischof  von  Edessa  wird  confessor  genannt  (19,  1  p.  61),  d.  h.  er 


^)  12,  7  p.  54  sed  mihi  credite,  dominae 
jenerdbües,  quia  columna  ipsa  iam  non 
paret,  locus  autem  ipse  tantum  ostenditur; 
^lumna  autem  ipsa  dicitur  mari  mortuo 
Luisse  cooperta,  Certe  locum  cum  videremus, 
U}lumnam  nullam  vidimus,  et  ideo  fallere 
oos  super  hanc  rem  non  possum. 

')  4,  3  p.  41  id  nobis  vel  maxime  f  ea 
iesideraveram  semper,  ut  ubicumque  venis- 
semus,  semper  ipse  locus  de  libro  legeretu/r. 


10,  7  p.  52  id  nobis  semper  consuetudinis 
erat,  ut  ubicumque  ad  loca  desiderata  ac- 
cedere  valebamus,  primum  ibi  fieret  oratio, 
deinde  legeretur  lectio  ipsa  de  codice,  di- 
ceretur  etiam  psalmus  unus  pertinens  ad 
rem  et  iteraio  fieret  ibi  oratio;  vgl.  auch 
14,  1  p.  56;  15,  4  p.  58;  21,  1  p.  68.  19,  2 
p.  61  nee  non  etiam  et  cdiquanta  ipsius 
sancti  Tl^omae  ibi  legimus. 


364     T>i9  Antoren  yon  Wallfahrtsberiobten  und  Beschreiber  da«  hl.  LandM.  (|  963. 


■^ 

^ 


hat  wogen  seines  Glaubens  Verfolgungen  erlitten.    Dieser  Bischof  wird  Ealoeios  sem.  4vl; 
unter  Valens  Verfolgungen   erlitt   und   Bischof  von  Edessa   von  379 — 3^7    oder  Zrii  »»1' 
Demgemäsä  fällt  die  Pilgerfahrt  in  die  Zeit  von  379-387,^;  vgl.  Cabrol  p.  172.    Wc«|" 
man  von  der  Identität  der  Pilgerin  mit  Silvia,  der  Schwester  des  Consuls  Rufinas,  aasftk,  l.  . 
lässt  sich  die  Zeit  der  Schrift  noch  genauer  fixieren;  vgl.  Gamurrini   p.  XXXVII>.  d«r&l 
Pilgerreise  in  das  Jahr  385—388  setzt  und,  die  Ansicht  Gamurrinia  modifizierend.  Bai.  *'-' 
sehen.  Jahrb.  der  christl. Kirche  unter  dem  Kaiser  Theodosius  d.Gr.,  Freib.  i.  Br.  1S97.  ^.:m. 

Abfassungsort.  23,  10  p.  70  de  quo  loco  id.  h.  von  Constantinopel  aas  .  domikat^ 
hunen  meum,  cum  haec  ad  restrmn  nffectionem  darem.  Ueber  das,  was  sie  noch  sjite 
von  Constantinopel  aus  sehen  wird,  sagt  sie  (1.  c):  aut  ipsa  praesens  ....  re^trae  aftctm 
ref'tram  aut  certe,  si  aliud  animo  sedtrit,  ffcripiis  nuntiaho. 

Die  Reisen  der  Pilgerin.  a)  Erste  Reise.  Es  heisst  im  Eingang  der  Sdinft: 
trans  vallem  appardat  monn  snnctuH  Dei  Syna.  7,  1  p.  46  desiderii  fnit,  nt  d*  (7«M3 
ad  terram  Presse  crireinus.  9,  7  p.  oO  regressa  sum  in  Ileiia,  id  est  in  Jennolimn. 
^'  Zweite  Reise,  lö,  l  p.  50  item  transacto  aliquanto  tempore  et  iubente  Deo  /mi*  rfflm* 
rohuitas  accedendi  usque  ad  Arabiam,  id  eet  ad  montem  Xahau,  12.  11  p.  o5  ac  fK  rrf, 
ri^is  Omnibus,  quae  deifiderabamus,  in  nomine  Dei  rerertentes  per  Jericho  et  ittr  o%h, 
quod  iveramus,  retfressi  aumus  in  Jerusolimam.  y)  Dritte  Reise.  13.  1  p.  oo  itim  //« 
aliquant  um  tempua  volui  etiam  ad  regiomm  Ausitidem  accedere  propter  tisendaw  mtu>- 
riam  ^ancti  Job.  16.  7  p.  60  regressi  sutnus  in  Jertt^oUmam,  iter  facientes  per  «in^Wv 
mansiones,  per  quns  ieramu^  tres  annotf.  6  Vierte  Reise.  17.  1  p.  6*D  crtm  iam  rr« 
anni  i^lcni  tsscnt,  a  quo  i«  Jerusolimam  refti^sem  ....  et  ideo  iam  rerertendi  ad  pairtn 
animus  e^^el,  '.■»•lui  iubente  Deo  etiam  et  ad  Me^opotamiam  Syriae  accedere  ad  ri^fti'iw 
sancto^  monachos  ....  nee  non  etiam  et  gratia  orationin  ad  martt^num  sancti  Ihom^ 
apostoli.  ubi  corpus  illius  integrum  positum  est.  id  est  apud  Edessam.  23.  8  p.  70  i^t- 
reni  Coni^tantinop^'lim.     Ueber  die  Reisen  vgl.  Gamurrini  p.  XXII I;  Cabrol  p.  17?. 

Liturgischer  Anhang.  24.  1  p.  71  ut  sciret  affectio  vestra,  quae  operatio  ^ingm 
difbus  cotidie  in  locis  sapictis  habcatur,  certas  ros  facere  dehui  sciens,  quia  libenter 
haberetis  haec  cognoscere. 

Die  Ue  herliefe  rang.  Der  Reisebericht  ist  uns  darch  dieselbe  Handschrift  &ber- 
liefert.  welche  das  verstümmelte  Hymnenbnch  des  Hilarins  (%  861  \  dessen  Schrift  de  nj- 
steriis  §  >V*1  enthält  und  aus  dem  11.  Jahrhundert  stammt.  Ueber  die  Handschrift  tc. 
§  Sv*l  p.  261.  wozu  noch  geführt  werden  kann  Cabrol.  Etüde  p.  169. 

Aus*:.  E'iiti>  irin'.cr-*  v...n 'iarr-urriLi.  S.  Hilarii  tractatas  de  mysteriis  et  hjTnt. 
et  S.  >ilviie  A»j-;::äLär  r-rrefriEÄ::;-  a-i  :oc«  sancta:  i-rcv-iit  Peiri  Diaconi  liber  d^  Ixi? 
sancti s.  Ror.i  l'^'»T:  mvi-ivr:^  A.;?^'.  1?"?*:  ^eir-rrhin  t-üene  dir  rjchrift  Pomiäi'Wikv 
l\-:*-r5b.  l'»^^.  Ma?5^*;vrrr.ir  Au?.:,  is:  -ii-e  v.:r.  t'  'iever.  Itinera  HierosoU-initana  saecL 
';■!:-  V:::    CjrT::?  s.r!::    r::'.r*    iät    o>    Wien  l^i**    p.  oT  . 

1 . : :  r  r .. :  •.: : .  T  _  >'  :  l.  n.  ?-.!:.  Vr '  rr  vii«  n  Etru  aufgefundenen  Reis«i Bericht  es:': 
i.'-i!::  ^o'  •:'.•.:  L.iuiv  ^.:z'l^.i:^•  • :.  -.-.r:  r-rl.  Asj-i.  l*»?  p.  oöT  :  L  Weynsac.  Uefnrr  i- 
r.'.*:-:r:.\'ir:  c.--:  ^:-.,:  iz  i\i  :.'..  I..»l  :  Tii-.-:"  'j::.»rtdl*':hr.  7v  l'»!?^  p.  o4  :  L.  de  .Siis: 
Aii-:-..iL.  I-v  :-'.-.:.:  ...:-:  ie  s-J:::-  >-..•...  .^ü  Ltü  h^'.LZä  en  •:•>•"•.  «[►rl-racä  If^ö:  F.  Cabr:-. 
F-i-.-iv  «■.::  '..i  :T:-«*T;:..i:i  ^:!*.-jr.  r.r-r  -^".1*^*  i^  \ri^.^ir,.  li  •iiscir-Iinr  et  la  liturzie  i\ 
'V  5i-.'.v.  :'.».-:?  -::  :':.:Ur<  Ire'  Z'r::  :  ::-i:  I  ::?.:Lü:z.  Chrisiasbi-der  Text^  1:2: 
Vz:-:rs.;."..:.::^-n  N  r'  L.:::.  Irrö-  :  IT.'  —  "':  Iffli::.  IV-i-tr  die  LAtinität  der  p-err- 
iTi:-..i::.     Archiv  :*ur   '.:.:    l.vx.k::r-: iii^  4    1t»T    :    i'";^  :    \S.    iuch  Gever  ebenda  p.  €11. 

VHvV  Andere  Schriften  über  das  hl.  Land.  Es  dürfte  geraten  ^ein. 
c.x:v:.  P:!^-: '■:•:■:::::  -i-rr  ?:i:.  Si'.v::%  /r.r.f  Flü:ksich:  a'^f  die  Zeit  auch  andere 
^:V.:-:::r::  ::':>:■  iü^  r.'..  Lü.i  rr.-.zurvihvr. :  diese  Pr-idukte  blieben  von  den 
':::t:\\::s::-.t:-.  S::  :v..::.^rr.  s  ^.::  "^ir  ur.rrhelligt  und  sind  daher  kaun: 
ÄS  L:::o::i:v.rv. :":;.  .-.:..- .isvhrr..  E:::r::  •^esr!::'.:>r.rr.  Unrerschied  macht  es 
;•::::':■..  ;*:  .:.-.  V.::.:j.<,:  ;.  .:,  r.^r:.-:  Kf:.r.:r.:s  •: ier  aus  fremden  yueütn 
s.h  v't":    v;::   Vrii-r:;    .-.i::.::.-.v::   1:-«-::  u::-  Sihririsrucke  vc-r.    sie  ziehen 

v.-:::-.!:   -.'a'..:":-.  :::;.r::r      ^^:r  '.issen   die  wichtigsten  Schriften 
L;*:..;  ":.:-.-:    :.".:r:-.      ^::.  r.    :'rr.   hirrE-r.  wir  eines  Kursbuch« 
o.s  .:::-.  ';/.  r-:     ■     ^r.i.i:':::.    i.iS  -.:r  :\v.se  v.l  Birdeaux  nach  Jerusaieci 

— ..    ...V    ..  ...Nrv- r ......    -■-.--....1 c A_.    -^.■-»   a.^i.1:    2-Ln».'n   Jle'k- 

^^.::.::j:^:;:: ::  :;:\::;,;:     51.":  'f::";  .".^:::::  :i-s  ziünili.hen  und  schriftüchen 


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Um  Autoren  tob  Wallfahrtaberiohten  and  B««olireiber  des  hl.  Landes.  (§  968.)    365 


oherius,  der  im  5.  Jahrhundert  lebte.    Man   hat  zwar  die  Echtheit 
Schrift  bestritten,  aber  mit  ungenügenden  Gründen.    In  die  Mitte  des 
"&  Jahrhunderts  führt  uns  eine  Schrift  über  das  hl.  Land,  welche,  man 
"^raiss  nicht  mit  Recht  oder  mit  unrecht,   den  Namen  des  Theodosius 
Iblurt  und  viel  Beachtung  gefunden  hat.     Gegen  das  Ende  des  6.  Jahr- 
hunderts fällt  eine  Erzählung  der  Reise  nach  Jerusalem,  welche  ein  Be- 
:i|}eiter  des  AntoninusMartyr  niedergeschrieben  hat,  vor.   Auf  eine  eigen- 
t&mliche  Weise   kam  Adamnanus  (f  704)   zu  einem  Wallfahrtsbericht. 
Der  gallische  Bischof  Arculfus,  der  von  einer  Reise  nach  dem  hl.  Land 
snrOckgekehrt  war,  wurde  an  die  Westküste  Britanniens  verschlagen;  hier 
lernte  er  Adamnanus  kennen,  der  sich  die  Pilgerfahrt  von  dem  Bischof 
erz&hlen  liess  und   sie   mit  Nachrichten   aus  anderen  Quellen   zu  einem 
Ganzen  verschmobs.    Gehört  dieses  Werk  dem  7.  Jahrhundert  an,  so  führt 
uns  eine  Schrift  Baedas  in  das  achte;  sie  ist  lediglich  eine  Compilation. 
Zum  Schlüsse  gedenken  wir  noch  der  Wallfahrt  der  Paula,  welche  Hiero- 
nymus  in  seinem  Epithaphium  auf  die  genannte  erzählt. 

Die  ftbrigen  Wallfahrtsberichte.  Ausser  dem  Itinerarium  Hierosolymitanum 
sire  Bnrdigalense  (vgl.  §  812)  und  der  Peregrinatio  Silviae  hat  P.  Geyer  noch  folgende 
Beschreibiingen  des  hl.  Landes  ediert: 

1.  Petri  Diaconi  Über  de  locis  sanctis.  Petras  Diaconns  widmete  sein  Bach 
dem  Abt  von  Montecasino  Gaibaldus,  der,  im  Jahre  1137  zum  Abt  ernannt,  nur  wenige 
Monate  seine  Wttrde  inne  hatte.  Sein  Buch  ist  eine  Compilation  (vgl.  Prolog,  p.  106,  8), 
som  grössten  Teil  aus  Baeda  geschöpft;  doch  sind  auch  andere  Quellen  benagt,  darunter 
die  Silvia;  dadurch  sind  wir  in  den  Stand  gesetzt,  einige  Defekte  in  der  Peregrinatio  Silviae 
anamf&llen.  Die  Ueberlieferung  beruht  auf  der  Urhandschrift  des  Petrus  Diaconus  in  Monte 
Caaino  361,  von  der  Neapolitanus  s.  XY  eine  Abschrift  ist.  —  Ausgaben  von  Migne  173 
8p.  1115;  vom  Grafen  De  Riant,  Neapel  1870;  von  Gamurrini  in  seiner  editio  princeps 
der  Silvia  1887  p.  113;  von  P.  Geyer  p.  105. 

2.  Eucherii  de  situ  Hierusolimitanae  urbis  atque  ipsius  Judaeae  epistola 
ad  Fanstum  presbyterum.  In  dem  an  den  Presbyter  Faustiis  insulanus  gerichteten 
Brief  heisst  es:  HierusoUtnüanae  urbis  situm  atque  ipsius  Judaeae,  ut  mihi  vel  relatiane 
cognittis  ercU  vel  lectione  conperttM,  hreviter  amplexus  sum,  P.  Geyer  (Adamnanus,  Abt 
▼on  Jona.  I:  Sein  Leben,  seine  Quellen,  sein  Verhältnis  zu  Pseudoeucherius  de  loois 
sanctis,  seine  Sprache,  Augsb.  1895,  p.  18)  war  des  Glaubens,  dass  unsere  Beschreibung 
nicht  von  dem  Bischof  Eucherius  von  Lvon  (t  um  450;  vgl.  über  denselben  Bardenhewer, 
Patrologie,  Freib.  i.  Br.'  1901,  p.  456)  herrtJLhre,  sondern  von  einem  Fälscher  des  8.  Jahr- 
hunderts; allein  Furrer  hat  in  der  Besprechung  der  genannten  Schrift  (Theol.  Litteratur- 
Eeiiung  1896  Sp.  473)  gezeigt,  dass  einige  topographische  Angaben  nur  aus  der  Zeit  des 
Eucherius  verständlich  sind;  auch  P.  Geyer,  Ausg.  p.  XVIII  gab  seine  Ansicht  auf.  Die 
massgebende  Ueberlieferung  beruht  auf  dem  Escorialensis  R.  n,  18  s.  Vlll  und  dem  Pari- 
Binus  13348  s.  Vlll.  —  Editio  princeps  von  Labbö,  Nova  bibliotiieca  manuscriptorum  libro- 
nun  1  (Paris  1657)  p.  665.  Spätere  Ausg.  von  Tobler,  Palaestinae  descriptiones,  St.  Gallen 
1869,  p.  27;  von  Tobler  und  Molinier,  Itinera  p.  51;  von  P.  Geyer  p.  125. 

3.  Theodosius  de  situ  terrae  sanctae.  Diese  Schrift  ist  um  die  Mitte  des 
6.  Jahrh.  entstanden.  Der  Verfasser  kennt  die  Bauten  des  Anastasius,  aber  nicht  die  des 
Justinian;  das  Schriftchen  ist  bereits  benutzt  von  Gregor  von  Tours  (t595);  vgl.  Tobler, 
Palaestinae  descriptiones  p.  114;  Gildemeister  p.  9.  Der  Name  des  Verfassers,  Theo- 
dosius, ist  problematisch,  denn  er  erscheint  nur  im  cod.  Vaticanus  6018  s.  IX  und  bei  Ger- 
YEsius,  der  in  seine  1211  geschriebenen  Otia  Imperialia  unser  Büchlein  aufgenommen  hat. 
Unter  den  Handschriften  ragen  hervor  Parisinus  4808,  olim  Pithoeanus  s.  IX,  Haganus  165 
8.  Vin  einerseits  und  Guelferbytanus  (Weissenburg  99)  s.  VHI/IX  andererseits.  —  Ausg. 
von  Tobler,  St.  Gallen  1865  unter  dem  Titel:  Theodorici  libellus  de  locis  sanctis;  von 
demselben,  Palaestinae  descriptiones  p.  31  unter  dem  Titel:  Theodori  liber  de  situ  Terrae 
Sanctae;  von  Tobler  und  Molinier,  Itinera  p.  353  unter  dem  Titel:  Theodosius  de  locis 
sanctis.  Erste  kritische  Ausg.  von  Gildemeister,  Theodosius  de  situ  Terrae  Sanctae  im 
echten  Text  und  der  Breviarius  de  Hierosolyma  vervollständigt,  Bonn  1882;  es  folgten 
Theodosius  de  situ  terrae  sanctae  ed.  Pomialowsky,  Petersb.  1891  (vgl.  Litterar.  Gentralbl. 
1892  8p.  928)  und  P,  Geyer  p.  137. 


366    ^^^  Autoren  yon  Wallfahrtsberiohten  and  Besohreiber  da«  hL  Landes«  (S  963.) 

4.  Breviarias  de  Hierosolyma.  Der  Titel  des  ins  6.  Jahrh.  (vgl.  GildemeisUt 
p.  13)  fallenden  Aufsatzes  ist  nicht  urkundlich;  denn  im  Ambrosianus  M  79  sup.  s.  H;1I1 
lautet  er:  Incipit  breviarius,  quomodo  hierosolima  constructa  est,  im  Sangalienais  7d2  s.  H: 
De  doctrina  qtwd  est  in  sancta  Hiemsalem.  in  letzterem  Codex  erscheint  die  Besdmi. 
bung  in  einer  kürzeren  Recension;  Gildemeister  hat  die  Recensionen  des  SangaUeuii 
und  des  Ambrosianus  miteinander  contaminiert.  —  Ausg.  von  Tobler  und  Mölln ier,  Itinm 
p.  57;  von  Gildemeister  1.  c;  von  P.  Geyer  p.  153. 

5.  Antonini  Piacentini  Itinerarium.  Dies  Itinerarium  trägt  f&lschlidi  da 
Namen  des  Antoninus,  der,  wie  Tobler  meint,  wegen  der  Mtthsale,  die  er  anf  der  Beiie 
erduldet,  Martyr  genannt  wird  (vgl.  jedoch  Gildemeister  p.  XVIII);  denn  es  rührt  f<n 
einem  seiner  Begleiter  her,  wie  aus  den  Eingangsworten  erhellt:  praecedente  heato  AnUmm 
martyre,  ex  eo  quod  a  civitate  Piacentina  egressus  sunt,  in  quibus  locis  sum  peregrinatm, 
id  est  sancta  loca.  Die  Schrift  ist  ums  Jabr  570  verfasst;  vgl.  Tobler  in  seiner  Ausg. 
vom  Jahre  1863;  Tuch  p.  3.  An  der  Echtheit  zweifelt  Ebers,  Durch  Gosen  zum  Sinai, 
Leipz.  1872,  p.  559.  Führer  in  der  Recension  sind  der  Sangallensis  133  s.  IX,  der  Tori- 
censis,  olim  Renaugiensis  s.  IX/X.  Von  der  zweiten  Familie  ist  der  beste  Codex  der  Bmxd- 
lensis  s.  IX/X,  dem  sich  anschliessen  der  Monacensis  19149  s.  X  und  der  Bemensis  582 
s.  X.  —  Editio  princeps:  Itinerarium  B.  Antonini  Martyris,  e  Musaeo  Cl.  Menardi,  cum 
notationibus  aliquot  vocum  obscurarum.  Juliomagi  Andium  1640;  es  folgt  die  Ausg.  in  den 
Acta  Sanctorum,  Tom.  2  Maii  (1680)  p.  XL  Weiterhin  findet  sich  die  Schrift  bei  Migne  72 
Sp.  899;  bei  Tobler,  St.  (lallen  1863;  bei  Tobler  und  Molinier,  Itinera  p.  91.  Ma» 
gebende  Ausg.  sind  die  von  Gildemeister,  Antonini  Placentini  Itinerarium  im  unentateUten 
Text  mit  deutscher  Uebersetzung,  Berl.  1889;  P.  Geyer  p.  159.  —  Tuch,  Antoninus  martyr, 
seine  Zeit  und  seine  Pilgerfahrt  nach  dem  Morgenlande,  Leipz.  1864;  P.  Geyer,  Kritische 
und  sprachl.  Erläuterungen  zu  Antonini  Placentini  Itinerarium,  Erlanger  Diss.  1892;  Grisar. 
Zur  Palastinareise  des  sog.  Antoninus  Martyr  (Zeitschr.  für  kathol.  Theol.  26  (1902)  p.  760). 

6.  Adamnani  de  locis  sanctis  libri  tres.  Praef.:  ArctUfus  sanctus  episcopm 
gente  Gallus  diver sorum  longe  remotorum  peritus  locorum  verax  index  et  satis  idoneus  m 
Hierosolymitana  civitate  per  menses  novem  hospitatits  et  loca  sancta  cotidianis  visüatumOnu 
peragrans  mifii  Adamnano  haec  unirersa,  quae  infra  craxanda  sunt,  experimenta  (Er- 
fahrungen auf  Grund  von  Autopsie)  düigentius  perciinctanti  et  primo  in  t^ibulis  describenti 
fideli  et  indubitäbili  narratione  dictavit,  quae  nunc  in  niembranis  brevi  textu  scribuntur. 
Andere  Stellen  über  das  Verhältnis  des  Arculfus  zu  Adamnan  vgl.  Geyer  1  p.  11.  Adamnan. 
Abt  von  Hy  oder  Jona,  starb  im  Jahre  704.  lieber  andere  verarbeitete  Quellen  vgl.  Geyer 
1  p.  12.  Ueber  den  Stil  vgl.  denselben  1.  c.  p.  39;  über  die  Abfassungszeit  p.  5.  Zur  Re- 
konstruktion sind  von  Geyer  herangezogen:  Parisinus  13048  s.  IX,  Vindobonensis  458  s.  X, 
Turicinus  73  s.  X,  Bnixellcnsis  2921/22  s.  IX.  —  Editio  princeps  von  J.  Gretser,  Adam- 
nani Scotohiberni  de  situ  terrae  sanetae,  Ingolstadt  1619  (opera  omnia  4  (Regensb.  1734) 
p.  289).  Es  folgte  Mabillon,  Acta  sanctorum  ordinis  s.  Benedict!  s.  3  pars  2  (1672)  p.  499: 
abgedr.  bei  Migne  88  Sp.  779;  Delpit,  Essai  sur  les  anciens  p^l6rinages  a  Jerusalem, 
Paris  1870,  p.  305;  Tobler  und  Molinier,  Itinera  p.  141.  Massgebende  Ausg.  von  P.  Geyer, 
Corpus  Vindob.  p.  221.  —  P.  Geyer,  Adamnanus,  Abt  von  Jona.  I:  Sein  Leben,  seine 
Quellen,  sein  Verhältnis  zu  Pseudoeucherius  de  locis  sanctis,  seine  Sprache,  Augsb.  1895; 
II:  Die  handschriftl.  Ueberlieferung  der  Schrift  De  I.e.,  Erlangen  1897. 

7.  Baedae  liber  de  locis  sanctis.  Diese  Schrift,  die  dem  8.  Jahrh.  angehört 
ist  eine  Compilation,  wie  auch  die  Eingangsverse  besagen,  und  zwar  aus  Adamnanus,  Eu- 
cherius  und  Hegesippus.  Für  den  Text  wurden  von  Geyer  verwertet:  cod.  Monacensis 
6389  s.  IX,  Parisinus  2321  s.  X,  Vindobonensis  580  s.  XI,  Ambrosianus  M  79  sup.  s.  XI/XII.  — 
Ausg.  von  Tobler  und  Molinier,  Itinera  p.  213;  P.  Geyer  p.  301. 

Mit  den  genannten  Stücken  werden  noch  in  den  Ausgaben  verbunden:  1.  Die  Reise 
der  Paula  ins  hl.  Land  (um  404),  die  Ilieronymus  in  einer  epistola  ad  Eustochium  vir- 
ginem  erzählt  (1  Sp.  687-  699  Vall.);  abgedruckt  auch  bei  Tobler,  St.  Gallen  1869.  p.  10; 
Tobler  und  Molinier,  Itinera  p.  29.  2.  Paulae  et  Eustocbii  epistola  ad  Mar- 
cellam  de  locis  sanctis  (38()).  Aus  diesem  Brief  ist  ausgehoben  bei  Tobler  und  Moli- 
nier (Itinera  p.  43)  Vallarsi  1  Sp.  2(  4  bis  Schluss.  3.  Descriptio  parochiae  Jeru- 
salem (ca.  460)  bei  Tobler  und  Molinier,  Itinera  p.  323.  4.  Virgilius.  Itinera 
Hierosolymitana  beiPitra,  Analecta  sacra  et  clossica,  Paris  1888,  p.  118.  Am  Schluss 
heisst  es:  Virgilius  vioricns  dictavit.  Hier  finden  wir  Oertlichkeiten  des  hl.  Landes  mit 
Angabe  der  Entfernungen.    Vgl.  Kohl  er,  L.  Ps.-Pelerin  Virgile  (Revue  biblique  1901  p.  93). 

Sammlungen  von  Schriften  über  das  hl.  Land.  T.  Tobler,  Palaestinae  de- 
scriptiones  ex  saeculo  IV.,  V.  et  VI.,  St.  Gallen  1869;  Itinera  et  descriptiones  terrae  sanetae 
lingua  latina  saec.  IV— XI  exarata  1  (Genf  1877);  T.  Tobler  und  A.  Molinier,  Itinera 
Hierosolymitana  et  descriptiones  terrae  sanetae  1,  2,  Genf  1880;  P.  Geyer.  Itinera  Hiero- 
solymitana saeculi  IUI— VIII  (Corpus  Script,  eccles.  lat.  39,  Wien  1898). 


Der  Bischof  Nioeta  yon  BemMiana.    (§  964.)  36 

14.  Der  Bischof  Niceta  von  Remesiana. 

964.  Nicetas  Anweisungen  für  Taufkandidaten.  Es  gibt  Persön- 
iclikeiteD  der  Litteraturgeschichte,  welche  erst  allmählich  festere  Umrisse 
urbalten;  eine  solche  ist  der  Bischof  Niceta  von  Remesiana.  Es  war  Zeit 
ind  Mühe  notwendig,  um  diesem  Manne  seine  Stellung  in  der  christlichen 
Ldtteratur  anzuweisen,  und  es  dürfte  nicht  ohne  Interesse  sein,  den  Stufen- 
gang  der  Untersuchungen  näher  zu  verfolgen.  Gennadius  hat  unter  seinen 
Schriftstellern  auch  einen  gewissen  Niceas,  den  er  Bischof  der  civitas 
Romatiana  nennt,  und  verzeichnet  von  ihm  zwei  Schriften.  In  der  einen 
gab  der  Verfasser  sechs  Instruktionen  für  Taufkandidaten,  die  aber  zu 
einer  Einheit  zusammengefasst  waren,  so  dass  das  Werk  aus  sechs  Büchern 
bestand.  Das  erste  Buch  handelte  über  die  Lebensweise,  die  dem  Taufakt 
vorauszugehen  hatte,  wohl  besonders  über  die  dnotaytj  zov  diaßolov;^) 
daran  schloss  sich  im  zweiten  Buch  die  Darlegung  der  heidnischen  Irr- 
tümer, welchen  die  Taufkandidaten  ebenfalls  gänzlich  entsagen  sollten. 
Das  dritte  Buch  schritt  dann  zur  Erörterung  des  christlichen  Grund- 
dogroas,  der  Trinität;  im  vierten  Buch  wandte  sich  der  Autor  gegen 
den  astrologischen  Aberglauben,  gegen  die  Nativitätsstellerei ;  das  fünfte 
gab  das  Glaubensbekenntnis,  das  Symbol;  im  sechsten  Buch  endlich  wurde 
über  das  Abendmahl  Belehrung  erteilt.  Das  zweite  Werk  war  ein  Mahn- 
schreiben an  eine  gefallene  Jungfrau.  Da  der  von  Gennadius  charakteri- 
sierte Niceas  sonst  nicht  näher  bekannt  war,  blieb  seine  Gestalt  in  Dunkel 
gehüllt.  Licht  fiel  auf  dieselbe,  als  im  Jahre  1799  eine  explanatio  symboli 
entdeckt  wurde,  die  in  der  Handschrift  den  Namen  des  Nicetas,  Bischofs 
von  Aquileia,  trug.  Da  auch  Niceas  in  einem  der  sechs  Bücher  das  Symbol 
behandelt  hatte,  lag  es  nahe,  in  dem  unbekannten  Niceas  den  bekannten 
Nicetas  von  Aquileia  zu  erblicken  und  daher  statt  Niceas  zu  schreiben 
Nicetas.  Eine  Bestätigung  fand  diese  Conjektur  in  Fragmenten,  die  1802 
publiziert  wurden  und  die  augenscheinlich  aus  den  Instructiones  für  die 
Taufkandidaten  stammten;  auch  hier  erschien  die  Namensform  Nicetas. 
Ein  neuer  Schritt  zur  Aufhellung  des  Nicetas  und  seines  Werks  erfolgte 
im  Jahre  1827;  es  wurden  drei  Abhandlungen  eines  Bischofs  Nicetas  ent- 
deckt: de  ratione  fidei,  de  Spiritus  sancti  potentia,  de  diversis  appella- 
tionibus  domino  nostro  Jesu  Christo  convenientibus,  von  denen  die  zwei 
ersten  ursprünglich  ein  Ganzes  bildeten  und  dem  dritten  Buch  der  In- 
structiones entsprachen.  Man  wusste  also,  dass  der  Verfasser  der  von 
Gennadius  erwähnten  Instructiones  Nicetas  hiess,  und  konnte  diesem  Werke 
vorhandene  Traktate  und  Fragmente  zuweisen.  Jetzt  war  die  Frage  noch 
zu  lösen,  ob  der  Nicetas  der  Instructiones  wirklich  mit  dem  Bischof  von 
Aquileia,  Nicetas  (454 — 485),  identisch  sei;  auf  Grund  sorgfältiger  Er- 
wägungen musste  die  Frage  verneint  werden.  Man  hatte  sonach  neben 
dem  Bischof  von  Aquileia,  Nicetas,  einen  zweiten  Nicetas  zu  suchen ;  auch 
dieses  Bemühen  war,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  nicht  vergeblich. 

Zeugnis  über  die  Schriftstellerei  des  Niceta.  Gennadius  de  vir.  ill.  22  Niceas 
(Vaticanus:  Niceta),  Eomatianae  civitatis  episcapiis,  conposuit  simplici  et  nitida  sermone  sex 
canpetentibus  ad  baptismum  instructionis  Hhellos;  in  quibus  primus  continet,  qualiter  se 

^)  Hampel  p.  327. 


368  ^^'  Bischof  Nioeta  yon  RMnMiiaiuu    (§  964.) 

debeant  agere  canpetentes,  qui  ad  baptismi  gratiam  cupiutU  pervenire;  seeundus  *de  gnig^ 
tatis  erroribus^,  in  quo  indicat  suo  paene  tempore  Melgidium  quendam  pairem  famüin  A 
Uberalitatem  et  Gadarium  rusticum  ob  fortüudinem  ab  ethnieis  inter  deos  rdatos;  tertUu  ISkv 
'defide  unicae  maiestatis',  quartus  *  adver sua  genethliologiam\  quintus  'de  sgmbcio^,  uxtut'ü 
agni  paschalia  victima\-  dedit  et  Äd  lapsam  virginem  lAellum,  omnibus  labeniibus  emtih 
dationis  incentivum.  Zur  Erläuterang  der  Stelle  vgl.  Czapla,  Gennadiiis  als  Litte^^ 
historiker  (Kirchengeschichtl.  Stud.  4.  EM.  1.  Heft  (1898)  p.  56).  Einen  Bischof  mit  Ntnci 
Niceas  in  der  civitas  Romatiana  kennen  wir  nicht.  Statt  Niceas  ist  mit  dem  YaticaiHi 
Niceta  zu  lesen,  das  aus  Nixijrrjg  latinisiert  wurde,  wie  aus  natQiaQxV^  patriarcha.  In  dei 
civitas  Romatiana  sucht  man  mit  Recht  Remesiana  (jetzt  tflrkisch  Ak-(Aq-)Pa]aQka,  bil- 
garisch  Bela-Palanka) ;  vgl.  Tomaschek,  Zur  Kunde  der  Hilmushalhinael  (Sitznngsher.  d« 
Wiener  Akad.  der  Wissensch.  99  (1892)  p.  441).  Was  die  Schriftstellerei  anlang:t,  so  kennt 
Gennadius  zwei  Werke  des  Niceta;  das  erste  führte  etwa  den  Titel  ad  baptismum  mr. 
petentibus  inatructioneSy  worauf  auch  der  Titel  des  ersten  Fragments  hindeatet.  Es  liegt 
kein  ausreichender  Grund  vor,  die  Zusammenfassung  der  sechs  Abhandlongen  zu  einea 
Werke  nicht  dem  Autor,  sondern  erst  einem  späteren  zuzuweisen ;  denn  die  sechs  Traktiie 
befolgen  sämtlich  einen  einheitlichen  Zweck  und  suchen  ihn  stufemnässig  zu  erreichen. 

Explanatio  svmboli  B.  Nicetae  Aquileiensis  episcopi  habita  ad  con- 
petentes.  Diese  explanatio  wurde  zuerst  aus  dem  cod.  Chisianns  A.  VI.  184  a.  XIV  toi 
dem  Cardinal  Borgia,  Padua  1799  herausgegeben.  Gaspari,  Kirchenhistorische  Anecdotil 
(Christiania  1883)  p.  341  entdeckte  noch  fOnf  Handschriften,  welche  sämtlich  dem  12.  Jab- 
hundert  angehören  und  sämtlich  auf  eine  Handschrift  zurfickgehen,  sonach  nnr  als  eis 
Zeuge  gezählt  werden  dürfen.  Diese  Quelle  aber  enthielt  den  Traktat  nicht  vollständig. 
Im  Gegensatz  zu  dem  obigen  aus  dem  Chisianus  stammenden  Titel  bieten  die  österreidu- 
schen  Handschriften  einfach  die  Ueberschriften  expoHtio  Origenis  oder  Orients,  Maas- 
gebende  Ausg.  von  Gaspari  1.  c. 

De  ratione  fidei,  de  spiritus  s.  potentia,  de  diversis  appellationibas 
domino  nostro  Jesu  Christo  convenientibus.  Diese  drei  Traktate  wurden  tod 
A.  Mai  aus  einem  Vaticanus  s.  XV,  wo  sie  wenigstens  in  der  Snbscriptio  einem  Xicetat 
epiecopus  zugeteilt  sind,  zum  erstenmal  als  S.  episcoporum  Nicetae  et  Paulini  scripta,  Rom 
1827,  herausgegeben ;  verbessert  in  Scriptorum  veterum  nova  collectio  e  Yaticanis  codicibos 
edita  tom.  7,  Rom  1833;  abgedruckt  bei  Migne  52  Sp.  847.  Dass  de  ratione  fidei  und  de 
Spiritus  sancti  potentia  zusammengehören  und  einen  einzigen  Traktat  bildeten,  hat  HQmpel 
(p.  14)  erwiesen;  dessen  Titel  war  Iiöchst  wahrscheinlich  de  fide. 

Fragments  Palatina.  Es  sind  sechs  kleinere  Fragmente,  welche  Michael  Denis 
aus  cod.  Palatinus-Vindobonensis  1370  s.  X  in  Cod.  mss.  theol.  biblioth.  Palat.  Vindob.  vol.  2 
pars  3  (1802)  p.  2042  herausgegeben  hat  (Migne  52  Sp.  873).  Citiert  wird  Nicetas  in  libn 
primo  ad  Competentes, 

Die  Autorschaft  der  unter  dem  Namen  Nicetas  überlieferten  Traktate 
und  Fragmente.  Im  Cliisianus  ist  die  explanatio  symboli  dem  Bischof  Nicetas  von  Aqui- 
leia  (454-485)  beigelegt;  die  von  Mai  publizierten  drei  Traktate  weisen  in  der  Ueber- 
lieferung  einfach  Nicetas  episcopus  auf;  die  Fragmente  lassen  selbst  die  Standesbezeich- 
nung episcopus  weg.  Eine  kritische  Betrachtung  ergibt  zunächst,  dass  die  explanatio  nicht 
dem  Bischof  von  Aquilcia  angehören  kann;  sie  fällt  in  eine  frühere  Zeit,  in  die  Jahre  381 
bis  408;  vgl.  Hümpel  p.  423.  Auch  der  Traktat  de  fide,  der  jetzt  in  zwei  Abhandlungen 
gespalten  ist,  fällt  in  dieselbe  Zeit;  vgl.  Hümpel  p.  337.  Es  kommt  also  für  sie  der 
Bischof  von  Aquileia  in  Wegfall,  und  wir  Iiaben  einen  anderen  Nicetas  zu  suchen.  Da 
bietet  sich  uns  wie  von  selbst  der  Bischof  von  Remesiana  Niceta  dar,  der  durch  den  Platz, 
den  ihm  Gennadius  gibt,  in  eine  Zeit  fällt,  welche  wir  für  die  explanatio  und  den  Traktat 
de  fide  in  Anspruch  genommen  haben.  Es  kommt  aber  hinzu,  dass  die  fraglichen  Schriften 
sich  iu  das  von  Gennadius  dem  Niceta  zugeschriebene  Werk  „Anleitung  für  Taufkandidateu' 
einfügen  lassen.  Der  Traktat  de  fide  ist  mit  dem  dritten  Buch  zu  identifizieren,  wobei  zu 
bemerken  ist,  dass  der  bei  Gennadius  stehende  Titel  de  fide  unicae  maiestatis  nicht  der 
echte  ist:  vgl.  Hümpel  p.  292.  Die  explanatio  symboli  ist  ohne  Zweifel  mit  dem  fünften 
Buch  identisch.  Auch  die  sechs  Fragmente  erhalten  leicht  ihren  Platz  in  der  „Anweisung*. 
Fragment  I,  II,  lil,  VI  sind,  wie  auch  das  Citat  besagt,  dem  ersten  Buch  entnommen,  IV 
dem  zweiten;  No.  V,  das  eine  Buchbezeichnung  vermissen  lässt,  wird  in  das  fünfte  Buch 
gehören.  Auch  den  dritten  Maischen  Traktat,  dessen  Zuteilung  an  Nicetas  Hümpel  ip.  318) 
mit  Unrecht  bestreitet,  wollte  Kattenbusch,  Symbol  1  p.  115  in  das  dritte  Buch  einreihen; 
allein  dies  ist  unmöglich;  vgl.  Hümpel  p.  318  Aum.  1.  Der  von  uns  entwickelten  An- 
sicht stellt  Kattenbusch  eine  andere  gegenüber,  deren  ünwahrscheinlichkeit  auf  den  ersten 
Blick  einleuchtet;  er  meint  (Rec.  Sp.  303),  dass  durch  eine  Verwechslung  des  Gennadius 
dem  Bischof  von  Remesiana  Schriften  zugeschrieben  wurden,  die  ihm  gar  nicht  gehörten. 
Er  bestreitet  demnach  auch  konsequenterweise  die  Autorschaft  des  Bischofs  von  Remesiana 


Der  Bisehof  Nioeta  Ton  Bemeeiana.    (§  965.)  369 

llt^.^die  ei^lanatio  und  den  Traktat  de  fide,  da  er  diese  ebenfalls  mit  Bachern  der  «An- 
iMtnig*  identifiziert,  und  hftlt  ftlr  den  Verfasser  einen  westeuropäischen,  vermutlich  gal- 
Ndien  Bischof,  der  um  410—420  schrieb  (Sp.  298). 

Litteratur.  F.  Eattenbusch,  Beitr.  zur  Gesch.  des  altkirchl.  Taufsymbols,  Giessen 
^^Z  Das  apostol.  Symbol  2  Bde.,  Leipz.  1894,  1900;  E.  Hampel,  Nicetas,  Bischof  von 
Wiifwiana.  Eine  litterarkrit.  Studie  zur  Gesch.  des  altkirchl.  Taufsymbols,  Erlanger  Diss. 
W!»  =  Neue  Jahrb.  fQr  deutsche  Theol.  4  (1895)  p.  275  und  p.  416;  ygl.  dazu  Ratten- 
tach,  Theol.  litteraturzeitung  1896  Sp.  297;  Th.  Zahn,  Neue  Beitr.  zur  Gesch.  des 
•ostol.  Symbolums  (Neue  kirchl.  Zeitschr.  7  (1896)  p.  93);  Hahn,  Bibliothek  der  Symbole 
kd  Olaubensregeln  der  alten  Kirche,  Breslau*  1897,  p.  47;  Fr.  Wiegan d.  Die  Stellung 
>•  «poatol.  Symbols  im  kirchl.  Leben  des  Mittelidters  1  (Stud.  zur  Gesch.  der  TheoL  und 
fardie  4.  Bd.,  Heft  2  (1899)  p.  108). 

965.  Schreiben  an  eine  gefallene  Jungfrau.  Wir  kommen  zu  der 
weiten  von  Gennadius  aufgeführten  Schrift,  dem  libellus  ad  lapsam  vir- 
inem.  Auch  die  Spuren  dieser  Schrift  wurden  verfolgt.  Unter  den  Werken 
es  Ambrosius  befindet  sich  ein  Traktat  de  lapsu  virginis  consecratae  (§  937). 
^a  die  Autorschaft  des  Ambrosius  wegen  des  aufgeregten  rhetorischen 
tils  sehr  zweifelhaft  erschien,  wollte  man  den  Traktat  unserem  Niceta 
eilegen;  allein  dies  ist  schon  aus  dem  Grund  unmöglich,  weil  das  dem 
Lmbrosius  beigelegte  Schriftstück  die  Form  der  Rede  aufweist,  das  Werk 
Hcetas  aber  nach  den  Worten  des  Gennadius  ein  Brief  an  die  gefallene 
Jungfrau  war.  Ueberhaupt  scheint  jene  unter  dem  Namen  des  Ambrosius 
sehende  Schrift  gar  nicht  aus  der  kirchlichen  Praxis  hervorgegangen, 
ondern  ein  deklamatorisches  üebungsstück  zu  sein,  so  dass  auch  Am- 
irosius  nicht  als  Verfasser  in  Frage  kommen  kann.  In  einer  Pariser  Hand- 
schrift hat  sich  noch  eine  andere  anonyme  Schrift  über  das  gleiche  Thema 
kufgefunden.  Bei  der  Lektüre  derselben  erkennt  man  sofort,  dass  hier 
)in  Produkt  kirchenamtlichen  Wirkens  vorliegt.  Der  Fall  ist  folgender. 
Bin  Mädchen,  das  sich  Christus  geweiht  hatte,  war  später  anderen  Sinnes 
geworden  und  in  den  Stand  der  Ehe  getreten.  Dass  daran  die  kirchliche 
Behörde  grossen  Anstand  nehmen  musste,  lag  auf  der  Hand.  Da  aber 
vollends  die  Jungfrau  sich  an  die  weltlichen  Behörden  wandte,  um  die 
vorhandenen  Schwierigkeiten  zu  beseitigen,  griff  der  Bischof,  vor  dem  die 
fungfrau  sich  dem  Dienste  Gottes  geweiht  hatte,  in  die  Angelegenheit  ein. 
Sr  führte  aus,  dass  schon  in  der  Thatsache,  dass  das  Mädchen  für  nötig 
inde,  wegen  ihrer  Verbindung  Schritte  zu  thun,  eine  Anerkenntnis  der 
Schuld  liege  und  dass  die  Nachsicht  der  weltlichen  Behörde  nicht  auch 
lie  Nachsicht  Gottes  und  der  Kirche  nach  sich  ziehe,  und  mahnte  daher 
:ur  Umkehr  und  zur  Busse.  Das  Schreiben  ist  durchaus  sachlich  und 
iihig  gehalten  und  weiss  den  Gegenstand  höchst  wirksam  zu  vertreten. 
)a  nun  die  zweite  Schrift  des  Gennadius  die  Form  des  Briefes  hat,  auch 
inser  Traktat  in  dieser  Form  erscheint  und  die  Zeitverhältnisse  auf  Niceta 
nassen,  besteht  die  Möglichkeit,  dass  wir  in  dem  anonymen  Traktat  den 
ibellus  ad  lapsam  virginem  haben;  aber  mehr  als  die  Möglichkeit  lässt 
ich  80,  wie  die  Sachen  jetzt  stehen,  nicht  behaupten. 

Gegenstand  des  Briefes.  P.  199Z,  19  Morin  ßanctum  illud  et  inviolahile  atque 
^erpetuum  et  apirUale  coniugium  sacriUgo  rupisti  divartio.  Z.  40  quod  a  persona  regali, 
t  audivi,  talium  nuptiarum  veniam  supplieando  inpetrare  tibi  visa  es,  non  te  securam  ad 
udieium  Dei  faciat.  p.  200  Z.  67  quae  est  ergo  inpensae  supplicationis  tUilitas,  cum  indul- 
etUiae  autor  extinctus  sit?  sed  iterum  suppUcabis,  ut  et  augustis  principibus  qualitatem 
oniunetionis  tuae  supplieando  fatearis:  qui  tanto  magis  hör  rebunt  talem  precum  tuarum 
ausam,  si  in  precibus  mentita   non  fueris,   quanto  studiosius  et   verius  christiani  sunt. 

Bmoälmeh  der  Uaw.  Alterfcnas^TineoMhaft.    vm.  4.  24 


370  ^®'  Bischof  Viceta  toh  Bemesiana.    (§  966.) 

Z.  77  ergo  et  si  Uerata  supplicatione  benefieium  inpunUatis  aeceperis,  non  U  ita  decipiai 
securitM  temporaliSj  ut  perpetttatn  tibi  negUgas  pravidere. 

Die  Autorschaft  Nicetas  ist  von  Morin  aufgestellt  worden;  doch  drfickt  er  skk 
sehr  behutsam  aus  (p.  198):  «C'est  simplement  une  id^e  que  je  me  pennets  de  sagg^rer, 
persuad^  qu'elle  ne  manque  pas  d*une  certaine  probabilit^.* 

üeberlieferung.  Die  Epistel  ist  Überliefert  im  cod.  Parisinus  12097  s.  VI;  sie  wiid 
eingeführt  mit  den  Worten:  Ineipit  epistula  ad  virginem  lapaam. 

Ausg.  von  G.  Morin,  L'Epistula  ad  yirginem  lapeam  de  la  collection  de  Corbie. 
Opuscule  in^dit  de  la  fin  du  IV«  siöcle  (Revue  B^n^ctine  14  (1897)  p.  198). 

966.  De  yigiliis  servorum  dei  und  de  psalmodiae  bono.  Während 
sich  die  Untersuchungen  zunächst  darauf  richteten,  ob  die  von  Oennadios 
angegebenen  zwei  Schriften  noch  ganz  oder  teilweise  vorhanden  seien, 
legte  man  sich  doch  auch  die  Frage  vor,  ob  der  Nicetas  des  Oennadios 
nicht  auch  anderswo  vorkomme.  Die  in  dieser  Hinsicht  angestellten  Unter- 
suchungen waren  von  Erfolg  gekrönt.  Bei  Paulinus  von  Nola  kommt 
ebenfalls  ein  Nicetes  oder  Niceta  vor;  er  war  Bischof  von  Dacia  und 
zwar  von  Dacia  mediterranea,  wo  Remesiana  lag.  Auch  die  Zeit,  in  die 
der  Nicetas  des  Gennadius  und  der  Nicetas  des  Paulinus  zu  setzen  sind, 
ist  die  nämliche.  Der  Nicetas  des  Gennadius  ist  ein  gelehrter  Mano, 
auch  der  Nicetas  des  Paulinus  wird  vir  doctissimus  genannt;  also  ist  die 
Identität  beider  Persönlichkeiten  kaum  in  Zweifel  zu  ziehen.  Durch  diese 
Identifizierung  wird  uns  aber  Niceta  noch  von  einer  neuen  Seite  bekannt. 
Paulinus  stellt  ziemlich  deutlich  Niceta  als  Hymnendichter  hin;  sind  auch 
von  dieser  Thätigkeit  noch  Spuren  vorhanden  ?  Ja,  eine  umsichtige  Unter- 
suchung hat  ergeben,  dass  Niceta  höchst  wahrscheinlich  der  Verfasser 
des  'Te  deum'  ist.^)  Noch  mehr,  es  sind  uns  zwei  Traktate  überliefert 
de  ^^gilii8  servorum  dei  und  de  psalmodiae  bono;  der  erste  rechtfertigt 
das  Nachtgebet,  der  zweite  preist  den  Psalmengesang.  Auf  Grund  einer 
minderwertigen  Handschrift  wurden  diese  beiden  Traktate  dem  Bischof 
Nicetius  von  Trier  (f  um  566)  zugeteilt;  allein  mehrere  alte  Handschriften 
geben  die  beiden  Schriften  unter  dem  Namen  des  Niceta.  Wenn  Niceta 
Hymnendichter  war,  so  passt  eine  Schriftstellerei,  wie  sie  in  den  beiden 
Traktaten  vorliegt,  für  ihn  ganz  ausgezeichnet. 

Niceta  und  Paulinus.  Mit  Niceta  beschäftigen  sich  die  Gedichte  17  und  27  des 
Paulinus.  No.  17  ist  ein  Propempticon  für  den  in  seine  Heimat  zurückkehrenden  Bischof; 
vgl.  §  879;  in  No.  27  spricht  Paulinus  seine  Freude  darüber  aus,  dass  Niceta  zu  dem  Feste 
des  hl.  Felix  erscheinen  werde;  vgl.  §  881  p.  244.  Epist.  29,  14  (p.  261  H.)  heisst  es:  venera- 
hili  episcopo  atque  doctissimo  Nicetae,  qui  ex  Dacia  Romanis  merito  admirandus  advenerat. 
Bezüglich  der  Namensform  ist  zu  bemerken,  dass  die  Nominativform  Niceta  carm.  17,  149 
bezeugt  ist,  der  Accusativ  Nicetam  27,  151;  168;  190;  315  und  der  Ablativ  Niceta  27,266 
vorkommt.  Daneben  erscheinen  im  Nominativ  auch  die  Formen  Nicetes  und  im  Accvaatir 
Niceiem  oder  Niceten.  Den  Wirkungsort  Nicetas  charakterisiert  Paulinus,  indem  er  die 
Völker  anführt,  die  zu  ihm  eilen,  um  das  Evangelium  zu  hören:  carm.  17,  249  et  Getae 
currunt  et  uterqne  Dacus,  \  qui  coUt  terrae  tnedio  vel  ille  \  diviiis  multo  hove  piüecUus 
accola  ripae.  Wenn  man  weiter  die  Stelle  17,  195  ins  Auge  fasst  (ibis  et  Scupos  patriae 
propinquos  \  Dardanus  hospes),  so  wird  man  den  Wirkungskreis  Nicetas  in  Dacia  medi- 
terranea zu  suchen  haben;  in  dieser  Provinz  liegt  aber  Remesiana,  und  dass  diese  Stadt 
in  der  civitas  Romatiana  des  Gennadius  steckt,  ist  wohl  sicher.  Aus  der  Stellung,  welche 
dem  Bischof  der  civitas  Romatiana  von  Gennadius  angewiesen  ist,  erhellt,  dass  derselbe 
in  der  gleichen  Zeit  lebte,  wie  der  Bischof  des  Paulinus;  vgl.  Hümpel  p.  444. 

Niceta  als  Hymnendichter.  Paulinus  lässt  die  den  Niceta  begleitenden 
Scharen  unter  dessen  Leitung  Hymnen  singen;  er  spricht  (c.  17,  90)  von  choris  Ulis,  qui 
deum  Christum   duce  te  (Niceta)   canentes   sidera   pulsant,     17,  98  cum   canis   ac  precaris. 

M  Vgl.  §  863  p.  211. 


Tyraimias  Bnfiniui  und  andere  üebenetser.    (§  067.)  371 

i7,  109  navUae  laeti  solitum  celeutna  \  coneinent  versis  tnodulis  in  hymnoa  ....  praeeinH 
wutU  tuha  ceu  resuUans  \  lingua  Nieetae  modulata  Chrittum,  \  paaüet  aeternus  citharista 
9to  I  aequore  David,  17,  262  harhari  discunt  resonare  Christum.  (Hieronym.  epist.  60,  4  ad 
leUodor.  (22  Sp.  592  Migne)  Btnarum  feritas  et  peüUorum  turba  populorum,  qui  martuo- 
'um  quondam  inferüs  hamines  immolabant,  atridorem  suum  in  dulee  erucis  fregeruwt  meloa, 
i  Mius  mundi  una  vox  Christus  est.)  Auch  im  27.  Gedicht  wird  des  Hvinnengesangs  des 
ficeta  gedacht  Panlinns  fühlt  sich  in  seinem  Lied  gehoben  durch  Nicetas  Gegenwart 
Ys.  315):  sentio  Nieetam,  dum  proximus  adsidet  et  me  \  tangit  et  adiuncto  lateri  vicinue 
mhelat.  Vs.  500  ingredere  haec  paälmis  reeinens,  antistee,  et  hymnia  \  et  mea  vota  refer 
hmino  et  tun  gaudia  votis  \  iunge  meiSj  celehrans  communis  festa  patroni.  Ueber  den 
drchlichen  Hymnengesang  sei  noch  Folgendes  bemerkt.  Von  Antiochien  aus  hat  sich  der 
^nlmengesang  in  die  chnstlichen  Gemeinden  verbreitet  (Sokrates  bist.  eccl.  6,  8;  Theodoret 
liai.  eccl.  2,  24);  aber  diese  weite  Verbreitung  vgl.  auch  BasiUus  epist  207,  2—4  (82  Sp.  762 
Eigne).  Die  Neuerung  wurde  zum  Teil  von  den  Geistlichen  bekämpft,  welche  nicht  den 
feaang  der  Gemeinde,  sondern  den  eines  geschulten  Chors  verlangten;  auch  gegen  die 
^«etzung  der  Psalmen  durch  Liederdichtungen  stellte  sich  begreiflicherweise  ein  Wider- 
treben  ein.  Doch  wurde  der  Psalmen-  und  Hymnengesang  der  Gemeinde  von  Ambrosius 
ingefUhrt  (vgl.  §  862)  und  verbreitete  sich  von  da  fiber  die  westlichen  Lftnder;  vgl.  Zahn, 
eae  kirchl.  Zeitschr.  7  (1896)  p.  111.  Ob  Niceta  auf  das  Abendland  eingewirkt  hat,  lässt 
ch  nicht  sicher  ermitteln.  Für  seine  Autorschaft  des  Te  deum*  spricht  die  Ueberlieferung 
Iter  Handschriften,  welche  als  Verfasser  Niceta  oder  Nicotins  darbieten,  manchmal  mit 
Bm  Zusatz  episcopus.  Man  hat  darnach  dem  Bischof  Nicotins  von  Trier  (527—566)  das 
[*e  denm'  zugeteilt.  Da  aber  in  einem  sicher  vor  542  geschriebenen  Brief  des  Bischöfe 
yprian  von  Toulon  (Monum.  Germ.  Epist  tom.  3  p.  486)  der  Hymnus  als  ein  auf  der  ganzen 
irde  bekannter  hingestellt  wird,  muss  er  spfttestens  im  5.  Jiüirhundert  entstanden  sein; 
amit  fällt  Nicotins  von  Trier,  und  es  stellt  sich,  wie  von  selbst,  der  hymnenkundige 
ficeta  ein.    Ueber  die  Composition  vgl.  Zahn  p.  119. 

Die  beiden  Traktate.  Ueber  die  Zusammengehörigkeit  der  beiden  Traktate  vgL 
en  Eingang  von  de  psalmodiae  bono  (p.  390  Morin)  qui  promissum  reddit,  debitum  solüt. 
Wetnini  me  poUieitum  cum  de  gratia  et  utüitate  vigüiarum  dixiasem,  sequenti  aermone  in 
\ff9Hnarum  laude  et  misterio  eaae  dicturum,  quod  nunc  hie  aermo  deo  donante  praestabit. 
Me  Zuteilung  der  beiden  Schriften  an  Nicotins  erfolgte  auf  Grund  des  Parisinus  13089,  in- 
lees  mehrere  ziemlich  alte  Handschriften  Überliefern  die  beiden  Traktate  unter  dem  Namen 
tines  Bischofs  Niceta.  Der  zweite  Traktat  wurde  erst  im  17.  Jahrhundert  bekannt  und 
ron  d*Achery  (Spicil.  Nov.  edit.  tom.  1  p.  221)  und  anderen  veröffentlicht;  der  erste  lief 
ange  voiber  unter  den  Werken  des  Hieronymus  um.  Beide  Traktate  existieren  in  zwei 
rassnngen,  einer  ursprünglichen  und  einer  umredigierten,  besonders  gekflrzten.  Der  ursprüng- 
iche  Text  von  de  vigiliis  ist  in  der  unter  dem  Namen  des  Hieronymus  umlaufenden  Gestalt 
rofiianden.  Der  ursprüngliche  Text  von  de  psalmodiae  bono  liegt  vor  im  Vaticanus  5729 
I.  XI/XU  und  ist  von  Morin  (Revue  B^n^dictine  14  (1897)  p.  890)  veröffentlicht  Wichtig 
st  die  Erwähnung  einer  apokryphen  Schrift  (Z.  59  p.  892  M.). 

15.  Tyrannius  Rufinus  und  andere  üebersetzer. 

967.  Bufins  Leben.  Tyrannius  Rufinus  stammte  aus  Concordia  bei 
äiquileia.  Seine  Studien  machte  er,  wie  Hieronymus,  in  Rom,  und  beide 
müssen  sieh  schon  damals  näher  getreten  sein.  Nach  Beendigung  der 
Schulzeit  finden  wir  ihn  in  einem  Kloster  zu  Aquileia,  wo  er  die  Taufe 
empfing.  Da  auch  Hieronymus  Aquileia  aufsuchte,  verstärkten  sich  die 
Beziehungen  zwischen  beiden  Freunden.  Bald  aber  griff  eine  vornehme 
rdniische  Frau  in  das  Leben  des  Rufinus  ein,  nändich  Melania,  so  dass 
von  nun  an  die  Schicksale  beider  miteinander  verflochten  erscheinen.  Im 
Jahre  371  trat  Melania  mit  Rufinus  eine  Reise  in  das  Morgenland  an; 
die  Reisenden  nahmen  zunächst  Aufenthalt  in  Aegypten,  jedenfalls  um 
das  dort  blühende  Mönchsleben  kennen  zu  lernen.  Rufinus  erweiterte  noch 
im  besonderen  seine  theologische  Ausbildung,  indem  er  sich  an  den  hoch- 
berühmten Lehrer  Didymus  den  Blinden  anschloss.  Im  Jahre  373  be- 
gab sich  Melania  nach  Jerusalem,  Rufinus  blieb  noch  in  Aegypten  zurück 
und  folgte  erst  gegen  378  seiner  Gönnerin.    Wie  Melania,  so  gründete 

24* 


372  TyranniuB  Baflniui  und  andere  üebenetser.    (§  967.) 

auch  Rufinus  eine  klösterliche  Niederlassung  auf  dem  Oelberg.  Seit  38( 
weilte  auch  der  Jugendfreund  Rufins,  Hieronymus,  in  klösterlicher  Ab- 
geschiedenheit zu  Bethlehem ;  zwischen  beiden  geistesverwandten  Männm 
konnte  daher  wieder  ein  regerer  Verkehr  stattfinden.  Da  wurde  durch 
einen  gewissen  Äterbius  in  Sachen  des  Origenes  ein  Handel  angefacht, 
der  Hieronymus  und  Rufinus  zur  bittersten  Feindschaft  führen  sollte.  Et 
war  genugsam  bekannt,  dass  die  beiden  Einsiedler  sich  zu  Origenes  mannig- 
fach hingezogen  fühlten.  Da  aber  gegen  die  Orthodoxie  des  grossei 
Kirchenlehrers  sich  schwere  Bedenken  erhoben,  verlangte  Äterbius  in  an- 
massender  Weise  von  ihnen  die  Ablegung  eines  Glaubensbekenntnisses; 
Hieronymus  gab  ein  solches  ab,  während  Rufinus  sich  dieser  Anmassusg 
gegenüber  ablehnend  verhielt.  War  schon  durch  diesen  Vorfall  eine  Enir 
fremdung  zwischen  den  alten  Bekannten  eingetreten,  so  artete  diese  ii 
offene  Feindschaft  aus,  als  der  Bischof  Epiphanius  von  Salamis  auf  Gypero 
gegen  394  in  Jerusalem  erschien  und  einen  Feldzug  gegen  den  dortigen 
Bischof  Johannes  wegen  seiner  Hinneigung  zu  Origenes  eröfifhete.  Rufinus 
stand  auf  Seiten  seines  Bischofs,  der  ihn  zum  Priester  ordiniert  hatte  ;i) 
Hieronymus  dagegen  schwenkte  zu  Epiphanius  ab.  Es  verlohnt  sich  nicht, 
die  einzelnen  Details  des  Kampfes,  der  auch  zur  Verletzung  der  bischöf- 
lichen Amtsgewalt  des  Johannes  führte,')  darzulegen.  Er  endete  noch- 
mals mit  einer  Aussöhnung  des  Hieronymus  und  des  Rufinus,  die  aber 
nicht  lange  währen  sollte.  Melania  hatte  sich  um  397  entschlossen,  nadi 
etwa  25 jähriger  Abwesenheit  in  die  Heimat  zurückzukehren;  ihr  gesellte 
sich  Rufinus  als  Begleiter  hinzu.  Rufinus  lebte  seinen  Studien  in  Aquileia, 
sich  besonders  der  üebersetzung  griechischer  Kirchenväter  zuwendend. 
In  dem  orthodoxen  römischen  Kreise  entstand  eine  grosse  Aufregung,  als 
Rufinus  das  dogmatische  Hauptwerk  des  Origenes  „üeber  die  Prinzipien* 
übersetzt  und  dabei  alle  heterodoxen  Ansichten  seines  Originals  verbessert 
hatte;  man  konnte  in  diesem  Verfahren  Rufins  den  Versuch  erblicken, 
über  die  dogmatischen  Irrtümer  des  Origenes  hinwegzutäuschen.  Es  kam 
noch  hinzu,  dass  sich  Rufinus  in  illoyaler  Weise  auf  Hieronymus  berufen 
hatte,  der  ebenfalls  Werke  des  Kirchenvaters  übersetzt  habe.  Die  Sache 
wurde  dem  Hieronymus  hinterbracht,  und  derselbe  eröfifnete  den  Kampf 
damit,  dass  er  das  genannte  Hauptwerk  des  Origenes  ebenfalls  ins  La- 
teinische übertrug,  aber  sich  keine  Aenderungen  gestattete,  so  dass  die 
heterodoxen  Ansichten  des  griechischen  Textes  allen  sichtbar  vorlagen. 
Die  römischen  Freunde  des  Hieronymus,  unter  denen  sich  auch  die  kluge 
Marcella  befand,  brachten  es  dahin,  auch  den  römischen  Stuhl  in  den  Streit 
hineinzuziehen;  Papst  Anastasius  forderte  Rufinus  zur  Rechtfertigung  auf, 
und  dieser  gab  dieselbe  in  einem  noch  vorliegenden  Schreiben  an  den  Papst. 
Da  die  Intriguen  trotz  dieses  Schreibens  nicht  aufhörten,  entschloss  sich 
Rufinus,  in  einer  Rechtfertigungsschrift  den  ganzen  Handel  darzulegen: 
es   ist   die   auf  uns   gekommene,   aus   zwei  Büchern  bestehende  Apologie. 

^)  Als   Palladius   den   Rufinus   in  Jeru-  !  also  um  394,  von  Rufinus  als  Presbyter.  Ueber 

salem  sah  (vgl.  Hist.  Laus.  c.  1 18;  34, 122(3  M.),  |  die  Ordination  durch  Johannes  vgl.  Vallarsi 

war    dieser   noch    nicht   Priester.     Dagegen  i  bei  Migne  Sp.  98. 

spricht  Epiphanius   in   seinem   Brief  an  Jo-  I  *)  Vgl.  Hieronym.  epist.  51. 

hannes  (vgl.  Hieronym.  epist.  51, 6 ;  22, 523  M.),  i 


Tyrannias  BnflnnB  and  andere  üebenetser.    f§  967.)  373 

!7och  war  dieses  Werk  nicht  der  OefFentlichkeit  übergeben,  sondern  nur 

jn    einzelnen  Kreisen  bekannt;   da  wussten   sich  die  Zwischenträger  des 

Hieronymus  Einblick  in   dasselbe  zu  verschaffen  und  Auszüge  daraus  zu 

maclien;  eiligst  schickten   sie  dieselben  an  Hieronymus.     Auf  Grund  des 

Dbersandten  Materials  schrieb  Hieronymus  seine  Invective,  die  ebenfalls 

HUB  zwei  Büchern  besteht.     Als  Rufinus  sie  zu  Gesicht  bekam,  übersandte 

ein  authentisches  Exemplar  seiner  Apologie  mit  einem  ernsten  Schreiben. 

onymus  antwortete  sofort  mit  einem   neuen  Angriff,   mit   dem   sog. 

dritten  Buch  seiner  Invective.    Diese  Streitschriften  wurden  in  den  ersten 

Jahren  des  5.  Jahrhunderts  gewechselt.     Alsdann  verstummte  der  Hader, 

der   in  manchen  kirchlichen  Kreisen  schon  genug  Anstoss  erregt  hatte. 

Alarichs  Eroberungszüge  veranlassten  Melania,   nochmals  den  heimischen 

Boden  zu  verlassen;  auch  jetzt  stellte  sich  Rufinus  als  Begleiter  ein.    In 

Sicilien  fand  410   der  Gegner  des  Hieronymus  den  Tod.     Die  Nachricht 

von  dem  Hingange  seines  Widersachers  wirkte  nicht  versöhnend  auf  den 

Einsiedler  von  Bethlehem;  im  Gegenteil  er  holte   nochmals   zu  boshaften 

Schimpfworten  aus. 

Biographische  Zeugnisse,  a)  Geburtsort.  Derselbe  war  identisch  mit  dem 
des  Paulus  senez;  er  ist  nach  Hieronym.  de  vir.  ill.  53  Concordia  bei  Aquileia;  vgl.  Hiero- 
nym.  epist  5,  2  (22,  336  M.).  ß)  Bekanntschaft  mit  Hieronymus  in  der  Schul- 
sei t  In  einem  Brief  an  Rufinus  3,  4  (22,  333  M.)  sagt  Hieronymus  von  Bonosus,  den  er  als 
gemeinschaftlichen  Freund  bezeichnet:  Ecce  puer  honestis  saeeuli  nohiscum  artibus  innti' 
tut%t8\  sonach  war  Rufinus  Mitschüler  des  Hieronymus  und  nahm  auch  an  seinen  sittlichen 
Veiirrungen  teil;  3,  l  spricht  er  von  ilhid  os,  quod  mecum  rel  erravit  aliquando  vel  sapuit. 

y)  Eintritt  in  den  Mönchsstand  und  Taufe.    Apol.  in  Hieronym.  1,  4  Sp.  543  ego 

ante  annos  fere  trigitUa  (etwASll)  in  monasterio  iam  posUus per  gratiam  Baptismi  regene- 
ratus  »ignaculum  fidei  cansecutus  sum  per  sancios  viros  Chromatium,  Jovinum  et  Eusebium, 
opinatissimos  et  probatissimos  in  ecclesia  dei  episcopos,  quorum  alter  tunc  presbyter  beatae 
memariae  Valeriani,  alter  archidiaconus,  alius  diaconus  simulque  pater  mihi  et  doctor  nym- 
holi  ac  fidei  fuit;  vgl.  auch  Commentarlus  in  symb.  apost.  3  Sp.  339  nos  illum  ordinem  se- 
quimur,  quem  in  Aquileiensi  ecclesia  lavacri  gratia  suscepimxis.  d)  Reise  des  Rufinus 
mit  Melania  in  den  Orient.  Hieronym.  epist.  4,  2  (22,  336  M.)  Rufinus,  qui  cum  sancta 
Melania  ab  Aegypto  Jerasolymam  venisse  narratur,  individua  mihi  germanitatis  caritate 
eonnexus  est.  Nach  Vallarsi  (bei  Migne  Sp.  86)  fand  die  Abreise  Rufins  mit  Melania 
im  Jahre  371  statt.  Ueber  den  Aufenthalt  der  Melania  in  Aeg^ten  vgl.  Vallarsi  1.  c. 
Dass  auch  Rufinus  damals  in  Aegypten  sich  befand,  ergibt  sich  aus  Hieronym.  epist.  3. 
Ueber  die  Reise  der  Melania  nach  Jerusalem  vgl.  Hieronym.  z.  J.  2390  =  373  (2  p.  198  Seh.) 
Melania  nobUissima  mulierum  Romanarum  et  Marcellini  quondam  consulis  filia,  unico  prae- 
tore  tunc  urbano  filio  derelieto,  Hierusolymam  navigavit,  ubi  tanto  virtutum  praeripueque 
humüitatis  miraculo  fuit,  ut  Theclae  nomen  aeceperit.  Dagegen  blieb  Rufinus  6  Jahre  in 
Aegypten  (371 — 377);  vgl.  Apol.  in  Hieronym.  2,  12  Sp.  594  ego  qui  sex  annis  dei  causa 
commoratus  sum  (in  Alezandna  bei  Didymus)  et  iterum  post  intervallum  aliquod  aliis  duobus 
{aliquot  aliis  diebus).  Dass  er  Zuhörer  des  Did}'mus  war,  bezeugt  er  bist.  eccl.  11,  7  Sp.  517. 
üeber  seinen  Aufenthalt  auf  dem  Oelberg  in  Jerusalem  vgl.  Palladins  bist.  Laus.  c.  118; 
Bnfin.  ApoL  in  Hieronym.  2,  8  Sp.  591  festes  quamplurimos  fratrum  habere  possum,  qui  in 
meis  ceUuIis  manentes  in  monte  Oliveti  quamplurimos  ei  (Hieronymo)  Ciceronis  dialogos  de- 
scripserunt.  s)  Zerwürfnis  des  Rufinus  mit  Hieronymus.  Ueber  die  Entfachung 
des  Streites  durch  den  Antiorigenisten  Aterbius  vgl.  Hieronym.  Apol.  in  Rufin.  3,  33  (23, 


ad  Theophilum  (22,  736  M.).  Ueber  die  Aussöhnung  zwischen  Hieronj-mus  und  Rufinus 
vgl.  Hieronym.  Apol.  in  Rufin.  3,  33.  Cj  Rückkehr  Rufins  und  der  Melania  nach 
Rom  und  neuer  Ausbruch  des  Zwistes.  Ueber  die  Ankunft  in  Nola  v^I.  Panlin. 
epist.  29,  12  (1  p.  258  Hartel).  Palladius  bist.  Laus.  c.  118  berechnet  die  Abwesenheit  von 
Italien  auf  27  Jahre,  Paulinus  (epist.  29,  6  p.  251  H.i  quinque  luMtra,  also  25  Jahre.  Wir 
kommen  demnach  auf  398  bezw.  396.  Vallarsi  (bei  Sligne  Sp.  112:  kommt  zu  dem  Er- 
gebnis:  yRufini  et  Melaniae  reditum   nee   citius  nee  serius  contingere  potnisse   quam  A« 


374  TyranniiM  Boflniui  und  andere  üebersetser.    (§  968.) 

D.  897.*  Ueber  den  Anlass  des  neuen  ZwiBfces  vgl.  Zöckler,  Hieroimniis  p.  250.  Pnef. 
zur  Uebersetzung  des  Werkes  des  Origenes  negi  dqx^*^  (abgednickt  bei  Hieronymne  epist  80; 
22,  738  M.)  inter  quoa  (den  Uebersetzem  des  Origenes)  etiam  frater  et  ecUega  notier 
(Hieronymns)  ah  episeapo  Damaso  depreeatu»,  cum  homilicis  duas  de  Cantico  Caniieonm 
in  Latinum  transtulisset  ex  Graeco,  ita  in  illo  opere  ornate  magnifieeque  praefatus  ett^ 
ut  cuivis  legendi  Origenem  et  avidiesime  perquirendi  deeiderium  eammoveret,  Ueber  den 
Fortgang  der  Bewegung  unterrichten  Brief  83,  den  Pammachius  und  Oceanns  an  Hierooy- 
mus  richteten,  Brief  81  des  Hieronymus  an  Rufinus  (vgl.  Hieronym.  Apol.  in  Rofin.  1, 12; 
28,  406  M.)  und  Brief  84  des  Hieronymus  an  Pammachius  und  Oceanus.  Ueber  das  Ein- 
greifen der  Marcella  und  des  Papstes  Anastasius  (898 — 401)  vgl.  epist  127,  den  Brief  des 
Anastasius  bei  Hieronymus  95  (22,  772  M.)  und  die  Rechtfertigungsschrift  des  Bofinus  an 
den  Papst  (21,  628  M.),  wozu  noch  zu  vgl.  der  Brief  des  Anastasius  an  Johannes,  Bischof 
von  Jerusalem  (21,  627  M.).  Die  Hauptquelle  ftlr  die  Erkenntnis  des  neuen  Zwistes  bilden 
die  Invectiven  beider  Gegner  (ygl.  §§  969,  992).  tj)  Tod  des  Rufinus.  Ueber  das  Todes- 
jahr 410  vgl.  Vallarsi  bei  Migne  Sp.  291.  In  boshafter  Weise  snielt  Hieronymus  anf 
den  Tod  in  Sicilien  an  in  seinem  Commentar  zum  Ezechiel  (25,  16  M.)  Scorpiusque  inter 
Enceladum  et  Porphyrionem  Trinacriae  humo  pretnitur  et  Hydra  muUarum  capitum  c&ntn 
no8  aliquando  eibilare  cesaavit.  Auf  die  Eroberung  Roms  durch  Alarich,  die  bekanntlicb 
410  statthatte,  wird  in  der  Einleitung  des  Commentars  hingedeutet. 

Allgemeine  Litteratur  fiber  Rufinus.  Fontanini,  Historiae  literariae  Aqoi- 
leiensis  1.  V,  Rom  1742;  De  Rubeis,  Monuments  ecclesiae  Aquileiensis,  Strassb.  1740; 
Ceillier,  Hist.  g^nörale  10  (Paris  1742)  p.  1;  Tillemont,  M^moires  etc.  12  p.  82.  Vtl- 
larsi  hat  in  seiner  Ausg.  eine  gründliche,  aber  weitschweifige  und  ermddende  Vita  ge- 
geben. Marzuttini,  De  Turanii  Rufini  presb.  Aquil.  fide  et  religione,  Padua  18^; 
Pötursson,  Symbolae  ad  fidem  et  studia  Tyranni  Rufini  presbyteri  Aquil.  illustranda  e 
scriptis  ipsius  petitae,  Kopenhagen  1840;  Ebert,  Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittelalten  1* 
(Leipz.  1889)  p.  822.  Ueber  die  Sprache  des  Rufinus  vgl.  K.  Paucker,  De  latinitate  Hiero- 
nymi,  Berl.  1880,  p.  154. 

968.  Bufins  üebersetzungen.  Rufins  Bedeutung  fQr  die  römische 
Litteratur  liegt  in  seinen  üebersetzungen  griechischer  Autoren.  Die 
Kenntnis  der  griechischen  Sprache  war  im  Laufe  der  Zeit  im  Abendland 
immer  mehr  zurückgetreten,  und  es  musste  daher  die  Uebersetzung  ein- 
treten, um  die  griechische  Litteratur  der  gebildeten  abendländischen  Mensch- 
heit zugänglich  zu  machen.  Rufinus  erkannte  dies  Bedürfnis  und  war  be- 
strebt, dasselbe  in  ausgedehnter  Weise  zu  befriedigen.  In  seinen  Üeber- 
setzungen nahm  er  sich  ein  grosses  Mass  von  Freiheit;  eine  genaue  Wieder- 
gabe des  Originals  strebte  er  keineswegs  an.  Ja  er  ging  noch  weiter 
und  scheute  sich  nicht,  Zusätze  zum  Original  zu  machen  und  selbst  Aen- 
derungen  vorzunehmen,  so  oft  es  ihm  notwendig  erschien;  besonders  die 
Rücksicht  auf  die  orthodoxe  Lehre  verleitete  ihn  zu  manchen  Korrek- 
turen. So  kommt  es,  dass,  wenn  neben  dem  lateinischen  Text  auch  noch 
der  griechische  vorhanden  ist,  die  Uebersetzung  uns  zur  Gestaltung  des 
Textes  nicht  viel  hilft.  Allein  nicht  selten  ist  das  griechische  Original 
verloren  gegangen,  so  dass  wir  lediglich  auf  die  Uebersetzung  angewiesen 
sind.  Die  kritische  Bearbeitung  dieser  Uebertragungen  liegt  noch  sehr 
im  argen;  wir  geben  im  Anschluss  an  Gennadius  eine  Uebersicht  der- 
selben. Vor  allem  richtete  Rufinus  seine  Blicke  auf  die  berühmten  Kirchen- 
lehrer des  Ostens,  Basilius  den  Grossen  und  Gregor  von  Nazianz. 
Beider  rednerischer  Ruhm  war  so  gross,  dass  Rufinus  es  für  angezeigt  hielt, 
eine  Auswahl  ihrer  Reden  dem  lateinischen  Publikum  im  heimischen  Idiom 
vorzulegen.  Auch  die  beiden  Mönchsregeln  des  Basilius  verdienten  eine 
Verbreitung  im  Abendlande;  Rufinus  bot  sie  in  umgearbeiteter  Form,  in- 
dem er  einen  Katechismus  aus  ihnen  machte.  Am  meisten  fühlte  sich 
aber  Rufinus  zu  Origenes   hingezogen.     Ausser  Homilien   und  Commen- 


Tyranniiui  Bnfiniui  und  andere  üebersetser.    (§  968.)  375 

taren  zu  den  hl.  Schriften  übertrug  er  das  dogmatische  Hauptwerk  des 
Origenes  ,üeber  die  Prinzipien'' ;  diese  üebersetzung,  in  der  er  besonders 
willkürh'ch  in  das  Original  eingriff,  brachte  ihn  bekanntlich  in  Konflikt 
mit  Hieronymus,  der  ebenfalls  das  Werk  übersetzte,  um  dasselbe  in  seiner 
echten  Gestalt  den  römischen  Lesern  vorzuführen.  Mit  seiner  Verehrung 
des  Origenes  steht  auch  in  Zusammenhang  die  Uebertragung  einer  Apo- 
logie des  griechischen  Kirchenlehrers,  die  Eusebius  gemeinschaftlich  mit 
Pamphilus  in  fünf  Büchern  verfasste  und  nach  dem  Tode  seines  Mit- 
arbeiters durch  ein  sechstes  ergänzte.  Dieser  Uebersetzung  hatte  er  zu- 
gleich eine  Abhandlung  .lieber  die  Fälschung  der  Bücher  des  Origenes '^ 
(de  adulteratione  librorum  Origenis)  beigegeben,  in  der  er  zeigen  wollte, 
dass  vieles  AnstOssige  bei  Origenes  auf  Rechnung  späterer  Interpolationen 
SU  setzen  sei.  Zur  Uebersetzung  der  Kirchengeschichte  des  Eusebius 
kam  er  durch  Chromatius,  Bischof  von  Aquileia.  Es  war  damals  eine 
trübe  Zeit  über  das  römische  Reich  hereingebrochen;  Alarich  war  in  Ita- 
lien eingedrungen,  und  die  Not  war  an  allen  Enden  gross.  Da  meinte 
der  Bischof,  das  gegenwärtige  Leid  vergesse  man  leichter,  wenn  man  sich 
in  die  Vergangenheit  versenke;  er  drang  daher  in  Rufinus,  die  Kirchen- 
geschichte des  Eusebius  lateinisch  zu  bearbeiten.  Das  Werk  des  Eusebius 
bestand  aus  10  Büchern  und  reichte  bis  zum  Jahre  324.  Diese  kürzte 
Rufinus  in  der  Weise,  dass  er  das  9.  und  10.  zu  einem  Buch  verband;  auch 
sonst  erlaubte  er  sich  Verkürzungen,  indem  er  z.  B.  Urkunden  wegliess, 
aber  auch  Erweiterungen  nahm  er  vor,  besonders  wenn  es  sich  um  Ver- 
herrlichung der  Askese  handelte.  Seiner  Uebertragung  fügte  der  Ueber- 
setzer  zwei  eigene  Bücher  hinzu,  in  der  die  Zeit  von  324  bis  zum  Tod 
des  Theodosius  (395)  behandelt  war.  Die  Arbeit  Rufins  erfreute  sich  im 
Mittelalter  des  höchsten  Ansehens.  Auch  den  ersten  christlichen  Roman, 
die  Recognitiones  des  Clemens  von  Rom,  übertrug  Rufinus  in  das  hei- 
mische Idiom.  Ueber  seine  Arbeit  spricht  er  sich  in  der  Zuschrift  an 
Gaudentius,  Bischof  von  Brescia,  aus.  Die  Stelle  ist  nicht  ohne  Wichtig- 
keit für  die  Geschichte  des  Romans.  Die  Freiheit  des  Bearbeiters  trat 
auch  in  diesem  Werk  hervor.  In  dem  Roman,  der  auf  Wiedererkennen 
verschwundener  Familienglieder  hinauslief,  war  das  Lehrhafte  stark  ver- 
treten. Der  Uebersetzer  liess  aber  dieses  Element  zurücktreten,  indem 
er  mehr  auf  die  Ereignisse  seinen  Blick  richtete.  Auch  zwei  Spruch- 
sammlungen wurden  von  Rufinus  in  die  lateinische  Litteratur  eingeführt, 
die  eine  war  ein  heidnisches  Werk,  die  Sextussprüche,  die  aber  auch  unter 
dem  Namen  des  Xystus  oder  Sixtus,  Bischofs  von  Rom  (257—258),  umliefen. 
Rufinus  gab  der  Uebersetzung  einen  Anhang,  in  dem  ein  Vater  seinem  Sohne 
religöse  Lehren  gibt.  Dieser  Anhang,  den  Hieronymus  noch  kannte,  ist  uns 
aber  nicht  erhalten.  Die  zweite  Sentenzensammlung,  die  des  Euagrius, 
der  um  die  Wende  des  4.  Jahrhunderts  starb,  hatte  einen  streng  religiösen 
Charakter,  da  sie  für  Mönche  bestimmt  war.  Aber  mit  dem  Verzeichnis  der 
Uebertragungen,  das  Gennadius  uns  gibt,  ist  die  Uebersetzungsthätigkeit 
Rufins  nicht  abgeschlossen.  Wir  stossen  noch  auf  andere  Verdolmetschungen; 
so  wurde  vor  nicht  langer  Zeit  Rufins  Uebertragung  der  Dialoge  über 
den  rechten   Glauben   an  Gott,   in   denen   Adamantius   als  Wortführer 


376  Tyrmimiiui  Bnflniui  und  andere  üebersetser.    (§  968.) 

auftritt  und  die  mit  unrecht  dem  Origenes  beigelegt  wurden,  ans  Licht 
gezogen. 

Zu  den  üebersetzungen  haben  wir  auch  die  Geschichte  der  ägyp- 
tischen Mönche  zu  rechnen.  Dass  dieselbe  von  Rufinus  herstammt,  kaim 
durch  unzweideutige  Zeugnisse  erhärtet  werden;  denn  in  der  MOncbs- 
geschicht^  verweist  Rufinus  auf  seine  Kirchengeschichte,  wie  er  anderer* 
seits  in  der  Kirchengeschichte  seine  Absicht  kundgibt,  die  ägyptischen 
Mönche  zu  schildern;  auch  kennt  Hieronymus  die  Geschichte  der  Mönche 
als  ein  Werk  Rufins.  Lange  Zeit  war  das  Urteil  unsicher,  ob  wir  hi» 
eine  Uebersetzung  oder  eine  originale  Leistung  vor  uns  haben.  Jetzt 
da  der  griechische  Text  vorliegt,  kann  es  auch  nicht  dem  mindesten 
Zweifel  unterworfen  sein,  dass  das  Werk  Rufins  eine  Bearbeitung  ist 
Merkwürdig  ist  die  Composition  des  Buchs  ;^)  der  Autor  wählt  nämlich 
für  seine  Darstellung  die  Form  des  Reiseromans.  Eine  Gesellschaft  von 
sieben  Personen,  unter  denen  er  sich  selbst  befand,  machte  im  Jahre  394 
eine  Reise  durch  Aegypten,  um  das  mönchische  Leben  an  seinen  ver- 
schiedenen Stätten  kennen  zu  lernen.  Allein  der  Verfasser  vermag  die 
künstlerische  Form  nicht  durchzuführen;  dies  beweist  das  unorgam'sche 
Schlusskapitel,  in  dem  die  Reiseabenteuer  der  Gesellschaft  zusammen- 
gestellt werden.  Nach  einem  künstlerisch  gestalteten  Eingang  wird  das 
Buch  mehr  zu  einem  Katalog,  dessen  einzelne  Nummern  in  ihrer  Aus- 
dehnung sehr  verschieden  sind.  Das  ägyptische  Mönchsleben  beruht  auf 
einer  äusserst  straff  angespannten  Askese;  allein  auf  dieser  gemeinsamen 
Grundlage  bauen  sich  doch  verschiedene  Lebensformen  auf.  Bald  ist  es 
die  Wohnung,  bald  die  Kleidung,  bald  die  Nahrung,  welche  dem  Erzähler 
etwas  Charakteristisches  darbieten.  Der  Autor  weiss  uns  durch  immer 
neue  Einzelheiten  zu  fesseln;  besonders  sind  es  die  Wunderthaten,  Pro- 
phezeiungen und  die  Kämpfe  mit  den  bösen  Geistern,  welche  nicht  selten 
das  Erstaunen  des  Lesers  wachrufen  müssen.  Gewiss  vertragen  diese 
Erzählungen  nicht  die  Kritik,*)  allein  trotzdem  sind  sie  lehrreich,  weil 
sie  die  pathologisch  gesteigerte  Phantasie  jener  Tage  in  beredter  Weise 
schildern.  Das  Herz  des  Autors  ist  erfüllt  von  Begeisterung  für  das 
Mönchtum,  und  der  Zweck  seines  Buches  ist,  für  dasselbe  Propaganda 
zu  machen.  Die  warme  Hingabe  des  Schriftstellers  an  ein  Lebensideal 
packt  auch  den  Leser;  daher  kommt  es,  dass  Jahrhunderte  hindurch  die 
Schiift  gern  gelesen  wurde  und  selbst  Luther  gern  nach  derselben  griff.') 
Wer  ist  der  Verfasser  des  griechischen  Originals?  Dasselbe  lehrt  uns. 
dass  der  Autor  dem  von  Rufinus  gegründeten  Kloster  auf  dem  Oelberg 
in  Jerusalem  angehörte  und  im  Jahre  395,  da  er  noch  nicht  Priester 
war,  eine  Reise  nach  Aegypten  machte,  um  das  dortige  Mönchsleben 
kennen  zu  lernen,  und  dass  er  auf  Bitten  seiner  Klosterbrüder  seine 
Reise  niederschrieb.     Auch  Sozomenus  hatte  das  griechische  Original  vor 

M  lieber  die  Composition  vgl.  besonders  Mittelalters  1*  (Leipz.  1889)  p.  325  Anm.  2l 

das  Kapitel  Der   litteraiische  Charakter  der  ,   bemerkt,  dass  auf  Luthers  Veranlassung  und 

historia  monachorum  bei  Preu sehen  p.  205.  ;    mit  einem  Vorwort  von  ihm  eine  von  Schöne- 

'^j  Selbst   der  Autor   sagt  einmal  (c.  15  !    mann  nicht  erwähnte  Ausgabe 'in  usum  mini- 

Sp.  435):  Xonnullis  audietUitim  rix  credibile.  strorum  verbi,  quoad  eius  fieri  potuit,  repur- 

')  Ebert  (Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  gatae',  Wittenberg  1544  erschien. 


Tyrtonias  Bnfinns  und  andere  üebenetier.    (§  968.)  377 

lieh  ^)  und  legt  es  dem  Bischof  Timotheus  von  Alexandria  bei.  Allein  dieser 
^ann  der  Autor  nicht  sein,  da  er  385  starb,  unser  Buch  aber  Ereignisse 
bringt,  die  über  dieses  Jahr  hinausführen.  Es  wird  also  eine  Verwechslung 
mit  einem  andern  Timotheus  vorliegen,  und  es  ist  eine  sehr  einnehmende 
Vermutung,')  dass  der  von  Sozomenus  genannte  Timotheus  der  Erzdiakon 
v^on  Alexandria  sei,  der  bei  Erledigung  des  Bischofssitzes  nach  dem  Tode 
des  Theophilus  als  Gegenkandidat  Cyrills,  der  Neffe  des  Theophilus  war, 
auftrat.  Diese  Parteistellung  kennzeichnet  ihn  als  Oegner  des  Theophilus 
nnd  des  Hieronymus,  und  sie  liegt  auch  unserer  Geschichte  der  Mönche 
von  Aegjrpten  zu  Grunde.  Dieses  Buch,  das  also  einer  seiner  Kloster- 
genossen geschrieben  hatte,  übersetzte  Rufinus.  Es  ist  merkwürdig,  dass 
Rufinus  nicht  selbst  in  einer  Praefatio  das  Verhältnis  angedeutet  hatte;  es 
scheint,  dass  das  lateinische  Werk  ohne  Namen  des  Autors  und  des  Ueber- 
satzers  in  die  Welt  -  hinausging.  Wenn  Hieronymus  im  Jahre  415,  also 
nach  dem  Tode  Rufins,  das  Buch  nicht  als  eine  üebersetzung  bezeichnet, 
so  ist  darauf  nicht  viel  zu  geben;  denn  ihm  kommt  es  ja  nur  darauf  an, 
Rufinus  als  einen  Verbreiter  des  Origenismus  zu  schelten,  und  als  solcher 
gilt  ihm  auch  der  Uebersetzer  origenistischer  oder,  wie  unsere  Historie, 
vom  Origenismus  erfüllter  Schriften. 

