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HANDBUCH
DER
KLASSISCHEN
AETEETÜMS-WISSENSC
in systematischer Darstellung
mit besonderer Rücksicht auf Geschichte und Methodik der einzelnen
Disziplinen.
In Verbindung mit Gymn.-Rektor Dr. Autenrieth f (Nürnberg), Prof. Dr. Ai
Bauer (Graz), Prof. Dr. Blass (Halle), Prof. Dr. Brugmann (Leipzig), Prof. DJ
Busolt (Kiel), Prof. Dr. v. Christ (München), Prof. Dr. Leop. Cohn (Breslaui
Prof. H. Gleditsch (Berlin), Prof. Dr. 0. Gruppe (Berlin), Prof. Dr. Günthf
(München), Gymn.-Rektor C Hammer (Würzburg), Prof. Dr. Heerdegren (B
langen), Prof. Dr. Hommel (München), Prof. Dr. Hübner f (Berlin), Prof.
Judeich (Erlangen), Prof. Dr. Jul. Jung (Prag), Prof. Dr. Krumbache
(München), Prof. Dr. Larfeld (Remscheid), Dr. Lolling f (Athen), Prof.
Niese (Marburg), Prof. Dr. Nissen (Bonn), Prof. Dr. Oberhummer (WienJ
Priv.-Doz. Dr. Ohmichen (München), Prof. Dr. Pöhlmann (München), Gymi]
Dir. Dr. 0. Richter (Berlin), Prof. Dr. M. von Schanz (Würzburg), Prof.
Schiller t (Leipzig), Gymn.-Dir. Schmalz (Rastatt), Prof. Dr. Sittlf (Wüi
bürg), Prof. Dr. F. Stengel (Berlin), Prof. Dr. Stolz (Innsbruck), Prof.
ünger (Würzburg), Prof. Dr. v. ürlichs t (Würzburg), Prof. Dr. Morit
Voigt (Leipzig), Gymn.-Dir. Dr. Volkmann f (Jauer), Prof. Dr. Windelbai
(Strassburg), Prof. Dr. Wissowa (Halle)
herausgegeben von
Dr. Iwan von Müller,
ord. Prof. der klassischen Philologie in München.
Achter Band.
Geschichte der römischen Litteratur
bis zum Gesetzgebungswerk des Kaisers Justinian.
MÜNCHEN 1904
C. H. BECK'SCHE VERLAGSBÜCHHANDLUNG
OSKAB BECK.
GESCHICHTE
DER
KOMISCHEN LITTERATUR
Von
Martin Schanz,
ord. Profeasor an der üniTerdtit Wönburg.
Vierter Teil:
Die römische Litteratur von Constantin Ms znm
Gesetzgebnngswerk Jnstinians.
Erste Hälfte: Die Litteratur des vierten Jahrhunderts.
Mit alphabetischem Register.
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MÜNCHEN 1904
C. H. BECK'SCHE VERLAaSBÜCHHANDLüNG
OSKAR BECK.
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KO.
Alle Rechte vorbehalten.
C. H. Beck'sche Baohdrackerei in N6rdlingen.
A.
ohaltsverzeichnis zum vierten Teil, erste Hälfte.
Einleitnngr. Seite
lentum und Christentum 1
g der Litteratur 5
demng « . . . . 6
A. Die liltteratnr des Tlerten Jahrhnnderls.
Stellimg der einzelnen Kaiser znr Litteratur.
staDtin und Constantins (324 361) 6
anufl (361—363) 8
jntinian und Gratian (364-383) 8
odosius der Grosse und Eugenius (379 — 395) 9
1. Die nationale Litteratar.
a) Die Poesie.
1. Publilius Optatianus Porfyrius.
Gedichtsammlung des Publilius Optatianus Porfyrius .... 10
rakteristik 11
2. Rufitts Festus Avienus.
Lehrgedichte des Avienus 13
3. Decimus Magnus Ausonius.
Leben des Ausonius 20
Ausoniusausgaben 23
Werke des Ausonius 26
Mosella 36
rakteristik ... 38
4. Der anonyme Dichter des Querolus.
Komddie des Querolus 40
Ädere Dichter 42.
b) Die Prosa.
ff) Die Historiker.