Rufinus  als  uebersetzer.  Gennadius  de  vir.  ill.  17  Rufinus,  Äquüeiensis  ecclesiae 
preshyttr,  non  minima  pars  doctorum  ecclesiae,  et  in  transferendo  de  Graeco  in  Latinum 
elegans  ingenium  habuit;  denique  maximam  partem  Graecorum  hihliothecae  Latinis  exhibuit, 
Basilii  scHicet  Caesariensis  Cappadociae  episcopi,  Gregorii  Nazianzeni,  eloquentissimi  ho- 
minis, Clement is  Romani  'Reeognitionum*  libros,  Eusehii  Caesariensis  Palaestinae  *Eccle- 
siasticam  historiam\  Sixti  Romani  'Sententia^,  Euagrii  *Sententia^,  Pamphili  martyris 
'Adrersum  mathematicos* .  Horum  omnium  quaecumque  praemissis  prologis  a  Latinis  legun- 
tur,  a  Rufino  interpretata  sunt;  quae  autem  sine  prologo,  ab  alio  translaia  sunt,  qui  pro- 
logum  facere  noluit;  Origenis  autem  non  omnia,  quia  et  Hieronymus  transfudit  aliquanta 
quae  suo  prologo  discernuntur. 

üebersetzungen  von  Schriften  des  Basilius  des  Grossen  (t  379).  Eist, 
eccl.  11,  9  (Sp.  520)  spricht  Rufinus  bei  der  Vergleichung  des  Basilius  und  des  Gregor  auch 
von  ihren  Predigten  und  fährt  fort:  ex  quibus  nos  denas  ferme  singulorum  oratiunculas 
transfudimus  in  Latinum,  Basilii  praeterea  Instituia  monachorum  optantes,  si  poterimus 
et  dei  favor  adiuverit,  eorum  plura  transferre.  Rufinus  übersetzte  erstens  Homilien  des  Basi- 
lius; in  der  Maurinerausgabe  des  Basilius  (Patrol.  gr.  31  Sp.  1723)  sind  üebertragungen  von 
7  Homilien  mitgeteilt,  femer  die  Uebertragung  der  epist.  S.  Basilii  46  ad  virginem  lapsam 
(Migne  1.  c.  32  Sp.  369).  Zweitens  bearbeitete  er  die  beiden  Instituta  monachorum  des 
BasUius  in  der  Weise,  dass  er  sie  zu  einem  Katechismus  gestaltete,  der  aus  203  Fragen 
nnd  Antworten  bestand.  Ausg.  dieser  Regeln  zählt  Schoenemann  bei  Migne,  Patrol.  Tat. 
21  Sp.  35  auf.  —  Vgl.  Bardenhewer,  Patrol.»  p.  248. 

Üebersetzungen  von  Reden  des  Gregor  von  Nazianz  (f  389  oder  390).  Dass 
Rufinus  auch  Reden  Gregors  von  Nazianz  übersetzte,  steht  nach  dem  in  Absatz  2  ausgeschrie- 
benen Zeugnis  fest.  Die  erste  Ausg.  dieser  übersetzten  Reden  erschien  Strassb.  1508;  vgl. 
Schoenemann  bei  Migne,  Patrol.  lat.  21  Sp.  39.  In  der  Maurinerausg.  fehlt  die  üeber- 
setzung, und  bei  Migne,  Patrol.  gr.  36  Sp.  735  steht  nur  die  praefatio  derselben.  —  Vgl. 
Bardenhewer,  Patrol.*  p.  256. 

Üebersetzungen  von  Schriften  des  Origenes  (t  254  oder  255J.  Die  wich- 
tigste ist  die  Uebertragung  der  dogmatischen  Hauptschrift  des  Origenes  nsgi  agx^^-  Ausg. 
in  Origenis  opera  ed.  Lommatzsch  21  p.  8;  von  Redepenning,  Leipz.  1836.  lieber  seine 
Thätigkeit  spricht  sich  Rufinus  im  Prolog  also  aus  (p.  12  L.):  Sicubi  ergo  nos  in  libris  eius 
aliquid  contra  id  invenimus,  quod  ab  ipso  in  ceteris  locis  pie  de  Trinitate  fuerat  definitum, 
relut  adulteratum  hoc  et  alienum  aut  praetermisimus  aut  secundum  eam  regulam  protuli- 
muSj  quam  ab  ipso  frequenter  invenimus  affirmatam.  Si  qua  sane  velut  peritis  iam  et 
scientibus  loquens,  dum  breviter  transire  vult,  obscurius  protulit:  nos  ut  manifestior  fieret 


»)  Hist.  eccl.  6,  29.  |  »)  Butler  p.  277. 


378  Tyrannias  Bnfiniu  nnd  andere  üebersetser.    (§  968.) 

locus  ea,  quae  de  ipsa  re  in  aliis  eius  libris  apertius  legeramuB  adiecimus  ejepianatmi 
studentes.  Der  griechische  Text  ist  bis  auf  einige  Fragmente  verloren.  Andere  üebcr- 
setzongen  sind:  a)  17  Homilien  zur  Genesis.  Auf  diese  Uebertragnng  weist  Rnfimisii 
seiner  Uebersetzong  des  Commentars  zum  ROmerbrief  mit  den  Worten  (7  p.  459  L.):  «int 
in  hominis  sive  in  oraiiuneulis  in  Genesin  et  in  Exodum  feeimus.  üeber  die  Umck, 
warum  Hieronymus  in  Handschriften  als  Autor  erscheint,  vgl.  Harnack  p.  345.  —  Ang. 
in  Origenis  opera  ed.  L.  8  p.  105.  ß)  IS  Homilien  zu  Exodus.  Dass  die  Uebersetei 
von  Rufinns  stammt,  dafQr  zeugt  die  unter  «  ausgeschriebene  Stelle.  —  Ausg.  in  Origoa 
opera  ed.  L.  9  p.  1.  —  Vgl.  Harnack  p.  347.  /)  16  Homilien  zu  Leviticna.  Ausg.  ii 
Origenis  opera  ed.  L.  9  p.  172.  —  Vgl.  Harnack  p.  348.  cT)  28  Homilien  zn  Numeri 
Dieselben  werden  eingeleitet  durch  einen  Prolog  an  Ursacius.  Ueber  die  Zeit  vg).  fr 
Worte  (p.  9):  in  conspectu  ....  nostro  harharus  (Alarich),  ^Mt  Regina  oppido  miscebat  w- 
cendia,  angustissimo  a  nobis  freto,  ubi  Italiae  solum  Siculo  dirimitur,  arcebatur.  —  Aing. 
in  Origenis  opera  ed.  L.  10  p.  9.  -  Vgl.  Harnack  p.  350.  —  Auch  Homilien  zn  Deuter»* 
nomium  wollte  Rufinus  übersetzen;  vgl.  Prolog  p.  10:  tarn  ex  omnibus,  quae  in  lege  serifts 
reperi,  solae,  ut  puto,  in  Deuteronomium  desunt  oratiunculae,  quas,  si  dominus  iuverU  ä 
Sanitätern  dederit  oeulis,  cupimus  reliquo  corpori  soeiare.  Er  scheint  aber  nicht  mek 
dazu  gekommen  zu  sein,  e)  26  Homilien  zu  Jesu a.  Auf  seine  Uebersetzong  weist  Ri- 
finus  im  Epilog  zum  Commentar  des  Römerbriefs  hin.  Der  üebertragang  geht  ein  p- 
zierter  Brief  an  Chromatius  voraus,  der  ihn  zu  dieser  Arbeit  angeregt  hatte.  —  kwi§. 
in  Origenis  opera  ed.  L.  11  p.  6.  —  Vgl.  Harnack  p.  352.  C)  9  Homilien  zum  Richter- 
buch. Auch  auf  diese  Uebersetzung  weist  der  schon  mehrfach  angezogene  Epilog  na 
Commentar  des  Römerbriefs  hin.  —  Ausg.  in  Origenis  opera  ed.  L.  11  p.  217.  —  V|^ 
Harnack  p.  354.  97)  5  Homilien  zu  Psalm  36,  2  zu  Psalm  37,  2  zu  Psalm  5& 
Die  Uebersetzung  ist  dem  Apronianus  gewidmet,  wie  der  vorausgeschickte  Prolog  zeigt 
—  Ausg.  in  Origenis  opera  ed.  L.  12  p.  151.  —  Vgl.  Harnack  p.  357.  9)  Commentir 
zum  hohen  Lied  in  4  Büchern.  Ausg.  in  Origenis  opera  ed.  L.  14  p.  287  (8.1— 2); 
15  p.  1  (B.  3—4).  —  Vgl.  Harnack  p.  359.  1)  Der  Commentar  zum  Römerbrief  «Ü 
eingeleitet  durch  einen  Brief  an  Heraclius  (7  p.  VL.),  der  Rnfin  zum  Uebersetzen  d« 
Commentars  aufgefordert  hatte,  und  geschlossen  durch  eine  peroratio  an  denselben  m 
p.  458  L.).  In  beiden  Aktenstflcken  spricht  er  in  interessanter  Weise  über  aeine  üeb» 
setzerthätigkeit.  —  Ausg.  in  Origenis  opera  ed.  L.  6  p.  1  (Buch  1—5);  7  p.  1  (B.  6—10).- 
Vgl.  Harnack  p.  373. 

Uebersetzung  der  Apologie  des  Origenes  von  Pamphilns  (f  309).  D« 
Original  ist  nicht  auf  uns  gekommen,  lediglich  das  erste  Buch  ist  uns  in  der  Uebersetziag 
Kufins  erhalten.  Ausg.  in  Origenis  opera  ed.  Lommatzsch  24  p.  289.  Ueber  die  Haoi 
schriften  derselben  vgl.  Harnack,  Gesch.  der  altchristl.  litt.  1  p.  580;  über  syriache  Fr^- 
mentc  vgl.  ebenda.  Unrichtig  bezeichnet  Gennadiu«  die  Schrift  mit  adversum  matkematUm. 
Der  Irrtum  des  Gennadius  wurde  veranlasst  durch  die  Apologie  Rufins  1,  1 1  (21  Sp.  543 
Migne).  Macarius  wollte  ein  opusculum  adversus  Fatum  vel  Mathesim  haben,  und  zn  diesM 
Zweck  wollte  er  auch  die  Ansichten  des  Origenes  hören.  Rufinus  verweist  den  Macarius  nf 
die  Apologie  des  Pamphilus,  deren  Uebersetzung  Macarius  nun  von  Rufinna  verlang.  Uebtf 
die  Stellung  des  Hieronymus  zu  der  Autorfiage  hinsichtlich  des  Originals  vgl.  Sychowski, 
Hieronymus  als  Litterarhistoriker  (Kirchengeschichtl.  Stud.  2.  Bd.  2.  Heft  (1894)  p.  168).  Dv 
Uebersetzung  ist  eine  Abhandlung  beigegeben  de  adidteratione  librorum  Origenis.  Aiig> 
in  Origenis  opera  ed.  L.  25  p.  382. 

Uebersetzung  der  Kirchengeschichte  des  Eusebius.  Ueber  die  Veranlassoig 
spricht  er  sich  in  einer  an  Chromatius  gerichteten  Vorrede  (21  Sp.  461  Migne)  also  au: 
Tempore  quo^  diruptis  Italiae  claustris  ab  Alarico  duce  Gothorum,  se  pestifer  mwhus  M- 
fndit  et  agros,  armenta,  viros  longe  lateque  vastavit,  populis  tibi  a  deo  commissis  ferslii 
exitii  aliquod  remedium  quaerens,  per  quod  aegrae  mentes  ab  ingruentis  mali  eoniagiom 
subtractaCf  meliorihus  occupatae  studiis  tenerentur:  iniungis  mihi  ut  ecclesicisticam  kisiitrisMt 
quam  vir  eruditinsimus  Eusebius  Caesar iefisis  Graeco  sennone  eonscripsit,  in  Latinum  vertauL 
Ueber  die  Durchfahrung  des  Unternehmens  sagt  er  (ebenda  Sp.  463):  Sciendum  sane  ett, 
quod  decimus  liber  huius  operis  in  Graeco,  quoniam  perparum  habebat  in  rebus  gestis,  pef 
reliqua  omnia  in  episcoporum  panegyricis  tractatibus^  nihil  ad  scientiam  rerum  confert»' 
tibus  occupatus,  omissis  quae  videbantur  superflna,  historiae  si  quid  habuit,  nono  conitmii' 
mus  libro,  et  in  ipso  Eusebii  narrationi  dedimus  finem,  Decimum  vero  et  undecimum  lAnti 
nos  conscripsinius  partim  ex  maiorum  tradiiionibuSy  partim  ex  his  quae  nostra  tarn  me- 
moria compr  eh  enderat Nostri  rero  duo  libelli  a   temporibus  Constantini  past  persetfk' 

tionem  usque  ad  obitum  Theodosii  August i.  Ueber  das  Verhältnis  der  Uebersetzung  im 
Original  handelt  sehr  ausführlich  und  verständig  Kimmel.  Rufinus  geht  mit  grosser  Frei- 
heit zu  Werk;  diese  bezieht  sich  nicht  bloss  auf  einzelne  Worte,  sondern  er  ftndert  aock 
die  Redeform,  indem  er  statt  der  direkten  die  indirekte  Rede  setzt  nnd  umgekehrt  (Kimoi«! 


TyrAuiiiui  BailniM  und  andere  üebeneiser.    (§  968.)  379 

p.  104).  Besonders  gross  aber  ist  seine  WilikOr  in  Teztesstreichongen,  z.  B.  wenn  die 
Eleganz  des  Ansdracks  erzielt  (p.  113),  wenn  historisch  Unrichtiges  ausgemerzt  werden 
soll  (p.  118),  wenn  das  Original  sich  in  Weitschweifigkeit  verliert  (p.  126;  129;  187),  wenn 
sein  religiöser  Standpunkt  es  verlangt  (p.  147).  Aach  durch  Zusfttze  dokumentiert  der 
Uebersetzer  seinen  freien  Standpunkt;  er  setzt  die  Dinge  in  helleres  licht  (p.  166)  und 
schaltet  manches  aus  anderen  Quellen  ein  (p.  174).  Ueber  die  Abweichungen  bei  den  Eigen- 
namen vgl.  p.  209.  In  der  Auffassung  des  Griechischen  zeigt  sich  mancher  Lapsus  (p.  200). 
Gegen  die  ijisicht  Güldenpennings  (Die  Kirchengesch.  des  Theodoret  von  Kyrrhos,  Halle 
1889,  p.  26),  dass  Theodoret  aus  den  zwei  selbstftndigen  Büchern  Rufins  geschöpft  habe, 
vgL  Rauschen,  Jahrb.  der  christl.  Kirche,  Freib.  i.  B.  1897,  p.  559.  Von  Mommsen  sind 
folgende  Handschriften  herangezogen:  Parisinus  18282,  Vaticanus-Palatinus  822,  Parisinus 
5500,  Monacensis-Frisingensis  6375.  Ueber  das  Fragment  eines  Turiner  Palimraestes  F.  IV.  29 
vgl.  E.  Ghatelain,  Revue  de  philol.N.S.  27,  Janvier  1903,  p.43.  —  Ausg.  vonTh.  Mommsen 
in  Eusebius'  Kirchengesch.  von  E.  Schwartz,  1.  Hälfte,  Leipz.  1903  (enthält  Buch  1 — 5); 
die  zwei  letzten  Bacher  edierte  P.  Th.  Gacciari,  2  Bde.,  Rom  1740;  auch  bei  Migne  21 
Sp.  461.  —  Kimme  1,  De  Rufino  Eusebii  interprete,  Gera  1838,  p.  80;  vgl.  A.  Ebert, 
Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittelalters  V  (Leipz.  1889)  p.  323. 

Die  Recognitiones  des  Clemens  und  dessen  Brief  an  Jacobus.  Den  ersten 
christlichen  Roman  stellen  die  sog.  Clementinen  dar;  sie  umfassen  die  Recognitiones  und 
die  Homilien,  wozu  noch  die  beiden  Epitomen  aus  den  Homilien  sich  gesellen.  Sowohl  die 
Recognitiones  als  die  Homilien  behandeln  denselben  Stoff,  sie  erzählen  die  Schicksale  des 
Clemens  von  Rom,  und  zwar  in  der  Form  des  Ichromans.  Die  Homilien  sind  uns  im  grie- 
chischen Original  erhalten,  die  Recognitiones  dagegen  nur  in  der  lateinischen  Bearbeitung 
des  Bofinus  und  in  einer  unvollständigen  syrischen.  Der  Titel  ist  eine  Uebersetzung  von 
tiyayrtaciig  oder  ayayyutqusfxol  und  findet  darin  seine  Erklärung,  dass  Clemens  an  der  Seite 
des  Apostels  Petrus  seine  verschollenen  Familienglieder  wiederfindet.  In  seiner  Ueber- 
setzung des  Commentars  zum  Römerbrief  von  Origenes  (Origenis  opera  7  p.  460  Lomm.) 
kOndigt  er  die  Recognitiones  an.  Ueber  sein  Verhältnis  zum  Original  spricht  er  sich  in 
der  Vorrede  an  Gaudentins  also  aus:  Äequum  est  aane  tihif  qui  haec  etiam  Graece  legeris 
(fU  forte  in  aliquilms  mint48  a  nohia  servatum  translaiionis  ordinem  putes)  interpretationis 
Hosirae  indieare  conailium,  Puto,  quod  non  te  laieät,  Clementis  huius  in  Graeco  eiusdtm 
aperis  ayayytjaBtoy,  hoc  est  reeognitionum  ducis  editiones  haberi  et  duo  corpora  esse  lihro- 
rutn,  in  aliquantis  quidem  diversa,  in  multis  tarnen  eiusdem  narrationis.  Denique  pars 
ultima  huius  operis,  in  qua  de  transformatione  Simonis  refertur,  in  uno  corpore  habetur, 
in  alio  penitus  non  habetur.  Sunt  autem  et  quaedam  in  utroque  corpore  de  ingenito  deo 
genitoque  disserta  et  de  aliis  nonnuUis,  quae  ut  nihil  amplius  dicam,  excesserunt  intelli' 
gentiam  nostram.  Haec  ergo  ego,  tanquam  quae  supra  vires  meas  essent,  aliis  reservare 
mcUui,  quam  minus  plena  proferre.  In  ceteris  autem,  quantum  potuimus,  operam  dedimus, 
noH  solum  a  sententiis,  sed  ne  a  sermonibus  quidem  satis  elocutionibusque  discedere.  Quae 
res  quamvis  minus  ornatum,  magis  tarnen  fidele  narrationis  reddit  eloquimn,  Epistolam 
sane,  in  qua  idem  Clemens  ad  Jacobum  f rat  rem  domini  scribens  de  obitu  nunciat  Petri  et 
quad  se  reliquerit  successorem  caihedrae  et  doctrinae  suae,  in  qua  etiam  de  omni  ordint 
eeclesiastico  continetur,  ideo  nunc  huic  operi  non  praemisi,  quia  et  tempore  posterior  est 
et  oiim  a  me  interpretata  et  edita ;  vgl.  auch  de  adulteratione  libror.  Origenis  (opera  Origenis 
25  p.  386  Lomm.).  —  Die  editio  princeps  rtlhrt  von  J.  Faber  Stapulensis,  Paris  1504, 
her.  Ausserdem  ist  zu  erwähnen  die  Ausg.  von  Cotelerius,  Patres  aevi  apostolici  t.  1, 
Paris  1672,  die  einen  verbesserten  Text  gibt.  Die  neueste  Ausg.  ist  die  von  E.  G.  Gers- 
dorf, Bibl.  patrum  eccles.  lat.  sei.  vol.  1,  Leipz.  1838.  Der  Brief  des  Clemens  an  Jacobus, 
der  in  Gersdorfs  Ausg.  fehlt,  ist  publiziert  von  0.  F.  Fritzsche,  Epist.  Clem.  ad  Jacobum 
ex  Rufini  interpretatione,  Zürich  1873.  Die  syrische  Uebersetzung  findet  sich  in  ClementiB 
Romani  Recognitiones  syriace.  P.  A.  de  Lagarde  edidit,  Leipz.  und  London  1861.  Ueber 
die  fibrige  Litteratur  zu  den  Clementinen  vgL  Harnack,  Gesch.  der  altchristl.  Litt.  1  (Leipz. 
1893)  p.  231;  Bardenhewer,  Gesch.  der  altkirchl.  Litt.  1  (Freib.  in  Br.  1902)  p.  351. 

Ueber  Rufins  Uebersetzung  der  Sextussprüche  vgl.  §  339. 

Uebersetzungen  ans  Euagrius.  In  der  von  Rufinus  bearbeiteten  Historia  mona- 
chomm  heisst  es  (P reuschen,  Palladius  und  Rufinus  p.  86):  ddofiey  d^  xai  Evtiygioyy 
€eydga  aoipoy  xal  Xoyioy,  Ueber  den  etwas  verwickelten  Bestand  der  euagrianischen  Schrift- 
stellerei  vgl.  0.  Zöckler,  Evagrius  Pontikus.  Seine  Stellung  in  der  altchristl.  Litt.-  und 
Dogmengesch.  (Bibl.  u.  kirchenhist.  Stud.  4.  Heft  (München  1903)  p.  18).  Ueber  die  Ueber- 
setzongen  ist  ausser  dem  Kapitel  des  Gennadius  über  Rufinus  noch  c.  11  heranzuziehen, 
wo  wir  lesen:  eonposuit  et  anachoretis  simpliciter  viventibus  librum  Centum  sententiarum 
per  eapitula  digestum  et  eruditis  ac  studiosis  viris  Quinquaginta  sententiarum,  quem 
ego  Latinum  primus  feci,  Nam  snperiorem  olim  translatum,  quia  vitiatum  et  per  tem^M 
ccHfuaum  vidi,  partim  reinierpretando  partim   emendando  ouctorv«  T)er\\oX\  Tt«l\Vu\«    vSnä 


380  Tyranniua  BnflnaB  und  andere  üeberaetser.    (§  968.) 

Mhere  Uebersetzung,  auf  die  Gennadius  hier  hindeutet,  wird  die  des  Rufinus  gewesen 
sein.  Ueber  die  Schwierigkeiten,  welche  diese  Worte  der  Interpretation  darbieten,  vgi 
Czapla,  Gennadius  als  Litterarhistoriker  (Kirchengeschichtl.  Stud.  4. Bd.  I.Heft  (1898)  p. 28). 
Der  rufinischen  Uebersetzung  des  Euagrius  gedenkt  auch  IIieron3rmns  (epist.  133,  3;  22, 
1151  M.)  huius  (Evagrii)  libros  per  orientem  graecos  et  interpretante  disciptäo  eius  Rupno 
latinos  plerique  in  occidente  lectitant  Ueber  die  Uebersetzung  der  von  Gennadius  (c.  11) 
genannten  zwei  Schriften  (conpo8uit  et  coenobUis  ac  synodUis  doctrinam  aptatn  vitae  eom^ 
munU  et  ad  virginem  Deo  sacratam  libellum  conpetentem  religiani  et  sexui)  Tgl.  Z5 ekler 
p.  30,  welcher  noch  bemerkt,  dass  Benedikt  von  Aniane  seinem  codex  regularom  am 
Schlüsse  die  beiden  Schriftstücke  in  Rufins  Uebersetzung  beif&gte.  —  Elter,  Gnomica  I: 
Sexti  Pythagorici  Clitarchi  Evagrii  Pontici  sententiae,  Leipz.  1892. 

Die  Uebersetzung  der  Dialoge  des  Adamantius  {negl  r^c  ek  ^Boy  oQ^iji 
Ttlarewg)  ist  von  Caspari  (Kirchenhist.  Anecdota  1  (Christiania  1888)  p.  1)  aus  einer  ScUett- 
stadter,  ursprünglich  Hirschauer  Handschrift  des  12.  Jahrhunderts  zum  erstenmal  henm»- 
gegeben  worden;  mit  dem  griech.  Text  von  W.  H.  van  de  Sande  Bakhuyzen,  LeipL 
1901.  Sie  führt  den  Titel;  Incipiunt  lihri  Ädamantii  Origenis  adversus  haereticon  numero 
quinque  translati  a  Rufino  presbgtero  et  mi88i  Paulo;  vgl.  Apollin.  Sid.  episL  2,  9,  5  (p.  42 
Mohr)  Adamantiu8  Origenes  Turranio  Rufino  interpretattis.  Der  Uebersetzung  liegt  eine 
griechische  Handschrift  zu  Grund,  die  besser  war  als  alle  unserigen;  sie  hatte  noch  di« 
Versetzung  der  Blätter  866 — 871  und  war  von  der  Interpolation  der  Schlosarede  und  der 
Ueberarbeitung  noch  frei;  vgl.  Bakhuyzen  p.  XLIX.  —  Zahn,  Gesch.  des  neutestamentL 
Kanons  2,  2  (1892)  p.  419. 

Historia  monachorum  seu  liber  de  vitis  patrum.  ft)  Autorschaft  der  la-  I 
teinischen  Bearbeitung.  Dass  Rufinus  die  Historia  monachorum  geschrieben,  kann  streng 
erwiesen  werden.  Rufinus  sagt  in  seiner  der  Uebersetzung  hinzugefügten  eigenen  Kirchen- 
geschichte  (11,  4  Sp.  512):  Verum  si  singulorum  mirabilium  gesta  prosequi  velimus,  exelu- 
dimur  a  proposita  brevitate,  maxime  cum  haec  narrationem  proprii  habere  operis  mereantur. 
Andererseits  weist  c.  29  (Sp.  455)  der  Historia  monachorum  auf  die  Kirchengeschichte  zurück: 
Sed  et  multa,  ut  diximus,  alia  de  operibus  sancti  Macarii  Alexandrini  mirabilia  feruntur, 
ex  quibus  nonnuUa  in  XI  libro  (c.  4)  ecclesiasticae  historiae  inserta,  qui  requirit  inveniH. 
Weiterhin  kennt  Hieronymus  die  Historia  monachorum  als  ein  Werk  Rufins;  denn  er  sagt 
(epist.  ad  Ctesiphontem  133,  3;  22,  1151  M.):  Qui  (Rufinus)  librum  quoque  scnpsit  quaM 
de  monachia  multosque  in  eo  enumerat,  qui  numquam  fuerunt  et  quos  fuisse  describit 
Origenistas.  Diesen  klaren  Zeugnissen  gegenüber  kann  nicht  in  Betracht  kommen,  dasi 
manche  Handschriften  als  Verfasser  den  Posthumianus  oder  den  Hieronymus  bezeichnen; 
vgl.  P reu  sehen  p.  172.  Auch  Gennadius  (de  vir.  ill.  42)  wird  mit  Unrecht  gegen  die  Autor- 
schaft des  Rufinus  angeführt;  es  heisst  dort:  Petronius,  Bononiensis  Italiae  episcopus,  rir 
sanctae  viiae  et  monäcliorum  studiis  ab  aduhscentia  exercitatu8y  scripsisse  putatur  Vitat 
patrum  Aegypti  monachorum ^  quas  velut  speculum  ac  normo m  professionis  suae  mo- 
nachi  amplectuntur.  Ohne  Namen  citiert  er  diese  Mönchsgeschichte  c.  11:  Cuius  (Euagrii) 
etiam  Über,  qui  adtitulatur  Vita  patrtim,  velut  continentissimi  et  eruditissimi  viri  nun- 
tionem  fecit.  Tillemont  stellt  auf  Grund  dieser  Stelle  die  Hypothese  auf,  dass  Rufinus 
die  Schrift  verfasst  habe,  aber  auf  Grund  des  Materials,  das  ihm  Petronius  übergab;  vgl. 
Czapla,  Gennadius  p.  95;  Zöckler,  Evagrius  p.  100.  Allein  diese  Hypothese  statuiert 
Beziehungen  des  Petronius  zu  Rufinus  und  eine  ägyptische  Reise  desselben,  ohne  dass  wir 
dafür  den  geringsten  Anhaltspunkt  haben.  Die  Autorschaft  des  Petronius  wird  also  auf 
derselben  Linie  stehen,  wie  die  des  Posthumianus  und  des  Hieronymus;  vgl.  Preuschen 
p.  174.  ß]  Die  Zeit  der  lateinischen  Bearbeitung.  Die  historia  monachorum  ist 
nach  der  Kirchengeschichte  Rufins  bezw.  nach  seiner  Uebersetzung  geschrieben ;  dieses  Werk 
erwähnt  aber  im  Vorwort  den  Einfall  Alarichs  in  Italien,  allem  Anschein  nach  den  ersten, 
der  im  Jahre  401/02  stattfand.  Sie  ist  also  nach  401/02  verfasst,  und  da  Rufinus  410  starb, 
ist  das  Intervallum  für  die  Abfassungszeit  401/02—410.  y)  Die  Zeit  der  Erzählung. 
Die  Reise  fällt  nach  c.  1  in  das  Jahr  394,  da  der  in  diesem  Jahr  errungene  Sie^  des  Theo- 
dosius  über  Eugenius  erwähnt  wird:  p.  24  Pr.  eiTiojy  i^fiiv  xal  TtQoq^tjzeLay  xivd,  ori  otjfAfQor 
TU  intvixia  tov  evaeSovg  ßaaiXewg  Seodoaiov  eig  xrjv  * AXe^dvÖQUay  BiaeXtjXv^atfi  rijg  ror 
Tvgdyyov  Evyeylov  ayaiQsaevjg.  Sp.  404  M.  hoc  tamen  scire  vos  rolOy  quod  hodierna  du 
victoriae  religiosi  principis  Hieodosii  Alexandriae  nuntiatae  sunt  de  Eugenio  fgranno. 
d)  Das  Original.  Es  ist  eine  Streitfrage,  ob  der  griechische  Text,  der  zuerst  vollständig 
von  Preuschen  (p.  1)  veröffentlicht  wurde,  oder  der  lateinische  Text  des  Rufinus  das 
Original  ist.  Für  das  Lateinische  als  Original  hat  sich  Preuschen,  für  das  Griechische 
als  Original  Butler  in  einer  ausgezeichneten  Schrift  ausgesprochen.  Wir  stellen  uns  mit 
aller  Entschiedenheit  auf  Seiten  Butlers  und  erachten  das,  was  Preuschen  (Theolog. 
Litteraturzeitung  1899  Sp.  124)  zur  Verteidigung  seiner  Ansicht  vorbringt,  als  irrelevant 
'''•hon  das  eine  ist  auffällig,  dass  Ruftnua  Viv  ^em  3«\vte,  \xv  ^^ä  ^\fe'^xiSiiD^\i3CL'^^SÄi}^  tär.U.  ia 


Tyrumiiui  Baflniu  and  andere  üebeneiser.    (§  969.)  381 

Aegypien  war;  er  befand  sich  damals  in  Palftstina;  auch  war  er  damals  schon  Priester, 
während  er  nach  der  Erzählung  höchstens  Diacon  sein  konnte.  Man  kann  sich  keinen  ver- 
aOnftigen  Grund  denken,  warum  Rufinns  nicht  das  Jahr,  in  dem  er  die  Reise  gemacht  hatte, 
angab,  sondern  eines,  zu  dem  seine  Lebensumstände  nicht  passten.  Weiterhin  ist  zu  be- 
ichten, dass  in  dem  griechischen  Text  ein  Hinweis  auf  die  Eirchengeschichte  des  £u- 
•ebina  fehlt;  es  ist  schwer  zu  erklären,  warum  der  Grieche,  wenn  er  üebersetzer  wäre, 
gerade  dies  weggelassen  hätte.  Ganz  natürlich  liegt  die  Sache,  wenn  Rufinus  der  Üebersetzer 
ist.  Fflr  das  Griechische  als  Original  spricht  aber  ganz  entschieden  eine  Vergleichung 
des  griechischen  Textes  mit  dem  lateinischen;  eine  Stelle  ist  schon  entscheidend:  c.  14 
p.  68  Pr.  Etdofiey  dk  xai  iregoy  nQeaSvregoy  iy  tolg  (iigem  ri^s  'J^^^gStos,  oyofAaxi  ^AnBXk^y^ 
c  15  Sp.  488  M.  vidimus  et  alium  preshyterum  in  vicina  regione  nomine  ApeUen.  Vom 
Lateinischen  in  vicina  regione  führt  keine  Brücke  zu  dem  Griechischen  iy  rois  /Ä^geai  rijs 
L^jIfw^^aK.  Dass  dies  die  richtige  Lesart  ist,  bezeugt  uns  Sozomenus  (bist.  eccl.  6,  28).  Schon 
die  Ueberlieferung  des  griechischen  Textes  weist  Varianten  und  Interpolationen  auf,  und 
es  scheint,  dass  dem  lateinischen  Bearbeiter  eine  griechische  Handschrift  vorlag,  in  der  es 
hiess  iy  roTg  f4iQe<n  roTg  iy^togioig;  vgl.  Preu sehen  p.  198.  So  lässt  der  Lateiner  die 
griechischen  Worte  weg  (p.  85  Pr.):  f4ijd^  ^XQ^  dxorjg  rtagaxXij&^yai  vn*  avrtoy  dyaaxo/^^yos. 
Man  flieht  nicht  ein,  wesnalb  der  Grieche,  wenn  er  Üebersetzer  wäre,  diese  Worte  zusetzen 
sollte,  wohl  aber,  warum  der  Lateiner  den  etwas  dunklen  Satz  wegliess.  Ebenso  fehlt  das 
dem  Griechischen  (p.  46  Pr.)  iavroy  i^anhaoag  entsprechende  Lateinische.  Eine  Paraphrase 
des  Lateiners  liegt  vor,  wenn  wir  für  das  Griechische  (p.  41  Pr.)  äate  dnaXkayiyrag  ixei&By 
«noct^yai  ji^g  nXdktjg  im  Lateinischen  lesen  (Sp.  414  M.):  pollicentes,  ut  si  eos  resolvat  hie 
vineulis,  pariter  quoque  erroris  in  eis  vincula  diasolveret;  vgl.  C.  Schmidt,  Gott.  gel.  Anz. 
1899  p.  16;  p.  22.  Ist  das  Griechische  das  Original,  so  liegt  seine  Abfassungszeit  zwischen 
S94— 401/02.  —  Weingarten,  Ursprung  des  Mönch tums  (Zeitschr.  für  Kirchengesch.  1 
(1877)  p.  24);  Lucius,  Die  Quellen  des  älteren  ägyptischen  Mönchtums  (ebenda  7  (1885) 
p.  163),  der  den  Rufinus,  wie  Palladius  und  Sozomenus  auf  ein  und  dieselbe  griechische  Vor- 
lage zurückleiten  will  und  demnach  die  historia  monachorum  als  selbständige  Schrift  Ru- 
fins  in  Abrede  stellt.  E.  Preuschen,  Palladius  und  Ruiinns.  Ein  Beitr.  zur  Quellenkunde 
des  ältesten  Mönchtums,  Giessen  1897;  Butler,  The  Lausiac  History  of  Palladius,  Cam- 
bridge 1898  (Texte  and  Studios  6,  1).  —  Ausg.  von  Rosweyd,  Vitae  patrum,  Antwerpen 
1615;  Migne  21  Sp.  387. 

üebersetzung  des  jüdischen  Kriegs  von  Josephus.  Ueber  dieselbe  vgL 
Destinon,  De  Flavii  Joseph!  hello  iudaico  recensendo,  Kiel  1889,  p.  15:  «Quae  (antiqua 
▼ersio  latina)  sive  Rufini  Aquileiensis  fuit,  id  quod  vulgo  creditur,  sive  Hieronymi,  facta 
eerte  est  ab  homine  et  graecae  et  latinae  linguae  satis  perito,  quique  et  graeca  verba 
plerumque  recte  interpretaretur  et  pro  suae  aetatis  indole  —  nam  fere  exeunte  saeculo  post 
Chr.  n.  quarto  scripta  est  versio  —  satis  eleganter  latino  sermone  redderet,  ita  ut  eum  non 
male  interpretis  munere  perfunctum  esse  dicas.  Quamquam  non  is  est  Rufinns,  qui  vestigia 
scriptoris  graeci  arcte  premat  semperque  verbum  verbo  convertat,  sed  multis  locis  in  con- 
▼ertendo  textu  liberius  versatus  est,  etiam  ubi  latini  sermonis  leges  atque  consuetudo  non 
cogerent.*  Ueber  die  kritische  Bedeutung  der  Üebersetzung  vgl.  denselben  1.  c:  „Habuit 
codicem  ei  simillimum,  ex  quo  optimi  nostri  Codices  profluxerunt.*^  —  Ausg.  Basel  1524. 
üeber  irrtümlich  dem  Rufinus  beigelegte  Uebersetznngen  der  jüdischen  Geschichte  (20  B.) 
und  der  Schrift  c.  Apion.  (^  B.)  vgl.  Muratori,  Antiqu.  Ital.  3  p.  919.  Die  Üebersetzung 
gehört  dem  Kreise  Cassiodors  an;  vgl.  de  inst.  div.  Utt.  17  (70  Sp.  1183  Migne)  hune  (Jose- 
phum)  tarnen  ab  amicis  nostris,  quoniatn  est  subtilis  nimis  et  multiplex  magno  Idhore  in 
lihris  viginti  duobus  converti  fecimus  in  Latinum,  Vgl.  Schür  er,  Gesch.  des  jüd.  Volkes  1 
(Leipz.  1901)  p.  95. 

969.  Bufins  selbständige  Schriften.  Schon  bei  den  Uebersetzungen 
haben  wir  gesehen,  dass  Rufinus  zweimal  die  Rolle  des  Uebersetzers  mit 
der  des  selbständigen  Schriftstellers  vertauschte;  wir  meinen  den  Anhang, 
den  er  seiner  üebersetzung  der  Sextussprüche  beigegeben,  und  die  zwei 
Bücher,  in  denen  er  die  Eirchengeschichte  des  Eusebius  fortgesetzt  hat. 
Aber  wir  haben  von  Rufinus  auch  ganz  selbständige  Schriften,  die  mit  keiner 
üebersetzung  in  Zusammenhang  stehen.  So  liegen  auf  dem  exegetischen 
Gebiet  zwei  Abhandlungen  vor.  Die  eine  wurde  veranlasst  von  Paulinus 
von  Noia.  Dieser  war  bei  der  Lektüre  der  hl.  Schrift  in  dem  Segen  Jakobs 
auf  eine  Stelle  (49,  11)  gestossen,  die  er  von  Rufinus  interpretiert  wünschte. 
Obwohl  Rufinus  überzeugt  war,  dass  der  ganze  Segen  Jakobs  im  Zusammen- 


382  TyranninB  BaflnuB  und  andere  üebersetser.    (§  969.) 

hang  zu  behandeln  sei,  willfahrte  er  doch  dem  Freunde  und  erörterte  den 
Segen,  soweit  er  Juda  anging.  Später  behandelte  er,  wiederum  einem 
Wunsche  Paulins  nachkommend,  auch  die  übrigen  Söhne  und  die  auf  sie 
bezüglichen  Segenswünsche  Jakobs.  Der  Segen  Jakobs  war  ein  beliebtes 
Thema  für  die  allegorische  Exegese,  und  schon  Ambrosius  hatte  sie  des- 
halb zum  Gegenstand  einer  eigenen  Schrift  gemacht  (§  921).  Die  mystisch- 
allegorische Interpretation  spielt  auch  in  Rufins  Schrift  ihre  Bolle.  Die 
zweite  exegetische  Schrift  ist  die  Erklärung  des  apostolischen  Olaubens- 
bekenntnisses,  welche  Rufinus  auf  Ersuchen  eines  Bischofs  Laurentius  ge- 
schrieben hat.  Dieser  Commentar,  durch  den  Rufinus  zugleich  seine  eigene 
Orthodoxie  erweist,  hat  in  der  Geschichte  des  Glaubenssymbols  immer 
eine  hervorragende  Rolle  gespielt.  Die  zweite  Gruppe  der  selbständigeD 
Schriften  bezieht  sich  auf  den  Streit  mit  Hieronymus.  Hierher  gehört 
die  Rechtfertigungsschrift,  die  er  an  Papst  Anastasius  (398 — 101)  richtete, 
bei  dem  er  von  seinen  Feinden  verleumdet  worden  war.  Am  besten  wäre 
es  allerdings  gewesen,  wenn  er  persönlich  dem  Papste  seine  Rechtfertigung 
vorgetragen  hätte;  allein  da  er  nach  langer  Abwesenheit  in  seine  Heimat 
zurückgekehrt  war  und  sich  von  den  Strapazen  der  Reise  noch  nicht  er- 
holt hatte,  glaubte  er,  die  Sache  brieflich  abthun  zu  können.  In  dem 
Schreiben  legte  er  zuerst  sein  Glaubensbekenntnis  ab,  um  zu  erweisen, 
dass  er  den  katholischen  Standpunkt  nicht  verlassen  habe.  Weiterhin 
verteidigt  er  sich  gegen  den  Vorwurf,  dass  er  Schriften  des  Origenes 
übersetzt  habe.  Er  erwidert,  dass  er  diese  Uebersetzungen  auf  Wunsch 
seiner  Freunde  gemacht  habe  und  dass  auch  vor  ihm  solche  Uebersetzungen 
veranstaltet  worden  seien.  Er  habe  sich  dem  Origenes  gegenüber  völlig 
neutral  verhalten,  und  was  diesem  zur  Last  falle,  könne  doch  ihm  nicht 
angerechnet  werden.  Der  Ton  dieser  kleinen  Schrift  ist  würdig;  viel 
schärfer  geht  er  in  der  Schrift  zu  Werke,  welche  er  gegen  seinen  Gegner 
Hieronymus  schrieb;  er  nennt  sie  Apologie,  es  hat  sich  aber  für  dieselbe 
der  Name  „Invective"  eingebürgert.  Das  Werk  ist  an  Apronianus  ge- 
richtet, der  ihn  über  die  Schritte  des  Gegners  unterrichtet  hatte.  Im 
ersten  Buch  verteidigt  er  seine  Rechtgläubigkeit,  im  zweiten  geht  er  direkt 
dem  Hieronymus  zu  Leibe,  indem  er  dessen  Schriften  vornimmt. 

Endlich  gab  es  von  Rufinus  auch  viele  Briefe,  in  denen  nach 
Gennadius  zur  Gottesfurcht  ermuntert  wurde;  unter  denselben  sollen  sich 
besonders  die  an  Proba  ausgezeichnet  haben.  Von  diesen  Briefen  ist  keiner 
auf  die  Nachwelt  gekommen.  Dagegen  sind  einige  Schriften  unrichtig  mit 
dem  Namen  des  Rufinus  bezeichnet  worden. 

Rufinus  als  selbständiger  Schriftsteller.  Gennadius  de  vir.  ill.  17  Proprio  la- 
bore,  immo  gratiae  Dei  dono  exposuit  idem  Rufinus  Symbolutn,  ut  in  eitis  conparationi 
alii  nee  exposuisse  credantur,  Disseruit  et  Benedictionem  Jacob  super  patriarchai 
tripUciy  id  est,  historico,  moräli  et  mystico  sensu.  Scripsit  et  epistulas  ad  timorem  Dei 
hortatorias  multas,  int  er  quas  praeminent  illae  quas  Ad  Prob  am  dedit.  Historiae  etiam 
eccfesinsticae,  quam  ab  Eusebio  conscriptam  et  ab  isto  diximus  interpreiatam,  addidit  dtci- 
mum  et  undecimum  libros.  Sed  et  obtrectatori  opusculorum  suorum  respondit  duobus  rolu- 
minibuSf  arguens  et  convincens  se  Dei  intuitu  et  ecclesiae  utilitate  auxUiante  Domino  ingt- 
nium  agitavisse,  illum  vero  aemulationis  stimuJo  incitatttm  ad  obloquium  stiJum  rertisse. 

De  benedictionibus  patriarcharum  libri  duo.  Paulin.  epist.  46,  3;  1  p.  388 
Hart^l  (an  Rulin)  ergo  si  me  amas,  immo  quia  multum  amas,  rogo  ut  scribas  mihi,  ut  in- 
telligis  ipsas  patriarcharum  bened\c\\one%  ^Oei\.  4^,  \\V  ^vj^^xmä  «a^  vcl  ^«t  -^"wäI. txwsv  ^sn^^^ 


Tyrannins  Bnfinua  und  andere  üebenetser.    (§  969.)  383 

Buch  an  Paulinus  (Sp.  299  Migne):  RequirU  a  nobis,  quomodo  itUelUgatur  Ulud  quod  scriptum 

m  im  Oenesi  de  pairiareha  Juda quid  nobis  de  hoc  interim  capitulo  videatur,  expri- 

MtMiM.  Panlin.  epist.  47,  2  p.  389  H.  (an  Rufin)  nunc  hoc  circa  me  negotii  tibi  trado, 
ttf  benedietiomes  duodedm  patriarcharum,  cuius  tarn  principium  mihi  exposita  circa  per- 
«Mom  Judae  prophetia  triplici,  ut  iussum  est,  interpretatione  conscriptis  paginis  edidisti, 
per  reliquos  eius  filios  distrihutam  digneris  exponere,  Rnfinns  sagt  in  der  praef.  zum  zweiteo 
BDeh  an  Panlinus  (Sp.  Sil  M.):  Nunc  de  reliquis  undecim  patriarchis  addidi  ad  haec  quae 
de  Judae  henedictUme  prius  tibi  responderam.  Zur  InterpretatioDsmethode  vgL  Sp.  299  M.: 
Sieut  in  complurimis  ceteris,  etiam  in  hoc  capitulo  sentiendum  est,  ut  aüemo  intellectu 
txpasiiio  dirigatur,  et  Interruptio  historialis  intelligentiae  mystici  sensus  prodat  arcanum. 
—  Ausg.  bei  Migne  21  Sp.  295. 

Commentarius  in  symbolum  apostolorum.  Ueber  die  Veranlassung  des  Com- 
meotare  sagt  Rnfinus  (c.  1  Sp.  335):  Mihi  quidem,  fidelissime  Papa  Laurenti,  ad  scribendum 

amitnus  tarn  nan  est  eupidus,  quam  nee  idoneus  ....    Sed  quoniam temer e  in  epistola 

tua  per  Christi  me  sacramenta  ....  astringis,  ut  aliquid  tibi  de  fide  secundum  symboli 
tradiiionem  rationemque  componam:  quamvis  supra  vires  nostras  sit  pondus  praecepti  . , . ., 
tenmen  si  petUtonis  a  te  impositae  necessitatem  orationibus  iuves,  dicere  aliqua  obedientiae 
mtes^is  reverentia,  quam  ingenii  praesumptione  tentabimus.  Ueber  die  Durchführung  sagt 
ar  (Sp.  837):  Nos  ergo  simplicitatem  suam,  vel  verbis  Äpostolicis  reddere  et  signare  tenta- 
hitmus,  vel  quae  amissa  videntur  a  priaribus,  adimplere.  Im  Commentar  zum  ersten 
(llaiibenBartikel  heisst  es  (c.  3  Sp.  339):  Nos  illum  ordinem  sequimur,  quem  in  Aquileiensi 
ecelesia  lavacri  gratia  suscepimus.  Benutzt  sind  die  Katechesen  Cyrills  von  Jerusalem; 
▼S^  F.  Eattenbusch,  Beitr.  zur  Gesch.  des  altkirchl.  Taufsymbols,  Giessen  1892,  p.  31. 
Foulkes,  The  Athanasian  Creed,  with  enquiries  on  creeds  in  general  1872  will  den  Com- 
mentar in  der  uns  vorliegenden  Fassung  nicht  als  ein  Werk  Rufins  anerkennen;  vgl.  da- 
gegen Kattenbusch  p.  27.  Vgl.  Commentar  c.  43  Sp.  381  und  Apologia  in  Hieronym.  1,  5 
Sp.  544.  Cassian  c.  Nest.  7,  27  (Corpus  Script,  eccles.  lat.  17  (Wien  1888)  ed.  Petschenig) 
Sufinus  quoque  ....  ita  in  expositione  symboli  de  domini  nativitate  testatur;  folgt  Citat  aus 
c.  13.  Ueber  das  Verhältnis  der  Erläuterung  des  Glaubensbekenntnisses  von  Rufinus  und  der 
▼on  Venantius  Fortnnatus  vgl.  Kattenbusch  p.  53:  „Die  expositio  symboli  (des  Venantius 
Fortonatns)  ist  nichts  Anderes  als  ein  nicht  übeler,  geschmackvoller  Auszug  aus  der  expositio 
dee  Rnfin.*  In  der  Ueberlieferung  trägt  das  Werk  nicht  selten  die  Namen  des  Cyprian  und 
Hieronymns;  vgl.  Kattenbusch  p.31;  Das  apostol.  Symbol,  Leipz.  1894,  p.  105.  —  H.  Brüll, 
De  Tyrannii  Rufini  Aquileiensis  commentario  in  symbolum  apostolorum  1,  Düren  1872; 
2,  Düren  1879;  Blume,  Das  apostol.  Glaubensbekenntnis,  Freib.  i.  B.  1893,  p.  70;  Bäumer, 
Das  apostol.  Glaubensbekenntnis,  Mainz  1893,  p.  65;  Wiegand,  Die  Stellung  des  apostol. 
Symbols  1  (1899)  p.  90.  —  Ausg.  bei  Migne  21  Sp.  385.  Eine  CoUation  des  Textes  mit 
Cusanna  C  14  s.  XII  gibt  J.  Klein,  Ueber  eine  Handschrift  des  Nicolaus  von  Cues,  Berl. 
1866,  p.  131.    Uebersetzung  von  Brüll,  Kempten  1876  (Bibliothek  der  Kirchenväter). 

Dicta  de  fide  catholica.  Aus  derselben  Handschrift  veröffentlichte  Klein  p.  141 
ein  Glaubensbekenntnis  Rufins  mit  dem  angegebenen  Titel. 

Apologia  quam  pro  se  misit  Rufinus  presbyter  adAnastasium  Romanae 
nrbia  episcopnm.  Ueber  die  Veranlassung  spricht  er  sich  im  Eingang  des  Schriftchens 
ans.  c.  4  Sp.  625  haec  nobis  de  resurrectione  tradita  sunt  ab  his,  a  quibus  sanctum  baptisma 
in  Aquileiensi  eeclesia  consequuti  sumus.  c.  7  Sp.  626  audio  inde  etiam  esse  disputatum, 
quod  quaedam  Origenis  rogatus  a  fratribus  de  Graeco  in  Latinum  transtuli.  Sp.  627  Ori- 
gtnis  ego  neque  defensor  sum,  neque  assertor,  neque  primus  interpres.  Ausg.  bei  Migne 
21  Sp.623. 

Rnfini  Apologiae  in  Hieronymum  libri  duo.  1,  1  Sp.  541  perlegi  scripta  tua, 
Aproniane  fili  carissime,  quae  ab  amico  (Hieronymo)  et  fratre  bono  de  Oriente  ad  virum 
nobilissimum  Pammachium  missa,  transmisisti  ad  me.  1,  4  Sp.  543  primo  hoc  nobis  osten- 
demdum  est,  quod  nee  cum  ipso,  nee  sine  ipso  haeretici  sumus.  1,  9  Sp.  547  latius  quam 
proposueram,  huic  uni  titulo  de  resurrectione  respondi.  1,  10  Sp.  548  ego  nunc  nihil  pro 
Origene  ago,  nee  apologeticum  pro  ipso  scribo.  Sive  enim  stat  apud  Deum,  sive  lapsus  est, 
ipss  viderii.  2,  4  Sp.  587  sed  ipsum  se  testem  et  scripta  sua  adversum  eum  producam^  ut 
sciat  se  non  ab  inimicis  argui,  sed  a  semetipso  redargui.  —  Ausg.  bei  Migne  21  Sp.  541. 

Unechte  Schriften  Rufins: 

1.  Commentarius  in  prophetas  minores  tres  Osee,  Joel  et  Amos.  Ausg. 
bei  Migne  21  Sp.  959.  Ueber  die  Unechtheit  vgl.  Vallarsi  bei  Migne  Sp.  268;  Ceillier, 
Histoire  g^n^ral  etc.  10  (Paris  1742)  p.  54. 

2.  Commentarius  in  LXXV  Davidis  psalmos.  Ausg.  bei  Migne  Sp.  641. 
Ueber  die  Unechtheit  vgl.  Vallarsi  bei  Migne  Sp.  267;  Ceillier  p.  56.  Beide  Commen- 
tare  kennt  Gennadios  nicht 


384 


Tyranniiis  BnfiniiB  und  andere  üebenetier.    (|  970.) 


8.  Vita  sanctae  Engeniae  Virginia  ac  martyris.    Ausg.  bei  Migne  ^  llOi 
Die  Zuteilung  an  Rufinus  hat  gar  keine  handschriftliche  GewShr  and  lAsst  sich  anch  SM 
nicht  stützen;  vgl.  das  monitum  bei  Migne  1.  c;  Yallarsi  bei  Migne  8p.  271. 

4.  Zwei  Schriften  de  fide,  von  denen  die  erste  12  Anathematismen  enthill  AHg. 
bei  Migne  Sp.  1123;  48  Sp.  289  (unter  den  Werken  des  Marina  Mercator).  üeber  die  Ijh- 
echtheit  der  beiden  Schriften  vgl.  Yallarsi  bei  Migne  Sp.  271. 

970.  Charakteristik.  Rufinus  ist  als  Schriftsteller  kein  origineDer 
Kopf;  er  hat  der  Litteratur  keine  neuen  Wege  gewiesen;  selbst  die  Schriften, 
in  denen  er  selbständig  auftritt,  zeigen  keine  neue  Gedankenwelt;  sie  yet- 
danken  zudem  ihre  Entstehung  äusseren  Umständen  oder  fremder  Ein- 
wirkung. Es  ruht  also,  wie  bereits  gesagt,  die  litterarische  Bed^tong 
Rufins  in  seinen  Uebersetzungen.  Hier  ist  aber  doch  ein  bemerkenswerter . 
Zug  zu  verzeichnen.  In  der  christlichen  Litteratur  war  es  bisher  üblich  I 
gewesen,  die  griechischen  Vorlagen  wörtlich  zu  übertragen  und  sich  dabei 
des  vulgären  Idioms  zu  bedienen;  es  traten  dadurch  Werke  an  den  Tag, 
welche  das  Missfallen  der  gebildeten  Leser  erregen  mussten.  Mit  beides 
Gepflogenheiten  brach  Rufinus;  er  wollte  mit  seinen  Uebersetzungen  grie- 
chische Werke  in  der  römischen  Litteratur  einbürgern,  d.  h.  sie  soUteo 
wie  nationale  gelesen  werden.  Er  entschied  sich  daher  für  die  freie  Be- 
arbeitung und  legte  grossen  Wert  auf  einen  guten  Stil;  er  schloss  adi 
in  dieser  Beziehung  an  die  alte  nationale  Praxis  an,  welche  bei  üebe^ 
tragungen  nicht  die  Worte,  sondern  die  Gedanken  ihrer  Originale  gebei 
wollte.  Sein  Ziel  hat  er  auch  erreicht.  Seine  üebertragungen  fandeo 
Anklang  beim  Publikum  und  erhielten  sich,  während  manches  Origiotl 
dem  Untergang  anheimfiel.  Auch  als  Theologe  ist  Rufinus  nicht  balu- 
brechend  hervorgetreten.  Er  folgte  ganz  dem  Geiste  der  Zeit,  wenn  er 
sich  von  der  Idee  der  Askese  erfüllt  zeigte;  er  hielt  sich  an  die  Lehret 
der  römischen  Kirche.  Doch  hatte  er  sich  so  viel  wissenschaftlichen  Geist 
bewahrt,  dass  er  vor  roher  Intoleranz  zurückschrak.  In  Alexandria  hattei 
die  Lehren  griechischer  Theologen  zu  tiefen  Eindruck  auf  ihn  gemacht, 
und  er  mochte  überzeugt  sein,  dass  das  Abendland  in  der  Theologie  dtf 
Anlehnung  an  die  griechischen  Denker  noch  nicht  entbehren  könne.  Eb 
war  daher  ein  löbliches  Beginnen,  dass  er  die  Geistesschätze  der  griechi- 
schen Kirchenväter  durch  seine  Üebertragungen  der  abendländischen  Wdt 
zuführte.  Besonders  war  es  Origenes,  auf  den  er  die  Aufmerksamkeit 
seiner  Landsleute  lenken  wollte.  Wie  notwendig  dies  war,  dafür  liefert 
einen  drastischen  Beleg  Papst  Anastasius,  der,  als  die  origenistiscbei 
Streitigkeiten  auftauchten,  naiv  erklärte,  dass  er  bislang  von  Origenes 
noch  nichts  gehört  habe.^)  Rufinus  wusste,  dass  viele  Ansichten  des  Ori- 
genes sich  nicht  mit  der  orthodoxen  Lehre  vertrugen;  er  war  aber  im 
Irrtum,  wenn  er  die  Ketzereien  grösstenteils  auf  Rechnung  der  Abschreibe 
setzen  wollte.  Es  verriet  auch  noch  einen  engherzigen  Standpunkt,  weim 
er  die  Heterodoxien  eigenmächtig  bei  seinen  Üebertragungen  ausmerzte. 
Trotzdem  verdient  er  alle  Anerkennung,  dass  er  den  tiefen  Denker  Ori- 
genes für  die  Kirche  nutzbar  zu  machen  suchte.  Als  Menschen  lernen 
wir  Rufinus   besonders   aus   seinem  Streite  mit  Hieronymus   kennen.    Ge- 


*)  Vgl.  den  , Brief  des  Papstes  an  Jo- 
hannes c.  3  (21  Sp.  629  M.).     Obwohl  die 


Stelle  verdorben  ist,  scheint  doch  der  Siu 
der  Worte  der  zu  sein,  den  wir  angegebci. 


Tyranniiis  Bnflnas  und  andere  üeberseteer.    (§  971.)  3g5 

Mriss  treten  uns  auch  bei  ihm  menschliche  Schwächen  entgegen,  allein  wir 
Rauben  doch,  dass  der  unbefangene  Beurteiler  sich  mehr  zu  Rufinus  als  zu 
BLieronymus  hingezogen  fühlen  wird ;  auch  die  Zeitgenossen  scheinen  nicht 
ünders  geurteilt  zu  haben.  Die  Bischöfe  Chromatius  von  Aquileia,  Gau- 
ientius  von  Brescia  und  Paulinus  von  Nola  blieben  dem  von  Hieronymus 
so  Verunglimpften  zugethan,  und  Augustinus  sprach  dem  Hieronymus  brief- 
lich sein  Missfallen  über  den  Streit  mit  Rufinus  aus.^)  Auch  die  späteren 
Zeiten  ehrten  das  Andenken  des  hart  mitgenommenen  Mannes;  Cassianus') 
und  Gennadius')  sprechen  von  ihm  in  lobenden  Ausdrücken. 

Zengnis  über  die  Uebersetzungsthätigkeit  Rufins.  Im  Epilog  zu  seiner 
üebersetzung  des  Commentars  des  Origenes  zum  Römerbrief  sagt  er  (7  p.  459  Lomm.) : 
SictU  in  hominis  sive  in  oraiiunculis  in  Genesin  et  in  Exodum  fecitnus  et  praecipue  in 
his,  quae  in  Uhrum  Levitici  ab  illo  quidem  perorandi  stüo  dicta,  a  nobis  vero  explanandi 
speeie  transkUa  sunt.  Quem  laborem  adimplendi  quae  deerani  idcirco  suscepimus,  ne  pul- 
saiae  quaestumes  et  relictae,  quod  in  homiliatico  dicendi  genere  ab  illo  saepe  fieri  solet, 
iatino  lectori  fastidium  generarent.  Nam  illa,  quae  in  Jesum  Nave  et  in  Judicum  librum 
€t  in  trigesimum  sextum  et  in  trigesimum  septimum  et  trigesimum  octavum  Psalmum  scrip- 
simus,  simpliciter  ut  invenimus  et  nan  multo  cum  labore  transtulimus  ....  novum  apud 
€OM  culpcLe  genus  subimus.  Aiunt  enim  mihi:  in  his,  quae  scribis,  quoniam  plurima  in  iis 
tui  operis  hahentur,  da  titulum  nominis  tui  et  scribe:  Eufini,  verbi  gratia,  in  epistolam  ad 
Romanos  explanationum  libri:  sicut  et  apud  auctores,  inquiunt,  saeculares  non  illius,  qui 
eae  Graeeo  translatus  est,  sed  illius,  qui  transtulit,  nomen  titultis  tenet.  Hoc  autem  totum 
fHthi  donant  non  amore  mei,  sed  odio  auctoris.  Verum  ego,  qui  plus  conscientiae  meae, 
quam  nomini  defero,  etiam  si  addere  aliqua  videor,  et  explere  quae  desunt,  aut  breviare 
qua€  longa  sunt,  furari  tamen  titulum  eiuSj  qui  fundamenta  operis  iecit  et  construendi  aedi- 
fieii  materiam  praebuit,  rectum  non  puto. 

Gesamtansg.  Rnfins.  Eine  Gesamtausg.  Rufins  wird  noch  vermisst.  Nur  die 
selbstftndigen  Schriften  sind  von  Vallarsi,  Verona  1745  ediert  worden;  seine  Ausg.  ist 
abgedruckt  bei  Migne  21. 

971.  Andere  Uebersetzungen.  An  die  üebersetzungen  Rufins  wollen 
wir  noch  eine  Reihe  von  älteren  Uebersetzungen  kirchlicher  Schriften  an- 
schliessen.  Für  die  Litteraturgeschichte  kommen  diese  Arbeiten  in  Be- 
tracht, weil  sie  uns  zeigen,  für  welche  griechische  Werke  sich  das  Be- 
dürfnis der  Uebertragung  im  Abendlande  geltend  machte,  ferner  weil  diese 
Produkte  auch  Sprachdenkmäler,  besonders  solche  des  vulgären  Lateins, 
sind.  Wir  beginnen  mit  einem  alten  wichtigen  Schriftstück,  dem  ersten 
Clemensbrief,  der  aus  der  Zeit  Domitians  stammt.  Er  war  bisher  in 
griechischer  und  syrischer  Sprache  bekannt;  bei  der  Wichtigkeit  dieses 
Schreibens  erregte  es  daher  grosse  Freude,  als  im  Jahre  1894  eine  alte 
lateinische  Üebersetzung  publiziert  wurde;  sie  stammt  wahrscheinlich  aus 
dem  2.  Jahrhundert  und  ist  im  vulgären  Latein  abgefasst.  In  sehr  alte 
Zeit  geht  auch  die  gut  überlieferte  Uebertragung  der  gegen  die  Ketzer 
gerichteten  Schrift  des  Irenaeus  zurück,  der  unter  der  Regierung  Mark 
Aureis  Presbyter,  dann  Bischof  in  Lyon  war;  die  Üebersetzung  ist  um 
so  wichtiger,  weil  das  griechische  Original  bis  auf  wenige  Fragmente  ver- 
loren gegangen  ist.  In  die  Zeit  des  kirchlichen  Altertums  gehören  auch 
die  beiden  Uebersetzungen  des  aus  der  Mitte  des  2.  Jahrhunderts  stam- 
menden Hirten  des  Hermas;  sie  werden  als  die  Vulgata  und  die  Pa- 
latina  unterschieden.  Die  Ueberlieferung  der  ersteren  ist  eine  reiche,  die 
der  zweiten  eine  spärliche.     Bis  1856  kannte  man  den  Hirten  des  Hermas 

»)  Vgl.  epist  110  an  ffieronymus.  [  »)  De  vir.  ill.  17;  vgl.  Zöckler,  ffiero- 

')DeincainatDoiDim&dY.NeQton\iml,21.   \  nymiiB  p.*i^^. 
Hmodbncb  der  khm.  AltertunuwLmenachati.  vttt,  4.  ^ 


386  Tyranniiu  BnflniiB  und  andere  üebersetier.    (§  971.) 

nur  in  der  Yulgata,  das  Jahr  1856  brachte  den  griechischen  Text,  das 
Jahr  1857  die  Palatina.  Es  existieren  noch  andere  Uebersetzungen,  allda 
wir  begnügen  uns  mit  einem  Hinweis  auf  dieselben,  da  sie  für  die  Liir 
teraturgeschichte  nur  sekundäre  Bedeutung  haben. 

Die  lateinische  Uebersetzung  des  ersten  Glemensbriefs  wurde  zaerst  pnbli-  I 
ziert  von  G.  Morin,  Anecdota  Maredsolana  2,  1894.  Die  Handschrift  s.  XI  fand  er  in  der  ' 
Seminarbibliothek  zu  Namur.  üeber  die  Ueberliefeningsgeschichte  vgl.  Harnack  p.  272; 
p.  601.  Für  die  Abfassung  der  Uebersetzung  im  2.  Jahrhundert  sprechen  besonders  die 
Momente,  dass  der  Uebersetzer  nur  den  1.  Clemensbrief  zu  kennen  scheint,  die  Sprache 
mit  der  Itala  in  Uebereinstimmung  steht,  die  Bibelstellen  nicht  nach  der  Yulgata  gegeben 
sind,  auch  die  Uebersetzung  mancher  Begriffe  auf  den  Anfang  dieses  Jahrhunderts  hin> 
weist,  endlich  das  der  Uebersetzung  zu  Grunde  liegende  Original  augenscheinlich  sehr  alt 
ist;  vgl.  Morin,  Praef.  p.  XI;  Harnack,  Ueber  die  jQngst  entdeckte  lateinische  Ueber- 
setzung des  1.  Clemensbriefs  (Sitzungsber.  der  Berl.  Akad.  der  Wissensch.  1894  p.  262); 
Neue  Studien  zur  jüngst  entdeckten  lat.  Uebersetzung  des  1.  Clemensbriefes  (ebenda  p.  609, 
besonders  p.  611);  Knopf,  Der  1.  Clemensbrief  (Texte  u. Unters.  N.F.  5,  1  (Leipz.  1899)  p.39). 
Sanday  (The  Guardian  *28.  März  1894)  hat  beobachtet,  dass  bereits  Ambrosius  die  lateinische 
Uebersetzung  kannte;  vgl.  c.  25  des  Clemensbriefs  mit  Ambrosius  Ezameron  5,  2-3;  Harnack 
(p.  605)  stimmt  Sanday  zu.  Auch  Lactanz  in  seinem  Gedicht  über  den  Phoenix  lag  die 
Uebersetzung,  wie  es  scheint,  bereits  vor;  vgl.  dasselbe  Kapitel  des  Clemensbriefs  mitLtc- 
tanz  de  phoenice  Vs.  102,  117,  121;  siehe  auch  die  Erörterung  Harnacks  p.  608.  üeber  * 
eine  Aenderung  des  Textes  zu  Gunsten  der  römischen  Kirche  vgl.  Harnack  p.  266;  gegen  | 
die  Bestreitung  dieser  Ansicht  verteidigt  er  sich  p.  619.  Ueber  die  Latinität  der  Üeber-  * 
Setzung  vgl.  Wolf flin,  Archiv  für  lat.  Lexikograpnie  9  (1896)  p.  81;  nach  ihm  war  der 
Uebersetzer  ein  Lateiner,  der  sich  Missverständnisse  des  Griechischen  zu  schulden  kommen 
liess.     Ueber  den  vulgären  Charakter  der  Sprache  vgl.  Morin  p.  X;  Wolf  flin  p.  90. 

Die  lateinische  Uebersetzung  des  Irenaeus.  Der  griechische  Titel  des  Werks 
ist  eXsyxog  xal  dvatQonrj  jrjg  \pevda}yvf4ov  yyuiastog.  Ausser  der  lateinischen  Uebersetzung 
sind  uns  griechische,  syrische  und  armenische  Fragmente  erhalten.  Ueber  das  hohe  Alter 
der  lat.  Uebersetzung  vgl.  Massuet  bei  Migne  Sp.  232.  Wahrscheinlich  kannte  sie  schon 
TertuUian,  sicher  benutzte  sie  schon  Augustin,  der  contra  Julianum  1,  3,  7  zwei  Stellen  (4,  2,  7; 
5,  19,  1)  ausschrieb,  üeber  die  Ueberlieferung  vgl.  Loofs,  Die  Handschriften  der  lat.  Ueber- 
setzung des  Irenaeus  und  ihre  Kapitelteilung  ( Kirch engeschichtl.  Stud.  H.  Reuter  zum  70.  Ge- 
burtstag gewidmet,  Leipz.  1888,  p.  1),  der  (p.  92)  sagt:  „Der  lateinische  Irenaeus  ist  uns  so 
gut  überliefert,  wie  wenige  alte  Schriftsteller.  Denn  der  verlorene  Archetypus  aller  unserer 
Handschriften  scheint  noch  aus  den  Zeiten  der  alten  Kirche  zu  stammen,  und  die  beiden 
Handschriftenfamilien,  die  uns  vorliegen,  reichen  durch  ihre  Archetypi  in  die  Karolinger- 
zeit, bezw.  —  das  gilt  von  der  ersten  Familie  —  noch  weiter  zurück."  Ausg.  von  R.  Mas- 
suet, Paris  1710  (ausejezeichnete  Leistung),  abgedruckt  bei  Migne,  Patrol.  gr.  7  Sp.  433; 
A.  Stieren,  Leipz.  1848-18.53;  W.  W.  Harvey,  Cambridge  1857. 

Die  beiden  lateinischen  Uebersetzungen  des  Hermae  pastor.  Ueber  die- 
selben vgl.  Haussleitcr,  De  vei*sionibus  pastoris  Hermae  latinis  (Acta  seminarii  philo). 
Erlangensis  3  (1884)  p.  399).  Die  Vulgata  wurde  zuerst  herausgegeben  von  J.  Faber 
Stapulensis,  Pnris  1513;  die  neueste  Ausg.  ist  besorgt  von  A.  Hilgenfeld,  Leipz.  1873. 
Ueber  die  Handscliriften  berichtet  Gebhardt  in  der  editio  Lipsiensis  vom  Jahre  1877  p.  XII; 
vgl.  auch  noch  Delehaye,  Bulletin  critique  1891  p.  14.  Im  Jahre  1857  wurde  aus  einem 
cod.  Palatinus-Vaticanus  150  s.  XIV  eine  andere  Uebersetzung,  die  sog.  Palatina,  von 
Dressel,  Patnmi  apostolicorum  opera,  Leipz.  1857  (2.  Aufl.  1863)  bekannt  gemacht;  in 
berichtigter  Gestalt  wurde  die  Palatina  herausgegeben  von  Gebhardt  und  Harnack, 
Hermae  pastor  graece  addita  versione  latina  recentiore  e  cod.  palatino  (Patr.  apost.  opera 
fasc.  3,  Leipz.  1877).  Textkritische  Bemerkungen  geben  Haussleiter,  Zeitschr.  für  wiss, 
Theol.  26  (1883)  p.  345;  Funk,  Zeitschr.  für  österr.  G>nnn.  30  (1885)  p.  245.  Ueber  eine 
zweite  noch  nicht  verglichene  Handschrift  in  Rom  vgl.  Harnack,  Gesch.  der  altchristl. 
Litt.  1  (Leipz.  1893)  p.  51.  üeber  das  Verhältnis  der  beiden  Uebersetzungen,  Abhängigkeit 
der  Palatina  von  der  Vulgata  (bisherige  Ansicht)  oder  Abhängigkeit  der  Vulgata  von  der 
Palatina  (Haussleitcr)  vgl.  Acta  p.  408  und  zusammenfassend  p.  475.  üeber  den  ver- 
schiedenen Charakter  der  beiden  Uebersetzungen  vgl.  Haussleiter  p.  408.  Ueber  den  Ort 
und  die  Zeit  der  Uebersetzungen  vgl.  denselben  p.  472;  über  die  Zeit  der  Palatina  (nicht 
vor  dem  Ende  des  4.  Jahrh.)  vgl.  die  editio  Lipsiensis  p.  LXV. 

Hinweis  auf  andere  Uebersetzungen.  üeber  ein  lateinisches  , Glossar  zu  bib- 
lischen Begriffen  und  Worten,  zusammengestellt  aus  lateinischen  Vätern**,  in  dem  Pitra 
(Spicileg.  Solesm.  2  p.  1 ;  Analecta  sacra  2  (1884)  p.  6)  eine  Uebersetzung  der  Schrift  , Kleis* 
von  Melito  ans  Sardes  mit  Unrecht  erbWckle,  n^.  VL^^txi^^^iV,  Q^^aOtoL.  ^<ä  ^>5^R>KtviÄ..\ii^A 


HieronymiiB.    (§  972.)  387 

P.  254;  0.  Rottmanner,  Tbeolog.  Qaartalschr.  78  (1896)  p.  614.  üeber  die  lateinische 
üeberaetzmig  der  iDierpolierten  und  vermehrten  Ausgabe  der  Ignatiusbriefe,  welche  in  die 
Zeit  Gregors  I.  bis  Ado  (t  874)  gesetzt  wird,  vgl.  Harnack  p.  79.  üeber  eine  unvoU- 
fltftndige  Uebersetzung  des  Bamabasbriefes,  deren  Zeit  noch  nicht  untersucht  ist,  vgl.  den- 
selben p.  59.  Eine  alte  lateinische  Uebersetzung  des  dein  Basilius  dem  Grossen  zugeteilten 
laaiascommentars  ist  publiziert  in  der  Bibliotheca  Gasinensis  4  (1880)  p.  892.  üeber  die  Ueber- 
setsongen  der  historia  Lausiaca  des  Palladius  vgl.  Butler,  The  Lausiac  history  of  Palladius 
(TextB  and  studies  vol.  6  No.  1  (Cambridge  1898)  p.  58) ;  Zusammenfassung  der  Resultate  p.  69. 

16.  Hieronymus. 

972.  Biographisches.  Die  mittelalterlichen  Biographien,^)  die  uns 
über  Hieronymus  erhalten  sind,  liefern  uns  keine  authentischen  Nach- 
richten; sie  haben  nur  insofern  einen  Wert,  als  sie  uns  zeigen,  wie  die 
Sage  sich  um  die  Person  des  Kirchenvaters  schlingt.  Die  beste  Quelle, 
aus  der  wir  schöpfen  können,  sind  die  Schriften  des  Hieronymus  selbst, 
welche  eine  Fülle  von  biographischen  Nachrichten  über  ihn  enthalten. 
Wir  hoffen,  durch  folgende  biographische  Skizze  die  Hauptmomente  seines 
äusseren  Lebens  darzulegen.  Fest  steht  Todesjahr  und  Todestag  des  Eu- 
sebius*)  Hieronymus;  er  starb  am  30.  September  420  in  Bethlehem.  Sein 
Geburtsjahr  ist  dagegen  weniger  gesichert;  wir  werden  etwa  348  an- 
nehmen dürfen.  Die  Heimatstätte  des  Hieronymus  ist  Stridon,  ein  in 
Dalmatien  gelegenes  Grenzstädtchen.  Wahrscheinlich  bereits  353  kam  er 
nach  Rom,')  um  dort  seine  Ausbildung  zu  erhalten;  sein  Lehrer  in  der 
Grammatik  war  der  berühmte  Aelius  Donatus.  An  den  grammatischen 
Unterricht  schloss  sich  die  rhetorische  Unterweisung  an,  aus  der  er,  wie 
seine  Schriftstellerei  beweist,  die  grössten  Früchte  zog;  wir  wissen  aber 
nicht,  wer  sein  Lehrer  in  diesem  Fach  war.  In  Rom  empfing  er  auch 
die  Taufe,  allein  sie  vermochte  ihn  nicht  von  sittlichen  Verirrungen  zurück- 
zuhalten. Sein  Mitschüler  und  Genosse  in  diesen  Verirrungen^)  war  Rufinus, 
der  später  in  seinem  Leben  keine  geringe  Rolle  spielen  sollte.  Nach 
Vollendung  seiner  Studien  machte  er  eine  Reise  nach  Gallien  und  suchte 
Trier  auf.  Hier  tauchte  bei  ihm  der  Entschluss  auf,  sich  ganz  dem  re- 
ligiösen Leben  zu  widmen;  für  Rufinus  schrieb  er  mit  eigener  Hand  Bücher 
des  Hilarius  ab.  Alsdann  finden  wir  Hieronymus  in  Aquileia,  wo  er  sich 
einem  der  Askese  ergebenen  Kreise  anschloss;  auch  Rufinus  gehörte  dem- 
selben an.  Im  Jahre  373,  wie  es  scheint,  löste  sich  der  Kreis  auf,  indem 
die  meisten  Mitglieder  nach  dem  Morgenland  zogen.  Auch  Hieronymus 
wurde  durch  einen  uns  nicht  näher  bekannten  Schicksalsschlag  veranlasst, 
Italien  den  Rücken  zu  kehren  und  sich  dem  Orient  zuzuwenden.  Sein 
Ziel    war  Jerusalem,    allein  Krankheit    nötigte    ihn   zum   Verbleiben   in 


*)  Ueber  dieselben  vgl.  Grützmacher 
p.  37. 

')  Eu  8  eh  tu  8  Hieronymu8  Sophronio  suo 
8al%Uem  laatet  die  Ueberschrift  der  Vorrede 
zum  liber  Psalmomm  (28,  1123  Migne). 

*)  Wie  es  mit  dem  Scholimterricht  da- 
mals stand,  dafür  legt  dieThateacbe  einen  Be- 
weis ab,  dass  das  Testament  eines  Schweines 
in  den  Schalen  cirknlierte;  vgl.  Hieronym.  in 
Isaiam  praef.  zn  1. 12  (24,  409  M.)  testamen- 
tum  Orunnii  CarocaUae  PorcelH  decantant  in 


8choli8  puerorum  agmina  cachinnantium. 
Apol.  in  Rafin.  1,  17  (23,  412  M.)  quasi  non 
cirratorum  turha  Milesiarum  in  scholis  fig- 
menta  decantet  et  tesiamentum  Suis  Bessorum 
ciichinno  memhra  concutiat  atque  inter  scur- 
rarum  epülas  nugae  istiusmodi  frequententur, 
— Aosg.vonHaupt,  Opuscula  2  p.l75;  Bue- 
c  h  e  1  e  r,  Ausg.  des  Petronios,  Berl.'  1882,  |».241, 
wo  anch  die  Ueberlieferong  berührt  wird. 
*)  Vgl.  e^jiBt.  3,  l  UÄd  GtdiituLi»«' 
\  p.  11^  ktkm.  \. 


388  HieronymuB.    (§  972.) 

Antiochia.  Hier  legte  er  die  Grundlagen  seiner  theologischen  Ausbildung, 
indem  er  den  exegetischen  Vorträgen  des  ApoUinarius  von  Laodicea  bei- 
wohnte und  sich  eine  vollkommene  Kenntnis  des  Griechischen  aneignete. 
Trotz  seiner  gelehrten  Studien  verlor  er  die  religiöse  Idee,  die  ihn  be- 
geistert hatte,  die  Askese,  nicht  aus  den  Augen ;  das  Einsiedlerleben  hatte  i 
sich  im  Orient  und  in  Aegypten  mächtig  entfaltet,  und  auch  Hieronymus 
entschloss  sich,  Eremit  zu  werden.  Er  begab  sich  in  die  Wüste  Ghalds 
und  verweilte  daselbst  etwa  von  375—378.  In  der  Wüste  erlernte  er 
unter  grossen  Anstrengungen  die  hebräische  Sprache.  Die  Ruhe,  die 
Hieronymus  in  der  Einsamkeit  zu  finden  hoffte,  fand  er  thatsächlich  nicht 
In  Antiochia  war  ein  Schisma  ausgebrochen,  und  die  Wogen  des  Kampfes 
schlugen  auch  an  die  Zellen  der  Eremiten.  In  dem  Zwiste,  der  die  Mönche 
trennte,  wandte  Hieronymus  seine  Blicke  nach  Rom  auf  den  Papst  Da- 
masus und  leitete  damit  eine  wichtige  Epoche  seines  späteren  Lebens  ein. 
Der  Aufenthalt  in  der  Wüste  wurde  ihm  von  Tag  zu  Tag  verhasster;  er 
verliess  dieselbe  und  begab  sich  wieder  nach  Antiochien,  wo  er  von 
dem  Bischof  Pauli nus  die  Priesterweihe  erhielt,  jedoch  die  Bedingung  | 
stellte,  dass  er  keine  seelsorgerliche  Thätigkeit  ausüben  müsse  und  Mönch 
bleiben  könne.  Von  Antiochia  wandte  sich  Hieronymus  nach  Constan- 
tinopel;  hier  fand  im  Jahre  381  ein  Concil  statt,  und  das  mochte  ihn 
bewogen  haben,  seine  Schritte  nach  der  Hauptstadt  zu  lenken.  Von 
der  Anwesenheit  so  vieler  Kirchenfürsten  erhoffte  er  sich  reichen  Ge- 
winn für  seine  Ausbildung.  Hier  in  Constantinopel  war  es,  wo  er  mit 
Oregor  von  Nazianz  in  so  enge  Beziehungen  trat,  dass  er  ihn  seinen 
Lehrer  nennen  konnte,  auch  Gregor  von  Nyssa  lernte  er  kennen.  Doch 
auch  in  Constantinopel  war  seines  Bleibens  nicht  lange,  er  kam  im  Jahre 
382  in  die  ewige  Stadt  und  verweilte  bis  385  in  derselben.  An  dem 
Concil,  das  im  Jahre  382  stattfand,  musste  er  sich  beteiligen.  Er  trat 
in  enge  Beziehungen  zu  Papst  Damasus,  der  ihn  zu  einem  bedeuten- 
den Werke,  der  Revision  des  Bibeltextes,  aufmunterte,  und  fast  schien 
es,  als  würde  Hieronymus  die  höchste  kirchliche  Würde  ersteigen.  Be- 
sonders verehrten  mehrere  Frauen  des  römischen  Adels,  welche  der 
Askese  ergeben  waren,  den  Hieronymus,  dessen  Herz  das  gleiche  Ideal 
erwärmte;  unteT  diesen  Frauen  leuchteten  namentHch  Marcella,  ferner 
Paula  mit  ihrer  Tochter  Eustochium,  hervor.  Allein  nach  dem  Tode  des 
Papstes  Damasus  (384)  wurde  seine  Lage  eine  schwierige;  seine  Feinde 
setzten  ihm  jetzt  stark  zu,  besonders  sein  Verkehr  mit  der  adligen  Frauen- 
welt gab  zu  Gehässigkeiten  und  Anfeindungen  Anlass.  Hieronymus  sah, 
dass  seine  Stellung  unhaltbar  sei,  und  beschloss  demnach,  sich  aufs  neue 
in  das  Morgenland  zu  begeben  und  ein  asketisches  Mönchsleben  zu  fuhren. 
Im  August  385  verliess  er  Rom.  Paula  und  Eustochium  reisten  später 
nach.  Hieronymus  suchte  zuerst  Antiochia  auf  und  erwartete  hier  seine 
geistlichen  Freundinnen.  Die  ganze  Gesellschaft  begab  sich  im  Winter 
386  zuerst  nach  Jerusalem,  dann  nach  Aegypten;  in  Alexandria  verkehrte 
Hieronymus  fast  einen  Monat  mit  dem  blinden  Didymus  und  regte  ihn 
zu  einem  exegetischen  Commentar  zu  Osee  an.  Die  Reise  nach  Aegypten 
bezweckte  in  erster  Linie,  das  dort  awi\AVv\v^xvdL^  ^<>wOti^^^xv  wä  €\%^\!K!t 


HieronymuB.    (§972.)  389 

Anschauung  kennen  zu  lernen.  Alsdann  wandte  sich  die  Gesellschaft  zur 
Rückreise  nach  Palästina  und  nahm  in  Bethlehem  bleibenden  Aufenthalt; 
im  Jahre  389  gründete  Hieronymus  ein  Männerkloster,  Paula  mit  Eusto- 
chium  ein  Frauenkloster;  weiter  wurden  Herbergen  für  Pilger  errichtet. 
Sein  Klosterleben  ging  ganz  im  Studium  auf;  er  gönnte  sich  fast  gar  keine 
Ruhe,  sondern  las  und  schrieb  beständig.  Eine  stattliche  Bibliothek,  die 
er  sich  im  Laufe  der  Zeit  gesammelt  hatte,  kam  seinen  Studien  sehr  zu 
statten.  Daneben  gab  er  auch  Unterricht  in  einer  Klosterschule  und  er- 
klärte die  klassischen  Autoren.^)  Seine  litterarischen  Arbeiten  nahmen 
ihren  Fortgang.  Auch  die  Einsamkeit  in  Bethlehem  brachte  ihm  ebenso 
wenig  als  seinerzeit  sein  Aufenthalt  in  der  Wüste  Chalcis  den  Frieden; 
es  kamen  die  origenistischen  Streitigkeiten,  welche  das  hässliche  Zer- 
würfnis mit  Rufinus  herbeiführten,  ferner  der  Streit  mit  Vigilantius,  endlich 
die  Wirren  mit  den  Pelagianern.  Die  letzteren  nahmen  einen  so  heftigen 
Charakter  an,  dass  sie  zu  einem  Sturm  der  Pelagianer  auf  die  unter  des 
Hieronymus  Leitung  stehenden  Klöster  führten.  Frieden  brachte  dem  streit- 
lustigen Manne  erst  der  Tod. 

Allgemeine  Litteratur  über  Hieronymus.  a)  Gesamtdarstellungen. 
J.  Martianay,  Vie  de  St.  Jördme,  Paris  1706;  Engelstoft,  Hieronymus  Stridonensis  inter- 
pres,  criticus,  exegeta,  apologeta,  historicus,  doctor,  monacbus,  Kopenhagen  1797  (anonym 
erschienen);  F.  Z.  Gollombet,  Histoire  de  St.  J^röme,  pdre  de  l'^glise  au  IV*'  siede;  sa 
vie,  ses  ecrits  et  ses  doctrines,  Paris  et  Lyon  1844,  2  Bde.  (panegyrisch);  deutsche  Ueber- 
Betzung  dieses  Buches  von  Fr.  Lauchert  und  A.  Knoll,  Rottweil  1846—1848.  2  Bde.; 
O.  Zöckler,  Hieronymus.  Sein  Leben  und  Wirken  aus  seinen  Schriften  dargestellt,  Gotha 
1865;  A.  Thierry,  St.  J^rdme,  la  sociüt<3  chrötienne  ä  Rome  et  Tt^migration  romaine  en 
Terre-Sainte,  Paris  1867,  2  Bde.;  Paris«  1875,  Paris»  1876;  C.  Martin,  Life  of  St.  Jerome, 
London  1888;  L argen t,  Saint  Jeröme,  Paris  1898;  G.  Grützmacher,  Hieronymus.  Eine 
biographische  Studie  zur  alten  Kirchengcsch.  1.  Hälfte:  Sein  Leben  und  seine  Schriften  bis 
zum  Jahre  385  (Stud.  zur  Gesch.  der  Theol.  und  der  Kirche  6.  Bd.  3.  Heft,  Leipz.  1901); 
L.  Sanders,  £tudes  sur  s.  J^rdme,  Paris  1903.  —  Tillemont,  M^moires  pour  servir  ä 
rhistoire  eccksiastique  des  six  premiers  si^clcs  12  (1707)  p.  1;  D.  v.  Colin  in  Ersch  und 
Grubers  Encycl.  Sect.  2,  Bd.  8  (Leipz.  1831)  p.  72;  Montalembcrt,  Les  meines  d'Occi- 
dent  depuis  S.  B^noit  jusqu'ä  S.  Bemard  1  (Paris  1861)  p.  144;  A.  Ebert,  Allgem.  Gesch. 
der  Litt  des  Mittelalters  V  (Leipz.  1889)  p.  184.  Zum  erstenmal  hat  in  gründlicher,  aber 
weitschweifiger  Weise  Vallarsi  im  11.  Bd.  seiner  Ausg.  (p.  1)  eine  vita  Hieronymi  bei- 
gegeben. Eine  Beurteilung  der  Litteratur  findet  sich  bei  Zöckler  p.  9.  ß)  Spezielle 
Darstellungen.  A.  Luebeck,  Hieronymus  quos  noverit  scriptores  et  ex  quibus  hauserit, 
Lei]».  1872;  J.  Chapman,  St.  Jerome  and  Rome  (Dublin  Review  1898  Jan.). 

Biographische  Zeugnisse,    er)  Geburtsort.    De  vir.  ilL  135  Hieronymus,  natus 
patre  Eusebio,  oppido  Stridonis,  quod  a  Gothis  eversum  Dalmatiae  quondam  Pannoniaeque 
eonfinium  fuit,    lieber  die  Lage  von  Stridon  vgl.  F.  Buliö,  Wo  lag  Stridon,   die  Heimat 
des  hL  Hieronymus?  (Festschr.  fOr  0.  Benndorf,  Wien  1898,  p.  276),  der  auf  Grund  eines 
Terminationssteines  Stridon  in  Grahovo  polje  wiederfindet.   Der  Ort  liegt  aber  in  Dalmatien, 
und  einen  Dalmatiner  nennt  ihn  Palladius  bist.  Laus  c.  125.    ß)  Geburts-  und  Todesjahr. 
Nach  Prosper  (Ghron.  min.  1,  2  p.  451)  f&Ut  sein  Geburtsjahr  unter  die  Konsuln  Baasus  und 
Ablavins,  also  in  das  Jahr  331.    Im  Zusammenhang  damit  scheint  zu  stehen  die  Alten- 
angabe beim  Todesjahr,  das  ins  Jahr  420  mit  folgenden  Worten  gelegt  wird:  Tlieodoaio  Villi 
et  Qmstantio  III  (a.  420):  Hieronymus  presbyter  moritur  anno  tieiaii»  suae  XCI  ftid.  KaL 
Octobris,    Das  Jahr  331  wird  in  der  Schrift  Divum  Hieronymnm  oppido  Stridonit  m  t^ion» 
interamna  pduraköz]  Hungariae  anno  331  p.  Chr.  natom  esse  propognftt  J.  D^nkö.- V*'"« 
1874  verteidigt    Gegen  dieses  Jahr  sprechen  mehrere  Stellen  bei  ffiew«*"""*  ■■ 
müssen  weiter  hinabgehen.    Im  Commentar  in  Abacuc  2,  8  (26,  1829  1 
sich  bei  dem  Tode  Julians  (363)  als  adhue  puer  and  als  ZOgling  dl^ 
Wenn  wir  annehmen,  dass  er  damals  15  Jahre  alt  war,  BO  -wtre  f 
vgl.  A.  Schoene,  Die  Weltchronik  des  Eosebios,  BerL  1900^  p.  281 
Rom.    Hieronym.  z.  J.  2370  =  353  (2  p.  195  Seh.)  Vidarimm  rM 

V  Bußn.  ApoL  in  Hieronym.  2,  8  (21  Sp.  589  li.V 


390  HieronymuB.    (§972.) 

maticiM  praeeepior  meus  Bomae  insignes  hdbeniur,  e  quibus  Vict4>riniis  etiam  Hatuam  in 
foro  Traiani  mefmit,  Hieronymos  wird  das  Jahr  gewählt  haben,  in  dem  er  von  Donat 
in  seine  Grammatikerschale  anfgenonmien  wurde;  vgl.  Schoene  p.  235.  Ueber  die  Au- 
toren, die  er  in  der  Schale  kennen  lernte,  gibt  eine  an  seinen  Mitschfller  Rufinoa  gerichtete 
Stelle  (contra  Rufin.  1,  16;  23,  410  M.)  Aafschlass:  Puto  quod  puer  legeris  Aspri  in  Ver- 
gilium  et  SaUustium  commentarios,  Vulcatii  in  orationes  Ciceronis,  Victorini  in  dialogot 
eius  et  in  Terentii  comoedias  praeceptoris  mei  Donati,  aeque  in  Vergilium  et  aliorum  in  I 
alios:  Plautum  videlicet,  Lucretium,  Flaccum,  Persium  atque  Lucanum;  vgl.  Lnebeck, 
HieronymuB  quos  noverit  scriptores  etc.  Von  seinem  rhetorischen  Unterricht  spricht  er 
öfters;  vgl.  epist.  48,  13  (22,  501  M.);  60,  8  (22,  593  M.);  22,  2  (22,  395  M.);  contra  Rafinom 
1,  30  (23,  422  M.).  d)  Taafe  and  sittliche  Verirrangen.  Die  Taofe  empfing  er  in 
Rom ;  vgl.  epist.  16,  2  (22,  358  M.)  ego  ....  Christi  vestem  in  Romana  urhe  suscipiens.  üeber 
seine  sittlichen  Yerimingen  vgl.  epist.  7,  4  (22,  340  M.)  scitia  ipsi  lubricum  adoUseentiae 
iter,  in  quo  et  ego  lapsus  sum,  et  vos  non  sine  timore  transitis.  s)  Reise  nach  Gallien. 
Epist.  3,  5  (22,  334  M.)  et  cum  post  Romana  studia  ad  Rheni  semtbarharca  ripas  eodem 
cihOf  pari  frueremur  hospitio,  ut  ego  primus  coeperim  velle  te  {Christum)  colere.  5,  2  (22, 
337  M.)  interpretationem  quoque  psalmorum  Davidicorum  et  prolixum  valde  de  synodU 
lihrum  sancti  Hilarii,  quem  ei  (Rufino)  apud  Tretiros  manu  mea  ipse  descripseram^  ut 
mihi  transferas  peto.  C)Aafenthalt  inAqaileia.  Daas  Hieronymas  in  Aqaileia  gewesen 
and  mit  einem  IVeandeskreis  dort  verkehrte,  ergibt  sich  aas  Briefen,  die  er  an  diese  Frennde 
richtete;  z.  B.  gedenkt  er  seines  Zasammenlebens  mit  Ghrysogonus,  der  als  monachits  AquU 
leiae  bezeichnet  wird  (epist.  9;  22,  342  M.).  Sein  Interesse  an  dem  Kreise  erhellt  aach  ans 
der  Notiz  in  der  Ghronik:  z.  J.  2390  =  373  (2  p.  198  Seh.)  Aquileienses  clerici  quasi  chorut 
beatorum  habentur.  Nach  Schoene  (p.  226)  hat  Hieronymas  dieses  Jahr  gewählt,  weil 
wahrscheinlich  der  Verein  in  diesem  Jahre  sich  auflöste,  indem  die  meisten  Mitglieder  sich 
nach  dem  Orient  begaben,  t])  Reise  nach  Antiochia  and  erstes  Eremitenleben. 
Epist.  3,  3  (22,  333  M.)  postquam  me  a  tuo  (Rufini)  latere  subitus  turbo  convulsit,  postqwm 
gluiino  caritatis  haer entern  impia  distraxit  avtüsio:  tunc  mihi  caeruleus  supra  caput  astitü 
imber:  tunc  maria  undique  et  undique  coelum,  Ueber  die  Ursachen  seiner  Entfernung  ans 
Italien  vgl.  Zöckler  p.  40;  Grtltzmacher  p.  146.  Ueber  die  Reise  vgl.  epist.  3,  3  (22, 
333  M.)  tandem  in  incerto  peregHnationis  erranti,  cum  me  Thracia,  Pontus  atque  Bi- 
thynia  totumque  Galatiae  et  Cappadociae  iter  et  fervido  Cilicum  terra  fregisset  aestu,  Stfria 
mihi  velut  fidissimus  naufrago  portus  occurrit.  Ubi  ego  quidquid  morborum  esse  poterat 
expertus.  Sein  Ziel  war  Jerusalem;  vgl.  epist.  22,  30  (22,  416  M.)  Jerosölymam  militaturm 
pergerem.  Krankheit  hielt  ihn  in  Antiochien  zurück,  wo  er  die  Gastfreundschaft  des  Eoa- 
gnus  genoss;  vgl.  epist.  3,  3  (22,  333  M.).  Ueber  seine  Beziehungen  zu  Apollinarius  von 
Laodicea  vgl.  epist.  84,  3  (22,  745  M.)  Apollinarium  Laodicenum  audivi  Antiochiae  frequenter 
et  coluif  et  cum  me  in  sanctis  scripturis  erudiret,  numquam  illius  contentiosum  super  sensu 
dogma  suscepi.  Schoene  (p.  243)  will  diesen  Verkehr  mit  Apollinarius  dem  zweiten  Auf- 
enthalt des  Hieronymus  in  Antiochia  zuweisen;  vgl.  dagegen  Grützmacher  p.  150  Ajmi.  2. 
Ueber  seine  Ausbildung  im  Griechischen  vgl.  Rufin.  Apol.  in  Hieronym.  2,  9  (21  Sp.  590  M.) 
ante  quam  converteretur  (d.  li.  vor  dem  Entschluss  des  Hieronymus,  in  den  Orient  zu  ziehen 
und  sich  dem  asketischen  Leben  zu  widmen),  mecum  pariter  et  litteras  Graecas  et  linguam 
penitus  ignorabat;  zur  Interpretation  der  Stelle  vgl.  Schoene  p.  239.  Ueber  seinen  Auf- 
enthalt in  der  Wüste  Chalcis  vgl.  epist.  5,  1  (22,  336  M.)  in  ea  mihi  parte  eremi  commo- 
raniiy  quae  iuxta  Syriam  Saracenis  iungitury  dilecHonis  tuae  scripta  perlata  sunt.  Ueber 
die  Erlernung  des  Hebräischen  vgl.  epist.  125,  12  (22,  1079  M.).  Ueber  die  kirchlichen 
Streitigkeiten  in  Antiochia  und  seine  Stellung  zu  denselben  vgl.  seine  Briefe  an  Papst 
Daniasus  15  und  16,  über  deren  Chronologie  vgl.  Rauschen,  Jahrb.  der  christl.  Kirche, 
Freib.  i.  Br.  1897,  p.  34;  über  seinen  Entschluss,  die  Wüste  zu  verlassen,  vgl.  den  17. 
Brief  an  Marcus.  Rauschen  setzt  für  den  Aufenthalt  in  der  Wüste  375 — 378,  Schoene 
(p.  238)  374—379  an.  Dass  er  von  Paulinus  in  Antiochia  die  Priesterweihe  empfangen, 
sagt  er  in  seiner  Schrift  Contra  Joannem  Hierosolymitanum  c.  41  (23,  392  M.),  wo  zugleich 
die  Bedingung  angegeben  ist,  unter  der  er  sie  empfing;  vgl.  Rauschen  p.  56  Amn.  3. 
^)  Hieronymus  in  Constantinopcl.  Sicherlich  war  Hieronymus  während  des  Concils, 
das  im  Jahre  381  stattfand,  in  Constantinopel ;  denn  nach  de  vir.  ill.  128  hört  er  einen 
Teilnehmer  an  dem  Concil,  Gregor  von  Nyssa,  sein  Werk  gegen  Eunomios  bei  Gregor  von 
Nazianz  vorlesen;  dass  dieser  sein  Lelirer  war,  erhellt  aus  de  vir.  ill.  117.  <)  Hierony- 
mus in  Rom  382-385.  In  Rom  fand  ein  Concil  im  Jahre  382  statt  (vgl.  Theodoret  5,  9), 
an  dem  auch  Hieronymus  teilnahm;  vgl.  epist.  127,  7  (22,  1091  M.)  cum  et  me  Romam 
cum  sanctis  pontificibus,  Paulino  et  Epij)hanio,  ecclesiastica  traxisset  necessitas.  Ueber  die 
engen  Beziehungen  zwischen  Papst  Damasus  und  Hieronymus  vgl.  die  Briefe  des  Hierony- 
mus an  Damasus  18,  20,  21,  36  und  die  des  Damasus  an  Hieronymus  19,  35.  Ueber  das 
Verhältnis  des  Hieronymus  zu  Marcella  unterrichten  die  l^  B^veie  (^%^  *i4,  *iS,  26,  27,  28. 
29,  32,  34,  37,  38,  40,  41,  42,  43,  44),  die  metonymxsÄ  wcl  «ve  ^<!iÄesÄ\^«\:i.  \!>^öö«t  'ws^'^ 


HieronymuB.    (§  97B.)  391 

Besieliiuigeii  xa  Paula  vgl.  die  Briefe  30,  33,  39  an  sie.    Charakteristisch  fOr  HieroDymaB 
■t  der  Brief  desselhen  an  Eastochium  (22),  die  Tochter  Paulas,  über  die  Jungfräulichkeit. 
Ueber  die  Bewegung,  die  sich  in  Rom  gegen  Hieronymus  erhob,  vgl.  epist.  45.    In  seinem 
kbadiiedschreiben  an  Asella  (epist.  45,  2;  22,  481  M.)  sagt  er:  Paene  certe  triennitim  cum 
f**  9ixi,    Also  reiste  er  385  ab,  da  er  882  nach  Rom  kam.    Vgl.  noch  ApoL  in  Rufin.  3,  22 
!28,  478  M.)  mense  Augusto  flantibus  eiesiis  cum  sancto  Vineentio  preshyiero  et  adolescente 
^^rairt  H  äliU  monachis,  qui  nunc  Hierosolymae  commorantur,  navim  in  Romano  portu 
feeurwu  aacendi,  maxima  me  sanctorum  freqxientia  proaequente.    Ueber  die  Stellung  des 
Efieronymus  zu  Papst  Damasus  vgl.  epist.  123,  10  (22,  1052  M.)  cum  in  chartia  eccleaia- 
tftcM  invarem  Damctaum  Romanae  urbis  episcopum  et  Orientis  atque  Occidentis  synodicis 
coKsuitationibua  responderem.    x)  Reise  nach  Antiochia,  Palästina,  Aegypten  und 
Niederlassung  in  Bethlehem.    Ueber  die  Reise  liegt  ein  doppelter  Bericht  vor,  die 
Apologie  in  Rufinum  3,  22  (23,  473  M.)  und  epist.  108,  6  (22,  881  M.).    Paula  und  Eusto- 
cmnm  blieben  noch  in  Rom  zurück  (v^.  epist.  45,  7),  reisten  aber  noch  in  demselben  Jahre 
nach;  vgl.  Rauschen  p.  217.    Aus  dem  Reisebericht  des  Hieronymus  heben  wir  aus  Apol. 
in  Rufin.  3,  22):  Veni  Antiochiam,  ubi  fruitus  sum  communione  pontificis  confeasorisque  Pau- 
Kmi,   et  deductua  ab  eo  media  hieme  et  f rigor e  graviaaimo  intratd  Hieroaolymam  ....  inde 
ccntendi  Aegyptum,  luatravi  monaateria  Nitriae  et  inter  aanctorum  choroa  aapidea  latere 
perspexi,  Protinua  concito  gradu  Bethleem  meam  reveraua  aum.  Ueber  seinen  fast  30tägigen 
Aufenthalt  in  Alexandria  und  seinen  Verkehr  mit  Didymus  vgl.  Rufin.  Apol.  in  Hieronym. 
2,  12  (21  Sp.  594  Migne);  Hieronymus,  praef.  Gomm.  in  Osee  (25,  819  M.),  schreibt  an  Pam- 
machiuB:  Cum  rogatu  aanctae  et  venerabilia  aocrua,  immo  matria  tuae  Paulae  ....  eaaem 
Alexondriae,  vidi  Didymum  et  eum  frequenter  audivi,  virum  aui  temporia  eruditiaaimum, 
rogavigue  eum,   ut  quod  Origenea  non  fecerat  ipae  compleret  et  acriberet  in  Oaee  commen- 
tario9,     Dass   die  Reise   von  Antiochia  gemeinschaftlich  mit  Paula  und  Eustochium  er- 
folgte, ergibt  sich  aus  der  Vergleichung  beider  Reiseberichte.    Ueber  die  Gründung  eines 
Frauen-  und  Männerklosters  und  von  Gastherbergen  im  Jahre  389  vgl.  epist.  108,  14.    Ueber 
des  Hieronymus  Thätigkeit  sagt  Sulpicius  Sever.  dial.  1,  9  (p.  161  H.):  Totua  aemper  in  lec- 
tione,  totua  in  libria  eat:  non  die  neque  noete  requieacit;  aut  legit  aliquid  aemper  aut  acribit, 
X)  Origenistische  Streitigkeiten  (399—404);   vgl.  Zöckler  p.  238.    Ueber  die  Ver- 
söhnung des  Hieronymus  mit  Rufinus  im  Jahre  398  vgl.  Apol.  in  Rufinum  3,  33  (23,  481  M.) 
und  dazu  Zöckler  p.  247  Anm.  2.    Ueber  den  anderen  origenistischen  Gegner,  Jobannes 
von  Jerusalem,  vgl.  epist.  82  an  Theophilus  von  Alexandria  (22,  736  M.)  und  die  Schrift; 
Contra  Joannem  Hierosolymitanum  (28,  355  M.).     Ueber  die  Aussöhnung  mit  Johannes 
vgl.  Zöckler  p.  249  Anm.  1.    Ueber  den  neuen  Zwist  mit  Rufinus  vgl.  epist.  81  (22,  735  M.), 
die  Rechtfertigungsschrift  des  Rufinus  an  Anastasius  (21,  623  M.),  die  Streitschriften  Apol. 
in  Hieronym.  1.  2  (21,  541  M.)  und  die  des  Hieronymus  Apol.  in  Rufin.  1.  3  (23,  397  M.). 
fi)  Streit  mit  Vigilantius  und  pelagianische  Streitigkeiten.     Ueber  den  Streit 
mit  Vigilantius  vgl.  epist.  109  und  die  Schrift  Contra  Vigilantium  (23,  339  M.).    Ueber  den 
Streit  mit  Pelagius  geben  Aufschluss  epist.  133  ad  Gte8ij>hontem  und  der  Dialogus  contra 
PelagianoB  1.  3  (23,  693  M.).    Augustin.  de  gestis  Pelagii  c.  66  (44,  358  M.)  a  neacio  quo 
cuneo  perditorum,  qui  valde  in  perveraum  perhibentur  Pelagio  auffragari,  incredibili  au- 
daeia  perpetrata  dicuntur,  ut  Dei  aervi  et  ancillae  ad  curam  aancti  Hieronymi  preabyteri 
pertinentea  aceleratiaaima  caede  afficerentur,  diaconua  oeeideretur,  aedificia  monaateriorum 
ineendereniur ,   vix  ipaum   ab  hoc  impetu  atque  incurau  impiorum   in  Dei   miaericordia 
turria  munitior  tueretur;    vgl.  auch  die  Briefe  des  Papstes  Innocenz  I.   (402—417)   136 
und  137. 

973.  Die  Schriftstellerei  des  Hieronymus.  Während  seines  Lebens 
entfaltete  Hieronymus  eine  ungemein  grosse  Schriftstellerei.  Da  er  kein 
kirchliches  Amt  bekleidete,  konnte  er  alle  seine  Kraft  der  litterarischen 
Wirksamkeit  widmen.  Wegen  des  ümfangs  seiner  schriftstellerischen 
Produktion  müssen  wir  bestimmte  Gruppen  seiner  Werke  unterscheiden. 
Wir  beginnen  a)  mit  den  historischen  Schriften,  gehen  dann  ß)  zu 
seiner  Revision  und  üebersetzung  der  hl.  Schrift  über;  daranreihen 
sich  naturgemäss  y)  die  exegetischen  Schriften;  auf  diese  lassen 
wir  3)  die  dogmatisch  polemischen  Arbeiten  und  Uebersetzungen 
dogmatischer  Werke  folgen;  als  letzte  Rubrik  werden  unter  e)  Homi- 
lien  und  Briefe  erscheinen.  Für  die  Chronologie  gibt  Hieronymus  selbst 
einen  Stützpunkt;  in  seiner  392  abgefassten  Schrift  über  die  berühmten 
Schriftsteller  der  Kirche  führt  er  sich  selbst  iiv  A^t  7i«Jc\  ^^x  kxÄ^ft^ä^  ^»i 


3  92  HieronymuB.    (§  974.) 

und  verzeichnet  die  Werke,  die  bis  392  von  ihm  erschienen  waren.  Damit 
scheiden  sich  die  Werke  des  Hieronymus  in  zwei  Zeitklassen;  die  eioe 
umfasst  die  Schriften  vor  der  Herausgabe  des  Schriftstellerkatalogs,  die 
andere  die,  welche  nach  derselben  erschienen  sind. 

Zeugnisse  über  die  Schriftstellerei  des  Hieronymus.  De  vir.  ill.  135  Hienh 
nymus,  natus  patre  Eusebio,  oppido  Stridonis,  quod  a  Gothis  eversum  Dalmatiae  quondam 
Pannoniaeque  canfinium  fuit,  usque  in  praesentem  annum,  id  est,  Theodosii  principis  quar- 
tum  decimum,  haec  scripai:  Vitam  Pauli  tnonachi,  Epistularum  ad  diverses  lAnim 
unum,  Ad  Heliodorum  exhortatoriam,  Altercationem  Luciferiani  et  Orthodoxie 
Chronicon  omnimodae  historiae.  In  Jeremiam  et  Ezechiel  homilias  OrigenU 
viginti  octo  quas  de  Graeco  in  Latinum  verti,  De  Seraphim,  De  Osanna,  De  frugi 
et  luxuriöse  filiis,  De  tribus  quaestionibus  legis  veteris,  Homilias  in  Canti' 
cum  Canticorum  duas,  Ädversus  Helvidium  de  Mariae  virginitate  perpetua^ 
ad  Eustoehium  De  virginitate  servanda,  Ad  Marcellam  epistularum  librum  unum^ 
Consolatorium  de  morte  filiae  ad  Paulam,  In  epistulam  Pauli  ad  Galatas  com- 
mentariorum  libros  tres,  item  In  epistulam  ad  Ephesios  commentariorum  libros  tret^ 
In  epistulam  ad  Titum  Hbrum  unum,  In  epistulam  ad  Philemonetn  lihrum  uwm, 
In  Ecclesiasten  commentarios,  Quaestionum  Hebraicarum  in  Genesim  lihrum  uwum, 
De  locis  Hbrum  unum,  Hebraicorum  nominum  Hbrum  unum.  De  Spiritu  Saneto 
Didymi,  quem  in  Latinum  transtuli,  Hbrum  unum,  In  Luc  am  homilias  triffinta  navem, 
In  Psalmos  a  decimo  usque  ad  sextum  decimum  tractatus  Septem,  Captivum  Monachum^ 
Vitam  beati  Hilarionis;  Novum  Testamentum  Graecae  fidei  reddidi,  Vetus  iuxta  Et- 
braicum  transtuli;  Epistularum  autem  ad  Paulam  et  Eustoehium,  quia  cottidit 
scribuntur,  incertus  est  numerus.  Scripsi  praeter  ea  In  Mi  che  am  explanationum  liJbn» 
duoSf  In  Kaum  Hbrum  unum,  In  Abacuc  libros  duos.  In  Sophoniam  Hbrum  unum. 
In  Aggaeum  Hbrum  unum,  muUaque  alia  de  opere  prophetali,  quae  nunc  habeo  in  manu 
bus,  et  necdum  expleta  sunt,  lieber  spätere  Zusätze  vgl.  unten  p.  405.  Im  allgemeinen  ist 
die  Anordnung  eine  chronologische.  Prolog,  in  Jonacomm.  (25,  1117  M.)  triennium  circUer 
fluxit,  postquam  quinque  prophetas  interpretatus  sum,  Michaeam,  Nahum,  Abacuc,  Sopho- 
niam, Aggaeum,  et  alio  opere  detentus  non  potui  implere  quod  coeperam:  scripsi  enim  lihrum 
de  illustrihus  viris  et  adver  sum  Jovinianum  duo  volumina:  apologeticum  quoque  et  de  optimo 
genere  interpretdndi  ad  Pammachium  et  ad  Nepotianum  vel  de  Nepotiano  duos  libros  ä 
alia  quae  enumerare  longum  est. 

Zur  äusseren  Herstellung  der  Schriften.  Im  Prolog  des  Commentars  zum 
Galaterbrief  heisst  es  (26,  309  M.):  Accito  notario  vel  mea  vel  aliena  dictavi,  nee  ordinis, 
nee  verhorum  interdttm,  nee  sensuum  memoriam  retentans.  Ebenda,  Prol.  zu  lib.  3  (Sp.  400) 
accito  notario  auf  sfatim  dicto  quodcumque  in  buccam  veneritj  aut  si  paululum  voluero 
cogitare  melius  aUquid  prolaturus,  tunc  me  tacitus  ille  reprehendit,  manum  contrahit,  frontem 
rugat  et  se  frustra  adesse  toto  gestu  corporis  contestatur.    Dass  fQr  den  Stil  das  Diktieren 

weniger  günstig  ist,   sagt  er  Comm.  zu  Abdias  (25,  1118  M.):   Aliud  est saepe  stüum 

vertere  et  quae  memoria  digna  sunt  scribere;  aliud  notariorum  articulis  praeparatis,  pudere 
reticendi  dictare  quodcumque  in  buccam  venerit. 

Zur  Veröffentlichung  der  Schriften.  Epist.  49,  2  (22,  511  M.)  statim  ut  aU- 
quid scripsero,  aut  amatores  mei  aut  invidi  diverso  quidem  studio,  sed  pari  certamine  in 
vulgus  nostra  disseminant. 

tt)  Historische  Schriften. 

974.  Die  drei  Mönchslegenden.  Hieronymus  hatte  sich  einmal  vor- 
genommen, ein  kirchenhistorisches  Werk  zu  schreiben;  es  sollte  die  Zeit 
von  der  Ankunft  des  Erlösers  bis  auf  die  Tage  des  Hieronymus  um- 
schliessen;  wie  es  scheint,  sollte  das  persönliche  Moment  darin  besonders 
berücksichtigt  werden.  Das  Werk  kam  nicht  zur  Ausführung.  Einen 
kleinen  Ersatz  dafür  bieten  uns  drei  Mönchsbiographien.  Die  Legende 
hatte  sich  wie  früher  um  die  Märtyrer,  so  jetzt  um  die  Eremiten  ge- 
schlungen; Erzählungen  über  ihr  Leben  in  der  fernen  Wüste  gingen  von 
Mund  zu  Mund,  und  durch  die  dichterische  Phantasie  einzelner  hatte  der 
Sagenstoif  im  Volke  bestimmte  Formen  angenommen.  Bei  der  grossen 
Begeisterung,  welche  Hieronymus  iür  öie  k^e^«»^  \i^^^^  n^^x  <b%  xsaiCsi:^^^ 


meronymuB.    (§  974.)  393 

er  auch  dieses  Gebiet  litterarisch  bearbeitete.     Vor  allem   glaubte 
Autor,  seinen  Blick  auf  den  Begründer  des  Mönchswesens  richten  zu 
BoUen.     Freilich  war  es  strittig,  wer  diese  Institution  geschaffen;  manche 
erachteten   als   den   Schöpfer   derselben   Antonius,   während   Hieronymus 
diesen  Ruhm  für  Paulus  vom  ägyptischen  Theben  in  Anspruch  nahm. 
IMe  Geschichte  dieses  Mönches  ist  einfach.     Die  decianische  Verfolgung 
liatte   ihn   in  die  Wüste  getrieben.     Er  gelangte   zu  einem   von  Höhlen 
darchzogenen  Berg,  in  denen  früher  Falschmünzer  ihr  Gewerbe  getrieben 
hatten.     Er  fand  eine  Höhle  mit  einem  Palmbaum  und  einer  Quelle;  der 
erste  konnte  ihm  Speise  und  Kleidung,  die  andere  den  Trank  gewähren. 
Er  liess  sich   daher  in   derselben  nieder  und  lebte  viele  Jahre  in  Gebet 
Qnd   Askese.    Auch  Antonius  hatte  in  der  Wüste  seinen  Wohnsitz   ge- 
nommen und  es  zu  einem  hohen  Grad  christlicher  Vollkommenheit  ge- 
bracht. Da  ward  ihm  eine  Vision,  durch  welche  ihm  kund  gegeben  wurde, 
dass  ein  noch  vollkommenerer  Mönch  in  der  Wüste  lebe,  den  er  aufsuchen 
solle;  Antonius  folgte   der  Vision  und  gelangte   wirklich  in  wunderbarer 
Weise  zu  dem  angekündigten  Mönch.   Es  war  Paulus.   Dieser  betrachtete 
den  Fremden  als  einen  von  Gott  gesandten  Boten,  der  ihn  zur  ewigen  Ruhe 
bestatten  solle,  da  die  Stunde  der  Auflösung  gekommen  sei.    Doch  wollte 
Paulus  mit  dem  Mantel  des  hl.  Athanasius  begraben  sein;  er  forderte  da- 
ber  den  Antonius  auf,  denselben  von  seinem  Kloster  zu  holen.   Auch  dies 
geschah.     Als  aber  Antonius  zurückkam,  fand  er   den  greisen  Einsiedler 
tot.    Er  bestattete  ihn,   wobei  ihm   zwei  Löwen  Dienste  leisteten.     Die 
aus  Palmblättem  gefertigte  Tunika  des  Paulus  nahm  er  mit  sich,  um  sie 
Ostern  und  Pfingsten  zu  tragen.   Das  Büchlein  war  für  das  grosse  Publi- 
kum bestimmt,   und   es   musste    daher   ein   schlichter  Ton   angeschlagen 
werden.  Allein  ganz  konnte  der  Verfasser  seine  rhetorischen  Künste  doch 
nicht  lassen;  die  Vergleichung  des  armen  Paulus  und  der  reichen  Prasser 
spielte  ihm  eine  schöne  Antithese  in  die  Hand  und  einen  wirkungsvollen 
Schluss;  denn  er  bittet,   des  Hieronymus  zu  gedenken,  der,  wenn  er  die 
Wahl  hätte,  doch  lieber  die  Tunika   des  Paulus  mit  seinen  Verdiensten 
als   die  Purpurgewänder   der   Könige   mit  ihren   Strafen    wählen   würde. 
Die  decianische  Verfolgung  wird  durch  episodische  Erzählungen  illustriert. 
Ohne  wundersame  Begebenheiten  und  ünwahrscheinlichkeiten  geht  es  bei 
der  Darstellung  nicht  ab;  allein  der  Autor  verlangt  Glauben  für  seine  Er- 
zählung und  bemerkt,  dass  den  Gläubigen  nichts  unmöglich  erscheine.   Als 
das  Büchlein  fertig  war,  sandte  er  es  an  den  alten  Paulus  von  Concordia. 
Was  die   Chronologie   anlangt,    so   steht   die  vita  Pauli   im  Katalog  der 
hieronymianischen  Schriften   an  erster  Stelle,   sie  wird  in  seinen  ersten 
Wüstenaufenthalt  gehören,  also  gegen  Ende  der  siebziger  Jahre  des  vierten 
Jahrhunderts  entstanden  sein.     Etwa  im  Jahre  390  folgten  zwei  andere 
Biographien.     Die  eine  zeigt  eine  eigentümliche  Kompositionsform,  indem 
der  Einsiedler  seine  Lebensgeschichte   selbst  erzählt.     Hieronymus  hatte 
bei  seinem  ersten  Aufenthalt  in  Antiochien  den  in  Maronia  lebenden  Ere- 
miten Malchus  kennen  gelernt  und  aus  seinem  Munde  seinen  wunder- 
baren  Lebenslauf  vernommen.     Als    Greis   erzählt    er   das,    was    er   in 
seiner  Jagend  gehört  hatte.    Der  Lohn  fiir  d\e  E.ev)LÄe\v\Ä\\.  \&\»  ^^^  ^^x^ 


I 


394  HieronymuB.    (§  974.) 

der  Legende.  Malchus  war  in  die  Hände  der  Sarazenen  gefallen;  sie 
schleppten  ihn  mit  sich.  Sein  Herr  zwang  ihn,  die  Schafe  zu  hütea; 
auch  sollte  er  eheliche  Gemeinschaft  mit  einer  Mitsklavin  fuhren ;  sie  wir 
eine  Frau,  deren  Mann  noch  am  Leben  war.  Malchus  wollte  lieber  in  den 
Tod  gehen,  als  sich  eines  Ehebruchs  schuldig  machen.  Da  schlägt  die  k 
Mitsklavin,  die  ebenfalls  eine  Christin  war,  ihm  vor,  eine  Scheinehe  zn  ' 
fuhren  und  beiderseits  die  Keuschheit  zu  bewahren.  Später  ergreift  du 
Paar  die  Flucht,  wird  aber  von  dem  Herrn  und  einem  Diener  verfolgt 
und  am  dritten  Tage  eingeholt.  Malchus  und  seine  Genossin  flüchten  dck 
in  eine  Höhle,  und  da  geschieht  das  Wunder,  dass  eine  Löwin  sich  ans 
derselben  erhebt  und  Herrn  und  Diener  vor  ihren  Augen  zerfleischt, 
Malchus  und  seine  Mitsklavin  unversehrt  lässt,  ja  sogar  ihnen  die  Höhle 
abtritt.  Auch  die  Kamele  der  Verfolgenden  bleiben  verschont.  Malchiu 
und  seine  Genossin  können  sie  benutzen,  um  in  das  römische  Gebiet  zu 
gelangen.  Gerettet  bringen  beide  den  Rest  ihres  Lebens  in  Klöstern  zu. 
War  offensichtlich  Malchus  fQr  die  Bewahrung  seiner  Keuschheit  belohnt 
worden,  so  hatte  er  andererseits  durch  eigene  Schuld  die  Leiden  sich  zu- 
gezogen, da  er  nach  dem  Tode  seines  Vatera  aus  dem  Kloster  in  die 
Heimat  eilte,  um  seinen  Erbteil  zu  holen  und  einen  Teil  desselben  zwar 
dem  Kloster  und  den  Armen  zu  geben,  den  anderen  aber  gegen  die  Ordens» 
regel  fQr  seine  eigenen  Bedürfnisse  zu  reservieren.  Der  rhetorischen 
Zuthaten  und  Künsteleien  entbehrt  auch  diese  Biographie  nicht;  der  Ein- 
druck wird  dadurch  geschwächt;  nur  eine  ganz  schlichte  und  einfache 
Rede  war  hier  am  Platz.  In  der  anderen,  der  ausführlichsten  Biographie, 
schildert  Hieronymus  das  Leben  Hilarions,  der  das  Mönchtum  in  Palä- 
stina begründete.  Er  leitet  sie  ein  mit  der  Anrufung  des  hl.  Geistes: 
denn  er  ist  sich  der  Schwierigkeit  seiner  Aufgabe  bewusst  und  erinnert 
sich  der  Worte  Sallusts,  dass  die  Wertschätzung  des  Helden  von  der 
Kunst  seines  Biographen  abhänge.  Zwar  hatte  der  Bischof  Epiphanius 
von  Salamis  auf  Cypern  in  einem  kurzen  Briefe,  der  vielfache  Verbreitung 
fand,  das  Lob  des  Heiligen  gesungen,  allein  dieser  Brief  konnte  doch 
nicht  einen  Lebensabriss  ersetzen.  Der  Autor  beginnt  denselben  damit, 
dass  er  zuerst  die  Familienverhältnisse  seines  Helden  darlegt.  Er  wurde 
in  einem  Orte  bei  Gaza  von  heidnischen  Eltern  geboren;  es  spross  also, 
wie  der  Autor  sagt,  aus  den  Dornen  eine  Rose  hervor.  Seine  Ausbildung 
erhielt  er  in  Alexandria.  Er  suchte  den  berühmten  Mönch  Antonius  in 
der  Wüste  auf  und  Hess  sich  von  ihm  in  der  Askese  unterweisen;  der 
Entschluss  nämlich  stand  bei  ihm  fest,  ebenfalls  ein  Mönchsleben  zu  führen. 
In  der  Wüste  seiner  Heimat  trat  er,  damals  15  Jahre  alt,  in  den  Mönchs- 
stand. Die  Biographie  schildert  alsdann  seine  Versuchungen,  seine  Lebens- 
weise und  seine  Wunderthaten.  Die  zahlreichen  Heilungen  und  Aus- 
treibungen von  bösen  Geistern  hatten  den  Ruf  des  Heiligen  so  verbreitet, 
dass  grosse  Massen  Volkes  zu  ihm  strömten  und  er  nicht  mehr  in  der 
Einsamkeit  lebte;  er  beschloss  daher,  in  die  Ferne  zu  ziehen,  um  wieder 
die  Einsamkeit  zu  gewinnen.  Allein  überall,  wo  er  hinkam,  lenkte  er 
durch  neue  Wunderthaten  wiederum  die  Aufmerksamkeit  auf  sich;  so 
führte   er   ein    unstetes  Wanderleb^iv,  bVs  et   «tiÄxda.  ^\ii  Qr^^^^xiL  <i\A  ^^ 


HieronymuB,    (§  975.)  395 

mochte  Einsamkeit  und  371  den  Tod  fand.    Man  sieht,  wie  das  eine  Fun- 
dament  des  antiken  Romans,   das  Reiseabenteuer,   hier  in  das  Heiligen- 
leben hineingetragen  wird.   Es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  dies  erst  von 
Sieronymus  geschehen;  vielmehr  ist  zu   vermuten,   dass  ein  griechischer 
IBrzähler  bereits  den  Versuch  gemacht  hatte,  die  Wunderthaten  des  Hei- 
ligeiiy  welche  die  Sage  an  verschiedenen  Orten  auf  seine  Anrufung  Gottes 
liin  sich  abspielen  liess,  dadurch  miteinander  zu  verbinden,   dass  er  den- 
selben persönlich  an  diesen  Orten  erscheinen  liess.    In  dieser  Erzählung 
herrscht  ein  viel  ruhigerer  Ton  als  in  den  beiden  anderen,  und  auch  dar- 
aus möchte  man  auf  ein  griechisches  Original  schliessen. 

Eine  Kirchengeschichte.  Vita  Malchi  c.  1  (23,  53  M.)  scribere  disposui  ....  ab 
adventu  Salvatoris  uaque  ad  noatram  aetatent,  id  est  ab  apostolis  usque  ad  nostri  temporis 
fecem^  quomodo  et  per  quos  Christi  ecclesia  nata  sit  et  adulta,  persecuiionibus  creverit  et 
mariyri^  caranata  sit  et  postquam  ad  christianos  principes  venerit,  potentia  quidem  et 
divUiis  maior,  sed  virtutibus  minor  facta  sit, 

Vita  Pauli.  An  den  zu  Concordia  lebenden  Paulus  schreibt  Hieronymus  (epist. 
10,  8;  22,  344  M.):  Misimus  tnterim  te  tibi,  id  est  Paulo  seni  Paulum  seniorem,  in  quo 
9inopter  simpliciores  quosque  multum  in  deiciendo  sermone  laboravimus,  Prolog  zur  Tita 
Hilmrionis  (23,  29  M.)  ntaledicorum  voces  contemnimuSf  qui  olim  detrahentes  Paulo  meo,  nunc 
forte  detrahent  et  Hilarioni.  Vita  Pauli  c.  6  haec  incredibilia  videhuntur  his,  qui  non  cre- 
dunt  omnia  possibilia  esse  eredentibus.  Bidez  (Deux  versions  grecques  in^dites  de  la  Vie 
de  Paul  de  Thöbes,  Gand  1900)  hat  nachgewiesen,  dass  die  vita  Pauli  auch  in  zwei  grie- 
chischen üebersetzungen  vorliege,  von  denen  die  eine  (a)  sich  als  wttrdige  Uebersetzung 
des  lateinischen  Textes  darstelle,  die  andere  (b)  als  eine  Bearbeitung  der  Uebersetzung  a. 
Gegen  Nau,  Le  texte  grec  original  de  la  Vie  de  S.  Paul  de  Thöbes  (Analecta  Bollandiana 
20  (1901)  p.  121),  der  umgekehrt  b  als  das  Original,  die  lateinische  Vita  als  Uebersetzung 
betrachten  will,  wendet  sich  mit  Recht  M.  A.  Kugener,  Saint  Jeröme  et  la  Vie  de  Paul 
de  Thöbes  (Byzantin.  Zeitschr.  11  (1902)  p.  513).  Hieronymus  hat  die  Vita  des  Antonius 
Ton  Athanasius  in  der  lateinischen  Uebersetzung  des  Euagrius  mehrfach  benutzt.  —  Ausg. 
bei  Vallarsi  2  Sp.  1;  Migne  23  Sp.  17. 

Vita  Malchi.  Ueber  die  Composition  und  den  Zweck  der  Schrift  vgl.  c.  10  haec 
fnihi  senex  Malchus  adolescentulo  retulit.  Haec  ego  vobis  narravi  senex,  castis  historiam 
eastiiaiis  exposui.  Virgines  castitatem  cusfodire  exhortor,  Hieronymus  führt  in  seinem 
Katalog  den  Captivus  monachus,  d.  h.  vita  Malchi,  und  die  vita  beati  Hilarionis  nach  In 
Fäalmos  an.  Vallarsi  schreibt  die  beiden  Biographien  dem  Jahre  390  zu.  Nach  dem 
Katalog  ging  die  vita  Malchi  der  vita  Hilarionis  voraus.  —  Ausg.  bei  Vallarsi  2  Sp.  41 ; 
Migne  23  Sp.  53.  —  Van  den  Ven,  S.  Jöröme  et  la  Vie  du  meine  Malchus  le  Gaptif, 
■Lonvain  1901,  der  den  griech.  Text  der  Vita  ediert  und  die  Priorität  des  lateinischen  erweist. 

Vita  Hilarionis.  Ueber  das  Verhältnis  der  vita  zum  Panegyricus  des  Bischofs 
Epiphanius  vgl.  Prolog.  1  quamquani  sanctus  Epiphanius  Salaminae  Cypri  episcopus,  qui 
cum  Hüarume  plurimum  versatus  est,  laudem  eius  brevi  epistola  scripserit,  quae  vulgo 
legitur,  tarnen  aliud  est  locis  communibus  laudare  defunctum,  aliud  defuncti  proprias  nar- 
rare  virtutes,  Ueber  das  Sagenhafte  vgl.  c.  40  hoc  Epidaurus  et  omnis  illa  regio  usque 
hodie  praedicat  matresque  docent  liberos  suos  ad  memoriam  in  posteros  transmittendam. 
Ueber  das  Motiv  der  Wanderung  Hilarions  vgl.  c.  43  disseminaverat  hoc  de  eo  rumor,  diu 
eum  in  eodem  loco  manere  non  posse,  Quod  ille  non  Imitate  quadam  aut  puerili  sensu 
victus  faeiebat,  sed  honorem  fugiens  et  importunitatem;  semper  enim  silentium  et  vitam 
ignobüem  desiderabat.  —  Israäl,  Die  Vita  S.  Hilarionis  des  Hieronymus  (Zeitschr.  für  wiss. 
Theol.  23  (1880)  p.  129).     Ausg.  bei  Vallarsi  2  Sp.  13;  Migne  23  Sp.  29. 

Litteratur.  J.  H.  Reinkens,  Die  Einsiedler  des  hl.  Hieronymus  in  freier  Bcnr- 
beihing  dargestellt,  Schaffhausen  1864.  Ueber  die  Biographie  Hilarions  vgl.  Zock  1er,  Neue 
Jahrb.  fOr  deutsche  Theol.  3  (1894)  p.  146. 

976.  Die  Nekrologe.  An  die  Mönchslegenden  reihen  sich  natur- 
gemäfis  die  Nekrologe  an,  welche  Hieronymus  in  Briefform  verfasst  bat. 
Einige  derselben  sollen  hier  kurz  besprochen  werden.  Unter  den  adeligen 
Frauen  Roms,  mit  denen  Hieronymus  in  Verkehr  kam,  ragte  besonders 
Marcella  hervor.  Nach  siebenmonatlicher  Ehe  war  sie  Witwe  geworden; 
sie  entachlosa  sieb,  in  dem  christlichen  ^ilwenaVÄiA  txv  N«^^^«^^  ^«»^^ 


396  HieronymuB.    (§  975.) 

schlug  deshalb  einen  glänzenden  Heiratsantrag,  der  ihr  gemacht  wurde,  aoi. 
Sie  war  es,  welche  das  mönchische  Leben  in  die  adelige  römische  Fraueiw 
weit  einführte  und  selbst  ein  Muster  der  Askese  darstellte;  doch  hielt  sae 
auch  für   geistige   Interessen  ihre  Augen  offen.     Sie   forschte    eifrig  in 
der  hl.  Schrift,    und  Bibelstudium  brachte  sie  in  engere  Verbindung  mit  t.' 
Hieronymus,  von  dem  sie  sich  gern  über  strittige  Stellen  belehren  li^ 
Auch   nachdem   Hieronymus   sich   nach  Bethlehem  zurückgezogen  hatte, 
hielt  Marcella   die  Beziehungen  zu  ihm  aufrecht.     Für  ihren  männlichen 
Geist  spricht,  dass  sie  sich  an  dem  origenistischen  Streite  aktiv  beteiligte 
und  der  Sache  des  Hieronymus  zum  Siege  verhalf.   Als  Marcella  im  Jahre 
410  gestorben  war,   ersuchte   Principia,   die  mit  der   Dahingeschiedenai 
lange  Zeit  zusammengelebt  hatte,    den  Kirchenvater,  einen  Nekrolog  auf 
die  gemeinsame  Freundin  zu  schreiben.     Es  verstrichen  zwei  Jahre,  bis 
Hieronymus  die  an  ihn  gestellte  Bitte  erfüllte.    Er  schrieb  den  Nekrolog 
in  Form  eines  Briefes  an  Principia.  Noch  inniger  waren  die  Beziehungen 
des   Hieronymus   zu   Paula,   die   ebenfalls   einem   vornehmen    römischen 
Adelsgeschlecht   entstammte,    und    zu    ihrer    Tochter    Eustochium.     Als  | 
Hieronymus  Rom  verlassen  musste  und  zum  zweitenmal  nach  dem  Orient 
zog,  folgten  ihm  Mutter  und  Tochter  nach  und  machten  mit  ihm  eine  Reise 
zu  den  hl.  Stätten  des  Morgenlandes;  auch  Hessen  sie  sich  mit  Hierony- 
mus 386  zu  Bethlehem  im  klösterlichen  Leben  dauernd  nieder.   Hier  war 
es,  wo  Paula  am  26.  Januar  404  vom  Tode  erreicht  wurde.   Der  Schmerz 
über  ihren  Hingang  war  bei  Hieronymus  gross,  und  er  brauchte  einige  2ieit, 
um  für  Eustochium  das  Büchlein  über  Paula  zu  schreiben.   Dasselbe  erzählt 
die  hl.  Reise  (c.  8)   und  beschreibt  das  klösterliche  Leben   in  Bethlehem 
(c.  19);   auch    ihr  Tod   und  ihr  Begräbnis  wird  mit  lebhaften  Farben  ge- 
schildert (c.  28,  c.  29).     Doch   am    meisten    verweilt   der   Autor   bei  den 
Tugenden    der   Dahingeschiedenen;    er    rühmt    ihre   Demut,    Keuschheit, 
Freigebigkeit  und   ihre  leibliche  Abtötung.     Freilich   muss  er  hierbei  zu- 
geben, dass  die  richtigen  Grenzen  manchmal  von  der  Verstorbenen  über- 
schritten wurden.     Auch  das  Bibelstudium  i)   der  Mutter  und  der  Tochter 
wird   hervorgehoben;   hatten   doch   beide  Hieronymus   ersucht,    mit  ihnen 
das  alte  und  neue  Testament  zu  lesen  und  ihnen  die  schwierigen  SteDen 
zu  erklären ;  ja  Paula  lernte  sogar  noch  das  Hebräische,  um  die  Psalmen 
in  dieser  Sprache   singen   zu   können.     Endlich   weiss   der  Erzähler  auch 
ihre  Abneigung   gegen   die  Ketzer   zu   rühmen  (c.  25);  hierbei  richtet  er 
einen  Angriif  gegen  einen  „Schlaukopf",  welcher  der  Paula  origenistische 
Irrtümer  beibringen  wollte.     Dadurch   greift   der  Panegyrikus   aktuell  in 
das  kirchliche  Leben  ein.    Nach  Art  des  taciteischen  Agricola  fügt  er  am 
Schluss  eine  Apostrophe  an  die  Verstorbene  bei ;  auch  ein  für  das  Grabmal 
bestimmtes   metrisches   Elogium   wird  beigegeben.     An   den  Nekrolog  auf 
Paula  reihen  wir  den  auf  Fabiola.     Diese   war   zuerst  mit  einem  Wüst- 
ling verheiratet,    Hess   sich   von   ihm   scheiden   und  ging  dann  gegen  das 
Verbot  der  Kirche  eine  zweite  Ehe  ein.   Nach  dem  Tode  des  Mannes  er- 
kannte  sie   ihren  Fehltritt   und   that   öifentlich  Busse.     Sie   machte  dann 


^)  Interessant  ist  die  Aeussening  (c.  26):    '   diceret  fundamentum^magis  tarnen  sequdHtinr 
Et   cum  amaret  histariam   et    hoc   reriiaii%  \  intelUgcntlam  %p\rvl\jia\tm. 


Hieronymns.    (§  975.)  397 

iBiiie  Reise  ins  hl.  Land;  ihr  Bibelstudium  brachte  sie  in  besonders  nahe 
Beziehung  zu  Hieronymus,  der  an  sie  zwei  Briefe,  einen  (epist.  78)  über 
4ie  Lagerstätten  der  Israeliten  beim  Auszug  aus  Aegypten  und  einen 
(epist.  64)  über  die  hohenpriesterlichen  Kleider  richtete.  Ihre  Werke  der 
Barmherzigkeit  bieten  dem  Biographen  reichen  Stoff  dar,  ebenso  ihr  Be- 
gräbnis, das  in  Rom  eine  grosse  Kundgebung  hervorgerufen  hatte.  Auch 
diese  Biographie,  welche  an  Oceanus  gerifehtet  ist,  klingt  in  eine  Apo- 
strophe an  die  Verstorbene  aus.  Einen  etwas  anderen  Charakter  haben 
die  zwei  Stücke,  zu  deren  Besprechung  wir  jetzt  schreiten.  Im  Jahre  395 
war  die  Tochter  Paulas,  Paulina,  die  mit  dem  vornehmen  Pammachius 
verheiratet  war,  gestorben.  Erst  nach  zwei  Jahren  (c.  1)  behandelte 
Hieronymus  diesen  Todesfall  in  einem  Schreiben  an  Pammachius.  Da  von 
der  Verstorbenen  nicht  viel  zu  berichten  war,  konnte  er  keinen  Nekrolog 
liefern;  statt  dessen  gibt  er  eine  Verherrlichung  des  Pammachius,  der  in 
den  Mönchsstand  eingetreten  war.  Aehnlich  lag  die  Sache  beim  Tode 
des  Nepotianus.  Dieser  war  der  Sprosse  einer  vornehmen  Familie  und 
diente  als  Militär;  allein  er  gab  diese  Laufbahn  mit  ihren  glänzenden 
Aussichten  auf  und  wandte  sich  einem  streng  christlichen  Leben  zu. 
Von  seinem  Oheim  Heliodor,  Bischof  von  Altinum,  zum  Priester  geweiht, 
f&hrte  er  ein  erbauliches  Leben,  wurde  aber  sehr  bald  vom  Tode  dahin- 
gerafft. Zu  Hieronymus,  der  ihm  eine  Schrift  „Ueber  das  Leben  der 
Kleriker  und  Mönche**  gewidmet  hatte,  sah  er  mit  Verehrung  empor. 
Auch  hier  reichte,  wie  man  sieht,  der  Stoff  nicht  aus,  um  einen  Nekrolog 
zu  schreiben;  Hieronymus  gab  daher  dem  Briefe,  den  er  an  Heliodor 
richtete,  den  Charakter  einer  Consolatio,  in  deren  Mitte  er  den  Lebens- 
lauf des  Verstorbenen  schilderte.  Das  Trostschreiben  ist  sehr  anziehend, 
weil  man  sieht,  dass  Nepotianus  wirklich  in  dem  Herzen  des  Hieronymus 
eine  Stelle  hatte.  Seine  Trostgründe  sind  von  warmer  Ueberzeugungstreue 
getragen  und  gewinnen  einen  effektvollen  Abschluss  durch  ein  Bild  der 
traurigen  Weltlage,  der  der  Verstorbene  entronnen  ist. 

Eine  Eigentümlichkeit  der  hieronymianischen  Nekrologe  ist  ihre 
Einkleidung  in  die  Form  des  Briefes.  Dadurch  bahnt  sich  der  Schrift- 
steller den  Weg,  aus  dem  Bericht  in  die  Rede  und  aus  dem  Epitaphium 
in  die  Consolatio  oder  in  einen  Panegyrikus  auf  den  Adressaten  über- 
zugehen. Interessant  ist  es,  dass  Hieronymus  sich  mehrfach  der  Schul- 
regeln erinnert,  welche  über  das  Epitaphium  gegeben  wurden,  und  dass 
er  mitunter  seine  Behandlung  des  Stoffes  der  in  der  Schultheorie  üblichen 
gegenüberstellt. 

Das  Epitaphium  der  Marcella  (epist.  127).  c.  1  saepe  et  multum  flagitas,  virgo 
Christi  Prineipia,  ut  tnemoriam  sanctae  feminae  Marcellae  litieris  recolam.  c.  14  haec  .... 
una  et  hrevi  lucubratione  dictavi,  c.  1  neque  vero  Marcellam  ....  institutis  rheiorum  prae- 
dicabo.  Die  Zeit  des  Epitaphium  wird  dadurch  festgestellt,  dass  seit  dem  Tode  der  Mar- 
cella, welcher  im  Jahre  410,  als  Alarich  Rom  erobert  hatte  (c.  12),  eintrat  (c.  14),  nach 
dem  Zeugnis  des  Hieronymus  (c.  1)  ein  Biennium  verstrichen  ist;  also  fällt  das  Epitaphium 
in  das  Jahr  412.  —  Ausg.  bei  Vallarsi  1  Sp.  944;  Migne  22  Sp.  1087. 

Das  Epitaphium  der  Paula  (epist.  108).  c.  32  hunc  tibi  (Eustochium)  librum  ad 
duas  lucubratiunculaa  eodem  quem  tu  sustines  dolore  dictavL  Nam  quotiescumque  stilum 
figere  volui  et  opus  exarare  promissum,  toties  obriguerunt  digiti,  ceeidit  manus,  sensus 
elanguit.  ünde  et  ineuUa  oratio  votum  scribetUis  aüqus  uOa  äsgatUia  et  verborum  lepore 
testatur,  c,  2  versicbert  er  anter  feierHchan  Annaf"  ^^^omu  «iftiSl  ^M«rt>^A.iw> 


398  HieronymuB.    (§976.) 

dientium  loqui;  vgl.  auch  c.  15  profiiear  me  nihil  addere,  nihil  in  maius  attoüere  mm\ 
laudantium,  c.  20  te3t<^  ....  me  utramque  in  partem  nihil  fingere,  sed  qua^i  Chriitiamm] 
de  Chrisiiana,  quae  sunt  vera,  proferre,  id  est,  histariam  seribere,  non  panegyricum  et  %Bim\ 
vitia  aliorum  eise  virttUes,  Die  Abfassung  der  Schrift  erfolgte  zwar  nicht  unmittelbar  nach 
dem  Tod  der  Paula,  da  der  Schmerz  noch  zu  gross  war,  aber  doch  nicht  lange  nach  de» 
selben,  der  nach  c.  34  auf  den  26.  Januar  404  fiel.  Das  Epitaphium  gehört  also  aichir 
noch  in  das  Jahr  404.  —  Ausg.  bei  Vallarsi  1  Sp.  684;  Migne  22  Sp.  878. 

Das  Epitaphium  der  Fabiola  (epist.  77).  Ueber  die  Abweichung  von  den  B^ 
geln  der  Schule  in  seiner  Biographie,  die  mit  der  Busse  Fabiolas  beginnt,  vgl.  c.  2.  üeb« 
die  Zeit  der  Abfassung  vgl.  den  Eingang:  er  zählt  den  vierten  Sommer,  seitdem  er  d« 
Epitaph  auf  Nepotianus  geschrieben.  Da  dies  anfangs  896  geschah,  kommen  wir  auf  S9I 
als  Abfassungszeit.  —  Ausg.  bei  Vallarsi  1  Sp.  453;  Migne  22  Sp.  690. 

Das  Epitaphium  der  Paulina  (epist.  66).  Ueber  die  Zeit  gibt  der  Eingang  ia 
Epitaphium  der  Fabiola  Aufschluss.  Dasselbe  ist,  wie  wir  sahen,  399  verfasst.  Da  um 
zwei  Jahre  vorher  das  Epitaphium  nach  dem  Eingang  geschrieben  wurde,  fällt  die  Schrift 
ins  Jahr  397.  -  Ausg.  bei  Vallarsi  1  8p.  391;  Migne  22  Sp.  639. 

Das  Epitaphium  des  Nepotianus  (epist.  60).  Epist.  77, 1  ad  Heliodarum  episcopum 
Nepotiani  scribens  Epitaphium.  Ueber  die  Zeit  des  Briefes  geben  Aufschluss  die  Woiie 
(c.  16):  Ecce  tibi  anno  praeterito  ex  ultimis  Caucasi  rupibus  immissi  in  nos  nan  iam  An' 
biae,  sed  Sepientrionis  lupi  tantas  brevi  provineias  percurrerunt.  Diese  Worte  weisen  aif 
den  von  Rufinus  herbeigeführten  Einfall  der  Hunnen  im  Jahre  395 ;  also  ist  der  Brief  in 
Jahre  396  geschrieben,  c.l  et  sicut  hi  qui  in  brevi  tabella  terrarum  situs  pingunt,  Ua  m 
parvo  isto  volumine  cernas  adumbrata,  non  expressa  signa  virttäum  suscipi€tsque  a  nohii 
non  vires,  sed  voluntatem,  —  Ausg.  bei  Vallarsi  1  Sp.  329;  Migne  22  Sp.  589. 

976.  Das  Martyrologium  Hieronymianum.  Gelegentlich  eines  Con- 
cils,  das  wegen  der  arianischen  Häresie  in  Mailand  stattfand,  machte  es  sich 
als  eine  Neuerung  bemerklich,  dass  der  Bischof  Gregor  von  Cordova  täglidi 
in  der  Messe  die  Märtyrer  erwähnte,  deren  Martyrium  auf  den  betreffendes 
Tag  fiel.  Der  Kaiser  Theodosius  zeigte  über  diese  Einrichtung  grosse  Freude; 
auch  in  den  Reihen  der  EirchenfQrsten  regte  sich  das  Interesse  für  diesen 
Akt  der  Pietät.  Die  Bischöfe  Chromatius  von  Aquileia  und  Heliodor  von  dem 
benachbarten  Altinum  schrieben  daher  an  Hieronymus,  ihnen  den  berühmten 
Festkalender  aus  dem  Archiv  des  Eusebius  von  Caesarea  zu  übersenden. 
Hieronymus  kam  dem  Auftrag  der  Bischöfe  nach;  in  welcher  Weise  dies 
geschah,  darüber  erteilt  er  folgenden  Aufschluss.  Als  Grundlage  diente 
ihm  ein  Werk  des  Eusebius,  der  eine  Statistik  der  Märtyrer  für  die  römi- 
schen Provinzen  auf  Grund  amtlichen  Materials  zusammengestellt  hatte. 
Allein  das  Werk  war  zu  umfangreich,  für  die  Bedürfnisse  seiner  Auftrag- 
geber musste  Hieronymus  ein  handliches  Exemplar  liefern;  er  traf  daher 
eine  Auswahl,  indem  er  für  jeden  Tag  nur  die  berühmtesten  Märtyrer 
notierte.  Lange  hielt  man  die  beiden  Briefe,  in  denen  diese  Dinge  er- 
zählt werden,  für  das  Machwerk  eines  Fälschers,  allein  in  neuerer  Zeit 
hat  sich  eine  gewichtige  Stimme  für  ihre  Echtheit  erhoben.  Den  Brief 
des  Hieronymus  kannte  bereits  Cassiodor;  ein  Grund,  an  die  Spitze  der 
Compilation  einen  falschen  Namen  zu  setzen,  ist  nicht  recht  ersichtlich. 
Der  Inhalt  der  Briefe  ist,  wenn  man  die  Uebertreibungen  in  der  Zahl  der 
Märtyrer  bei  Hieronymus  nicht  zu  scharf  urgiert,  ohne  wesentlichen  An- 
stoss.  Wir  werden  demnach  ein  kurz  gefasstes  Martyrologium  des  Hierony- 
mus, dem  die  zwei  Briefe  als  Einleitung  vorausgeschickt  waren,  anzu- 
nehmen haben.  Ein  solches  war  zur  Zeit  Cassiodors  vorhanden;  ein  be- 
sonderes Kennzeichen  desselben  war,  dass  es  die  Apostelfeste  auf  einmal 
angab.  Da  nun  auch  das  überlieferte  Martyrologium  Hieronymianum  dieses 
Apostelverzeichnis  enthält,  wird  der  Sc\i\\xä^  ^<^^\ä.\X,^\.  ^«vw^  ^'öää  ^^vol^xs^W 


Hieronymas.    (§  976.)  399 

Bent  auf  Hieronymus  zurückgeht.  Dieses  Martyrologium  Hieronymianum, 
lassen  Orundstock  ein  orientalisches  Martyrerverzeichnis  war,  wurde  im 
Laufe  der  Zeit  erweitert,  denn  auch  in  der  abendländischen  Welt  gab  es 
Hartyrerverzeichnisse  von  einzelnen  Diözesen  und  Ländern;  ein  römischer 
und  ein  karthagischer  Martyrerkalender  wurden  in  das  Werk  hinein- 
gearbeitet. Seine  definitive  Gestalt  erlangte  es  aber  in  Gallien,  nach  der 
aiiien  Ansicht  in  Auxerre,  nach  der  anderen  wahrscheinlicheren  in  Luxeuil. 
Dies  geschah  gegen  Ende  des  6.  oder  zu  Anfang  des  7.  Jahrhunderts. 
Auf  diese  in  Gallien  zustande  gekommene  Recension  gehen  alle  unsere  Hand- 
schriften zurück. 

Das  Martyrologium  Hieronymianum  ist  darum  von  besonderer  Wich- 
tigkeit, weil  es  das  universellste  ist  und  den  Osten  und  Westen  der  Kirche 
mnscbliesst.  Wegen  seiner  Quellen  ist  es  für  die  Hagiographie  und  die 
S^rchengeschichte  ein  Dokument  hohen  Ranges,  dessen  Benutzung  aller- 
dings durch  die  Ueberlieferung  erschwert  wird. 

Die  dem  Martyrologium  Hieronymianum  vorausgesetzten  Briefe  des 
Chromatius  und  Heliodor  an  Hieronymus  und  des  Hieronymus  an  die  Ge- 
nannten. Zuerst  hat  Molanus  (Usuardi  Martyrologium,  Löwen  1568,  praef.  c.  2)  diese 
Briefe  ftlr  unecht  erklärt.  Die  Unechtheit  wurde  von  Baronius  (Annales  a.  388,  n.  101) 
näher  begründet  Dagegen  ist  Mommsen  in  seiner  Ausg.  des  Liber  pontificalis  p.  XI, 
Anm.  1  entschieden  fOr  die  Echtheit  eingetreten;  vgl.  auch  Kr u seh,  Archiv  26  p.  373. 

Zur  Geschichte  der  Martyrologien.  Cassiodor.  de  inst.  div.  litt.  c.  32  (70 
8p.  1147  Migne)  et  ideo  futurae  beatitudinis  memores  vitas  patrum,  confeaaiones  fidelium, 
poMsUmes  martyrum  legite  constanter,  quaa  inter  alia  in  epistola  sancti  Hieronymi  ad  Chro- 
maiium  et  Heliodorum  destinata  procul  dubio  reperitis,  qui  per  totum  orbem  terrarum 
flaniere,  vt  sancta  imitatio  vos  provocans  ad  caeUsiia  regna  perducat.  Gregor,  epist.  8,  28 
(77  Sp.  931  Migne)  an  Eulogius,  Bischof  von  Alexandria:  N08  autem  paene  omnium  mar- 
tfrum  distinctis  per  dies  aingülos  passionibus  collecta  in  uno  codice  nomina  habemus  atque 
C€iidiani$  diebus  in  eorum  vener atione  missarum  aoUemnia  agimus,  Non  tarnen  in  eodem 
mUmmine,  quis  qualiter  sit  passua,  indicatur,  sed  tantummodo  nomen,  locus  et  dies  passionis 
panUur.  Unde  fit,  ut  multi  ex  diver sis  terris  atque  provinciis  per  dies,  ut  praedixi,  sin- 
fyloB  eognoscantur  martyrio  coronati.  Sed  haec  habere  vos  beatissimos  credimus.  Die 
Streitfrage  ist,  ob  sich  diese  beiden  Stellen  auf  das  Martyrologium  Hieronymianum  beziehen. 
Dnchesne  behauptet  dies,  während  Kruäch  es  leugnet,  indem  er  sagt  (Archiv  26  p.  371): 
«Cassiodor  hatte  einen  Brief  des  Hieronymus  an  Chromatius  und  Heliodor  und  kein  Mar- 
^rolo|^,  Gregor  I.  zwar  ein  Martyrolog,  aber  nicht  das  Hieronymianum.*  Wenn  der  Brief 
des  Hieronymus  echt  ist,  wie  Mommsen  annimmt,  so  musste  er,  wie  Krusch  meint,  eine 
ansBchlieaslich  auf  Märtyrer  beschränkte,  ganz  summarische  Liste,  eine  perbrevis  sanctorum 
collectio  enthalten  haben;  dieses  Martyrologium  sei  aber  verloren  und  nicht  mit  dem  Mar- 
tjTologinm  Hieronymianum  identisch.  Schwierigkeit  macht  aber,  dass,  wie  im  Martyro- 
lognim  des  Briefes,  so  auch  im  Martyrologium  Hieronymianum  die  Apostel  im  ersten  Teile 
Eosammenstanden,  nicht  unter  den  einzelnen  Tagen  aufgeführt  waren.  Diese  Schwierigkeit 
wird  nicht  völlig  durch  den  Einwand  gehoben,  dass  die  Apostelfeste  auch  noch  an  den  ein- 
seinen  Tagen  zu  finden  sind.  Krusch  sieht  sich  daher  gezwungen  (p.  376),  es  als  möglich 
sa  erachten,  dass  das  Apostel  Verzeichnis  aus  dem  Martyrologium  des  Briefes  erhalten  sei. 
Weiterhin  gibt  Krusch  (1.  c.)  jetzt  zu,  dass  Cassiodor  sich  auf  diesen  Brief  mit  dem  an- 
gehängten Martyrologium  beziehen  könne.  Der  Brief,  schliesst  Krusch,  sei  von  dem  Com- 
püator  in  betrflgerischer  Absicht  seinem  Werke  vorgesetzt  worden,  „um  dem  Kinde  einen 
ber&hmten  Vater  zu  geben*. 

Die  Entstehungsgeschichte  des  Martyrologium  wird  von  Duchesne  (Ausg. 
p.LXXy)  also  zusammengefasst:  «Scilicet  eo  tempore  quo  praeclarorum  virorum  Theodosii, 
Uhromati,  Heliodori,  Hieronymi  nominibus  uti  commode  possent  homines  ad  sui  ingenii 
eommendandos  fructus,  exstitit  in  Italia  superiori  qui  curam  in  se  reciperet  priscorum  sanc- 
torum memorias  colligendi  atque  posteris  recolendas  transmittendi.  Huic  ad  manum  fuit 
saecnli  IV  non  ita  senescentis  martyrologium  graecum,  a  Graecis  ipsis  cito  oblivioni  tradi- 
tom,  sed  cuius  opinamur  aliquam  figuram  repraesentari  posse,  Latin!  illlus  et  Syri  brevia- 
toris  coUatis  operibus.  Jam  patet  ex  Eusebio  graecum  martyrologum,  quem  Nicomediensem 
foisse  multa  suadent,  admodum  profecisse,  nempe  libro  de  Palaestinensibus  martyribna  ei 
CoüectioBe  antiqaoram  martyriorum;  praeterea  Alexandrumm  eette,  1qx\a»i&«  ^>Qa3fik  ^^xioM^Di^ 


400  Hieronymos.    (§  976.) 

nam  kalendarium  adhibuisse.  Uli  fundamento  accrevit  vetastissimam  eccleaiae  Romaine 
kalendarium,  quod  et  ipsom  ad  initia  liberae  christianitatis  ascendere  mamfestum  est;  deinde, 
supplemento  plus  minusve  ampliore,  memoriae  sanctomm  Africanonim,  Italorum,  Hispan». 
nun,  Gallorum,  ceterarurave  provinciamm  Occidentis.  Ex  onmibus  istis  scriptoris  tndi- 
tionibusve  eos  sanctos  expiscatas  est  noster  qui  in  amplissima  festivitate  in  suis  lacis  facre. 
Mox,  sive  primis  curis  slve  secundis,  Afrorum  martyrum  laterculos  addidit,  maltos  et 
copiosos.  Congerie  difficilis  liber,  idem  mole  minime  onerosns,  in  Italia  patria  fatum  tnfit 
brevissiraum,  de  quo  testes  nisi  Gassiodorura  Gregoriumque  pontificem  nullos  novirnos.  Sed 
transiit  ad  Gallos,  apud  quos  tenue  reliquit  vestigium  in  studiis  Turonensis  Gregorü,  mig- 
num  vero  in  labore  anonymi  illius  Autissiodorensis  clerici,  a  quo  et  gentilibus  commen- 
datus  est  et  ad  posteros  propagatus,  omnibus  quotquot  exstant  similis  consilii  operibvs 
fundamentum  praebiturus."  Diese  Ausführungen  sind  besonders  in  zwei  Punkten  von  KruBcli 
bestritten  worden;  1.  er  leugnet,  dass  die  erste  Form  des  Martyrologiom  in  Italien  ent- 
standen sei,  und  er  leugnet  weiterhin,  wie  bereits  gesagt,  die  Beziehung  der  Casaiodor-  und 
Gregorstelle  auf  das  Martyrologium  Hieronymianum.  2.  Er  versetzt  die  Entstehung  des  Mar- 
tyrologium  nach  Gallien  wegen  seiner  gallischen  Färbung,  leugnet  aber,  dass  es  in  Auzene 
gegen  Ende  des  6.  Jahrhunderts  entstanden  sei,  sondern  nimmt  Luxeuil  als  Entstehuogsort 
in  Anspruch  und  die  Jahre  627/28  als  Entstehungszeit.  Wieder  eine  ganz  andere  Ansicht  Aber 
die  Entstehung  finden  wir  bei  Achelis.  Wir  heben  einige  entscheidende  Sfttze  heraus:  p.  91: 
,  Schon  diese  Beobachtungen  beweisen,  dass  die  drei  Kalender  (römischer,  karthag&cbei 
und  orientalischer)  von  verschiedenen  Händen  dem  Martyrologium  Hieronymianum  zuge- 
führt sind.  Der  römische  in  alter  Zeit,  die  andern  beiden  später.*  p.  93:  «Die  Aufnahme 
des  orientalischen  Martyrologs  (in  der  Zeit  Justinians)  ist  der  wichtigste  Punkt  in  der  Ge- 
schichte des  Martyrologium  Hieronymianum.    Bis  dahin  war  es  eine  Urkunde  gewesen,  die 

den  Interessen  einiger  Provinzen  diente;  damals  erhielt  es  universellen  Charakter Bei 

dieser  Gelegenheit  hat  es  auch  seine  Vorrede  und  seinen  Namen  erhalten.  Denn  der  ge- 
fälschte Briefwechsel  des  Chromatius  und  Heliodorus  mit  Hieronymus  feiert  die  Aufiuüune 
des  orientalischen  Kalenders.*'  p.  210:  „Man  kann  zwei  Momente  als  die  wicfatigsteD  b 
der  Geschichte  des  Martyrologium  Hieronymianum  bezeichnen,  den  einen  seiner  ersten 
Schöpfung,  als  von  einem  Unbekannten,  der  bald  nach  der  Zeit  des  Bonifatius  I.  von  Rom 
gelobt  haben  muss,  zuerst  einige  Kalender,  die  einen  partikularen  Charakter  gehabt  haben 
werden,  in  Eins  zusammengefasst  wurden ;  und  den  andern  Moment,  als  dieser  kombinierte 
abendländische  Kalender  mit  dem  grossen  orientalischen  vereint  wurde,  was  wohl  in  der  Ge- 
gend von  Aquileia  um  530  geschah  ....  Den  Elrchenmann,  der  das  Erste  that,  mag  man 
als  den  ersten  Autor,  den  des  Zweiten  einen  Redaktor  nennen  ....  Und  neben  diesem  eben 
Redaktor  stehen  viele  andere,  die  alle  daran  arbeiteten,  das  Martyrologium  Hieronymianum 
zu  vergrössern,  durch  neue  Kalender  oder  Passionen,  oder  durch  Vergleichung  anderer  Hand- 
schriften des  Martyrologium  Hieronymianum,  so  dass  allmählich  die  Entstehungsgeschichte  i 
in  die  Verwüstungsgeschichte  überging."    Vgl.  Chapman,  Revue  B^n^dictine  1903  p.  285. 

Litteratur  über  die  Entstehung  des  Martyrologium.  Vgl.  die  Prolegomeni 
in  der  Ausg.  von  De  R o s s i  und  Duchesne.  Im  Anschluss  an  dieselben  hat  sich  ein  Streit 
zwischen  Duchesne  und  Krusch  entwickelt;  vgl.  Krusch,  Neues  Archiv  der  Ges.  für 
ältere  deutsche  Gescbichtskunde  20  (1895)  p.  437;  Duchesne,  Bulletin  critique  1897  p.  301; 
Krusch,  Zur  Afralegende  und  zum  Martyrologium  Hieronymianum  (1.  c.  24  (1899)  p.  287: 
p.  533);  Duchesne,  Analecta  Bollandiana  17  (1898)  p.  421;  Krusch,  Neues  Archiv  der 
Ges.  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  26  (1901)  p.  351;  Duchesne,  Analecta  Bollan- 
diana 20  (1901)  p.  241.  —  H.  Achelis,  Die  Martyrologien,  ihre  Gesch.  und  ihr  Wert  (Abb. 
der  Gott.  Ges.  der  Wissensch.  N.  F.  Bd.  3  No.  3,  Berl.  1900). 

Ueber  die  Quellen  des  Martyrologium  vgl.  Duchesne,  Ausg.  p.  XLVH:  ,S 
additamenta  quaedam  excepcris,  italica  pleraque  ....  hieronymianum  corpus  tribus  fere  con- 
stat  elementis:  Romano  kalendario,  Orientali  martyrologio  et  Africanis  laterculis*;  vgl 
auch  Achelis  p.  3;  p.  91. 

Ueberlieferung.  De  Rossi  und  Duchesne  haben  den  Text  des  Martyrologiom 
nach  vierfacher  Ueberlieferung  gegeben:  1.  nach  dem  cod.  Bemensis  289  s.  VIII;  2.  nadi 
dem  Fragmentum  Laureshamense  aus  cod.  Vaticanus  Palatinus  238  s.  VIU/IX;  8.  nach  dem 
Epternacensis,  nunc  Parisinus  10837  s.  VlII  und  dem  Breviarium  Richenoviense,  cod.  Tori- 
censis  Hist.  28  s.  IX  mit  den  Excerpta  o  breviariis  Hieronymianis  sive  puris  sive  mixtis 
et  ex  raartyrologiis  historicis;  4.  nach  dem  Wissenburgensis-Guelferbytanus  23  s.  VIII  cum 
cetcris  (d.  h.  den  Abweichungen)  e  progenie  Fontanellensi.  Die  äussere  Einrichtung  ist  die, 
dass  uns  vier  Kolumnen  dargeboten  werden.  Dieselben  reduzieren  sich  (p.  6)  auf  drei,  dt 
hier  das  Fragmentum  Laureshamense  aufhört;  p.  146  auf  zwei,  da  hier  der  Bemensis  anfhfiii 

Ausg.     Martyrologium  Hieronymianum   ad  fidem  codicum   adiectis  prolegomenis  ed. 
J.  B.  de  Rossi  et  L.  Duchesne  (Acta  Sanctorum  Novembris  tom.  1  pars  1,  BrUssel  1894). 
Eine    bündige   und   klare   Uebersicht   der  Prole^omexi«.  %\Vit  5.  V^H\\.,  "D«c  KatiuiUk  74^2    i 
(1894J  p.  314. 


Hieronymos.    (§  977.)  401 

977.  Die  Chronik  des  Hieronymus.  Durch  den  Zug  Alexanders 
des  Grossen  wurden  die  Griechen  mit  der  Geschichte  und  Chronologie 
einer  ganzen  Reihe  von  orientalischen  Völkern  bekannt.  Der  angesammelte 
ungeheuere  Stoff  verlangte  nach  einem  einheitlichen  Mittelpunkt,  und  dieser 
fand  sich  in  den  Büchern  des  alten  Testamentes.  Als  das  Christentum 
aufkam,  musste  das  Bestreben  noch  kräftiger  hervortreten,  die  profane 
Geschichte  mit  der  heiligen  Geschichte  in  Beziehung  zu  setzen.  Dadurch 
dass  man  das  Christentum  als  eine  Fortsetzung  des  Judentums  ansah,  er- 
hielt man  auch  für  die  neue  Religion  eine  geschichtliche  Grundlage,  die 
den  Vergleich  mit  den  ältesten  Völkern  der  Erde  nicht  zu  scheuen  brauchte. 
So  entstand  eine  Chronographie  mit  christlichem  Charakter,  und  der  erste, 
der  dieses  Gebiet  mit  nennenswertem  Erfolge  bearbeitete,  war  Julius 
Afrikanus  (221).^)  Ihm  folgte  der  Bischof  von  Caesarea  Eusebius  (ca.  265 
bis  340),  der  Freund  des  Märtyrers  Pamphilus;  er  verfasste  ein  chrono- 
logisches Werk  in  zwei  Büchern;  im  ersten  Buch  gab  er  die  Geschichte 
der  verschiedenen  Völker,  indem  er  chronologische  Uebersichten  damit 
verband;  im  zweiten  Buch  wurde  die  gesamte  Weltgeschichte  in  syn- 
chronistischen Tafeln  vorgeführt.  Die  Grundlage  bildete  die  mit  der  Ge- 
burt Abrahams  beginnende  Aera;  mit  ihr  verbanden  sich  die  chrono- 
logischen Systeme  der  verschiedenen  Völker.  Mit  dem  Jahre  325  n.  Chr. 
schloss  das  Werk.  Das  chronologische  Handbuch  des  Eusebius  ist  uns 
leider  im  Original  nicht  erhalten ;  doch  lässt  sich  dasselbe  fast  vollständig 
restituieren.  Die  beiden  Bücher  wurden  nämlich  in  das  Armenische  über- 
tragen; diese  armenische  Uebersetzung  schafft  uns  die  Grundlage,  die 
nicht  unbeträchtlichen  griechischen  Fragmente  an  dem  gehörigen  Orte 
einzureihen.  >)  Von  dem  zweiten  Buch,  den  Tabellen,  fertigte  Hieronymus 
eine  lateinische  Bearbeitung  an;  mit  ihr  steht  in  engem  Zusammenhang 
die  syrische  Epitome  des  Dionysius  Telmaharensis  aus  dem  neunten  Jahr- 
hundert.*) Wenn  wir  die  Differenzen  genauer  ins  Auge  fassen,  durch 
welche  die  armenische  Uebertragung  sich  von  der  hieronymianischen  Be- 
arbeitung und  der  syrischen  Epitome  unterscheidet,  so  werden  wir  die 
Entstehung  des  Unterschieds  darin  zu  suchen  haben,  dass  Eusebius  sein  Werk 
zweimal  herausgab,  einmal  vor  und  einmal  nach  seiner  Kirchengeschichte,^) 
und  dass  die  ältere  Ausgabe  dem  Armenier,  die  jüngere  und  verbesserte 
dem  Hieronymus  und  dem  Syrer  vorlagen.  Was  nun  die  Arbeit  des 
Hieronymus  anlangt,  so  kam  sie  in  Constantinopel  in  den  Jahren  380/81 
zu  stände  und  ist  den  Freunden  Vincentius  und  Gallienus  gewidmet. <^)  Er 
diktierte  das  Buch  einem  Schreiber  und  ging  eingestandenermassen  sehr 
tumultuarisch  vor.  Man  wird  nicht  fehlgehen,  wenn  man  annimmt,  dass 
es  dem  Kirchenvater  sehr  darum  zu  thun  war,  die  fertigen  Tabellen  mit 
nach  Rom  zum  Concil  zu  bringen.*)     Wollte  aber  Hieronymus  das  Hand- 


')  üeber  Venache  vor  AfrikantiB,  einen 
Synchronimnns  zwischen  der  alttestament- 
lichen  and  der  profanen  Geschichte  hena- 
stellen,  vgl.  Wachsmuth,  EinL  in  das  Stad. 
der  alten  G^esch.,  Leipc.  1895,  p.  155. 

*)  Schoene,  Anag.  1  p.  XII;  Wdfc- 
chroDik  des  EuaebittB  p.  21, 

Hmadbaah  dw  Umm.  AltartoBinrtataMteft  % 


>)  Eoaebii  can.  epitome  ex  Dionysii  Tel- 

maharenaiB  chronico  petita,  vertenmt  et  ill. 

C.  Siegfried  et  H.  GeUer,  Leipz.  1884. 

^)  Sohoene,  Wdichronä  des  Enaebioa 
p.a7i 


'.  «.   IL 


402  Hieronymus.    (§  977.) 

buch  des  Griechen  Eusebius  für  den  Westen  brauchbar  machen,  so  muaete 
in  demselben  die  römische  Geschichte  mehr  berücksichtigt  werden;  er 
fägte  daher  dem  Abschnitt,  der  von  Troias  Fall  bis  zum  Jahre  325  n.  Chr. 
reicht,  Zusätze  hinzu.  Die  Quellen,  die  er  hierbei  benutzte,  lassen  sidi 
noch  erkennen;  es  waren  dies  Eutrop,  eine  noch  vorhandene  römifiche 
Stadtchronik  aus  dem  Jahre  334,  eine  nicht  näher  bekannte  latina  historia 
und  ein  historisches  Werk  von  Pompeius'  Tod  bis  zur  Schlacht  bei  Aktium. 
Am  wichtigsten  aber  war,  dass  er  auch  die  römische  Litteratur  berück- 
sichtigte und  zu  diesem  Zweck  das  in  seiner  Art  vortreffliche  Werk  Suetoos 
de  viris  illustribus  heranzog.  Aber  Hieronymus  ging  noch  einen  Schritt 
weiter;  er  führte  die  Chronik  selbständig  bis  zum  Jahre  378  fort.  Wir 
haben  sonach  in  der  Arbeit  des  Hieronymus  teils  eine  reine  Uebersetzung, 
teils  eine  Bearbeitung  und  teils  eigenes  Elaborat.  So  sehr  wir  den  Scharf- 
blick des  Kirchenvaters  bewundern  müssen,  dass  er  dieses  praktische  zeit- 
gemässe  Werk  d6m  Westen  zuführte,  so  können  wir  leider  seiner  Be- 
arbeitung nicht  uneingeschränktes  Lob  zollen;  er  hat  nicht  weniges  miss- 
verstanden,  sich  viele  Flüchtigkeitsfehler  zu  Schulden  kommen  lassen  und 
die  von  ihm  herangezogenen  Quellen  sehr  nachlässig  benutzt.  Zwar  tut 
er  sein  Werk,  auch  nachdem  es  erschienen  war,  nicht  aus  den  Augen 
verloren  und,  wie  aus  Spuren  der  Ueberlieferung  ersichtlich,  noch  in  Rom 
manches  geändert;^)  allein  auch  der  Hass  und  die  Leidenschaftlichkeit  des 
Hieronymus  spielte  in  diese  Umarbeitungen  hinein.  Melania  und  Rufinus, 
die  er  in  den  ersten  Exemplaren  seiner  Chronik  ausgezeichnet  hatte, 
wurden  in  den  neuen  entweder  gestrichen  oder  herabgedrückt. 

Trotz  aller  Mängel  war  der  Einfluss  des  hieronymianischen  Werkes 
auf  die  Entwicklung  der  Chronographie  ein  ungeheuerer;  Fortsetzungen 
schlössen  sich  an  die  Chronik  an,  und  das  Mittelalter  schöpfte  seine  chrono- 
logischen Kenntnisse  vorzugsweise  aus  diesem  Werk. 

Verhältnis  der  Uebersetzung  zum  Original.  Praef.  p.  3  Schoene  Itaque  n 
Nino  et  Abraham  nsque  ad  Troiae  captivitatem  pura  graeca  translatio  est.  A  Troia  autem 
usque  ad  XX  Constantiui  annum  nunc  addita  nunc  mixta  sunt  plurima  qiiae  de  Tran- 
quillo  et  ceteris  inlustribus  in  historicis  curiosissime  excerpsi.  A  Constantini  autem  supra 
dicto  anno  (325)  usque  ad  consuJatum  Augustorum  Valentis  sexies  et  Valentiniani  Herum 
(378)  totum  meum  est.  Z.  J.  2342  =  324  n.  Chr.  (2  p.  191  Scb.)  huc  usque  historiam  scrihit 
Eusebius  Pantfili  martyris  contubernalis.  cui  nos  ista  subiecimus. 

Aeussere  Herstellung  der  Uebersetzung.  Praef.  p.  1  Seh.  ohsecro^  ut  quid- 
quid  hoc  tumultuarii  operis  estj  amicorunif  non  iudicum  animo  relegatisj  praesertim  cum  et 
notario  ut  scitis  velocissime  dirtaverim^  et  difficidtatem  rei  etiam  divinorum  voluminum  in- 
strumenta testentur.  Don  Vorgang  stellt  sich  Schoene,  Weltchronik  des  Eusebius  p.  77 
also  vor:  „Hieronymus  liess  zuvor  durch  den  notarius  das  ganze  Zahlengerippe  aus  dem 
Griechischen  ins  Lateinische  umschreiben  und  diktirte  nun  die  einzelnen  kleinen  Text- 
abschnitte in  der  Weise,  dass  er  dem  Schreiber  die  Zahlenkolumne  und  von  ihr  das  be- 
treffende Regierungsjahr  bezeichnete,  neben  welches  der  Textabschnitt  zu  schreiben  war. 
Dies  wiederum  bedingte,  dass  nicht  nur  die  griechischen  Zahlenreihen  zuvor  lateinifich  um- 
geschrieben, sondern  dass  auch  ihre  Unterbrechungen  sorgfältig  bewahrt  werden  mnssten/ 

Veränderungen  in  der  Chronik  durch  Hieronymus.  Z.  J.  2390  :=  373  n.  Chr. 
(2  p.  198  Seh.)  Melania  nobilissima  muJierum  Romanarum  et  MarcelHni  quondam  consulii 
filia,  unico  praetore  tunc  urbano  filio  derelirto,  HierusoUjmam  navigavit,  ubi  tanto  virtutum 
praecipueque  humilitatis  miraculo  fuit,  ut  Theclae  nomen  acceperit.  Rufinus  Apol.  in  Hiero- 
nym.  2,  26  (21  Sp.  605  M.)  etiam  nee  illud  eius  (Hiei'onymi)  admirabile  factum  silendum  tft. 
ne  pudorem  incutiamus  audientibus,  quod  Marcellini  consulis  neptem  (Melaniam),  quam  Bo- 
manae  nobilitatis  primam,  parvulo  filio  Romae  derelicto,  Jerosolyman^  petiisse,  et  tbi  ob  iV 

»)  Schoene  p.  127. 


Hieronymns.    (§  977.)  403 

^ne  meriium  virtutia  Theclam  nominatam,  in  ipsis  Chronicis  suis  scripserat,  post  id  de 
€X€tnplarihu8  suis  erasit,  cum  actus  suos  vidisset  districtioris  disciplinae  feminae  displicere. 
Vgl.  SchoeDe,  WeltchroDik  des  Eusebius  p.  105.  Z.  J.  2393  =  376  n.  Chr.  (2  p.  198  Seh.) 
FTorentinus,  Bonosus  et  Rufinus  insignes  monachi  hahentur,  e  quihus  Florentinus  (PetavianuB: 
Ryfinus)  tarn  misericors  in  egentes  fuit,  ut  vulgo  pater  pauperum  nominatus  sit.  Rufinus 
Apol.  in  Hieronjm.  2,  25  (Sp.  604  M.)  si  inquam  istos  omnes,  quas  tuo  ore  laudasti,  tuo  ore 
rmrtum  eondemnc^,  quid  ego  ad  istos  pulex  de  me  canquerar,  si  me  nunc  laceres,  quem  et 
im  Spistolis  tuis  ante  laudaveras,  et  in  Chronicis  tuis  Florentio  et  Bonoso,  pro  vitae,  ut 
ais,  nobilitate  coniunxeras?    Vgl.  Schoene,  Weltchronik  p.  111. 

Ueber  die  Quellen  des  Hieronvmus.     2  p.  69  Seh.  in  latina  historia  haec  ad 
verhum  scripta  repperimus.    Mommsen,  Ueber  die  Quellen  der  Chronik  des  Hieronymus 
(Abh.  der  sächs.  Ges.  der  Wissensch.  1  (1850)  p.  669)  hat  folgende  Quellen  in  den  Zu- 
altsen  nachgewiesen:  1.  Das  Breviarium  Eutrops  (p.  672;  Benutzung  des  Eutrop  leugnet 
Fr.  Rühl,   Lit.  Gentralbl.  1892   Sp.  5).     2.  Suetonius  de   viris  illustribus;   vgl.   die 
SteUe  in  dem  Absatz  ^Verhältnis  der  Uebersetzung  zum  Original*.    Scaliger  hatte  zum 
erstenmal  gesehen,   dass  die  Notizen  über  die  römische  Litteratur  in  der  Chronik  auf  Sue- 
ions  Werk  de  viris  illustribus  zurückgehe,  welches  dem  Hieronymus  noch  vollständig  vor- 
lag.    Dass  Hieronymus  daneben   kein   anderes  Werk   zu  Rate  zog,    geht  daraus  hervor, 
dass  seine  Notizen  abbrechen,  wo  das  suetonische  Werk  aufhört,  und  dass,  wenn  wir  den 
erhaltenen  Teil  des  suetonischen  Werks  de  grammaticis  et  rhetoribus  zum  Vergleich  heran- 
ziehen,   wir  finden,    dass  Hieronymus  keine    anderen  Grammatiker  und  Rhetoren  aufge- 
nommen hat,    als   die   er  hier  vorfinden  konnte.    Die   Seal  ig  ersehe  Entdeckung  wurde 
weiter  verfolgt    von   C.  Fr.   Hermann,    De    scriptoribus    inlustribus  etc.,    Gott   1848; 
Ritschl,  Parerga  Plaut.  1  (Leipz.  1845)  p.  609;   Reif f erscheid,  Suetoni  reliquiae,  Leipz. 
1860,  p.  364.    3.  An  wenigen  Stellen  das  Breviarium   des  Rufius  Festus;   doch  be- 
zweifelt diese   Benutzung   Schoene,   Weltchronik   des  Eusebius  p.  222.     4.   Eine  noch 
vorhandene  römische  Stadtehronik  aus  dem  Jahre  334;  vgl.  Mommsen  p.  681. 
Abgedruckt  ist   diese  Chronik  bei  Mommsen,  Abb.  etc.  p.  644;   Cnronica  min.  1  p.  143 
und  bei  Friek,  Chronica  min.  1  p.  111.    Die  Stellen  sind  gesammelt  von  Mommsen  in 
Chronica  min.  in   den   Anmerkungen.     Hierzu  kommen  noch  zwei   weitere  Quellen,    über 
die  aber  weniges  beigebracht  werden  kann,   nämlich  5.  die  in  der  ausgeschriebenen  Stelle 
genannte  latina  historia;  vgl.  Mommsen,  Abb.  p.  680;  p.  689.     6.  Eine  Geschichte 
von   Pompeius*  Tod  bis   zur  Schlacht  bei   Aktium;   vgl.  Mommsen  p.  691.     Wir 
haben  wahrscheinlich  mit  H.  Haupt  (Philol.  44  (1885)  p.  291)  an  einen  Liviusauszug  zu 
denken.    Hierzu  gesellen  sich   noch  Notizen   aus  verschiedenen  Quellen;  vgl.  Mommsen 
p.  684.    Die  Quellenfrage  ist  mehrfach  von  Schoene,  Weltchronik  des  Eusebius,  gestreift; 
fiber  die  Chronik   und  Ammianus  Marcellinus   vgl.  p.  206;  p.  213;   über  die  Chronik   und 
die  Hist.  Aug.  vgl.  p.  205 ;  über  das  Verhältnis  des  Hieronymus  zu  den  Caesarea  des  Aurelius 
Victor  vgl.  p.  209;  über  die  Chronik  und  die  sog.  Epitome  des  Ps.-Aurelius  Victor  vgl.  p.  211. 