1. Julius Valerius.
Alezanderroman 43
Metzer Alexander-Epitome 46
2. Die Scriptores historiae Augustae.
Historia Augusta 47
rakteristik der Historia Augusta 51
3. Der Chronograph Tom Jahre 354.
mder und andere Verzeichnisse 56
VI InhaltsverBeichnis zum vierten Teil, erste H&lfte.
4. Aurelius Victor.
797. Historia tripertita
798. Die origo gentis romanae
799. De yiris illustribus urbis Romae
800. Die Caesarea des Aurelius Victor .
801. Die Epitome
5. Eutropius.
802. Das Breviarium Eutrops
6. Fest US.
803. Das Breviarium des Festus
7. Julius Obsequens.
804. Das Wunderbücblein des Julius Obsequens (liber prodigiorum)
8. Lucius Septimius.
805. Das Tagebuch des Dictys vom troianischen Krieg
9. Virius Nicomachus Flavianus und die anderen Nicomachi.
806. Die Annalen des Nicomachus
10. Ammianus Marcellinus.
807. Sein Leben .............
808. Ammians Werk
809. Charakteristik
11. Anonymus Valesii.
810. Zwei historische Fragmente
12. Der sog. Hegesippus.
811. Die Uebersetzung von Josephus* jüdischem Krieg
ß) Die GeograpJien.
Die Itinerarien.
812. Die Reisebecher, das Itinerarium Antonini und Hierosolymitanum
813. Itinerarium Alexandri
y) Die Redner {Deklamatoren).
1. Claudius Mamertinus.
814. Danksagungsrede des Claudius Mamertinus für das ihm von Julian verliehene
Consulat .............
2. Latinius Pacatus Drepanius.
815. Der Panegyricus des Latinius Pacatus Drepanius auf Theodosius
3. Q. Aurelius Symmachus.
816. Biographisches
817. Die Reden des Symmachus
818. Die Briefsammlung des Symmachus
819. Die Relationes
820. Charakteristik
<f) Die Philosophen.
1. Julius Firmicus Maternus.
821. Das astrologische Werk des Firmicus Matemus (matheseos libri VIII)
822. Ueber den Irrtum der heidnischen Religionen (de errore profanarum religionum)
2. Chalcidius.
823. Uebersetzung des Timaeus mit Commentar
3. Vettius Agorius Praetextatus und andere Philosophen.
824. Die lateinische Bearbeitung der aristotelischen Kategorien von Praetextatus .
e) Die Fachgelehrten.
1. Die Grammatiker und Metriker.
825. Allgemeines
InhalUverseichnis zum vierten Teil, erste Hälfte. VU
1. Nonius Marccllus. s«*^«
)Gndiosa doctrina 181
2. A t i I i u 8 F 0 r t u n A t i a n 11 B.
rik des Atilius Fortunatianus 136
8. C. Mari US Victorinus.
lisches 137
grammatica des Marias Victorinus 138
tare, üebersetzungen und philosophische Schriften .... 141
►logischen Scluriften Victorins 148
4. Aelius Donatus.
mmatik und die Commentare des Donatus 145
5. Flavius Sosipater Charisius.
mmatik dos Charisius 149
6. Diomedes.
mmatik des Diomedes 152
7. Servius.
ellerei des Grammatikers Servius 155
8. Dositheus und andere Grammatiker,
nmatik des Dositheus 159
2. Die Rhetoren.
1. Aquila Romanus,
u-enlehre des Aquila Romanus 162
2. Julius Rufinianus.
US Rufinianus Handbüchlein über die Satzfiguren . . 164
3. Arusianus Messius.
mlung von grammatischen Construktionen des Arusianus Messius . 164
4. C. Chirius Fortuna tianus.
;onsche Katechismus des Fortunatianus 166
5. Sulpitius Victor.
:orische Handbuch des Sulpitius Victor 167
6. C. Julius Victor.
x)rische Lehrbuch des C. Julius Victor 167
! Rhetoren 1(>8.