Die  Regel  Aber  die  Umsetzung  der  Jahre  Abrahams  in  die  der  christ- 
lichen Aera  wird  von  A.  v.  Gutschmid  (Kl.  Sehr.  1  (Leipz.  1889)  p.  433)  also  gegeben: 
„Um  das  Jahr  vor  Christi  Geburt  zu  finden,  dem  ein  Jahr  Abrahams  bei  Eusebios  ent- 
spricht, hat  man  für  die  Jahre  1240 — 2016  das  gegebene  Jahr  von  2017,  um  das  Jahr  nach 
Christi  Geburt  zu  finden,  für  die  Jahre  2017—2209  von  dem  gegebenen  Jahre  2016  abzu- 
ziehen. Mit  dem  Ende  der  Regierung  des  Pertinax  ändert  sich  die  Gleichung,  und  wir 
haben  fQr  die  Jahre  2210—2343  von  dem  gegebenen  Jahre  2018  zu  subtrahieren,  um  das 
entsprechende  Jahr  nach  Chr.  zu  finden.  Dieselbe  Gleichung  gilt  wahrscheinlich  auch  für 
die  älteste  Periode  von  1  —  1239,  in  der  wir  also  das  gegebene  Jahr  von  2019  abzuziehen 
haben,  um  das  betrefiende  Jahr  vor  Chr.  zu  erhalten (p.  4^34)  Endlich  für  die  Fort- 
setzung des  Hieronymus  von  2343—2395  findet  man  das  entsprechende  Jahr  nach  Chr., 
indem  man  2017  abzieht* 

Ueberlieferung.  Es  kommen  folgende  Handschriften  in  Betracht:  1.  Bemensis 
219  s.  VII;  Facsimilo  bei  Zange  me  ist  er -Watte  nbach,  Exempla  Suppl.  Tab.  59.  2.  Aman- 
dinus  8.  VII,  einst  im  Besitz  der  Benediktinerabtei  von  St  Amand,  jetzt  in  der  Stadtbiblio- 
thek von  Valenciennes.  3.  Leidensis  sive  Freherianus  s.  IX.  4.  Petavianna-Leideiurii,  Ms. 
Lat.  Voss.  C.  110  s.  IX/X.  5.  Dem  cod.  Petavianus  sind  am  Schluss  6  Blitter 
(fragmenta  Petaviana)  s.  VI/VII.  Mit  ihm  sind  noch  zu  vereinigen  2  Blätter,  wal 
cod.  Vaticanus  Reg.  1709  finden,  und  14  Blätter  des  Parisinus  6400;  ygL  L.  Ti 
nymi  Chronicorum  cod.  Floriacensis  fragmenta  Leidensia  Parisin*  Vatiqfl"^ 
6.  Middlehillensis  1829,  jetzt  Berolinensis  s.  VIII;  vgl.  Mommsen,  HwiMI 
p.  401.  7.  Vaticanus  Reginensis  560  s.  XUI/XIV;  dieser  ist  wohl  «ine  m 
des  sog.  Fuxensis,  d.  h.  des  Montepessulanus  32  s.  XII/XIII.  Als  neue  Hai 
hinzugekommen:  8.  Oxoniensis  Bodleianus,  olim  Claramontanns,  poiteaL 
vgl  Mommaen  1.  c;  Hardy,   Journal  of  philol.  IQdO  ^.  ^1.   %•  \l 


404  Hieronymus.    (§  978.) 

jetzt  Berolinensis  s.  IX /X;  vgl.  Mommsen  p.  400  Anm.  1.  10.  Londinensis  im  brit.  Mag. 
No.  16974  8.  X;  vgl.  Mommsen  p.  398.  11.  Leidensis  30  s.  XII.  12.  Monac.  12361  (t^ 
E.  Wölfflin,  Archiv  für  lat  Lexikographie  13  (1903)  p.  437).  —  Schoene.  Weltchronik 
des  Eosebius  p.  24.    Ueber  die  Textesrecension   des  Bonifatiiis  vgl.  denselben  1.  c.  p.  127. 

Ausg.  Von  filteren  Ausg.  nennen  wir  die  von  A.  Pontacus,  Bordeaux  1604,  T<m 
J.  Sca liger,  Thesaurus  temporum,  Leiden  1606;  editio  altera,  Amsterdam  1658.  Mass- 
gebende Ausg.  von  A.  Schoene,  Eusebii  chronicorum  libri  duo  1,  Berl.  1875;  2,  Berl.  l!<66: 
vgl.  dazu  A.  V.  Gutschmid,  Fleckeis.  Jahrb.  95  (1867)  p.  677  =  Lit.  Centralbl.  1876  Sp.88o 
=  Kl.  Sehr.  1  (Leipz.  1889)  p.  422. 

Litteratur.  G.  Fr.  Hermann,  De  Script,  illustr.  quorum  tempora  Hieronymus  ad  Ena. 
chron.  adnotavit,  Göttingen  1848;  A.  Schoene,  Quaest.  Hieronymianarum  capita  selecta,  Berl 
1864;  A.  V.  Gutschmid,  De  temporum  notis  quibus  Eusebius  utitur  in  chronicis  canonibus. 
Kiel  1868  =  Kl.  Sehr.  1  p.  448 ;  Unters,  über  die  syrische  Epitome  der  euseb.  Canons,  Statt- 
gart 1886  =  Kl.  Sehr.  1  p.  483;  F.  Overbeck,  Ueber  die  Anfänge  der  KirchengeschichtB- 
schreibung,  Basel  1892;  Th.  Mommsen,  Die  armenischen  Handschriften  der  Chronik  des 
Eusebius  (Hermes  30  (1895)  p.  321);  A.  Sundermeier,  Quaest.  chronographicae,  Kiel  1896; 
A.  Schoene,  Die  Weltchronik  des  Eusebius  in  ihrer  Bearbeitung  durch  Hieronymus,  Beil. 
1900.  Vgl.  auch  0.  Zöckler,  Hieronymus.  Sein  Leben  und  Wirken,  Gotha  18»>5,  p.  S4; 
p.  383;  A.  Ebert,  Allgem.  Gesch.  der  Litt,  des  Mittelalters  1*  (Leipz.  1889)  p.  207. 

978.  De  viris  illustribus.  Von  dem  Heidentum  war  das  Christen- 
tum in  der  ersten  Zeit  durch  eine  grosse  Kluft  getrennt,  durch  die  Un- 
bildung seiner  Bekenner;  denn  thatsächlich  war  das  Christentum  anfangs 
die  Religion  der  Armen.  Mit  Verachtung  schauten  daher  die  gebildeten 
Heiden  auf  die  neue  Sekte  herab.  Als  im  Laufe  der  Zeiten  auch  aus 
den  gebildeten  Klassen  viele  zum  Christentum  übertraten,  war  auch  die 
Möglichkeit  einer  christlichen  Litteratur  gegeben,  und  diese  liess  nicht 
lange  auf  sich  warten.  Bei  den  Griechen  und  später  bei  den  Lateinern 
traten  zahlreiche  Schriftsteller  christlichen  Bekenntnisses  auf.  Es  ent- 
wickelte sich  eine  christliche  Litteratur,  die  sich  kühn  neben  die  natio- 
nalen Litteraturen  stellen  durfte.  Es  lag  nahe,  auch  den  Heiden  von 
der  Reichhaltigkeit  der  christlichen  Litteratur  Kenntnis  zu  geben,  um  ihr 
Vorurteil  gegen  die  neue  Lehre  zu  brechen.  Von  diesem  Gedanken  mochte 
der  praefectus  praetorio  Dexter  ausgegangen  sein,  als  er  Hieronymus  auf- 
forderte, ein  chronologisches  Verzeichnis  der  christlichen  Autoren  zu  ent- 
werfen; als  Muster  stellt  er  ihm  das  Werk  des  Suetonius  „de  viris  inlustri- 
bus"  vor  Augen.  Der  Kirchenvater  kam  dem  Auftrage  nach;  in  seinem 
Erdenwinkel  in  Bethlehem  verfasste  er  im  Jahre  392  ein  Werkchen.  Er 
stellte  einen  Katalog  von  135  Autoren  zusammen;  er  begann  mit  Petrus 
und  schloss  mit  sich  selbst.  Alle  Autoren,  welche  über  die  hl.  Schriften 
geschrieben  haben,  sollten  aufgenommen  werden.  Nach  dem  Vorbild  Sue- 
tons  erhält  jeder  Autor  sein  eigenes  Kapitel.  Dem  Umfang  nach  sind 
die  Kapitel  sehr  ungleich;  was  den  Inhalt  anlangt,  so  enthalten  dieselben 
nicht  bloss  litterarisch-historische,  sondern  auch  biographische  Notizen. 
Der  Stil  ist  einfach  und  schmucklos;  man  sieht,  auch  hier  ist  das  Vorbild 
Suetons  massgebend  geworden.  Ueber  die  Tendenz  des  Schriftchens  lässt 
uns  Hieronymus  nicht  im  Unklaren.  Am  Schluss  des  Prologes  sagt  er: 
„Die  grimmigen  Bestreiter  des  Christentums  möchten  aus  dem  Katalog 
ersehen,  welche  Schar  von  Geistern  in  der  Kirche  thätig  gewesen  ist, 
und  sonach  aufhören,  dem  Christentum  Unbildung  zuzuschreiben.* 

Veranlassung  und  Vorbild  des  Werks.  Prolog.  Uortaris,  Dexter,  ut  Tran- 
quillum  sequens  ecclesiasticos  scriptores  in  ordinem  digeram  et,  quod  ille  in  enumerandi* 
gentilium  lUterarum  viris  fecit  inlustribus,  ego  in  nostris  faciantf  id  est,  lU  a  passitme 
Christi  usqiie  od   quartum  decimum  THeodosti  impcratorVs  an-num  VjjNäö^^'^  ov^tvfe*  ^\  ^^ 


HieronymuB.    (§  978.)  405 

Seripturis  Sanctis  memoriae  aliquid  prodiderunt  tibi  breviter  exponam.  Feeeruni  quidem 
koc  idem  apud  Graecos  Hermippus  peripateticus,  Antigonus  Carystius,  Satyrus  doctus  vir, 
H  lange  omnium  doctissimus,  Aristoxenus  musicus;  npud  Latinos  atitem  Varro,  Santra, 
ÜTtpos,  Hyginus,  etj  ad  cuius  nos  exemplum  vis  provocare^  Tranquillus,    üeber  Dexter  vgl. 

L335  Anm.  2.  Vgl.  das  Kap.  «Das  saeton.  Vorbild'*  bei  Bernoulli,  Der  Schriftstellerkatalog 
I  H.,  Freiburg  i.  B.  1895,  p.  74;  Leo,  Die  griech.-röm.  Biogr.,  Leipz.  1901,  p.  311  Anm.  2. 

Tendenz  der  Schrift.  Am  Schlass  seines  Briefes  an  Dexter  sagt  Hieronymus: 
DUcant  igitur  Celsus,  Porphyrius,  Julianus,  rahidi  adversum  Christum  canes,  discant  sec- 
tatores  eorum  qui  putant  ecclesiam  nullos  philosaphos  et  eloquentes,  nullos  habuisse  doe- 
iortB,  quanti  et  quales  viri  eam  fundaverint,  struxerint,  adornaverint,  et  desinant  fidem 
nostram  rusticae  tantum  simplicitatis  arguere,  suamque  potius  imperitiam  recognoscant. 

Die  Integrität  des  Werks  wurde  gegen  eine  unbegründete  Hypothese  Ebrards 
(Besitzen  wir  den  voUstfindigen  Text  von  Hieronymus  „de  viris  illustribus**  ?  in  Zeitschr. 
für  bist.  Theol.  A.  F.  32  (1862)  p.  403)  in  Schutz  genommen  von  Sychowski,  Hieronymus 
ftls  Litterarhistoriker  p.  37  und  Gebhardt,  Ausg.  der  griech.  Uebers.  der  vir.  ill.  p.  XXVIU 
(s.  p.  408). 

Verschiedene  Ausg.  der  viri  illustres.  C.  81  findet  sich  zu  der  BQcherzahl 
des  Werkes  (30)  Contra  Porphyrium  in  einer  Gruppe  von  Handschriften  der  Zusatz:  de  quibus 
ad  me  XX  tantum  pervenerunt.  Auch  die  griechische  Uebersetzung  hatte  diese  Worte  vor 
sich.  Da  es  schwer  denkbar  ist,  dass  ein  solcher  Zusatz  von  fremder  Hand  herrührt,  an- 
dererseits aber  derselbe  auch  in  Handschriften  fehlt  und  eine  Weglassung  durch  Schuld 
der  Abschreiber  auch  wenig  wahrscheinlich  ist,  wird  man  zu  der  Annahme  gelangen,  dass 
die  Handschriftengruppe,  welche  die  bezeichneten  Worte  hat,  uns  eine  2.  Ausg.  der  viri 
iUnstres  repräsentiert,  während  die  Handschriftengruppe,  in  der  sie  fehlen,  uns  die  erste 
Ausg.  darstellt.  Auch  das  letzte  Kapitel,  das  die  eigene  Schriftstellerei  des  Hieronymus 
behandelt,  führt  auf  eine  Wiederausgabe  der  viri  illustres.  Dieselbe  Handschriftengruppe, 
die  in  c.  81  den  Zusatz  bietet,  fügt  am  Schluss  des  c.  135  noch  die  Worte  hinzu:  adversus 
Jotinianum  libros  duos  et  ad  Pammachium  Apologet icum  et  Epitaphium.  Den  gleichen 
Zusatz  setzt  die  griechische  Uebersetzung  voraus.  Cod.  Parisinus  olim  Cluniacensis  Nouv. 
acq.  lat.  1460  s.  X  gibt  statt  der  obigen  Worte  folgenden  Zusatz:  Item  post  hunc  librum 
dtdicatum,  contra  Jovinianum  haereticum  libros  duos  et  Apologeticum  ad  Pammachium. 
Auch  diesen  Nachtrag  in  beiden  Fassungen  wird  man  nicht  einem  Interpolator,  sondern 
dem  Hieronymus  selbst  zuteilen  und  zwar  zwei  verschiedenen  Ausgaben,  die  er  bald  der 
ersten  Ausg.  folgen  Hess.  Er  fügte  daher  noch  die  Schriften  hinzu,  die  inzwischen  er- 
schienen waren.  Die  eine  Ausg.  war  seinem  Freunde  gewidmet,  und  für  sie  ist  die  zweite 
Fassung  bestimmt;  in  der  ersten  Fassung  ist  das  Wort  Epitaphium  auffällig,  allein  ein 
Brief  Augustins  an  Hieronymus  (epist.  40 ;  33, 154  M.)  und  die  Antwort  des  Hieronymus  auf  diesen 
Brief  (epist  112;  22,  916  M.)  geben  uns  über  den  Sachverhalt  Aufschluss.  Der  Schriftsteller- 
katalog  war  im  Grunde  genommen  ein  an  Dexter  gerichteter  Brief  und  konnte  daher  eines 
Sachtitels  entbehren.  Für  das  titellose  Buch  kam  aber  der  Titel  'Epitaphium'  in  Umlauf; 
denn  Augustin  hörte  diesen  Titel  von  dem,  der  ihm  das  Buch  übermittelte.  Der  Titel  war, 
wie  leicht  zu  sehen,  unpassend,  da  ja  auch  lebende  Personen  in  dem  Katalog  behandelt 
waren;  auch  Hieronymus  gab  dies  zu  und  schreibt  (epist.  112  Sp.  917  M.):  Ergo  hie  libei' 
de  Illustribus  Viris  vel  proprie  de  Scriptoribus  Ecclesiasticis  appellandus  est. 
Hieronymus  fügte  also  in  den  neuen  Ausgaben  auch  den  Schriftstellerkatalog  selbst  seinen 
Werken  zu,  indem  er  ihn  einmal  mit  Epitaphium,  das  andere  Mal  mit  liber  dedicatus  be- 
zeichnete. —  Vgl.  die  grundlegende  Untersuchung  von  Gebhardt  p.  XXL 

Ueberlieferung.  Da  das  Buch  de  vir.  ill.  viel  gelesen  wurde,  existiert  eine  grosse 
Anzahl  von  Handschriften,  die  nicht  leicht  zu  sichten  ist.  Bernoulli  (Ausg.  p.  XVI)  hat 
folgende  4  Handschriften  als  die  besten  Zeugen  für  den  Text  auserwählt:  1.  Vaticanus 
Reginensis  2077  s.  VI/VII,  Palimpsest,  dessen  Oberschrift  s.  VII  Hieronymus  u.  a.  enthält; 
2.  Parisinus  12161  s.  VII  aus  Corbie  stammend;  3.  Veronensis  XXII  (X.X)  s.  VIII;  4.  Ver- 
cellensis  183  s.  VIII.  Richardson,  der  eine  grosse  Anzahl  von  Handschriften  eingesehen, 
hat  ausser  den  vier  genannten  noch  folgende  als  beachtenswert  erkannt  (p.  LIV):  5.  Vindo- 
bonensis-Bobiensis  16  s.VIII/IX,  6.  Monacensis  6333  s.  IX,  7.  Montepessulanus  406  s.  VlII/IX, 
8.  Parisinus  1856  s.  X,  9.  Parisinus  4955  s.  X.  Richardsons  Untersuchung  ruht  auf  einer 
ganz  unsicheren  Basis,  da  er  die  griechische  Uebersetzung  geringschätzig  beiseite  geschoben 
(p.  XLIII)  und  nicht  geprüft  hat,  ob  Hieronymus  nicht  mehrere  Ausgaben  veranstaltete. 

Ausg.  Ueber  die  Ausg.  der  Schrift  vgl.  Bernoulli,  Ausg.  p.  XXV;  Richardson 
p.  XLIV;  Sychowski  p.  10.  Die  editio  princeps  erschien  Rom  1468  (epistolae  et  tractatus 
2  Bde.);  die  Ausg.  rührt  von  Andreas  von  Aleria  (Corsica^  her.  Mit  den  Fortsetzem 
wnrde  die  Schrift  vorzüglich  herausgegeben  von  Fabricins,  Bibliotheca  ecclesiastica,  Hamb. 
1718.  Wir  reihen  an  die  Ausg.  von  Vallarsi  2  So.  807;  Migne  28  Sp.  63L  Nene  Äjaa^ 
sind  die  von  Herding,  Leipz.  1879  (in  jeder  Beneii\m|^  \i!i%«ii^«u^t^Äft  ^^nk'^^VBkWi^x^ 


406  Hieronymos.    (§  979.) 

Sammlung  ausgew.  kirchen-  und  dogmengeschichtl.  Quellenscliriften  11.  Heft,  Freib.  i.  Br. 
und  Leipz.  1895  (für  praktische  Zwecke  recht  branchbar)  und  die  von  Richardson,  Texte 
und  Untersuchungen  14.  Bd.  1.  Heft,  Leipz.  1896  (keine  abschliessende  Arbeit). 

979.  Charakteristik  des  Werks.     Der  Gedanke,  den  Dexter  an- 
geregt hatte,  war  gut,  allein  die  Ausführung  des  Hieronymus  blieb  hinter 
dem  gesteckten  Ziele  weit  zurück.     Schon  im  Aufbau  des  Ganzen  zeigen 
sich  erhebliche  Mängel.     Nach  der  Ankündigung  des  Prologs  sollte  man 
eine  bestimmte  chronologische  Reihenfolge   der  Autoren  erwarten,  allein 
bei   näherem  Zusehen   entdecken  wir,  dass   die  Chronologie   nicht  streng 
durchgeführt  ist;   ferner  sollten  nach  den  Ankündigungen  nur  kirchliche 
Schriftsteller  behandelt  werden,  allein  auch  Häretiker  werden  aufgeführt, 
ja  sogar  Juden  und  der  Heide  Seneca  sind  in  den  Katalog  aufgenommen. 
Hier  hat  die  Tendenz,  möglichst  viele  Autoren  für  seinen  Katalog  zu  ge- 
winnen, den  Verfasser  verführt,  über  das  Ziel  hinauszugehen.     Endlich 
stört  uns  auch  die  Ungleichheit  der  Ausführung  in  den  einzelnen  Kapiteln, 
die  der  Bedeutung  der  Persönlichkeiten  oft  gar  nicht  gerecht  wird.    So 
wird  c.  124  die  gewaltige  Persönlichkeit  des  Ambrosius  mit  wenig  stichhaltiger 
Motivierung  in  einigen  Zeilen  abgethan.    Noch  härter  muss  unser  Urteil 
über  das  Werkchen   ausfallen,    wenn  wir  seinen  Gehalt  einer  genaueren 
Prüfung  unterziehen.    Gewiss  hätte  Hieronymus  sich  ein  ausserordentliches 
Verdienst  erwerben   können,   wenn  er  auf  Grund  umfassender  Studien  in 
Bibliotheken    ein    Verzeichnis    der    christlichen   Autoren    gegeben    hätte. 
Allein   dieser  Mühe   hat  sich  leider  Hieronymus   entschlagen.      Nur  mit 
wenigen  Hilfsmitteln  ausgerüstet,  schrieb  er  in  grösster  Eile  und  Leicht- 
fertigkeit sein  Büchlein.     Seine  Hauptquelle  ist  die  Kirchengeschichte  des 
Eusebius.     In   den   ersten  78  Kapiteln   ist  er  wesentlich  als  Ausschreiber 
desselben   zu  betrachten.     69  Nummern   sind  einfach   aus   ihm    herüber- 
genommen.    Aber  diese  Quelle   ist   nicht  einmal  mit  Sorgfalt  benutzt;  er 
missversteht  nicht   selten   seinen  Autor,    weil   er  ihn  zu  flüchtig  gelesen, 
er  begeht  Uebersetzungsfehler,  auch  fügt  er  phantastische  Erweiterungen 
zu  den  Angaben  des  Eusebius  hinzu.     Eine  kritische  Prüfung  seiner  Vor- 
lage hat  er  niemals  vorgenommen;  er  geht  oft  so  gedankenlos  zu  Werke, 
dass   er    sich    mit  Eusebius   verwechselt,   d.  h.  chronologische    Daten   ab- 
schreibt, die  nur  für  die  Zeit  des  Eusebius,  nicht  für  seine  eigene  passen. 
Was   aber   unser  Urteil   über   dieses  Ausschreiben   des  Hieronymus  noch 
härter  gestalten  muss,   ist,    dass  der  Autor  bestrebt  ist,   seine  Abhängig- 
keit von  seiner  Quelle  zu  verschleiern  und  sich  den  Schein  eigenen  Wissens 
zu  geben.     Ausser  Eusebius   kommen   die   anderen  benutzten   Quellen  so 
gut  wie  nicht  in  Betracht.    Es  sind  dies  seine  Chronik,  die  er  regelmässig 
zum  Vergleich  herbeizog,  und  für  die  ersten  zehn  Kapitel  das  neue  Testa- 
ment.  Es  ist  sonach  klar,  dass  für  alle  Notizen,  die  in  unserm  Schriftchen 
aus  Eusebius   genommen  sind,   Hieronymus   nicht  als  selbständiger  Zeuge 
aufgeführt  werden  darf.   Es  bleiben  also  nur  die  Zusätze,  die  Hieronymus 
zu  Eusebius  gemacht  hat.     Allein   auch  hier  wird  uns  kein  lauteres  Gold 
geboten,  keine  Früchte  eifrigen  Nachforschens,  es  sind  Bemerkungen,  wie 
sie  sich  jedem  gelehrten  Mann    mehr   oder  weniger  darbieten.     Auch  die 
lobenden  Prädikate,   die   sich    in   reicher  Anzahl  eingestreut  finden,  sind 
nicht  das  Produkt  einer  gewisservhail^xv  \\\X,^\«jc:\^^^tv^^\^\^>;vw%^  'sä  ^s^ 


Hieronymos.    (§  979.)  407 

vielmehr  aus  der  Tendenz  hervorgegangen,  die  christliche  Litteratur  so 
bedeutend  als  möglich  erscheinen  zu  lassen.  Dieser  Teil  des  Werkchens 
kann  daher  von  dem  Litterarhistoriker  völlig  ausser  Acht  gelassen  werden. 
Für  diesen  kommt  das  Büchlein  erst  von  da  an  in  Betracht,  wo  die  Haupt- 
quelle versiegt,  nämlich  mit  c.  79,  wo  Arnobius  einsetzt.  In  diesem  Teil 
erhalten  wir  Notizen,  die  uns  sonst  nicht  bekannt  sind.  Da  Hierony- 
mos mit  den  gelehrten  Bestrebungen  seiner  Zeit  in  enger  Fühlung  stand, 
gewann  er  viele  Kenntnisse  über  die  litterarische  Produktion.  Diese 
Kenntnisse,  die  ihm  zufällig  und  gelegentlich  geworden,  verwertete  er  in 
seinem  Katalog;  systematische  Studien  sind  auch  für  diesen  Teil  nicht 
gemacht  worden. 

Der  Katalog  des  Hieronymus  wurde  als  erster  Versuch  einer  christ- 
lichen Litteraturgeschichte  bahnbrechend.  Bis  in  das  Mittelalter  hinein 
fand  er  Fortsetzer. i)  Derselbe  wurde  zwischen  dem  7.  und  9.  Jahrhundert 
sogar  ins  Griechische  übersetzt.  Noch  in  neuester  Zeit  bewunderte  man 
das  Werkchen;  erst  eine  eingehende  Quellenuntersuchung  zerstörte  den 
Ruhm  des  Schriftchens. 

Quellen.  Hieronymos  sagt  in  seinem  Brief  an  Dexter:  Ego  quid  actunis,  qui 
nullum  praevium  sequens,  peaaimum,  ut  dicitur,  tnagistrum  niemet  ipsum  habeo?  Quam- 
guam  et  Eusebius  Pamphili  in  decem  Eccleaiasticae  Historiae  Hbris  maximo  nobis  adiumento 
ftterit  et  aingtdarum  de  quibtis  scripturi  sutnus  volumina  aetates  auctorum  suorum  saepe 
testentur,  c.  15  Disputatio  Petri  et  Appionia  longo  sermone  conacripta,  qiMtn  Eusebius  in 
tertio  Ecclesiasticae  Historiae  volumine  coarguit.  c.  54  De  sexto  Eusebii  Caesariensis  Eccle- 
siasticae  Historiae  libro.  Lange  Zeit  sah  man  merkwürdigerweise  von  einer  Untersuchung 
der  Quellen  des  Schriftchens  ab;  erst  vor  kurzem  ist  man  dieser  unumgänglich  notwendigen 
Aufgabe  nachgekommen;  fast  zu  gleiclier  Zeit  erschienen  die  vortrefflichen  Schriften  von 
Sychowski,  Hieronymus  als  Litterarhistoriker,  eine  qnellenkrit.  Untersuchung  der  Schrift 
des  Hieronymus  ,de  vir.  ill.*  (Eirchengeschichtl.  Studien  2.  Bd.  2.  Heft,  Münster  1894)  und 
Bernoulli,  Der  Schriftstellerkatalog  des  Hieronymus,  Freiburg  i.  B.  1895.  Der  letztere 
iintersacht  die  cc.  1 — 78,  Sychowski  prüft  sämtliche  Kapitel,  welche  nach  dem  Text  von 
Vallarsi  gegeben  werden.    Es  kommt  noch  hinzu  J.  Huemer,  Wien.  Stud.  16  (1894)  p.  121. 

Die  griechische  Uebersetzung  ist  neuerdings  Gegenstand  mehrerer  Arbeiten 
geworden,  welche  zu  einer  klaren  Einsicht  in  dieselbe  führten. 

«t)  Die  Persönlichkeit  des  Uebersetzers.  Die  Züricher  Handschrift  gibt  keinen 
Verfasser  an,  Erasmus  hingegen  bezeichnet  in  zwei  beiläufigen  Aeusserungen  Sophronius 
als  Autor  der 'Uebeisetzung.  Es  liegt  hier  eine  Combination  vor.  Erasmus  hatte  bei 
Hieronymus  (de  vir.  ill.  134)  gelesen,  dass  Sophronius  Schriften  des  Hieronymus,  wie  De 
virginitate  ad  Eustochium  und  die  Vita  Hilarionis,  elegant  ins  Griechische  übersetzte.  Da 
nicht  einmal  überliefert  ist,  dass  Sophronius  de  vir.  ill.  übersetzte,  ist  der  Annahme  des 
Erasmus  jede  Unterlage  entzogen.  Der  Verfasser  war  ein  Grieche,  der  über  einen  reichen 
Vorrat  von  gewählten  Ausdrücken  gebot  (vgl.  Gebhardt  p.  X;  Weyman,  Berl.  philol. 
Wochenschr.  1897  Sp.  139),  des  Lateinischen  dagegen  nur  mangelhaft  kundig  war;  vgl.  Geb- 
hardt p.  XI;  Weyman  Sp.  140.  Auch  sein  theologisches  Wissen  scheint  nicht  besonders 
tief  gewesen  zu  sein. 

p)  Zeit  der  Uebersetzung.    Den   terminus  ante  quem  der  Uebersetzung  erhalten 
wir  durch  die   von  G.  Wentzel,  Die  griech.  Uebersetzung  der  viri  inlustres  des  Hierony- 
mos (Texte  und  Untersuchungen  13.  Bd.  8.  Heft  (Leipz.  1895)  p.  12)  festgestellte  Thatsache, 
dass  die  griechische  Uebersetzung  in   der  Epitome«  des  Hesychius  von  Milet,   welche  auch 
Snidas  und  Photius  benutzten,  herangezogen  ist.     Da  die  Epitome  nach  Wentzel  (p.  57) 
xwischen  829  und  857  verfasst  ist,   muss  die  Uebersetzung  vor  das  9.  Jahrhundert  fallen. 
Fflr  den  terminus  post  quem  der  Uebersetzung  glaubt  Gebhardt  nur  die  Sprache  als  Kri- 
terium heranziehen  zu  können   und  meint  (p.  VIll),   dass  keine  Nötigung  aus  sprachlich«* 
Gründen  vorliege,  unter  das  7.  Jahrhundert  herabzusteigen.    Allein  dieser  terminoa  li* 
sich  aach  noch  anders  feststellen.     Zwischen  den  von   der  griechischen  Uebersetmi^c 
geschobenen   10  Kapiteln  (Andreas,  Jacobus  Zebedaei,   Philippus,  Bartholomaei»,  Tli' 
Simon  Cananaeus,  Matthias,  Timotheus,  Titus,  Crescenz   und  dem  Eonncheii  der  Cr 

V  Vg7.  die  Zasammensteilung  bei  Sychowaki,  H.  alft  Uttomfaiit  r 


408  HieronymuB.    (§  980.) 

und  den  Katalogen  (von  Aposteln,  Jüngern  und  Propheten)  des  Pseudo-Dorotheos  bestdü 
ein  Verwandtscbaftsverhältnis.  Dasselbe  wird  mit  Lipsius  (Die  apokiyplien  ApostelgeacL 
und  Apostellegenden  1  (1883)  p.  202)  dahin  zu  deuten  sein,  dass  der  Uebersetzer  von  den 
Katalogen  abhängt.  L.  Duchesne,  Les  anciens  recueils  de  legendes  apostoliques  (Compte 
rendu  du  3.  congrös  scientif.  intemat.  des  catholiques,  section  5  (Bmxelles  1895)  p.76)  kommt 
bezüglich  der  Zeit  dieser  Kataloge  zu  dem  Ergebnis:  ,La  composition  de  nos  catalognes 
peut  et  doit  &tre  report^e  jusq'au  Yll^  si^cle.  II  ne  serait  mdme  pas  impossible  de  les 
faire  remonter  un  peu  plus  haut/  Demnach  müsste  die  Uebersetzung  zwischen  dem  6.  oder 
7.  und  dem  9.  Jahrhundert  liegen,  und  der  Zeitgenosse  des  Hieronjmus,  Sophronius,  win 
als  Verfasser  derselben  ausgeschlossen;  vgl.  Weyman  1.  c.  Sp.  139;  Van  den  Yen, 
S.  Jöröme  et  la  Vie  du  meine  Malchus,  Louvain  1901,  p.  126. 

y)  Ueberlieferung  und  Ausgaben  der  Uebersetznng.  Zum  erstenmal  wurde 
die  griechische  uebersetzung  der  Schrift  de  viris  illustribus  von  Erasmus  in  Omnitun 
operum  Di  vi  Eusebii  Hieronymi  Stridonensis  tomus  primus,  Basel  1516  herausgegeben.  Dir 
folgten  andere  Ausgaben,  welche  jedoch  alle  auf  dieser  editio  princepe  beruhen  und  den 
Text  immer  fehlerhafter  gestalteten;  vgl.  Gebhardt  p.  XYII.  Die  Handschrift,  aus  der 
Erasmus  die  Uebersetzung  abdrucken  Hess,  ist  in  der  Stadtbibliothek  zu  Zürich  von  Carl 
Albr.  BernouUi  im  Jahre  1895  wieder  aufgefunden  worden  (vgl.  Theol.  Litteratm-- 
Zeitung  1895  Sp.  475);  es  ist  die  Handschrift  C.  11.  Eine  Beschreibung  der  Handsehrift 
gibt  H.  Omont,  Centralbl.  fOr  Bibliothekswesen  3  (1886)  p.  442.  Die  Partie,  welche  die 
Uebersetzimg  enthält,  ist  nur  durch  einen  Zufall  in  den  Codex  geraten;  sie  stammt  ans 
s.  XIV.  —  Massgebend  ist  die  Ausg.  von  0.  v.  Gebhardt,  Texte  und  üntersuchnngen 
14.  Bd.  1.  Heft,  Leipz.  1896. 

ß)  Revision  und  Uebersetzung  der  hl.  Schrift. 

980.  Die  Vulgata.  Das  Schicksal,  das  der  Ueberlieferung  des  ge- 
schriebenen Wortes  vor  allem  anhaftet,  die  Trübung  des  ursprünglieheD 
Textes,  war  auch  der  lateinischen  Bibelübersetzung,  welche  unter  dem 
Namen  der  Itala  im  Abendland  allgemeine  Verbreitung  gefunden,  nicht 
erspart  geblieben.  Und  je  mehr  das  Buch  der  Bücher  abgeschrieben  und 
gelesen  wurde,  je  mehr  die  verwandten  Materien  miteinander  verglichen 
wurden,  desto  mehr  musste  sich  dasselbe  von  seiner  ursprünglichen  Form 
entfernen.  Es  war  daher  sicher,  dass  ein  Zeitpunkt  kommen  würde,  in 
dem  die  Abweichungen  im  Text  des  Schriftwortes  sich  so  fühlbar  machten, 
dass  zu  einer  Reinigung  des  Textes  geschritten  werden  musste.  Dieser 
Zeitpunkt  trat  gegen  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  ein.  Der  Papst  Da- 
masus hat  das  Verdienst,  die  reformierende  Hand  hier  angelegt  zu  haben, 
er  hat  auch  das  Verdienst,  die  richtige  Persönlichkeit  für  das  Werk  heraus- 
gefunden zu  haben,  es  ist  Hieronymus.  In  doppelter  Weise  konnte  die 
Aufgabe  angefasst  werden.  Man  konnte  eine  neue  Uebersetzung  ab- 
fassen; allein  so  naturgemäss  dieser  Weg  erscheint,  Hieronymus  wagte 
ihn  fürs  erste  nicht  zu  beschreiten.  Das  Wort  der  Schrift  war  bereits 
eine  Macht  geworden,  es  lebte  in  den  Herzen  und  in  dem  Gedächtnis  von 
Tausenden.  Wollte  man  dieses  Wort  jetzt  in  einer  ganz  neuen  Gestalt  den 
Gläubigen  darbieten,  so  liiess  das  nichts  anderes,  als  ihnen  zumuten,  mit 
Altgewohntem  zu  brechen.  Und  wie  schwer  ein  solcher  Bruch  wiegt,  zeigen 
die  Bestrebungen  unserer  Tage,  die  Bibelübersetzung  Luthers  zu  revidieren. 
Hieronymus  entschied  sich  daher  für  die  Revision.  Er  begann  mit  den 
verbreitetsten  Büchern,  mit  dem  neuen  Testament  und  dem  Psalter.  Im 
Jahre  383  war  die  Aufgabe  vollendet.  Hieronymus  war  mit  grosser 
Aengstlichkeit  zu  Werk  gegangen;  von  einer  radikalen  Umgestaltung  der 
Itala  sah  er  ab.  Die  Vergleichung  verschiedener  Handschriften  der  Itala 
verstand   sich   von   selbst;   die   gToss>^Tv  N et^^\^^^T^v^\\*^w  ^^x^'sJJö^'^  <^\^ 


Hieronymus.    (§  980.) 


409 


lockten  dem  Kirchenvater  die  Klage:  Soviel  Handschriften,  soviel  Texte. ^) 
Aber  auch  für  das  neue  Testament  schaute  er  sich  nach  alten  Hand- 
schriften mit  dem  griechischen  Originaltexte  um.^)  Alte  Handschriften 
mossten  ausgewählt  werden,  damit  sich  der  griechische  Text  nicht  zu 
weit  von  seinem  lateinischen  entfernte.  Aber  zu  einer  methodischen  Ver- 
wertung des  griechischen  Textes  vermochte  er  sich  nicht  aufzuschwingen. 
Nur  wenn  es  der  Sinn  absolut  erforderte,  änderte  er  seinen  lateinischen 
Text;  wo  es  nur  einigermassen  anging,  Hess  er  das  Hergebrachte  stehen. 
Rascher  verfuhr  er  in  der  Revision  des  Psalters.  Damit  fand  die  bessernde 
Thätigkeit  des  Hieronymus  vorläufig  ihren  Abschluss. 

Da  sein  Gönner,  der  Papst  Damasus,  384  starb,  verliess  Hierony- 
mus, wie  wir  bereits  wissen,  Rom  und  wandte  sich  dem  Orient  zu;  er 
liess  sich  in  Bethlehem  nieder;  hier  trieb  er  eingehende  hebräische  Sprach- 
studien und  schrieb  über  Bücher  des  alten  und  des  neuen  Testaments.  Da 
kam  die  hexaplarische  Ausgabe  des  alten  Testaments,  welche  Origenes 
bearbeitet  hatte,  in  seine  Hände.  In  diesem  bewunderungswürdigen  Werk 
befanden  sich  sechs  nebeneinander  stehende  Columnen;  die  erste  enthielt 
den  hebräischen  Text  in  hebräischen  Buchstaben,  die  zweite  den  hebräischen 
Text  in  griechischen  Buchstaben,  die  dritte  die  Uebersetzung  des  Aquila, 
die  vierte  die  des  Symmachus,  die  fünfte  die  der  Siebzig,  die  sechste  die 
des  Theodotion;  in  einzelnen  Büchern  kamen  noch  andere  Uebersetzungen 
hinzu.  Dieses  grossartige  Werk  regte  ihn  an,  auch  die  Bücher  des  alten 
Testaments  zu  revidieren.  Wir  haben  von  dieser  Revisionsarbeit  das 
Psalterium,  das  im  Unterschied  von  der  ersten  Revision,  dem  Psalterium  Ro- 
manum,  Psalterium  Gallicanum  genannt  wird,  weil  es  zuerst  in  Gallien  Ver- 
breitung gefunden  hatte.  Auch  ist  uns  das  revidierte  Buch  Job  erhalten. 
Seinen  revidierten  Ausgaben  fügte  er  kritische  Zeichen  bei,  welche  das 
Verhältnis  des  hebräischen  Originals  zu  der  Septuaginta  erläuterten. 

Die  Arbeit  gab  Hieronymus  den  Mut,  von  dem  Stückwerk  der  Revision 
zu  selbständiger  Uebersetzung  fortzuschreiten.  Den  Büchern  des  alten 
Testaments  galt  diese  neue  Thätigkeit,  welche  etwa  390  begann  und  etwa 
404  endete.^)  Es  kam  ein  vorzügliches  Werk  zu  stände.  Damit  hatten 
die  Arbeiten  des  Hieronymus  ihr  Endziel  erreicht.  Sie  konnten  sich 
nur  mühsam  Bahn  brechen;  man  nahm  sie  mit  Misstrauen  auf;  so  stark 
wirkt  die  Macht  des  Hergebrachten.  Schliesslich  wurde  aber  doch  der 
Text,  wie  ihn  Hieronymus  gestaltet  hatte,  der  allgemein  verbreitete  Text, 
d.  h.  die  Vulgata,  welche  die  Itala  aus  dem  kirchlichen  Leben  verdrängte 
und  sie  auf  das  Gebiet  der  wissenschaftlichen  Exegese  einschränkte.  So 
wie  sich  die  Vulgata  im  Laufe  der  Zeit  konstituiert  hat,  ist  sie  kein  ein- 


')  Migne  29  Sp.  526  tot  enim  sunt  exem- 
plaria  paene  quot  Codices.  Als  Grundlage  be- 
natzte er  einen  dem  cod.  Brixiensis  ver- 
wandten Codex;  vgl.  Wordsworth  und 
Withep.  656. 

■)  vgl.  darOber  die  Ausg.  von  Words- 
worth and  Withe  p.  653. 

*)  Von  wem  die  Zusammenstellung  der 
yerschiedenen  Teile  zu  einem  Ganzen  aus- 
gJBg,  lässt  aicb  Dicht  mehr  bestimmen.    Cas- 


siodor  (de  inst.  div.  litt.  c.  12;  70,  1123  M.) 
scheint  schon  eine  Bieronymusausgabe  ge- 
kannt zu  haben;  vgl.  Gorssen,  Jahresber. 
p.  56.    Derselbe  spricht  weiterhin  die  Ver- 
mutung aus  (Epist.  ad  Galatas,  Berl.  1885 
p.  35),  dass  das  neue  Testament  nach  Hl 
nymus   eine   Recension   erfahren  ha^ 
sich  zwischen  den  Commentaren  ^^ 
nymus  und  der  Vulgata  DüfereoM 
bar  machtATi. 


410  Hieronymns.    (§  980.) 

heitliches  Werk;  denn  sie  bietet  uns  in  den  verschiedenen  Stücken  drei 
Textesstufen:  reine  Itala,  revidierte  Itala  und  eigene  Uebersetzung.  Die 
reine  Itala  liegt  nur  in  den  Büchern  des  alten  Testaments  vor,  weldie 
Hieronymus  als  apokryphe  Produkte  gar  nicht  übersetzt  hatte;  es  sind 
dies  das  Buch  der  Weisheit,  der  Ecclesiasticus,^)  Baruch*)  mit 
dem  Brief  des  Jeremias,  endlich  die  Makkabaeerbücher.  Die  revi- 
dierte Itala  erscheint  in  den  Büchern  des  neuen  Testaments.  Eigene 
Uebersetzung  des  Hieronymus  ist  das  alte  Testament.  Jedoch  ist  da- 
von ausgenommen  das  Psalterium.  Bei  diesem  neuen  Hauptelement  des 
Kultus  konnte  eine  vollständige  Neuerung  nicht  durchdringen.  In  die  Vnl- 
gata  wurde  es  in  der  Form  der  zweiten  Revision  nach  der  hexaplarischen 
Ausgabe  des  Origenes  als  Psalterium  Gallicanum  aufgenommen.  Selbst  das 
Psalterium  Romanum  wurde  nicht  vollständig  verdrängt;  in  Büchern,  die 
für  den  Kultus  bestimmt  sind,  ist  es  jetzt  noch  vorhanden. 

Erste  Periode:  Revisionsarbeit  in  Rom.  Vgl.  oben  §  856  p.  195.  In  dem 
Schreiben  an  Damasus  sagt  er  (29,  527  M.):  Haec  praesens  praefatiuncula  poUieetur  ^va- 
tuor  iantum  evangelia,  quorum  ordo  est  iste,  Matthaeus,  Marcus,  Lucas,  Joannes,  eodicum 
Graecorum  emendata  collatione,  sed  reterum.  Quae  ne  mulium  a  UetUmis  Latinae  eansue- 
tudine  discreparent,  ita  calamo  temperavimus,  ut  his  tantum  quae  sensum  videbaniur  muiare, 
correctis,  reliqua  manere  paieremur  ut  fueranf,  Canones  quoque,  quos  Eusebius  Caesa- 
riensis  episcopus  AUxandrinum  secutus  Ammonium,  in  decem  numeros  ordinavU,  sieut  in 
Graeco  habentur,  expressimus,  Quod  si  quis  de  curiosis  voluerit  nosse,  quae  in  evangelii» 
vel  eadem  vel  vicina  vel  sola  sint,  eorum  distinctione  cognoscat.  Magnus  siquidem  kic  in 
nostris  codicihus  error  inolevit,  dum  quod  in  eadem  re  alius  evangelista  plus  dixit,  in  alh 
quia  minus  putaverint,  addiderunt;  vel  dum  eumdem  sensum  alius  aliter  expressU,  ille  qui 
unum  e  quatuor  primum  legerai,  ad  eius  exe^nplum  ceieros  quoque  aestimaverii  emendandw. 
Epist.  27,  1  (22,  431  M.)  an  Marcella  (aus  dem  Jahre  384)  verteidigt  er  sich  gegen  diejenigen, 
welche  seine  Aenderungen  im  neuen  Testament  bekrittelten.  Hier  werden  auch  schon  Ueber- 
setzungs-  bezw.  Verbesserungsproben  aus  den  paulinischen  Briefen  angeführt,  üeber  ein 
Nachlassen  der  Revisionsarbeit  im  Lucas  mit  Ausnahme  einiger  Kapitel  und  in  einigen 
Kapiteln  des  Jobannes  vgl.  Wordsworth  p.  654.  Ueber  die  Revision  des  Psalters  sagt  er 
(Migne  29  Sp.  117):  Psalterium  Romae  dudum  positus  emendaram  et  iuxfa  Septuagintn 
interpretes  licet  cursim  magna  illud  ex  parte  correxeram.  Dieses  sog.  Psalterium  Romanmn 
ist  abged  nickt  bei  Migne  29  Sp.  120. 

Zweite  Periode:  Revisionsarbeit  in  Bethlehem  auf  Grund  der  Hexapla 
des  Origenes.  Ueber  den  Anlass  zu  einer  neuen  Revision  spricht  er  sich  in  der  Prief. 
(Sp.  117  M.)  also  aus:  Quod  (Psalterium  Romae  emendatum)  rursum  videtis,  o  Paula  ti 
Eustochiumy  scriptorum  vitio  depraratum  plusque  antiquum  errorem  quam  novam  etnen- 
dationem  ralere.  üeber  die  Grundlage  seiner  Recension  vgl.  Comment.  in  Tit.  3,  9  (26,  595  M.i: 
Unde  et  nohis  curae  fuit  omnes  veter is  legis  libros,  quos  tnr  doctus  Adamantius  (scU.  Ori- 
genes) in  Hexapla  digesseratj  de  Caesariensi  bibliotheca  descriptos  ex  ipsis  authentieis  emen- 
dare,  in  quibus  et  ipsa  liebraea  propriis  sunt  characteribus  rerba  descripta  et  Graech 
lltteris  tramite  expressa  viclno.  Aqtiila  etlam  et  Sgmtnachus,  LXX  quoque  et  Theodotio  suum 
ordinem  tenent.  Nonnulli  vero  libri  et  maxime  hi,  qui  apud  Hebraeos  versu  compositi  sunt, 
tres  alias  editiones  additas  habenty  quam  quintam  et  sextam  et  septimam  translationem  vocant, 
auctoritatem  sine  nominibus  interpretum  consecutas.  Seiner  Ausgabe  der  Psalmen  fügt« 
Hieronymus  kritische  Zeichen  hinzu:  den  Obelus,  um  die  Zusätze  der  LXX  zu  bezeichnen, 
welche  im  hebräischen  Texte  fehlten,  also  auf  die  Interpolationen  aufmerksam  zu  machen: 
den  Asteriscus,  um  auf  die  Zusätze  hinzudeuten,  welche  der  hebräische  Text  darbietet,  also 
die  Lücken  zu  markieren.  Das  Psalterium  Gallicanum  findet  sich  bei  Migne  29  Sp.  119. 
Ueber  die  nach  gleicher  Methode  hergestellte  Revision  des  Hieb  vgl.  Augustin.  epist  104. 
8  bei  Hieronymus  (22,  888  M.)  in  hac  epistula  hoc  addo,  quod  postea  didicimus,  ex 
Ilehraeo  Job  a  te  interprefatum,  cum  iam  quamdam  haberemus  interpretationem  tuam 
eiusdem    prophetae   ex   Graeco   eloquio    versam    in  Latinum:    ubi   iamen    asteriscis  notcsti. 

^)   Thielmann,   Ueber   die   lat.  Ueber-  j           ^)  Prolog,  in  Jeremiam (28, 848 M.)  librum 

Setzung   des  Buches   der  Weisheit   und   des  Baruch,  notarii  eius,  qui  apud  Hebraeos  nr 

Buches  Sirach  (Archiv  für  lat.  Lexikographie  [  legiiur  nee  habetur^  praetermisimus. 

1893  p  236;  p.  501).  \ 


HieronymuB .    (§  980.)  411 

fmae  in  Hebraeo  sunt  ei  in  Graeco  desunt;  obeliscis  autem,  qtiae  in  Graeco  inveniuntur  et 
Mft  Hebraeo  non  sunt.  Hier  ist  also  geradezu  von  einer  üebersetzung  aus  dem  Griechischen 
die  Rede.  Die  Ausgabe  ist  Paula  und  Eustochium  gewidmet.  Ausg.  bei  Migne  29 
8p.  61;  Lagarde,  Mitteilungen  2  (Göttingen  1887)  p.  189;  von  Caspari,  Das  Buch  Hiob 
(1»  1—38,  16)  in  Hieronymus'  üebersetzung  aus  der  alexandrinischen  Version  nach 
einer  St.  Gallener  Handschrift  s.  VIII,  Christiania  1893.  Dass  auch  andere  Bücher 
des  alten  Testaments  von  ihm  so  revidiert  wurden,  bezeugen  Praef.  in  libr.  Salomonis  (28 
8p.  1^43  M.):  Si  cui  sane  Septuaginta  Interpretum  magis  editio  placet,  habet  eam  a  nobis 
mlim  emendatam,  femer  die  erhaltene  Vorrede  zu  seiner  Bearbeitung  der  drei  salomonischen 
Sehiiflen  (29  Sp.  403  M.):  Tres  libros  Salomonis,  id  est  Proverbxa,  Ecclesiasten,  Canticum 
Canticorum  veteri  Septuaginta  Interpretum  auctoritati  reddidi  (auch  hier  waren  dieselben 
kritiachen  Zeichen  in  Anwendung  gekommen),  endlich  die  noch  erhaltene  Vorrede  zum  Para- 
lipomenon,  gerichtet  an  Domnion  und  Rogaüanus  (29  Sp.  401  M.).  Am  Schluss  gedenkt 
er  auch  hier  wieder  der  kritischen  Zeichen,  üeber  den  Verlust  von  Teilen  dieser  Ausgabe 
Tgl.  epist  134,  2  (22,  1162  M.):  Grandem  Latini  sermonis  in  ista  provincia  notariorum 
pathnur  penuriam;  et  idcirco  praeceptis  tuis  parere  non  possumus,  maxime  in  editione 
Septuaginta,  quae  asteriscis  verubusque  distincta  est,  Pleraqtie  enim  prioris  laboris  fraude 
euiusdam  amisimus.    Vgl.  Zöckler,  Hieronymus  p.  179. 

Dritte  Periode:  Uebersetzungsarbeit  in  Bethlehem  nach  dem  hebräi- 
■ehen  Grundtexte,  a)  Ueber  die  Üebersetzung  der  Bücher  Samuels  und  der 
Könige  vgl.  praef.  an  Paula  und  Eustochium  (28,  557  M.):  Lege  primum  Samuel  et  Ma- 
laehim  (der  Könige)  meum:  meum,  inquam,  meum  ....  Quamquam  mihi  omnino  conscius 
noH  sim,  mutasse  me  quidpiam  de  Hebraica  veritate.  Diese  Vorrede  war  als  Einleitung 
ftr  das  ganze  Werk  bestimmt;  vgl.  Sp.  555  M.  hie  prologus  Scripturarum  quasi  gnleatum 
prineipium  omnibus  libris,  quos  de  Hebraeo  vertimus  in  Latinum,  convenire  potest.  Der 
Prolog  wird  in  der  That  als  Prologus  galeatus  der  Vulgata  vorangestellt,  ß)  Hiob  und 
die  Propheten.  Auch  dem  Hiob  ist  eine  Vorrede  vorausgeschickt  (Migne  28  Sp.  1079). 
Ueber  diese  Arbeiten  berichtet  er  in  einem  an  Pammachius  um  393  geschriebenen  Brief 
49,  4  (22,  512  M.):  Libros  sedecim  Prophetarum,  quos  in  Latinum  de  Hebraeo  sermone  verti, 
si  legeris,  et  delectari  te  hoc  opere  comperero^  provocabis  nos  etiam  cetera  clausa  armario 
non  tenere.  Transtuli  nuper  Job  in  linguam  nostram  ....  Miseram  quaedam  juiy  vno/iyfj' 
fitttmy  in  Prophetas  duodecim  sancto  patri  Domnioni,  Samuelem  quoque  et  Malachim,  id  est 
quatuar  Regum  libros,  y)  DasPsalterium.  Er  übersetzte  dasselbe  aus  dem  Hebräischen 
auf  Anregung  des  Sophronius;  vgl.  die  Vorrede  zu  demselben  (28,  1123  M.).  Im  Catalog 
c.  134  sagt  er  von  Sophronius:  Opuscula  mea  in  Graecum  sermonem  elegantissime  trans- 
tulit,  Psalterium  quoque  et  Prophetas,  quos  nos  de  Hebraeo  in  Latinum  vertimus.  Also 
waren  schon  die  Uebersetzungen  des  Psalterium  und  der  Propheten  geraume  Zeit  vor  der 
Abfassung  des  Gatalogs  (392)  fertiggestellt.  Herausgegeben  ist  diese  Üebersetzung  von  La- 
gard e,  Psalterium  iuxta  Hebraeos  Hieronymi,  Leipz.  1874;  Liber  psalmorum  hehr,  et  lat. 
ab  Hieronymo  ex  hehr,  conversus  ed.  Tischendorf,  Baer,  Delitzscn,  Leipz.  1874.  cf)  Esra 
and  Nenemia  (zu  einem  Buch  Esra  zusammengefasst).  In  der  Vorrede  (28,  1404  M.) 
wird  mit  multaque  alia,  quae  latiori  operi  reservamtis  auf  das  an  Pammachius  gerichtete 
Schriftchen  De  optimo  genere  interpretandi  hingewiesen  (epist.  57;  22,  568  M.);  dieser  Brief 
ist  aber,  wie  aus  der  Vorrede  zum  Jonacommentar  hervorgeht,  vor  diesem,  also  wahr- 
scheinlich vor  395  geschrieben,  e)  Die  Ghronik  (Paralipomena)  verfasste  er  bald  nach 
dem  Schriftchen  De  optimo  genere  interpretandi ;  denn  er  sagt  in  der  Vorrede  (28,  1325  M.) : 
Seripsi  nuper  librum  de  optimo  genere  interpretandi,  C)  Die  drei  Bücher  Salomons 
(Sprüche,  Prediger,  das  hohe  Lied).  In  der  Vorrede  sagt  er,  dass  er  erst  nach  einer  longa 
aegrotatio  das  Werk  rasch  vollendet  habe  (Sp.  1241  M.).  Wir  kennen  zwei  längere  Krank- 
Iieiten  des  Hieronymus,  eine  im  Jahre  398,  die  andere  im  Jahre  406.  Rauschen  (Jahrb. 
der  Christi.  Kirche,  Freib.  i.  Br.  1897,  p.  406  Anm.  3)  beweist,  dass  hier  nur  die  Krankheit 
vom  Jahre  398  gemeint  sein  kann.  97)  Octateuch.  Epist.  71,  5  an  Lucinius  aus  dem 
Jahre  898  (22,  671  M.)  Canonem  Hebraicae  veritatis  excepto  Octateucho,  quem  nunc  in  manibus 
habeo,  pueris  tuis  et  notariis  dedi  describendum.  Es  ist  fraglich,  was  unter  Octateuch  zu 
verstehen  ist,  ob  zu  den  fünf  Büchern  Mosis  noch  Josua,  Richter,  Ruth  oder  Josna,  Richter, 
Esther  hinzuzunehmen  sind.  Wahrscheinlich  ist  das  letztere;  vgl.  Rauschen  p.461  Anm.  4. 
Ruth  wird  mit  den  Richtern  zu  einem  Buch  vereinigt  gewesen  sein.  In  der  Vorrede  zu 
Josua,  Richter  und  Ruth  (28,  461  M.)  spricht  er  von  finita  Pentateucho  Mosi.  Paula  war 
damals  bereits  gestorben  (404).  Also  fällt  der  Pentateuch  zwischen  398  und  404.  Bezüg- 
lich des  Estherbuchs  besteht  eine  noch  nicht  gelöste  Schwierigkeit.  In  der  Vorrede  zu 
Josua,  Richter  und  Ruth,  in  der  auch  der  Tod  der  Paula  erwähnt  wird,  ist  auch  die  üeber- 
setzung des  Estherbuches  angeführt.  In  der  Vorrede  zu  dieser  Üebersetzung  (Sp.  1434  M.) 
wird  aber  Paula  und  Eustochium  angeredet.  Die  ältere  Paula  kann  hier  nicht  gemeint 
sein,  da  sie  bereite  tot  ist;  wir  werden  daher  an  die  jlliigeT^  Pwal«i  im  dÄTikftTL  haheo.  und 
Bustochium  et  Paula  achteiheTi,     »)  Tobias  und   3ud\t\v,    Ixi  ^«t  wi  ^\v\QrKi»iu<SÄ  nssä. 


412  Hieronymas.    (§980.) 

Heliodor  gerichteten  Praef.  (29,  23  M.)  sagt  er:  Exigitis,  ut  librum  Chaldaeo  sermone  cau. 
scriptum  ad  Latinum  stilum  traham.  Auch  in  der  Vorrede  zu  Judith  (Sp.  39  M.)  sprich 
er  von  postulatio  vestra,  immo  exactio,  Ueber  die  Zeit  der  Uebersetzungen  ist  nichts  näieRi 
bekannt.  Vgl.  Thiel  mann,  Beitr.  zur  Textkritik  der  Vulgata,  besonders  des  Buches  Ji- 
dith,  Speier  1883.  —  W.  Nowack,  Die  Bedeutung  des  Hieronymus  für  die  alttestameitt. 
Textkritik,  Göttingen  1875. 

Fortleben  derVulgata.  Die  weiteren  Geschicke  der  Vulgata  genauer  zu  to^ 
folgen,  kann  nicht  mehr  unsere  Aufgabe  sein.  Nur  einige  Andeutungen  seien  uns  oocb 
gestattet.  Auch  die  hieronymianische  Bearbeitung  erlitt  im  Laufe  der  Zeit  Verändenmgen, 
so  dass  sich  auch  fllr  sie  das  Bedürfnis  einer  Revision  geltend  machte.  Eine  solche  wurdt 
im  karolingischen  Zeitalter  gemacht.  (Ueber  Theodulfs  Thätigkeit  vgl.  Berger  p.  145.) 
Im  11.  Jahrhundert  besorgte  eine  solclie  der  nachmalige  Erzbischof  von  Canterbuij  Ltn- 
franc  (t  1089;  vgl.  Kaulen,  Einleitung  p.  234),  im  12.  der  Cisterzienser  Abt  ^phaa 
Harding  von  Citeaux  (Kaulen  p.245)  und  der  Kardinal  Nikolaus  von  Rom  (Kaulen  p.  236). 
Im  13.  Jahrhundert  kommen  die  kritischen  Apparate  auf.  Man  schrieb  an  den  Rand  des 
Textes  die  verschiedenen  Lesarten;  waren  deren  sehr  viel,  so  schrieb  man  sie  in  eincB 
eigenen  Buch  zusammen.  Eine  solche,  sei  es  selbständige  oder  beigeschriebene  Varianten- 
Sammlung  hiess  Correctorium  oder  Epanorthota.  Die  letzte  Phase  der  Vulgata  be- 
gründete das  Concil  von  Trient,  welches  1546  anordnete,  tU  haec  ipsa  vetus  et  vulgata 
editiOf  quae  longo  tot  saeculorum  usu  in  ipsa  ecclesia  probata  est^  pro  authentica  habeatur 
und  zugleich  den  Druck  derselben  in  möglichst  reiner  Gestalt  anordnete.  Allein  die  Durch- 
führung der  letzten  Anordnung  stiess  auf  viele  Schwierigkeiten.  Erst  Papst  Sixtus  T. 
(1585 — 1590)  nahm  die  Sache  energisch  in  die  Hand;  ja  er  beteiligte  sich  trotz  der  Com- 
mission,  die  für  die  Revision  der  Vulgata  eingesetzt  war,  selbst  in  hervorragender  Weise 
an  der  Revision  und  dem  Druck  des  Werkes.  Allein  seine  Ausgabe,  die  1590  erschien, 
war  fehlerhaft  und  konnte  den  Erwartungen  nicht  entsprechen.  Sein  Nachfolger  Gregor  XTV. 
setzte  daher  die  Revisionsarbeiten  fort.  Erst  unter  Clemens  VIII.  (1592—1605)  wurde  das 
Ziel  erreicht  und  zwar  auch  nicht  auf  einen  Wurf.  Die  Ausgaben  von  1592  und  1593 
waren  auch  nicht  von  Druckfehlem  frei.  Erst  die  dritte  Ausgabe  des  Jahres  1598  gab 
der  Vulgata  den  Text  in  seiner  endgiltigen  Gestalt.  Diese  Ausgabe  der  Vulgata  (Giemen- 
tina),  welche  sich  als  eine  verbesserte  Sixtina  darstellt,  ist  das  Normalexemplar  ftlr  die 
späteren  Vulgataausgaben  geworden.  —  Martin,  Saint  Etienne  Harding  et  les  premieis  r«- 
censeurs  de  la  Vulgate  Latine  Thöodulfe  et  Alcuin  (Revue  des  sciences  eccl^s.  54  (1886) 
p.  511;  ho  (1887)  p.  1 ;  p.  97);  Dcnifle,  Die  Handschriften  der  Bibel- Korrektorien  des  13. 
Jabrh.  (Archiv  für  Litt.-  und  Kirchengesch.  des  Mittelalters,  Freib.  i.  Br.  1888,  p.  263: 
p.  471);  L.  van  Ess,  Pragmatisch- krit.  Gesch.  der  Vulgata,  Tübingen  1824;  S.  Berger. 
Histoire  de  la  Vulgate  pendant  les  premiers  siocles  du  moyen  ftge,  Paris  1893;  vgl.  P.  Cors- 
sen,  Gott.  gel.  Adz.  1894  p.  855. 

Ueberlieferung.  Die  Haupthandschrift  ist  der  codex  Araiatinus  in  Florenz  ans 
dem  ehemaligen  Cisterzieiiserkloster  Mont  Amiata  s.  VIII,  eine  vollständige  BibelhandschriÜ; 
Schriftprobe  in  Zangemeister  und  Wattenbach,  Exempla  codicum  latinorum  tab.  35. 
Daraus  ist  das  neue  Testament  herausgegeben  von  Tischendorf,  Leipz.  1850.  Das  neue 
Testiiment  enthält  der  codex  Fuldensis,  auf  Befehl  des  Bischofs  Victor  von  Capua  645 
geschrieben  (herausgegeben  von  Ranke,  Novum  Testamentum  latine  interprete  Hieronymo 
ex  manuscripto  Victoris  Capuani,  Marb.  und  Leipz.  1868);  vgl.  Zangemeister  und  Watten- 
bach  tab.  33.  Als  dritter  Zeuge  kommt  hinzu  der  Foroiuliensis  s.  VI/VII.  Vercellone, 
Variao  lectiones  Vulgatae  Ljitinae  Bibliorum  editionis,  2  Bde.,  Rom  1860/64;  Corssen,  Der 
Text  der  Adaliandschrift  (Die  Trierer  Adahandschrift,  Publikation  der  Ges.  für  Rhein.  Gesch.  6, 
Leipz.  1^89);  W.  Schulz,  Beitr.  zu  dem  Text  der  Vulgata  aus  spanischen  Handschriften 
(Zeitschr.  für  wiss.  Theol.  42  (lb99)  p.  36);  J.  B.  de  Rosai,  La  Bibbia  offerta  da  Ceolfrido 
(omaggio  giubilare  della  bibliot.  Vaticana  al  Leone  XIII,  Rom  1888).  Ueber  die  Hand- 
schriften der  Evangelien  vgl.  auch  Wordsworth  und  Withe  p.  X;  p.  705;  über  Bentleys 
Arbeiten  p.  XV;  Zusammenstellung  der  Vulgatahandschriften  bei  C.  R.  Gregory,  Textkritik 
des  neuen  Testaments  2  (Leipz.  1902)  p.  613. 

Ausg.  Biblia  sacra  Veteris  Testamenti  Hieronymo  interprete  ex  antiquissima  anc- 
toritate  in  stichos  descripta.  Vulgatam  lectionem  ....  testimonium  comitatur  codicis  Amia- 
tini  latinorum  omnium  antiquissimi  ed.  Th.  Heyse  und  C.  Tischendorf,  Leipz.  1873; 
vgl.  dazu  Hamann,  Zeitschr.  für  wiss.  Theol.  1873  Sp.  582;  Lagard e,  Des  Hieronymns 
Uebertragung  der  griechischen  Uebersetzung  des  Hiob  (Mitteilungen  2  (Göttingen  1887' 
p.  189);  C.  P.  Gas  pari,  Das  Buch  Hiob  (1,  1  —  38,  16)  in  Hieronymus*  Uebersetzung  aus  der 
alexandrinischen  Version  nach  einer  St.  Gallener  Handschrift  s.  VIII,  Christiania  1893.  - 
Eine  neue  Ausg.  der  neutestamentlichen  Vulgata  ist  von  zwei  Engländern  in  Angriff  ge- 
genommen worden;  bisher  erschien:  Novum  Testamentum  Domini  nostri  Jesu  Christi  latine 
secundum  editionem  S.  Hieronymi  ad  codicum  mauwactvi^tÄVWTtv  ^d«t«v  x^^»  3.  W^Yd^mottk 
und  Withe,    Oxford  1889—98,  Pars  \\   Qu&tUoi  ¥.N«u?,ft\\«.\  Nig^.  ^i^Xi^OcL^X.-L,  '$.\sÄ..isa. 


-^  HieronymuB.    (§  981.)  4 IS 

> 

T^NLftkritik  der  Vulgata,  Leipz.  1894;  vgl.  auch  „Ueberlieferung*.  üeber  ältere  Ausg.  vgl. 
Wordsworth  und  Withe  p.  XXVIII. 

Litteratur.  H.  Hodius,  De  bibliorum  textibus  originalibus,  verslonibus  Graecis 
•i  Laiiiia  Vulgata,  Oxford  1705;  Riegler,  Krit.  Gesch.  der  Vulgata,  Sulzbach  1820;  Kaulen, 
Q^aek.  der  Vulgata,  Mainz  1868;  Rönsch,  CoUectanea  philol.,  Bremen  1891;  Handbuch  der 
YidgBta  (Eine  systematische  Darstellung  ihres  lat.  Sprachcharakters,  Mainz  1870);  Nestle, 
fin  JnlnlAnm  der  lat.  Bibel  zum  9.  November  1892  (Marginalien  und  Materialien  2,  4,  Tübingen 
1898);  Ott,  Die  neueren  Forschungen  im  Gebiete  des  Bibellateins  (Fleckeis.  Jahrb.  1874 
^  777;  p.  883);  Hagen,  Sprachl.  Erörterungen  zur  Vulgata,  Freib.  1868;  J.  B.  Heiss, 
Mitr.  lor  Grammatik  der  Vulgata,  München  1864;  V.  Loch,  Materialien  zur  Grammatik 
der  Vulgata,  Bamberg  1870;  Thielmann,  Die  Benutzung  der  Vulgata  zu  sprachlichen 
UnteiBachungen  (Philol.  42  (1884)  p.  319);  Archiv  für  lat.  Lexikographie  1  (1884)  p.  68; 
RftDBch,  Itida  und  Vulgata.  Das  Sprachidiom  der  urchrisilichen  Itala  und  der  katholischen 
Y«]gata,  Marb.'  1875;  Corssen,  Bericht  über  die  lateinischen  Bibelübersetzungen  (Bursians 
Jahresber.  101.  Bd.  2.  Abt.,  1899)  handelt  p.  52  über  die  Vulgata;  J.  H.  Bernard.  The 

mss.  used  bj  St.  Jerome  (Hermathena  27  (1901)  p.  885).  Vgl.  das  Litteraturver- 
J8  bei  Berger  p.  XXII;  Nestles  Art.  'Bibelüberseteungen*  (Herzogs  Realencycl.*). 


y)  Die  exegetischen  Schriften. 

981.  Uebersetzungen  origenistischer  Homilien.  Zu  Origenes  blickte 
Hieronymus  anfangs  mit  grosser  Verehrung  empor;  es  ist  daher  kein 
Wunder,  wenn  er  exegetische  Werke  des  grossen  Alexandriners  dem 
römischen  Publikum  durch  Uebertragungen  zugänglich  zu  machen  suchte. 
Auch  in  dem  Kreise  des  Hieronymus  scheint  das  Verlangen,  die  Exegese 
des  Origenes  kennen  zu  lernen,  ein  starkes  gewesen  zu  sein;  wenigstens 
verlangte  Blaesilla,  die  Tochter  der  Paula,  die  Uebertragung  grosser  exe- 
getischer Werke  des  Origenes  von  Seiten  des  Hieronymus.^)  Diesem  Ver- 
langen konnte  der  Kirchenvater  nicht  nachkommen,  dafür  haben  wir  aber 
aus  seiner  Feder  Uebersetzungen  origenistischer  Homilien ;  er  schrieb  die- 
selben in  Constantinopel,  Rom  und  Bethlehem. 

Im  Verzeichnis  seiner  Schriften  nennt  Hieronymus  unmittelbar  nach 
der  Chronik  seine  Uebersetzung  der  Homilien  über  Jeremias  und  Eze- 
chiel.  Wie  die  Chronik,  so  ist  auch  dieses  Werk  dem  Presbyter  Vin- 
centius  gewidmet,  der  ihn  zu  der  Arbeit  angeregt  hatte.  Wir  werden 
daher  die  Abfassung  dieser  Uebersetzung  in  den  Aufenthalt  zu  Constan- 
tinopel verlegen.  Es  sind  im  ganzen  28  Homilien,  14  über  Jeremias  und 
14  über  Ezechiel.  Das  Ziel,  das  er  sich  bei  der  Uebertragung  steckte, 
war,  den  einfachen  Stil  des  Originals  nachzubilden  und  allen  rednerischen 
Schmuck  beiseite  zu  werfen.  Die  Arbeit  war  nicht  leicht;  ein  Augen- 
leiden und  der  Mangel  an  Schnellschreibern  traten  hindernd  in  den  Weg. 
Hieronymus  war  damals  noch  ein  begeisterter  Verehrer  des  Origenes;  er 
nennt  ihn  mit  Didymus  einen  zweiten  Apostel  und  verspricht,  die  meisten 
Werke  des  Alexandriners  ins  Lateinische  übertragen  zu  wollen.  Als 
Hieronymus  in  Rom  weilte,  überreichte  er  seinem  Gönner,  dem  Papst 
Damasus,  die  Uebersetzung  zweier  Homilien  des  Origenes  über  das  hohe 
Lied.  Er  stellt  die  exegetische  Thätigkeit  des  Alexandriners  zu  diesem 
Schriftstück  besonders  hoch  und  meint,  dass  Origenes  sich  hier  selbst  über- 
troffen habe.  Von  dem  aus  10  Büchern  bestehenden  Commentar  des 
Origenes  sieht  er  ab  und  begnügt  sich,  um  dem  Papst  einen  Vorgeschmack 
von  der  Genialität  des  Exegeten  zu  geben,  mit  Uebertragung  zweier  Ho- 


V  Migne  26  8p.  219. 


414  Hieronymiui.    (§  981 .) 

milien.  Dieselben  fanden  grosse  Verbreitung  im  Mittelalter,  eine  wurde 
sogar  metrisch  bearbeitet.  Die  Uebersetzung  ist  uns  um  so  willkommener, 
als  das  Original  verloren  ist.  Auch  in  Bethlehem  widmete  Hieronymus 
sich  noch  der  Uebersetzung  des  Origenes.  Um  387  erschien  ein  Com- 
mentar  des  Ambrosius  zu  Lucas.  Er  gelangte  auch  nach  Bethlehem, 
fand  aber  dort  im  Kreise  des  Hieronymus  keinen  Anklang;  wenigstens 
fanden  Paula  und  Eustochium,  dass  der  Commentar  mit  Worten  spiele, 
ohne  in  die  Tiefe  der  Gedanken  zu  dringen.  Es  galt  daher,  diesem 
Werk  etwas  Besseres  gegenüberzustellen.  Hieronymus  nahm  die  39  Uo- 
milien  des  Origenes  über  Lucas  und  übersetzte  sie.  In  der  Vorrede  zu 
seiner  Uebertragung  machte  er  einen  boshaften  Ausfall  auf  Ambrosius, 
indem  er  ihn  mit  einem  krächzenden  Baben  verglich.  Die  Uebersetzung 
muss  uns  das  bis  auf  wenige  Fragmente  verlorene  Original  ersetzen.  End- 
lich übersetzte  Hieronymus  auch  von  den  Homilien  des  Origenes  über 
Isaias  9  Stück.  Zu  diesen  Stücken  fehlt  ebenfalls  das  Original.  Da  diese 
Homilien  im  Catalog  nicht  erwähnt  sind,  werden  sie  nach  392  fallen,  jedoch 
vor  dem  Ausbruch  der  origenistischen  Streitigkeiten  geschrieben  sein. 

Uebersetzung  von  Homilien  des  Origenes  über  Jeremias  und  Ezecbiel. 
Sp.  585  M.  post  quatuordecim  homilias  in  Jeremiatn,  quas  mm  pridem  confuso  ordine  inter- 
pretatus  sunt,  et  has  quatuordecim  in  Ezechielem  per  intervaUa  dictavi,  üeber  die  ver- 
änderte Anordnung  der  Homilien  des  Originals  über  Jeremias  vgl.  Harnack,  Gesch.  der 
altchristl.  Litt.  1  (Leipz.  1893)  p.  362.  Zwei  der  übersetzten  Homilien  über  Jeremias  (2  und  3) 
finden  sich  nicht  im  Original;  vgl.  Harnack  1.  c.  Die  Homilien  über  Ezechiel  sind  uns 
nicht  im  Original  erhalten,  lieber  die  Uebersetzung  der  Jeremiashomillen  vgl.  Ausg.  des 
Origenes  von  Elostermann  Bd.  3  (Leipz.  1901)  p.  XVI.  —  Ausg.  bei  Vallarai  5  Sp.  741; 
Migne  25  Sp.  583.  Die  Homilien  über  Ezechiel  sind  auch  abgedruckt  in  Origenis  open 
ed.  Lommatzsch  14  p.  4;  die  zwei  Homilien  über  Jeremias,  deren  Original  verloren  ist,  bei 
Lommatzsch  15  p..389.     Die  10.  Homilie  griech.  und  lat.  ed.  Klostermann,  Bonn  1903. 

Uebersetzung  zweier  Homilien  des  Origenes  über  das  hohe  Lied.  In 
einem  Brief  an  Papst  Damasus  sagt  Hieronymus  (Sp.  1118  M.):  hos  duos  tractaiuSf  quas  in 
morem  quotidiani  eloquii  parvuUs  adhiic  lactentibus  romposuitj  fideliter  magis  quam  ornate 
inierpretatus  sinn.  Das  Original  ist  grösstenteils  verloren;  vgl.  Harnack  p.  359.  —  Ausg. 
bei  Vallarsi  3  Sp.  499;  Migne  23  Sp.  1117;   Origenis  opera  cd.  Lommatzsch  14  p.  235. 

Uebersetzung  der  Homilien  des  Origenes  über  Lucas.  In  der  Vorrede 
sclireibt  er  an  Paula  und  Eustochium  (Sp.  219  M.):  PetisiiSy  ut  ....  saltem  triginta  et  novem 
Adamanfii  nostri  (d.  i.  Origenes)  in  Lucam  homilias,  sicut  in  Graeco  hahentur,  interpreter 
....  praetermisi  paululum  Hebraicarum  Quaesfionum  libros,  ut  ad  arbiirium  restrum  lucra- 
tivis  operis  haec,  quaUacumque  sunt,  non  mea,  sed  aliena  dictarem.  Bezüglich  der  Zeit  der 
Homilien  ist  festzuhalten,  dass  Hieronymus  in  der  Vorrede  eine  boshafte  Anspielung  auf 
den  Commentar  des  Ambrosius  zu  Lucas^  der  386/87  erschien  (§  930),  gemacht  hat  (vgl. 
Rufin.  Apol.  in  Hieronym.  2,  23;  21  Sp.  602  M.)  und  dass  die  Homilien  in  seinem  Katalog, 
der  392  verfasst  wurde,  aufgezählt  sind.  Also  fällt  die  Uebersetzung  in  die  Zeit  von 
386/87 — 392,  sonach  in  den  Aufenthalt  zu  Bethlehem.  —  Ausg.  bei  Vallarsi  7  Sp.  245; 
Migne  26  Sp.  219;  Origenis  opera  ed.  Lommatzsch  5  p.  85.  —  Vgl.  Harnack  p.  36J:^; 
Zöckler  p.  174;  Bardenhewer,  Gesch.  der  altkirchl.  Litt.  2  (1903)  p.  102. 

Uebersetzung  von  Homilien  des  Origenes  über  Isaias.  Vallarsi  hat  in 
der  1.  Aufl.  seiner  Ausg.  (4  Sp.  IX/X)  die  Uebersetzung  dem  Hieronymus  abgesprochen,  in 
der  2.  Aufl.  dagegen  teilt  er  sie  ihm  zu;  vgl.  Migne  Sp.  899.  Er  stützt  sich  darauf,  dass 
Rufinus  (Apol.  in  Hieronym.  2,  27;  21  Sp.  607  M.)  bei  der  Kritik  der  Uebersetzungen  des 
Hieronymus  folgende  Stelle  anführt:  Quae  sunt  ista  duo  Seraphim?  Dominus  meus  Jesus 
Christus  et  Spiritus  Sancfus,  zu  der  Hieronymus  folgenden  Zusatz  gemacht  hat:  Xec  putex 
Trinitatis  dissidere  naturam,  si  nominum  servantur  officio.  Diese  Stelle  flndet  sich  aber 
genau  mit  dem  Zusatz  Homilie  1  Sp.  904  M.  Im  Catalog  ist  die  Uebersetzung  nicht  er- 
wähnt; Vallarsi  folgert  daher:  „Opus  istud  post  conditum  quidem  Catalogum  suornm 
openim,  sed  paulo  tarnen  quam  Origeni  infensior  esse  coepisset,  elucubravit. "  Es  sind 
im  ganzen  9,  die  letzte  ist  unvollständig.  —  Ausg.  bei  Vallarsi  4  Sp.  1097;  Migne  24 
Sp.  901;  Ongcnia  opera  ed.  LommatzscYv  V^  \>.*i'^'^.  —  N^.  ^«.ttsl^^^^V  \.^^\. 


Hieronymns.    (§  982.)  415 

982.  Die  Commentare  zu  den  zwölf  kleinen  Propheten.  Nicht 
auf  einmal  wurde  das  grosse  Werk,  das  die  zwölf  kleinen  Propheten  com- 
mentierte,  durchgeführt;  verschiedene  Male  wurde  Hieronymus  durch  andere 
Arbeiten  von  dem  Unternehmen  abgelenkt,  allein  er  kehrte  immer  wieder 
zu  demselben  zurück,  und  in  drei  Arbeitsperioden  wurde  es  verwirklicht. 
In  der  Ausarbeitung  der  einzelnen  Commentare  folgte  er  nicht  einer  be- 
stimmten Ordnung,  sondern  er  Hess  sich  durch  äussere  Einflüsse  bestimmen. 
Yon  eingehenden  Studien  war  bei  dieser  Arbeit  keine  Rede;  die  Commen- 
tare sind  eilfertige  Compilationen,  und  mehr  als  einmal  bittet  der  Com- 
mentator  seine  Leser  wegen  seiner  Hast  um  Entschuldigung.  Am  meisten 
kam  ihm  Origenes  zu  statten.  Wir  schreiten  zur  Besprechung  der  ein- 
zelnen  Commentare. 

Zeugnisse.  Amoscomm.  Sp.  1057  M.  non  a  primo  usque  ad  novisaimum  iuxta  or- 
dintm  quoJeguntur,  sed  ut  potuimus  et  ut  rogati  sumus,  ita  eos  (prophetas)  diaseruimus. 
De  vir.  iU.  75  sed  et  in  Duodecim  Prophetas  viginti  quinque  i^tjyijaeay  Origenis  volumina 
manu  eins  (Pamphili)  exarata  repperi,  quae  tanto  ampUctor  et  servo  gaudio,  ut  Croesi 
opea  habere  me  credam, 

1.  Die  Commentare  zu  fünf  kleinen  Propheten.  Hieronymus 
begann  das  grosse  Werk  damit,  dass  er  zuerst  fünf  kleine  Propheten  zum 
Gegenstand  seiner  exegetischen  Studien  machte.  Es  sind :  Naum,  Michaea, 
Sophonia,  Haggai,  Habacuc.  Von  diesen  Commentaren  ist  der  zu  Habacuc 
dem  Bischof  Chromatius  von  Aquileia  gewidmet,  die  übrigen  seinen  Freun- 
dinnen Paula  und  Eustochium.  Man  spöttelte  darüber,  dass  der  Kirchen- 
vater seine  gelehrten  Arbeiten  so  oft  an  Frauen  richte,  und  er  fand  es 
daher  für  nötig,  sich  wegen  dieser  Spöttereien  zu  verteidigen.  Die  Com- 
mentare sind  kurz  vor  392  oder  im  Jahre  392  verfasst,  da  der  in  diesem 
Jahre  geschriebene  Catalog  diese  Werke  am  Schluss  anführt,  offenbar  in 
rascher  Folge;  er  bat  daher  den  Leser  um  Entschuldigung  wegen  der 
Schnelligkeit  seines  Diktierens.  Diese  Eilfertigkeit  schloss  eingehende 
Studien  aus,  und  wenn  ihm  vorgeworfen  wurde,  dass  er  Origenes  aus- 
schreibe, so  vermag  er  das  nicht  abzuleugnen,  sondern  sucht  seine  Recht- 
fertigung in  dem  gleichen  Vorgehen  berühmter  römischer  Schriftsteller. 

Abfassungszeit  der  Commentare.  Praef.  zu  Amos  lib.  3  (Sp.  1057  M.)  Naum, 
Michaeam,  Sophoniam  et  Aggaeum  primo  qnXonoyoxdxaig  Paulae  eiusque  filiae  Eustochio 
TtQwrsqiioyTjca,  seeundo  in  Abacuc  duos  lihroa  Chromatio  Aquileiensi  episcopo  delegavi.  Wäh- 
rend hier  die  Ordnong  der  5  Commentare  Naum,  Michaea,  Sophonia,  Haggai,  Habacuc  ist, 
finden  wir  im  Catalog  die  Ordnung:  Michaea,  Naum,  Habacuc,  Sophonia,  Haggai,  die  gleiche 
Praef.  zum  Jonascommentar  (25  Sp.  1117  M.).  Die  erste  Anordnung  bei  Amos  wird  die 
chronologische  sein.  Im  Prolog  zu  Habacuc  (Sp.  1273  M.)  verweist  er  auf  den  Naumcom- 
mentar.  Im  Prolog  zum  Jonascommentar  setzt  er  die  genannten  Commentare  3  Jahre  vor 
dem  Jonascommentar  an. 

Zur  Charakteristik.  Comm.  in  Agg.  Sp.  1416  M.  obsecro  te,  lector,  ut  ignoscas 
celeri  sermone  dictanti,  nee  requiras  eloquii  venustatem,  quam  multo  tempore  Hebraeae  lin- 
guae  studio  perdidi,  Prolog,  zu  Comm.  in  Sophon.  Sp.  1337  M.  me  irridendum  aestimant, 
quod  omissis  viris  ad  vos  scribam  potissimum,  o  Paula  et  Eustochium.  Comm.  in  Abacuc 
2,  15  1^.  1301  M.  audivi  Liddae  quemdam  de  Hebraeis,  qui  sapiens  apud  illos  et  devfeQtoTijg 
voeabatur,  narranUm  huiuscemodi  fabulam.  Comm.  in  Mich.  lib.  2  Sp.  1189  M.  dicunt  Ori- 
genis me  Volumina  compilare  et  contaminari  non  decere  veterum  scripta.  Vgl.  Zö ekler, 
Hieronymus  p.  186. 

Ausg.  Naum:  Vallarsi  6  Sp.  533;  Migne  25  Sp.  1231.  Michaea:  Vallarsi  6 
Sp.  431;  Migne  25  Sp.  1151.  Sophonia:  Vallarsi  6  Sp.  671;  Migne  25  Sp.  1337;  Haggai: 
Vallarsi  6  Sp.  735;  Migne  25  Sp.  1387.  Habacuc:  Vallarsi  6  Sp.587;  Migne  25  Sp.  1273. 

2.  Die  Commentare  zu  Jonas  und  A.bd\a.   ¥»Ät  dv^v  Jatre  waren 


416  Hieronymns.    (§  982.) 

verstrichen,  seitdem  Hieronymus  die  genannten  fänf  kleinen  Prophetei 
commentiert  hatte.  Andere  litterarische  Arbeiten  hatten  ihn  von  der  Fort- 
setzung des  Werkes  abgehalten.  Um  395  lenkte  er  wieder  in  die  v»* 
lassenen  Bahnen  ein  und  nahm  sich  den  Propheten  Jonas  und,  wie  man 
schliessen  muss,  bald  darauf  den  Abdia  vor,  um  sie  durch  Commentare 
zu  erläutern.  Den  letzten  Propheten  hatte  er  bereits  in  der  Jugend  ^- 
klärt.  Er  war  allegorisch  vorgegangen,  ohne  die  historische  Grundlage 
festzustellen;  es  war  ihm  daher  unangenehm,  als  nach  Jahren  ein  Exem- 
plar dieser  Schrift  aus  Italien  zu  ihm  gelangte,  und  wunderbar,  dass  das- 
selbe das  Lob  seines  Besitzers  gefunden  hatte.  Selbstverständlich  kami 
er  jetzt  etwas  besseres  geben  als  damals.  In  zwei  Nächten  wurde  der 
Abdiacommentar  diktiert,  mit  anderen  Worten,  er  hat  aus  einigen  Quelloi 
das  ihm  brauchbar  erscheinende  einem  Schnellschreiber  in  die  Feder  dik- 
tiert. Etwas  schwerer  scheint  ihm  die  Arbeit  über  Jonas  geworden  zu 
sein;  denn  er  klagt,  dass  die  Commentatoren  den  Propheten  mehr  ver- 
dunkelten als  aufhellten.  Der  Jonascommentar  ist  dem  Bischof  Chroma- 
tius,  der  Abdiacommentar  seinem  Freunde  Pammachius  gewidmet 

AbfaBsun^szcit  der  beiden  Commentare.  Prolog,  zum  Jonascomm.  (Sp.  1117  M.) 
triennium  circiter  fltixit,  poatquam  quinque  prophetas  interpreiatus  sunt.  Praef.  zum  Amo»- 
comm.  Hb.  3  Sp.  1057  M.  tertio  post  longi  temporis  silentium  Ähdiam  et  Jonam  tibi  im- 
peranti  ed isser ui.    Vgl.  Zock  1er,  Hieronymus  p.  208. 

Zur  Charakteristik.  Prolog,  zum  Jonascomm.:  obsecro  ut  qui  (Jonas)  typus  eü 
Salvatoris  et  trihus  diebus  ac  noctibus  in  ventre  ceti  moratus  praefiguravU  domini  resur- 
rectionem,  nobis  quoque  fervorem  pristinum  tribuat,  tU  sancti  ad  nos  Spiritus  mereamur 
adventum  ....  Scio  veteres  ecclesiasticos  tarn  Graecos  quam  Latinos  super  hoc  libro  muHü 
dixisse  et  tantis  quaestionibus  non  tarn  aperuisse  quam  obscurasse  sententias  ....  (Sp.  11191 
ceterum  non  ignoramuSj  Chromat i  papa  vcnerabiUSj  sudoris  esse  vel  maximi  totum  pro- 
phetam   referre   ad  inlelligentiam  Salvatoris,     Prolog,  zum  Abdiacomm.  Sp.  1097  M.  i«  ado. 

lescentia  ....  allegorice  interpreiatus  sum  Abdiam  prophetam,  cuius  historiam  neseiebam 

nee  diffiteor  per  hosce  triginta  annos  in  eins  opere  nie  ac  labore  sudasse.  Sp.  1098  M.  mi 
Pammachi.  Am  Schluss  des  Abdiacommentars  heisst  es  (Sp.  1117  M.):  Haec  ad  duas  lucu- 
bratiunndas  veterum  auctoritatem  secutus  et  maxime  expositionem  Hebraicam  propere  str- 
mone  dictavi  ....  Unde  sapiens  lector  sensuum  magis  debet  consequentiam  quaerere  quam 
eloguii  venustat em.  Nvque  enim  ea  lenitate  et  compositione  verborum  dictamus,  ut  scribimu*. 
Vgl.  Zö ekler,  Hieronymus  p.  208. 

Ausg.  Jonas:  Vallarsi  6  Sp.387;  Migne  25  Sp.  1117.  Abdia:  Vallarsi  6  Sp.350: 
Migne  25  Sp.  1097. 

3.  Die  Commentare  zu  den  noch  übrigen  fünf  kleinen  Pro- 
pheten. Wieder  trat  eine  längere  Pause  in  seiner  Commentierung  der 
kleinen  Propheten  ein.  Erst  im  Jahre  406  legte  er  von  neuem  Hand  an 
das  Werk,  um  es  seinem  Ende  zuzuführen.  Er  begann  mit  der  Erklärung 
des  Zacharia.  Der  Commentar  musste  sehr  eilig  hergestellt  werden; 
denn  er  war  zu  einem  Geschenk  bestimmt,  das  der  Mönch  Sisinnius  dem 
Tolosanischen  Bisehof  Exuperius  überbringen  sollte.  An  gelehrten  Hilfs- 
mitteln fehlte  es  ihm  allerdings  nicht,  doch  hatten  dieselben  zu  sehr  die 
Allegorie  betont  und  das  historische  Moment  vernachlässigt.  Hieronymus 
suchte  also  durch  Verbindung  der  historischen  und  allegorischen  Er- 
klärungsweise seine  Aufgabe  zu  lösen.  Derselbe  Mittelsmann  Sisinnius 
hatte  an  die  Tolosanischen  Mönche  Minervius  und  Alexander  auch  einen 
Commentar  zu  dem  Propheten  Malachias  und  einen  exegetischen  Brief 
zu  überbringen.  Die  drei  noch  übrigen  Commentare  sind  dem  Pammachius 
gewidmet.     Im  Commentar   zu  Osee   s\»^\v^tv  '^tcv  t^\^^  ^^\«asj^ä^  -c®. 


Hieronymiul.    (§  983.)  417 

Verfügung,  die  er  im  Prolog  aufzählt;  hier  legt  er  auch  seine  Grundauf- 
bssung  über  den  Propheten  dar.  Im  weiteren  Verlauf  der  in  mehrere 
Bücher  geteilten  Arbeit  hat  er  wieder  über  Neid  und  Anfeindung  zu 
klagen.  Alsdann  kam  der  Joelcommentar  an  die  Reihe,  in  dessen  Vor- 
rede er  sich  über  die  Anordnung  der  zwölf  Propheten  bei  den  LXX  und 
dem  hebräischen  Urtext  und  über  die  Bedeutung  der  Namen  der  Pro- 
pheten ausspricht.  Das  grosse  Werk  kam  mit  dem  Amoscommentar  zu 
Ende,  und  voll  Freude  wirft  der  Autor  nochmals  einen  Blick  auf  die  lang- 
ffthrige,  vielfach  unterbrochene  Thätigkeit  zurück. 

AbfassuDgszeit  der  5  Commentare.  Amoscomm.  Sp.  1057  M.  praesenti  anno,  qui 
wxti  eonsulatus  Arcadii  Augusti  et  AnicH  Probt  fastis  nomen  imposuit  (a.  406),  Exsuperio 
^oiosanae  eccleaiae  pontifici  Zadhariam  et  eiusdem  urhis  Minervio  et  Alexandro  monachis 
Wdiaehiam  prophetam  interpretcUus  sum,  Statimque  recurrens  ad  principium  voluminia 
"hee  et  Joel  et  Arnos  tibi  (seil.  Pammachias)  negare  non  potui. 

Zur  Gharakteriatik  der  Commentare  sei  Folgendes  mitgeteilt  a)Zacharia8- 
tommentar.  Prolog.  Sp.  1417  M.  ob  festinationem  eius  qui  reversurus  est  nullam  moram 
Htiitur  interpretatio:  sed  velim  noHm,  saltem  lucrativis  per  noctem  horis  atque  furtivis  dictare 
•atnptUor,  quod  tibi  (seil.  Exsuperio  Tolosano  episcopo)  dirigam.  Scripsit  in  hunc  prophetam 
Trigtnes  duo  volumina  usque  ad  tertiam  partetn  libri  a  principio.  Hippolytus  quoque  edidit 
'Jotnmentarios  et  Didymus  quoque  Explanationum  libros  me  rogante  dictavit,  quos  cum  aliis 
ribtis  in  Osee  et  mihi  nQoastpaiyrjaey:  sed  tota  eorum  i^yrjatg  allegorica  fuit  et  historiae 
fiop  pauea  tetigerunt  ....  historiae  Hebraeorum  tropologiam  nostrorum  miscui.  Ueber  die 
Bile  in  der  Abfassung  vgl.  Sp.  1455  A  und  Sp.  1497  C.  —  Ausg.  bei  Vallarsi  6  Sp.  775; 
Ifigne  25  Sp.  1415.  ß)  Malachiascommentar.  Prolog.  Sp.  1543  M.  scripsit  in  hunc 
lihrum  Origenes  tria  volumina;  sed  historiam  omnino  non  tetigit  et  more  suo  totus  in  alle- 
^oriae  interpretatione  versatus  est,  nulJam  Ezrae  faciens  mentionem  ....  alios  commentarios 
m  hunc  prophetam  Ugisse  me  nescio,  excepto  ApoUinaris  brevi  libello,  cuius  non  tarn  inter- 
pretatio  quam  interpretationis  puncta  dicenda  sunt,  Epist.  119,  1  an  Minervius  und  Ale- 
zander (22,  966  M.)  in  ipso  iam  profectionis  articulo  sancti  fratris  nostri  Sisinnii,  qui  vestra 
mihi  scripta  detulerat,  haec,  qualiacumque  sunt,  dictare  compeUor.  Vgl.  ZO ekler,  Hieronymus 
p.  291.  —  Ausg.  bei  Vallarsi  6  Sp.  939;  Migne  25  Sp.  1541.  y)  Oseecommentar.  Prolog. 
Sp.  819  M.  qui  (ApoUinaris  Laodicenus)  cum  in  adolescentia  sua  breves  et  in  hunc  et  in  alios 
prqphetas  commentariolos  reliquissei,  tangens  magis  sensus  quam  explicans,  rogatus  est  po- 
ttea,  ut  in  Osee  plenius  scriberet:  qui  liber  venit  in  nostras  manus  ....  Origenes  parvum 
de  hoc  propheta  scripsit  libeUum,  cui  hunc  titulum  imposuit  negl  rov  ntSg  foyofuxc&t]  iy  r^ 
lOatii  *Eg>^atf4  ....  volens  ostendere  quaecumque  contra  eum  dicuntur  ad  haereticorum  referenda 
personam.     Et  aliud  volumen  dxiqtaXov  xal  axiXhaxov,  quod  et  capite  careat  et  fine.    Pierii 

quoque  legi  tractatum   longissimum Et  Eusebius  Caesariensis  in  octavo  decimo  libro 

EvayysXix^g  dnodei^eatg  quaedam  de  Osee  propheta  disputat.  ünde  ante  annos  circiter  viginti 
duos,  cum  rogatu  sanctae  et  venercUnlis  socrus,  immo  matris  tuae  Paulas  ....  essem  Alexan- 
driae,  vidi  Didymum,  et  eum  frequenter  audivi ....  rogavique  eum,  ut  quod  Origenes  non 
feeerat  ipse  compleret  et  scriberet  in  Osee  Commentarios:  qui  tres  libros  me  petente  dictavit, 
quinque  quoque  alios  in  Zachariam.  Nam  et  in  ipsum  duo  tantum  Origenes  scripsit  volumina 
vix  tertiam  partem  a  principio  libri  usque  ad  visionem  quadrigarum  edisserens.  Sp.  860  M. 
tu,  Pammachi,  qui  nos  facere  praecepisti  hoc,  necesse  est  ut  fautor  sis  imperii  tui  —  Ausg. 
beiVallarsi  6Sp.  1;  Migne  25Sp.  815.  —  M.  Rahmer,  Monatsschr.  für  Gesch.  u.Wissensch. 
des  Judentums  1865,  1867,  1868,  1898.  d)  Joelcommentar.  Prolog.  Sp.  949  M.  quodque 
sanctae  ae  venerabili  Paulae  parenti  tuae  (kurz  vorher  Pammachius  angeredet)  polliciti  sumus, 
pius  heres  suscipe.  —  Ausg.  bei  Vallarsi  6  Sp.  165;  Migne  25  Sp.  947;  vgl.  Rahmer  1.  c. 
c)  Amoscommentar.  Hieronymus  schreibt  an  Pammachius  (Sp.  1057  M.):  E^  post  gra- 
vissimam  corporis  aegrotationem  dictandi  celeritate  ostendi  temeritatem  meam  ....  quoniam, 
ut  saepe  testatus  sum,  laborem  propria  scribendi  manu  ferre  non  valeo,  in  explanatione 
sanctarum  Scripturarum  non  verba  composita  et  oratoriis  floribus  adornata,  sed  eruditio  et 
simplidtas  quaeritur  veritatis.  —  Ausg.  bei  Vallarsi  6  Sp.  219;  Migne  25  Sp.  989. 

983.  Die  Commentare  zu  den  vier  grossen  Propheten.  Bald  nach- 
dem die  commentierende  Thätigkeit  zu  den  zwölf  kleinen  Propheten  ihr 
Ende  erreicht  hatte,  wandte  er  sich  zu  den  vier  grossen.  Zuerst  inter- 
pretierte er  den  Propheten  Daniel.  Er  wollte  einen  anderen  Weg  ein- 
scbJagen  als  bei  der  Interpretation  der   zvfÖV?  V\e\xv^xv  ^to^^\äw\  \ssä\^ 

Häodbach  der  kJäm,  il/tertumiiwineDschmft.    VIII,  4.  ^ 


418  Hieroii3rmiia.    (§983.) 

alles  sollte  besprochen  werden,  sondern  das  Wichtigste  und  Einschnei- 
dendste. Bei  diesem  Commentar,  der  dem  Pammachius  und  der  Marcelk 
gewidmet  wurde,  hatte  er  sich  abzufinden  mit  Porphyrius,  der  die  These 
aufgestellt  hatte,  der  Daniel  sei  von  einem  Zeitgenossen  des  Antiochos 
Epiphanes  verfasst  worden,  das  Schriftstück  berühre  daher  nicht  Zu- 
künftiges, sondern  bereits  Geschehenes.  Dem  gegenüber  vertritt  Hiero- 
nymus  die  Ansicht,  dass  Daniel  nicht  bloss  die  Ankunft  Christi,  sondern 
auch  die  Zeit  derselben  verkünde.  Der  Stoff  führt  ihn  auch  zu  der  pro- 
fanen Litteratur,  und  das  11.  Capitel  ist  reich  an  historischen  Erzählungen. 
Hervorgehoben  soll  noch  werden,  dass  der  Kirchenvater  eine  Interpolation 
durch  Hinweis  auf  das  hebräische  Original  aufdeckt.  Sofort  nach  dem 
Erscheinen  des  Danielcommentars  nahm  er  die  Exegese  des  Isaias  in 
Angriff.  Er  widmete  das  Werk  der  Eustochium  und  ihrer  verstorbenen 
Mutter  Paula.  Es  ist  der  umfangreichste  Commentar,  den  Hieronymus 
geschrieben,  indem  er  den  Umfang  von  18  Büchern  erhalten  hat.  Sobald 
ein  Buch  fertig  war,  übersandte  er  es  an  Eustochium.  Jedem  Buch  geht 
eine  Vorrede  voraus,  in  der  der  Autor  die  Gelegenheit  wahrnimmt,  sich 
über  Verschiedenes,  was  sein  Inneres  berührt,  auszusprechen;  der  Neid 
seiner  Gegner  spielt  auch  eine  Rolle.  An  Stelle  des  fünften  Buches  Hess 
er  den  Traktat  treten,  den  er  vor  398  über  die  zehn  Gesichte  des  Isaias 
geschrieben  hatte.  Obwohl  in  diesem  Commentar  neben  der  historischen 
auch  die  allegorische  Interpretation  zur  Anwendung  gekommen  ist,  so 
sprechen  doch  Kenner  dem  Werke  ihre  Anerkennung  aus.  Sehr  ausführ- 
lich ist  auch  der  Commentar  zu  Ezechiel,  der  wiederum  der  Eustochium 
dediziert  ist.  Er  besteht  aus  14  Büchern;  auch  diese  werden  durch  Vor- 
reden eingeleitet,  in  denen  sich  der  Verfasser  besonders  über  den  Aufbau 
des  Werkes  ausspricht.  Doch  lässt  auch  die  aufgeregte  Zeit  manchen 
Niederschlag  verspüren.  Noch  stand  ein  Prophet  aus,  Jeremias,  der 
commentiert  werden  sollte,  und  es  schien,  als  sollte  der  Commentar  zu 
diesem  Propheten  sein  reifstes  Werk  werden;  allein  der  Tod  nahm  dem 
unermüdlichen  Exegeten  den  Griffel  aus  der  Hand.  So  haben  wir  einen 
Torso,  der  aus  sechs  Büchern  besteht  und  dem  Eusebius  von  Cremona  ge- 
,  widmet  ist.  Das  Vorhandene  reicht  bis  zu  Cap.  32.  In  die  Vorreden 
tönen  die  pelagianischen  Streitigkeiten  hinein. 

Abfassungszeit  des  Danielcommentars.  Der  terminus  post  quem  ergibt  sich 
aus  Prolog.  Sp.  494  M.,  wo  er  auf  seinen  Commentar  zu  den  12  kleinen  Piopheten  hin- 
weist; also  ist  der  Danielcommentar  nach  406  geschrieben.  Der  terminua  ante  quem  lisst 
sich  folgendermassen  ermitteln:  Danielcomm.  2,  40  Sp.  504  M.  adrersum  diversas  natione$ 
aliarum  (ßendum  harbnranim  indipemus  auxiho;  aus  Isaiascomm.  1.  11  (24  Sp.  377  M.^ 
müssen  wir  vermuten,  dass  von  den  Feinden  des  Hieronymus  diese  Stelle  als  ein  Angriff 
gegen  Stilicho  denunziert  wurde,  dass  aber  durch  dessen  plötzlichen  Tod  (408)  die  (lefahr 
für  Hieronymus  abgewendet  wurde;  also  fällt  der  Commentar  zwischen  406  und  408;  vgl. 
Vallarsi  bei  Migne  Sp.  161. 

Zur  Charakteristik  des  Commentars.  Prolog.  Sp.  494  M.  non  iuxta  consu^tu- 
dincm  nostram  propoyientes  omnia  et  omnia  disserentes,  ut  in  duodecini  prophetis  fecimus. 
sed  brcviter  et  per  interralla  ea  tantuWy  quae  obscura  sunt  explanantes.  Sp.  491  M.  contra 
prop/ictam  Danielem  duodecimum  libmm  scripsit  PorphyriuSj  noletis  cum  ab  ipso,  cuim 
inscriptus  est  nomine,  esse  compositum,  sed  a  quodam  qui  temporibus  Antiochi  qui  appel- 
latus  est  Kpij)hanes,  fucrit  in  Judaea  et  non  tarn  Danielem  Ventura  dixisse  quam  Hlum 
narrasse  praeterita.  Denique  quidquid  usque  ad  Äntiochum  dixerit,  verum  historiam  con- 
iinere:  si  quid  autem  ultra  opinatus  sit,  quia  futura  nescierit^  esse  mentitum  (vgl.  Lataix. 
Opinions  de  Porphyre,  Revue  etc.  p.  lOAV     ^'^^^  soUcrlimmc  Tespot^deT^wa  "EwÄ^Xyc^  ^^.o«».- 


».    (§983.)  419 

rienns  qnscopus  tribus  voluminibus,  id  est  octavo  decimo  et  nono  decimo  et  vicesimo; 
ApoüinaHus  guoque  uno  grandi  libro,  hoc  est  vicesimo  sexto,  et  ante  hos  ex  parte  Metho- 

diu8 commoneo  niUlwn  proplietarwn  tarn  aperte  dixisse  de  Christo,    Non  enim  solum 

$eribit  cum  esse  venturum,  quod  est  commune  cum  ceteris,  sed  etiam  quo  tempore  venturus 

$it  doeel (Sp.  493)  ünde  et  nos  ante  annos  plurimos  cum  verteremus  Danielem,  hos 

vitiones  obelo  praenotavimtM,  significantes  eas  in  Hehraico  non  haberi  ....  Ad  inteUi- 
gendas  autem  extremas  partes  Danielis  multiplex  Graecorum  historia  necessaria  est: 
Sutorii  videlicet  Callinicif  Diodori,  Hieronymi,  Polybii,  Posidonii,  Claudii.  Theonis  et  Andro- 
mci  eognomento  Alipii,  quos  et  Porphyrius  esse  secutum  se  dicit:  Josephi  quoque  et  eorum 
qtios  ponit  Josephus  praecipueque  nostri  Livii  et  Pompeii  Trogi  atque  Justini,  qui  omnem 
extremae  visionis  narrant  histoinaw,  et  post  Älexandi-um  usque  ad  Caesarem  Augustum, 
Sifriae  et  Aegypti,  id  est  Seleuci,  et  Antiochi  et  Ptolemaeorum  bella  describunt.  Isaias- 
eomm.  praef.  zu  1.  11  (24  Sp.  377  M.)  et  ob  hanc  causam  in  Commentariolis  Danielis  bre- 
viUUi  studui  praeter  tUtimam  et  paenultimam  visionem,  in  quibiM  me  necesse  fuit  ob  ob- 
icuritatis  magnitudinem  sermonem  tendere,  praecipueque  in  expositione  Septem  et  sexa- 
ginta  duarum  et  unius  hebdomadarum,  in  quibus  disserendis  quid  Africanus  temporum 
Mcriptor,  quid  Origenes  (Lataix,  Opinions  d'Origdne,  Revue  etc.  p.  268)  et  Caesariensis 
EusebiuSf  Clemens  quoque  Alexandrinae  ecclesiae  presbyter  et  ApoUinarius  Laodicenus 
Hippolytusque  et  Hebraei  et  Tertullianus  senserint,  breviter  comprehendi  (Lataix,  Tra- 
ditions  juivea,  Revue  etc.  p.  275).  —  J.  Lataix,  Le  commentaire  de  S.  J^rdme  sur  Daniel 
(Revue  d'hiatoire  et  de  litt^rature  religieuses  2  (1897)  p.  164;  p.  268). 

Abfasaungszeit  des  iBaiascommentars.  Als  Hieronymns  das  11.  Buch  schrieb, 
war  Stilicho  tot  (408);  vgl.  praef.  Sp.  377  M.  Als  er  den  Commentar  zum  £zechiel  nach 
Vollendung  des  Isaiascommentars  verfasste,  gelangte  zu  ihm  die  Nachricht,  dass  Rom  be- 
lagert werde  (410);  vgl.  25  Sp.  15  M.  Der  Commentar  ist  also  durch  das  Intervallum  408 
bia  410  begrenzt 

Zur  Charakteristik  des  Commentars.  Prolog.  Sp.  17  M.  cogis  me,  virgo  Christi 
Eustoehium,  transire  ad  Isaiam  et  quod  sanctae  mairi  tuae  Paulae,  dum  viveret,  polli- 

eitus  8um,  tibi  reddere  (vgl.  praef.  zu  1.  18  Sp.  627  M.) sicque  exponam  Isaiam,  ut  ülum 

non  solum  prophetam,  sed  evangelistam  et  apostolum  doceam,  Sp.  21  M.  scripsit  in  himc 
prophetam  iuxta  editiones  quatuor  usque  ad  Visionem  quadrupedum  in  deserto  Origenes 
triginta  Volumina,  e  quibus  vicesimus  sextus  liber  non  invenitur.  Feruntur  et  alii  sub 
nomine  eius  de  Visione  jetQttnodaty  duo  ad  Gratam  libri,  qui  pseudographi  putantur,  et 
vigintiquinque  Homiliae  et  £tj/ji€iiva6is,  quas  nos  Excerpta  possumus  appellare.  EtMebiiAS 
quoque  Pamphüi  iuxta  historicam  explanationem  quindecim  edidit  volumina;  et  IHdymus, 
cuius  amicitOs  nuper  usi  sumus,  ab  eo  loco  ubi  scriptum  est:  Consolamini,  consolamini 
populum  meum  etc,  usque  ad  finem  voluminis,  decem  et  octo  edidit  tomos,  ApoUinarius 
auiem  more  suo  sie  exponit  omnia,  ut  univei'sa  transcunat  et  punctis  quibusdam  atque 
intervallis,  immo  compendiis  grandis  viae  spatia  praetervolet.  Prolog.  1.  6  Sp.  205  M.  polli- 

eüus  sum,  ut  super  fundamenta  historiae spirituale  exstruerem  aedificium.    Prolog. 

1.  9  Sp.  313  M.  variis  molestiis  occupati  explanationes  in  Isaiam  prophetam  per  intervcUla 
dietamus. 

Das  fünfte  Buch.  Praef.  Sp.  153  M.  plures  anni  sunt  quod  a  sanctae  memoriae 
viro  Amabüi  episcopo  rogatus,  ut  in  decem  Isaiae  scriberem  Visiones,  pro  angustia  illius 
temporis  quid  mihi  videretur  in  singulis  brevi  sermone  perstrinxi,  historiam  tantum  quod 
petebat  edisserens.  Nunc  ad  te,  (piXonoyatatrj  Eustochium,  cogor  in  totum  prophetam 
Commentarios  scribere  et  interim  orationibus  tuis  ad  Babylonem  usque  perveni,  quae  prima 
decem  visionum  est,  de  quibus  ante  iam  dixi.  Superfluum  autem  mihi  visum  est,  aui  eadem 
rursus  iterare  aut  in  uno  opere  diversas  sententias  promere.  ünde  quintus  in  Isaiam 
liber  erit  hie,  qui  quondam  solus  editus  est.  Die  Spezialschrift  muss  vor  398  geschrieben 
sein;  denn  epist.  71,  7  (22,  672  M.),   welche  derselben  gedenkt,  wird   ins  Jahr  398  gesetzt. 

Abfassungszeit  des  Ezechielcommentars.  In  der  Vorrede  zum  I.Buch  sagt 
Hieronymua  (Sp.  15  M.):  Et  ecce  subito  mors  mihi  Pammachii  atque  Marcellae  Romanae 
urbis  obsidio  ....  nuntiata  est.  Also  fällt  der  Beginn  des  Commentars  nach  410.  In  dem 
Brief  an  Demetrias  (epist.  130,  2  aus  dem  Jahre  414;  22,  1107  M.)  ist  er  occupatus  in 
explanatione  Templi  Ezechielis;  damit  spielt  er  auf  das  12.  und  13.  Buch  an.  Also  wird 
der  Commentar  414  oder  415  beendigt  worden  sein. 

Zur  Charakteristik  des  Commentars.  Praef.  zu  1.  1  Sp.  15  M.  quod  (n&mlich 
Commentar  zu  Ezechiel)  tibi  et  sanctae  memoriae  matri  tuae  Paulae,  o  virgo  Christi  Eu- 
stochium, saepe  pollicitus  sum.  Praef.  zu  1.  3  Sp.  76  M.  unde  rursus  a  te  commoniti,  o  virgo 
Christi  Eustochium,  intermissum  laborem  repetimus  et  tertium  volumen  aggressi  tuo  ae- 
tiderio  saiisfacere  desideramus,  Praef.  zu  1.  5  Sp.  139  M.  ne  librorum  nutnerus  confun- 
datur  et  per  longa  temporum  spatia  divisorum  inter  se  voluminum  ordo  vitietur,  prae- 
faimncHlaa  singulis  libria  praeposui  ....  in  qiio  nihil  ex  avtc  TUctwca,  wAvil  «c  cww^^- 


420  Hieronymiui.    (§  984.) 

sitione  reperies  et  venustate  verborum,  sed  cur  am  simplids  ei  soUertis  düigenUae.  Pnef. 
zu  1.  7  Sp.  199  M.  haec  ad  lucemulam  qualiacumque  sunt  dictare  canamtir  et  aestuantit 
animi  taedium  interpretatione  digerere. 

AbfasBungBzeit  des  Jeremiascommentars.  Am  Schlnss  des  Ezechielcommen- 
tars  sagt  Hieronymus  (Sp.  449  M.):  Transibo  ad  Jeremintn,  qui  unus  nobis  remanet  pro- 
phetarum.  Also  wurde  der  Gommentar  gleich  nach  414/15  begonnen.  Da  das  Werk  nicht 
vollendet  ist,  wird  der  Tod  des  Hieronymus  (420)  die  Vollendung  verhindert  haben.  So- 
nach werden  wir  die  Bücher  zwischen  415  und  420  ansetzen.  Wenn  Casaiodor  sagt  (de 
inst.  div.  litt.  c.  3;  70  Sp.  1114  Migne):  Qtiem  (Jeremiam)  etiam  sanctus  Hieronymus  viginti 
libris  commentatus  esse  monstratur,  ex  quibus  sex  tantum  nos  potuimus  invenire ;  reiiduos 
vero  adhuc  Domino  iuvante  perquirimuSf  so  ist  diese  Nachricht  so  zu  deuten,  dass  ia 
der  Ueberlieferung  die  von  Hieronymus  übersetzten  14  Homilien  des  Origenes  mit  dea 
6  Büchern  zu  einem  Ganzen  verbunden  wurden. 

Zur  Charakteristik  des  Commentars.  Prolog.  Sp.  679  M.  sicque  conabor  nota- 
rioi'um  manu  scribere,  ut  nihil  desit  in  sensibus,  cum  mvUtum  desit  in  verbis  ....  Libeüum 
Baruch,  qui  vulgo  editioni  Septuaginta  copulatur,  nee  habetur  apud  Hebraeos  et  tffepd- 
enlyQatpoy  epistolam  Jeremiae  nequaquam  censui  disserendam,  sed  magis  Jeremiae  ordinem, 
librariorum  errore  confusum,  multaque  quae  desunt  ex  Hebratis  fontibus  digertre  ac  eom- 
plere.  Er  verweist  auf  einen  Ausspruch  Sp.  681  M.:  ipsos  Commentarios  tarn  veterum  Script 
torum  esse  quam  nostros.  Praef.  zu  1.  2  Sp.  717  M.  nee  nimia  longitudine  extendentes  opuii 
nee  immoderata  brevüate  auferentes  intelligentiam.  Praef.  zu  1.  4  Sp.  793  M.  muJtis  et 
de  toto  huc  orbe  conftuentium  turbis  et  sanctorum  Fratrum  monasteriique  curis  occu- 
patus  Commentarios  in  Jeremiam  per  intervalla  dictabam.  Praef.  zu  1.  6  Sp.  865  M.  nos 
sequentes  auctoritatem  apostolorum  et  evangelistarum  et  maxime  apostoli  Pauli,  qtädquid 
poptUo  Israel  carnaläer  repromittitur,  in  nobis  spiritualiter  completum  esse  monstramut 
hodieque  compleri. 

Ausg.  Daniel:  Vallarsi  5  Sp.  617;  Migne  25  Sp.  491.  Isaias:  Vallarsi  4Sp.  1; 
Migne  24  Sp.  17.  Ezechiel:  Vallarsi  5  Sp.  1;  Migne  25  Sp.  15.  Jeremias:  Vallarsi 
4  Sp.  833;  Migne  24  Sp.  679. 

984.  Der  Commentar  zum  Prediger  und  andere  alttestamentliche 
Erläuterungsschriften.  Als  Hieronymus  in  Rom  weilte,  interpretierte  er 
Paulas  Tochter  Blaesilla  den  Prediger,  um  ihr  die  üeberzeugung  von  der 
Vergänglichkeit  alles  Irdischen  beizubringen.  Die  fromme  Jungfrau  fand 
Gefallen  an  der  Exegese  und  bat  daher  Hieronymus,  ihr  seine  Erklärungen 
niederzuschreiben.  Schon  war  Hieronymus  mit  der  Ausführung  eines 
Commentars  beschäftigt,  als  Blaesilla,  die  den  Schleier  genommen  hatte, 
unerwartet  starb.  Das  Unternehmen  ruhte  nun;  erst  in  Bethlehem,  zwi- 
schen 387—390,  schritt  er  zur  Ausführung  desselben.  Er  widmete  sein 
Werk  dem  Andenken  der  V^ erstorbenen  und  der  Paula  und  Eustochium. 
Bemerkenswert  ist,  dass  er  sich  besonders  an  den  hebräischen  Urtext  an- 
schloss.  Diese  Leistung  des  Hieronymus  ist  keine  erfreuliche,  da  zu  viel 
in  den  Prediger  hineingeheimnisst  wird. 

Wir  reihen  an  den  Commentar  zum  Prediger  noch  eine  Reihe  exe- 
getischer Abhandlungen  zum  alten  Testament.  Als  Hieronymus  im  Jahre 
381  in  Constantinopel  weilte,  schrieb  er  über  die  Vision  von  den  Sera- 
phim und  der  glühenden  Kohle  im  6.  Capitel  des  Isaias  einen  Traktat, 
den  er  in  reiferen  Jahren  lediglich  als  eine  Studie  bezeichnete.  Das  Werk- 
chen widmete  er  dem  Papst  Damasus.  An  denselben  Papst  richtete  er 
auch  eine  Abhandlung  über  das  hebräische  Wort  „Osanna**.  Damasus 
hatte  nämlich  über  dieses  Wort  bei  Matthaeus  (21,  9)  verschiedene  Aus- 
legungen gefunden  und  wünschte  von  dem  des  Hebräischen  kundigen  Mann 
eine  authentische  Interpretation.  In  einem  anderen  Briefe  legte  der  wiss- 
begierige Papst  dem  Kirchenvater  fünf  Fragen  über  schwierige  Stellen 
der  Genesis  zur  Beantwortung  vor.  Von  diesen  fünf  Fragen  schaltete  aber 
Hieronymus  zwei  aus,  indem  ev  Aarawi  \\\\v«\^ä^  ^«ä^  ^\<öi^^^<b\v\i^^'»^  ^<^\w 


Hieronymiui.    (§984.)  421 

Tertullian,  Novatian  und  Origenes  behandelt  worden  seien ;  es  blieben  also 
noch  drei  Fragen  zur  Beantwortung  übrig,  nämlich:  1.  Wie  die  Stelle 
der  Genesis  (4,  15)  aufzufassen  sei:  wer  Cain  totschlägt,  das  soll  sieben- 
flUtig  gerochen  werden.  2.  Warum  Gen.  15,  16  Gott  zu  Abraham  ge- 
sagt habe,  dass  die  Söhne  Israels  in  der  vierten  Generation  aus  Aegypten 
zurückkehren  würden,  während  er  Exodus  13, 18  von  der  fünften  Generation 
spreche.  3.  Warum  Isaak,  der  gerechte  und  Gott  wohlgefällige  Mann, 
nicht  dem,  den  er  wollte,  sondern  dem,  den  er  nicht  wollte,  irrtümlich 
seinen  Segen  spendete.  Bezüglich  der  zweiten  Frage  bemerkt  Hieronymus, 
dass  der  hebräische  Grundtext  nicht  von  der  fünften  Generation  spreche, 
sondern  nur  die  Uebersetzung  der  Septuaginta. 

Abfassungszeit  des  Commentars  zum  Prediger.  Der  GommeDtar  fällt  vor 
392.  Hieronymas  schreibt  ihn  ungefähr  fünf  Jahre,  nachdem  er  in  Rom  der  Blaesilla  den- 
selben erkl&rt  hatte.  Der  römische  Aufenthalt  wilhrte  von  382 — 385;  also  muss  der  Com- 
mentar  in  die  Zeit  von  387—390  fallen. 

Zur  Charakteristik.  Praef.  Sp.  1009  M.  memini  me  ante  hoc  ferme  quinquennium, 
cum  ctdhuc  Romae  essem  et  Ecclesiasten  sanctae  Blesülae  legerem,  ut  eam  ad  contemptum 

istitM  saeculi  provocarem rogatum  ah  ea,  ut  in  moretn  Commentarioli  obscura  quaeque 

dissererem,  ut  absque  me  posset  intelligere,  qtute  legebat.  Itaque  quoniatn  in  procinctu 
nostri  operis  subita  morte  subtiacta  est  et  non  meruimus,  o  Paula  et  JEustochium,  talem 
vüae  no$trae  habere  consortem  tantoque  vulnere  tunc  perculsus  obmutui,  nunc  in  BethUem 
positus  . , , .  et  ülius  memoriae  et  vobis  reddo  quod  debeo.  Hoc  breviter  adtnonens,  quod 
nuUiuB  auctoritatem  aecutus  8um,  sfd  de  Hehraeo  transfcrens  magis  me  Septuaginta  Inter- 
pretum  consuetudini  coaptavi,  in  his  dumtaxat,  quae  non  muUum  ab  Hebraicis  discre- 
pabant.  Inter  dum  Äquilae  quoque  et  St^mmachi  et  Theodotionis  recordatus  sum,  ut  nee 
novüate  nimia  lectoris  Studium  deterrerem  nee  rursum  contra  conscientiam  meam  fönte 
veritatis  omisso  opinionum  rivulos  consectarer.    Vgl.  Zöckler,  Hieron3rmus  p.  166. 

Ausg.  bei  Yallarsi  3  Sp.  381;  Migne  23  Sp.  1009. 

Abhandlung  über  Seraphim.  Comment.  in  Isaiam  6,  1  (24,  91  M.)  de  hac  visione 
ante  annos  circitei'  tnginta,  cum  essem  Constantinopoli  et  apud  virum  eloquentissimum 
Gregorium  Nazianzenum,  tunc  eiusdem  urbis  episcopum,  sandarum  Sciipturarum  studiis 
erudirer,  scio  me  brevem  dictasse  subitumque  tractatum,  ut  et  experimentum  caperem  in- 
genioli  mei  et  amicis  iubentibus  obedirem.  Diese  Stelle  bezieht  Amelli  (Hieronymi  tractatus 
contra  Origenem  de  visione  Esaiae.  Montecassino  1901)  auf  einen  anon3rmen  Traktat  über  die 
Seraphim  gegen  Origenes,  den  er  aus  zwei  Handschriften  von  Montecassino,  342  s.  Xll  und 
345  s.  XI,  herausgegeben  und  dem  Hieronymus  vindiziert  hat.  Allein  wenn  Hieronymus  im 
Jahre  381  in  Constantinopel  einen  Traktat  gegen  Origenes  geschrieben  hätte,  so  würde  er 
sicherlich  in  seinen  Streitigkeiten  mit  Rufinus  sich  auf  denselben  berufen  haben;  vgl.  Grtttz- 
m  ach  er,  Theolog.  Litteraturzeitnng  1901  Sp.  501.  Der  Traktat  ist  also  entweder  nicht  von 
Hieron3rmus  oder,  wie  Grützmacher  will,  erst  nach  den  Streitigkeiten  mit  Rufinus  geschrieben. 
Morin  (Revue  d'hist.  eccl^s.  2  (1901)  p.  810)  hält  den  Hieronymus  fQr  den  Verfasser  dieser 
Homilie  und  setzt  sie  ins  J.402  (p.  825);  vgl.  auch  Mercati,  Rievue  biblique  1901  p.  385  (skep- 
tiBch).  Epist.  18, 1  Sp.  362  M.  sicut  manifestum  esse  poterit  his,  qui  voluerint  legere  Temporum 
lihrum,  quan  nos  in  Latinam  linguam  ex  Graeco  sermone  transtulimtis  (die  eusebianische 
Chronik).  Das  exegetische  Stück  steht  in  der  Briefsammlung  unter  No.  18  (1, 44  V.;  22, 361  M.). 

Abhandlung  über  das  hebräische  Wort  „Osanna*.  Epist.  19  des  Papstes 
Damasus  an  Hieronymus  Sp.  375  M.  dilectionis  tuae  est,  ut  ardenti  ülo  strenuitatis  ingenio 
abscisis  opinionibus  ambiguitatibusque  supplosis  quid  se  habeat  apud  Hebraeos,  vivo  sensu 
(Osanna)  scribas.  Da  Damasus  384  starb,  fällt  der  Brief  vor  dieses  Jahr.  —  Ausg.  bei 
Yallarsi  1  Sp.  63;  Migne  22  Sp.  375. 

De  tribus  quaestionibus  legis  veteris.  Epist.  35,  2  des  Damasus  an  Hierony- 
mus Sp.  451  M.  accingere  igitur  et  mihi  quae  subiecta  sunt  dissere,  sei'vans  utrobique 
moderamen,  ut  nee  proposita  solutionem  desiderent  nee  epistola  brevitatem.  Hieronymus 
sagt  in  seiner  Antwort  (epist.  36,  1  Sp  453  M.):  ravta  aoi  ia^Bdiaan  duabus  tantum  Quae- 
stiunctdis  praetermissis,  non  quo  non  potuerim  ad  illas  aliquid  respondere,  sed  quod  ab 
eloquentissimis  viris,  TertuUiano  nostro  scilicet  et  Novatiano  latino  sermone  sint  editae, 
ei  si  nova  voluerimus  affen'e,  sit  latius  disputandum  ....  et  Origenes  in  quarto  Pauli  ad 
Romanos  i^rjyijaetDy  tomo  de  drcumcisione  magnifice  disputavit.  üeber  die  Abfassungs- 
zeit gilt  das  gleiche,  was  im  vorigen  Passus  gesagt  wurde.  Die  Abhandlung  steht  unter 
den  Briefen  aIb  No.  36  (1,  158  V.;  22,  452  M.).    Vgl.  OitLUm^^cV^t  ^.*tfÄ. 


422  Hieronymiui.    (§985.) 

985.  Scholien  zum  Psalter.  Unter  dem  Namen  des  Hieronymos 
lief  ein  Breviarium  in  psalmos^)  um.  Längst  hatte  man  erkannt,  dass 
zwar  in  diesem  Werk  viel  Hieronymianisches  stecke,  dass  aber  die  ganze 
Compilation  nicht  von  Hieronymus  herrühren  könne.  Was  die  hierony- 
mianischen  Bestandteile  anlangt,  so  führt  eine  genaue  Betrachtung  des 
Breviarium  zu  der  Einsicht,  dass  sich  dieselben  in  zwei  Gattungen  teilen 
lassen,  in  kurze  Scholien  und  in  homiletische  Betrachtungen.  Der  Ver- 
such, diese  Bestandteile  glatt  herauszuheben,  schien  jedoch  aussichtslos; 
glückliche  Entdeckungen  des  Benediktiners  Morin  brachten  Hilfe.  Er 
fand  sowohl  die  Scholien  als  die  Homilien  des  Hieronymus  zu  den  Psalmen« 
Die  Scholien  lagen  in  Handschriften  als  Excerpta  vor;  man  hielt  sie  f&r 
Excerpta  aus  dem  Breviarium.  Allein  das  Verhältnis  war  ein  umgekehrtes, 
diese  sog.  Excerpta  lagen  dem  Compilator  des  Breviarium  vor,  die  zu  Psalm 
138  hat  er  einfach  herübergenommen;  auch  den  Prolog  verleibte  er  seinem 
Werke  ein,  aber  von  den  Scholien  Hess  er  manche  weg,  manche  kürzte 
er,  manche  interpolierte  er.  Ueber  die  Entstehung  dieser  Scholien  unter- 
richtet uns  der  Prolog.  Hieronymus  hatte  mit  einem  Freunde  —  viel- 
leicht war  es  Rufinus  —  das  Enchiridion  des  Origenes  zu  den  Psalmen  ge- 
lesen. Beide  Freunde  fanden,  dass  manches  zu  kurz  behandelt  sei,  dass 
anderes  fehle,  das  Origenes  anderswo  auseinandergesetzt  habe.  Den  Bitten 
des  Freundes  entsprechend  wollte  Hieronymus  diese  Mängel  des  origenisti- 
schen  Werkes  ausgleichen,  wobei  natürlich  die  übrigen  Schriften  des 
Alexandriners  herangezogen  wurden.  Da  die  Autorität  des  Origenes  in 
dieser  Schrift  so  stark  hervortritt,  müssen  wir  ihre  Abfassungszeit  vor 
Ausbruch  des  Streites  mit  Rufinus  über  Origenes,  also  vor  391,  setzen. 
Das  neue  entdeckte  Werkchen  ist  mit  Freuden  zu  begrüssen,  weil  es  uns 
wieder  ein  Stück  der  commentierenden  Thätigkeit  unseres  Kirchenvaters 
vor  Augen  führt  und  uns  Beiträge  zur  Geschichte  des  Psaltertextes 
liefert, 2)  dann  weil  es  uns  auf  das  Enchiridion  des  Origenes  Rückschlüsse 
zu  machen  gestattet,  endlich  weil  es  über  die  Zusammensetzung  des  Bre- 
viarium Licht  verbreitet.  Es  war  jetzt  viel  leichter,  auch  die  homiletischen 
Bestandteile  aus  dem  Breviarium  auszuscheiden.  Allein  auch  hier  kamen 
handschriftliche  Funde  zu  Hilfe.  In  einer  Reihe  von  Handschriften  findet 
sich  eine  Sammlung  von  Homilien  über  59  Psalmen,  welche  dem  Compi- 
lator des  Breviarium  ebenso  vorlagen  wie  die  Excerpte.  Diese  Homilien 
sind  jetzt  veröffentlicht,  aber  bereits  ist  ein  neuer  Fund  angekündigt, 
eine  neue  Sammlung  von  Homilien  über  die  Psalmen,  die  noch  der  Ver- 
öffentlichung harrt.  Wir  werden  über  diese  Homilien  unten  (§  996)  im 
Zusammenhang  handeln. 

Abfassungszeit  der  Excerpta  de  psalterio.  Da  Origenes  in  den  Excerpta 
noch  als  massgebende  Person  erachtet  wird  und  auch  Lehren  von  ihm  angeführt  werden, 
welche  mit  der  kirchlichen  Auffassung  nicht  übereinstimmen,  müssen  die  Excerpta  vor  dem 
Ausbruch  der  origenistischen  Streitigkeiten,  also  vor  391  entstanden  sein.     Im  Katalog  ist 

^)  Vallarsi  7  Appendix  Sp.  1;  Migne  i  relegens  semel  tanttim  scriptum  repperi. 
26  Sp.  821;  vgl.  Paucker,  De  latinitate  i  p.  12  M.  cum  vetustum  Origenis  Jiexaplum 
Hieronymi  p.  18.  [    psalterium   rerolverem,    quod  ipsius    manu 

'^)   Wichtig   ist,    dass    Hieronymus    die  '    fuerat  emendatum.     Morin   hat  p.  105  die 
üexapla  des  Origenes  benutzte ;  vgl.  p.  5  Morin       Lesarten  der  Hexa\ila  zusammengestellt 
i^aTtkovf  Origenis  in  Caesaricfisi  bibliothcca  ^ 


Hieronymns.    (§  986.)  428 

4mB  Werk  wahrscheinlich  deshalb  nicht  aufgeführt,  weil  die  Autorschaft  dem  Hieronymus 
i^ftter  unbequem  war;  vgl.  Morin  p.  XV. 

Zur  Charakteristik  der  Excerpta.  Prolog,  p.  1  Morin  proxime  cum  Origenis 
ptaUtrium,  quod  Euchiridian  Ule  vocabat,  strictis  et  necessariis  interpretationibua  adno- 
fmtum  in  commune  iegeremua,  aimul  uterque  deprehendimus  nonnulfa  eum  vel  praestrinxisse 
Umier,  vel  intacta  penitus  reliquissef  de  quibus  in  alio  opere  latissime  disputavit  ....  Igitur 

studiose  et  seduU  postulastif   ut  quaecumque   mihi  digna  memoria  videbantur,  aignitt 

qmbuadam  potiua  quam  inierpreialionibus  adnotarem;  et ita  in  psaUerii  opere  latis- 

9imo  quasi  praeteriens  aliqua  persiringerem quae  in  tomis  vel  in  omiliis  ipse  disaeruit, 

vH  tgo  digna  arbitror  leetioney  in  hunc  angustum  commentariolum  referam, 

üeberlieferung  der  Excerpta.  Dieselben  wurden  von  Morin  in  folgenden 
Handschriften  gefunden:  1.  Im  cod.  Spinaliensis  (in  Epinal)  68,  geschrieben  662  oder  744; 
vgl.  Delisle,  Notice  sur  un  mannscrit  m^rovingien  de  la  Bibliothdque  d'üjpinal,  Paris  1^8; 
dieser  Codex  bildet  die  Grundlage  des  Textes.  2.  Im  cod.  Parisinus  1862  s.  X.  8.  Im  cod. 
Pariainus  1863  s.  X.  4.  Im  cod.  Gratianopolitanus  (Grenoble)  218  s.  Xlf.  Dazu  kommt  noch 
fllr  die  Stellen,  welche  aus  den  Excerpta  in  das  Breviarium  aufgenommen  sind,  der  cod. 
Namurcensis  (Namur)  des  Breviarium  54  s.  X. 

Ausg.  der  Excerpta  von  G.  Morin  in  Anecdota  Maredsolana  vol.  8  pars  1  (1895). 

986.  Hebräische  Studien  zur  hl.  Schrift.  Unter  dem  Namen  Philos 
gab  es  ein  Wörterbuch,  welches  die  hebräischen  Namen  des  alten  Testa- 
ments nach  dem  Alphabet  etymologisch  erläuterte.  Origenes  ergänzte 
dieses  Onomasticon  dadurch,  dass  er  die  hebräischen  Namen  des  neuen 
Testaments  hinzufügte.  Von  diesem  Onomasticon  gab  es  in  den  Biblio- 
theken viele  Exemplare,  aber  sie  wichen  stark  voneinander  ab,  und  auch 
die  Anordnung  war  vielfach  gestört.  Hieronymus  konnte  daher  nicht  an 
eine  einfache  Uebersetzung  des  Onomasticon  herantreten,  sondern  musste 
eine  Redaktion  desselben  vornehmen.  In  dem  vorliegenden  Lexikon  sind 
die  hebräischen  Namen  aus  den  einzelnen  Büchern  der  hl.  Schrift  zu- 
sammengestellt, alphabetisch  angeordnet  und  etymologisch  erläutert.  Da 
nicht  bloss  das  alte,  sondern  auch  das  neue  Testament  herangezogen  wird, 
ist  es  klar,  dass  Hieronymus  die  Bearbeitung  des  Origenes  zu  Grunde 
gelegt  hat.  Die  Etymologien  stehen  natürlich  auf  sehr  schwachen  Füssen, 
da  eine  Etymologie  ohne  Sprachvergleichung  und  Sprachgeschichte  ein 
leeres  Spiel  ist.  Hervorzuheben  ist  noch,  dass  unter  den  Schriften  des 
neuen  Testanients  auch  der  Barnabasbrief  erscheint.  Eine  andere  Schrift 
dieser  Art  ist  das  Onomasticon  über  die  topographischen  Namen  der 
Bibel.  Auch  dies  ist  kein  Originalwerk,  sondern  Hieronymus  hat  nur  eine 
uebersetzung  nach  einer  Schrift  des  Eusebius  gegeben.  Ergänzungen  und 
Weglassungen  wurden  hierbei  vorgenommen;  die  Anordnung  ist  ebenfalls 
eine  alphabetische.  Das  Buch  des  Eusebius  war  zwar  schon  früher  latei- 
nisch bearbeitet  worden,  allein  diese  Bearbeitung  war  nach  der  Ansicht 
des  Kirchenvaters  ein  elendes  Machwerk.  Für  die  biblische  Archäologie 
und  Topographie  ist  das  Büchlein  von  Bedeutung.  Eine  hebräische  Studie 
ist  auch  das  Werk,  welches  „Hebräische  Fragen  zur  Genesis**  betitelt  ist. 
Ziel  dieser  Schrift  ist,  verschiedene  Uebersetzungen  und  Deutungen  mit 
dem  hebräischen  Urtext  zu  vergleichen  und  darnach  ihren  Wert  zu  be- 
urteilen. Wir  haben  also  eine  kritische  Leistung  vor  uns,  welcher  der  Ver- 
fasser darum  grossen  Wert  beilegt,  weil  sie  eine  neue  litterarische  Er- 
scheinung darstelle.  Merkwürdig  ist,  dass  Hieronymus  sein  doch  unbedingt 
richtiges  Verfahren  noch  besonders  zu  verteidigen  genötigt  ist. 

Liber  de   nominibQS  hebraicis.     Ueber  seine  Vorlage  sagt  Hieronymi 
8p.  771  M.):  Philo,  vir  disertissimua  Judaeorum^  Origent«  <[uoque  U»\ViiM«^  « 


424  HieronymaB.    (§  987.) 

edidisse  lihrum  Hebraicorum  Noniinum  eorumque  etymologias  iuxta  ordinem  lUterarum  t 
latere  captUasse,     Qui  cum  vulgo  habeatur  a  Graecis  et  bibliothecas  orbis  impfeverit,  gtudU 

nostri  fuit  in  Latinam   Hnguam  eum  vertere Ac  ne  forte  consummato  aedifiHo  quasi 

extrema  deesset  manus,  novi  Testamenti  verba  et  nomina  tnterpretatus  lum,  imitari  voUnt 
ex  parte  Origenem,  quem  post  apostolos  ecclesiarum  magistrum  nemo  nisi  imperitus  negabk. 
Inter  cetera  enim  ingenii  sui  praeclara  monumenta  etiam  in  hoc  laboravit,  ut  quod  Philo 
quasi  Judaeus  omiserat,  hie  ut  Christianus  impleret.  Vgl.  dazu  Harnack,  Gesch.  der  ali- 
chriflÜ.  Litt.  1  (Leipz.  1893)  p.  385.  Nach  der  Vorrede  könnte  es  scheinen,  als  ob  Hiero- 
nvmus  neben  der  Bearbeifoing  des  Origenes  auch  den  Philotext  vor  sich  gehabt  hfttte; 
allein  das  ist  doch  sehr  fraglich;  Zahn,  Gesch.  des  neutestamentl.  Kanons  2,  2  (Erlangen 
u.  Leipz.  1892)  p.  950  wird  Recht  haben,  wenn  er  sagt:  ,Es  ist  Oberwiegend  wahrschein- 
lich, dass  Hieronymos  von  der  Arbeit  Philos  überhaupt  nur  durch  Origenes  weiss,  und  daas 
alles,  was  er  über  seine  Vorlage  sagt,  sich  auf  das  eine,  ihm  als  Werk  des  Origenes  fiber- 
lieferte chiistliche,  aber  der  Grundlage  nach  philonische  Onomasticon  bezieht.*  Das  Werk 
will  Hieronymus  hortatu  fratrum  Lupuliani  et  Valeriani  geschrieben  haben.  —  Ausg.  bei 
Vallarsi  3  Sp.  1;  Migne  23Sp.  771;  Lagarde,  Onomastica  sacra,  Göttingen'  1887,  p.25.— 
Glericus,  Quaest.  Hieronymianae,  Amsterdam  1719;  C.  Siegfried,  Die  Aussprache  des 
Hebräischen  bei  Hieronymus  (Zeitschr.  für  die  alttestamentl.  Wissensch.  4  (1884)  p.  34). 

Liber  de  situ  et  nominibus  locorum  hebraicorum.  Sp.859M.  Eusebius..., 
post  Chorographiam  terrae  Judaeae  et  distinctas  tribuum  sorteSf  ipsius  quoque  Jerusalem 
templique  in  ea  cum  brevissima  expositione  picturam  ad  extremum  in  hoc  opusculo  labont- 
Vit,  ut  congregaret  nobis  de  sancta  Scriptura  omnium  paene  urbium,  montium,  fluminum, 
viculorum  et  diversorum  locorum  vocabuUtf  quae  vel  eadem  manent  vel  immutata  sunt  postea, 
vel  aliqua  ex  parte  corrupta,  ünde  et  nos  admirabilis  viri  sequentes  Studium  seeundum 
ordinem  Htterarum^  ut  sunt  in  Graeco  posita^  transtulimus,  relinquentes  ea,  quae  digna 
memoria  non  videntur,  et  pleraque  mutantes.  Zöckler,  Hieronymus  p.  169.  —  Ausg.  bei 
Vallarsi  3  Sp.  121;  Migne  28  Sp.  859;  Lagarde,  Onomastica  sacra,  Göttingen'  1887, 
p.  117.  —  Glericus,  Eusebii  Onomasticon  cum  versione  Hieronymi,  Amsterdam  1707;  Lar- 
sow  und  Parthey,  Eusebii  Pamphili  Onomasticon  urbium  et  locorum  sanctae  Scripturae, 
graece  cum  lat.  Hieronymi  interpretatione,  Berl.  1862;  E.  Elostermann,  Eusebius*  Schrift 
TisQi  Tioy  ronix(oy  oyofittKoy,  Leipz.  1902;  M.  Spanier,  Exegetische  Beitr.  zu  Hieronymus' 
Onomasticon,  Magdeb.  1896;  Nachträge  und  Berichtigungen,  ebenda  1898. 

Liber  hebraicarum  quaestionum  in  Genesim.  In  der  praef.  de  nominibui 
(Sp.  771  M.)  charakterisiert  er  das  Werk  also:  Libros  Hebraicarum  Quaestionum  nunc  in 
manu  haheo,  opus  ttovum  et  tarn  Graecis  quam  Latinis  usque  ad  id  locorum  (Vallarsi 
vermutet  femporum)  inauditum.  —  Ausg.  bei  Vallarsi  3  Sp.  301;  Migne  23  Sp.  935; 
Hieronymi  quaestiones  hebraicae  in  libro  Geneseos  e  recogn.  P.  de  Lagarde,  Leipz.  1868.  — 
M.  Rahm  er,  Die  hebräischen  Traditionen  in  den  Werken  des  Hieronymus  durch  eine  Ver- 
gleichung  mit  den  jüdischen  Quellen  kritisch  beleuchtet  1.  Teil,  Breslau  1861. 

Zur  Chronologie  der  drei  Schriften.  De  nominibus  praef.  Sp.  772  M.  si  quis  et 
illos  (libros  hebraicarum  quaestionum)  et  praesens  volumen^  librum  quoque  Locorum^  quem 
edifurus  sum,  habere  voluerit,  parvipendet  ructum  et  nauseam  Judaeorum.  -Die  Quaestiones 
waren  schon  in  Angriff  genommen,  als  er  De  nominibus  schrieb;  vgl.  auch  seine  üeber- 
setzung  der  Homilien  über  Lucas  (26  Sp.  219  M.)  praetermisi  paululum  Hebraicarum  Quae- 
stionum libros.  Dadurch  werden  wir  in  die  bethlehemitische  Zeit  verwiesen,  und  auf  sein 
Einsiedlerleben  weist  die  Vorrede  zu  den  Quaestiones  hin.  Da  nun  die  drei  Schriften  im 
Catalog  erwähnt  sind,  fallen  sie  vor  392. 

987.  Commentar  zu  vier  paulinischen  Briefen.  Paula  und  Eusto- 
chium  ersuchten  Hieronymus,  Commentare  zu  den  paulinischen  Briefen  zu 
schreiben;  dies  geschah  bald  nachdem  Hieronymus  und  die  beiden  from- 
men Frauen  sich  dauernd  zu  klösterlichem  Leben  in  Bethlehem  nieder- 
gelassen hatten,  also  bald  nach  386.  Zwar  war  schon  ein  ausgezeichneter 
Commentar  zu  den  paulinischen  Briefen  vorhanden,  allein  da  derselbe 
allem  Anschein  nach  von  dem  verhassten  Juden  Isaak  herstammte,  wurde 
er  in  christlichen  Kreisen  totgeschwiegen,  i)  Der  Kirchenvater  kam  dem 
Ansinnen  der  beiden  Freundinnen  nach  und  nahm  sich  die  paulinischen 
Briefe  an  Philemon,  an  die  Galater,  an  die  Epheser  und  an  Titus  zum 
Gegenstand   seiner   Exegese.     Viel   Zeit  konnte   er   auf  die  Arbeit   nicht 

V  Vgl  §  945. 


Hieronymna.    (§  987.) 


425 


verwenden;  innerhalb  weniger  Monate  wurde  sie  zu  Ende  geführt.  Zu- 
erst behandelte  er  den  Philemonbrief  und  sprach  sich  in  einer  Einleitung 
gegen  die  Angriffe  auf  die  Echtheit  desselben  aus.  Als  er  den  Galater- 
brief  in  Angriff  nahm,  traf  von  Rom  die  Nachricht  in  Bethlehem  ein,  dass 
Älbina,  die  Mutter  seiner  Freundin  Marcella,  aus  dem  Leben  geschieden 
sei.  Da  Marcella  eine  eifrige  Freundin  des  Bibelstudiums  war,  glaubte 
Hieronymus,  ihr  einen  Trost  dadurch  zu  erweisen,  dass  er  ihr  seinen 
C!ommentar  zugehen  liess.^)  Nach  dem  Galaterbrief  kam  der  Epheserbrief 
an  die  Reihe ;  beide  Gommentare  sind  von  grossem  Umfang  und  bestehen 
ans  je  drei  Büchern.  Der  Commentar  zum  Titusbrief,  den  er  auch  zu 
verteidigen  hatte,  schloss  das  Werk.  Wie  bereits  angedeutet,  wurden  die 
Gommentare  in  unglaublich  kurzer  Zeit  abgefasst;  er  diktierte  sie  einem 
SchDellschreiber,  und  es  kam  vor,  dass  an  manchem  Tage  1000  Zeilen 
niedergeschrieben  wurden.  Von  ernstlichen  Studien  kann  bei  einer  sol- 
chen Hetzjagd  keine  Rede  sein.  In  dem  Vorwort  zu  dem  Commentar  des 
Galater-  und  des  Epheserbriefs  gesteht  er  offen  ein,  dass  er  sich  zum 
grössten  Teil  an  Origenes  angeschlossen  habe.  Auf  die  stilistische  Durch- 
f&hrang  konnte  bei  dieser  Arbeitsweise  auch  kein  besonderes  Gewicht  ge- 
legt werden,  und  der  Verfasser  versäumt  nicht,  wiederholt  zu  erklären, 
dass  man  bei  seinem  Werk  nicht  Glätte  des  Stils  suchen  solle.*) 

Yeranlassiiiig  der  Gommentare.  Prolog,  zum Gomm.  des  Epheserbriefs  (Sp. 440 M.) 
Bcitia  ei  ipsae  (Paula  und  Eustochium)  quod  ad  hoc  me  explanationutn  opus  invitum  et  re- 
traetantem  compuleritis. 

Abfassangszeit  der  vier  Gommentare.  «)  Es  steht  fest,  dass  die  vier  Gom- 
mentare in  wenigen  Monaten  nacheinander  hingeworfen  wurden.  Im  Prolog  zum  Galater- 
brief aagt  er  (Sp.  807  M.):  Paucis  admodum  dies  sunt,  ex  quo  epistolam  Pauli  ad  Phile- 
manem  interpretatus,  ad  Galaias  transcenderam.  Im  Prolog  zum  Epheserbrief  heisst  es 
(Sp.  441  M.):  Et  guia  iam  ad  Galatas  orantibus  vobis  ante  paucos  dies  quid  nobis  videretur 
expressimus,  nunc  ad  Ephesios  transeundum  est.  Es  ergibt  sich  also  die  Reihenfolge: 
Philemon-,  Galater-,  Epheserbrief;  der  Titusbrief  muss  zuletzt  commentiert  sein.  Auch  der 
Commentar  zum  Titusbrief  schloss  sich  rasch  dem  vorausgehenden  an;  vgl.  Gomm.  in  Tit.  1, 11 
(Sp.  570  M.):  et  nos  ante  paucos  menses  tria  volumina  in  epistolae  ad  Galatas  explanatione 
dictavimus.  ß)  Fflr  die  chronologische  Fixierung  der  in  kurzer  Zeit  zusammen  verfassten 
Gommentare  haben  wir  folgende  Belege.  Die  Gommentare  sind  in  Bethlehem  geschrieben; 
TgL  Sp.  477  M.  in  monasterii  solitudine  constitutus  et  illud  praesepe  contra  videns,  in  quo 
vagientem  parvulum  festini  adoravere  pastores,  Gontra  Rufin.  1,  22  (28,  416  M.)  deeem  et 
octo  ferme  anni  sunt,  ex  quo  istos  dictavi  libros  (Gommentar  zum  Epheserbrief).  Da  diese 
Apologie  402  geschrieben  ist,  würde  die  Abfassungszeit  der  Gommentare  etwa  384  fallen. 
Rafin.  Apol.  in  Hieronym.  1,  36  (21  Sp.  574  M.)  setzt  die  Abfassung  des  Gommentars  zum 
Epheserbrief  vor  etwa  15  Jahren  an:  da  die  Apologie  Rufins  ins  Jahr  401  gesetzt  wird, 
wfire  der  Gommentar  etwa  886  geschrieben.  Zwischen  beiden  Angaben  können  wir  uns 
nur  für  die  letzte  entscheiden,  da  Hieronymus  384  noch  in  Rom  war.  Vgl.  Grütz- 
macher p.  61. 

Quellen.  Prolog,  zum  Gomm.  des  Galaterbriefs  (Sp.  308  M.)  Origenis  commentarios 
»um  seeutus.  Scripsit  enim  ille  vir  in  epistolam  Pauli  ad  Galatas  quinque  proprie  Volu- 
mina et  decimum  Stromatum  suorum  librum  commatico  super  explanatione  eius  sermone 
eompUvitf    Tractatus  quoque  varios  et  Excerpta,   quae  vel  sola  possint  sufficere,   composuit. 


^)  Wenigstens  wird  sie  noch  im  Epheser- 
brief neben  Paula  und  Eustochium  angeredet 
(Sp.  489  M.):  Quamobrem  obsecro  tarn  vos 
(d.  h.  Paula  und  Eustochium)  quae  in  prae- 
sentiarum  estis,  quam  sanctam  Marcellam; 
vgl.  noch  Sp.  477  M.;  Sp.  513  M.  Von  der 
Üebersendung  der  einzelnen  Bücher  nach  Rom 
spricht  er  in  der  Ebüeitang  zum  2.  Bach  des 
MmeßeTCommentan, 


1 


')  Bezüglich  des  Galaterbriefs  entstand 
eine  Gontroverse  zwischen  Hieronvmus  und 
Augustinus  über  Gal.  2,  14;  vgl.  dazu  J.  A. 
MOhlers  Ges.  Sehr,  und  Aufsätze  herausg. 
von  Döllinger  1  (Regensb.  1839)  p.  1; 
Fr.  Overbeck,  Ueber  die  Auffassung  des 
Streites  des  Paulus  mit  Petrus  in  Antiochien 
(Gal.  2, 11  ff.)  bei  den  Kirchenvätern,  Basel 
1871. 


426  Hieronymos.    (§  988.) 

Praetennitto  Didymum,  videntem  meum,  et  Lciodieenum  {ÄpolliHarium)  de  eecUgkt  ntiper 
egressum  et  Älexandrum  veterem  haeretieumy  Eusebium  quoque  Emesenum  et  Theodarum 
HeracUoteHf  qui  et  ipai  nonnuUos  super  hac  re  Commentariolos  reliquerunt,  E  quibus  si 
vel  pauca  decerperem,  fieret  aliquid  quod  non  penitus  eontemneretur.  Itaque  ut  simpUdUr 
fatear,  legi  haec  omnia,  Prolog,  zum  Comm.  des  Epheserbriefs  (Sp.  442  M.)  sciatis  OH- 
genem  tria  volumina  in  hatte  epistolam  conscripsiasef  quem  et  nos  ex  parte  eecuti  sumu»; 
Apollinarium  etiam  et  Didymum  quoadam  commentariolos  edidisse,  e  quibus  licet  pauea  de- 
cerpsimus.  Die  Fragmente  bestätigen  die  Abhängigkeit  des  Hieronymos  von  Origenes;  vgl 
Zahn,  Gesch.  des  neutestamentl.  Kanons  2,  2  (Erlangen  u.  Leipz.  1892)  p.  427  Amn.  2.  Inter- 
essant int  das  abfällige  Urteil,  das  er  über  den  Rhetor  C.  Marins  Victorinas  fällt  (Sp.  308  M.). 

Zur  Composition.  Prolog,  zum  2.  Buch  des  Ephesercomm.  (Sp.  477  M.)  sciatis  me 
non  cogitatum  diu  Umatumque  proferre  sermonem^  sed  ad  revelanda  mysteria  Scriptutarum 
uti  rerbis  paene  de  trivio  et  interdum  per  sinaulos  dies  usque  ad  numerum  mille  versuum 
pervenire.  Ueber  die  Benutzung  des  Schnelfschreibers  (accito  noiario)  vgl.  Sp.  309  II. 
Sp.  399  M.  omnem  sermonis  elegantiam  et  latini  eloquii  venustatem  Stridor  Uctionis  Hebraicae 
sordidarit. 

Ausg.  der  Commentare:  a)  zum  Philemonbrief:  Yallarsi  7  Sp.  741;  Migne  26 
Sp.  599.  ß)  zum  Galaterbrief:  Yallarsi  7  Sp.  367;  Migne  26  Sp.  307.  y)  zum  Epheser- 
brief:  Yallarsi  7  Sp.  537;  Migne  26  Sp.  439.  d)  zum  Titasbrief:  Yallarsi  7  Sp.  685; 
Migne  26  Sp.  555. 

988.  Andere  neutestamentliche  Commentare.  Ausser  dem  Com- 
mentar  zu  den  Paulusbriefen  schrieb  Hieronymus  noch  andere  exegetische 
Schriften  über  das  neue  Testament.  So  verfasste  er  auf  Ersuchen  des 
Papstes  Damasus  eine  Abhandlung  über  das  Gleichnis  vom  verlorenen 
Sohn.  Ueber  dieses  Gleichnis  waren  nämlich  entgegengesetzte  Deutungen 
in  Umlauf;  die  einen  bezogen  den  jüngeren  Sohn  auf  das  Heidentum,  den 
anderen  auf  das  Judentum,  wollten  also  die  Parabel  durchaus  allegorisch 
erklärt  wissen.  Die  anderen  verstanden  unter  den  beiden  Söhnen  den 
Gerechten  und  den  Sünder.  Beide  Auffassungen  führten  aber  nach  der 
Meinung  des  Papstes  zu  Schwierigkeiten,  und  er  wünschte  eine  Auf- 
klärung von  Seiten  des  Hieronymus.  Allein  dessen  Abhandlung  hat  sicher- 
lich dem  Papste  die  gewünschte  Aufklärung  nicht  gebracht;  denn  seine 
Auffassung  ruht  nicht  auf  festem  Boden  und  schwankt  hin  und  her.  Als 
Eusebius  von  Cremona  im  Jahre  398  vom  hl.  Land  nach  Rom  zurück- 
kehrte, wünschte  er  sich  von  Hieronymus  als  Reisegeschenk  einen  kurzen 
Conimentar  zum  Matthaeusevangelium.  Die  Aufgabe  war  für  den 
Kirchenvater  keine  leichte;  er  hatte  eine  schwere  dreimonatliche  Krank- 
heit durchgemacht  und  fühlte  sich  noch  sehr  schwach;  auch  hatte  er  zur 
Ausarbeitung  des  Commentars  nur  zwei  Wochen  Zeit,  da  das  Wetter  dem 
Eusebius  die  Abreise  nahelegte.  Von  der  reichen  Litteratur  über  Mat- 
thaeus,  die  er  früher  durchstudiert  hatte,  konnte  er  jetzt  nur  wenig  Ge- 
brauch machen;  er  beschränkte  sich  daher  auf  die  historische  Inter- 
pretation, die  Eusebius  auch  verlangte.  Doch  mischte  er,  wie  er  sagt, 
auch  „Blüten  des  geistigen  Verständnisses"  in  seine  Exegese;  eine  alle- 
gorische Auslegung  des  ganzen  Evangeliums  versparte  er  sich  für  spätere 
Zeiten;  sie  kam  aber  nicht  mehr  zu  stände.  Gerade  durch  das  Zurück- 
treten der  allegorischen  Auslegungsweise  hat  der  Commentar  für  uns  In- 
teresse, und  wir  finden  nicht  wenige  gute  Bemerkungen  in  demselben. 
Freilich  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  der  Exeget  doch  nicht  selten 
den  Origenes  eingesehen  und  verwertet  hat.  Endlich  hatte  sich  Hiero- 
nymus auch  mit  der  Apocalypse  zu  befassen.  Anatolius  schickte  ihm 
nämlich  den  Apocalypsecommentar  desNYe\»oYm\3ÄNo\v'^^\XÄ.>\,  \i<^x>fcA^O^^s^- 


vaier  konnte  an  donselbeii  k^  r^t«  G«f«lkn  find«^n;  <^»  kumon  durin 
ehiliastische  Gedanken  vc«-,  die  damak  nicht  mehr  gern  gehArt  wtmion, 
Hieronymns  untenog  dah^  dietsa»  Commentar  einer  rmarheitung,  indom 
er  den  chiliastisehen  Sdünss  abschnitt  und  ein  eigene«!^  Machwerk  hu 
dessen  Stelle  setzte«  anch  sonst  sich  Eingriffe  ertaubte.  Dieser  lugi^stutjtte 
Text  fand  Verbreitung,  auch  wurde  er  umgearbeitet  und  erweiterte  so  daHs 
uns  zwei  Recensionen  des  Commentars^  eine  kürzere  und  eine  lilngt^re, 
entgegentreten;  doch  ist  auch  ein  Exemplar  mit  dem  echten  Si'hhiss  auf 
die  Nachwelt  gekommen.  In  dem  Prolog,  mit  dem  Hieronymus  das  zu- 
rechtgerichtete  Werk  dem  AnatoUus  zuschickte^  stellt  er  einen  grosseren 
selbständigen  Commentar  in  Aussicht.  Auch  diesen  wollte  man  gef^mden 
haben;  allein  der  Fund  scheint  ernster  Prüfung  doch  nicht  Stand  zu  haiton. 

Abbrnndlnng  de  frvgi  et  Ivxvrioso  filiia.  In  der  Eiiileitang  1^  HierMiymii« 
dem  Paprt  Danusns  die  Weite  in  den  Muid  1%  3^0  M.^:  ^^i«  mmfh»s  im  hac  IMiont  (laic. 
15,  11)  dittrsa  dixutty  et  fratrem  tmmiorem  Jmdaftim^  mimortm  fxisHmasft  OtntiUm  |h>;)n- 
tum.  Sed  quaero,  quatmcdo  Jmduito  p^pmfo  pofifit  «pi^H  ....  4^*  tittttm^  «f  <tM,  c^<  iuMo  H 
p^ecaiore  rotuerimus  mtf  pmrahoimm,  iwiio  «om  ptiieHt  oMtnrntnr,  n/  dt  Mfrnte  «ktrim^  H 
Moartm«  fratriM  comtriMHnr.  Zeididi  ftUt  die  Abliandliiiig  vor  d«s  Todesjahr  des  Pupet«« 
(S84).    Sie  steht  nster  den  Briefoi  als  Xo.  21  <  1.  6S  T:  22.  379  M). 

Abfassnngsieit  desCommentars  lam  Matthaeasevangelium.  Ausaugehen 
ist  Ton  der  TfaatsaGhe,  dass  Enaebiiis  von  Cremona  bei  seiner  Rückreise  aus  dem  Orient  in 
den  Ocddent  den  Commentar  miterhielt.  Diese  Rückreise  fiUlt  nacb  Hieronvm.  Apol.  in 
Bufin.  8,  24  (23,  475  M.)  in  das  Jahr  398.  E|^t  73,  10  (2*2.  6S1  M.>  e^o  poH  hm^m  «f^rro- 
taiioMem  vix  in  Qmadragemmae  diebuf  fehri  rarere  potmi  et  cum  afteri  me  of^ri  jirn^/Ht- 
rarem,  paueo»  dies  qui  fuptreramt  im  Matikaei  erpattitiome  comsnmipui.  Der  Commentar 
fftllt  also  vor  Osten;  Tgl.  Tallarsi  bei  Migne  22  Sp.  LXX. 

Zur  Charakteristik.  Prolog.  ^.  20  M.  satisqme  miror,  Km^tehi  ditectiititme,  <*Nr 
Romam  subito  marigaturus  hamc  tibi  a  me  quasi  sitarriam  dari  roiueris^  ut  Matthaeum 
breviter  expamems  verbis  sirimgerem,  semsibus  dihtarem  ....  Legisse  me  fatför  amte  ctiimi»;« 
piurimos  in  Matthaeum,  Origemis  rigimti  quimque  rdumima  et  tctidem  eius  liomiUos  f'iiw- 
matieumque  imterpretatiomis  gemus;  et  TkeopkUi  Amtiochemae  urbis  episrofn  Cimtmemtarios^ 
Hippolyti  quoque  marttfris  et  Theodor i  EeracUotae  Äpoilimarisque  Laodictmi  ac  IMd^mi 
Alexandrini;  et  Laiinorum  HtJarii,  Virtorini,  Fortunatiami  opusruht  e  quibus  etiamsi  |»<trni 
carperem,  dignum  aliquid  memoria  srriberetur.     At  tu  in  duabus  hebdomadibus  immin tnte 

iam  Pascha  et  spirantibus  ttntis  dictare  me  rogis maxime  cum   »cia$   me  ita  tribus 

mensihus  languisse,  ut  rix  nunc  ingredi  incipiam  ....  Igitur  amissa  auctoritate  Vetci'um, 
quos  nee  legendi  nee  sequendi  mihi  facultas  data  est^  historicam  interpretationemy  quam 
praeeipue  postulasti,  digessi  breviter  et  interdum  spiritualis  intelligentiae  flores  misrui  f^r- 
feetum  opus  resertfans  in  posterum.  Vgl.  Zock  1er  p.  210.  -  Ansg.  bei  Vallarsi  7  Sp.  1; 
Migne  26  Sp.  15. 

Hieronymus  und  des  Victorinas  Ton  Pettau  Apocalypsecommentar.  Du^ea 
YerhAltnis  wird  beleuchtet  durch  den  prologus  beati  Jeronimi  preshiteri  in  lihrum  Virtivrini 
super  apocalipsim,  abgedruckt  bei  Haussleiter,  Zeitschr.  f&r  kirchl.  Wissonach.  und  kirchl. 
Leben  7  (1886)  p.  243  Anm.  1.  Der  echte  Schluss  des  Commentars  ist  aus  dorn  Vatioauus- 
Ottobonianus  3288  A  s.  XV  veröffentlicht  von  Haussleiter,  Theolog.  Litteraturbl.  16  (1S9:0 
Sp.  195.  Im  Prolog  heisst  es  am  Schluss:  Si  vita  nobis  comes  fuerit  et  dominuif  stiHttatem 
dederit,  tibi  nostrum  in  hoc  volumine  potissimum  sudabit  ingenium,  Anatholi  raris^^itHC,  Aus 
diesen  Worten  muss  man  schliessen,  dass  Hieronymus  einen  grosseren  Commentar  xur 
Apocalypse  schreiben  wollte.  Haussleiter  hat  denselben  in  der  summa  dicendonim  des 
Beatus  von  libana  finden  wollen,  doch  mit  Unrecht;  vgl.  §  958  p.  852. 

De  monogramma  Christi.     Im  Anschluss  an   den  von  Hieronymus  boarboitoton 
Victorinuscommentar  zur  Apocalypse  findet  sich  im  cod.  26  dos  Morton  Collcgt«  1«.  XV  ivin 
Schriftstück,   welches  eine  spfttere  Hand  am  Rande  betitelt:  Hieronimu^  dr  momtgriitHtna 
Christi,    Dasselbe  Stück  bietet  auch  in   derselben  Aufeinanderfolge  cod.  Harloianua  8049 
s.  XV  und  zwar  ohne  Titel  und  ohne  Scheidung  vom  Vorhergehenden,   am  Schlu' 
vollständig.    Der  Entdecker  dieses  Bruchstücks  G.  Morin  schreibt  dasselbe  w'^ 
dem  Hieron3rmus  zu  (Revue  B^n^dictine  20  (1903)  p.  227).    Für  diese  Autorsohall 
gefOhrt,   dass  in  einer  Münchner  Handschrift   14276—7  s.  VIII/IX,    welAb«  Q 
hl.  Schnft  enthält,  das  Citat  vorkommt:  Hieronymus  de  mont>grammate  ( 
macht  Morin  (p,  232)  glaublich,  dass  wir  in  demldem^nTtwaX  ra« 


428  Hieronymna.    (§  989.) 

die  HieronymnB  zum  Apocalypsecommentar  des  Victoriniis  gemacht  hat.  Der  Text  ist  herrai- 
gegeben  von  Morin  p.  282. 

989.  Bttckblick.  Hieronymus  betrachtete  das  Bibelstudium  als  dk 
schönste  Aufgabe  des  Menschen,  und  die  exegetischen  Arbeiten  zur  KL 
Schrift  reichten  bis  zu  seinem  Lebensende.  Auch  that  der  Kirchenlehrer 
alles,  um  sich  für  die  Bibelexegese  vorzubereiten.  Er  erlernte  von  Judei 
das  Hebräische,  so  hart  ihm  dies  auch  ankam;  daneben  vervollkommnete 
er  auch  seine  Kenntnisse  in  der  griechischen  Sprache.  Sein  Ziel  war, 
zum  Urtexte  vorzudringen  und  sich  von  den  üebersetzungen  möglichst 
unabhängig  zu  machen.  Manche  Probleme  vermochte  er  dadurch  zu  lösen 
und  manchen  Fehler  der  Siebzig  zu  rügen.  Auch  auf  den  Bestand  der 
hl.  Schrift  richtete  er  sein  Augenmerk  und  kämpfte  nicht  selten  gegen  die 
den  hl.  Büchern  angeschlossenen  apokryphen  Produkte.  So  sehr  wir  es 
also  zu  rühmen  haben,  dass  er  die  Notwendigkeit  der  philologischen  Grund* 
läge  für  das  Bibelstudium  erkannte,  so  können  wir  andererseits  auch  nicht 
verschweigen,  dass  weder  seine  Sprachkenntnisse  noch  seine  philologische 
Methode  höheren  Anforderungen  entsprechen.  Allein  wir  dürfen  nicht  den 
Massstab  der  Neuzeit  anlegen;  die  Hauptsache  bleibt,  dass  eine  Ahnung 
von  den  festen  Grundlagen  der  Schriftinterpretation  in  den  Geistern  auf* 
dämmern  musste.  Noch  in  anderer  Beziehung  waren  der  Bibelauslegung 
neue  Wege  vorzuzeichnen.  Die  Allegorie  hatte  hier  ihren  Thron  auf- 
geschlagen, der  buchstäbliche  Sinn  wurde  verächtlich  beiseite  geschoben 
und  an  seiner  Stelle  das  sog.  geistige  Verständnis  gesetzt.  Damit  kam 
eine  entsetzliche,  aller  Beschreibung  spottende  Willkür  in  die  sakrale  Exe- 
gese hinein,  da  es  ja  galt,  nicht  das  zu  erklären,  was  da  stand,  sondern 
etwas  aufzufinden,  was  nicht  da  stand,  also  seine  eigenen  Gedanken  zn 
unterschieben.  Hieronymus  erkannte  zwar  und  sprach  es  öfters  aus,  dass 
die  historische  Interpretation  die  Voraussetzung  des  Verständnisses  bilde; 
allein  er  konnte  sich  doch  nicht  von  der  allegorischen  und  typischen  Er- 
klärungsweise lossagen  und  auf  die  „Blüten  des  geistigen  Verständnisses* 
verzichten.  Diese  Inconsequenz  sollte  sich  bei  seinen  exegetischen  Arbeiten 
bitter  rächen,  sie  nahm  ihm  den  festen  Boden  unter  den  Füssen  weg. 
Seine  exegetischen  Werke  stehen  daher  weit  hinter  der  Schrift  seines 
Zeitgenossen,  dem  sog.  Ambrosiaster,  zurück.  Es  kommt  hinzu,  dass  der 
Kirchenlehrer  sich  in  keines  der  von  ihm  erläuterten  Werke  so  vertiefte, 
dass  er  Wohldurchdachtes  geben  konnte;  die  Eilfertigkeit,  mit  der  er  zu 
Werke  ging,  ist  wahrhaft  erstaunlich.  Seine  Arbeit  bestand  der  Haupt- 
sache nach  aber  auch  nur  darin,  dass  er  die  Commentare  der  griechischen 
Meister,  besonders  des  Origenes,  abschrieb.  Bei  einem  solchen  Verfahren 
ist  es  nicht  verwunderlich,  dass  er  oft  nicht  Zeit  fand,  den  verschiedenen 
Deutungen  gegenüber  eine  sichere  Entscheidung  zu  treffen.  Durch  diese 
Methode  hat  Hieronymus  uns  manches  aus  verlorenen  Schriften  gerettet, 
zugleich  aber  seiner  Interpretationskunst  ein  Armutszeugnis  ausgestellt. ^I 

0   G.  Hoberg,   De   Hieronymi   ratione  i   berg   1903  (Festrede);    E.  Mangenot,  Les 

interpretandi,  Bonn  1886;  A.  Röhrich,  Essai  I   mss.  grecs  des  evangiles  employ^s  par  S.  J^ 

8ur  St.  Jöröme  exögöte  (Thöse),   Genf  1891;  i   röme  (Revue  des  scienceseccl^siastiques  19ÖÜ 

K.  Härtung,  Der  Exeget  ffieronymus,  Bam-  \  ^.  b^Y 


Hieronymiui.    (§  990.)  429 

^Dogmatisch-polemische  Schriften  and  Uebersetznngen  dogmatischerWerke. 

990.  üeber  die  immerwährende  Jungfrauschaft  Marias  gegen 
Helvidins.  Als  Hieronymus  382—385  in  Rom  weilte,  um  dem  Papst 
Damasas  als  Berater  in  wissenschaftlichen  Dingen  zur  Seite  zu  stehen, 
trat  ein  gewisser  Helvidius  mit  einer  Schrift  gegen  die  immerwährende 
Jungfrauschaft  Marias  auf.  Er  war  Laie  und  seine  Bildung  nicht  so  be- 
schaffen, dass  er  ein  sprachlich  korrektes  Werk  liefern  konnte.  An  der 
Hand  der  hl.  Schrift  suchte  er  nachzuweisen,  dass  Joseph  nach  der  Geburt 
des  Herrn  mit  Maria  ehelichen  Umgang  gepflogen  habe  und  dass  aus 
diesem  Umgang  Kinder  entsprossen  seien.  Ausser  der  Schrift  zog  er  auch 
die  Tradition  heran  und  berief  sich  auf  Tertullian  und  Yictorinus  von 
Pettau.  Nicht  ein  vorwiegend  dogmatisches  Interesse  war  es,  das  Hel- 
vidius auf  diese  Frage  brachte,  sondern  vielmehr  ein  soziales;  er  wollte 
der  Ueberschätzung  der  Ehelosigkeit  entgegentreten,  indem  er  den  Haupt- 
st&tzpunkt  für  diese  Meinung,  die  immerwährende  Jungfrauschaft  Marias, 
hinwegzuräumen  suchte.  Die  Schrift  des  Helvidius  war  schon  einige  Zeit 
in  Umlauf  und  scheint  in  den  asketischen  Kreisen  doch  eine  gewisse  Be- 
unmhigung  hervorgerufen  zu  haben.  Man  drang  in  den  Kirchenvater, 
polemisch  gegen  den  Häretiker  vorzugehen.  Hieronymus  that  dies  auch 
und  schrieb  eine  Broschüre  gegen  den  ihm  persönlich  gänzlich  unbekannten 
Mann.  Er  schlug  einen  übermütigen  Ton  an  und  suchte  den  Gegner 
lächerlich  zu  machen.  Auch  er  ging  auf  die  Schriftstellen  ein,  erklärte 
sie  aber  anders  als  Helvidius;  das  Thema,  dass  der  jungfräuliche  Stand 
höher  zu  achten  sei  als  die  Ehe,  berührte  er  ebenfalls.  Der  Mangel  an 
rahiger  Haltung  und  die  Geringschätzung  des  Gegners,  gegen  den  er 
sogar  Schimpfworte  schleuderte,  lassen  kein  rechtes  Behagen  an  dem 
Sehriftchen  aufkommen;  es  gesellt  sich  hinzu,  dass  Hieronymus  über  das 
eheliche  Verhältnis  von  Maria  und  Joseph  nicht  mit  der  nötigen  Zartheit 
handelt^) 

Zeugnisse  ttber  Helvidius.  Gennadius  de  vir.  ill.  33  Helvidius,  ÄuxetUii  disci- 
pulus,  Symmachi  (vielleicht  des  Ebioniten)  imitator,  scripsit  religionis  quidem  studio,  sed 
nan  aeamdum  scientiam,  librum  neque  sermone  neque  ratione  nitidutn,  cuius  opere  ita 
Sanctarum  Scripiurarum  sensum  ad  suam  perversüatem  flectere  conatus  est,  ut  earwn 
tcftimoniis  adserere  voluerit,  sanctam  Mariani  post  natwitatem  Domini,  quem  virgo  pcpent, 
Joseph  ^onso  suo  iunctam  et  ex  eius  consortio  filios  suscepisse,  qui  fratres  Domini  ap- 
pelluti  sunt;  [cuius  pravitatem  Hieronymus  arguens  libeUum  documentis  Scripiurarum 
suffieienter  (satiatum)  adverstM  eum  edidit.}]  vgl.  dazu  Czapla,  Gennadius  als  Litterar- 
historiker  (Kirchengeschichtl.  Sind.  4.  Bd.  1.  Heft  (1898)  p.  70).  Aus  den  Worten  (Sp.  183  M.) 
solus  m  universo  mundo  sibi  et  laicus  et  sacerdos  muss  man  schliessen,  dass  er  Laie  war; 
denn  das  ungeheuerliche  liegt  darin,  dass  ein  Laie  sich  wie  ein  Priester  geberdete.  Hiero- 
nym.  c.  16  Sp.  200  M.  praetermitto  vitia  sermonis,  qnibus  omnis  liber  tuus  scatet.  Taceo 
ridieulum  exordium:  0  tempoi'a!  o  mores! 

Abfassungszeit.  Die  Schrift  ist  in  Rom  geschrieben;  vgl.  c.  16  Sp.  200  M.  cum 
m  eadem  tecum  Urbe  consistam  (wie  Helvidius).  Sie  wurde  zu  Lebzeiten  des  Papstes 
Damasas  geschrieben;  vgl.  epist.  48,  18  (22,  508  M.)  dum  adcireret  sanctae  memoriae  Da- 
WM8H8,  librutn  contra  Helridium  de  beatae  Mariae  rirginitate  perpetua  scripaimus.  Da 
Hi^roDymus  382—385  in  Rom  weilte  und  Damasus  Ende  384  starb,  fällt  die  Schrift  in 
diesen  Zeitraum.  In  einem  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  884  geschriebenen  Brief  an 
Eostochium  (epist.  22,  22;  22,  409  M.)  sagt  er:  Quantas  molesiias  habeant  nuptiae  et  quot 
soUicitudinibtu  vinciantur,  in  eo  libro,  quem  adrersus  Helvidium  de  beatae  Mariae  per- 
petua virginitiUe  edidimus,  puto  breviter  expressum.    Da  zwischen   dem  Erscheinen  der 

9  Vgl.  c.  8  8p,  191  M. 


430  Hieronymos.    (§991.) 

Schrift  und  der  Beantwortong  des  Hieronymas  ein  längerer  Zeitraum  lag  (c.  1),   komuMii 
wir  in  das  Jahr  382  oder  383. 

Zur  Charakteristik  der  Schrift.  Sp.  185  M.  non  campum  rhetoriei  desideramm 
eloquii,  non  dialecticorutn  tendiculas,  nee  Ariatotelis  Rpineta  conquiHmus:  ipsa  Scripte- ^ 
rarum  rerba  ponenda  sunt.  c.  22  Sp.  206  M.  rheioricati  awnus  et  in  moretn  dedamatanm 
pnululum  lusimus.  Interessant  ist  die  Schilderung  einer  römischen  Hausfrau  c  20  Sp.  204  M. 
Vgl.  Zöckler.  Hieronymus  p.  94;  Grtltzmacher  p.  269;  A.  v.  Lehner,  Die  MarienTer- 
ehrung  in  den  ersten  Jahrhunderten,  Stuttgart'  1887,  p.  104. 

Ausg.  hei  Yallarsi  2  Sp.  205;  Migne  23  Sp.  183.  Auch  abgedruckt  in  Hurten 
sanctorum  patrum  opusc.  sei.,  ser.  XII. 

991 .  Die  zwei  Bücher  gegen  Jovinianus.  Auch  nachdem  Hieronymus 
sich  in  die  Einsamkeit  nach  Bethlehem  zurückgezogen  hatte,  blieb  er  mit 
den  kirchlichen  Bewegungen  in  Fühlung.  Es  fanden  sich  immer  Leute, 
die  dem  Einsiedler  über  schwebende  Streitigkeiten  Bericht  erstatteten  und 
um  seine  Hilfe  nachsuchten;  besonders  über  die  Begebenheiten  in  Rom 
wurde  Hieronymus  durch  seine  Freunde  immer  auf  dem  Laufenden  ge- 
halten. So  wurden  ihm  bald  nach  392  Broschüren  eines  gewissen  Jovinianus 
überschickt,  damit  der  kampfbereite  Mann  eine  Widerlegung  derselben 
schreibe.  Zwar  waren  die  Häresien  Jovinians  bereits  im  Jahre  390  von 
Papst  Siricius  verdammt  worden,  auch  Ambrosius  hatte  gegen  den  Häre- 
tiker und  seine  Freunde  feste  Stellung  genommen,  allein  trotzdem  scheinen 
die  Jjehren  Jovinians  immer  noch  Anhänger  genug  gehabt  zu  haben,  so 
dass  die  streng  kirchlichen  Kreise  besorgt  werden  mussten.  Die  S&txB 
standen  allerdings  in  starkem  Gegensatz  zu  dem  asketischen  Oeiste  der 
Zeit;  auch  waren  dogmatische  Sätze  aufgestellt,  welche  das  Christentum 
absolut  nicht  zulassen  konnte.  Die  vier  Hauptsätze,  in  denen  Jovinianus 
seine  Lehre  formulierte,  waren:  1.  Jungfrauen,  Witwen  und  verheiratete 
Frauen,  welche  die  Taufe  empfangen  haben,  können,  wenn  sie  sich  sonst 
nicht  unterscheiden,  dasselbe  Verdienst  in  Anspruch  nehmen.  2.  Die  in 
vollem  Glauben  in  der  Taufe  Wiedergeborenen  können  von  dem  Teufel 
nicht  zu  Fall  gebracht  werden.  3.  Das  mit  einem  Dankgebet  vollzogene 
Essen  ist  so  viel  wert  als  das  Fasten.  4.  Die,  welche  ihre  Taufgnade 
bewahrt  haben,  erhalten  im  Himmel  den  gleichen  Lohn. 

Wie  in  der  Schrift  gegen  Helvidius,  so  verhöhnt  auch  in  diesem 
Pamphlete  Hieronymus  den  Stil  Jovinians;  er  geisselt  ihn  als  einen  von 
Felllern  strotzenden  und  unharmonischen.  Der  Widerlegung  sind  zwei 
Bücher  gewidmet,  in  denen  die  vier  Hauptsätze  Jovinians  der  Reihe  nach 
besprochen  werden.  Das  ganze  erste  Buch  umfasst  die  Widerlegung 
der  ersten  These.  Es  handelt  sich  ja  hier  um  Rettung  des  asketischen 
Ideals,  für  w^elches  Hieronymus  so  grosse  Begeisterung  hegte.  Die  drei 
übrigen  Häresien  füllen  das  zweite  Buch,  und  zwar  wird  die  zweite  in 
Kap.  1—4,  die  dritte  in  Kap.  5—17,  die  vierte  endlich  in  Kap.  18—34 
erörtert.  Nach  einer  kurzen  Recapitulation  schliesst  das  Ganze  mit  einer 
Apostrophe  an  Jovinian  und  seine  Anhänger,  sowie  an  Rom.  Die  Kraft 
der  beiden  Bücher  liegt  in  der  Exegese  von  Stellen  der  hl.  Schrift;  doch 
wird  jedem  Buch  auch  „weltliche  Weisheit"  hinzugefügt,  und  dadurch  ge- 
winnt die  Streitschrift  des  Hieronymus  ein  über  das  Dogmatische  hinaus- 
gehendes Interesse.  Im  ersten  Buch  benutzte  er  die  von  den  antiken 
Schriftstellern  oft  behandelte  MatexVe  üXi^Y  'SJcv^  \«i^^^^Kv^^«v^^^.,vKv'üH^si^ssfc. 