3. Die Juristen.
manischen Fragmente 168
4. Die Schriftsteller der realen Fächer.
1. Palladius Rutilius Taurus Aemilianus.
tschaftsbuch des Palladius 170
2. Der Veterinärmediziner Pelagonius.
^rinärmedizin des Pelagonius . . . . 173
3. Fl. Vegetius Renatus.
tärische Handbuch des Vegetius 175
.'rinärracdizin des Vegetius (ars veterinaria sive mulomedicina) 178
4. Der Compilator der Medicina Plinii.
icina Plinii 181
5. Der Arzt Vindicianus.
liehen Fragmente des Vindicianus 184
11. Die christliche Litteratnr.
a) Die Poesie.
1. Anonyme Dichter,
lomini 187
VIII
852.
853.
854.
855.
856.
857.
InhaltBverBeiohnia Eum Tierten Teil, erste H&lfte.
Sodoma
De Jona
Das Verhältnis der beiden Gedichte zu einander
858.
859.
860.
861.
862.
863.
864.
865.
866.
867.
868.
869.
870.
871.
872.
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874.
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877.
878.
879.
880.
881.
882.
883.
884.
885.
2. C. Vettius Aquilinus Juvencus.
Das Evangelienbuch des Juvencus (evangeliorum libri IV)
3. Damasus.
Die Epigramme des Damasus
4. Die Dichterin Proba und andere christliche Gentodichter.
Der Vergilcento der heiligen Greschichte
5. Die Invectivendichter und die Polemiker.
Invective gegen Nicomachus
Invective gegen einen abgefallenen Senator
Das pseudotertullianische Gedicht gegen Marcion
6. Hilarius von Poitiers.
Das Hymnenbuch des Hilarius
7. Ambrosius.
Die Hymnendichtung des Ambrosius
Die einzelnen Hymnen
8. Aurelius Prudentius Glemens.
Sein Leben
Gathemerinon liber (Tagzeitenbuch)
Gharakteristik des Gathemerinon
Peristephanon (Ueber die Martyrerkronen)
Gharakteristik des Peristephanon
Die Apotheosis
Die Hamartigenia
Die Psychomachia
Die beiden Bücher gegen Symmachus
Das Dittochaeon
Rttckblick
Fortleben des Dichters
9. Meropius Pontius Paulinus.
Biographisches
Das Gebet des Paulinus
Die poetischen Briefe
Epithalamium, Propempticon und Gonsolatio
Biblische Stoffe
Die Gedichte auf den heiligen Felix ....
Epigrammatische Dichtungen
Die prosaischen Briefe des Paulinus . . . .
Gharakteristik
Rückblick
886. Die collectio Avellana
b) Die Prosa.
1. Hilarius von Poitiers.
887. Biographisches
888. Uebersicht der Schriftstellerei des Hilarius
889. Gommentar zu Matthaeus
890. Tractatus super Psalmos
891. De mysterüs
a) Exegetische Schriften
ß) Polemische Schriffcen.
892. Die Denkschriften an GonstaJitius
893. Das Pamphlet gegen Gonstantius
894. De synodis
895. Die Schrift gegen Anxentius (Liber contra Auxentium)
896. Die historischen Fragmente
Seite
188
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189
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260
261
262
263
264
265
InhalUiTerBMohnis snm Yiertan TeU, erste H&lftfi. XX
Seite
De trinitate (de fide) 268
Cbarakterietik des Hilarios 270
Das ForÜeben des HUarios 272
2. Lucifer von Calaris.
Biograühisches 274
Die ScJiriften des Lucifer 275
Charakteristik 277
8. Die Luciferianer.
Die Schriften der Luciferianer 278
Faurtlnns und Maroellinaa. Gregor von Elrir». Diakon Hiluliu.
4. Andere Bekftmpfer des Arianismus.
Die Schrift des Phoebadius 281
Altercatio Heracliani laici cum Germinio, episcopo Sinniensi .... 281
Die Schriftstellerei des Eusebios von Vercellae 282
5. Arianen
Arianische Schriftstellerei 288
Candldnf . Potamiiit. Htximinui. BobbieaBiaQhe Fragmente u. •.
6. Ambrosius.
Biographisches 286
Die Schriftstellerei des Ambrosios 288
€t) Exegetische Schriften.