Hieronymiis.    (§  99L)  43] 

[gestattete  der  dritte  Satz  vom  Fasten  einen  Excurs  auf  die  verschiedene 
Lebensweise  der  Völker  und  auf  Beispiele  von  Enthaltsamkeit. 

Die  Schrift  verletzt  uns  oft  durch  den  leidenschaftlichen  Ton  und 
iurch  die  Roheit,  die  nicht  selten  zu  Tage  tritt.  Auch  bei  ihrem  Er- 
scheinen erregte  sie  Anstoss,  weil  die  Ehe  zu  sehr  in  den  Hintergrund 
geschoben  und  der  jungfräuliche  Stand  zu  sehr  ins  Licht  gestellt  wurde.  ^) 
Hieronymus  griff  nochmals  zur  Feder,  um  seine  Ansicht  über  die  Ehe  zu 
verteidigen;  es  geschah  dies  in  einem  Brief  an  Pammachius  (epist.  48), 
der  als  eine  Ergänzung  zu  seinem  Pamphlet  anzusehen  ist;  auch  ein 
Brief  an  Domnio  (epist.  50),  der  übrigens  einen  persönlichen  Charakter 
trägt,  verdankt  diesen  Angriffen  seine  Entstehung. 

Zeugnisse  ttber  Joviniauas.  Gennadius  de  vir. ill.  76  Pauhis  presbyter meminit 

Jovmiani,  haeretici  et  voluptatum  ac  libidinum  praedicatoi'is,  cui  in  tantum  continentis  et 
eastcie  vüae  institutio  contraHa  fuerit,  ut  intef'  luxurioaaa  ep^ilaa  animam  eructaret.  Ad- 
versuB  Jovinianum  1,  40  (Sp.  268  M.)  cum  monachum  esse  se  iactitet.  Epist.  48,  2  (22,  494 
M.)  te  (seil.  Pammachius)  ....  faciente  damnalus  est,  quod  atisits  sit  perpetuae  castitati 
fnatHmonium  comparare.  Die  Verdammung  erfolgte  von  Papst  Siricius  im  Jahre  390;  vgl. 
Ambrosina  epist.  6  (16  Sp.  898  Migne).  lieber  seine  Vertreibung  aus  Mailand  durch  Am- 
brosius  vgl.  epist.  25  (Sp.  1040  M.).  Vgl.  Lindner,  De  Joviniano  et  Vigilantio,  Leipz.  1889, 
p.  24.    Ueber  seinen  Stil  vgl.  adversus  Jovinianum  1,  1  (Sp.  211  M.). 

Die  Hauptlehren  Jovinians.  Der  Inhalt  wird  also  angegeben  1,  8  (Sp.  214  M.): 
Dicä,  virgines,  viducis  et  maritatas,  quae  semel  in  Christo  lotae  sunt,  si  non  discrepetit 
eeteris  operibus,  eiusdem  esse  meriti.  Nititur  approbare  eos,  qui  pleno  fide  in  baptismate 
renati  sunt,  a  diabolo  non  pobse  subverti  (abgeschwächt  lautet  der  Satz  2,  1  Sp.  281  M.,  wo 
nur  von  tentari  gesprochen  wird).  Tertium  proponit  vnter  abstinentiam  ciborum  et  cum 
grittiarum  actione  perceptionem  eorum  nuUam  esse  dislantiam,  Quartum  quod  et  exiremum 
esse  omnium  qui  suum  baptisma  servaverint  unam  in  regno  coelorum  r emuner ationem. 
YgL  Harnack,  Zeitschr.  fÜrTheol.  und  Kirche  1891  p.  138;  W.  Haller,  Jovinianus.  Die 
Fragmente  seiner  Schriften,  die  Quellen  zu  seiner  Geschichte,  sein  Leben  und  seine  Lehre 
(Texte  und  Untersuchungen  17  N.  F.  2,  2,  Leipz.  1897). 

Veranlassung  der  Streitschrift  1,  1  (Sp.  211  M.)  pauci  admodum  dies  sunt, 
quod  sancti  ex  urbe  Borna  fratres  cuiusdam  mihi  Joviniani  Commentai'iolos  transmiserunt, 
rogantes,  ut  eorum  ineptiis  responderem  et  Epicurum  Christianorum  evangelico  atque 
apostolico  vigore  conterrerem. 

Abfassungszeit.  Die  Schrift  ist  nach  dem  Catalog  geschrieben,  der  1,  26  (Sp.  247 
M.)  citiert  wird.  Andererseits  ist  dieselbe  vor  dem  Jonacommentar  verfasst,  also  vor 
etwa  395,  da  sie  hier  in  der  Praef.  erwähnt  wird.  Da  in  der  zweiten  Ausg.  des  Catalogs 
die  Schrift  am  Schluss  hinzugefügt  wird  (vgl.  §  978),  fällt  die  Abfassungszeit  bald  nach  392. 

Quellen,  üeber  seine  Quellen  im  2.  Teil  des  1.  B.  (c.  41)  äussert  er  sich  also: 
1,  49  Sp.  280  M.  scripsenmt  Aristoteles  et  Plutarchus  et  noster  Seneca  de  matrimonio  libros, 
ex  quibus  et  superiora  nonnulla  sutit,  et  isla  quae  subicimus.  Ueber  die  Entlehnungen 
aus  Plutarchs  praecepta  coniugalia  vgl.  Bock,  Aristoteles  Theophrastus  Seneca  de  matri- 
monio (Leipz.  Stud.  19  (1899)  p.  6).  Bezüglich  der  übrigen  Quellen  fasst  Bock  seine  An- 
sicht also  zusammen  (p.  50):  „Reliqua  omnia  accepit  ab  eodem  auctore,  quo  praeter  eum 
usus  est  Hugo  Victorius  (s.  XI)  in  libro  quem  scripsit  de  nuptiis  priore  (Migne  176  Sp.  1208). 
Auetor  autem  ille  Hieronymi  et  Hugonis,  quem  esse  TertuUianum  (in  libro  de  nuptiarum 
angustiis  quem  misit  ad  amicum  philosophum;  vgl.  epist.  22,  22)  est  verisimile,  exscripsit 
Senecae  librum  de  matrimonio.  Seneca  denique  adhibuit  daos  Graecos  scriptores,  et  Aristo- 
telem  et  Theophrastum,  ita  ut  illius  proferret  sententias,  huius  ipsa  verba.**  Die  Auf- 
stellungen werden  zum  Teil  bekämpft  von  Prächter,  Hierokles  der  Stoiker,  Leipz.  1901, 
p.  122.  Bezüglich  des  im  2.  Buch  eingestreuten  Materials  aus  antiken  Schriftstellern  fehlt 
66  noch  an  einer  Untersuchung.  Ueber  Benutzung  des  Porphyrius  vgl.  J.  Bernays,  Theo- 
phrastos'  Schrift  über  Frömmigkeit,  Berl.  1866,  p.  82;  p.  185.  2,  6  (Sp.  293  M.)  legat  qui 
mdt  Äristotelem  et  Theophrastum  prosa,  Marcellum  Sidetem  et  nostrum  JBlavium  hexa- 
metris  versibus  disserentes:  Plinium  quoque  Secwndum  et  Dioscoridem  etc.   2,  13  (Sp.302  M.) 


*)  Epist.  48,  2  (22,  494  M.)  reprehendunt   \  matrimonii,  in   tantum  pudicüiam  praedi- 

me  quidam,  quod nimius  fuerim  vel  in      care,  ut  nulla  videatur  inter  uxorem  et  vir- 

laude  virgmum  vel  in  sugülatione  nuptarum;      ginem  comparatio  derelinqui, 
et  aiunt  condemnationem  quodammodo  esse  '■ 


432 


Hieronymiui.    (g  992.) 


Dicaearchus  in  libris  Äntiquiiatum  et  descrf'ptione  Graeciae  refert,    2,  14  (Sp.  308  M.)  J«- 
8ephu8  in  secunda  Judaicae  captivücUis  histaria  et  in  octavo  decimo  AntiguiUUwH  Utn 
et  contra  Apionem  duohua  voluminibus  tria  describü  dogmata  Judaearum ;  such  luA  |^ 
andere  Autoren  werden  citiert. 

Zur  Charakteristik  der  Schrift  des  Hieronymus.  1,  4  Sp.  214  M.  $eq^ 
restigia  partitionis  expositae  et  ndverstis  singülas  proposiiionea  eius  Scripturarum  td 
maxime  nitur  testimoniis,  ne  querultis  garriat  se  eloquentia  magis  quam  veritate  »uperahm. 
Quod  si  explevero  et  illum  utriusque  instrumenti  nube  oppreasero,  cusumam  exempla  mtot- 
laris  quoque  litteraturae,  ad  quam  et  ipse  provocat  (vgl.  1,  41). 

Ausg.  bei  Yallarsi  2  Sp.  237;  Migne  23  Sp.  211. 

992.  Die  Streitschriften  gegen  Johannes  von  Jerusalem  und 
Bufinus.  Wie  aus  einer  Reihe  von  Stellen  ersichtlich,  liess  sich  Hiero- 
nymus  von  Origenes  in  seinen  theologischen  Anschauungen  stark  beein- 
flussen. Da  kam  der  Bischof  Epiphanius  von  Salamis,  ein  starker  Eiferer, 
im  Jahre  894  nach  Jerusalem,  um  dem  auch  hier  wuchernden  Origenismos 
den  Boden  abzugraben ;  in  Jerusalem  zeigten  nämlich  der  Bischof  Johannes 
und  Rufinus  origenistische  Neigungen.  Durch  das  Eingreifen  des  Epi- 
phanius entbrannte  ein  Kampf,  in  dem  sich  Hieronymus  von  seinen  Freunden 
Johannes  und  Rufinus  trennte  und  aus  einem  Verehrer  ein  Bekämpfer  des 
Origenes  wurde.  Es  kam  noch  ein  Eingriff  des  Epiphanius  in  die  bischöf- 
lichen Rechte  des  Johannes  hinzu;  er  weihte  nämlich  ohne  Vorwissen  des 
Johannes  den  Bruder  des  Hieronymus,  Paulinianus,  zum  Priester.  Auch 
der  Bischof  Theophilus  von  Alexandria  griff  in  den  Streit  ein;  sowohl 
Hieronymus  als  Johannes  wandten  sich  an  ihn.  Das  Schreiben  des  Johannes 
an  Theophilus,^)  in  dem  er  sich  gegen  den  Vorwurf  der  Ketzerei  ausf&hr^ 
lieh  verteidigte  und  den  Streit  beleuchtete,  fand  auch  im  Occident  Ver- 
breitung. Der  Freund  des  Hieronymus,  Pammachius,  glaubte  daher,  unseren 
Kirchenlehrer  benachrichtigen  und  aufmuntern  zu  sollen,  sich  litterarisch 
zu  wehren ;  ^)  dies  that  auch  Hieronymus  399  in  einem  langen  Briefe,  der 
zwar  an  Pammachius  gerichtet,  aber  sicherlich  fär  die  Oeffentlichkeit  be- 
stimmt war.  Das  Aktenstück,  das  am  Schluss  eine  Verstümmelung  er- 
fahren, ist  von  der  grössten  Leidenschaft  durchzogen.  Wahrscheinlich 
kam  dieser  bösartige  Ausfall  dem  Johannes  gar  nicht  zu  Gesicht,  so  dass 
schliesslich  doch  noch  eine  Aussöhnung  zwischen  Johannes  und  Hieronjrmus 
eintrat,  die  Bestand  gehabt  zu  haben  scheint.  >)  Anders  ging  es  mit 
Rufinus.  Auch  er  hatte  sich  mit  Hieronymus  versöhnt,  ehe  er  vom  hl. 
Land  nach  Italien  zurückkehrte;  allein  die  friedliche  Stimmung  währte 
nicht  lange.  Als  Rufinus  nach  seiner  Rückkehr  das  Hauptwerk  des  Ori- 
genes „Ueber  die  Prinzipien''  ins  Lateinische  übertrug  und  zu  seiner 
Deckung  sich  auf  das  Beispiel  des  Hieronymus  berief,  welcher  ebenfalls 
Schriften  des  Origenes  übersetzt  hatte,  brach  der  alte  Hader  wieder  aus. 
Hieronymus,  der  allerdings  früher  zu  Origenes  mit  grosser  Verehrung 
emporblickte,  hörte  später,  als  er  Antiorigenist  geworden  war,  nicht 
mehr  gern  von  dieser  Verehrung.  Die  Erbitterung  wurde  durch  die  römi- 
schen Zuträger  des  Hieronymus  noch  genährt.  In  doppelter  VtTeise  er- 
öffnete er  den  Kampf  gegen  Rufinus;  in  einem  an  Pammachius  und 
Oceanus  gerichteten  Brief*)   suchte  er  sich  vom  Origenismus  zu  reinigen 


*)  c.  37  Sp.  389  M.  scribit  {Johannes)  ad 
Tlieophüum  episcopum  apologiam,  cuius  istud 
e.rordiuni  est. 


^)  c.  1  Sp.  855  M.  provocatus  litteris  tmif. 
»)  Vgl.  Zöckler,  Hieronymna  p.  249. 
*)  Epist.  84  (22,  748  M.). 


Hieronymiui.    (§  993.)  438 

und  Rufinus  zu  verdächtigen ;  weiterhin  übersetzte  er  ebenfalls  das  Haupt- 
werk des  Origenes  ^Ueber  die  Principien",  uro  die  Häresien  des  Origenes, 
die  Rufinus  bei  seiner  üebersetzung  ausgemerzt  hatte,  zu  Tage  treten  zu 
lassen,  und  dadurch  eine  Handhabe  zum  Angriffe  gegen  seinen  Gegner 
wegen  seines  Origenismus  zu  erhalten.  Auch  der  Papst  wurde  von  den 
Anhängern  des  Hieronymus  gegen  Rufinus  in  Bewegung  gesetzt.  Rufinus 
musste  jetzt  zu  seiner  Verteidigung  schreiten;  er  that  dies  in  einer  aus 
zwei  Büchern  bestehenden,  gegen  Hieronymus  gerichteten  Schrift.  Eiligst 
waren  die  Anhänger  des  Hieronymus  bei  der  Hand,  Auszüge  aus  derselben, 
die  eigentlich  nur  für  den  Freundeskreis  Rufins  bestimmt  war,^)  nach 
Bethlehem  zu  schicken.  In  seiner  Leidenschaftlichkeit  wartete  Hieronymus 
nicht  die  üebersendung  der  Schrift  selbst  ab,  sondern  verfasste  eine  eben- 
falls zwei  Bücher  umfassende  Invective  gegen  Rufinus.  An  Bosheit  und 
Gehässigkeit  wird  sich  dieses  Produkt  nicht  leicht  überbieten  lassen.  Die 
Origenesfrage  ist  das  Fundament  der  Anklageschrift.  Als  Rufinus  die 
Schmähschrift  des  Hieronymus  zu  Gesicht  bekam,  schrieb  er  an  ihn  einen 
scharfen  Brief  und  übersandte  ihm  zugleich  mit  diesem  Schreiben  seine 
Bechtfertigungsschrift,  die  Hieronymus,  ohne  sie  gesehen  zu  haben,  be- 
kämpft hatte.  Zu  welch  hohem  Grad  die  Erbitterung  gestiegen  war,  geht 
daraus  hervor,  dass  Rufinus  drohte,  er  wolle,  wenn  Hieronymus  von  seinen 
Angriffen  nicht  ablasse,  seine  Schandthaten,  die  ihm  bekannt  seien,  ver- 
öffentlichen.') Aber  Hieronymus  war  auch  jetzt  nicht  zum  Schweigen  zu 
bringen;  er  schrieb  wiederum  eine  Schmähschrift  gegen  Rufinus,  die  ge- 
wöhnlich als  drittes  Buch  der  Apologie  gezählt  wird.  Auch  dieses  Ela- 
borat strotzt  von  Gehässigkeiten  und  Bosheiten.  Rufinus  erwiderte  nichts 
mehr.  Hieronymus  liess  aber  seinem  Hasse  die  Zügel  schiessen,  selbst 
als  Rufinus  in  der  Erde  ruhte. 

Abfassungszeit  der  Streitschrift  gegen  Johannes  von  Jernsalem.  Es 
sieben  ans  folgende  Daten  zur  Verfügung:  1)  c.  17  Sp.  369  M.  citiert  er:  Ante  anno8  ferme 
deeem  in  Commentariis  Ecclesiastae.  Da  der  Commentar  zum  Prediger  387—390  ge- 
acbrieben  ist,  kommen  wir  in  die  Jahre  397—400.  2)  Hieronymus  (c.  41  Sp.  393  M.)  be- 
rechnet etwa  seinen  Aufenthalt  in  Bethlehem  bis  zum  Eintritt  der  Wirren  mit  Johcmnes 
auf  18  Jahre;  da  er  386  sich  in  Bethlehem  niederliess,  kommen  wir  auf  das  Jahr  399  als 
Abfassnngszeit  der  Schrift. 

Ausg.  bei  Vallarsi  2  Sp.  407;  Migne  23  Sp.  355. 

AbfasBungszeit  der  Apologie  gegen  Rufinus.  2,  23  Sp.  446  M.  unde  eliam 
ante  annos  ferme  decem  cum  Dexter  amicus  meus,  qui  praefecturam  administravit  prae- 
torü,  me  rogasset,  ut  auctarum  nostrae  religionis  ei  indicem  texerem.  Die  Apologie  ist 
also  zehn  Jahre  nach  dem  Catalog,  der  392  abgefasst  wurde,  sonach  im  Jahre  402  ge- 
schrieben. Nicht  lange  Zeit  nach  den  zwei  Bttchem  wird  das  dritte  geschrieben  sein,  doch 
laset  sich  die  Zeit  nicht  genauer  bestimmen. 

Ausg.  bei  Vallarsi  2  Sp.  457;  Migne  23  Sp.  397. 

993.  Streitschrift  gegen  Yigilantius.  Ein  gallischer  Priester,  den 
Hieronymus  einen  Calagurritaner  nennt,  kam  mit  einem  Empfehlungs- 
schreiben des  Paulinus  von  Nola  nach  Bethlehem.»)  Dieses  Empfehlungs- 
schreiben verschafifte  dem  Gallier  eine  günstige  Aufnahme  im  Kloster  des 


^)  Vgl.  3,  3  Sp.459  M.  sagt  Hieronymus:  {  mina,  quae  tihi  sali  amicissimo  sim  confessus^ 

Dicis  te  accuaaiionem  meam  ad  eos  tantum  i  et  haec  in  medium  prolaturum, 
miaisse,  qui  meis  ve%^  laesi  fuerant,  et  non  \  ')  (^ennadius  berichtet,  dass  derselbe  der 

ad  plurea,  j  Diözese    von   Barcelona    angehörte.     Wahr- 

')  3,  41  Sp.  487  M.  scire  te  iactaa  cri-  ,  scheinlich  wurde  er  dahin  vertrieben. 
Huidbuoh  der  Umi.  AltertimuiwlHeiMolian.    vm,  4.  28 


434  Hieronymas.    (§  998.) 

fiieronymus.  Aber  er  erwies  sich  undankbar ;  denn  nach  seiner  Rückkehr 
verbreitete  er  die  Nachricht,  dass  Hieronymus  Anhänger  des  Origenes  m. 
Die  Ausstreuungen  kamen  dem  Kirchenvater  zu  Ohren;  er  sah  sich  daher 
veranlasst,  ein  Schreiben^)  an  ihn  zu  richten  und  den  Vorwurf  der  ori- 
genistischen  Ketzerei  zurückzuweisen.  Wenn  er  in  vielen  Punkten  den 
Origenes  bewundere,  so  ergebe  sich  daraus  nicht,  dass  er  auch  dessen 
Irrtümer  annehme.  Der  Ton  des  Briefes  ist  gereizt  und  wird  mitunter 
persönlich.  Yigilantius  trat  bald  als  kirchlicher  Neuerer  auf.  Er  be- 
kämpfte die  Reliquien  Verehrung,  bemängelte  das  Vigilienunwesen,  er  stritt 
gegen  das  Mönchsleben  und  verwarf  den  C!oelibat;  auch  die  brennenden 
Kerzen  beim  Gottesdienst  waren  ihm  anstössig,  und  über  die  Wund«- 
zeichen  bei  den  Oräbem  der  Heiligen  machte  er  sich  seine  eigenen  Ge- 
danken. Diese  neuen  Sätze  scheinen  auf  viele  Gemüter  einen  tiefen  Ein- 
druck gemacht  zu  haben,  so  dass  selbst  Bischöfe  nicht  wagten,  dagegen 
einzuschreiten.  Den  streng  christlichen  Kreisen  wurde  bange.  Ein  Priester, 
Namens  Riparius,  der  die  Umsturzbestrebungen  mit  eigenen  Augen  sehen 
konnte,  wandte  sich  an  den  Mönch  von  Bethlehem,  von  der  richtigen  Er- 
wartung ausgehend,  dass  dessen  Autorität  dem  Treiben  des  Revolutionärs 
ein  Ende  bereiten  könne.  Der  mit  Yigilantius  persönlich  verfeindete  Hiero- 
nymus kam  zweifelsohne  diesem  Auftrage  gerne  nach  und  richtete  im 
Jahre  404  einen  geharnischten  Brief)  an  Riparius,  in  welchem  er  dem 
Häretiker  entgegentrat  und  die  Reliquienverehrung  verteidigte.  Selbst- 
verständlich war  diese  Epistel  für  weitere  Kreise  bestimmt.  Aber  sie 
sollte  nur  die  Einleitung  zum  eigentlichen  Kampfe  bilden,  in  den  erst  nach 
Uebersendung  der  Schriften  eingetreten  werden  konnte.  Der  Priester 
Riparius,  dem  sich  Desiderius  anschloss,  Hess  auch  die  Schriften  des  Vigi- 
lantius  durch  Sisinnius  an  Hieronymus  gelangen.  Damit  hatte  der  Kirchen- 
lehrer die  Basis  für  seine  Invective  gegen  Vigilantius  erhalten.  Dieselbe 
strotzt  von  Bosheiten  und  persönlichen  Beleidigungen.  Um  nur  ein  Bei- 
spiel vorzuführen,  verkehrte  er  den  Namen  Vigilantius,  weil  sein  Träger 
die  Vigilien  bekämpfte,  in  Dormitantius.  Kein  Leser  kann  an  diesem  Pro- 
dukte seine  Freude  haben.  Derselbe  Sisinnius,  der  die  Schriften  des  Vigi- 
lantius übermittelt  hatte,  brachte  im  Jahre  406  auch  die  Schmähschrift 
des  Hieronymus  nach  Gallien;  sie  scheint  ihren  Zweck  erfüllt  zu  haben, 
Vigilantius  wurde  mundtot  gemacht.  Auf  die  Autorität  des  bethlehemiti- 
schen  Mönohs  gestützt,  konnten  die  Kirchenbehörden  die  revolutionären 
Bewegungen  leicht  unterdrücken. 

Zeugnisse  über  Vigilantius.  Hieronymus  sagt  in  einem  Brief  an  Yigilantias 
(epist.  61,  3;  22,  605  M.):  Credidi  sancti  presbyteri  Paulini  epistolis  et  illius  super  nomifie 
tuo  non  putavi  errare  iudicium.  Et  licet  statim  accepta  epistola  aavyaQTtjroy  sermonem 
tuum  intelligerem,  tarnen  rusticitatem  et  simplicitatem  magis  in  te  arbitrabar  quam  recor- 
diam.  Epist.  58,  11  (22,  586  M.)  sanctum  Vigilantium  presbyterum  qua  ariditate  susceperim, 
melius  est  ut  ipsius  rerbis  quam  meis  discas  litteris:  qui  cur  tarn  cito  a  nobis  profectus 
sit  et  nos  reliquerit,  non  possum  dicere,  ne  laedere  quempiam  videar,  üeber  Vigilantius 
und  Rufinus  vgl.  Apol.  in  Rufin.  3,  19  (23,  471  M.).  Ueber  die  Heimat  des  Vigilantius  vgl. 
c.  4  der  Streitschrift.  C.  6  (Sp.  345  M.)  redet  er  ihn  an:  ad  radices  Pyrenaei  habitas  riet- 
nusque  es  Jheriae.  c.  1  Sp.  340  M.  nennt  er  ihn  caupo  Calagurritanus.  Gennadius  de  vir. 
ill.  36   Vigilantius  presbyter,  natione  Gallus,  Hispaniae  Barcelonensis  parochiae  ecclestam 

\)  Epist.  61.  \  """i  ^¥^^"<-  ^^^^- 


Hieronymiui.    (§  994.)  435 

Umtdi,  SeripsU  ei  ipse  zdo  quidem  religionis  aliqua,  sed  victus  humana  laude  et  prtie- 
wmimeiM  tt/^pra  vires  auae;  homo  lingua  polittu,  fwn  sensu  Scripturarum  exercitcUus,  ex- 
pomni  pravo  ingenio  Secunäam  Danielis  visionem,  et  cUia  locutus  est  frivola,  quae 
m  caiaiogo  haeretiearum  necessario  exponentur,  W.  Schmidt,  VigüaDÜus,  sein  Verh&ltiiis 
aun  hl.  HieroDjmua  und  zur  Eirchenlehre  damaliger  Zeit,  MOnsier  1860;  G.  Nijhoff,  Vigi- 
lantins,  Dias.  Qroniiigen  1897. 

Lehrsfttze  des  Vigilantias.    c.  1  Sp.  339  M.  qui  (seil.  Vigilantius) Marty- 

rwm  neget  septdcra  veneranda,  damnandas  dicat  esse  vigüias:  numquam  nisi  in  Pascha 
AUduia  eantandum:  eantinentiam  haeresim,  pudicitiam  Uhidinis  seminarium.  Ueber  seine 
Angriffe  gegen  den  Gebrauch  der  Kerzen  beim  Gottesdienste  vgl.  c.  7  Sp.  345  M.    Ueber 

Widerspruch  gegen  die  Sammlungen  für  Jerusalem  vgl.  c.  13  Sp.  349  M. 

Veranlassung  der  Schrift,  c.  3  Sp.  341  M.  aiActores  sunt  huius  dictatiunculae 
(der  Schrift  gegen  Vigilantius)  sancti  presbyteri  Riparius  et  Desiderius,  qui  paroecias 
vidnia  isHus  scribunt  esse  maculatcu,  miseruntque  libros  per  fratrem  Sisinnium,  quos 
ere^^lam  stertens  evomuit.  Et  cuserunt  repertos  esse  nofmuüos,  qui  faventes  vitiis 
iüius  blasphemüs  acquiescant,  c.  17  Sp.  352  M.  haec,  ut  dixi,  sanctorum  preabytc- 
mortem  rogatu  unius  noctis  IvuMÖnUione  dictavi  festinante  admodum  fratre  Sisinnio  et 
fTopter  sanctorum  refrigerxa  ad  Äegyptum  ire  properante. 

Abfassungszeit.  Hieronymus  erwähnt  contra  Vigilantium  c.  9  Sp.  347  M.  des 
Briefes,  den  er  an  Riparius  schrieb,  und  zwar  mit  der  Bei^gnng,  dass  dies  vor  etwa  zwei 
Jahren  geschehen  sei.  Da  der  Brief  ins  Jahr  404  gesetzt  wird,  fällt  unsere  Streitschrift 
ins  Jahr  406.  Dieses  Jahr  kann  auch  in  anderer  Weise  gewonnen  werden.  Sisinnius,  der 
die  Streitschrift  nach  Gallien  überbrachte,  ist  derselbe  Sisinnius,  der  im  Jahre  406  den 
Zachariacommentar  dem  Bischof  Exuperius  von  Toulouse  brachte;  vgl.  oben  §  982,  3. 

Ausg.  bei  Vallarsi  2  Sp.  387;  Migne  23  Sp.  339. 

994.  Die  Dialoge  gegen  die  Luciferianer  und  Pelagianer.  Merk- 
würdig ist,  dass  Hieronymus  auch  den  Dialog  in  seinen  dogmatisch-pole- 
mischen Schriften  anwendete.  Es  geschah  dies  zuerst  in  einer  Bestreitung 
des  luciferianischen  Schismas.^)  Die  Einkleidung  ist  folgende.  Ein  Luci- 
ferianer und  ein  Orthodoxer  waren  auf  einer  Strasse  —  der  Ort  ist  nicht 
näher  bezeichnet  —  aneinander  geraten  und  traktierten  sich  mit  gemeinen 
Schimpfreden.  Der  Luciferianer  nannte  die  katholische  Kirche  ein  Huren- 
haus, der  Orthodoxe  hielt  seinem  Widersacher  höhnisch  entgegen,  ob  er 
denn  glaube,  dass  Christus  wegen  des  sardinischen  Bischofs  auf  die  Welt 
gekommen  sei.  Die  einbrechende  Nacht  setzte  der  in  ungeeigneter  Weise 
stattfindenden  Disputation  ein  Ziel.  Erbittert  gingen  die  Gegner  aus- 
einander; jedoch  waren  sie  übereingekommen,  am  nächsten  Morgen  in  einer 
abgelegenen  Säulenhalle  die  Unterredung  fortzusetzen,  dieselbe  aber  zugleich 
vom  SchneDschreiber  nachschreiben  zu  lassen.  Nach  dieser  Einleitung  be- 
ginnt der  Dialog,  der  sich  um  die  Frage  dreht,  wie  es  mit  der  Aufnahme 
der  Arianer  in  die  Kirche  zu  halten  sei.  Die  Luciferianer  vertraten  in- 
sofern eine  strengere  Richtung,  als  sie  einen  Unterschied  zwischen  den 
Bischöfen  und  Laien  machten  und  den  Verlust  der  bischöflichen  Würde 
bei  den  ehemaligen  Arianern  ausgesprochen  wissen  wollten;  ja  der  Diakon 
Hilarius  wollte  sogar  die  von  den  Arianern  gespendete  Taufe  nicht  als 
gültig  erachten.*)  Hieronymus  entscheidet  sich  för  die  Praxis  der  ortho- 
doxen Kirche,  welche  den  reuigen  Bischöfen  ihre  Würden  beliess  und 
die  von  den  Arianern  gespendete  Taufe  anerkannte,  und  lässt  das  Ge- 
spräch mit  dem  Sieg  des  Orthodoxen  enden.  Freilich  fügt  der  Gegner  am 
Schluss  hinzu,  die  Luciferianer  Hessen  sich  leichter  besiegen  als  überreden. 
Der  Dialog  ist  die  einzige  Streitschrift,  in  der  Hieronymus  die  persönlichen 


1)  Eine  Anahrse  bei  Gratzmacher,  |  *)  Vgl.  c.  21  Sp.  175 

HieronjrmoM  p,  202.  \ 


486  Hieronymiui.    (§  994.) 

Ausfälle  vermeidet  und  durch  einen  ruhigen  sachlichen  Ton  sich  aua-  |" 
zeichnet.  Ueber  die  Zeit,  in  der  derselbe  entstanden  ist,  sind  wir  nicht 
ganz  sicher  unterrichtet;  nur  das  eine  wissen  wir  bestimmt,  dass  er  vor 
392,  d.  h.  vor  Abfassung  des  Catalogs,  geschrieben  ist.  Am  besten  passt 
der  Dialog  für  den  Aufenthalt  des  Hieronymus  in  Rom,  als  er  dem  Papst 
Damasus  als  Ratgeber  zur  Seite  stand. 

Gegen  Ende  seines  Lebens  hatte  Hieronymus  noch  den  Kampf  gegen 
Pelagius  und  seine  Anhänger  durchzufechten.  Pelagius  hatte  seine  Häresie 
412  nach  Palaestina  getragen,  und  zwischen  ihm  und  Hieronymus  gab  es 
manche  Reibereien.*)  Im  Jahre  415  leitete  Hieronymus  das  Vorgefecht  mit 
einem  Brief  an  Ctesiphon ')  ein,  wo  er  den  Hauptsatz  des  Pelagianismus,  der 
Mensch  könne,  wenn  er  wolle,  ohne  Sünde  leben,  bestritt  und  auf  die  Stoa 
zurückführte.  Schon  hier  kündigt  er  eine  eingehendere  Schrift  gegen  die 
Pelagianer  an.>)  Sie  liess  auch  nicht  lange  auf  sich  warten;  auch  für  sie 
wählte  er  die  Form  des  Dialogs,  indem  er  die  RoUe  des  Katholiken  dem 
Atticus,  die  des  Pelagianers  dem  Critobulos  zuteilte.  Es  sind  drei  Bücher,^) 
die  nicht  in  dem  ruhigen  Tone  abgefasst  sind  wie  der  Dialog  gegen  die 
Luciferianer.  Das  Werk  des  Kirchenlehrers  rief  grosse  Aufregung  unter 
den  Gegnern  hervor.  Die  Pelagianer  drangen  sogar  in  das  KJoster  von 
Bethlehem  gewaltsam  ein,  Hieronymus  konnte  sich  nur  durch  Flucht  vor 
dem  Tode  retten.^)  Aber  auch  litterarisch  suchte  man  den  Hieronymus 
niederzuwerfen.  Ein  Diakon  Annianus  von  Celeda  trat  für  die  pelagianische 
Sache  ein;^)  selbst  der  grosse  antiochenische  Theolog  Theodorus  von 
Mopsuestia  veröffentlichte  eine  Schrift  gegen  die,  welche  behaupten,  der 
Mensch  sündige  von  Natur  und  nicht  aus  freiem  Willen,^)  und  verhöhnte 
den  Hieronymus  unter  dem  Spottnamen  «Aram*.  Andererseits  aber  erntete 
Hieronymus  grosses  Lob  für  seine  Arbeit  von  Augustin.  ^) 

Abfassangszeit  der  Altercatio  Luciferiani  et  Orthodoxi.  Im  Catalog  steht 
sie  zwischen  der  Epistel  an  Heliodor  und  der  Chronik.  Der  Brief  an  Heliodor  (No.  14)  ist  in 
Jahre  373,  also  während  des  Aufenthalts  in  der  chalcidischen  Wüste  geschrieben,  die 
Chronik  fällt  in  den  Aufenthalt  des  Hieronymus  zu  Constantinopel,  also  um  380.  Die 
älteren  Gelehrten  haben  nun  angenommen,  dass  der  Dialog  in  der  Zeit  des  zweiten  antio- 
chenischen  Aufenthalts,  also  um  879,  geschrieben  sei.  Allein  die  chronologische  Ordnung 
ist  nicht  immer  in  dem  Catalog  der  hieronymianischen  Schriften  gewahrt.  Neuere  Geehrte 
wollen  den  Dialog  geschrieben  wissen,  als  sich  Hieronymus  382—885  in  Rom  befand;  dort 
hätte  er  am  besten  das  vereinzelte  Auftreten  des  Hilarius  kennen  lernen  können.  Auch 
würde  sich  dann  leichter  erklären,  warum  Hieronymus  in  seiner  Chrom'k  den  Lucifer  ohne 
jede  Feindseligkeit  anführt  (vgl.  z.  J.  Abraham  2871;  2378),  einmal  sogar  belobt;  vgl.  s.  J. 
2386  =  369:   qui nusquam  se  Äirianae  miscuit  pravUati,  —  Krttger,  Lucifer  voo 

^)  Vgl.  Jeremiascomment.  Prol.  (24,  680  nione  maculari.    Ausführlicher   erzählt  die 

M.)  ut  nuper  indoctus  calumniator  erupit,  Yorf&lle  Augustiin.  de  gestis  Pelagii. 

qui  Commentarios  meos  in  epistülam  Pauli  \           ^)  Epist.  148,  2  an  Alypius  und  Augostiii 

ad  Ephesios  reprehendendoa  putat.  \   (22,  1181  M.)  qttod  autem  quaeritis,  utrum 

^)  Epist.  133  (22,  1147  M.).  |  rescripserim  contra  libros  Anniani  Pfeudo- 

')  Epist.  133,  13  (22,  1160  M.)  in  pro-  diacani  Celedensia,  qui  copiosissime  paseitur, 

misso   opere   pleniua    {si  gratiam   dominus  ut  alienae  blasphemiae  verba  fricola  sub- 

dederit)  dicturus  sum.  i   ministret. 

*)  Analyse  derselben  bei  Zö ekler.  Hie-  ^)  Vgl.  Photius  biblioth.  cod.  177.    Frag- 

ronymus  p.  423.  mente  bei  Marina  Mercator,  auch  abgedruckt 

/)  Epist.  188  an  Riparius  (22,  1165  M.)  bei  Migne  23  Sp.  589. 

nobis  melius  visum  est  locum  mutare,  quam  ^)  Opus  imperf.  contra  Julian.  4,  88  (45, 

fidei  veritatem,  aedificiorumque  et  mansionis  1389  M.)   mira   et   ut  talem  fidem   decebat 

amoenitatem  nmittere,  quam  eorum  commu-  ,  venustate  composuit. 


Hieronymus.    (§§  995,  996.)  437 

Salaris,  Leipz.  1986,  p.  58;  Grtttzmacher,  Die  Abfassungszeit  der  Altercatio  Luciferiani 
»i  Orthodozi  des  Hieronymos  (Zeitschr.  für  Kirchengesch.  21  (1901)  p.  1). 

Ausg.  bei  Vallarsi  2  Sp.  171;  Migne  23  Sp.  155. 

Abfassungszeit  des  Dialogus  adversns  Pelagianos.  Augustinus  schickte  Oro- 
mm  nach  Bethlehem  zu  Hieronymus.  Während  dieses  Aufenthalts  schrieb  Hieronymus  die 
Dialoge.  Hier  nahm  Orosins  an  der  Synode  von  Jerusalem  teil,  welche  Ende  Juli  415  statt- 
Cuid.  Frühjahr  416  kehrte  Orosius  nach  Afrika  zurück.  Die  Streitschrift  ist  also  vor  416 
geflchrieben,  wahrscheinlich  415. 

Ausg.  bei  Vallarsi  2  Sp.  679;  Migne  23  Sp.  495. 

995.  Die  Uebersetzung  der  Schrift  des  Didymus  vom  hl.  Geist. 
Papst  Damasus  wünschte,  wie  die  Vorrede  besagt,  von  Hieronymus  eine 
Untersuchung  über  den  hl.  Geist.  Der  Kirchenlehrer  konnte  dieser  Ein- 
ladung nicht  wohl  aus  dem  Wege  gehen,  aber  da  Hieronymus  fühlen 
mochte,  dass  seine  spekulative  Kraft  für  eine  solche  Aufgabe  nicht  aus- 
reiche, entschloss  er  sich  zu  einer  Uebersetzung  eines  Werkes  des  Alexan- 
driners Didymus.^)  Dieser  war  sein  Lehrer  und  hatte  in  der  theologischen 
Welt  einen  grossen  Namen;  gerade  seine  Monographie  über  den  hl.  Geist 
wird  von  den  Fachmännern  als  eine  höchst  gediegene  Leistung  charak- 
terisiert. Hieronymus  machte  sich  also  an  die  Uebersetzung,  die  er  dem 
Papste  widmen  wollte.  Allein  die  Arbeit  kam  ins  Stocken.  Da  Hierony- 
mus sich  schon  damals  bei  dem  römischen  Klerus  missliebig  gemacht 
hatte,  schlug  dieser  Lärm  und  verdächtigte  den  einflussreichen  Mann  wegen 
Ketzerei;  denn  es  war  bekannt,  dass  Didymus  stark  unter  dem  Einfluss 
seines  Vorgängers  Origenes  stand.  Ein  um  die  gleiche  Zeit  geschriebener 
Brief  des  Hieronymus  an  Paula')  gibt  ebenfalls  Kunde  von  jener  anti- 
origenistischen  Strömung;  er  leitet  sie  aus  den  Neidgefühlen  gegen  die 
grosse  Beredsamkeit  und  das  Wissen  des  Alexandriners  ab.  Als  Hierony- 
mus nach  Bethlehem  sich  zurückgezogen  hatte,  nahm  er  besonders  auf 
Andringen  seines  Bruders  Paulinianus  und  der  frommen  Nonnen  Paula 
und  Eustochium  das  Werk  wieder  zur  Hand  und  führte  es  noch  vor  392 
zu  Ende.')  Da  Papst  Damasus  bereits  im  Grabe  ruhte,  widmete  er  jetzt 
die  Uebersetzung  seinem  eben  genannten  Bruder.  Das  Werk  des  Didymus 
wurde,  wie  es  scheint,  in  der  gelungenen  Uebersetzung^)  lieber  gelesen 
als  im  Original;  die  Folge  war,  dass  letzteres  verloren  ging. 

Ausg.  bei  Vallarsi  2  Sp.  105;  Migne  23  Sd.  101;  Patrol.  gr.  39  Sp.  1031. 
Ueber  die  Uebersetzung  der  Haaptscnrift  des  Origenes,   negl  «Qx^^yj 
ist  bereits  oben  mehrfach  die  Rede  gewesen. 

s)  Homilien  und  Briefe. 

996.  Die  Homilien  des  Hieronymus.  Es  ist  bekannt,  dass  Hiero- 
nymus keine  praktische  Seelsorge  ausübte  und  seine  Lebensaufgabe  in  der 
Askese  und  in  dem  Studium  erblickte.  Allein  der  homiletischen  Thätig- 
keit  entschlug  sich  der  Heilige  nicht.  Er  predigte  seiner  Mönchsgemeinde; 
diese  Vorträge  wurden,  wie  es  scheint,  von  Zuhörern  eifrig  nachgeschrie- 
ben und  kamen  so  auf  die  Nachwelt.    Erst  in  neuerer  Zeit  wurde  über 


n  Den  Vorgang,  wie  er  hier  dargestellt  «)  Epist.  83,  4  (22,  447  M.). 

ist^  Rauben  wir  ans  den  Worten  der  Vor-  *)  Es   steht   im  Catalog    zwischen    de 

rede  (Sp.  103  M.)  malui  alieni  operü  inter-  hebraicis  nominibus  und  den  Lacashomilien. 

pres  existere,  quam  {ut  quidam  faciuni)  in-  ^)  Widersinnig  war  dieselbe  in  drei  Bü- 

formis  comicula  alienis  tne  colorünu  adar-  ,   eher  zerlegt;  mit  Recht  hat  Vallarsi  diese 

nare  erschliessen  zu  sollen.  Einteilung  beseitigt. 


438  Hieroiiymiui.    (§  996.) 

diese  geistige  Thätigkeit  des  Kirchenvaters  helles  Licht  verbreitet;  jedod 
sind  noch  nicht  alle  Schätze  gehoben.  So  sind  die  neuerdings  entdeckte 
fiomilien  über  14  Psalmen  noch  nicht  der  Oeffentlichkeit  übergeben.  Den 
Grundstock  der  veröffentlichten  Homilien  bilden  60  Reden  über  die 
Psalmen.  Die  Sammlung  blieb,  wie  bereits  oben  gesagt,  unbeachtet, 
weil  man  sie  für  eine  kürzere  Fassung  des  alten,  aber  nicht  dem  Hiero- 
nymus  angehörigen  Breviarium  in  psahnos  hielt.  Nachdem  dieser  Orond- 
stock  festgestellt  war,  konnten  auch  andere  Homiliensammlungen  mit  Fug 
und  Recht  dem  Hieronymus  vindiciert  werden.  Eine  Sammlung  von  Ho- 
milien über  das  Marcusevangelium  war  in  Drucken  unter  dem  Namen 
des  Johannes  Chrysostomns  verbreitet.  Allein  schon  der  familiäre  Stil  er- 
innerte an  die  Homilien  über  die  Psalmen,  es  kamen  dazu  eine  deutliche 
Beziehung  der  beiden  Homiliensammlungen  aufeinander  und  ein  Zeugnis 
Cassiodors.  Jeder  Einsichtige  musste  erkennen,  dass  diese  Homilien  nicht 
dem  Johannes  Chrysostomus,  sondern  dem  Hieronymus  angehören;  damit 
war  eine  zweite  Sammlung  von  zehn  Homilien  als  hieronymianisch  fest- 
gestellt. An  diese  beiden  Gruppen  konnte  eine  Gruppe  über  verschie- 
dene Themata  angereiht  werden;  auch  diese  waren  unter  dem  Namei 
des  Johannes  Chrysostomus,  Augustins  oder  auch  des  Hieronymus  ver^ 
breitet;  es  sind  zehn  Stücke  und  ein  Fragment. 

Die  vor  uns  liegenden  Predigten  sind  Improvisationen,  welche  sich 
an  einen  bestimmten  Kreis,  an  Klosterbrüder,  richten.^)  Dadurch  wird 
Form  und  Inhalt  bestimmt.  Die  Sprache  ist  eine  familiäre  und  gestattet 
sich  die  Freiheiten,  wie  sie  im  Umgang  üblich  sind;  die  Homilien  haben 
daher  vielfach  ein  anderes  stilistisches  Gepräge  als  die  ausgearbeiteten 
Schriften  des  Hieronymus.  Auch  sachliche  Nachlässigkeiten  und  Un- 
richtigkeiten finden  sich;  sie  mögen  eine  Folge  des  Alters  sein;  denn  es 
unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  die  Predigten  in  die  letzte  Lebenszeit  des 
Kirchenvaters  fallen.  Allein  trotz  dieser  Gebrechen  hat  sich  doch  die 
Individualität  des  Hieronymus  deutlich  ausgeprägt.  Wir  erkennen  sofort, 
dass  man  es  mit  einem  philologisch  geschulten,  in  der  hl.  Schrift  sehr 
bewanderten,  aller  Ketzerei  abholden  und  die  weltliche  Weisheit  verachten- 
den Manne  zu  thun  hat;  auch  die  Sprache  bildet  trotz  des  familiären 
Charakters  Berührungspunkte  genug  mit  den  für  die  Oeffentlichkeit  zu- 
recht gerichteten  Werken  des  Hieronymus,  und  es  fehlt  nicht  an  Stellen, 
in  denen  der  Heilige  auf  der  vollen  Höhe  seines  stilistischen  Könnens 
steht.  Unter  allen  Umständen  müssen  wir  uns  freuen,  dass  ein  Schatz 
gehoben  ist,  der  uns  Hieronymus  von  einer  neuen  Seite  kennen  lehrt.  An 
interessanten  Einzelheiten  gebricht  es  nicht.  Wir  heben  nur  eine  her- 
vor, nämlich,  dass  Hieronymus  gegen  die  Praxis  des  Orients,  welche  den 
Geburtstag  des  Erlösers  auf  das  Epiphanienfest  verlegte,  für  den  25.  De- 
zember eintrat.*) 

*)  p.  229,  9  monachi  dicimur,  et  licet  \  gelio  dixerimuSj  tarnen  debemus  et  de  psal- 
non  sumns  quales  esse  debemiis,  tarnen  dici-  terio  quaedam  dicere:  ut  aliis  saturatis  (ün 
mur.    AUem  Anschein  nach  sprach  Hierony-       ieiuni  non  redeant. 

mus    manchmal   auch    griechisch   zu    seinen   ,  *)  p.  396,  4  nos  tractemus  in  corde  no- 

Brüdern;  vgl.  p.  278,  19  propter  eos  qui  ig-      stro^  quod   hodierna  die  Christus  miscitw. 
norani  latinam  linguam,  licet  multa  de  cvan-    y   Alii  -putant  qxwod.  m  "E^\i^\v(wv>ää  ■WiaÄ<2«äi.>«\ 


HieronymoB.    (§996.)  439 

Zep^nisse  üler  die  homiletische  Thfttigkeit  des  Hieronvmas.  Dass  Hiero- 
nymiis  pjtnea  Kloster  jenoesen  gepredigt,  sagt  er  Apol.  in  Rofin.  2,  24  (28,  448  M.):  Egone 
eonirr.  Septuoffinta  inierpretea  aiiquid  sutn  locutus,  quos  ante  annos  plurimoa  düigentü- 
Mir^e  emendatos  mea*:  linguae  studiosis  dedi,  quos  quotidie  in  conventu  fratrum  edissero? 
^JDgastmiis  (epist  14i),  13)  bezeugt,  dass  die  Vorträge  schriftlich  fixiert  wurden,  da  er  daraus 
^^ttteilniig  macht:   Ae  multa  eommemorando  maiorea  moms  faciam,   hoc  unum  sancti 

JL'ieronymi  mterpanc Cum  ergo  iüe  vir  in  scripturis  doctiasimus  PsaJmum  exponeret, 

itit  didum  est  „InU'üigüe  ergo  qui  insipientes  estis  in  popido" (vgl.  Anecdota  3,  2 

p.  129,  9).  Iste  loeu.^,  inquit,  adversus  eos  nuucime  faciL  qui  Änihropomorphitae  sunt  ,,. , 
w^embra  tulit,  efficief.ti€U  dedit. 

Die  Psalmeihomilien.  Behandelt  sind  folgende  Psalmen:  1,  5,  7,  9,  14,  66,  67, 
74—78,  80-84.  8ß,  89—91,  93,  95-98,  100—111,  114,  115,  119,  127,  128,  181-183, 
135—187,  189—143,  145—149,  im  Anhang  50.  Mit  der  nachträglich  zugefügten  Homilie 
■nd  es  im  gmzen  60 

Die  Homiliei  über  das  Marcusevangelium  beziehen  sich  auf  1,  1—12;  1,  13 
-31;  5,80-48;  8,  1-9;  8,  22—26;  9,  1—7;  11,  1—10;  11,  11—14;  11,  15-17;  18,  32-33 
nnd  14,  8—6. 

Zeugnis  über  die  Marcushomilien.  Cassiodor.  in  Psalt  praef.  c.  1  (70  Sp.  12  M.) 
unde  et  sanctus  Hiero*iymus  exponens  evangelistam  Marcum  in  loco  ubi  aü  de  Joanne. 
Cassiodor  bezieht  sich,  wie  die  vorhergehenden  Worte  zeigen,  auf  Homilie  1  p.  325  M. 

Beziehungen  zwischen  den  Psalmen-  und  Marcushomilien.  In  der  Ho- 
milie über  Marcus  14  6  (p.  370  Morin),  gehalten  an  Eatechumenen  in  der  Fastenzeit  heisst 
es  am  Schluss:  Idee  haec  de  evangelio  pauca  diximus.  Et  opportune  quartus  decimus 
pgdimus  lectus  est,  4  oportet  fios  de  psalmo  dicere  \\  Ps.  14  (p.  27  M.)  oportune  quarto- 
decimus  pscdmus  Uctus  est.  Beide  Reden  wurden  also  von  demselben  Rredner  nacheinander 
^^•prochen. 

Di«  Homilien  über  verschiedene  Gegenstände.  1.  Ueber  Matth.  18,  7—9; 
2.  Ueber  Luc.  16,  19—31  (de  Lazaro  et  divite);  3.  Ueber  Job.  1,  1—14;  4.  De  nativitate 
domini  (Morin,  Revue  p.  414);  5.  De  obedientia;  6.  De  persecutione  Chiistianorum ;  7.  De 
Ezodo,  in  vigiliiBi  paschae;  8.  Ueber  Psalm  41  ad  neophytos;  9. — 10.  Zwei  Homilien :  In  die 
dominica  paschae.    Dazu  kommen  noch  Fragmenta  de  ubro  Numerorum. 

Abfassungszeit  der  Homilien.  Der  terminus  post  quem  ist  die  Zerstörung  des 
Seraneums  im  Jahre  389;  vgl.  zu  Ps.  96  p.  142,  4  nubs  tsta  deatruxit  Serapium  in  Ale- 
xanaria. Der  terminus  ante  quem  tat  ein  413  geschriebener  Brief  Augustins,  in  dem  die 
Homilie  über  Ps.  98  (p.  129,  9)  citiert  wird.  Schon  aus  dem  Intervallum  389 — 413  ergibt 
■Ich,  dass  die  Homilien  in  die  bethlehemitische  Zeit  fallen.  Morin  (p.  409)  glaubt  noch 
ein  bestimmteres  Datum  ermitteln  zu  können,  indem  er  in  der  Stelle  p.  254,  3  ante  viginti 
annos  omnes  htts  ecclesicu  haeretici  possidebant  erblickt  ,une  allusion  ä  T^it  de  Thöodose 
ordonnant  aux  Antinic^ens  de  tout  Tempire  de  restituer  les  ^glises  aux  catholiques."  Die 
Anspielung  wäre  sonach  im  Jahre  401  gemacht  worden. 

Die  Ueberlieferung  der  Homilien  über  59  Psalmen.  Morin  hat  folgende 
Handschriften  herangezogen:  Cantabrigiensis  collegii  Pembrochiani  H.  2  s.  X,  Audomaropoli- 
tanus  89  s.  IX,  Parisinus  12152  s.  X,  Sangallensis  109  s.VIII,  cod.  Musaei  Britann.  4.  A.  XIV 
•.  YIII,  Pariainus  2675  s.  IX/X,  2676  s.  IX,  Sangallensis  108  s.  IX,  femer  den  Codex  des 
Breviarium  s.  X.  Es  kommt  noch  hinzu  Casinensis  LVII  s.  XI,  aus  dem  Amelli  die  Homilie 
aber  Psalm  50  mitgeteilt  hat;  vgl.  Anecdota  p.  421. 

Die  Ueberlieferung  der  Homilien  über  das  Marcusevangelium  ruht  auf 
folgenden  Codices:  Parisinus  12140  s.  X,  2651  s.  XI,  Oxoniensis  Bodl.  Laud.  452  s.  X,  und 
auf  der  Ausg.  des  Johannes  Chrysostomus  von  Erasmus  2  (Venedig  1549)  fol.  263. 

Die  Ueberlieferung  der  übrigen  Homilien.  Vgl.  Morins  Noten  zu  den  ein- 
zelnen Homilien.  Ausser  den  schon  genannten  drei  Handschriften  über  Marcus  kommen 
noch  bei  einzelnen  Homilien  hinzu:  Parisinus  12141  s.  X,  Lipsiensis  I.  58.  a.  s.  XII,  Darm- 
stadiensis  sign.  206 — 230,  instrum.  228  s.  XV,  Ashbumhamensis  Barrois  57  s.  VI/VII,  cod. 
Mosaei  Britannici  30853  s.  XI,  Sessorianus  LV  s.  VII/VIII,  Vaticanus  344  und  cod.  Musaei 
Britann.  4.  A.  XIV  s.  VIII,  Bobiensis- Vaticanus  5758  s.  VII  und  ältere  Ausgaben. 

Die  neuen  Traktate  über  14  Psalmen.  Der  Entdecker  Morin  hat  für  diese 
Traktate  vier  Handschriften  benutzt.  1.  Vaticanus  317  s.  XVI.  2.  Vaticanus-Ottobonianus 
478  s.  XVI;  derselbe  stammt  aus  demselben  Original  wie  die  vorige  Handschrift,  bietet 
aber  einen  fehlerhafteren  Text.  3.  Venetus-Marcianus  class.  I,  XCIV  s.  XII.  4.  Lauren- 
tianus  Medic.  18,  20  s.  XI.    Von  den  14   neuen  Traktaten  sind  uns  neun  durch  die  drei 


tum  damnamus  aliorum  opinionem,  nostram      phanOs  renatus  est.    Ueber  die  ganze  Fraxe 
sequimur  doctrinam.    p.  397,  5  nos  didmus      vgl.   Usener,    ReligionsgeschichÜ.    Up' 
^nna  hoäie  Christus  natus  est,  post  in  Epi-      Buchungen  1  (Bonn  1889)  p.  214. 


440  Hieronymus.    (§  997.) 

ersten  Handschriften  aberliefert,  nftmlich  zu  Psalm  10,  1 5,  82,  84,  87,  88,  89,  92,  96.   Yos 
diesen  neun  Traktaten  stehen  sechs  auch  im  Laurentianus,  nämlich  die  zu  Psalm  82,  84,    i 
87—89,  92.    Weiterhin  bietet  dieser  Codex  noch  fünf  neue  Traktate  zu  Psalm  83,  90,  91,    | 
98,  95 ;  auch  gibt  er  den  Schluss  von  87  und  88  in  abweichender,  aber  authentischer  Form,    j 
Ftb*  die  Autorschaft  des  Hieronymus  liegt  ein   Selbstzeugnis  vor  in  dem  Commentar  za    I 
Psalm  15,  wo  es  heisst  (vgl.  Morin  p.  121):  ut  in  libro  quoque  hehraicarum  qaeiestionum 
diximus.    Hieronymus  citiert  in  seiner  Schrift  de  vir.  ilL  135:  In  psalmoa  a  decimo  n»qw    \ 
ad  sextum  decitnum  tractatiM  Septem.    Morin  (p.  180)  dachte  einen  Augenblick  dann,  id 
dem  Traktat  zu  Psalm  15  einen  dieser  sieben  Traktate  zu  erblicken,  allein  nach  genauer    | 
Erwägung  gab  er  diesen  Gedanken  auf;  denn  ,notre  TractattM  a  öt^  prononc^,  comme  les 
autres  qui  nons  restent,  une  dizaine  d'annöes  aprto  la  composition  du   De  viris.*     2m 
Charakteristik  der  Sammlung  bemerkt  Morin,  nachdem  er  eine  Anzahl  Einzelheiten  Aber 
dieselbe  mitgeteilt  hat  (p.  144):   «Elle  (la  sörie)  nous  apporte  un  appoint  nouveau  et  trte 
appr^ciable,  pour  mieux  saisir  la  mani^re  simple,  familiäre,  et  pourtant  ^rudite,  dont  le 
Saint  pr^tre  J^röme  expliquait  de  vive  voix  les  divines  iScritures  ä  son  auditoire  monastique 
de  Bethl^m.*  —  G.  Morin,   Quatorze  nouveaux  discours  In^dits  de  saint  J^r6me  sur  les 
psaumes  (Revue  B^n^dictine  19  (1902)  p.  113). 

Ausg.  von  Morin,  Anecdota  Maredsolana  vol.  3  pars  2  (1897).  Die  noch  fehlenden 
Prolegomena  werden  vorläufig  ersetzt  durch  seine  Abhandlung:  Les  monuments  de  la  pr<6- 
dication  de  saint  J^röme  (Revue  d'histoire  et  de  litt^ratnre  religieuses  1  (1896)  p.  393). 

997.  Die  Correspondenz  des  Hieronymus.  Bei  der  angesehenen 
Stellung,  welche  Hieronymus  in  der  christlichen  Gesellschaft  einnahm,  war 
eine  rege  Correspondenz  etwas  Selbstverständliches.^)  Schon  während 
seines  Lebens  hatte  der  Kirchenvater  bereits  zwei  Sammlungen  erscheineji 
lassen;  nach  seinem  Tode  wurde  eine  neue  veranstaltet,  welche  in 
ihrem  jetzigen  Bestand  150  Stücke  enthält.  Darunter  sind  aber  auch 
Briefe,  die  von  anderen  herrühren,  auch  einige  unechte.')  Dem  Hiero- 
nymus selbst  gehören  116.  Sie  reichen  von  370—419,  also  bis  zum  vor- 
letzten Lebensjahr  des  Kirchenvaters,  unter  den  Adressaten  finden  wir 
ganz  hervorragende  Persönlichkeiten,  wie  Papst  Damasus,  Augustinus,  Pau- 
linus  von  Nola  u.  a.  An  Paulinus  von  Nola  enthält  die  Sammlung  drei 
Stücke.  Paulinus  knüpfte  durch  Uebersendung  einiger  Geschenke  Be- 
ziehungen mit  Hieronymus  an.  Es  scheint  dies  geschehen  zu  sein,  als 
sein  Entsehluss,  der  Welt  zu  entsagen,  noch  neu  war.  Hieronymus  ant- 
wortete in  einem  gezierten,  mit  Berechnung  geschriebenen  Brief  (Nr.  53), 
in  dem  er  das  Studium  der  hl.  Schrift  bespricht  und  eine  kurze  Ein- 
leitung in  die  hl.  Bücher  gibt.  In  falscher  Bescheidenheit  erklärt  er,  er 
wolle  dem  Paulinus  bei  Erforschung  der  Bibel  nur  Genosse,  nicht  Führer 
sein.  3)  Man  sieht  es  aber  dem  Brief  förmlich  an,  wie  sich  Hieronymus 
bei  Paulinus  in  ein  günstiges  Licht  zu  setzen  sucht.  Bald  folgte  ein 
zweiter  Brief  des  Paulinus  an  Hieronymus,  in  dem  er  ihn  um  eine  An- 


*)  Vgl.  epist.  85,  1  (22,  752  M.)  uno  ad  '  Er  neigt  sehr  dazu,  diese  Briefe  als  ein  Pro- 
occidentem  navigandi  tempore  tantae  a  me  \  dukt  des  Hieronymus  anzusehen.  Weiterhin 
simul  epistolae  flugitantur,  ut  st  ctmcta  ad  tritt  für  die  Echtheit  des  Briefs  No.  18  ad 
singulos  velim  rescribere,  occurrere  nequeam.  Praesidium  de  cereo  paschdli  (30,  182  M.) 
Unde  accidit,  ut  omissa  compositione  ver-  Morin  (Revue  Bönödictine  8  (1891)  p.  20; 
borum  et  scribentium  sollicitudine  dictem  9  (1892)  p.  392)  ein.  Derselbe  (1.  c.  8  p.  97) 
quidquid  in  buccam  renerit. 

^)  Ausserdem  ist  noch  ein  ganzes  Corpus 
unechter  Briefe  erhalten  (Migne  30  Sp.  13); 
aus  dieser  Collektion  untersucht  zwei  Briefe 
ad  amicum  aegrotum,  von  denen  man  den 
zweiten  mit  Entschiedenheit  dem  Bischof 
Maximus  von  Turin  zuteilen  wollte,  P  au  c k e  r , 
Zeitschr.  für  die  österr.  Gymn.  31  (1880)  p.  891. 


will  No.  12  de  Septem  ordinibus  ecclesiae  (30, 
148  M.)  dem  Bischof  Faustus  von  Reji  zu- 
weisen; vgl.  dagegen  Engelbrecht,  Patri- 
stische  Analecten  1892  p.  5. 

»)  Vgl.  c.  9  Sp.  549  M.  sed  velU  fateor: 
sedenti  me  praefero,  magistrum  renuetiSf 
comitem  spondeo. 


mMronymiui.    (§  997.)  441 

vir  eisung  zum  christlichen  Leben  ersucht.  Der  Einsiedler  redet  natür* 
lieh  der  Einsamkeit  das  Wort  ;^)  auch  hier  ist  wieder  falsche  Bescheiden- 
heit eingemischt.  Interessant  ist,  dass  Hieronymus  dem  Paulinus  über  den 
Stil  seines  Briefes  und  eines  übersandten  Panegyricus  auf  Theodosius 
Oomplimente  macht.  Der  üeberbringer  des  paulinischen  Briefes  war  Yigi- 
lantias,  gegen  den  Hieronymus  später  sein  erbittertes  Pamphlet  erliess. 
Unsere  Sammlung  enth&lt  noch  einen  dritten  Brief  an  Paulinus  (Nr.  85), 
in  dem  Hieronymus  dem  Adressaten  einerseits  Aufschluss  über  Gefragtes 
erteilt«  andererseits  auf  seine  Uebersetzung  der  origenistischen  Schrift 
sUeber  die  Prinzipien*  hinweist.  Was  den  Inhalt  der  Briefe  anlangt,  so  ist 
derselbe  ein  sehr  verschiedener.  Charakteristisch  ist,  dass  oft  die  Abhand- 
lung in  die  Form  eines  Briefes  gekleidet  ist.  Wir  haben  diese  Erscheinung 
bereits  bei  den  exegetischen  Schriften  und  bei  den  Nekrologen  kennen 
gelernt.  Aber  damit  sind  diese  Abhandlungen  in  Briefform  noch  nicht 
erschöpft;  gern  wählt  Hieronymus  auch  den  Brief,  um  für  seine  Lebens- 
ideale einzutreten.  Wir  rechnen  hierher  das  Büchlein  über  die  Bewah- 
rung der  Jungfräulichkeit,  welches  Hieronjrmus  in  Form  eines  Briefes 
an  Eustochium  im  Jahre  384  zu  Rom  verfasste  (Nr.  22).  Eustochium, 
die  jugendliche  Tochter  der  Paula,  hatte  sich  entschlossen,  im  jungfräu- 
lichen Stand  zu  verharren.  Das  Schreiben,  das  der  Kirchenlehrer  ihr 
nridmete,  sollte  keine  Lobrede  auf  ihren  erhabenen  Entschluss  sein,  son- 
iem  ihr  vielmehr  Anleitung  geben,  wie  sie  ihre  Jungfräulichkeit  erhalten 
kOnne;  von  den  Nachteilen  der  Ehe,  die  Hieronymus  dem  jungfräulichen 
Stande  weit  nachstellte,  sollte  hierbei  nicht  die  Rede  sein.  Seine  Aufgabe 
lOste  der  Kirchenvater,  indem  er  einerseits  der  Jungfrau  vorhielt,  was  sie 
EU  vermeiden  habe,  um  nicht  der  Jungfräulichkeit  verlustig  zu  gehen, 
andererseits  ihr  auseinandersetzte,  was  die  fromme,  Christus  verlobte  Jung- 
frau zu  thun  habe.  Hieronymus  zeichnet  hier  das  Ideal  eines  asketischen 
Lebens  für  Jungfrauen.  Er  kam  damit  den  Neigungen  der  damaligen  vor- 
nehmen Frauenwelt  in  Rom  entgegen,  und  ihr  zuliebe  fügt  er  auch  einen 
Excurs  über  das  ägyptische  Mönchsleben  seiner  Broschüre  ein.  In  seinem 
Schreiben  nahm  der  Autor  zugleich  die  Gelegenheit  wahr,  gegen  die  Sitten- 
verderbnis, die  im  römischen  Klerus  und  in  der  christlichen  Frauenwelt 
um  sich  gegriffen  hatte,  zu  kämpfen.  Die  Farben  werden  hier  stark 
realistisch  aufgetragen,  und  der  gute  Geschmack  würde  es  heutzutage  ge- 
radezu verbieten,  solche  Bilder  einer  heranwachsenden  Jungfrau  vorzu- 
führen. Das  Büchlein  musste  in  der  römischen  Gesellschaft  die  grönsto 
Sensation  hervorrufen;  denn  der  Autor  ging  sogar  so  weit,  dass  er  eine 
Figur  aus  der  Gesellschaft  heraushob  und  sie  so  zeichnete,  dass  sie  gewiBs 
allen  kenntlich  war.*)  Es  ist  ein  alter  Rou6,  der  sein  Leben  miiViHiton, 
die  er  sich  jeden  Tag  genau  festsetzt,  zubringt,  der,  wenn  er  etwuH  KohI- 
bares  bei  seinen  Besuchen  entdeckt,  es  so  lange  bewundert,  hin  or  m  er- 
hält, der  seine  besonderen  Leckerbissen  hat,  dessen  Mund  zu  fürchion 
ist,  der  sich  gross  im  Verbreiten  von  Neuigkeiten,  die  er  zum  Tt^il  Hollml 

^)  Der  Brief  (No.  58)  ist  nach   den  Bfl-  ;  ')  Vgl.  c.  28  8p.  414  M.  r.r  tfuihun  unum, 

ehern   gegen  Jovinian   geschrieben,    welche      qui  huius  ariin  eM  prinr.rpH,   hirntn  ntnc* 
c.  6  Sp.  588  IL  erwilioi  werden.  timqtie  dtBcrUtam, 


442  Htmmtjmiuu    (§  997.) 

fabriziert,   erweist  und  der  mit  Pferden  und  Wagen  Sport  treibt.    Das 
skandallüsterne  Publikum  griff  eifrig  nach  dem  Büchlein.    Die  Erbitterang   | 
gegen  Hieronymus  nahm  solchen  Umfang  an,  dass  seines  Bleibens  in  Rom    j 
nicht   mehr   länger  sein   konnte.     Ein  Seitenstück   zu   der   besprochenen    ^ 
Broschüre  bildet  der  Brief  an  Nepotianus  (Nr.  56).     Derselbe,  ein  Neffe    I 
des  Bischofs  Heliodor,   hatte  dem  Militärstand,   der  ihm  eine  glänzende 
Karriere  in  Aussicht  stellte,  entsagt  und  war  Kleriker  geworden.     Als    I 
solcher   bat  er  den  Einsiedler  von  Bethlehem   wiederholt,  ihm  eine  An-    { 
leitung  zum  rechten  Leben  zu  schreiben.    EUeronymus  hatte  noch  nicht 
vergessen,   obwohl    10  Jahre   verstrichen   waren,   welchen   Hass    er  sich 
durch  seinen  Brief  an  Eustochium  zugezogen  hatte;  allein  er  machte  sich 
trotzdem  an  das  Werk  und  schrieb  in  seiner  Zelle  aus  einer  wesentlich 
ruhigeren  Stimmung  heraus  diese  Hodegetik  für  den  geistlichen  Stand.   Es 
ist  ein  goldenes  Büchlein  und  verdient  noch  heute  das  Vademecum  eines 
jeden  Priesters  zu  sein.     Es  sind  Lebensregeln  aus  einer  reichen  Erfahrung 
geschöpft;  wenn  auch  manche  trübe  Seiten  aus  dem  Leben  der  Geistlichen 
hervorgekehrt  werden  mussten,  so  geschieht  dies  doch  ohne  Bitterkeit  und 
Härte.     Nur  einmal,   als   er  gegen   die  Erbschleicher  sich  wendet,   artet 
seine  Rede  in  eine  boshafte  Satire  aus.     Die  nächste   Stelle   nach  dem    { 
jungfräulichen    Stand    nimmt    der  Witwenstand    ein.     Der    Kirchenvater 
wünscht  keine  zweite  Ehe  einer  Witwe,    sondern  verlangt  von  ihr  ein 
keusches  gottgeweihtes  Leben.     Wie  in  dem  Brief  an  Eustochium  eine   | 
Anweisung  für  die  Jungfrauen,   gibt  er  in  dem  Brief  Nr.  79  eine  solche  ■ 
für  die  Witwen.     Die  Adressatin  ist  Salvina,  eine  Tochter  des  Mauri-  I 
tanerfürsten  Gilde;   durch   ihre  Ehe  mit   Nebridius  war   sie  dem   kaiser- 
lichen Hofe  des  Theodosius  nahe  getreten.     Als  sie  ihren  Gatten  nach  der 
Geburt  zweier  Kinder  durch   den  Tod  verlor,   wandte  sich   der  Einsiedler 
an  sie,  obwohl   sie  ihm  persönlich   unbekannt  war.     An  den  Panegyricus 
auf  Nebridius  schliesst  sich   die  Aufmunterung,   in   dem  Witwenstand  zu 
verbleiben,   und   die  Anweisung   für  ein  frommes  Witwenleben.     Aus   der 
Sehnsucht  nach  der  Einsamkeit,  die  Hieronymus  oft  beschleichen  mochte, 
als  er  im  Getümmel  der  Weltstadt  verweilte,  ging  der  Brief  an  Marcella 
hervor  (Nr.  43);   er  enthält   ein  Lob   des  einsamen  Lebens   auf  dem 
Lande  und  reiht  sieh  so  den  Briefen  an,  welche  für  die  asketische  Lebens- 
führung  eintreten.     Von   kulturhistorischem    Interesse    ist   der    Brief  an 
Laeta  (Nr.  107),   weil   er  uns  ein   christliches  Erziehungsideal   für 
Mädchen  vorführt.     Laetas  Vater  war  Heide  geblieben,  während  sie  eine 
fromme  Christin   war.     Sie  hatte   den  einzigen  Sohn   der  uns  bekannten 
Paula,  der  Freundin  des  Hieronymus,  Toxotius  zum  Ehegatten.    Die  fromme 
Frau  hatte  ihr  Kind  noch  vor  der  Geburt  Gott  geweiht.     Als  nun  Paula 
geboren  wurde,  war  die  Mutter  um  die  Erziehung  des  jungen  Sprösslings 
recht  besorgt,   auch   drückte   sie   das  Heidentum   ihres  Vaters.     In   ihrer 
Herzensangst  wandte  sie   sich   an  den  Mönch  von  Bethlehem,  und   dieser 
spendete  ihr  einerseits  Trost  wegen  ihres  Vaters,   andererseits  Belehrung 
wegen   ihres   Töchterchens.     Wir   erfahren,    wie    die   damalige   Mädchen- 
erziehung in  christliche  Bahnen  gelenkt  wurde.     Beachtenswert  ist,    dass 
auch  das  Griechische  ein  UntemcYvlaiacÄi  ^ä.t\  \Ai^\  Yx^-^^w  >\\A  %Oox<^\Vi<5.\s. 


Hieronymiul.    (§997.)  443 

teilt  uns  der  Autor  manches  aus  der  damaligen  Pädagogik  mit.  Auch  die 
christliche  Lektüre  ist  geregelt;  es  wird  ausgeführt,  in  welcher  Ordnung 
die  hl.  Schriften  zu  lesen  seien  und  welche  christliche  Autoren  neben  der 
hl.  Schrift  gelesen  werden  sollen.  Ausserdem  werden  viele  moralische 
Regeln  gegeben,  die  mitunter  auch  psychologischen  Tiefblick  verraten. 
Das  Endziel  für  die  jüngere  Paula  soll  natürlich  das  Kloster  zu  Bethlehem 
sein,  wo  ihre  Grossmutter  Paula  und  ihre  Tante  Eustochium  weilten.  Ein 
interessantes  Problem  behandelt  der  Brief  Nr.  70.  Magnus,  der  orator 
urbis  Romae  genannt  wird,  fragte  bei  Hieronymus  an,  warum  in  seinen 
Schriften  die  heidnische  Litteratur  so  viel  herangezogen  wäre.  Damit  war 
eine  Frage  aufgeworfen,  welche  immer  und  immer  wiederkehren  sollte. 
Zu  einem  tieferen  Eingehen  in  das  Problem  gelangt  die  Antwort  des 
Hieronymus  nicht;  sein  Hauptargument  ist,  dass  auch  die  früheren  christ- 
lichen Schriftsteller  die  heidnische  Litteratur  nicht  ausser  acht  gelassen 
hätten.  Doch  macht  er  auch  auf  die  formale  Schönheit  der  nationalen 
Litteratur  aufmerksam.  Bezeichnend  für  den  Briefschreiber  ist,  dass  am 
Schluss  der  Verdacht  ausgesprochen  wird,  Rufinus  stecke  hinter  der  Sache. 
Wir  schliessen  unsere  Auswahl  mit  einem  Briefe  über  dieüebersetzungs- 
kunst.^)  Ein  äusserer  Anlass  führte  zu  diesem  Rechtfertigungsschreiben. 
Hieronjrmus  hatte  einen  griechischen  Brief,  den  Epiphanius  an  den  Bischof 
Johannes  von  Jerusalem  wegen  der  origenistischen  Streitigkeiten  gerichtet 
hatte,  ins  Lateinische  übertragen,  und  zwar  auf  Bitten  des  Eusebius  von 
Cremona  und  lediglich  für  seinen  Gebrauch.  Diese  eilig  hingeworfene 
Uebersetzung  hatte  ein  Mönch  dem  Eusebius  entwendet  und  in  die  Hände 
der  Gegner,  des  Johannes  und  des  Rufinus,  gespielt;  diese  übten  harte 
Kritik  an  dem  Elaborat  und  wollten  Fälschungen  des  Urtextes  nachgewiesen 
haben.  Da  die  Sache  grosses  Aufsehen  machte,  rechtfertigte  sich  Hiero- 
nymus in  einem  Schreiben  an  Pammachius  (Nr.  57),  in  dem  er  ein- 
wandte, dass  er  nicht  angestrebt  habe,  wörtlich  zu  übersetzen,  und  dass 
es  ihm  nur  auf  den  Sinn  angekommen  sei,^)  und  zeigte,  dass  dieses  Ver- 
fahren sogar  in  den  hl.  Schriften  angewendet  worden  sei. 

Die  Briefe  bilden  einen  höchst  wertvollen  Bestandteil  der  hierony- 
mianischen  Schriftstellerei.  Sie  verbreiten  ein  helles  Licht  über  die  christ- 
lichen Ideen  und  das  christliche  Leben  an  der  Grenzscheide  des  vierten 
und  fünften  Jahrhunderts;  sie  lassen  uns  tiefe  Blicke  in  den  Charakter 
des  Kirchenvaters  thun,  sie  machen  uns  auch  mit  dem  Denken  und  Fühlen 
anderer  Persönlichkeiten  bekannt.  Die  stilistische  Kunst  des  Briefschreibers 
tritt  uns  in  diesen  Erzeugnissen  mit  besonderer  Kraft  entgegen.     Der 


^)  Hier  erw&hnen  wir  noch  die  Ueber-  ;  wird  die  Uebersetzung  gegen  Ende  404  fallen, 

tragnng   der   EQosterregeln  des   Pachomins,  i  Eine  Analyse  dieser  Dokumente  gehört  selbst- 

Theodor  nnd  Orsiesius,   der  Mahn  werte   des  i  redend  nicht  zu  unserer  Aufgabe.  Vgl.  Grütz- 

Pachomius,  mehrerer  Briefe   des  Pachomius  i  mach  er,  Pachomius  und  das  älteste  Eloster- 

and    eines    des  Theodorus   aus    dem    Grie-  I  leben,  Freib.  i.  Br.  u.  Leipz.  1896;  Ladeuze, 

chischen  (Migne  28  Sp.  61).     Die  Ueber-  I  iStude  sur  le  c^nobitisme  Pakhomien  pendant 

tragung  wurde  nach   dem  Tode  der  Paula,  '  le  IV®  si^cle  et  la  premi^re  moiti^  du  V® 

aJso  nach  dem  26.  Januar  404  gemacht.    Da  '  (Diss.),  Louvain-Paris  1898. 

Hieronymus  infolge  des  Schmerzes  ttber  den  ;  ')  Vgl.  c.  6  Sp.  572  M.,  wo  er  den  w^ 

Verlust  der  Freundin  die  erste  Zeit  nach  dem  i  nen  Satz  ausspricht:  Ut  nihil  desit  ex  Ml 

Tode  nicht  littenuriacb  wirksam  sein  konnte,  |  cum  cUiquid  desit  ex  \)«Tb\%. 


444  HieronymM.    (§  997.) 

Briefcharakter  ist  fast  stets  gewahrt,  der  Adressat  wird  immer  in  Be- 
ziehung zu  dem  Stoff  oder  dem  Autor  gesetzt.  Wie  Ambrosius  in  der 
Predigt  die  litterarische  Gattung  gefunden,  die  seinem  Geiste  am  meisten 
entsprach,  so  ist  bei  Hierotiymus  das  seinem  Geiste  adäquateste  Produkt 
der  Brief. 

Verschiedene  Briefsammlungen  des  Hieronymus.  In  seinem  Catalog  (c  1S5) 
erwfthnt  er  folgendes:  Epiatularum  <id  dwersos  litfrum  unum  ....ad  MarceUam  epiMht- 

larutn  librum  unum epistularum  atUem  ad  Paülam  et  Eustochium,  quia  cotüdie  saru 

buntur,  incertus  est  numerus. 

Der  Brief  an  Eustochinm  oder  das  Büchlein  von  der  Bewahrung  der 
Jungfrftalichkeit  (No.  22).  Ueber  die  Abfassnngszeit  Iftsst  sich  folgendes  feststelleo. 
Epist.  52,  17  ad  Nepotianam  (22,  539  M.)  coegisti  me,  Nepotiane  carissüne,  lapidaio  iam 
Virginitatis  lihello,  quem  sanctae  Eustochio  Romae  scripseram,  post  cmnos  dicem  rursus 
BetMeem  ora  reserare.  Da  dieser  Brief  etwa  ins  Jahr  394  gesetzt  werden  kann,  ftllt  die 
Abfassung  unseres  Briefes  in  das  Jahr  384.  Sie  fiLllt  femer  nach  der  Schrift  gegen  Hd- 
vidius,  da  auf  dieselbe  (c.  22)  verwiesen  wird.  Einen  Ubellus  nennt  auch  das  Büchlein 
Rufinus  (Apol.  in  Hieronym.  2, 5;  21  Sp.  587  M.).  üeber  das  Ziel  der  Schrift  vgl.  c.  2  Sp.  895  M.: 

Haec  idcirco,  mi  damina  Eustochium,  scribo ut  ex  ipso  principio  lectionis  agnoseeres, 

non  me  nunc  laudem  Virginitatis  esse  dicturum,  quam  probcati  optimam  et  canseaUa  es: 
nee  enumeraturum  molestias  nuptiarum  ....  sed  ut  inteUigeres  tibi  exeunti  de  Sodowia 

timendum  esse  Lot  uocoris  exemplum.    NuUa  est  enim  in  hoc  libello  adulatio NuBa 

erit  rhetorici  pompa  sermonis.  üeber  den  Erfolg  des  Büchleins  vgl.  Rofin.  Apol.  in  Hiero- 
nym. 2,  5  (21  Sp.  587  M.):  Quem  libeüum  omnes  pagani  et  inimici  dei,  apostatae  et  perse- 
cutores  et  quicunque  sunt,  qui  Christianum  nomen  odio  Juibent,  certaHm  stbi  describebcaU 
pro  eo,  quod  omnem  ibi  ülmstianorum  ordinem,  omnem  gr<»dum,  omnem  profe^sifmem 
universamque  parüer  foedissimis  exprobratianibus  infamavit  ecdesiam.  Epist.  ISO,  19  (22, 
1122  M.)  ante  annos  circiter  triginta  de  Virginiiate  servanda  edidi  librum,  in  quo  neeeste 
fuit  mihi  ire  contra  vitia  et  propter  instrucHonem  virginis,  quam  monebam,  diaboii  m- 
sidias  patefacere.  Qui  sermo  offendü  plurimos,  dum  unusquisque  in  se  inteüigens  quod 
dicebatur,  non  quasi  monüorem  libenter  audioit,  sed  quasi  criminatorem  sui  operis  aver- 
satus  est. 

Der  Brief  an  Nepotianus  oder  Anweisung  für  die  Kleriker  (No.  52).  üeber 
die  Veranlassung  vgl.  c.  1  Sp.  527  M.:  Crebro  petis,  ut  tibi  brevi  volumine  digeram  prae- 
cepta  vivendi,  et  qua  ratione  is,  qui  saeculi  müitia  derelicta  vel  monachus  coeperit  esse 
vel  clericus,  rectum  Christi  tramitem  teneat,  ne  ad  diversa  vitiorum  diverticula  rapiatur. 
Zur  Charakteristik  vgl.  c.  4  Sp.  530  M. :  Ne  a  me  quaeras  puerües  declamcUiones,  senten- 
tiarum  flosctdos,  verborum  lefwcinia  et  per  fines  capitulorum  singuiorum  acuta  quaedam 
brevüerque  conclusay  qiiae  plausus  et  clamores  excitent  audientium.  Im  weiteren  Verlauf 
nennt  er  den  Brief  einen  libellus.  Bezüglich  der  Abfassungszeit  ist  zu  bemerken,  dass 
nach  c.  17  Hieronymus,  als  er  das  Schriftchen  schrieb,  in  Betiblehem  weilte.  Dasselbe  fällt 
nach  dem  Katalog,  also  nach  392,  ist  aber  vor  dem  Commentar  zu  Jona  geschrieben,  der 
um  das  Jahr  395  entstand.  Damit  bekommen  wir  für  den  Libellus  das  Intervallum  392 — 395. 
Wahrscheinlich  liegt  aber  die  Abfassungszeit  dem  Endtermin  näher,  weil  die  Aufzählung 
der  Schriften  im  Prolog  zum  Jonacommentar  allem  Anschein  nach  eine  chronologische  ist. 

Der  Brief  an  Laeta  oder  die  christliche  Mädchenerziehung  (No.  107).  Der 
Brief  ist  vor  dem  Tod  der  Paula  geschrieben,  da  dieselbe  als  lebend  vorausgesetzt  wird, 
also  vor  dem  26.  Januar  404.  Der  terminus  post  quem  ergibt  sich  daraus,  dass  das  Werk 
gegen  Jovinianus  erwähnt  wird  (c.  10  Sp.  875  M.);  dies  ist  aber  bald  nach  392  verfasst.  Noch 
mehr  zieht  sich  das  Intervallum  zusammen,  wenn  wir  die  Worte  c.  2  Sp.  870  M.  ins  Auge 
fassen:  Mamas  Gazae  luget  inclusus  et  eversionem  templiiugiter  pertimescit.  401  erlangte 
der  Bischof  Porphyrius  von  Gaza  die  kaiserliche  Ermächtigung,  das  Heiligtum  des  Mamas 
zu  zerstören.    Also  ist  der  Brief  um  diese  Zeit,  um  401,  geschrieben. 

Der  Brief  an  Pammachius  oder  die  beste  Art  zu  übersetzen  (No.  57).  üeber 
die  Zeitverhältnisse  ist  zu  bemerken,  dass  das  griechische  Original  zwei  Jahre  vor  dem 
Brief  an  Pammachius  geschrieben  wurde  (vgl.  c.  2  Sp.  569  M.  ante  hoc  ferme  biennium 
miserat  Joanni  episcopo  stipradictus  papa  Epiphanius  Utteras)  und  dass  die  lateinische 
üebersetzung  Vji  Jahre  in  den  Händen  des  Eusebius  blieb,  bis  sie  gestohlen  und  bekannt 
wurde;  vgl.  1.  c.  res  ita  anno  et  sex  mensibus  transiit:  donec  supi'adicta  interpreiatio  de 
scriniis  etus  novo  praestigio  Jerosolymam  commigravit.  Da  der  Brief  in  dem  Katalog  nicht 
erwähnt  ist,  kann  er  nicht  vor  392  geschrieben  sein,  und  da  er  dagegen  in  der  Vorrede 
zum  Jonacommentar  erwähnt  ist,  der  um  395  abgefasst  wurde,  muss  er  zwischen  392  und 
395  geachriehen  sein. 


Hieronymiis.    (§  998.)  445 

üeber  den  Brief  an  Paula,  der  eine  Vergleichung  der  Schriftatellerei  des  Ori- 
les  und  des  M.  Terentins  Varro  enthftlt,  vgl.  §  188.  Ueber  die  Epistel  46  {Paulae  et 
^8toehi^  epist.  ad  Marceüam  de  locis  sanctis)  vgl.  §  9t$3  p.  366. 

Ausg.  der  Briefe  bei  Vallarsi  1;  Migne  22;  epistolae  selectae  bei  Harter,  S.  pa- 
im  opnsc.  sei.  ser.  XI;  Lettres  choisies,  texte  et  traduction  parCharpentier,  Paris  1900. 

Litteratur.  Schubach,  Ueber  die  Briefe  des  hl.  Hieronymus,  Coblenz  1855;  J.  A. 
5hl er,  Hieronymus  und  Augustinns  im  Streit  über  6al.  2,  14  (Ges.  Sehr,  und  Aufefttze 
9g.  von  DOllinger  1  (Regensb.  1839)  p.  1);  F.  Overbeck,  Aus  dem  Briefwechsel  des 
igustin  mit  Hieronymus  (Sybels  Hist.  Zeitschr.  42  (1879)  p.  222);  Ebert,  Allgem.  Gesch. 
r  Litt  des  Mittelalters  1*  (Leipz.  1889)  p.  192. 

998.  CharaMeristik  des  Hieronjrmos.  Wer  sich  mit  Ambrosius 
»Bchäftigt,  wird  nicht  bloss  den  thatkräftigen  grossen  Mann  bewundern, 
•ndem  sich  auch  von  dessen  edlem  Charakter  angezogen  fühlen.  Wer 
sh  in  Hieronymus  vertieft,  wird  zwar  auch  nicht  umhin  können,  dem 
elseitigen  gewandten  Schriftsteller  seine  ungeheuchelte  Anerkennung  zu- 
immen  zu  lassen,  aber  er  wird  sich  zu  dem  Manne  nicht  hingezogen 
hlen,  und  es  werden  sich  zwischen  ihm  und  seinem  Autor  keine  goldenen 
iden  spinnen;  an  seinem  Charakter  kleben  zu  viele  Flecken.  Sein  Hass 
)gen  seine  Gegner  ist  grenzenlos;  er  belegt  sie  mit  den  niedrigsten 
(himpfworten,  und  selbst  die  Stille  des  Grabes  übt  keine  versöhnende  Wir- 
mg  auf  ihn  aus.^)  Als  Rufinus  in  Sicilien  gestorben  war,  wurde  er  noch 
m  seinem  Gegner  geschmäht.  Bei  seinen  Angrififen  kümmert  es  ihn 
cht,  ob  die  von  ihm  Verfolgten  früher  von  ihm  bewundert  wurden.  Er 
)hörte  einst  zu  den  Verehrern  der  vornehmen  frommen  Melania;  als  er 
it  Rufinus  in  Zwist  geraten  war,  charakterisierte  er  sie  mit  Anspielung 
if  ihren  Namen  als  eine  schwarze  Seele.  ^)  In  seiner  Chronik  hatte  er 
ufinus')  und  Melania^)  mit  lobenden  Prädikaten  angeführt,  in  einer 
>äteren  Auflage  tilgte  er  die  anerkennenden  Worte.  Nicht  minder  gross 
8  sein  Hass  war  seine  Bosheit,  die  sich  besonders  gegen  Ambrosius 
andte.  Als  er  die  Homilien  des  Origenes  über  Lukas  in  lateinischer 
earbeitung  herausgab,  machte  er  einen  versteckten  Ausfall  auf  den  Mai- 
.nder  Bischof,  der  kurz  vorher  einen  Commentar  zu  Lukas  der  Oeffent- 
shkeit  übergeben  hatte;  er  verglich  ihn  mit  einem  krächzenden  Raben, 
3r,  obwohl  selbst  ein  Finsterling,  sich  über  die  Farben  aller  übrigen 
ögel  lustig  mache. ^)  In  seinem  Dialog  gegen  die  Luciferianer  hat  er 
ine  Zweifel  auch  bestimmte  Persönlichkeiten  im  Auge,  wenn  er  von 
ischöfen  spricht,  die  vom  Studium  Piatos  weg  zum  Episcopat  gelangen 
fid  die,  statt  in  die  hl.  Schrift  sich  zu  vertiefen,  durch  die  Floskeln  der 
eklamatoren  in  ihren  Predigten  die  Menge  gefangen  nehmen.^)  Sein 
3rühmter  Brief  an  die  Eustochium  ist  reich  an  Invektiven  auf  den 
(mischen  Klerus;  auch  hier  zeichnet  er  uns  eine  Figur  in  geradezu  sen- 


')  Vgl.  z.  B.  die  gegen  Rufin  geschleu- 
rten  bei  Zöckler,  Hieronymus  p.  262. 

>)  Epist.  133,  3  (22,  1151  M.)  cuiu»  (seil, 
elaniae)  nomen  nigredinis  testatwr  per- 
liae  tenebras. 

•)  Vgl.  Schoene  p.  111. 

^)  Vgl.  Schoene  p.  105. 

^)  Homilien  des  Origenes  ni  Lukas  Prolog. 
6,  220  M.)  cum  a  siniairo  oscinem  carvum 
tdiam  crocüantem  et  mirum  in  modum  de 


cunctarum  avium  ridere  coloribus,  cum  totus 
ipse  tenebro8U8  »it.  Vgl.  ZO ekler,  Hierony- 
mus p.  174. 

»)  Dial.  contra  Lucif.  11  (23,  166  M.)  ex 
litteratis  quicumque  hodie  ordinantwr,  id 
habent  curae,  nan  quomodo  Scripturarum 
meduUas  ebibant,  sed  quomodo  aures  populi 
declamatorum  fhsctdis  mülceant.  Vgl.  epist. 
53,  7  (22,  544  M.). 


446  Hieronymiui.    (§  998.) 

sationeller  Weise.  Ein  versöhnlicher  Zug  war  diesem  Charakter  fremd; 
nicht  leicht  vergass  er  eine  ihm  zugefügte  wirkliche  oder  scheinbare  B6» 
leidigung;  nach  Jahren  holte  er  sie  wieder  hervor.^)  Auch  der  Neil 
hatte  in  seiner  Seele  seinen  Sitz  aufgeschlagen.^)  Ein  sehr  bezeichnender 
Fall  ist  sein  Verhalten  gegen  Ambrosius  in  seinem  Catalog  christlicher 
Schriftsteller;  während  er  im  letzten  Kapitel  es  nicht  fQr  unziemlich  er- 
achtet hat,  seine  eigene  Schriften  in  recht  ergiebiger  Weise  aufzuzählen, 
nennt  er  zwar  den  Ambrosius,  führt  aber  kein  Werk  von  ihm  an,  angeb- 
lich weil  er  sich  nicht  dem  Vorwurf  aussetzen  will,  er  sei  ein  Schmeichle 
oder  ein  ungerechter  Tadler.  Andere  missliebige  Persönlichkeiten,  wie 
der  Jude  Isaak,  werden  in  seinem  Catalog  gänzlich  übergangen.  Als  er 
den  Commentar  zum  Galaterbrief  schrieb,  konnte  er  es  nicht  übers  Ren 
bringen,  seinen  ausgezeichneten  Vorgänger,  den  sog.  Ambrosiaster,  zu  er- 
wähnen. Bei  solchen  Eigenschaften  ist  es  nicht  zu  verwundem,  wenn  er 
in  seinem  Leben  Katastrophen  zu  verzeichnen  hatte.  Schon  in  jungen 
Jahren  vertrieb  ihn,  wie  er  sagt,  ein  Wirbelwind  aus  seinem  Heimatland 
Italien. >)  Er  gedachte  Ruhe  in  der  chalcidischen  Wüste  zu  finden;  er  fand 
sie  aber  nicht,  denn  die  wegen  des  Schisma  von  Antiochia  ausgebrochenoi 
Streitigkeiten,  in  welche  auch  die  Einsiedler  hineingezogen  worden,  ver^ 
leideten  ihm  so  den  Aufenthalt,  dass  er  die  Wüste  verliess.  Als  er  in  Rom 
durch  die  Gunst  des  Damasus  zu  hohem  Einfluss  gelangt  war,  machte  er 
sich  durch  seine  Satiren  auf  den  römischen  Klerus  und  durch  das  schroffe 
Eintreten  für  das  asketische  Leben  so  verhasst,  dass  er  selbst  einsah, 
sein  weiteres  Verbleiben  in  Rom  sei  unmöglich.  Endlich  noch  gegen  Ende 
seines  Lebens  rief  er  durch  seine  Streitschrift  gegen  die  Pelagianer  einen 
Sturm  der  pelagianisch  gesinnten  Mönche  auf  sein  Kloster  in  Bethlehem 
und  eine  Bedrohung  seiner  eigenen  Person  hervor.  Eine  sehr  unange- 
nehme Beigabe  seiner  Schriften  ist  auch  die  Unzartheit,  mit  denen  er  die  1 
geschlechtlichen  Ausschweifungen  behandelt;  es  wird  dem  modernen  Leser  | 
immer  unverständlich  bleiben,  wie  man  einer  heranwachsenden  Jungfrau,  | 
wie  es  Eustochium  war,  solchen  sittlichen  Schmutz  darbieten  kann.  Auch  i 
sonst  noch  wirkt  manche  Unzartheit  ungemein  störend  auf  uns;  ein  be-  • 
sonders  charakteristisches  Beispiel  möge  hier  noch  Platz  finden.  Da  die  | 
genannte  Eustochium  sich  den  Heiland  zum  Bräutigam  erkoren  hatte,  i 
machte  er  deren  Mutter  Paula  das  blasphemische  Kompliment,  sie  sei  die  ^ 
Schwiegermutter  Gottes  geworden.*)  | 

Die  Kirche  hat  über  alle  diese  Schwächen  hinweggesehen  und  ihn  | 
unter  ihre  Heiligen  aufgenommen;  sie  hat  Recht  daran  gethan;  denn 
das,  was  menschlich  schwach  an  Hieronymus  war,  ist  längst  von  der 
Zeit  getilgt,  aber  die  Verdienste,  die  er  sich  um  seine  Kirche  erworben 
hat,  sind  unvergänglich.  Sein  Blick  ^  war  fest  auf  den  Stuhl  Petri  ge- 
richtet, und  ohne  jede  Scheu  gab  er  frühere  Meinungen  und  Grundsätze 
auf,   wenn   er  erkannte,   dass  sie  der  kirchlichen  Autorität  zuwiderliefen. 


')  Vgl.  epiat.  112,  22  (22,  930  M.).  *)  Epiflt.  3,  3  (22,  333  M.). 

«)  Palladius  bist.  Laus.  c.  78  (34,  1180  M.)  |  *)  Epist.  22,  20  (22,  407  M.)  socrus  dri 

ToaavTtjy   ea^ey   ßctaxayiayy   (os   vno   ravirjg  ,    esse  coeptsti. 

xttXv7iT6(Tf^ai  T(oy  Xoytay  xrjy  u^eiijv.  \ 


Hioronymus.    (g  998.)  447 

Sobald  die  Stellung  des  Origenes  zum  Dogma  festgelegt  war,  wurde  er 
ans  einem  feurigen  Bewunderer  des  Alexandriners  ein  ebenso  heftiger 
Bekftmpfer  desselben.  Auf  die  Ketzer  schlug  er  mit  eiserner  Faust,  und 
treffend  gibt  ihm  deshalb  die  Kunst  einen  Hammer  in  die  Hände.  Für 
,  das  asketische  Lebensideal  hat  er  mit  der  ganzen  Macht  der  üeberzeugung 
gearbeitet  und  demselben  eine  dogmatische  Unterlage  zu  geben  gesucht. 
Doch  den  grössten  und  unvergänglichsten  Schatz  hat  er  der  Kirche  mit 
seiner  Bibelübersetzung  und  Bibelrevision  geleistet.  Mit  sicherem  Blicke 
eifauinte  er,  dass  das  Zurückgehen  auf  den  Urtext  der  Leitstern  des 
Bibelstudiums  sein  müsse.  Uns  scheint  dieser  Grundsatz  jetzt  selbstver- 
stftndlich ;  allein  damals  scheuten  ängstliche  Gemüter  vor  jeder  Aenderung 
der  überkommenen  lateinischen  Uebersetzung  zurück,  er  musste  einen 
Kampf  kämpfen,  wie  ihn  Lachmann  gekämpft,  um  diesen  falschen  Conser- 
vativismus,  der  in  Wahrheit  eine  Untreue  gegen  das  göttliche  Wort  in  sich 
flchliesst,  zu  brechen.  Auch  die  weitere  Forderung,  dass  der  Schrifttext 
die  schöne  Form  ertragen  könne,  war  gerechtfertigt.  Durch  die  lateinische 
Bearbeitung  der  Bibel  hat  Hieronymus  der  Einheit  der  Kirche  den  grössten 
Vorschub  geleistet;  sie  erhielt  von  ihm  das  göttliche  Wort  in  einer  festen 
einheitlichen  Gestalt,  und  so  grossen  Widerstand  man  dieser  Arbeit  auch 
entgegenstellte,  ist  sie  doch  siegreich  durchgedrungen.  Nicht  minder 
machten  seine  exegetischen  Arbeiten  in  der  kirchlichen  Litteratur  Epoche  ; 
de  ruhten  auf  einer  Sprachkenntnis,  wie  sie  damals  nur  selten  vorkam, 
nnd  betonten  doch  schon  mehr  die  historische  Erklärung.  Auch  war  es 
ein  grosser  Wurf,  dass  Hieronymus  sich  die  Exegese  der  ganzen  hl.  Schrift 
znm  Ziele  setzte  und  an  dieser  Aufgabe  sein  ganzes  Leben  hindurch  thätig 
war.  Als  Dogmatiker  dagegen  tritt  Hieronymus  in  den  Hintergrund; 
ihm  fehlt  die  spekulative  Anlage;  wir  finden  ihn  daher  von  Autoritäten 
abhängig;  in  seinen  jungen  Jahren  stand  er  unter  dem  Einfluss  des  blinden 
Didymus  und  des  Origenes,  in  seinen  reifen  unter  dem  des  Epiphanius, 
and  in  den  letzten  Lebensjahren  übte  die  mächtige  Spekulation  Augustins 
einen  bestimmenden  Einfluss  auf  ihn  aus.  ^)  Nach  der  praktischen  Seite  des 
Christentums  hin  muss  als  eine  grosse  That  des  Kirchenvaters  bezeichnet 
werden,  dass  er  die  gelehrte  Arbeit  auch  dem  Klosterleben  zugänglich 
gemacht  hat. 

Als  Schriftsteller  verfügte  Hieronymus  über  die  Kunst  der  Rede  in 
nicht  gewöhnlichem  Masse,  und  sichtlich  legt  er  auf  das  formale  Element 
den  höchsten  Wert.  Er  sieht  sich  die  fremden  litterarischen  Produkte 
genau  auf  ihren  Stil  an  und  rügt  gern  die  stilistische  Mangelhaftigkeit, 
die  er  in  ihnen  vorfindet.^)  Andererseits  ist  er  bestrebt,  jeden  Tadel  seines 
Stiles  von  vornherein  auszuschliessen,  indem  er  vorgibt,  auf  die  rhetorische 
Form  keinen  Fleiss  verwendet  zu  haben.  Nicht  selten  erscheint  diese 
Phrase  auch  in  Werken,  an  welche  die  grösste  Feile  angelegt  wurde,  wie 
z.  B.  in  dem  bekannten  Brief  an  die  Eustochium.    In  der  natio*"^!'»*  T.it. 


')  Ueber  die  Beziehiuigeii  zwischen  Hie-  beobachtang  beiPk^l* 

ronymns  und  AnguBtiiius  vgl.  die  litterahir  i  (Nathanael  J«bHM 
ra  den  Briefen  §  997;  K.  Höhne,  Hierony-  |  >)  Y^  | 

jDOf   aad  AugttBtinBa    über   die    GesetiM-  l 


448  Hieronymiui.    (§  999.) 

teratur  der  Römer  ist  er  sehr  bewandert,  und  Cicero,  Horaz,  Vergil,  die 
Komiker  und  andere  Autoren  werden  von  ihm  nicht  selten  angeführt^) 
Zwar  will  er  durch  ein  Traumgesicht,')  in  dem  er  vom  göttlichen  Richter- 
stuhl aus  harte  Worte  darüber  hören  musste,  dass  er  Ciceronianer  und 
nicht  Christ  sei,  veranlasst  worden  sein,  die  Lektüre  der  heidnischen 
Klassiker  gänzlich  aufzugeben ;  allein  fast  möchte  man  glauben,  dass  dieser 
Traum  in  seiner  sorgfaltigen  Stilisierung  nur  ein  rhetorisches  Feuerwerk 
ist.')  unter  den  litterarischen  Erzeugnissen  des  Hieronymus  behaupten 
die  Briefe,  wie  bereits  ausgeführt,  die  erste  Stelle.  Ihnen  zunächst  stehen 
die  Mönchslegenden.  Einen  niedrigeren  Platz  nehmen  die  exegetischra 
Commentare  ein,  da  der  Autor  hier  zu  kompilatorisch  und  zu  eilfertig  zu 
Werke  gegangen  ist.  Die  unterste  Rangstufe  wird  den  polemischen  Schriften 
anzuweisen  sein,  da  dieselben  wegen  ihrer  Gehässigkeit  und  ihrer  Ver- 
drehungssucht den  Leser  abschrecken. 

Ueber  den  Stil.  Für  seine  Jagend  gibt  er  den  rhetorischen  Stil  ausdrücklich  n 
epist.  52,  1  (22,  527  M.):  In  ülo  opere  (seil,  epist.  ad  Heliodonim)  pro  aetcUe  tunc  lusimmi 
et  calentibus  adhuc  rhetorum  sttidiis  atque  doctrinis  quaedam  schoUistico  flore  depinximut. 
Die  Aeasserung,  dass  er  den  Redeschmack  hintansetze,  kehrt  in  seinen  Schriften  oft  wieder; 
nur  einige  Beispiele:  in  der  stilistisch  sehr  durchgearbeiteten  Epistel  22  an  Enstochhmi 

heisst  es  (c.  2;  22,  895  M.):   Nulla  est  in  hoc  libello  ctdtUatio NuUa  erü  rhetoriei 

pompa  sermonis.  Epist.  86,  14  Sp.  459  M.  smt  alii  diserti,  laudentur,  ut  voluni,  et  mfUUi$ 
biiccis  spumantia  verba  trulinent:  mihi  sufficü  sie  lo^i,  ut  inteüigar,  tU  de  scriptmrii 
disputans  Script urarum  imiter  simplicitatem,  Beiträge  zum  Wortschatz  gibt  Pancker, 
Zeitschr.  für  östeiT.  Gymn.  81  (1880)  p.  881;  vgl.  auch  Rhein.  Mus.  37  (1882)  p.  556;  De 
latinitate  beati  Hieronymi  observationes  ad  nominum  verbonunque  usum  pertinentea,  Beri 
1880;  H.  Goelzer,  iStude  lezicogr.  et  gramm.  de  la  latinit^  de  S.  Jördme,  Paris  1884 

999.  Fortleben  des  Hieronjrmus.  Was  bei  vielen  grossen  Männern 
eintrat,  dass  ihre  menschlichen  Schwächen  nach  dem  Tode  vergessen 
wurden,  die  Werke  ihres  Geistes  aber  Jahrhunderte  hindurch  fortlebten, 
ist  auch  bei  Hieronymus  eingetreten.  Die  grossen  Schattenseiten  seines 
Charakters  verflüchtigten  sich  in  der  Erinnerung,  der  Glanz  des  erleuchteten 
Kirchenlehrers  und  Bibelexegeten  heftete  sich  an  seine  Persönlichkeit.  Wir 
finden  daher,  dass  die  nachfolgenden  kirchlichen  Schriftsteller  des  Hiero- 
nymus mit  den  grössten  Lobsprüchen  gedenken.  Auch  die  Kunst  erblickte 
in  dem  berühmten  Mönch  ein  geeignetes  Objekt  für  ihre  Darstellungen: 
von  selbst  ergab  sich  der  Typus  eines  vor  einer  aufgeschlagenen  Bibel 
sitzenden  Einsiedlers.  Es  gesellten  sich  noch  Attribute  hinzu.  So  sehen 
wir  ihn  in  der  Gesellschaft  eines  Löwen,  dem  er,  wie  die  Sage  geht,  einst 
den  Dorn  aus  dem  Fusse  gezogen  hat.*)  Auch  den  Totenkopf  als  Symbol 
des  Vergänglichen  finden  wir  mit  seinem  Bilde  vereinigt.*)  Sein  Ansehen 
reichte  sogar  über  den  Occident  hinaus  nach  dem  Orient;  schon  bei  seinen 
Lebzeiten  hatte  Sophronius  eine  Reihe  von  Werken  des  Meisters  ins  Grie- 
chische übertragen,  ö)     Wie  hochbedeutend  der  Einfluss  des  Heiligen  war, 

^)  Vgl.  £.  Lübeck,   Hieronymus  quos  '  logener  Rhetorik,  mühsam  ausgesonnener  Be- 

noverit  scriptores  et  ex  quibus  hauserit,  Leipz.  geistening  und  unechter  Frömmigkeit*. 

1872;    M.  Hertz,   Analecta  Horat.  4  p.  21.  '  *)  Vgl.  die  AbbUdung  bei  Otte,  Hand- 

«)  Epist.  22,  30  (22,  416  M);  vgl.  Zie-  |  buch  der  kirchl.  Kunst- Archäol.  des  deutschen 

linski,  Cicero  im  Wandel  der  Jahrhunderte,  \  Mittelalters  2*  (Leipz.  1884)  p.  772. 
Leipz.  1897,  p.  71.  «^j Menzel, Christi. Symbolik 2« (Regensb. 

»)  Schoene  (Die  Weltchronik   des  Eu-  I  1856)  p.  502. 

sebius,  Berl.  1900,  p.  240)  nennt  diesen  Traum  |  *)  Hieronym.   de  vir.  ill.  134   opuscula 

»eines   der  ärgerlichsten   Musterstlicke   vet-  \  mea    in    Gtoäcuw,    %em\.o?af5\xt   eXe^axvX\%»c«M. 


Hieronymns.    (§  999.)  449 

geht  auch  daraus  hervor,  dass  sich  um  seinen  Namen  eine  grosse  Menge 
von  Litteraturprodukien  gruppierte.  Die  Zahl  der  apokrjrphen,  den  Namen 
des  Hieronymus  tragenden  Schriften  erreicht  einen  Umfang  fast  wie  die 
echten.  Von  den  einzelnen  Werken  des  Hieronymus  übten  die  grösste 
Nachwirkung  seine  üebersetzung  der  hl.  Schrift,  seine  Bearbeitung  der 
eusebianischen  Chronik,  sein  Buch  über  die  berühmten  kirchlichen  Schrift- 
steller und  die  Mönchslegenden  auf  die  Nachwelt  aus.  Seine  üebersetzung 
der  hl.  Schrift  lag  mit  der  sog.  Itala  Jahrhunderte  im  Kampf,  allein  sie 
drang  schliesslich  siegreich  durch,  und  noch  heute  vermittelt  sie  in  der 
katholischen  Kirche  grösstenteils  die  Kenntnis  des  göttlichen  Wortes.  Die 
lateinisch  bearbeitete  Chronik  des  Eusebius  wurde  das  Fundament  für 
neue  Bearbeitungen;  sein  Buch  über  die  berühmten  Männer  eröfifnete  in 
der  christlichen  Litteratur  eine  neue  Gattung  und  regte  neue  Bearbeitungen 
an;  endlich  seine  Mönchslegenden  waren  eine  überaus  beliebte  Lektüre, 
und  sein  Leben  des  Paulus  ^)  wurde  die  Grundlage  für  spätere  Biographien 
des  Einsiedlers.  Durch  seine  Briefe  hat  er  sowohl  im  Mittelalter  als  in 
der  Renaissance  belebend  und  befruchtend  auf  den  Briefstil  gewirkt.  Im 
Mittelalter  stieg  der  Ruhm  des  bethlehemitischen  Einsiedlers  noch  höher; 
OS  bildeten  sich  Ordensgenossenschaften,  die  sich  ihn  zum  Vorbild  nahmen.^) 
Auch  die  mittelalterliche  Litteratur  zehrte  von  seinen  geistigen  Schätzen. 
Die  Reformation  dagegen  stand  dem  Kirchenvater  nicht  günstig  gegen- 
über, so  dass  selbst  seine  Vorzüge  verdunkelt  wurden.  Die  späteren  Zeiten 
urteilten  wieder  objektiver  über  den  Kirchenlehrer,  und  heute  steht  das 
Urteil  ziemlich  fest:  Er  war  ein  reiches  Talent,  aber  kein  sympathischer 
Charakter. 

Zeugnisse  über  Hieronymus.  Augusiin.  contra  Julianum  1, 34  (44,  665  M.)  Graeco 

ei  ZioUno  inauper  et  Hehraeo  eruditus  eloquio  ex  ocddentcUi  ad  orientalem  transiens  ec- 

eleaiam  m  locis  sanctis  atque  in  lüteris  eacris  usque  ad  decrepitam  vixit  aetatem,    Hyda- 

Uns  Cliron.  z.  J.  415  (Chron.  min.  ed.  Mommsen  vol.  2  (1894)  p.  19)  Hieronymus  qui  supra 

praeeipuua  m  omnibua,  elementorum  quoque  peritissimus  äebraeorum,  in  lege  domini, 

quod  scriptum  est,  diuma  noctumaque  meditatione  continuus,  siudia  operis  sui  reliquit 

innumera.  ad  ultimum  Pelagiani  sectam  cum  eodem  auctore  adamantino  verüatis  malleo 

etmtriüU,  adversus  hos  et  adversum  alios  haereticos  exstant  eius  probatissima  monimenta. 

Sedulius  Carmen  paschale  praef.  (p.  8  Huemer)  nee  Hieronymi  divinae  legis  interpretis  et 

ettelestis  bibliothecae  cultoris  exemplar  pudeat  imitari.     Cassian  de  incamatione  7,  26  (1 

p.  884  Petschenig)  Hieronymus  catholicorum  magister,  cuius  scripta  per  Universum  mu^- 

dum  qwui  divinae  lampades  rutilant,    Prosper  de  ingratis  Ys.  56  (51,  98  M.)  Hehraeo  simul 

et  Graio  Laiioque  venustus  \  eloquio,  morum  exemplum  mundique  magister  \  Hieronymus, 

Apollin.  Sid.  epist.  9,  2  (p.  204  Mohr)  neque  enim,  cum  Hieronymus  interpres,  dialecticus 

Augustinus,  culegoricus  örigenes  gravidas  tibi  spiritalium  sensuum  spicas  doctrinae  salu- 

bris  messe  parturiant;  vgl.  noch  p.  75  M.  Marcellinus  Comes  z.  J.  892   (Chron.  min.  ed. 

Mommsen  vol.  2  (1894)  p.  63)  innumeris  libris  apostolorum  prophetarumque  construc- 

tianibus  editis  immobilem  catholicae  turrem  ecclesiae  contra  perfidorum  iactUa  consummavit, 

Cassiodor.  de  inst.  div.  litt.  c.  21  (70,  1135  M.)  beatus  etiam  Hieronymus  Latinae  linguae 

dikUaior  eximius,  qui  nobis  in   translatione  divinae  Scripturae  tantum  praestitit,  ut  ad 

Hebraeum  fontem  paene  non  egeamiM  accedere Planum,  doctus,  dulcis,  parata  copia 

sermonum  ad  quamcumque  partem  convertit  ingenium.    Vgl.  Migne  22  Sp.  213. 


trcmstülit,  PscUterium  quoque  et  Prophetas,  arbeitung    des    Sophronius    als    Grundstock 

quos  nos  de  Hebraeo  in  Latinum  vertimus.  zurückgeführt.     Vgl.  Van  den  Yen,   S.  J4- 

1)  Weiterhin  wird   eine    vita   Hilarions  röme  et  la  Yie  du  meine  Malchus,  Louvain 

▼on  Papadopulos-Eerameus  (^AyaXexta  1901,  p.  110. 

UgoaoXvfAiUTifjg  araxvoXoyias  5,  St.  Petersb.  ')  Ygl.  Zö ekler,  Hieronymus  p.  472. 

1898)  Mof  die  bieroDjrmianiache  in  der  Be- 

HuMdhaeb  der  kJam.  AltertumBwiaaenmibtJt,   Till.  4.  ^ 


450  BttokbUQk.    (§  1000.) 

Unechte  Schriften.     1.  Qaaestiones  hebraicae  in  libros  Regum  et  Para- 
lipomenon.    Sie  stammen,   wie   wir  aus  Hrabanus  Maunu  ersehen,  von  einem  gesetzea-    | 
kundigen  Juden  spftterer  Zeit;  mit  Hieronymus  haben  sie  nichts  gemein.  —  Ausg.  bei  Val- 
larsi  3  Sp.  755;  Migne  23  Sp.  1329.  —  S.  ßerger,  Quam  notitiam  lingoae  Hebraicae  ha- 
buerint  Christiani  medii  aevi  temporibus  in  Gallia,  Nancy  1893,  p.  1;  L.  Ginzbarg,  Die 
Haggada  bei  den  Eorchenvätem,  T.  1 :  Die  Haggada  in  den  pseudo-hieronymianischen  Qaae- 
stiones, Heidelberg  1899.  2.  Expositio  interlinearis  libri  Job.  Hieronymns  hat  keinen 
Commentar  zu  Job  geschrieben.    Die  vorhandenen  expositiones  sind  in  mehreren  Recenaionea 
verbreitet,   von  denen  eine  auf  den  Schüler  des  Hieronymus,  Philippus,  zurückzugehen  and 
weiterhin  von  Beda  überarbeitet  zu  sein  scheint.  —  Ausg.  bei  Vallarsi  3  Sp.  833;  Migne 
23  Sp.  1407;  Spicileg.  Casinense  3,  1  (1897)  p.  335.     3.  De  benedictionibas  Jacob  pa- 
triarchae.  Sie  rühren  von  Alcuin  her.  —  Ausg.  bei  Vallarsi  3  Sp.  733;  Migne  23  Sp.  1307. 
4.  Liber  nominum  locorum,  ex  Actis,  wahrscheinlich  von  Beda.  —  Ausg.  bei  Vallarsi 
3  Sp.  721;  Migne  23  Sp.  1297.    5.  De  decem  tentationibus  populi  Israel  in  deserto. 
Ausg.  bei  Vallarsi  3  Sp.  741;   Migne  23  Sp.  1319.    6.  Commentarius   in  Canticam 
Debborae.     Die  zwei  letzten  scheinen   von   einem  Verfasser  herzurühren.  —    Ausg.  bd 
Vallarsi  3  Sp.  745;  Migne  23  Sp.  1.821.     7.  Tractatus  in  lamentationes  Jeremiae; 
scheint  ein   von  Beda  verfasster  Cento  zu  sein.  —  Ausg.  bei  Migne  25  Sp.  787.     8.  Ho- 
milia  ad  Monachos.    Vgl.  Vallarsi  bei  Migne  Sp.  311:    „Collectio  haec   sententianun 
est,   maxime  quae  ad  probe   instituendam  monachorum  vitam  spectant,  ex  Hieronymi  epi- 
stolis  ac  libris  ab  studioso  quopiam  adomata.**  —  Ausg.  bei  Migne  30  Sp.  311.    9.  Regals   | 
Monachorum.     Die  Schrift  ist  von   dem  Prior  Lope   de  Olmedo  in  Spanien   im  15.  Jahr-   1 
hundert  aus  den  Schriften  des  Hieronymus  zusammengestellt.  —  Ausg.  bei  Migne  30  Sp.  319. 
Hierzu  gesellt  sich   eine  Regula  Monacharum  (Sp.  391  M.).     10.  Expositio   quataor 
evangeliorum,  ein  elendes  Machwerk.  —  Ausg.  bei  Migne  30  Sp.  531.     11.  Common- 
tarii  in   epistolas  sancti  Pauli.    Dieser  Commentar  ist  aus  dem  des  Pelagius  (vgl 
epist.  ad  Demetriadem  virginem,  30,  15  M.;  38,  1099)   zusammengearbeitet;  vgl.  Zimmer, 
Pelagius  von  Irland,  Berl.  1901,  p.  212.  —  Ausg.  dieses  Commentars  bei  Migne  30  Sp.  64^. 
•12.  Liber  Comitis  sive  Lectionarius  per  circulum  anni.    Das  Werk  geht  unleogbar 
auf  die  hieron3rmiani8che  Zeit  zurück.  —  Ausg.  bei  Migne  30  Sp.  487.     13.  Ad  Geruntii 
filias  de  contemnenda  hereditate.   Der  Verfasser  dieses  Briefes  kann  ermittelt  werden 
durch  ein  Zeugnis   des  Gennadius   (de  vir.  ill.  50):   Eutropius  presbyter  scripsit  ad  duas  I 
sorores,  ancillas  Christi,   quae  ob  devotionem  pudicitiae  et  amorem  religionis  exheredatat  I 
sunt  a  parentibuSf    Epistulas  in  modum  libellorum  consolatorias  eleganti  et  aperto  »er- 
mone  duas,  non  solum  ratione,  sed  et  testimoniis  Scripturarum  munitas.     üeber   die  Zeit 
des  Briefes  gibt  Aufschluss  die   Stelle  c.  5  (Sp.  48  M.):  Jstud  sibi  sepulcrum  et  PautintLs 
noster  nuper  ipse  divitiis  cum   sua  matrefamilias  comparavit,   qui  convcrsatione   saecuii 
morientes   a   mundialibus   operibus  tarn   quiescunt.     Auch  Gennadius   führt   den  Eutropius 
nach  Paulinus  von  Nola  auf.     Wir  haben  es  also  mit  einem  Zeitgenossen  des  HieronjTnus 
zu  thun.  —  Ausg.  bei  Migne  30  Sp.  45.     Der  Indiculus  de  haeresibus  wurde  herausgegeben 
von  Fr.  Oehler,  Corpus  haereseologicura  1  (Berl.   1856)  p.  281  (vgl.  p.  XII). 

Die  Ueberlieferung  ist  noch  nicht  methodisch  erforscht  und  klargelegt.  —  L.  De- 
lisle,  Note  sur  un  ms.  de  St.  J^röme  acquis  ä  Lyon  (Biblioth^que  de  l'öcole  des  chartes 
59  (1898)  p.  136).  Ueber  eine  Handschrift  des  Hieronymus  für  den  Danielcommentar  in 
Madrid  vgl.  Bratke,  Beatus  von  Libana,  Hieronymus  und  die  Visio  Hesdrae  (Zeitschr.  für 
Kirchengesch.  23  (1902)  p.  428). 

Gesamtausg.  Aeltere  von  Erasmus,  Basel  1516 — 1520  und  öfters,  9  Bde.;  Ma- 
rianus Victorius,  Bischof  von  Rieti,  Rom  1565 — 1572  und  öfters,  9  Bde.;  von  den  Mau- 
rinern  Martianay  und  Pouget,  Paris  1693 — 1706,  5  Bde.  Die  Hauptausgabe  ist  die  von 
Vallarsi,  Verona  1734—1742,  11  Bde.,  2.  Aufl.  1766—1772,  11  Bde.,  freilich  ist  die  Ueber- 
lieferung in  ihr  noch  sehr  wenig  untersucht;  vgl.  Rei  ff  er  scheid,  Bibl.  patr.  lat.  Ital.  I 
p.  66;  (fiese  2.  Aufl.  ist  bei  Migne  22—30  abgedruckt. 

Uebersetzungen.  Ausgewählte  Schriften  des  hl.  Hieronymus,  Kirchenlehrers,  nach 
dem  Urtexte  übersetzt  von  P.  Leipelt  2  Bde.,  Kempten  1872/74  (Bibliothek  der  Kirchen- 
väter). Oeuvres  de  St.  Jörome,  publiees  par  B.  Matougues,  Paris  1858  (ebenfalls  Aus- 
wahl); W.  H.  Fremantle,  Select  Library  of  the  Nicene  and  Post-Nicene  Fathers  of  the 
Christian  Church  Ser.  2  vol.  6,  New  York  1893. 


1000.  Rückblick.  Wenn  wir  auf  die  durchlaufene  Periode  der  christ- 
lichen Prosa  unseren  Blick  zurückwerfen,  so  erkennen  wir,  wie  die  Fächer, 
welche  die  nationale  Litteratur  ausgebildet  hatte,  in  christliche  Bahnen 
übergeleitet  wurden.     In   der  QescVv\c\vt§»eVvt^\Vi\3L\i^  \svweÄtÄ  die  Kirche 


BttokbUck.    (§1000.)  451 

neben  dem  Staate  ihr  Recht  fordern.  Schon  die  dogmatischen  Streitig- 
keiten bedurften  oft  einer  historischen  Grundlage,  z.  B.  eine  Geschichte 
der  Synoden;  bei  Hilarius  ist  uns  diese  historische  Thätigkeit  entgegen- 
getreten. Die  eigentliche  Eirchengeschichte  wurde  den  lateinisch  Sprechen- 
den durch  Rufins  Uebertragung  der  Kirchengeschichte,  welche  den  Eu- 
sebius  von  Caesarea  zum  Verfasser  hatte,  und  ihre  Fortsetzung  vermittelt. 
Die  Fasten  erhielten  im  kirchlichen  Leben  ihr  Gegenstück  durch  die  Mar- 
tyrologien.  Der  Synchronismus  der  Geschichte  fand  durch  das  Christen- 
tam  eine  besondere  Pflege,  da  mit  der  biblischen  Geschichte  ein  festes 
Zentrum  gegeben  war;  das  Werk  des  Eusebius  wurde  hier  epochemachend, 
den  Christen  lateinischer  Zunge  war  es  in  der  Bearbeitung  des  Hierony- 
mus  zugänglich.  Auch  die  biographische  Form  der  Geschichtschreibung 
ist  von  den  christlichen  Schriftstellern  verwertet  worden.  Das  damals  zur 
höchsten  Blüte  sich  entfaltende  Mönchsleben  musste  dazu  reizen,  bedeu- 
tende Persönlichkeiten  der  Askese  herauszuheben  und  ihre  Wunderthätig- 
keit  zu  schildern.  Die  Mönchslegenden  des  Hieronymus  befriedigten  das 
Lesebedürfnis  des  Publikums  in  glänzender  Weise.  Auch  die  Geographie 
wurde  vom  christlichen  Geiste  durchdrungen.  Die  Sehnsucht,  die  hl.  Stätten 
mit  eigenen  Augen  zu  sehen,  ergriff  viele  Gläubigen;  es  begannen  die 
Wallfahrten  nach  Palästina,  und  an  sie  schlössen  sich  die  Walifahrts- 
berichte  und  die  Beschreibungen  der  hl.  Orte.  Die  Beredsamkeit  fand 
ihren  sprechendsten  Ausdruck  in  der  Predigt.  Durch  sie  kamen  auch 
Leute  in  die  Litteratur,  welche  derselben  sonst  fremd  geblieben  wären. 
Zum  Teil  geschah  die  Veröffentlichung  der  Predigten  ohne  Wissen  und 
Willen  der  Autoren,  da  sie  von  Stenographen  aufgenommen  und  verbreitet 
wurden.  Ambrosius  gab  der  christlichen  Beredsamkeit  den  höchsten  Glanz; 
auch  bildete  bei  ihm  die  Predigt  die  Grundlage  für  seine  litterarische 
Produktion,  indem  die  Predigt  in  die  Form  der  Abhandlung  oder  des  Buchs 
übergeführt  wurde.  Auch  die  Trauerreden  konnten  an  die  nationale  Lit- 
teratur anknüpfen,  freilich  der  Geist  musste  ein  anderer  sein.  Aus  dem 
alten  Elogium  wuchs  der  Nekrolog  heraus,  mit  dem  sich  nicht  selten  die 
Consolatio  verband.  Eine  reiche  Entwicklung  hat  in  unserer  Periode  der 
Brief  erfahren  und  einen  glänzenden  Vertreter  in  Hieronymus  gefunden. 
Die  Briefform  wurde  so  beliebt,  dass  sich  selbst  die  Abhandlung  derselben 
bediente.  Da  an  die  Stelle  des  Philosophems  das  Dogma  getreten  war, 
nahm  dementsprechend  auch  die  philosophische  Prosa  eine  neue  Rich- 
tung; es  wurde  die  dogmatische  Schriftstellerei  ein  hervorragender  Zweig 
der  christlichen  Litteratur.  Hilarius  und  Ambrosius  leisteten  hier  Aus- 
gezeichnetes. Da  die  Hauptaufgabe  des  Dograatikers  war,  die  dem  Dogma 
entgegenstehenden  häretischen  Meinungen  zu  bekämpfen,  erhielt  die  dog- 
matische Litteratur  unwillkürlich  einen  polemischen  Zug.  Die  Häresien 
der  Arianer,  Donatisten,  Priscillianisten,  Pelagianer  mussten  eine  reiche 
dogmatisch-polemische  Litteratur  im  Gefolge  haben.  Bei  der  grossen  Er- 
bitterung, mit  der  die  Glaubenskämpfe  gefuhrt  wurden,  kam  es  nur  zu 
leicht  vor,  dass  die  Polemik  in  die  Invective  umschlug,  deren  unrühm- 
licher Meister  Hieronymus  ist.  Auch  die  christliche  moralische  Abhand- 
lung konnte  sich  an  die  heidnische  vielfach  anlehnen.     Das  berühmteste 


452  Büokbliok.    (§1000.) 

Beispiel  dieser  Art  ist  die  üeberfiihrung  der  ciceronischen  Schrift  de  offi- 
ciis  in  den  christlichen  Gedankenkreis  durch  Ambrosius.  Doch  gab  es 
auch  zahlreiche  Themata,  welche  eine  spezifisch  christliche  Behandlung 
erforderten,  die  aber  in  der  Form  sich  an  der  nationalen  isagogischen  und 
protreptischen  Litteratur  emporranken  konnten.  Merkwürdig  ist,  dass  die 
Compositionsform,  welche  der  philosophischen  Prosa  von  Hause  aus  eigen- 
tümlich war,  der  Dialog,  auch  in  dieser  Litteraturgattung  vereinzelt  an- 
gewendet wurde;  Hieronymus  hat  nämlich  zwei  seiner  Streitschriften,  eine 
gegen  die  Luciferianer  und  eine  gegen  die  Pelagianer,  dialogisch  gestaltet, 
und  da  öffentliche  dogmatische  Disputationen  stattfanden,  wie  die  Alter- 
catio  Heracliani  laici  cum  Germinio,  episcopo  Sirmiensi  beweist,  war  der 
Dialog  als  Kunstform  ganz  an  seinem  Platze.  Was  die  gelehrte  Lit- 
teratur anlangt,  findet  die  Philologie,  wie  in  der  heidnischen  Welt  in 
Vergil,  so  in  der  christlichen  in  der  Bibel  ihren  Mittelpunkt;  sie  erfor- 
derte die  üebersetzung  und  die  Exegese.  Auf  beiden  Gebieten  erwarb 
sich  die  grössten  Verdienste  Hieronymus,  in  der  Exegese  waren  nicht  un- 
rühmlich auch  Hilarius  und  Ambrosius  thätig.  Die  Exegese  krankte  noch 
an  der  Allegorie;  denn  wie  einst  bei  Homer  urfd  Vergil,  so  erachtete  es 
auch  hier  die  Interpretation  als  ihre  Hauptaufgabe,  den  versteckten  Sinn 
aufzuschliessen.  Allein  wie  bei  den  profanen  Autoren,  so  musste  schliess- 
lich auch  bei  der  Bibel  die  gesunde  historische  Interpretation  im  Kampf 
mit  der  allegorischen  den  Platz  behaupten.  Eine  bewunderungswürdige 
Leistung  dieser  Art  liegt  uns  in  einem  Commentar  zu  den  paulinischen 
Briefen,  dem  sog.  Ambrosiaster,  vor.  Die  üebersetzungsthätigkeit  führte 
notwendigerweise  zur  Betrachtung  der  Ueberlieferung  und  damit  zu  einer 
kritischen  Thätigkeit,  die  auch  von  den  kritischen  Zeichen  Gebrauch  machte, 
wie  sie  Aristarch  und  Valerius  Probus  bei  ihren  Recensionen  eingeführt 
hatten.  Die  üebersetzungsthätigkeit  leitete  aber  auch  im  alten  Testament 
zum  hebräischen  Urtext  zurück  und  erweiterte  dadurch  das  Sprachstudium. 
Trotz  aller  Mängel  hat  hier  Hieronymus  reformatorisch  eingegriffen,  und 
seine  üebersetzung  bezw.  Bearbeitung  der  hl.  Schrift,  die  sog.  Vulgata, 
ist  den  wichtigsten  litterarischen  Erzeugnissen  aller  Zeiten  beizuzählen. 
An  die  Philologie  reiht  sich  die  Litteraturgeschichte,  die  in  dem 
Catalog  der  berühmten  kirchlichen  Schriftsteller  von  Hieronymus  ver- 
wirklicht worden  ist;  auch  hier  war  die  nationale  Litteratur  mit  ihrem 
bekannten  Werk  Suetons  vorbildlich  geworden.  In  dem  Ketzercatalog 
des  Philastrius  haben  wir  eine  Litteraturgattung,  welche  mit  den  in 
den  beiden  antiken  Litteraturen  üblichen  Zusammenstellungen  der  philo- 
sophischen Lehrmeinungen  in  Zusammenhang  steht.  Aus  diesen  Elementen 
gestaltete  sich  einerseits  die  Dogmengeschichte,  andererseits  die  Ge- 
schichte der  Philosophie  heraus.  Auf  dem  Gebiete  des  Rechts  ist  die 
Collatio  zu  verzeichnen,  welche  darzulegen  sucht,  dass  die  berühmten 
Rechtssätze  der  Römer  bereits  im  alten  Testament  ausgeprägt  sind.  Da- 
mit hat  das  Christentum  begonnen,  auch  das  Recht  mit  christlichen  An- 
schauungen zu  durchdringen. 

Was  den  inneren  Gehalt  der  christlichen  Prosa  anlangt,  so  sind  die 
Lateiner  noch  immer  von  dem  Geist  öi^v  Q^Tiedti^w  ^\>äxv^%.    \^\ä*^<^  ^ 


Rückblick.    (§  1000.)  453 

ngigkeit  spricht  sich  in  den  üebersetzungen  griechischer  Werke  aus; 
!  bahnbrechenden  Uebersetzer  unserer  Periode  sind  Rufinus  und  Hiero- 
mus.  Aus  der  Notwendigkeit  dieser  üebersetzungen  ergibt  sich  auch 
gleich,  dass  zwischen  Occident  und  Orient  sich  schon  eine  grosse  Kluft 
Fgethan  hatte.  Während  aber  der  lateinische  Occidentale  seine  Blicke 
ch  dem  griechischen  Orient  richtete,  trat  das  umgekehrte  Verhältnis 
r  selten  ein,  wie,  wenn  Sophronius  Werke  des  Hieronymus  ins  Grie- 
ische  übertrug.  Erst  mit  Augustinus  übernimmt  die  occidentalische  Welt 
t  Führung  in  der  christlichen  Spekulation. 


Nachträge  und  Berichtigungen. 

p.  8  füge  zur  Litteratnr  über  Julian,  deren  Vollständigkeit  hier  nicht  beabsichtigt  sein 
kann,  hinzu:  Allard,  La  religion  de  Tempereur  Julien  (Rev.  des  Qaeat.  bist  1902 
p.  349);  Negri,  L'  imperatore  Giuliano  T  Apostata,  Mailand  1901;  Allard,  Julien 
r Apostat  3  Teile,  Paris  1902;  Un  pr^curseur  du  Sionisme,  Julien  T Apostat  et  ies 
Juifs  (Le  correspondant  1901  p.  530);  L'exp^dition  de  Julien  coutre  Constance  (Revue 
des  Questions  historiques  69  N.  F.  35  (1901)  p.  409);  Cochet,  Julien  TAposUt  (These). 
Montauban  1899;  Voller t,  Kaiser  Julians  religiöse  u.  philosophische  Ueberzeugnog 
(Beitr.  zur  Förderung  christl.  Theol.  3  (1899)  p.  5);  Dessau,  Sur  un  nouvel  ^dit  de 
Tempereur  Julien  (Revue  de  philol.  1901  p.  285);  £.  Müller,  Kaiser  Flavius  Clau- 
dius Julianus,  Hannover  1901. 

p.  17  Z.  20  V.  o.  füge  zu  den  Worten  „in  einem  im  Jahre  387  publizierten  Commentar' 
noch  hinzu:  zum  Titusbrief  1,  12  (26,  572  Migne). 

p.  32  füge  im  Absatz  «Ausonius  und  Paulinus*  am  Schluss  hinzu:  Ueber  die  Priorität  von 
P.  10  vor  A.  25  vgl.  Rauschen,  Jahrb.  der  christl.  Kirche  unter  dem  Kaiser  Theo- 
dosius  d.  Gr.,  Freib.  i.  B.  1897,  p.  548. 

p.  32  Z.  5  V.  u.  füge  zu  p.  140  noch  hinzu:  p.  155,  p.  169. 

p.  33  Z.  5  V.  o.  lies  statt  ,4,  2  p.  3  Hartel" :  4  (2  p.  3  Hartel). 

p.  39  füge  zum  Absatz  «Ausonius  und  das  Christentum"  noch  hinzu:  J.  Ziehen,  PhiloL 
57  (1898)  p.  413. 

p.  48  Z.  9  V.  u.  fü^e  noch  zum  Absatz  „Litteratur  zur  Hist.  Aug.* :  Ueber  das  5.  Heft  vgl 
noch  Bollettino  di  filol.  class.  9  (1902)  p.  34. 

p.  102  Z.  3  V.  u.  in  dem  Abschnitt  „Die  Autorschaft  der  Uebersetzung'  lies  statt  , Archiv": 
Archiv  für  lat.  Lexikographie. 

p.  108  Z.  1  V.  o.  ist  im  Absatz  „Biographisches'*  noch  zu  verweisen  auf  §  876  p.  238. 

p.  117.    Eine  Charakteristik  des  Symmachus  gibt  auch  Puech,  Prudence,  Paris  1888,  p.  19". 

p.  138  Z.  4  V.  o.  ist  zu  den  Worten  Cassiodors  Victorinus  ex  rhetore  episcoptis  zu  be- 
merken, dass  Harnack  (Zeitschr.  für  wiss.  Theol.  1876  p.  114  Anm.  4)  behauptet, 
diese  Worte  bezögen  eich  nicht  auf  Victorinus  Afer,  sondern  auf  Victorinus  von 
Pettau;  vgl.  auch  Waitz,  Das  pseudotertullianische  Gedicht  gegen  Marcion,  Danii- 
stadt  1901,  p.  83. 

p.  144  füge  nach  dem  Absatz  „Commentar  zu  Paulus"  noch  hinzu:  Vgl.  Hieronym.  Com- 
ment.  ad  Galat.  Prolog.  (26,  308  Migne). 

p.  147  Absatz  „Der  Terenzcommentar'*  kann  noch  auf  Karsten  im  Album  gratulatorium 
in  honorem  van  Herwerden,  Utrecht  1902  verwiesen  werden,  der  in  den  Scholien  des 
Donat  zu  Terenz  Spuren  eines  Philosophen  erkennen  will;  vgl.  dagegen  Kroll,  Berl. 
philol.  Wochenschr.  1903  Sp.  142. 

p.  168  füge  zum  Absatz  „Andere  Rhetoren**  No.  1  hinzu:  J.  Scaliger,  Lectiones  Au^o- 
nianae  I  10;  vgl.  noch  J.  Bernays,  Ges.  Abh.  2  (Berl.  1885)  p.  90  Anm.  9. 

p.  193  zum  Absatz  „Fortleben  des  Juvencus"  füge  noch  hinzu:  Geyer,  Adamnanus  1 
(Augsburg  1895)  p.  40. 

p.  195  zum  Absatz  „Die  Echtheit  der  Damasusepigramme*  füge  am  Schluss  hinzu:  Ver- 
einzelt werden  die  8  Hexameter  über  die  vier  Fvangelisten,  welche  in  einigen  Hand- 
schriften dem  Juvencus  voraufgeschickt  sind,  im  Cantabrigiensis  F  f  IV  42  (No.  1280 
als  prologus  Damast  unserem  Dichter  zugeschrieben;  vgl.  darüber  Marold,  Prolei:, 
seiner  Juvencusausg.  p.  VII  Anm.  3. 

p.  203  Z.  1  V.  u.  in  dem  Absatz  „Abfassungszeit''  füge  nach  „spricht  sich"  noch  hinzu: 
aus  prosodischen  Gründen. 

p.  206  ist  zum  Abschnitt  „Allgemein  orientierende  Schriften  über  die  christl.  Hymnen*  noch 
hinzuzufügen:  J.  Huemer,  Untersuchungen  über  den  jambischen  Dimeter  bei  den 
christl. -lat.  Hymnendichtem  der  vorkarolingischen  Zeit,  Wien  1876;  Untersuchungen 
über  die  ältesten  lat.-christl.  Rhythmen,  Wien  1879;  N.  Spiegel,  Untersuchungen 
über  die  ältere  christl.  Hymnenpoesie  2  Teile,  Würzburg  1896/97;  John  J.  Schlicher. 
The  origin  of  rhytmical  verse  in  late  Latin,  Chicago  1900  (über  den  Wortaccent  und 
Versictus). 


Nachträge  und  Beriohtigangen.  455 

208.  Ueber  die  Echtheit  der  Hymnen  des  Ambrosius  liegt  jetzt  die  umfassende  Arbeit 
von  A.  Steier,  Untersuchungen  über  die  Echtheit  der  Hymnen  des  Ambrosius 
(Fleckeis.  Jahrb.  Supplementbd.  28  (1903)  p.  553)  vor.  Sie  bildet  eine  Ergänzung  zu 
den  Arbeiten  Biraghis  und  Dreves,  indem  er  besonders  die  sprachliche  Unter- 
suchung betont.  Von  den  ausser  den  vier  sicher  bezeugten,  von  Biraghi  als  echt 
anerkannten  14  Hymnen  leugnet  Steier  die  Echtheit  von  'Jesu  Corona  virginum\ 
'Rector  potens,  veraz  Dens',  'Nunc  sancte  nobis  Spiritus'  und  'Rerum  Dens,  tenax 
vigor*;  für  nicht  ganz  gesichert  hält  er  'Amore  Christi  nobilis'  und  'Aetema  Christi 
munera';  bei  den  übrigen  erkennt  er  die  Autorschaft  des  Ambrosius  an. 

210  ist  zu  Absatz  , Metrik  und  Versbau**  noch  hinzuzufügen:  Steier  1.  c.  p.  644. 

250.  Ueber  Prosodie  und  Metrik  des  Paulinus  handelt  jetet  in  eingehender  Weise  Adal- 
bero  Huemer,  De  Pontii  Paulini  Nolani  re  metrica  (Dissertationes  philol.  Yindob.  7 
pars  1,  1903).  Er  kommt  zu  dem  Schlussergebnis  (p.  75):  «Paulinum  Nolanum  artem 
metricam  magna  diligentia  coluisse  propeque  in  ea  re  accedere  ad  optimorum  poe- 
tamm  rationem." 

253  Z.  6  V.  u.  §  886  füge  noch  zu  Vigilius:  (537-555). 

261  Absatz  «Tractatus  in  Job*  hätte  vielleicht  noch  bemerkt  werden  können,  dass  der 
bei  Lommatzsch  (Ausg.  des  Origenes  16  p.  1)  mitgeteilte  Traktat  nichts  mit  Ori- 
genes  zu  thun  hat 

270.  Ueber  den  tractatus  contra  Arianos,  auf  den  neuerdings  Mercati  (Studi  e  Testi 
5  (Rom  1901)  p.  102)  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  hat,  ist  jetzt  noch  die  Abhand- 
lung von  G.  Morin,  Deux  fragments  d'un  Trait^  contre  les  Ariens  attribuö  parfois 
ä  Saint  Hilaire  (Revue  B^n^dictine  20  (1903)  p.  125)  zu  vergleichen.  Derselbe  (p.  131) 
teilt  die  Handschrift  mit  Mercati  und  Traube  erst  dem  6.  Jahrhundert  zu.  Morin 
leugnet,  dass  dieser  Traktat  den  Hilarius  von  Poitiers  zum  Verfasser  habe,  und  ist 
geneigt,  dem  Decimius  Hilarianus  Hilarius,  den  er  neuerdings  für  den  Verfasser  des 
Ambrosiaster  hält,  auch  diesen  Traktat  beizulegen.  Weiterhin  will  er  mit  den  Frag- 
menten des  Wiener  Papyrus  verbinden  die  Partie  Obiciunt  nobis  Arriani  bis  zum 
Schluss  aus  Sermo  246  Append.  Augustin.  Die  Beweise  für  die  Identität  des  Autors 
der  Fragmente  mit  dem  Hilarius  des  Ambrosiaster  sind  so  wenig  durchschlagend, 
dass  selbst  Morin  (p.  131)  diese  nur  als  eine  mögliche  bezeichnet. 

272  füge  zum  Abschnitt  „Hilarius  als  Theologe**  noch  hinzu:  A.  Beck,  Die  Trinität  des 
hl.  Hilarius  von  Poitiers,  Mainz  1903. 

272  kann  noch  auf  das  Verhältnis  zwischen  Hilarius  und  Priscillian  verwiesen  werden; 
vgl.  Schepss,  Pro  Priscilliano  (Wien.  Stud.  15  (1893)  p.  12)  und  den  Index  seiner 
Priscillianausg.  p.  168. 

282  Z.  1  V.  u.  in  dem  Abschnitt  „Zeugnisse  über  Eusebius*  füge  nach  hominis  noch 
hinzu:  (seil.  Origenis). 

308  Abschnitt  „Fortleben  des  Commentars'  ist  nach  den  Worten  „Ueber  das  Verhältnis 
des  Hieronymus  zum  Commentar  vgl.  Schenkl  p.  XV*  noch  hinzuzufügen:  vgl. 
§  998  p.  445;  §  981  p.  414. 

325.  Bezüglich  der  Morin  sehen  Hypothese,  dass  der  Staatsmann  Decimius  Hilarianus 
Hilarius  der  Verfasser  des  Ambrosiaster  sei,  möge  kurz  hier  folgendes  bemerkt 
werden.  Morin  legt  grosses  Gewicht  darauf,  dass  der  Ambrosiaster  in  der  Ueber- 
lieferung  einem  Hilarius  zugeteilt  ist,  und  da  Hilarius  von  Poitiers,  unter  dessen 
Namen  Augustin  den  Ambrosiaster  las,  und  andere  Hilarii  den  Ambrosiaster  nicht 
verfasst  haben  können,  sieht  er  sich  nach  einem  anderen  Hilarius  um  und  findet 
einen  solchen  in  Decimius  Hilarianus.  Zum  Beweise  dafür  wird  angeführt,  dass  sich 
der  Autor  des  Ambrosiaster  als  ein  Mann  von  hoher  sozialer  Stellung  erweise;  dieses 
Moment  und  die  Zeit  passe  zu  dem  genannten  Hilarius.  Allein  die  Stellen,  die  den 
hohen  Rang  des  Autors  erweisen  sollen,  erscheinen  mir  nicht  beweiskräftig.  Auch 
wäre  es  wunderbar,  dass  Hieronymus  in  seinen  Schriften  niemals  von  diesem  Com- 
mentar des  Hilarius  spricht,  während  sein  Schweigen  über  den  Juden  Isaak  sich 
leicht  erklärt.  Schon  das  Fundament,  auf  dem  die  Morin  sehe  Hypothese  ruht,  ist 
morsch.  Es  ist  bekannt,  dass  Hilarius,  Ambrosius  und  Hieronymus  mit  ihren  Namen 
eine  Masse  von  fremden  Produkten  deckten.  Es  ist  ein  Gesetz  der  Litteratur,  dass 
eine  bedeutende  Persönlichkeit  der  Sammelpunkt  für  weniger  bedeutende  Autoren 
ist  und  ihre  Namen  verdrängt.  Würde  Morin  zeigen  können,  dass  sein  Hilarius 
auch  ein  Schriftsteller  ist,  so  würde  seine  Hypothese  eine  Stütze  haben  und  die 
Namensgleichheit  würde  ein  beweiskräftiges  Moment  darstellen.  Allein  so  wie  die 
Sache  jetzt  steht,  schwebt  diese  Hypothese  in  der  Luft. 

366  No.  5  füge  zur  Diss.  Geyers  noch  hinzu:  Bellanger,  In  Antonini  Piacentini  Itinerarium 
grammatica  disquisitio,  Paris  1902;   vgl.  Wochenschr.  für  klass.  Philol.  1903  No.  45. 


Alphabetisches  Register. 


Die  Ziffern  besiehen  sich  auf  die  Seiten ;  die  mit  *  bezeichnete  Seite  bedeatet  die  Haaptetelle.    Die  mit  Klam- 
mern versehenen  Seitenzahlen  beziehen  sich  auf  die  Machträge  und  Berlchtignngen. 


Abraham  u.  Firmicus  Mater- 
nus  121. 

Achilles  Tatius  u.  Firmicus 
Matemus  121. 

Acilius  Glabrio,  Lehrer  in 
Bordeaux  22. 

Adamantius,  Dialoge,  u.  Ru- 
finus  380. 

Adamuanus,  Abt,  s.  Bericht 
über  das  hl.  Land  365, 366  * ; 
u.  Baeda  366;  u.  Hegesip- 
BUS  103. 

Adrastus,  Peripatetiker,  u. 
Chalcidiüs  127. 

Aelius  Donatus  s.  Donatus. 

Aelius  Lampridius,  Historiker, 
8.  Schriftstellerei  47,   50*. 

Aelius  Spartianus,  Historiker, 
s.  Schriftstellerei  47,   50*. 

Aesopische  Fabeln  bei  Pseudo- 
dositheus  161. 

Aesopus  u.  der  Alexander- 
roman 44. 

Afranius  (L.),  Togatendichter, 
u.  Auson  40. 

Agape,  Priscillianistin  887. 

Albinos,  Dichter  bei  Priscian 
130 ;  vielleicht  identisch  mit 
dem  Metriker. 

Albinus,  Commentator  des 
Priscian   180. 

Albinus,  der  Adressat  im 
Centimetrus  des  Servius 
130. 

Albinus,  Philosoph  130. 

Albinus,  Metriker  180. 

Albinus,  Platoniker,  u.  Chal- 
cidiüs 127. 

Alcimus,  Dichter  von  Epi- 
grammen 43. 

Alcimus  Avitus,  Bischof  von 
Vienne,  u.  Prudentius  282. 

Alcuin  u.  die  unechten  Schrif- 
ten  des  Hieronymua  450; 


n.  Prudentius  233;  u.  C. 
Julius  Victor  168. 

Aldhelmus,  Abt  u.  Bischof, 
u.  Damasus  196;  u.  Pru- 
dentius 233. 

Alethius  (Latinus  Alcimus) 
rhetor,  Lehrer  Julians,  u. 
Auson  33,  43. 

Alexander  Ephesius  Avxyog 
u.  die  origo  62. 

Alexander  Numenius,  Rhetor, 
u.  Aquila  Romanus  163. 

Alexander  Trallianus,  Arzt,  u. 
Plinius  Valerianus  184. 

Alexanderepitome,  die  Metzer 
46. 

Alphius  Avitus,  poeta  neote- 
ricus  als  Vorbild  Aviens  19. 

Altercatio  Heracliani  laici  cum 
Germinio,  episcopo  Sir- 
miensi  281. 

Amantia  u.  Priscillian  343. 

Ambrosiaster,  der  324*,  452, 
(455);  u.  Faustinus  280;  u. 
Hieronymus  428,  446;  u. 
Hilarius  v.  Poitiers  273;  u. 
Hilarius,  Diakon  von  Rom 
280;  u.  der  Arianer  Maxi- 
minus 284. 

Ambrosius,  Bischof  von  Mai- 
land, Biographisches  286; 
als  Hymnendichter  206*, 
37 1 ,  (454) ;  Schriften : «)  exe- 
getische 290,  (455),  ß)  mora- 
lisch-asketische 308,  y)  dog- 
matische 315,  ö)  Reden  und 
Briefe  319,  e)  Apokryphes 
824;  u.  de  lapsu  virginis 
consecratae  369;  Charakte- 
ristik 330;  u.  der  Ambro- 
siaster 324,  825 ;  u.  Cic.  de 
officiis  452;  u.  die  collatio 
Mosaicarum  et  Romanarum 
legum  328,  329*;  u.  der 
Altar  der  Nictotia.  %,  ^^^\ 


u.  de  fide  orthodoxa  contra 
Arianes  280;  u.  Septem  hbri 
de  trinitate  280;  u.  die 
Synode  von  Aquileia  284; 
u.  Amsianas  Messius  165; 
u.  Chromatius  333;  u.  Cicero 
327;  u.  der  1.  lat  Clemens- 
brief  386;  u.  Gaudentios 
359,  360;  verglichen  mit 
Hieronymus  445 ;  s.  Lucas- 
commentar  a.  Hieronymus 
414, 445;  u.  der  Catalog  des 
Hieronymus  406,  446;  o. 
Hilarius  269;  u.  die  Ueber- 
setzung  von  Josephs  jüd. 
Krieg  101,  102;  u.  Jovinian 
430.  431;  u.  Liberius  334. 
u.  Maximinus  284 ;  u.  Paula 
Eustochium  414;  u.  die 
Predigt  451 ;  u.  Priscillian 
338,  342;  u.  Prudentius 
216,218Anm.5,225Anm.l, 
226,  230,  232  * ;  u.  Symma- 
chus  110,  116,  225. 

Ammianus  Marcellinus,  Histo- 
riker, Leben  85;  s.  Werk 
87;  Charakteristik  92;  s. 
Verhältnis  zur  Religion  39, 
96 ;  u.  der  Anonymus  Valesii 
100;  u.  Aurelius  Victor  66; 
u.  die  sog.  epitome  Caesa- 
rum  69;  u.  Festus  75,  76; 
u.  die  Chronik  des  Hievo- 
nymus  403;  u.  Lucius  Au 
relius  Avianius  Symmachus 
109. 

Ampelius  (L.),  Verfasser  eines 
liber  memorialis,  u.  de  viris 
ill.  63,  64,  65. 

Anastasius  L,  Papst  333, 334*; 
I      u.  Rufinus  372,   374,   382, 
883;  u.  Origenes  384. 

Anatolius  u.  die  exegetischen 
l      Schriften   des    HieronjTnns 


Alphabetisches  Register. 


457 


Anatolius,  griech.  landwiii- 
schaftl.  Schriftsteller,  u.  Pal- 
ladius  178. 

Annianus  von  Celeda,  Ver- 
teidiger des  Pelagianismos 
436. 

Anonymus  Bobiensis  s.  ex- 
cerpta  Bobiensia. 

Anonymus  Cuspiniani  a.  der 
Chronograph  v.  J.  354,  p.  58. 

Anonymus  de  attributis  per- 
sonae  et  negotio  u.  Marias 
Victorinus  143. 

Anonymus  de  Constantino 
eiusque  matre  Helena  8. 

Anonymus  de  planetis  u.  Fir- 
micus  Matemus  122. 

Anonymus  de  viris  ill.  59,  63*. 

Anonymus  Norisianus  57. 

Anonymus  Valesii  99. 

Antias  (Yalerius),  Historiker, 
u.  de  viris  ill.  64. 

Antiochia  u.  der  Hymnenge- 
sang 371. 

Antoninus  Martyr,  s.  Reise 
nach  dem  hl.  Land  365, 
366*,  (455). 

Antonius,  angeblicher  Ver- 
fasser eines  Gedichtes  des 
Paulinus  240. 

Apelles,  Schfiler  Marcions,  u. 
Ambrosius  294. 

Aphthonius  (Aelius  Festus), 
Metriker,  u.  Marias  Victo- 
rinus 138,  139*;  u.  s.  me- 
trisches Handbuch  139. 

Apollinaris  Sidonius,  Bischof 
von  Clermont,  u.  die  Sprüche 
der  7  Weisen  35 ;  u.  Auso- 
nius  40;  u.  Prudentius  282. 

Apollinarius  von  Laodicea  u. 
Hieronymus  388,  390. 

Apollodorus,  Mythograph,  u. 
Septimius  81. 

Apollonius  vonTyanau.  Virius 
Nicomachus  Flavianus  88. 

Apsyrtus,  Veterinär,  u.  Pela- 
gonius  174;  u.  Vegetius  178 
Anm.  3,  179,  180,  181. 

Apuleius  von  Madaura  u.  die 
Allegorie  224;  u.  Ammian 
97;  u.  Au8on40;  u.  Nonios 
132;a.PaUadiu8l71,173*; 
u.  Zeno  834,  335. 

Aquila,   der  Grammatiker  u. 

Orthograph  (?)  164. 
Aquila  Romanus,  Rhetor  162; 

u.  Julius  Rufinianus  164. 
Aquila,  Bibelttbersetzer,  u.  das 

alte  Testament  409. 
Aquilius  (?)  u.  C.  Julius  Victor 

168. 
Arator,  Dichter,   u.  Damasus 

196.  I 


Aratus,  Verhältnis  zu  Avien 
17;  als  Gedichttitel  17. 

Arborius  (Aemilius  Magnus), 
Lehrer  Ausons  20,  22,  33. 

Arcadius,  Kaiser,  u.  das  Chri- 
stentum 4;  u.  die  Luciferi- 
aner  278;  u.  die  Cento- 
dichterin  Proba  199. 

Arculfus  u.  8.  Wallfahrtsbe- 
richt 365,  366. 

Arethas,  Erzbischof,  u.  Dictys 
81. 

Arianer,  als  Schriftsteller  283. 

Aristarchus  u.  die  krit.  Zeichen 
452. 

Aristoteles,  s.  Kategorien  u. 
Praetextatus  128;  u.  der 
Alexanderroman  44 ;  u. 
Aquila  Romanus  163;  u. 
Marina  Victorinas  137,  141, 
143*;  u.  Palladius  172;  u. 
der  Peplos  28. 

Anstoxenus,  Rhythmiker,  u. 
Aphthonius  140. 

Arnobius  aus  Sicca  u.  Dama- 
sus 196. 

Arrianus  (Flavius),  Historiker, 
u.  das  Itin.  Alexandri  106. 

Arruntius  Celsus  =  Arruntias 
Claudius  162. 

Arruntias  Claudius,  Gramma- 
tiker 162. 

Arusianus  Messius,  Rhetor 
164;  u.  Ambrosius  298;  u. 
Symmachus  113. 

Arzygius  u.  Pelagonius  174. 

Asarbus,  Priscillianist  344, 
847*. 

Asmonins,  Grammatiker  und 
Metriker  130. 

Asper,  Grammatiker,  u.  der 
Terenzcommentar  des  Donat 
146;  u.  der  Vergilcommen- 
tar  des  Servius  157. 

Asteriscns  u.  die  Vulgata  410. 

Aterbius  u.  die  Händel  mit 
Hieronymus  u.  Rufinas  372, 
373. 

Athanasius  u.  Hieronymus 
895;  u.  Lucifer  276;  n.  der 
Arianer  Potamius  283, 284* ; 
u.  Septem  libri  de  trinitate 
280. 

Atilius  Fortunatianus,  Metri- 
ker 136. 

Attalas,  Kaiser,  u.  das  Heiden- 
tum 4. 

Atticns  (T.  Pomponius)  u.  de 
viris  ill.  64. 

Aadax,Granunatiker,  u.  Marius 
Victorinus  141. 

Aufidius  u.  die  origo  63. 

Aagustinus(Aarelias),Stellung 
zum  Christentum  6 ;  als  Be- 
kämpfer    des    Amxdsnix]^ 


284,  285,  286;  Kategorien 
a.  Praetextatus  128;  a.  der 
Ambrosiaster  325;  u.  Am- 
brosius 290,  295,  305,  808, 
881,  832;  n.  die  Hymnen- 
dichtung des  Ambrosius  207, 
208*;  u.  die  exhortatio  ad 
neophytos  de  symbolo  318; 
u.  der  Donatist  Cresconius 
353;  u.  die  donatistische 
Aktensammlung  356 ;  u. 
Eutrop  73 ;  u.  Hierius  119; 
u.  Hieronymus  447;  u.  H. 
de  vir.  ill.  405;  u.  H.  Streit- 
sehr,  gegen  die  Pelagianer 
486;  u.  H.  Homilien  488; 
biblische  Kontroverse  zwi- 
schen A.  u.  H.  425  Anm.  2 ; 
Briefwechsel  zwischen  A. 
u.  H.  440 ;  u.  der  lat.  Irenäus 
386;  u.  Marius  Victorinus 
144,  145;  u.  Paulinus  247, 
248;  u.  Philastrius  357, 
358;  n.  der  Priscillianismus 
341,  347;  u.  Prudentius  232, 
285*;  u.  Rufinus  385;  u. 
Simplicianus  833;  u.  die 
Theologie  des  Abendlandes 
453;  n.  die  Septem  libri  de 
trinitate  280;  u.  Tyconius 
850,  851,  352. 

Augustus,  die  Constitutionen, 
u.  Faternus  177. 

Aulalaria  sive  Querolas  41. 

Aureb'us  Victor,  Historiker 
59;  Caesarea  59,  60,  65*; 
u.  die  viri  iUustres  64;  u. 
die  bist.  Aug.  54;  a.  Eutrop 
72;  u.  die  Chronik  des  Hie- 
ronymus 403. 

Ausgaben  im  Altertum  28. 

Ausonius  (Decimus  Magnus), 
Dichter  20;  s.  Leben  20;  als 
Erzieher  Gratians  8 ;  u.  Theo- 
dosiu8  9;  u.  das  Christentum 
39,  (454);  Ause.  im  Alter- 
tum 23;  s.  Werke  27;  Mo- 
seila 36*,  89;  Griphns  80, 
85  *,  39 ;  Technopaegnion 
80,  85*,  38;  grat.  actio 
86*,  89;  cento  nuptialis  8, 
29,  35*,  88;  versus  pascha- 
les  89;  oratio  matutina  89 ; 
8.  Stil  u.  8.  Metrik  40;  u. 
die  appendix  Vergiliana  86 ; 
u.  Avien  19;  u.  adversus 
Marcionem  203 ;  u.  Latinius 
Pacatus  Drepanius  108, 
109*;a.  Paulinus  236,  237, 
239, 244, 248, 249, 250,  (454); 
u.  Flavius  Afranius  Syagrins 
43;  u.  Q.  Aurelins  Symma- 
chus 110,  111;  u.  Tiberia- 
V      HUB  42. 


458 


Alphabetisches  Register. 


284,  285*;  als  Verfasser 
des  Lacascomraentars  u. 
der  dogmatisch-polemischen 
Abhandlungen  von  Bobbio 
285. 

Auxentius,  arianischer  Bischof 
von  Mailand,  u.  Philastrius 
857. 

Avellana  collectio  253 ;  a.  Isaak 
825. 

Avienus  (Rufius  Festas),  Dich- 
ter 13;  der  Dichter  u.  der 
Verfasser  des  Breviarinm 
1 7 ;  Aratabersetzang  13, 1 7 ; 
Uebersetzung  der  Periegese 
des  Dionysius  14,  17;  ora 
maritima  14,  17;  ein  poeti- 
scher Brief  15,  19;  ver- 
lorene Gedichte  19;  Chrono- 
logie d.  Gedichte  17;  Apo- 
kryphes 19;  u.  die  Weih- 
inschrift auf  Noitia  13,  16*; 
u.  d.  Historiker  Festus  75; 
u.  Livius  15;  u.  Sallust  15, 
19;  u.  Vergil  16. 

Avienus,  Sohn  des  Dichters 
bei  Macrobius  17. 

Axius  Paulus,  Verfasser  eines 
Delirus,  u.  Querolus  41;  u. 
Auson  26,  31*;  u.  der 
cento  nuptialis  Ausons  30. 

B. 

Baeda  venerabilis,  Bericht 
über  das  hl.  Land  365, 366  * ; 
u.  Eutrop  73;  u.  Hegesip- 
pus  103;  u.  die  unechten 
Schriften  des  Hieronymus 
450;  u.  Paulinus  250;  u. 
Paulus  Diaconus  73 ;  u.  Pe- 
trus Diaconus  865 ;  u.  Pru- 
dentius  233;  u.  Tyconius 
352. 

Barachus,  Philosoph  129. 

Barnabasbrief,  lat.  Uebersetz- 
ung 387 ;  u.  Hieronymus  423. 

Basilius  d.  Gr.  u.  Ambrosius 
290,  291,  292,  298,  301, 
302,  303,  306.  331;  u.  der 
lat.  Isaiascommentar  387 ; 
u.  8.  Uebersetzer  Rufin  374, 
377*. 

Basis  capitolina  59. 

Beatus  von  Libana,  s.  summa 
dicendorum  u.  Hieronymus 
427;  u.  Tyconius  351,  352. 

Beda  s.  Baeda. 

Benedikt  von  Aniane  u.  Ruiins 
Uebersetzung  von  Euagrius- 
schriften  380. 

Bentley  u.  Nonius  Marcellus 
131. 

Bibliotheca  Ulpia  u.  Flavius 
Vopiscus  49. 

Blaeailla,  Tochter  der  Paula, 


u.  Hieronymus*  Uebers.  d. 
Origenes  413;  u.  die  exe- 
getischen Schriften  des  Hie- 
ronymus 420,  421. 

Bobbio  u.  die  arianischen  Frag- 
mente 284,  285. 

Boethius  (Anicius  Manlius 
Severinus)  n.  Marius  Vic- 
torinns  141,  142;  u.  Por- 
phyrius  bezw.  Marius  Vic- 
torinus  143. 

Bonifatius  u.  die  Recension 
der  Chronik  des  Hierony- 
mus 404. 

Bonosus,  Bischof,  u.  Ambro- 
sius 314. 

Breviarinm  in  psalmos  422, 
438. 

Breviarius  de  Hierosolyma 
366. 

Bruno,  Erzbischof,  u.  Pruden- 
tius  233. 

C. 

Caecilianus,  Bischof  von  Kar- 
thago, u.  der  Donatismus 
849. 

Caecilius  (Statins),  Palliaten- 
dichter,  u.  Julius  Rufinianus 
164. 

Caesar  (C.  J.)  u.  Ammian  91; 
u.  Julius  Rufinianus  164. 

Caesar  (L.)  u.  die  origo  63. 

Caesarea  u.  die  sog.  Epitome 
68. 

Caesius  Bassus,  Dichter  und 
Metriker,  u.  Aphthonius 
138,  140;  u.  Atilius  Fortu- 
natianus 136;  u.  Diomedes 
154  ;  u.  die  metrischen  Sy- 
steme 138. 

Callisthenes  u.  d.  Alexander- 
roman 44;  u.  die  Metzer 
Alexanderepitome  46. 

Calpumius  (L.)  Piso,  Annalist, 
u.  de  viris  ill.  64. 

Candidus,  Arianer,  u.  Marius 
Victorinus  143.  144*,  283, 
284. 

Caper  (Flavius).  Grammatiker, 
u.  der  Vergil commentar  des 
Servius  157. 

Capito,  Uebersetzer  Eutrops 
71,  72*. 

Capitolinus  (Julius)  s.  Julius. 

Carmen  de  evangelio  206. 

Carminius,  Grammatiker  162; 
u.  der  Vergilcommentar  des 
Servius  157. 

Cassianns  (Joannes)  in  Mas- 
silia  u.  Rufinus  385;  u. 
Tyconius  352. 

Cassiodorius    (Magnus    Aure- 


Amsianas  MesaiuB  165;  u. 
Diomedes  154;  u.  Donat 
149;  u.  Eutrop  73;  u.  For 
tnnatianns  166;  n.  Oargi- 
lius  Martialis  184;  a.Hege- 
sippus  101 ;  n.  die  biblischen 
Schriften  des  Hieronymus 
420;  n.  die  Homilien  des 
Hieronym.  438,  439;  o.  daa 
martyrol.  Hieronym.  398, 
899,  400;  u.  die  livius- 
epitome  77 ;  u.  Marias  Vic- 
torinus 142;  u.  Tyconius 
852;  u.  die  Vnigata  409 
Anm.  3. 

Catalogus    grammaticomm 
Bemensis  162. 

Cato  (M.  Porcina)  n.  Julius 
Rufinianua  164;  u.  Vegetius 
175. 

Catnllus,  Dichter,  u.  Auson 
40. 

Celsus  (A.  Cornelius)  u.  s. 
Philosophencatalog  357, 
858;  u.  PelagoniuB  174;  n. 
Vegetius  175. 

Celtes,  Humanist,  u.  die  Cento- 
dichterin  Proba  198. 

Centonen  197;  aus  Hilarios 
273  Anm.  2;  aoB  Vergil 
199. 

Chalcidius ,  Uebersetzer  des 
platonischen  Timäus  126. 

Charisius  (Aurelius  Arcadiusi. 
Jurist  170. 

Charisius  (Flavius  Sosipater , 
Grammatiker  149;  die  sog. 
Excerpta  Charisii  u.  die 
Glossen  des  Servius  168; 
u.  Comminianus  129,  130*; 
u.  Diomedes  152;  u.  Donat 
146,  147*;  u.  Dositheus 
160;  u.  Marius  Victorinus 
140. 

Charistus  =  Charisius  149. 
150*. 

Chiron,  Veterinär,  u.  Vegetius 
178  Anm.  3,  179,  180,  181. 

Christentum  u.  d.  Chronograph 
V.  354,  p.  57. 

Cbromatius,  Bischof  v.  Aqui- 
leia  333;  u.  Hieronymus 
398,  399;  die  exegetischen 
Schriften  des  Hieronymus 
415,  416;  u.  Rufinus  375. 
378,  385;  u.  die  Vulgata 
411. 

Chronica  Horosii  58. 

Chronicon   Alexandrinum  58. 

Chronograph  v.  J.  354  p.  57; 
u.  Eutrop  72. 

Chrysostomus  (Johannes)  u. 
Gaudentius  360,  361 ;  u.  die 


AlpbuboUsoh««  lUgiatar. 


Cicero  (M.  ToIUub)  a.  Am- 
l)roaiue302,  30i»,  310,  327, 
452  u.  Ämmian  ü4.  97; 
n.  AquiU  Romaniie  IßS; 
n.  Äriisiitiiiis  Meesius  )65; 
n.  AoBonioB  40;  Aratea  n. 
Avieo  19;  a.  Fortunatlanus 
166;  u.  Hieron^na  448; 
n.  JolioB  Rufini&nus  164; 
n.  Lacifer  277;  n.  Pacisnus 
837  u.  TrobelliuB  Pollio 
49;  u. Symmachus  118;  n. 
derplatonieche  Timfiua  126 ; 
n.  TnUiiiB  bei  Nonius  134; 
n.  C.Julius  "Victor  168;  U. 
Uarius  Victor!  »US  141, 148; 
de  inTentiooe  u  der  Com- 
mentar  de«  Marina  Vict«ri- 
ntiB  142. 

Cicero  (Q.  Tullias)  n.  Anao- 

ClaudianaBi  ClHudiaa).  Dichter, 
II.  die  Allegorie  224;  u. 
AaeoDiiia40;  u.  Pradentins 
232;  u.  Ps-Damasua  105. 

ClaadioB,  Gramm  ntik  er  162; 
Claudins  Sacerdoa  1 62. 

CUadioB  Antonius ,  praef . 
praet.  im  J.  376  and  Redner, 
yielleicht  anch  Tragödien- 
dichter 119 

Claiiiliiip  Hi'i  iniTPsu.  die  mulo- 
mt-rürinft  .\l..iiii,:,.risis  181. 

Claudiua  MameiÜDUB,  Redner 

107. 
Cledonina,  Commentar  luDonat 

146,  147'. 
Clemena  Alex.  d.  d.  Chrono- 
graph V.  J.  354  p.  58. 
Clemens    tod    Uetz    u.  Pni- 

deneiiiB  285. 
Clemena  vön  Rom   (Recogni- 

tionen)     Dbera.    von    Rufin 

$75,  879*. 
Clemens  VIII.,  Papst,  n.  die 

VulgaU  412. 
Clemensbrier,  der  erat«,  n.  die 

!at.  Uebers.  ;i85,  386*. 
Clemcntianus  n.  Nicomachna 

Ilpxter  f<y>- 
Clemeutina,  die  Vnlgats  412. 
Clementjnen   a.  Clemens  von 

Clodianus   u.  die  Schrift  de 

atatibna  166. 
Cod.  Gregorianus  u.  die  Frag- 

menta  vaticana  170. 
Cod.    Hcrmogenianus    a.   die 

Fragmenta  vaticana  170. 
Collatio  (Moeaicarum  ptRoma- 

narum  logum)  327. 
Collectin    Avellana    2.^8;     u. 


Ct^amlMtaas   als  AntiuiuieT 


Colamella  (L.  Jnnioa  Mode- 
ratus]  u.  die  Rhetorik  in 
der  Lendwirtachaft  171; 
ab  Dichter  1 7 1 ;  u.  Polladiua 
171,  173*;  u.  Pelugoniua 
174;  u.  der  Veterinär  Yege- 
tina  179. 

Cominianna,  Crammatiker,  n. 
Charieins  129,  ISO,  150, 
151';  ^  Charisina  IbO;  n. 
Diomedi>3  11S0;  n.  die  ex- 
cerpta  Üobiensia  151. 

Coniinentn  Eiuäidlenüia  u.  die 
Donattoiiimentare  146,147. 

Conimodiumisu.  adveraus  M  ar- 

Consolatio.    chrlstliclie    451 ; 

Tj.  Ambrosius  820. 
Conatans,  Kaiser,  d  .  d.Christen- 

Conetantin,  Eaiaer,  n.  daa 
Christentum  1;  n.  die  Lit- 
teratuT  6;  n.  der  Dichter 
PnbliUna  Optatiauns  Por- 
fyrins  6,  10. 

Constautiaa,  Kaiser,  u.  das 
Christenlnm  1;  n.  die  Lit- 
teratnr  7 ;  u.  Euaebiue  Ton 
Vercellae  282;  u.  Hilariue 
261,  262,  263;  n.  Lnoifer 
27h,  276,  277. 

ConatitutioDes  u.  die  collatjo 
Mosaic.    et  Roman,   legnm 

Conaularia  Ravennatia  58. 

Corippus  u.  Pruiieiitiiis  234. 

ConeliuB  Nepoa  n.  FirmicDS 
Matemus  122;  n.  de  viiis 
iU.  04. 

CreaconiuB,  Donatiat  ä58. 

Cuiaciua,  Jurist,  n.  Pa.-Doai- 
theua  160  Anm.  1. 

Curiosnm  urbis  lioiuiie  59. 

Curtius.  Hiaturikor,  n.  die 
Metzer  A]e*anderelHtome 
46;u.HegeBippusl01Anm.2; 
a.  das  Itinerariuiii  Ali^xnn- 
dri  106 

CyprianuB(Thaaciii»  (aecilius) 
□.  de  cnire  1-1.^;  u.  die 
Gedichte  Sodoma  u.  de  Jona 
188,  190;  u.  die  InTektive 
gegen  einen  Senator  201, 
202;  u.  Firmicus  Haternus 
125;  u.  HilariuB  257;  n. 
Lucifer  276;  u,  Pticianna 
336,337;  u.  Prüde r tili e  220. 
221,  231 ;  n.  daa  syniltolum 
apDstolomm  Rufina  3»i. 

Cyprianu«,Hisi:liofvr,iiT<jiilüii. 
u.  daa  Te  deum  371. 

Cyrillna  Ton  jerasalam  m.  &a- 
fintu  383. 


D. 

Damasua,  Papst,  Epgrammen- 
dichter  193;  n.  HierooTmnB 
388,  390,  891,  429,  486, 
437,  446;  n.  die  eieget. 
Schriften  des  fi.  420,  426, 
427;  u.  H.  Debers.  dea 
Origenea  413;  im  Brief- 
wechsel des  H.  440;  u.  die 
In  vertive  gegen  NifOiilBchiiB 
200Äum.l;u.PauliQU8y45; 
u.  PriaciUian  338,  342,  344; 
u.  Pnidentins217,^l8,230; 
n.  die  Vulgata  408,  (454). 

Dante  u.  Prudentius  224. 

Decretum  GelaBiBnum  n.  die 
Oentodichterin  Proba  l96. 

De  e 


De  Jona,   altchriatl.  Gedieht 

189. 
Deipbidius,  Rhetor,  Tater  dea 

fülgondeii  1«8,  (454). 
Delphidius  l  Attius  Tirol.  Sohn 

des  obigen.  Rbetor.  Epiker 

u.   Gerielitgredner    I'iW;    u. 

AuBonioB  33. 
Democritus  u.  Palladins  172. 
Depoaitio  episcoporum  57, 58*. 
De  Bancta  trinitate  confessio 

n.  Eusebius  von  Vercellae 

283. 
DescriptioparodiiiieJerusaleni 

366. 
Desideriua,  Ab  t ,  spfltercr  Papat 

Victor  III.,  II.  HiWiuB  261. 
De  trinitate     (aeptem    libri), 

Traktat  280. 
De  verbi    incamstione,    Ver- 

plcento  199. 
De   viria   illustribns  59,   63*. 
I.)i':ii|']Mis.    i;riech.  Historiker, 

II,  ,i.  ijisl.  Aii!:.52,  54.' 
Dexior,  pmcf.  praet.,  u,  llie- 

ronymus   de    vir.  ill.    335 

Anm.  2,  404,  406. 
Dialog,  chrietl.  452. 
Dictiniua,   Priacillianist  347*, 

348. 
DidymuB,  der  Blinde,  o.  Am- 

brosiuB  316;  n.  Ilieronymna 

388,   391,  447;    Obers,  von 

Hieronymns  437 ;  n.  Rnfinua 

371,  373. 
Diodorus,  griech.  Historiker, 

die   Metzer    Alexnnderepit. 

4l};u.dasItin.Al^xandril0d. 
Diokles     von     Karystos    u. 

Vindicianns  185. 
Diomedea,  Grammatiker  152; 

u.Atiliu8Fortunatianusl86; 


460 


Alphabetiaches  Register. 


u.  Dositheos  160;  u.  Marina 
Victorinus  140. 

Dionysias  Exiguus  u.  die 
collectio  Avellana  253. 

Dionysius  der  Perieget  o. 
Avienus  14, 17 ;  u.  IMscian 
14. 

Dionysias  Telmaharensis  u. 
die  Chronik  des  Hieronymns 
401. 

Dittochaeon,  Bedeutung  des 
Wortes  229. 

Domitins  u.  die  origo  63. 

Domnio  n.  die  Schrift  des 
Hieronymns  gegen  Jovinian 
431. 

Donatianns  (Tiberius  Claudias 
Maximus),  vielleicht  Ver- 
fasser des  Donatiani  frag- 
mentum  152. 

Donatiani  fragmentum  152. 

Donatisten,  Donatismus  349. 

Donatistische  Aktensanunlung 
353,  356*. 

Donatus  (Aelius),Grammatiker 
145,  Lehrer  des  Hieronymus 
387 ;  Terenzcommentar  146, 
147*,  (454);  u.  Servius  157 ; 
Vergilcommentar  146, 147*; 
s.  artes  147 ;  s.  rhetorische 
Schrift  149;  s.  Teilung  der 
ars  152;  u.  Diomedes  153, 
154;  u.  Dositheus  160,  161; 
u.  Servius  155  Anm.  1;  u. 
der  Vergilcommentar  des 
Servius  157. 

Donatus  (Tib.Claudius),  Gram- 
matiker 162. 

Donatus  der  Grosse  349,  350*. 

Dositheus,  Grammatiker  159; 
u.  die  exccrpta  Bobiensia 
151;  u.  Charisius  151;  u. 
Marius  Victorinus  140. 

Dracontius  (Blosius  Aemilius) 
u.  adversus  Marcionem  203; 
u.  Damasus  196;  u.  Pruden- 
tius  234. 

Drepanius  (Latinius  Pacatus) 
s.  Pacatus. 

Dungalus  u.  Paulinus  250. 

Duoda  u.  Prudentius  235. 

E. 

Ebediesus,  Metropolit,  u.  die 
Mosaic.  et  Roman,  legum 
collatio  :H29. 

Ebrius  — Hebrius  u.  der  Vergil- 
commentar des  Servius  157. 

Egnatius  u.  die  origo  »33. 

Einhart  u.  das  Itinerarium 
Antonini  105. 

Elogia  u.  de  viris  ill.  64. 

Elogium  des  cod.  Corbeiensis 
197. 

Ennius  (Q.)  u.  Auson  40;   u. 


Julias  RufinianuB  164;  u. 
Septimias  81. 

Epicurus  u.  Ambrosius  298 
Anm.  1. 

Epiphanius,  Bischof  von  Sa- 
lamis, u.  Hieronymus  372, 
373, 447;  s.  Brief  tt.  Hilarion 
394,  395;  Brief  an  Johannes 
übers,  von  Hieronymus  443 ; 
u.  der  origenistische  Streit 
432;  u.  Philastrius  358, 359, 
360;  u.  Rufmus  372,  373. 

Epitome  Caesamm  60,  67*; 
u.  Eutrop  68,  73. 

Epitome  Liviana  u.  Festus  75, 
76*. 

Erasmus  u.  Ambrosius  303, 
304;  u.  die  griech.  Uebers. 
von  Hieronymus  de  vir.  ill. 
407,  408;  u.  Hilarius  269. 

Euagrius  von  Antiochia  u.  die 
lat.  Vita  des  Antonius  von 
Athanasius  395. 

Euagrius  Ponticus  u.  Rufinas 
375,  379*. 

Euanthius,  Grammatiker  161; 
n.  der  Terenzcommentar  des 
Donat  148;  u.  Hieronymus 
149. 

Eucherius,  Bischof  von  Lyon, 
8.  Wallfahrtsbericht  365;  u. 
Baeda  366;  u.  Hegesippus 
103. 

Euchrotia,  Priscillianistin  338, 
339. 

Eugenius,  Usurpator,  u.  d. 
Christent.  3 ;  u.  die  Litteratur 
9;  u.  die  Invektive  gegen 
Nicomachus  200. 

Eugenius  Toletanus  u.  Dama- 
sus 196. 

Eugippius,  der  Biograph  Seve- 
rins,  u.  der  Anonymus  Vale- 
sii  99,  100. 

Euhemerismus  u.  Firmicus 
Matemus  124,  125. 

Eumelus  u.  Pelagonius  174. 

Euripides   u.  Septimius  81. 

Eusebius,  Metriker  137. 

Eusebius  von  Caesarea,  s. 
Psalmencommentar  bearbei- 
tet von  Eusebius  von  Ver- 
cellae  282;  s.  Chronik  u.  ihr 
Einfluss  451;  s.  Kirchen- 
gesch.  u.  ihr  Einfluss  451; 
s.  biblisches  Onomasticon  u. 
Hieronymus  423 ;  übers,  von 
Rufinus  375,  378;  Apologie 
des  Origenes,  übers,  von 
Rufinus  375;  u.  Ambrosius 
308;  u.  die  Chronik  des  Hie- 
ronymus 401 ;  u.  de  vir.  ill. 
des  H.  406 ;  u.  das  maityrol. 
Hieron.  398. 