Allgemeines 290
Exameron 1. VI 291
De paradiso 294
De Cain et Abel 295
De Noe 295
De Abraham 1. II 296
De Isaac et anima 297
De bono mortis 297
De fuga saeculi 298
De Jacob et vita beato 1. II 299
De Joseph patriarcha 299
De patriarchis 300
De Helia et ieiunio 801
De Nabuthae 801
De Tobia 302
De interpellatione Job et David 803
Apologia prophetae David 804
Die unechte Apologia David altera 804
Enarrationes in XU psalmos Davidicos 805
Ezpositio in psalmum 118 306
Expoeitio evangelü secundum Lucan 1. X 807
ß) Moralisch-asketische Schriften.
De officiis ministrorum 808
De virginibus 1. III 811
De viduis 812
De virginitate 812
De institutione virginis 818
Exhortatio virginitatis 814
Die lapsu virginis consecratae . 314
y) Dogmatische Schriften.
Die Schriften Aber die Trinität 315
Andere dogmatische Schriften 317
d) Reden und Briefe.
Die Trauerreden auf Satyrus 1. II 819
Die Trauerrede auf Valentinian II 320
Die Trauerrede auf Theodosius den Grossen 321
Benno contra Auxentium de basilicis tradendis 822
Die Correspondenz des Ambrosius 323
Inbaltsverieichnifl zam vierten Teil, erste Hälfte.
e) Schriften, welche irrtümlich dem AmbrosiuB zugeteilt wurden.
945. Der sog. Ambrosiaster
946. Mosaicarum et Romanarum legum coUatio
947. Charakteristik
7. Verfasser von Briefen und Predigten.
948. Briefe und Predigten verschiedener Verfasser
949. Die Predigten Zenos
8. Pacianus, Bischof von Barcelona.
950. Die Schriftstellerei des Pacianus
9. Priscillian und die Priscillianisten.
951. Biographisches über Priscillian .
952. Die Ganones zu den Briefen des Paulus
953. Die Würzburger Traktate Priscillians
954. Die Streitschriften Priscillians .
955. Die Homilien und das Gebet
956. Die Priscillianisten und ihre Gegner
10. Die Donatisten.
957. Der Donatismus
958. Die Schriften des Tyconius
11. Optatus.
959. Das antidonatistische Werk des Optatus
12. Philastrius und Gaudentius.
960. Das Ketzerbuch des Philastrius
961. Die Predigten des Gaudentius
13. Die Autoren von Wallfahrtsberichten und Beschreiber des hl. Landes.
962. Wallfahrtsbericht der sog. Silvia
963. Andere Schriften über das hl. Land
14. Der Bischof Niceta von Remesiana.
964. Nicetas Anweisungen für Taufkandidaten
965. Schreiben an eine gefallene Jungfrau
966. De vigiliis servorum dei und de psalmodiae bono
15. Tyrannius Rufinus und andere Uebersetzer.
967. Rufins Leben
968. Rufins Uebersetzungen
969. Rufins selbständige Schriften
970. Charakteristik
971. Andere Uebersetzungen
SdU
324
327
330
332
334
33ö
337
340
341
344
346
346
349
350
353
357
360
361
364
367
369
370
371
374
381
384
385
16. Hieronymus.
972. Biographisches 387
973. Die Schriftstellerei des Hieronymus
a) Historische Schriften.
974. Die drei Mönchslegenden
975. Die Nekrologe
976. Das Martyrologium Hieronymianum . . . .
977. Die Chronik des Hieronymus
978. De viris illustribus
979. Charakteristik des Werks
ß) Revision und Uebersetzung der hl. Schrift.
980. Die Vulgata
y) Die exegetischen Schriften.
981. Uebersetzungen origenistischer Homilien
982. Die Commentare zu den zwölf kleinen Propheten
983. Die Commentare zu den vier grossen Propheten
984. Der Commentar zum Prediger und andere alttestamentl. Erläuterungsschriften
985. Schollen zum Psalter
391
392
395
398
401
404
406
408
413
415
417
420
422
InhaltsTerseiohnifl mm Tierten Ttll, erat« HAlft«.
986. Hebrfiisclie Stadien zur hl. Schrift
987. Commentare zu vier paulinischen Briefen
988. Andere neutestamentliche Commentare
989. RückbUck
<f) Dogmatisch-polemißche Schriften und Uebersetzungen dogmatJuchor Work
990. üeber die immerwährende Jungfrauschaft Marias gegen Holvidius
991. Die zwei BQcher gegen Jovinian
992. Die Streitschriften gegen Johannes von Jerusalem und Kuflnus
993. Streitschrifk gegen Vigilantius
994. Die Dialoge gegen die Luciferianer und Pelagianer
995. Die Uebersetzung der Schrift des Didymus vom hl. Geist
b) Homilien und Briefe.
996. Die Homilien des Hieronymus
997. Die Correspondenz des Hieronymus
998. Charakteristik des Hieronymus
999. Fortleben des Hieronymus
1000. Rückblick
Nachtrage and Beriditigimgeii
Älphabetisdies Register .
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XI
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450
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B.
Zeittafel.
200—300 Carmen adversus Marcionem.
207 werden Stücke aoB Hygin ins Griechische übersetzt.
238—244 Gordian.
c. 250 lebt der Rhetor Aquila Romanus. An ihn schliesst sich der Rhetor Julius Rdi-
nianns an.
284 — 305 Diokletian. Scriptores bist. Aug.
293 später als dieses Jahr fällt das Itinerarium Antonini Augusti, das der diokletianischee
Zeit angehört.
296 — 357 Osius, Bischof von Gordova. An ihn richtet Ghalcidius seine üebersetzns^
und Gommentar des piaton. Timaeus.
300 — 400 geschrieben das rhetorische Lehrbuch des G. Ghirius Fortunatianus. Der RhetAr
Sulpitius Victor, G. Julius Victor. Querolus. Julius Obsequens. Invective gegen eioea
vom Glauben abgefallenen Senator.
300—350 schrieb der Verfasser der Medicina Plinii.
312 Ostertafel des Ghronographon von 354.
313 Toleranzedikt, Gleichstellung des Ghristentums mit der Staatsreligion.
316 Q. Aradius Rufinus cos., vielleicht der Adressat des Lucius Septimius, der die Ge-
schichte des troianischen Kriegs verfasst.
316—326 fällt das Gedicht laudes domini.
321 erteilt Constantin Privilegien an Aerzte und Professoren.
324-337 Gonstantin. Scriptores historiae Augustae. Zeitgenosse wahrscheinlich der
Anonymus Valesii (erstes Fragment).
324 wird dem Nonius Marcellus Herculius eine Inschrift wegen seiner verdienst!. Bau-
thätigkeit gesetzt; vielleicht identisch mit dem Grammatiker Nonius Marcellus.
325 dediciert Publilius Optatianus Porfyrius dem Gonstantin seine Gedichte. Gonril
von Nicaea.
326 Tiberianus comes per Africam, vielleicht auch Dichter. Privilegien für Aerzte und
Professoren. Ermordung des Grispus, des Sohnes Gonstantins.
330 — 347 wird in Afrika ein Aktenfascikel mit dem Titel Gesta purgationis Gaeciliani
Felicis hergestellt,
c. 330 dichtet G. Vettius Aquilinus Juvencus sein Evangelienbuch. Vor dieses Jahr fällt
die Redaktion der Hist. Aug.
333 Privilegien für Aerzte und Professoren. Itinerarium Hierosolymitanum.
334—337 erscheint das astrologische Werk des Julius Firmicus Matemus.
334—357 notitia regionum.
334 Abfassung der Weltchronik und vielleicht auch der Stadtchronik im Ghronographeo
vom Jahre 854.
335 — 337 Geionius Rufius Albinus, Stadtpräfekt, vielleicht identisch mit dem Philosophen,
der geometrische und dialektische Schriften und über Musik schrieb.
335 lehrt Patera in Rom Rhetorik.
337 — 361 Gonstans und Gonstantins. Itinerarium Alexandri.
337 Ti. Fabius Titianus cos. Wahrscheinlich identisch mit dem von Hieronymus z. J. 344
aufgeführten Titianus vir eloquens.
Zeittafel. XIII
838 Polemius cos., vielleicht identiscli mit Jub'ns Yalerios Alexander Polemius, Bearbeiter
des Ps.-Callisthenes.