Euse\)ma  von  CxeTcxowÄ  m.  ^^\ 


Brief  des  Epiphanias  an  Jo- 
hannes von  Jerusalem  443, 
444;  u.  die  exegetischen 
Schriften  des  Hieronymus 
418,  426,  427. 

Eusebius  von  Vercellae  282*, 
(455);  u.  Septem  libri  de 
trinitate  280. 

Eustathius,  Philosoph  129. 

Eustochium,  Tochter  derPanla, 
u.  Ambrosius'  Lucaseom- 
mentar  414;  u.  Hieronymus 
388,  391,  396;  o.  die  exe- 
getischen Schriften  des 
Hieronymus  415,  418,  420. 
424 ;  u.  Hieronymos'  Uebera. 
des  Didymos  437;  o.  de 
virginitate  des  Hieronymns 
441*,  444,  446;  u.  die  Vul- 
gata  411. 

Eutropius,  Historiker  69;  n. 
die  Caesares  67 ;  u.  die  sog. 
epitome  Caesarum  69;  o. 
Festus  74,  76;  u.  die  Chro- 
nik des  Hieronymns  402, 
403;  u.  die  hist  Aog.  54; 
u.  die  Liviosepitome  77. 

Eutropius  (Fl.),  Emendator  des 
Vegetius  176,  178. 

Eutropius,  Priester,  a.  die  un- 
echten Schriften  des  Hie- 
ronymus 450. 

Excerpta  Bobiensia  n.  Cha- 
risius 151, 152;  u.  die  Gram- 
matik des  Dositheus  160; 
u.  A  tilius  Fortunatianus  1 86 ; 
u.  Paulinus  248. 

Excerpta  Charisii  u.  die  sog. 
Glossen  des  Servius  158. 

Excerpta  Parisina  151. 

Exhortatio  ad  neophytos  u. 
Eusebius283;u.  Lucifer277. 

Explanationes  Donati  u.  Ser- 
vius 158. 

Exuperius,  Bischof,  u.  die  exe- 
getischen Schriften  des 
Hieronymus  416. 


Fabiola,  Nekrolog  des  Hie- 
ronymus 396,  398. 

Fabius  (Q.)  Lauren  tius  a. 
Marius  Victorinus  142. 

Famax  u.  die  mulomedicina 
Monacensis  181. 

Fasti  capitolini  57. 

Faustinus,  Luciferianer  278; 
u.  der  Ambrosiaster  325. 

Faustus,  Bischof  von  Reji,  a. 
der  Briefwechsel  des  Hie- 
ronymus 440  Anm.  2. 

Faventinus  (M.  Cetius)  u.  Pal- 
ladius  172. 

Favonius  u.  Chalcidius  127. 


Alphabetisches  Register. 


461 


u.  Ammianus  91;  u.  Eutrop 
73;  u.  die  Chronik  des  Hie- 
ronymus  403 ;  u.  die  Livius- 
epitome  77. 

Füastrios  s.  Philastrius. 

Filocalus  (Furius  Dionvsius), 
Kalligraph,  u.  der  Chrono- 
graph y .  J.  354  p.  56 ;  u.  Da- 
masos  194. 

Firmicns  (Julios)  Maternus 
119;  asi3t)logi8che8  Werk 
119,  de  errore  profanarum 
religionnm  123. 

FlacciUa,  Kaiserin,  ii.  der  Lu- 
ciferianer  Faostinus  279. 

Flaccns  Rehias  a.  s.  Donai- 
biographie  147. 

Flayianos,  Grammatiker  150; 
=  Charisius  150;  =  Nico- 
machus  150. 

Flavianus  Myrmeicus  u.  Avien 
19. 

Flavianus  (Virius  Nicomachos) 
0.  Nicomachos. 

Flavios  Joseph  US  s.  Josephus. 

Flavius  Vopiscus,  Historiker 
47;  8.  Persönlichkeit  49; 
8.  Schiiftstellerei  51. 

Florilegien  u.  Briefe  des  Sym- 
machus  115,  116  Anm.  3. 

Florus,  Historiker,  u.  Ammian 
97;  u.  Festus  75,  76;  u.  de 
▼ir.  ill.  64,  65. 

Fortunatianus  (Atilius),  Metri- 
ker 136. 

Fortunatianus  (C.  Chirius), 
Rhetor  166. 

Fortunatus  ( Venantius)  als  Bio- 
graph des  Hilarius  255;  u. 
Hilarius  273;  u.  Prudentius 
2'M;  u.  Rufinu8  383. 

Fragmenta  vaticana  (juristi- 
sche) 168. 

Fragmentum  de  manumissioni- 
busboi  Pseudodositheus  161. 

Fredegar  58. 

Frontinus  (Sex.  Julius)  u.  Ve- 
getins  175. 

Fronto  (M.  Cornelius)  ver- 
glichen mit  Ausonius  39; 
u.  Symmachus  118. 

Fulgentius  u.  die  Periochae 
des  Ausonius  34;  u.  Nonius 
134. 

Furius  Dionysius  Filocalus 
8.  Filocalus. 

Q. 

Gaius  inst.  u.  die  Mosaica- 
rum  et  Romanarnm  legum 
collatio  329. 

Grargilius  Martialis  u.  Palla- 
dius  171,  173* ;  u.  die  medi- 
cina  Plinii  182;  u.  Plinius 
ValerisDaa  184, 


Gaudentius,  Bischof  von  Bres- 
cia  360;  Rede  auf  Phila- 
strius 357;  Echtheit  der- 
selben 359,361 ;  u.derKetzer- 
katalog  des  Philastrius  358; 
u.  Rufinus  375,  379,  385. 

Gelenius  (S.)  u.  Ammian  97. 

Gellius  (A.)  u.  Ammian  94, 
97;  u.  Nonius  132,  133*;  u. 
der  Vergilcommentar  des 
Servius  157;  u.  Symmachus 
118. 

Gennadius,  Redner  119. 

Gennadius,  kirchl.  Schrift- 
steller, u.  Rufinus  385. 

Germanicus  u.  Avien  19. 

Gervasius  u.  Theodosius'  Be- 
richt über  das  hl.  Land  365. 

Gildo  von  Afrika  u.  d.  Hei- 
dent.  4. 

Glossar  des  Nonius  134. 

Glossen  des  Servius  156. 

Gordian,  Kaiser,  u.  s.  Arat- 
übersetzung  13. 

Gratian,  Kaiser,  u.  d.  Christen- 
tum 2;  u.  die  IJtteratur  8; 
u.  Ambrosius  315,316,  330 ; 
u.  Ausonius  20, 22, 29, 30, 39 ; 
u.  der  cento  nuptialis  des 
Ausonius  35;  u.  die  gratia- 
rum  actio  des  Ausonius  36; 
u.  Priscillan  338,  339. 

Gregor  I.,  der  Gr.,  u.  das  mar- 
tyrologium  Hieronym.  399, 
400;  u.  Philastrius  360. 

Gregor  XIV,  Papst,  u.  die  Vul- 
gata  412. 

Gregor  von  Cordova  u.  die 
Martyrerverehrung  398. 

Gregor  von  Elvira,  Luciferi- 
aner  279,  280;  u.  Eusebius 
von  Vercellae  282. 

Gregor  von  Nazianz  u.  de  fide 
orthodoza  contra  Arianes 
280;  u.  Hieronymus  388, 
390;  u.  s.  Uebersetzer  Rufin 
874,  377*. 

Gregor  von  Nyssa  u.  Hierony- 
mus 388,  390. 

Gregor  von  Tours  u.  Paulinus 
250;  u.  die  Briefe  des  Pau- 
linus 248;  u.  Prudentius 
234 ;  u.  Theodosius'  Bericht 
fi.  d.  hl.  Land  365. 

H. 

Hadrian,  Kaiser,  s.  sententiae 
et  epistolae  unter  den 
Pseudodositheana  161 ;  s. 
Constitutionen  u.  Patemus 
177. 

Hebrius=Ebrius  u.  der  Vergil- 
commentar des  Servius  157. 

Hegesippus,  Historiker  100; 
u.  Baeda  3Ö6;  u.  SaWviBll^. 


Heiric,  Mönch,  u.  die  sog. 
ambrosianischen  tituli  210. 

Heliodor.  Bischof,  u.  Hierony- 
mus 398,  399;  u.  die  Vul- 
gata  411. 

Helpidius,  Rhetor,Priscillianist 
337. 

Helvidius  (über  die  Jungfrau- 
schaft Marias)  u.  Hierony- 
mus 429. 

Heptateuch  u.  Juvencus  192 
Anm.  1. 

Heraclianus,  altercatio  cum 
Germinio,  episcopo  Sirmi- 
ensi  281. 

Herculanus  grammaticus  u. 
Ausonius  33. 

Hermagoras,  Rhetor,  u.  C.  Ju- 
lius Victor  168. 

Herodianus,  Historiker,  u.  Am- 
mian 97;  u.  Eutrop  72;  u. 
die  hist  Aug.  52,  54*. 

Hesperius,  Sohn  des  Ausonius 
21;  als  Herausgeber  Au- 
sons  23,  25 ;  u.  die  Caesarea 
28,  34;  u.  die  fasti  consu- 
lares  28. 

Hesychius  von  Mllet,  Epitome, 
ihre  Abfassungszeit  407. 

Hierius,  Redner,  u.  Augustin 
119;  u.  die  quintil.  Deklam. 
119. 

Hierokles  u.  Apsyrtus  181. 

Hieronvmus  (Eusebius),  Bio- 
graphisches 387 ;  Schriften : 
a)  historische  392;  ß)  Re- 
vision u.  Uebers.  der  hl. 
Schrift  408;  y)  exegetische 
413;  d)  dogmatisch-polemi* 
sehe  u.  Uebers.  dogmati- 
scher Werke  429 ;  b)  Homi- 
lien  u.  Briefe  437 ;  Charak- 
teristik 445 ;  Fortleben  448 ; 
u.  die  profane  Litt.  5  Anm.  1 ; 
H.  in  der  Kunst  448;  Bibel- 
übers,  u.  Hegesippus  101 
Anm.  1;  u.  die  collatio  Mo- 
saic.  et  Roman,  legum  828, 
329*;  u.  de  vigiliis  servo- 
rum  dei  371;  u.  die  epistola 
ad  Celanciam  248;  u.  die 
historia  monachorum  880; 
u.  die  origo  gentis  rom.  61, 
62;  u.  d.  Ambrosiaster  325; 
u.  Ambrosius  308;  u.  Au- 
relius  Victor  66;  u.  die 
summa  dicendorum  desBea- 
tus  von  Libana  352 ;  u.  Cha- 
risius 149;  u.  Chromatius 
383;  u.  Damasus  193;  u. 
Donat  145;  u.  Epiphanins, 
Bischof  von  Salamis  aof 
Cypem  372,  373;  u.  Eab 
73;  u.  Isaak  326;  u.  Ji 


462 


Alphabetisches  Register. 


tatas  855,  356;  u.  die  Ho- 
milien  des  Origenes  zur  Ge- 
nesis 378;  u.  Paulas  Wall- 
fahrtsbericht 365,  866;  u. 
Paulas  DiacoDus  73 ;  u.  Phi- 
lastrius  859;  u.  die  Canones 
Priscillians  340;  u.  Pruden- 
tius  232;  u.  Rufinus  371, 
372,  373,  375,  377,  382, 
383,  884,  887 ;  u.  die  Streit- 
schrift gegen  Rufinus  438; 
u.  Tyconius  351  Anm.  3. 

Hilarius  (Decimius  Hilarianus) 
als  Verfasser  der  A.mbro- 
siaster  825,  (455). 

Hilarius,  Diakon  von  Rom, 
Luciferianer  274,  279*,  280; 
u.  d.  Ambrosiaster  825;  u. 
die  Eetzertaufe  435,  436. 

Hilarius  von  Arles  u.  de 
fratribus  Maccabaeis  145; 
u.  in  genesin  206. 

Hilarius  von  Poitiers,  Bio- 
graphisches 258;  als  Hym- 
nendichter 204;  ft)  exege- 
tische Schriften  256 ;  ß)  po- 
lemische Sehr.  261 ;  Charak- 
teristik 270,  (455);  Fortleben 
272 ;  u.  die  christl.  Geschicht- 
schreibung 45 1 ;  u.  d.  Ambro- 
siaster 325 ;  u.  in  genesin  206; 
u.  Priscillian  846,  (455);  u. 
Rufin  387;  u.  d.  Apologeticum 
des  Tiberianus  348,  (455). 

Hinkmar  von  Rheims  u.  die 
Mosaicaiiim  et  Romanarum 
legiim  collatio  328,  329*. 

Hippiatrikcru.Pelagonius  174. 

Hippolytus  u.  Ambrosius  291, 
293 ;  s.Clironik  u.  der  Chrono- 
graph V.  J.  354  p.  58;  u.  Da- 
masus 194,  195,  196*;  u. 
adversus  Marcionem  208 ; 
u.  Philastrius  858,  360;  u. 
Prudentius  218. 

Historia  Augusta  s.  Scriptores 
Hist.  Aug. 

Historia  miscella  7 1,72*;  u.  die 
sog.  epitome  Cacsarum  69. 

Historia  tripertita  u.  Aurel. 
Victor  59,  60. 

Homerus  u.  die  Allegorie  452; 
u.  die  Periochae  Ausons  29; 
u.  Juvencus  190;  u.  Septi- 
mius  81. 

Honorius,  Kaiser,  u.d.  Christen- 
tum 4. 

Honorius  von  Autun  u.  Firmi- 
cus  Maternus  120    Anm.  8. 

Horatius  (Q.)  Flaccus  u.  die 
Hymnen  des  Ambrosius  207 ; 
u.  Auson  40:  u.  Avion  19; 
u.  Damasus  196 ;  u.  Hierony- 
mus  448;  u.  Julius  Rufini- 
anus 164;  u.  Juvencus  192; 


u.  Latinius  Pacatos  Drepa- 
nius  118  Anm.  1 ;  u.  Manns 
Victorinus  188, 141*;  u.Pa- 
cianus  387 ;  u.  Paulinus  242, 
250;  u.  Prudentius  231 ;  u. 
Symmachus  118. 

Horus,  Philosoph  129. 

Hosius,  Bischof  von  Corduba, 
Antiarianer  283. 

Hrabanus  Maurus,  Auszug 
aus  dem  kriegswissensch. 
Werk  des  Vegetius  178; 
u.  die  unechten  Schriften 
des  Hieronymus  450 ;  u.  Pru- 
dentius 288 ;  u.  der  lai  Theo- 
dor von  Mopsuestia  274. 

Hydatius,  Bischof  von  Emerita, 
Gegner  Priscillians  337,  388, 
389,  842,  844,  845. 

Hyginus,  Mythograph,  s. 
Uebungsstücke  u.  Dositheus 
160  Anm.  2;  u.  Pseudodosi- 
theus  161;  u.  de  vir.  ill.  64, 
65;  u.  Paulinus  241;  u.Sep- 
timius  81. 

Hyginus,  Bischof  von  Corduba, 
u.  Priscillian  337,  888,  842. 

Hymnen,  christl.  206,  (454). 

I. 

Ignatiusbriefe,  lat.  387. 

In  genesin,  Carmen  206. 

Instantius,  Priscillianist  837, 
338,  339,  342. 

Interpretamenta  sive  igutjysv- 
fiata  Pseudodosithei  161. 

Invective  gegen  Nicomachus 
199,  200* ;  gegen  einen  vom 
Christentum  abgefallenen 
Senator  20 1 ;  christliche  45 1 . 

Johannes,  Bischof  von  Jerusa- 
lem, u.  die  origenistischen 
Streitigkeiten  372,  873,  432, 
433;  u.  Auastasius  I.  334; 
u.  Hieronymus  .S91. 

Johannes  Chrysostomus  s. 
Chrysostomus. 

Johannes   Diaconus   u.  Tyco- 
j       nius  352. 

I  Johannes  Saresberiensisu.He- 
I       gesippus  103;  u.d.Querolus 

42. 
I  Johannes  v.  Antiochia  u.  die 
I       Eutropübers.  Capitos  72. 

Johannes  von  Sevilla  u.  Am- 
brosius 318. 

Jona  (de),  altchristliches  Ge- 
dicht 189. 

Jordanes  u.  der  Anonymus 
Valesii  99;  u.  Eutrop  73;  u. 
Festus  75,  76;  u.  Paulus 
Diaconus  73. 

Josophus  ( Flavius),  jüdische 
Gesch.  u.  lle^eavß\>\3Ä  \^\ 


u.  das  sog.  4.  Maccabaecr 
buch  299;  a.  Rufin  381. 

Joviales  u.  derTerenzcommen 
tar  148. 

Jovianus,  Kaiser,  u.  d.Christen 
tum  2. 

Jovim'anus,    Haeretiker  431 
u.  Hieronymus  480. 

Jovius,  Dichter  bei  Paulis  240, 

Irenaeus  von  Lyon  u.  die  lat 
üebers.  385,  386*. 

Isaak,  der  Jude  324,  825;  a. 
die  Mosiacarum  et  Bomi- 
narum  legnm  collatio  829; 
u.  Hieronymus  446;  u.  der 
Conunentar  zu  den  psoliiD- 
sehen  Briefen  424. 

Isidorus,  Bischof  von  Sevilla, 
u.  Eutrop  78;  n.  Festos  75; 
u.  Hegesippus  101,  103;  n. 
Marina  Victorinus  142;  o. 
Paulus  Diaconus  78;  u.  der 
Vergilcommentar  des  8er- 
vi  US  157;  u.  Tyconios  352. 

Itacius,  Bischof  von  Ossonal»!, 
Gegner  Priscillians  838, 339, 
342,  344,  345,  347,  348*. 

lUla  u.  die  Vulgata  408, 409, 
410,  449;  u.  Juvencua  191, 
192. 

Itinerarium  Alexandri  105: 
u.  Julius  Valerius  45. 

Itinerarium  Antonini  103, 104*. 

Itinerarium  Hierosolymitanuin 
sive  Burdigalense  103,  104. 
105*,  364. 

Itinerarium  maritimum  104. 
105. 

Jubabei  Priscian  180;  u.  Atilias 
Fortunatianus  136;  u.  die 
metrischen  Systeme  138;  u. 
Aphthonius  138,    139,  140. 

Jucundus  grammaticus  freier 
Leonti  u.  Ausonius  33. 

Julianus,  Anhänger  des  Pe- 
lagianismus  241,  242. 

Julianus,  Kaiser,  u.  d.  Christen- 
tum 1;  u.  die  Zurück  beruf  ung 
der  Bischöfe  274;  u.  die 
Litteratur  8;  u.  die  öffeDt- 
liehen  Schulen  2;  u.  Am- 
mianus  Marcellinus  89,  91; 
u.  der  Panegyriker  Clau- 
dius Mamertinus  107;  n. 
Hilarius  262;  u.  Prudentius 
222,  (454). 

Julianus  von  Toledo,  Com- 
mentar  zu  Donat  146,  147*. 

Julius  Africanus  u.  die  syn- 
chronistische Geschichte 
401. 

Julius  Capitolinus,  Historiker 
47;  s.  Schriftstellerei  50: 
als  Redaktor  d.  Hist.  Aug. 


Alphabetiflohes  Begiater. 


463 


Julius  Obsequens  76. 

Julius  Romanus,  Grammatiker, 
a.  8.  Aasschreiber  129;  a. 
Gharisins  150,   151. 

Julius  Rafinianos,  Rhetorl64; 
u.  Aquila  Romanos  162 
Anm.  1,  163,  164*. 

Julius  Valerius,  lateinischer 
Bearbeiter  des  Ps.-Callis- 
thenes  44;  u.  das  Itin.  Alex. 
106. 

Julius  (C.)  Victor,  Rhetor  167 ; 
a.  Aquila  Romanos  163 
Anm.l  ;a.Fortunatiana8 166. 

Junius  Cordus,  Historiker,  o. 
d.  Hist  Aog.  52,  53. 

Justina,  Kaiserin,  u.  Ambro- 
fflOB  286,  288,  331. 

Jostinianos,  Kaiser,  o.  d. 
Christent.  4. 

Juvenalis  (D.  Jonios),  Sati- 
riker, o.  Ammian  92;  o. 
Auson  40;  u.  Prodentios 
281;  u.  Symmachos  118. 

Jovencos  (G.  Vettios  Aqoili- 
nus).  Dichter  der  evange- 
liorom  libri  190;  n.  laodes 
domini  188;  o.  adversos 
Marcionem  203;  o.  Proden- 
tius  232.  (454). 


Kaise^eschichte,  verlorene 
67;  o.  Eotrop  72;  u.  Festos 
75, 76*;  u.  die  ffist.  Aog.  54. 

Kalender  des  Chronographen 
V.  854  p.  57. 

Karl  d.  Gr.  o.  Juvencus  192. 

Kameades,  Philosoph,  o.Firmi- 
cus  Matemos  122. 

Keulenverse  (versus  rhopalici) 
des  Aosonins  36,  88,  39. 

Konsolarverzeichnis  d.Chrono- 
graphen  v.  354  p.  57. 

L. 

Lachmann  (K.)  u.  die  Ueber- 
lieferong  der  hl.  Schrift  447 . 

Lactantios  (L.  Caecilios  Firmi- 
anos)  o.  der  1 .  lat.  Glemens- 
briefd86;  o.  Prodentios 231. 

Laeta  o.  Hieronymus*  Anwei- 
sung für  Erziehung  der 
Mftdchen  442,  444. 

Lampridins  (Aelios)  s.  Aelios. 

Landolfos  Sagax,  Verfasser 
der  Hist.  misc.  73. 

Lanfranc,  Erzbischof,  o.  die 
Yolgata  412. 

Latronianos,  Priscillianist  338, 
347*,  348. 

Laodes  domini,  altchristl.  Ge- 
dicht 188. 

Laorentios,  Bischof,  o.  Rofin 
382. 


Leo,  Archipresbyter,  o.  d.  Ale- 
xanderroman 44,  45*. 

Leontios  grammaticos  cogno- 
mento  Lascivos  o.  Aosonios 
33. 

Lessing  o.  Firmicos  Matemos 
120  Anm.  4. 

Lex  convivalis  hinter  dem 
Qoerolos  42. 

Libanios,  Rhetor,  o.  Ammianos 
87,  88,  90*. 

Libellos  fidei  o.  Phoebadios 
281. 

Libellos  precom,  Bittschrift 
der  Lociferaner  279. 

Liber  generationis  58. 

Liber  miraculorum  S.  Fidis  o. 
Pi-odentios  234. 

Liber  poniificalis  o.  d.  Chrono- 
graph V.  354  p.  57,  58. 

Liberias,  Papst  333,  334*;  vier 
onechte  Briefe  267;  o.  das 
Papstelogiom  des  cod.  Cor- 
beiensis  197;  o.  Ambrosios 
de  virginibos  311. 

Licinios  Rofinos,  Jorist,  o.  die 
collatio  Mosaicarom  et  Ro- 
manamm  legum  828,  329*. 

Livios  (T.)  u.  Ammian  91,  97; 
o.  Avien  15;  o.  de  viris  ill. 
60,  64 ;  o.  die  Nicomachi  84, 
85;  o.  Symmachos  118. 

Liviosepitome  o.  Eotrop  70, 
71;  o.  Firmicus  Matemos 
122;  o.  die  Chronik  des 
Hieronymus  403;  o.  Jolios 
Obsequens  76,  77*. 

Lope  de  Olmedo,  Prior,  o.  die 
onechten  Schriften  des  Hie- 
ronymos  450. 

Locanus  (M.  Annaeos),  Dichter, 
o.  Aoson  40;  o.  Jovencos 
192;  o.  Prodentios  231; 
o.  Symmachos  118;  Com- 
menta  in  Locanom  o.  Ser- 
vius  157. 

Locifer  von  Calaris  274;  o. 
die  exhortatio  ad  neophytos 
desymbolo  318;  o.  Hierony- 
mos  436;  Hilarios  256,  264. 

Lociferianer  275,  278*;  o.  Hie- 
ronymos  435,  436,  445. 

Lociliofl,  Satiriker,  o.  Aoson 
40;  o.  Jolios  Rofinianos  164. 

Locios  Septimios,  Verfasser 
des  Dictysbochs  77. 

Locretios  (T.)  Caros  o.  Aoson 
40;  o.  Avien  19;  u.  Dama- 
sos  196;   o.  Jovencos    192. 

Lotatios  o.  die  origo  63. 

Lother  o.  die  Geschichte  der 
aegyptischen   Mönche  376. 

Lycosthenes  (C.)  o.  Jolios 
Obseqoens  77. 


Lydos   (Johannes)  o.   Aorel. 

Victor  66. 
Lykophron   o.  Septimios  81. 


Macaronische  Poesie  o.  Aoso- 
nios 38. 

Maci'obios  Theodosios  o.  Am- 
brosios 296;  o.  Servios  155, 
156*;  o.  Praetextatos  128. 

Magnus  von  Carrhae  u.  Am- 
mianus  89,  92. 

Magnos,  orator  orbis  Romae, 
o.  Hieronymos*  Brief  über 
die  Lektüre  der  alten  Klas- 
siker 443. 

Mago  o.  Palladios  173. 

Malalas  o.  die  Erzählong  des 
Dictys  79 ;  o.  Septimios  82. 

Malmesberiensis  (Goilelmos) 
o.  Hegesippos  103. 

Mamertinos(Claodios),  Redner 
107. 

Manichäer,  die,  o.  Ambrosios 
294. 

Manilios  (M.),  astrologisches 
Werk  119;  o.  Firmicos  Ma- 
temos 120,  122*. 

Marcella  o.  Hieronymos  372, 
374,  388,  390,  442;  o.  die 
exegetischen  Werke  des 
Hieronymos  418,  425;  o. 
der  Nekrolog  aof  sie  395, 
397. 

Marcellina,  Schwester  des  Am- 
brosios, o.  Liberios  334. 

Marcellinas,  Lociferianer  278. 

Marcellos,  Grammatiker,  bei 
Aosonios  132. 

Marcellos,  Mediziner,  o.  die 
medicina  Plinii    182,  183*. 

Marcion  o.  das  Gedicht  ad- 
versos Marcionem  202. 

Marcios  Salotaris  o.  Charisios 
151. 

Marcomannos  o.  C.  Jolios 
Victor  167,  168*. 

Maribados,  Arianer  347. 

Marios  Maximos,  Historiker, 
Kaiserbiographien  47,  52*; 
o.  Ammian  92;  o.  die  hist. 
Aog.  53;  o.  die  sog.epitome 
Caes.  69. 

Marios  (C.)  Victorinos  Afer, 
Rhetor  ond  Philosoph  137; 
o.  adversos  Marcionem  203; 
o.  adversos  Marcionitas  145 ; 
o.  Atilius  Fortonatianos  136 ; 
o.  der  Arianer  Candidas  283 ; 
o.  Charisios  151 ;  o.  Hiero- 
nymos 426. 

Martialis  (M.  Valerios)  o.  Ao- 
son 40. 

Martianos  Capeila  o.  Aqoila 
Romanos  163. 


464 


Alphabetisohes  Register. 


Martin  von  Tours  u.  Priscil- 
lian  338. 

Martyrologien  u.  d.  Chrono- 
graph 57,  58. 

Matemus  (Julius  Firmicus)  s. 
Firmicus. 

Mavortius  (Vettius  Agorius 
Basilius)  u.  Prudentius  235 ; 
u.  der  cento  de  ecclessia  199. 

Maximinus,  Arianer  284;  als 
Verfasser  der  dogmatisch- 
polemischen Abhandlungen 
von  Bobbio  ^85;  vielleicht 
Verfasser  des  opus  imper- 
fectum  286. 

Maximus,  Bischof  von  Turin, 
u.  die  Schriften  de  sacra- 
mentis,  explanatio  symboli 
ad  initiandos  318;  u.  der 
Briefwechsel  des  Hierony- 
mus  440  Anm.  2. 

Maximus,  Kaiser,  u.  Ambro- 
sius  286,  288;  u.  Priscillian 
338,  339. 

Maximus  Planudes  u.  die  Eu- 
tropUbersetzungen  72. 

Maximus  (o.  Maximinus)  Victo- 
rinus  u.  de  ratione  metro- 
rum  u.  de  finalibus  metro- 
rum  139,  141*. 

Medicina  Plinii  181. 

Melania  u.  Hieronymus  402, 
445;  u.  Rufinus  371,  372, 
373. 

Melito  von  Sardes  u.  ein  lat. 
kirchl.  Glossar  386. 

Memnonius,  Grammatiker,  u. 
Asmonius  130. 

Merobaudes  u.  Ps.-Damasus 
195. 

Messius  (Arusianus),  Rhetor 
164;  u.  Ambrosius  298;  u. 
Symmachus  113. 

Metrische  Systeme,  die  beiden 
des  Altertums  138,  140. 

Metrorius,  der  sog.,  u.  de  fi- 
nalibus metrorum  139,  141*. 

Mi  1  ton  u.  Prudentius  224. 

Minervius  (Tiberius  Victor) 
orator  u.  Ausonius  33. 

Minucius  Felix  u.  Firmicus 
Maternus  125. 

Miracula  S.  Clementis  u.  Pru- 
dentius 235. 

Modestinus.(Herennius)  u.  die 
Mosaic.  et  Roman,  legum 
collatio  329. 

Modestus,  der  sog.,  de  voca- 
bulis  rei  militaris  178. 

Mommsen  (Th.)  u.  die  origo 
gentis  romanae  61. 

Mosaicarum  et  Romanarum 
legum  collatio  327. 

Mulomcdicina  Monacensis  la- 
tina  181. 


Musonius  (C.)  Rufus,  Stoiker, 
u.  Avienus  13,  16. 

N. 

Namatianus  (Rutilius)  s.  Ru- 
tilius. 

Naucellius,  Dichtern.  Antiquar 
42. 

Nechepso  u.  Firmius  Matemus 
121. 

Nemesianusu.  dieinvektive  ge- 
gen Nicomachus  200  Anm.  1. 

Neoterici  (poetae)  u.  Ausonius 
27,  39,  40. 

Nepos  (Comelius)  u.  Firmicus 
Matemus  122;  u.  de  vir. 
ill.  64. 

Nepotianus,  Kleriker,  u.  Hie- 
ronymus 397,  398, 442, 444. 

Nero,  Kaiser,  u.  die  Erzäh- 
lung des  Dictys  78,  80. 

Neuplatoniker,  die,  u.  Marius 
Victorinus  137,  141,  144. 

Nicaeus,  Schüler  des  Servius 
u.  Juvenalherausgeber  155, 
156. 

Niceas,  angeblich  Bischof  von 
Romatiana  367. 

Niceta(s),  Bischof  von  Reme- 
siana  367 ;  Namensform  870 ; 
als  Hymnendichter  370;  u. 
das  Propempticon  des  Pau- 
linus241,  242,  244;  u.  die 
Schrift  de  lapsu  virginis 
consecratae  315. 

Nicetas,  Bischof  von  Aquileia 
367,  368. 

Nicetius,  Bischof  von  Trier, 
u.  de  vigiliis  servorum  dei 
u.  de  psalmodiae  bono  370, 
371;  u.  das  Te  deum  371. 

Nicolaus  von  Rom,  Kardinal, 
u.  die  Vulgata  412. 

Nicomachi,  die,  u.  die  alten 
Autoren  128;  u.  die  Hand- 
schriften 5  Anm.  2;  u.  die 
Symmachi  85. 

Nicomachus  (Appius)  Dexter 
u.  Virius  Nicomachus  Fla- 
vlanus  84;  u.  Livius84,  85*. 

Nicomachus  (Virius)  Flavianus 
83;  die  Schrift  de  vesti- 
giis  etc.  84 ;  Invektive  gegen 
ihn  199,200*;  u.  der  Gram- 
matiker Flavianus  150. 

Nicomachus  Flavianus,  Sohn 
des  Virius  Nie.  Flav.,  der 
Recensent  des  Livius  85. 

Niebuhr  (B.  G.)  u.  die  origo 
gentis  romanae  61. 

Nonius  Marcellus,  Gramma- 
tiker 181. 

Notitia  regionum  59. 

Novatiauismvis,  d^t,  \i.   Anv- 


Novatianus  u.  der  tractatos 
Origenis  de  libris  s.  scrip- 
turarum  280. 

Numa  u.  seine  Religioiiab&cher 
79  Anm.  4. 

Nomenius  n.  Chalcidios  127. 

0. 

Obelus  u.  die  Vulgata  410. 

Octavius  (M.)  a.  die  origo  63. 

Odo  von  Glugny  o.  Prudentius 
235. 

Olympius,  Gegner  der  Mani- 
chäer  u.  der  Priacillianistep 
347.  348*. 

Optatus,  Antidonatist  353;  u. 
Tyconius  352. 

Opus  imperfeetam  in  Mat- 
thaeum,  arianische  Schrift 
284,  286. 

Oribasius  u.  Ammianas  92. 

Orientius  u.  das  Gedicht  ad 
Deum  246. 

Origenes  u.  der  tractatus  de 
libris  s.  scripturarom  280; 
u.  Ambrosius  290,  291,  293, 
297,  306,  307,  808;  u.  Ana- 
stasius  I.  334;  u.  Chalcidius 
126;  u.  Hieronymus  415, 
425,  426,  428,  432,  434, 
437,  447;  s.  enchiridion  in 
psalmos  u.  Hieronjrmus  422 ; 
s.  Hexapla  u.  Hieron.  409, 
410;  s.  Homilien  übersetzt 
von  Hieron.  413;  u.  Hilarius 
258,  259,  261;  u.  die  ex- 
planatio symboli  des  Nicetas 
368 ;  u.  Philos  Onomasticon 
423,  424;  u.  s.  Uebersetzer 
Rufin  372,  374,  376,  377  *. 
384. 

Origo  gentis  romanae  60,  61*; 
u.  Paulus  Diaconus  72. 

Orosius  (Paulus),  Historiker, 
u.  der  Anonymus  Valesii 
99,  100;  u.  Eutrop  73;  u. 
Hieronymus  437;  u.  Paulus 
Diaconus  71,  73;  u.  Priscil- 
lian 340,  341,  347. 

Ovidius  (P.)  Naso  u.  Auson 
40;  u.  Damasus  196;  u.  in 
genesin  206;  u.  Juvencus 
192;  u.  Prudentius  231;  u. 
Septimius81 ;  u.  Symmachus 
118. 

Orsiesius,  Klosterregeln,  übers, 
von  Hieronymus  443  Anm.  1 . 


Pacatus  (Latinius)  Drepanius, 
Redner  108;  u.  Auson  29. 
30,  35;  u.  (?)  PauUnus  237. 

Pacianus,  Bischof  von  Barce- 
lona. 335;  u.  Prudentius  225 


AlphabeÜaoheB  Register. 


465 


Pachomius ,  Klosterregeln , 
übers,  von  Hierooymns  443 
Anm.  1. 

Paianios,  Uebersetzer  Eutrops 
71,  72*. 

Palaemon  (Q.  Remmius)  u. 
Cliarisias  150,  151*;  u.  s. 
Allsschreiber  129. 

Palladias,  griech.  Deklamator 
in  Rom  119. 

Palladias,  Bischof,  u.  die  lat. 
bist.  Laus.  387. 

FalladiuaRutiliiisTaurasAemi- 
lianos,  landwirtschaftlicher 
Schriftsteller  170. 

Palladius  von  Ratiaria,  Arianer, 
a.  die  dogmatisch-polemi- 
schen Traktate  von  Bobbio 
285;  u.  Ambrosias  316;  u. 
Vigilius  von  Thapsns  849. 

Pammachias  u.  der  origeni- 
stische  Streit  432;  a.  Hie- 
ronymos  397 ;  u.  die  exeget. 
Sdiriften  des  Hieronymus 
416,  4 IQ;  u.  Hieronymus' 
Schrift  gegen  Jovinian  431 ; 
u.  Hieronymus'  Brief  fl.  d. 
Uebersetzungskunst  443, 
444. 

Pamphilus,  Apologie  des  Ori- 
genes,  u.  Rufin  375,  378*. 

Papinianus  (Aemilins),  Jurist, 
u.  die  Fragmenta  vaticana 
169, 170;  u.  die  Mosaicarum 
et  Romanarum  legnm  col- 
latio  329. 

Papyrus,  Wiener,  u.  Hilarius 
270. 

Parmenianus ,  donatistischer 
Bischof,  n.  Optatns  353;  u. 
Philastrius  359 ;  u.Tyconius 
350,  8Ö3. 

Parrbasins,  Humanist,  u.  Am- 
sianus  Messius  165. 

Paschasius  Radbertus  u  Auson 
40. 

Pasiphilus,  Philosoph,  u.  Pal- 
ladius 172. 

Passio  S.  Genesii  Arelatensis 
248. 

Pastor  des  Hermas  u.  die  lat. 
Uebers.  385,  386*. 

Pastor,  Gegner  des  Priscil- 
lianismus  347,  348*. 

Patera,  Rhetor  168. 

Patemus,  Militäijurist,  u.  die 
Constitutionen  der  Kaiser 
Augustus,  Trajan  und  Ha< 
dnan  177;  u.  Vegetius  175. 

Paula  u.  ihr  Wallfahrtsbericht 
bei  Hieronymus  365,  366; 
n.  Ambrosius'  Lukaskom- 
mentar 414;  u.  Hieronymus 
388,  391;  u.  die  exeget. 
Schriften  des  Hieron.  415, 


418,  420,  424;  u.  Hierony- 
mus'  üebers.  v.  Didymus 
437;  Nekrolog  auf  sie  von 
Hieronymus  396,  397;  u. 
die  varronische  Schriftstel- 
lerei  445 ;  u.  die  Vulgata  411. 

Paula,  die  jüngere,  u.  Hierony- 
mus 442  ;  u.  die  Vulgata  411. 

Paulina,  Tochter  der  Paida, 
Nekrolog  des  Hieronjrmus 
397,  398. 

Paulinianus,  Bruder  des  Hie- 
ronymus, u.  der  origenisti- 
sche  Streit  432;  u.  Hieron. 
Uebers.   des  Didymus  437. 

Paulinus,  Biograph  des  Am- 
brosius 286. 

Paulinus,  Enkel  des  Ausonius, 
Verfasser  des  Eucharisticon 
de  poenitentia,  u.  das  Ge- 
dicht De  domesticis  suis 
calamitatibus  246. 

Paulinus  Biterreusis  u.  die 
passio  S.  Genesii  Arelatensis 
248. 

Paulinus  von  Burdigala  238. 

Paulinus  von  Nola,  Dichter, 
Biographisches  235 ;  Ge- 
dichte 238 ;  poet.  Briefe  289 ; 
pros.  Briefe  246;  Charak- 
teristik 248;  s.  Panegyricus 
auf  Theodosius  441 ;  u.  Au- 
sonius 21,  38,  (454);  ihr 
Briefwechsel  26,  27,  317*; 
u.  die  Ephemeris  Ausons  33 ; 
u.  das  Technopaegnion  Au- 
sons 30,  85;  u.  der  Brief- 
wechsel mit  Hieronymus 
440;  u.  Niceta  870;  u.  Ru- 
finus  381,  882,  385;  u.  Sue- 
ton  15,  38;  u.  Victricius  333, 
384;  u.  Vigilantius  483, 
(455). 

Paulinus  von  P^rigueux  u. 
Damasus  196. 

Paulus  (Julius),  Jurist,  u.  die 
collatio  Mosaic.  et  Roman, 
legum  829 ;  u.  die  fragmenta 
vaticana  169,  170. 

Paulus  Diaconus  u.  die  historia 
romana72;  u.  die  origo  60, 
62 ;  u.  das  Gedicht  de  dome- 
sticis suis  calamitatibus  '246; 
u.  Aurelius  Victor  66;  u. 
Eutrop  7 1 ;  u.  Orosius  7 1 . 

Paulus  Quaestor,  Dichter  43. 

Pelagianer  u.  Hieronymus  389, 
891,  486,  437,  446. 

Pelagius  u.  s.  professio  fidei 
349 ;  u.  Hieronymus  436, 450. 

Pelagonius,  der  Veterinär  178; 
u.  der  Veterinär  Vegetius 
179;  u.  der  Veterinär  Ap- 
syrtos  181;  u.  die  m\Ao- 
medicina  Monacenaia  \^\. 


ffADdbaob  der  klum,  AJtertoiiMWiaMiitohaft.   VUI,  4. 


Peregrinus,  Bischof,  Neubear- 
beiter der  Canones  Priscil- 
Uans  840,  341*. 

Periplus  als  Vorlage  Ariens  18. 

Pervigilium  Veneris  u.  IHbe- 
rianus  42. 

Petosiris  u.  Firmicus  Maier- 
nus  121. 

Petrarca  u.  Juvencus  192. 

Petronius  Arbiter  n.  die  In* 
vektive  gegen  Nicomachus 
200  Anm.  1. 

Petronius  von  Bologna  835. 

Petronius  u.  die  historia  mon- 
achorum  380. 

Petrus  Chrysologus  284. 

Petrus  Diaconus,  s.  Schrift 
fiber  das  hl.  Land  865;  u. 
der  Wallfahrtobericht  der 
sog.  Silvia  863. 

Phaedrus,  Fabeldichter,  u. 
Prudentius  281. 

Philastrius  (Philaster),  Bischof 
von  Brescia  357 ;  s.  Ketzer- 
katalog  452. 

Philippus,  Schaler  des  Hierony* 
mus,  u  die  unechten  Schrif- 
ten des  Hieronymus  450. 

Philo  von  Alexandria  u.  Am- 
brosius 290,  293,  294,  295, 
296,  297,  298,  299,  800 
Anm.  1,  331,  382;  s.  Ono- 
masticon  u.  Hieronjrmus  423. 

Philocalns  (Purins  Dionysius) 
s.  Filocalus. 

Philostratus,  s.  ApoUonius  von 
Tyana  u.  Nicomachus  83, 
84;  u.  Septimins  81. 

Phoebadius  von  Agennum, 
Antiarianer  281 ;  u.  de  fide 
orthodoxa  contra  Arianes 
280;  u.  Syagrius  349. 

Photinus,  Häretiker,  n.  Opta- 
tus  355. 

Piso  (L.  Calpumius),  Annalist, 
u.  de  viris  ill.  64. 

Pithoeus  (P.)  u.  Hilarius  265. 

Placidus,  Sohn  des  Dichters 
Avienus,  u.  d.  Inschr.  auf 
Nortia  13,  16. 

Plato,  s.  Timaeus  u.  s.  Fort- 
leben im  Mittelalter  126 
(Chalcidius);  u.  Ambrosius 
296,  298,  317;  u.  Marius 
Victorinus  187,  141,  148*. 

Plautus  (T.  Maccius)  u.  Auson 
29,  40;  u.  Avien  19;  u.  Ju- 
lius Rufinianus  164;  u.  No- 
nius  133;  s.  Aulularia  u.  der 
Querolus  40. 

Plinius,  d.  Ae.,  das  Medv"' 

sehe  in  seiner  nat.  hisi.  ] 

u.  Auson  37,  40;  u.  No 


466 


Alphabeüaohea  Begister. 


des  ServiuB  157;  u.  Sym- 
machus  118.  —  Medicina 
Plinü  181. 

Plinius,  d.  Jüngere,  u.  de  viris 
ill.  60,  64;  u.  Auson  40; 
u.  Q.  Aoreiias  Symmachus 
114,  118. 

Plinius  de  moribus  et  vita 
imperatonim  69. 

PllniuB  (-äoUnos)  u.  Ammianas 
91. 

Plinius  Valerianus  182,  188*. 

Plutarch  u.  die  Schrift  des 
Hieronymus  gegen  Jovinian 
431. 

Poetae  neoterici  u.  Anson  27, 
39,  40. 

Poggio  u.  Ammian  97. 

PolemioB  Silvios  u.  Eutrop  73. 

Pollio(Trebellias)  s.  Trebellius. 

Polycletus  u.  die  mulomedi- 
cina  Monacensis  181. 

Pompeius,  s.  Commentar  zu 
Donat  146,  147*,  158. 

Pomponius,  Centodichter  199. 

Pomponius  Laetus  u.  der  sog. 
Modestus  178. 

Pontifices  u.  die  Prodigien  77. 

Porfyrius  (Pnblilius  Optatia- 
nus)  10;  u.  die  anacycl. 
Verse  11;  u.  die  Keulen- 
yerse  12;  n.  Ausonius  28, 
33;  u.  Kaiser  Conslantin  6. 

Porphyrius,  Bischof  von  Gaza, 
u.  die  Zerstörung  des  Heilig- 
tums von  Marnus  444. 

Porphyrius,  Neuplatoniker,  u. 
der  Danielcommentar  des 
Hieronymus  418;  u.  adv. 
Jovin.  431 ;  u.  Marius  Vic- 
torinus  137,  141,  142,  143*. 

Posidonius,  s.  Timaeuscom- 
mentar  u.  Chalcidius  126, 
127. 

Posthumianus  u.  die  historia 
monachorum  380. 

Postumius  (Aulus)  u.  die  origo 
63. 

Potamius,  A rianer  283,  284*. 

Praedestinatus  u.  der  Ketzer- 
katalog des  Philastrius  358, 
360. 

Praetextutus  { VettiusAgorius), 
Philosoph  128. 

Primae  expositiones  zu  Donat 
u.  Sergius  158. 

Primasius,  Bischof  von  Hadru- 
metum,  u.  Tyconius  352. 

Priscianus,  Grammatiker,  u. 
de  finalibus  159;  u.  Aru- 
sianus  Messius  165;  s.  Arat- 
übers.  u.  Avien  17,  19;  u. 
Diomedes  154;  u.  die  Perie- 
gese  des  Dionysius  14;  u. 
JDonat    148,   149,    152;    u. 


Euirop  73;  a.  Nonius  134; 
n.  Servius  156,  157,  158. 

Priscillianisten  337;  u.  Am- 
brosius  331;  n.  Ausonius 
33;  u.  Philastrius  359. 

Priscillianismus  u.  Prudentius 
230. 

Priscillianus  837 ;  Canones 
zu  den  Briefen  des  Paulus 
340;  de  anima  340;  Würz- 
burger Traktate  341 ;  Streit- 
schnften  344;  u.  die  astro- 
logische Symbolik  119 
Anm.  1 ;  u.  Prudentius  223. 

Proba,  Centodichterin  197; 
u.  Damasus  196;  u.  Rufi- 
nus  382, 

Probus  (M.  Valerius)  u.  Diome- 
des 154;  u.  der  Terenzcom- 
mentar  des  Donat  146;  u. 
die  kritischen  Zeichen  452 ; 
u.  der  Vergilcommentar  des 
Servius  157. 

Probus  (Sextus  Petronius)  u. 
Auson  27,  31. 

ProculusGrogorius,praef.praet. 
im  J.  383  u.  Redner  119; 
u.  die  fasti  Ausons  28. 

Prodigien  u.  die  Pontifices  77. 

Propertius  (Sex.)  u.  Juvencus 
192. 

Prosper  von  Aquitanien  u. 
das  Carmen  ad  coniugem 
246;  u.  Paulus  Diaconus 
73;  u.  Tyconius  352. 

Prudentius  (Aurelius)  Cle- 
mens, Dichter  211 ;  Biogra- 
phisches 211;  Schriften: 
Apotheosis  221;  Catheme- 
rinon  214;  Dittochaeon  226 ; 
Hamartigenia  223 ;  Peri- 
stephanon  217;  Psycho- 
machia  224;  Gegen  Sym- 
machus 225 ;  Rückblick 
229 ;  Fortleben  232 ;  u.  die 
sog.  ambrosianischen  tituli 
210;  u.  Damasus  195,  196*; 
u.  Juvencus  193;  u.  Pauli- 
nus  als  Verfasser  von  tituli 
245;  Vergleich  beider  248, 
250;  u.  Symmachus  110; 
u.  Tiberianus  42. 

Psalterium  Gallicanum  409, 
410. 

Psalterium  Romanum  409, 
410. 

Pseudo  -  Ambrosius ,  Ambro- 
siaster 324. 

Pseudo-Apuleius  u.  die  me- 
dicina Pliuii  182,  183*. 

Pseudo  -  Asconius  u.  Servius 
158. 

Pseudo  -  Augustin  (Homilien) 
u.  Tyconius  352. 

Pseudo-XxjiäomuB  \x.  d^  «^%\a& 


caelestibos  34;  u.  die 
Sprüche  der  7  Weisen  3-5. 

Psendo-Callisthenes  n.  d.  Ale- 
xanderroman  44;  n.  die 
Metzer  Alexanderepitome 
46;  a.  das  Itinerariam  Al^ 
xandri  106. 

Pseudo-Ghalcidios  127. 

Pseudodositheana  160,  161. 

Pseudo-Palaemon  140. 

Pseudo-Quintilian  n.  Firmicns 
Matemus  125. 

Pseudo -Tertollian  ad  versus 
haereses  357;  n.  ad  versus 
Marcionem  202.  204,  (454); 
u.  Philastrius  859. 

Pseudo- Victorinus  u.  de  cruce 
145;  u.  de  fratribus  Mac- 
sabaeis  145;  u.  de  Jesa 
Christo  deo  et  homine  145. 

Ptolemaens  Chennus  o.  Septi- 
mius  81. 


Quaestiones   veteris   et  novi 

testamenti  325. 
Querolus  40;    u.  der  Delirus 

des  Axins  Paulua  31. 
Qoidam  sermo  Arianorum  sine 

nomine  auctoris  soi  286. 
Quintilianus    (M.   Fabius)    n. 

Fortunatianus  166;  n.  Hils- 

rius  272;  u.  C.  Julius  Victor 

167,  168*. 


Rabanus  Maurus  s.  Hrabanus» 
Maurus. 

Rampertus  u.  Philastrius  3H1. 

Recitationen  u.  Ammian  b^, 
90*,  94. 

Reisebecher  103,   104*. 

Relationes  114,   115*. 

Remedius,  Bischof  von  Chur, 
u.  die  Mosaic.  et  Roman. 
Icgum  collatio  329. 

Remigius  von  Auxerre,  s. 
Donatcommentar  147. 

Remmius  (Q.)  Palaemon  u. 
s.  Ausschreiber  129;  u.Oha- 
risius  150,  151*. 

Rhythmische  Prosa  41. 

Riparius,  Kleriker,  u.  Hiero- 
nymus 434. 

Rufinus  (Licinius),  Jurist,  s. 
Licinius. 

Rufinus  (Tyrannius)  371;  s. 
Uebers.  des  jüdischen  Kriegs 
u.  Hegesippus  100  Anm.  1 : 
unechte  Schriften  383;  u. 
Anastasius  I.  384;  n.  die 
collatio  Mos.  et  Rom.  let;. 
328,  329*;  u.  Epiphanius 
von  Salamis   372,   373;    u. 


Alphabeüftohes  Register» 


467 


402,  422,    433,   443,   445; 

IL  Origenes  382;  n.  Vigilan- 

ÜQS  434. 
Bofius  Festoa  s.  Festos. 
Rofiw  (Sex.)  u.  das  Ciiriosum 

59. 
Rmicins  n.  Prudentius  234. 
Batilius  Namatianas  u.  Auson 

40;   8.  Reisegedicht  n.  die 

Moeella  Ausons  37;  q.  der 

Querolus  41. 

S. 

Sabinas,  Bischof  von  Placen- 
tia,  Berater  des  Ambrosias 
289. 

Sabinas  (Jalins  Tryfonianus) 
u.  die  Recension  des  Nonius 
134. 

Sacerdos  (Claudius),  Gramma- 
tiker, u.  Diomedes  153;  u. 
Dosithens  160,  161. 

Sallustius  (C.)  CrispuB  u.  Am- 
brosias 102,  298;  u.  Am- 
mian  91,  97;  u.  Arusianus 
Messius  165;  u.  Aurelius 
Victor  66;  u.  Auson  40; 
u.  der  Dichter  Avienus  15, 
19;  u.  die  Erzählung  des 
Diciys  78;  u.  Firmicus 
Matemus  122;  u.  Hegesip- 
pus  78;  u.  Hieronymus  394; 
u.  Hilarius  272;  u.  Septi- 
mius  81;  u.  Symmachos 
118. 

Salvianus,  Priscillianist  387, 
:^38,  339,  342. 

Salvina,  Tochter  Gildos,  u. 
EUeronymus*  Anleitung  für 
den  Witwenstand  442. 

Saresberiensis  (Johannes)  u. 
Hegesippus  103;  u.  d.  Que- 
rolus 42. 

Satyrus,  Bruder  des  Ambro- 
sius,  Trauerreden  auf  ihn 
319;  Epitaphium  auf  ihn 
320. 

Scaliger  (J.)  u.  die  Chronik 
des  Hieronymus  403. 

Scaurus  (Terentius)  u.  s.  Aus- 
schreiber 129;  u.  Diomedes 
154;  u.  der  Yergilcommen- 
tar  des  Servius  157. 

Scotus  Erigena  u.  Chalcidius 
127. 

Script.  Hist.  Aug.  47;  Ver- 
teilung d.  Vitae  unter  sie 
49;  die  diokletian.  Reihe 
d.  Biographien  50;  die  con- 
stantin.  Reihe  d.  Biogra- 
phien 50;  Abfassungszeit 
51;  ChanÜLteristik  51 ;  ihre 
Quellen  53;  Urkunden  n. 
Dokumente  52,  54*;  die 
Hypothese     Deaaaxu     55  ; 


üeberlieferung  55;  u.  die 
Caesarea  des  Victor  67 ;  u. 
die  Chronik  des  Hieronymus 
403. 

Sedulius,  christl.  Dichter,  u. 
adversus  Marcionem  203; 
u.  der  Cento  de  verbi  in- 
camatione  199. 

Seneca  (L.  Annaeus),  Philo- 
soph, u.  Auson  40;  u.  Hie- 
ronymus 406, 431  ;  Sen.Trag. 
u.  Prudentius  231. 

Septem  libri  de  trinitate,  Trak- 
tat 280. 

Septimius  Severus  u.  Aurel. 
Victor  66. 

Septuaginta  409. 

Serenus,  poeta  neotericus,  u. 
Auson  27,  33. 

Sergius  =  Servius  155,  156*, 
157. 

Sergius,  Grammatiker  162; 
u.  die  explanationes  in  artem 
Donati  147,  158;  u.  die 
primae  ezpositiones  zu 
Donat  158;  u.  der  sog.  Trak- 
tat de  littefa  etc.  158. 

Servasius  (Sulpicins  Lupercus) 
iunior,  Dichter  43. 

Servius  =  Sergius  155,  156*, 
157. 

Servius  (Maurus  Honoratns), 
Grammatiker  155;  bei 
Macrob  155,  156*;  s. 
Vergilcommentar  155j  156*; 
s.  Commentar  zu  Donat  146, 
147,  155,  158*;  d.  Centi- 
mefarus  155,  158*;  de  fina- 
libus  155,  159*;  de  metris 
Horatii  155,  159*;  Glossen- 
sammlung 156,  155*;  die 
sog.  explanationes  in  artem 
Donati  147,  158*;  u.  der 
sog.  Traktat  de  litteraetc. 
158;  u.  der  Vergilcommen- 
tar des  Donat  148;  u.  der 
Querolus  42. 

Severus  u.  Ps.-Damasus  195. 

Severus  (Sulpicius)  u.  Hilarius 
272;  u.  Paulinus  245,  247, 
248;  u.  die  Priscillianisten 
337, 345,  346;  u.  Prudentias 
213. 

Sextus  Amarcius  u.  Prudentius 
235. 

Sextussprttche  fibers.  von  Ru- 
finus  375. 

Sidonius  (ApoUinaris)  s.  Apol- 
linaris. 

Silius  Italicus  a.  Juvencus  192 ; 
a.  Symmachus  118. 

Silvia,  die  sog.,  ihr  Wallfahrts- 
bericht 361;  u.  Petrus 
Diaconos  365. 

SilviuB  u.  PB.-D«mas^  \.^T>. 


[ 


Simplicianus,  Bischof  von  Mai- 
limd  333 ;  u.  Anastasios  I. 
334. 

Siricius,  Papst  333;  u.  Jovi- 
nian  430,  431;  u.  Optatos 
355,  356. 

Sirmond  (Jakob)  u.  der  Ano- 
nymus Valesii  99;  u.  Hila- 
rius 265. 

Sisinnius,  Mönch,  u.  Hierony- 
mus 416,  434,  435. 

Sisiphus  von  Eos  u.  die  Er- 
zählung des  Dictys  79. 

Sixtus  (Xystus)  Sprache  u. 
Rofinus  375. 

Sodoma,  altchristliches  Ge- 
dicht 188. 

Solinus  (C.  Julius)  a.  d.  Ge- 
dicht Sodoma  189. 

Sopater,  Neuplatoniker,  u.  Con- 
stantin  7. 

Sophronius,  griech.  Ueber- 
setzer  des  Hieronymus  448, 
449  Anm.  1;  u.  die  griech. 
Uebersetzung  von  Hierony- 
mus de  vir.  ill.  407,  408; 
u.  die  Vulgata  411. 

Soranus  von  Ephesus  u.  Vin- 
didanus  185. 

Sotion  u.  die  mulomedicina 
Monacensis  181;  u.  Palla- 
dins  173. 

Spartianus  (Aelius)  s.  Aelios. 

Sixtina,  die  Vulgata  412. 

Sixtus  V.,  Papst,  u.  die  Vul- 
gata 412. 

Statins  (P.Papinius),  Dichter, 
u.  Auson  40;  u.  Juvencus 
192;  u.  Prudentius  231. 

Statius  Tullianus,  Grammati- 
ker 162. 

Stephan  Harding  von  Citeaux, 
Abt,  u.  die  Vulgata  412. 

Stilicho    u.  Hieronymus  418. 

Stoa,  die,  u.  Ambrosius  309; 
u.  der  PelagianismuB  436. 

Suetonius  (C.)  Tranquillus, 
u.  Ambrosius  292,  293,  321 ; 
u.  Auson  28,  84,  38;  u.  die 
Stadtgesch.  des  Chronogra- 
phen v.J.  354  p.  58;  u. Dio- 
medes 154;  a.  die  Vergil- 
vita  des  Donatus  148;  u. 
die  sog.  epitome  Caesarum 
67,  68,  69;  u.  Eutrop  70, 
71 ;  u.  Hieronymus  402, 403, 
404;  u.  dessen  Catalog  452; 
u.  die  Hist  Aug.  47,  51,  53; 
u.  Paulinus  von  Nola  15, 
32,  238;  u.  der  Vergilcom- 
mentar des  Servius  157. 

Sulpicius  Severus  s.  Severas. 

Sulpitius  Victor,  Rhetor  167. 

Syagrins,  Gegner  des  Priscil- 


468- 


Alphabetiaohes  Begiiier. 


SyagriuB  (Flavios  Afranins), 
Dichter  48. 

Symmachi  u.  d.  Hss.  5  Anm.  2 ; 
u.  die  Nicomachi  85. 

Sjnnmachus  (Q.  Aorelins),  Red- 
ner 109;  8.  Briefsammlung 
110,  114*,  323;  Heraas- 
geber u.  Zeit  der  Heraus- 
gabe 115;  Ueberlieferang 
115;  8.  Reden  112;  Ueber- 
lieferang 118;  s.  Panegy- 
rikas  110;  Charakteristik 
117,  (454);  a.  der  Altar  der 

.  Victoria  8,1 10  ;a.Ambrosias 
820,  880;  a.  Anisianas 
Messias  165;  u.  Aasonios 
21,  28,  26,  80,  31,  85,  37; 
a.  das  Christentam  110; 
a.  die  EUst.  Aag.  48  Anm.  1 ; 
u.  Maximas  110;  a.  Lati- 
nias  Pacatus  Drepanias  108, 
109*;  a.  Praetextatas  128; 
a.  Prudentias  225,  227*; 
a.  das  alte  Testament  409. 

Symmachas  (Q.  Fabias  Mem- 
mius),  Sohn  des  Redners 
Symmachas  110,  111, 112*, 
114;  als  Heraasgeber  der 
Briefe  s.  Vaters  115;  a. 
Virias  Nicomachus  Flavia- 
nas  83. 

Symmachas  (Lacias  Aarelias 
Avianius),  Redner  a.  Dichter 
109,  111*. 

Sympronianus,  Novatianer,  a. 
Pacianus  335,  336. 


Tacitas  (Cornelius)  u.  Ammia- 
nu8  92,94,  96*,  97;  u.  Au- 
relius  Victor  67 ;  u.  Ausonius 
40;  u.  die  sog.  Epitome  68; 
u.  Hieronymu8  396;  u.Sym- 
machus  118. 

Tatianus  (?)  u.  C.  Julius  Vic- 
tor 168. 

Te  deum  laudamus  u.  Niceta 
211,  370,  371. 

Terentianus  Maurus  u.  Aph- 
thonius  138,  189;  u.  Dio- 
medes  154. 

Terentius  (F.)  Afer  u.  Aru- 
sianus  Messius  165;  u. 
Auson  29,  40;  u.  Julius 
Rufinianus  164;  u.  Nonius 
133;  u.  Symmachus  118. 

Terentius  Scaurus  u.  s.  Aus- 
schreiber 129;  u.  Diomedes 
154;  u.  der  Vergilcommen- 
tar  des  Servius  157. 

Tertullianus  (Q.  Septimius 
Florens)  u.  die  alteratio 
Heracliani  laici  cum  Ger- 
minio,  episcopo  Sirmiensi 
282;  a.  AinbrosiuB  296;  u. 


Helvidius  429;  u.  Hierony- 

mas  481;  u.  Hilarios  257; 

a.  der  lat.  Irenaeas  886;  u. 

die    Jurisprudenz   828;    u. 

Lacifer  278  Anm.  1 ;   u.  ad- 

versus  Marcionem  202, 203 ; 

u.   Pacianus  886,   887;   u. 

Prudentius  228,  230,  231* ; 

u.  die  Gedichte  Sodoma  u. 

de  Jona  188,  190;  u.  Theo- 

philus  xaxd  Magxitot^og  203 ; 

u.  Zeno  384  Anm.  2. 
Testamentum     porcelli     887 

Anm.  3. 
Tetradias  u.  Auson   26,  31*; 

Satirendichter  81. 
Thacomestus,      Metriker,    u. 

Aphthonius  188,  140. 
Theodulfus    u.    die    Vulgata 

412. 
Theodoretus,  Bischof  von  Cy- 

rus,  u.  Ambrosias  817,  818; 

u.  Rufin  879. 
Theodorus,  Abt,  Klosterregeln, 

übers,  von  Hieronymas  443 

Anm.  1. 
Theodorus    von    Mopsuestia, 

lateinisch  Übersetzt  278;  n, 

Hieronymas  436. 
Theodorus   Priscianus,    Arzt, 

u.  Vindicianus  184. 
Theodosius    d.    Gr.,    Kaiser, 

Trauerrede  des  Ambrosius 

auf  ihn  321;  u.  Ambrosius 

330,    331;    u.    Auson    21, 

29;  u.  das  Christentum  3; 

u.  die   fides  des  Faustinus 

280;    u.    die   Litteratur  9; 

u.  die  Luciferianer  278;  u. 

die  Martyrerverehrung  398 ; 

u.  der  Panegyriker  Latinius 

Pacatus  Drepanius  108;  u. 

Prudentius  226. 
Theodosius  U.,   Kaiser,  u.  d. 

Christent.  4. 
Theodosius    (?)    u.    s.    Wall- 
fahrtsbericht 365. 
Theodotion,     Bibelübersetzer, 

u.  d.  alte  Testament  409. 
Theon  u.  Auson  26,  31. 
Theophilus   von  Antiochia  u. 

adversus  Marcionem  20--^. 
Theophilus,  Bischof  von  Ale- 
xandria ,  u.  A  nastasius  1.334; 

u.   der  origenistische  Streit 

432. 
Tiberianus,   Dichter  42;   und 

Ausonius  42. 
Tiberianus,  Priscillianist  344, 

346*,  347,  348. 
Tibullus    (Albius)     u.    Auson 

40;  u.  Paulinus  243;  u.  Pru- 
dentius 217. 
TichoTvinft  ».  T-^eonm^. 
\  TiconixiB  a.  TycoTusÄ. 


Tilias  (Joannes)  a.  Aoson  24.  . 
Timagenes  u.  Ammianns  91.  I 
Timotheus,     Erzdiakoo    von    ! 

Alexandria,  a.  die  histofii    | 

monachomm  877.  ' 

Titiana8(?)  u.  C.  Julias  Victor     | 

168.  I 

Tractatos  contra   Arianoe  o. 

Hilarras  270,  (455). 
Tractatus  Origenis   de  libris 

s.  scripturanun  280. 
Trajanus,  Kaiser,  die  Consti- 

totiones  u.  Patemos  177. 
TrebeUiua  Pollio,    Historiker, 

s.  Persönlichkeit  47,  49;  8. 

Schriftstellerei  51;  n.  Cod- 

stantiua  52. 
Taribius,  Bischof  von  Astorga, 

Gegner  des  PriscillianJBnms 

347,  349*. 
Tychonios  s.  Tyconias. 
lyconius,    Donatist   850;   a. 

Parmenian  853. 

U. 

Ulfila,  GothenbiBehof  284;  n. 
der  Lukascommentar  285. 

Ulpianus  (Domitias)  o.  die 
Mosaic.  et  Roman,  legam 
collatio  329;  a.  die  Frag- 
menta  vaticana  169,  170. 

Uranias,  Verfasser  von  de 
obitu  Paulini  237. 

Urbanus,  Grammatiker,  u.  der 
Vergilcommentar  des  Ser- 
vius 157. 

ürsulus  u.  Auson  26,  31. 

V. 

Valens,  Kaiser,  u.  das  Christen- 
tum 2;  u.  Eutrop  69;  u. 
Festus  74,  75*. 

Valentinian  I.,  Kaiser,  Ver- 
fasser eines  cento  nuptialis 
29;  u.  Ausonius  20,21,35; 
u.  Auxentius  bezw.  Hilarins 
264,  265;  u.  das  Christen- 
tum 2;  u.  die  Litteratur  8. 

Valentinian  IL,  Kaiser,  Trauer- 
rede des  Ambrosius  auf  ihn 
320;  u.  Ambrosius  288, 330; 
u.  das  Christentum  3;  u. 
die  Luciferianer  278 ;  u.  (?) 
Vindicianus  184. 

Valerius  Antias,  Historiker,  u. 
de  vir.  iU.  64. 

Valerius  (Julius)  Alexander 
Polemius  44. 

Valerius  Maximus  u.  Ammian 
97;  u.  Symmachas  118. 

Valesius  (H.)  u.  der  Anony- 
mus Valesii  99. 

Varro  (M.  Terentius),  s.  ephe- 


Alphabetiflohe«  Register. 


469 


den  u.  Ladas  Aarelias  Avi- 
fluüas  Sjmmachus  109,  111; 
o.  die  metrischen  Systeme 
188;  o.  de  vir.  ill.  64. 

Vegetias  (Fl.)  Renatas,  Mili- 
tärsehriftsteller  175;  Ve- 
terinär 178;  Identität  beider 
180;  a.  Pelagonias  174. 

Velleias  (C.)  Patercalos  a. 
Ammian  97. 

Venantios  Fortonatas  als  Bio- 
graph des  Hilarias  255; 
n.  Hilarias  273;  a.  Praden- 
tiiiB  234;   a.  Rafinos  883. 

Yeranins  a.  die  origo  63. 

Veratias  a.  die  origo  63. 

Vergilias  (F.)  Maro  u.  die  Alle- 
gorie 452;  a.  Arasianas 
Messias  165;  a.  Aasonias 
29,  34,  38,  40;  a.  Avien  16, 
19;  a.  de  crace  145;  a. 
Damasos  194,  195*;  a.  die 
Erzählang  des  Didys  78; 
a.  Hieronymas  448;  a.  Ja- 
lias  Rafinianas  164;  a.  Ja- 
▼eneas  190,  191,  192*;  a. 
laades  domini  188;  a.  de 
fratribas  Maccabaeis  145; 
o.  ady.  Marcionem  203; 
a.  die  Invective  gegen  Nico- 
machas  200;  a.  Pacianas 
337;  a.  Palladias  173;  a. 
Paulinas  250;  a.  die  Cento- 
dichterin  Proba  197 ;  a.  Pra- 
dentias  231;  a.  Septimias 
81;  n.  Servias  155;  a.  Sym- 
machas  118;  a.  die  Troia- 
sage  77;  a.  die  ürgesch. 
Roms  60;  a.  der  Veterinär 
Vegetias  180. 

Vergilappendix  a.  Aasonias  36. 

Yergilcentonen  199:  Pom- 
ponius,  de  verbi  incamatione, 
de  ecclesia. 

Verrias  (M.)  Flaccas  a.  Marias 
Victorinas  138,  140;  u.  No- 
nias  133;  a.  die  origo  gentis 
romanae  61,  62. 


Veterinärmedizin,  eine  Mün- 
chener Handschrift  181. 

Victor  f  Aarelias)  s.  Aarelias. 

Victor  (C.  Jalias)  s.  Jalias. 

Victor  (Salpitias)  s.  Salpitias. 

Victoria,  Altar  der,  u.  der  Streit 
am  denselben  116,  117. 

Victorianas  a.  Livias  85;  a. 
Nicomachas  83. 

Victorinas,  de  nativitate 

Domini  a.  de  lege  Domini 
204. 

Victorinas  (C.  Marias),  Rhetor 
a.  Philosoph  137;  a.  Atilias 
Fortanatianas  136;  a.  der 
Arianer  Candidas  283;  a. 
Gharisias  151;  a.  Hierony- 
mas 426 ;  a.  adversas  Mar- 
cionem 203;  a.  adversas 
Marcionitas  145. 

Victorinas  (Maximas  oder 
Maziminas)  and  de  ratione 
metroram  a.  de  finalibas 
metroram  139,  141*. 

Victorinas  von  Pettan,  s.Apo- 
calypsecommentar  a.  Hiero- 
njrmas  426,  427*;  a.  Helvi- 
dius  429;  u.  adversas  Mar- 
cionem 203;  u.  der  tractatas 
Origenis  de  libris  s.scriptara- 
ram  280;  a.  Tyconias  352; 
a.  Victorinas  Afer  (454). 

Victorias  (Hago)  a.  Hierony- 
mas 431. 

Victricius,  Bischof  von  Ronen 
333,  334*. 

Vigilantias,  Häretiker  434*, 
435;  a.  Hieronymas  389, 
391,  433,  441. 

Vigilias  von  Thapsas  a.  de  fide 
orthodoza  contra  Arianes 
280;  a.  Septem  libri  de 
trinitate  280;  n.  die  Schrift 
contra  Maribadam  348;  a. 
Syagrius  349. 

VigUias,  Bischof  v.  Trient  333 ; 
u.  Ambrosins  303. 

Vigilias,  Papst  253,  (455). 


Vincentias,  Kleriker,  u.  Hiero- 
nymas' üebers.  des  Ori- 
genes  413. 

Vindicianas,  Arzt  184. 

Virgilias,  s.  Wallfahrtsbericht 
366. 

Vita  Dalmatii  episcopi  Rnteni 
n.  Pradentias  234. 

Vitalis  n.  der  Amphitrao  42; 
n.  der  Qaerolas  42. 

Vitellias,  Donatist  353. 

Vitravias  PoUio  a.  Palladias 
171. 

Vopiscas  (Flavias)  s.  Flavias 
Vopiscas. 

Valcacias  (jkkUicanas,  Histo- 
riker, s.  Persönlichkeit  47, 
49;  s.  Schriftstellerei  50. 

Valcatias  (?)  a.  die  origo  62. 

W. 

Walahfrid  Strabo  a.  Praden- 
tias 233. 

Walter  von  Speyer  a.  Damasas 
196. 

Widakind  a.  Hegesippas  103. 

Wilhelm  von  St.  llieoderich, 
Cisterciensermönch,  n.  der 
commentarias  in  cantica 
canticoram  308. 

Walfila  s.  Ulfila. 

X. 

Xenophon,  s.  Gyropädie  a. 
Ambrosias  296. 

Z. 

Zeno,  Bischof  von  Verona  334; 

a.  Potamias  284. 
Zeno,  Rhetor,  a.  SalpitiasVictor 

167. 
Zosimas  a.  Ammianas  91;  a. 

die  sog.  epitome  Caesaram 

69. 
ZwOlftafelgesetz  a.  die  Mosai- 

caram  et  Romanaram  legam 

collatio  327. 


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ofaeo.     1899.      I.  573  8.    Geh.  15  UK 

8fr.  Sannt  nnbDr.  e|r.  Qe^er:  |tr4ei|rW4te  fir  Iti  ms|rUHe  ins.     s.  bduig   umecar. 

Ibettete  unb  ftatt  Detmel^Tte  tCuftage.  1903.  fit.  8«.  Stit  mcl^T  al«  750  «TbiUbRngni  im  Xtjsi 
nnb  ao^treid^rn  Seilagen.    3n  feinfiem  ^alMebetlbanb  15  Jl 

Dr.  %\htxi  Stelf^oloMQ:  §irt|r.  6etn  geben  unb  feine  SBerfe.   :2^r  itoti  SSnbeiu  Ctfiei  »anb 

(mit  SitelgratJÜte  nad^  Sif^bein«  Ooetl^e  in  3talien).  8.~ft.)(uft.  33  8og.  ^n  eleg.  Seinenbanbe  duK; 
in  f.  Siebl^abetbanb  8»4;50^-3toeiteTSanb  (mit  :$of.  etietei«  Osctl^e'Silbni«).  1.-4.  Vnf  tage. 
47  Sog.    3n  eleg.  Seinenbanbe  8 ul ;  in  f.  Siebl^alberianb  10uit50^   (6oebenerf(|icnen!) 

SB.  Sigftt:  |(ll«trf4ti  9ttf  iUltb.  «in  militStifd^e«  Sebenfbilb.  2  Sbe.  50  Sog.  mit  12  AartenbeUagen 
OffiiietfauSgabe.    (Steg.  geb.  ul  6.-. 

Dr.  ^teobor  8itteranf:  itr  hirltienf^e  lilitih  im  7iai^rigvn  Ariege.  1901.  usog.  8«.  Oe^.  5^ 

Dr.  ^an8  Slnm :  lirf  9t««träl  Itl  fei«  Jett,  «ine  Siogtalil^ic  fftt  ba«  beutfil^e  »o».  e  SSnbe  nebfl 
llnl^ang-  unb  ^legifterbonb.    3n  7  eleg.  SeintoanbbSnben  20  Ji 

Karl  Brugmann:  Griechische  Grammatik  (Lautlehre,  Btommblldmiger  und  nexlonalehre,  Syntu).  Nebet 
einem  AnhADg  über  griecb.  Lexikographie  von  Prof.  Dr.  Leopold  Oohn  (BreaUa).  Dritte  Auflage. 
1899.    41  Bog.    Lex.-8o.    Geh.  12Ult    Geh.  U  Ji 

W.  V.  Christ:  Geschichte  der  griechischen  Litteratnr  bis  auf  die  Zeit  Jnstinians.     Dritte 

Auflage.    60  Bog.    Lex.-S®.     1898.    Geh.  16  UK  50  ^;  in  Halbnrans  geb.  18  Ji  60  J^ 

VScantO  Sonbtnt:  Im  frbei  IW^eltlfrlff.  «u«  bem  ^talirnifil^en  fiberfeit  unb  erUutcTt  bon  ^emMtttt 
Vrwfel.    SRit  neun  Sid^tbruden.    16  Sog.    8«     1898.    Oe^.  5  UK;  eleg.  geb.  6  UK  50  ^ 

Reni  Descartes:  MeditationeS  de  prima  pilOSOphia.  Nach  der  Pariaer  Origiaalauagabe  und  der  ersten 
FranzdelBchen  Uebersetzung  mit  AnmeAungen  neu  herausgegeben  yon  Dr.  0.  Güttier.  1901.  V,  250  S. 
8«.    Geh.  4  UK  50  ^ 

Dr.  A.  Döring:  Die  Lehre  des  Sokrates  als  soziales  Reformsystem.    Neuer vezaueh  anr  LSaung 

dea  Problems  der  SokraUschen  Philosophie.    1895.    X,  615  8.    Geh.  11  UK  50  ^ 

i^onrab  ^Uben:  itr  Imtf^e  jU^tMretbUf  nebft  3ntei)iuntHonftlcl^ie  unb  auSffi^tlie^em  SDbrteTberiei^iiU 
naify  ben  für  Seutffl^lanb,  Oefletreid^  unb  bie  6(|toeia  gfiltigen  Kegeln.  7.  9luflage.  1.— 4.  9lbbruif 
1902.    (Sieg.  geb.  80  A 

K.  €(rtarb:  |rti}  §nl9tr}er.    Sein  Seben  unb  feine  äBerte.    a^eutf^e  «ufgabc  bon  0iiti%  SMcr. 

Vtit  $0Ttt5tS  unb  ^acfimileft.   84  Sog.  8«.   9t%.  ejtSO^;  eleg.  geb.  7««  50^ 

A.  Englert:  Anthologie  des  Pontes  Fran^ais  Modernes.   Blutenlese  firansMsoher  Lyrik  des  lo.  Jahr- 

huDderts.    3.  AnfL    1902.    Geh.  1  UK  80  4;  geb.  2  .^  25  JL    Geschenkband  2  .^  80  <^ 

A.  Englert :  Die  Rhythmik  FiSChartS.  Em  Beitrag  aur  (»eschiohte  der  dentsehen  Metrik.  6V«  Bog.  gr.  B9, 
1908.    Geh.  4  Jk 

3.  Sfriebri^:  ||it}  in  Piltiier.    Sein  Seben  auf  ®runb  feined  fd^riftlid^en  ^lad^laffed.    «Drei 

SSnbe.     116  Sog.    8«.    1899-1901.     9t\i.  32  UK;  eleg.  geb.  88  j| 

Dr.  Friedrich  Qlauning,  schuirat  in  Nürnberg:  Didaktik  nnd  Methodik  des  englischen  Unter- 
richts.    8.  neubearbeitete  Auflage.    1903.    Geh.  2  j|  50  ^;  geb.  8  ul  50  ^ 

H.  %i,  n.  ^eigel:  |Uie  lef^t^tlt^^  ifM**  21  Sog.  8».  1902.  9c^.  7  uk;  geb.  8  .^  50  4 

J.  Köberle:  Babylonische  Knltor  nnd  biblische  Religion,    sm  erweiterter  Vortrag.    1903.  Geh. 

lUK  20^ 

J.  Köberle:  Natur  und  Geist  nach  der  Anffasning  des  alten  Testaments,  sine  Untersuchung 

der   hlstoriscben   Psychologie.    19  Bog.    8^    1900.    Geh.  7  Ji 

Franz  Hummerioh:  Vasco  da  Gama  und  die  Entdeckung  des  Seewegs   nach  Ostindien. 

Auf  Grund   neuer  Quellenuntersuchungen  dargesteUt    Hit  einer  PhotograTÜre  und  drei  wissenschaft- 
lichen Beilagen.    1898.    15  Bog.    gr.  8«.    Geh.  6  .^  50  ^ 

Dr.  9R.  Pronenberg:  |tlt.  6ein  Seben  unb  feine  Seigre.  «.  umgeaib.  u.  bemel^rte  «uft  1904.  27Sog. 
Oe^.  4  Jt;  geb.  4  UK  80  ^ 

Dr.  R.  i^ronenberg:  iHllerie  IltUriflri.  $ortrSt«  nnb  (Sl^arafteTiflifen.  I6  Sogen.  Oel^.  4  UK  50  ^; 
elegant  geb.  5  UK  50  ^  Onl^alt:  ^ermann  £o|e.  -  &.  9Ub.  Sänge.  -  Siftor  Gonfin.  —  Subtoig 
^euetbai!^.  —  ^a^  6timec.) 

Dr.  W.  Pronenberg:  |r.  yif^He  i*b  Fetie  imriwirtl.   Sortrag.  1901.  Oei^.  75^ 

Karl  Krumbacher:  Geschichte  der  byzantinischen  Literatur,  zweite  Auflage  unter  Mitwir- 
kung von  A,  Ehrhard  u.  U.  Oelzer.    1897.    76  Bog.    Lex.-S«.    Geh.  2i  Ji;  in  Halbfhmx  geb.  26  UK  50  ^ 

Dr.  Sngen  ftfibnemann:  ierlrn  |rbei.  anit  einem  subni«  in  ^i^otogtabfire.   xix  4i8  e.  Bf>.  Oei^. 

6  UK  50  4;  geb.  7  UK  50  4 

Sebendfragen.  «u«  ben  $a^ieren  eine«  3)enler«  bcaibeitet  unb  l^etaufgegebcn  bon  «ttf at  Ct^etl.  2.  «uf< 
läge.   «el^.  3  Ji  Oeb.  mit  OolbfAnitt  4  ji 

Wilh.  Lermann:  Athenatypen  auf  griechischen  Mümen.  Beitrüge  aur  Geschichte  der  Athena  in  dar 
Kujut  Mit  2  Täfeln.    1900,  Y,  92  8.    gr.  8*.    Geh.  &  A  bO  4 


C.  BL  Beok*sche  Verlagebüchhandlnng  (Oskar  Beck)  in  Mflnchen, 


Nene  Enrehelnungen  (FortMtnmg). 


Ernst  Maas:  Orpheiia.     UnteMa^imgeit  rar  grleohiMben,  rdmlMhen,  «Itolirtetllcbeii  JenseitididitaBC  ui 

BeUgloiu    Mit  2  Tklüln.     1895.     VI.  834  &    Geb.  8  Jk 

Dr.  9l^»lf  VlaH^M,  Okl^.  fttfitevuiigfrat  nnb   boTttafienbet  ftat  in  t.  pm^  IhiUntintiiifleTiB« :   }u 
d4>lf,  ilterri^it  lll  €rfir|llf.    OefamneUe  «uffSle.    1901.  Oel^.  8  UK;  geb.  9  ui  50  ^ 

Dr.  Adolf  Matthias:  Präktiache  Pädagogik  fttr  höhere  Lehranstalten,  a.  neab.  Aofuge.  i908. 

10^/«  Bog.    Gteb/S  Jl:    geb.  6  Jt    [donderaiiegabe  aus:   Handbooh  der  finiebuiiga-  u.  Dnterrlcfattlefan, 
herauag.  von  A.  Bmim§i§t§r,] 

Dr.  Kbolf  Wati)ia8:  Pb  rr|ie|fa  «tr  lafen  Si|i  fraitwii?  ciniBiie^  fftt  bentfd^c  »&ter  nnb  vtittn 

4.  «uftage.   1902.  «eb.  4  UK 

Dr.9lboIf  WattltiaS:  Pbvfrleiviritalfrlet  §11*9?    t.  «ufiaflc  1902.  Ocb.  4uit 

Wilh.  Munoh,    Oeh.  Beg.Bat  n.  Profensor  d.  Pftdigogik  ».  d.  ÜDiTen.  Berlin:  Didaktik     Und    Methodik 

des  französischen  Unterrichts,  a.  umgearbeitete  o.  vermehrte  Aofl.  1902.  12  Bog.  Le2.-8^. 
Qeb.  4  Jk;  geb.  6  Jk 

Benedictus  Niese:  Gmndriss  der  römischen  Geschichte  nebet  Quellenkunde.  zweiteAufitge. 

1896.    17  Bog.    Lex.-b*     Geb.  6  UK    In  Halbfrans  geb.  6  ^  50  ^ 

^ermann  8fr)r.  o.  b.  yf erbten^  ^tibat.^oarnt  in  aRfin^en:  PifUitltMr  tft|9.    2  sanbe.  «e^  a 

AJkbOA.    Oeb.  küJk  504. 

stöbert  ^Stlmann :  %m»  Jüterlt«  tal  §r|nivirt.  okfammette  tibbonbinngni    1895.  25>/b  Sog.  s«.  eirg. 

geb.  7  Jk 

9to(ert  ^dblmann:  §eMU|te  Irs  tatihea  ffwaraaifm»  aal  Ssilalismis.  2  eanbr.   isds,  i»}i.  8». 

0eb.  23  ^  50  4;  clcfl.  geb  27  Jl  50  <j(. 

Robert  Pöhlmann:  Gmndriss  der  griechischen  Geschichte  nebst  Queiienirnnde.  zweite  kati 

1896.   17  Bog.  Lex.-80.   Geb.  5uit:  in  Halbfrans  geb.  6Ult  50  «^ 

Otto  Richter:  Topographie  der  Stadt  Rom.    2.  Yöiiig  umgearb.  Aufl.  1901.  Hit  82  Abbild,  im  Text. 

18  Tafeln  und  2  Pl&neu.    iVjt  Bog.    Lex.-8«.    Geb.  15  Jk 
^,  9)0fitCffn:  ytftil.   I.  Ztll  (Oorbemerlungm.    VHgeinrinr  9tnat))fe  bet  ))f))i!^ifi!l^en  Qorgange  bftn  Oeanfi 
einet  S^id^tung).    20  »ogen.    8«.    1902:    Qeb.  7  jk;  geb.  8  Jk 

Martin  Schanz:  Geschichte  der  römischen  Litterator.     i.  Teil:  Die  zeit    der   Republik. 

a.  Aufl.  28*^  Bog.  Lex.-8«.  1898.  Geh.  7  J{  50  ^;  Ualbfi«nzband  9ult  -  n.  Teil.  1.  Hälfte:  Die 
AURUStische  Zeit.  a.AnfL  24  Bog.  1899.  Geh.  7ult:  Halbfransbd.  8  UK  50^  IL  Teil.  2.Hilftc: 
Vom  Tode  des  Augustus  bis  su  Hadrian.  a.  Aufl.  1900.  27  Bog.  Geb.  7uK50^;  in  Halb- 
tnhd,9Jk  -  lU.  Teil:  Von  Hadrian  bis  Oonstantin.  1896.  27^^  Bog.  Geh.  1  Jk  50  S-i  1°  Halb- 
franzbauü  9  UK  —  IV.  Teil,  1.  Hälfte:  Die  Litteratur  des  4.  Jahrhundert«.  1904.  Sl  Bog. 
Geb.  8  .41  80  ^:  in  Halbfhinzband  10  Jk 

Victor  Schultze:  Archäologie  der  christlichen  Kunst  Mit  120  Abbildungen  im  Text.  i895.  J6  Bog. 

gr.  H*".    Geh.  lO.Ä ;   Reb.  11  UK 50 ^ 

Victor  Schultze:  Die  Quedlinbnrger  Itala-Miniatoren  der  kgi.  Bibi.  zu  Berlin.   Fragmente  aus  der 

ältesten  christl.  Buchmalerei.    Mit  7  Tafeln  u.  8  Textbildern,    gr.  A^.     1898.    Geh.  15  Jt 

Victor  Schultze :  Codex  WaldeCCensis.  unbekannte  Fragmente  einer  griecb.-Ist.  Bibelhandschrift.    1904. 
23  8.    40  mit  8  Abbild.    Geb.  2  Jk  bO  A 

flU0Ufl  6|)erl:    Pir    |fll|rt    at4    Irr    iura  irkaale.    Okimititn  unb   »Über  au«  bem  Lieben  eine«  (^mt. 
gTantengcf(!§Ie(!^td.    ©rd^fte   unb  fiebente  Auflage.    Öeb.4.A50<9. 

flUgufl  Flierl:  fit  Bil^nf  hB  lerrn  finlivii.    {Hm  S^id^tung     Sierte  «u flöge.     2  »be.     Oeb.  10.4 
O^eb.  \2Jk 

%rX^Vi^  BptVi:    Iriltilf  ftanffa.     (^in  ®ang.    I898.    Gleg.  geb.  S  .^  50  «il    9lit  Oolbfd^nitt  geb.  4  JK  50  ^ 

Fr.  Stählin:  Die  Stellung  der  Poesie  in  der  platonischen  Philosophie.  1901.   Geh.  2  a 
Paul  Stengel :  Die  griechischen  Kultusaltertümer.   2.  aua.    i898.    Mit  5  Tafein.    15  bor.  lcx.-s« 

Geb.  b  ^Hii  in  Ualbfrzbd.  6  Jk  bO  ^ 

Friedr.  Stolz  und  J.  H.  Schmalz:  Lateinische  Grammatik:   Laut-  und  Fiexionsiehre:    Syntax  und 

Stilistik.  Mit  Anhang  über  latein.  Lexikographie  von  Ferd.  Heerdegen.  Dritte  Auflage.  1899 
87  Bor.   Lex.-8o.    Geb.  11  ^K:  in  Halbftanzband  13  Jk 

Ctto  aou  ÜBolbernborff:  lamliff  yitahreiea  eiaet  Jlüfn  pia^neri.    fttut  gfoige.  isos.  27  Sog    «eb 

bjk  50^;  elcg.  geb  6.Ä50A 

3ol^Qnned  S^olfelt:  |fll)rtili  in  trttgifiirn.  (»eb.  8  jt;  eieg.  geb.  9  jk 

3ofianmi  ä^olfelt:  |ran{  driOfarirr  ale  Pfiiter  In  frtfifiie«.    &t^.  3  .ai:  eieg.  geb.  4uk 

Volkmann-Hammer  und  H.  Gleditsch :  Rhetorik  und  Metrik  der  Griechen  und  Römer.     Ncb«^ 

einem  Anhang  über  die  Musik  der  Griechen.     Dritte  Auflage.    ^1901.    22  Bog.    Lex.-8<^.     Geh.  8.4 
BO  A:  in  Halbfranzband  10  ^  60  A 

Dr.  ^.  Söebcr:  |fllltlll  «nk  lan).  ein  Beitrag  gut  ^(efcbid^te  ber  ^ffilo^opW  im  3eitalter  ber  «uf* 
flärung.    1904.    17  »og.    8«.   Öeb.  i  Jk;  geb.  4  uK  80  ^ 

Gustav  Wandt :  Didaktik  und  Methodik  des  deutschen  Unterrichts  und  der  philosophischen  Propä- 
deutik an  höheren  Schulen.    1896.    Geh.  3  ^  50  A 

Georg  Wissowa:   Religion  und  Kultus  der  Römer.    1902.  34  Bog    Lex.^»    Geh.  10.«;  geb.  12. a 

9l0inQn    Söoerner:     ^riöotboient  an   ber   Uniberfttat  »lün^en:    Jfllrill  Ikfw.     3n  jtoei  :öanb«n.    (6t Ret 

©  an  b  1828-1873.    26»ofl    8«.    öeb- 8  .Ä ;  eieg.  geb.  9  JJ 
Theob.    Ziegler:    Geschichte    der  Pädagogik   mit    besonderer   Berücksichtigung   des    höheren    ünter- 

rlchtswesens.    2.  neu  bearbeitete  und  vettneYiTtc  kvxtVa^e.  \^V.  ^^  "fto^.  "Vä-ilv^.  Qi^\\.A  JW\Vtv'VÄ\e:^vsA.- 

i^and  8JK;  Haibfttuizbaud  8^1  50  «^ 


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