841 antiochenische Glaabensformel.
846—350 schrieb Julius Firmicus Matemus de errore profanarum religionum.
850—353 tritt der Dichter und Redner Attius Tiro Delphidius in den Hofdiensi Sein
Vater Delphidius ebenfalls Dichter und Redner.
850 — 361 Abfassung des Kalenders im Chronographen von 854.
350—400 schrieb der Veterinärmediziner Pelagonius.
851 Clodius Celsinus Adelphius, Stadtprftfekt. Seine Gemahlin Dichterin des Vergilcentos.
Erste sirmische Glaubensformel.
852—366 Papst Liberius.
353 setzt Hieronymus die Blflte des Rhetors G. Marius Victorinus Afer. In dasselbe Jahr
setzt Hieronymus die Blüte seines Lehrers, des Grammatikers Aelius Donatus.
354 begibt sich Lucifer von Calaris im Auftrage des Papstes Liberius zum Kaiser nach
Arles, um die Berufung einer Synode zu betreiben. In seiner Begleitung befand sich
der Diakon Hilarius von Rom. Der Chronograph.
355 richtet Hilarius von Poitiers in Glaubenssachen eine Bittschrift an den Kaiser Con-
stantius. Synode zu Mailand.
356—860 lebt Hilarius von Poitiers im Exil
356 Synode von Biterrae (Beziers). Hilarius, Bischof von Poitiers, verbannt.
357—403 Cnriosum urbis Romae.
357 kommt der Historiker Ammianus Marcellinus mit Ursicinus an den kaiserlichen Hof
nach Sirmium. Phoebadius von Agennum schreibt gegen die Arianer. In demselben
Jahre erschien wahrscheinlich Adversus Arium des Marius Victorinus. Vor diesem
Jahr trat C. Marius Victorinus zum Christentum über.
358 rückt Charistus (wahrscheinlich der Grammatiker Flavius Sosipater Charisius) nach
dem Tode des Euanthius in dessen Stelle in Constantinopel ein. Verwandtschaft mit
dem Grammatiker Charisius zeigen Diomedes und Dositheus. Um dieses Jahr schreiben
gallische Bischöfe an den verbannten Hilarius in Sachen des Glaubensstreites.
359—360 verweilt Hilarius in Constantinopel.
359 die Doppelsynode zu Seleucia und Rimini.
360 Abfassung der Caesares des Aurelius Victor. Hilarius von Poitiers kehrt nach Gallien
zurück. Um dieses Jahr wird der Grammatiker Servius geboren.
361—363 Julian.
362—380 Zeno, Bischof von Verona, Verfasser von Predigten.
362 Verordnung Julians über die Anstellung der öffentlichen Lehrer. Claudius hält seine
Danksagungsrede für das ihm von Julian verliehene Konsulat.
863—364 Jovian.
364—875 Valentinian I.
364 — 378 Valens. In seinem Auftrage schreiben Eutrop und Festns ihre historischen
Breviarien.
366 — 384 Papst und Epigrammendichter Damasus. Unter ihm wirkt der Kalligraph Furius
Dionysius Filocalus. An ihn wenden sich Priscillian imd seine Anhänger. Unter
seiner Regierung werden der Ambrosiaster und die Quaestiones veteris et novi testa-
menti geschrieben.
366 stirbt Hilarius von Poitiers.
367 — 375 wird der jüdische Krieg des Josephus ins Lateinische übertragen.
367—383 Gratian.
370 — 875 schreibt Optatus, Bischof von Mileve, gegen den Donatismus.
370—390 blühte der Donatist Tyconius.
370 oder 371 stirbt Lucifer von Calaris. Um 370 wird der arianische Commentar zu
Lucas geschrieben.
371 wird Pasiphilus von Ammianus als Philosoph bezeichnet. Wahrscheinlich an ihn
richtet PaUadius Rutilius Taurus Aemilianus sein landwirtschaftliches Werk. Euse-
bius, Bischof von Vercellae stirbt. Rufinus tritt mit Melania eine Reise nach dem
Morgenland an.
372—438 die vatikanischen Fragmente.
372 leitet Isaak, vielleicht der Verfasser des Ambrosiaster, eine gerichtliche Klage gegen
Damasus ein.
874 wird Ambrosius Bischof von Mailand.
375—378 AufenÜialt des Hieronymus in der chalcidischen Wüste.
875-892 Valentinian H.
877 Nach diesem Jahr schreibt Pacianus, Bischof von Barcelona, über den Novatianismus.
XIV Zeittafel.
378 sprechen die zu einem Concil versammelten Vftter von Isaaks R&cktritt zum Jndeotu.
379—387/88 Bericht der sog. Silvia über eine Reise ins hl. Land.
379 — 392 Pacianus, Bischof von Barcelona.
379—395 Theodosius der Grosse. Die Epitome Caesanim.
379 Ausonius cos.
380 wird das Concil von Saragossa znr Unterdrückung der Priscillianisten abgehalten.
381 Flavius Afranius Syagrius, cos., Dichter. Synode zu Aquileia (3. September).
382—385 Aufenthalt des Hieronymus in Rom.
382 werden von Gratian die heidnischen Kulte verboten, die priesterlichen Einkünfte e»
gezogen und der Altar der Victoria entfernt. Symmachus begibt sich an den kaiser-
lichen Hof, um die Aufhebung dieses Dekrets zu erwirken.
383 - 392 Valentinian II. Wohl an ihn richtet der Arzt Vindicianus einen Brief. Deaui
Schüler ist Theodorus Priscianus.
383—408 Kaiser Arcadius; er lässt sich den Cento der Proba abschreiben.
383—450 schrieb Vegetius sein militärisches Handbuch.
383 Nicomachus Flavianus Proconsnl von Asien, Recensent des Livios. Streitschrift des
Arianers Maximinus. Der Gothcnbischof Ulfila stirbt.
383 oder 384 wenden sich die Luciferianer Faustinus und Marcellinus an die Kaiser oai
flehen sie um Schutz an.
384— 39S Siricius, Papst.
384 richtet Symmachus eine Vorstellung an Kaiser Valentinian II. bezüglich des Altus
der Victoria. Vettius Agorius Praetextatus wird zum Gonsul designiert; er bearbeiteit
die Kategorien des Aristoteles nach der Paraphrase des Themistius. Synode t«
Bordeaux in Sachen des Priscillianismus.
385/86 Kämpfe des Ambrosius gegen die Arianer.
385—391 schreibt Philastrius seinen Ketzerkatalog.
385 Benevolus, magister memoriae Valentinians II. An ihn richtet Gaudentius, Bischof
von Brescia, seine Predigten.
386 KinfÜhrung des Hymnengesanges durch Ambrosius in Mailand,
c. 387— 407 Chromatius, Bischof von Aquileia.
c. 387 schrieb Rufius Festus Avienus seine Aratübersetzung.
388 Aufruhr in Kallinikum.
389 geht der Redner Latinius Pacatus Drepanius mit einer Abordnung nach Rom, ob
dem Theodosius zu seinem Siege über Maximus Glück zu wünschen. Hieronymss
gründet ein Kloster in Bethlehem.
890 Aufruhr in Thessalonich.
391 Verordnung Theodosius d. Gr. gegen den heidnischen Kultus. Q. Aurelius Sm
machus cos.
392—394 Eugenius.
392 Neue schäifere Verordnung Theodosius des Gr. gegen den heidnischen Kultus.
394 Virius Nicomachus Flavianus cos., Verfasser von Annalen und warmer Anhänger d«
Heidentums. Der Dichter Paulinus begibt sich nach Nola. Um dieses Jahr beginnen
die origenistischen Streitigkeiten in Jerusalem und Bethlehem.
394/95 wird Virius Nicomachus Flavianus in einem Gedicht verspottet. Collatio MosaI-
carum et Romanarum legum.
395 Olybrios und Probinus cos. Ihnen widmet Arusianus Messius seinen Traktat de
elocutionibus.
397 Brief Augustins an Bischof Simplicianus, den Nachfolger des Ambrosius. Tod des
Bischofs Ambrosius von Mailand (4. April). Um dieses Jahr kehren Melania und
Rufinus nach Italien zurück.
898—401 Papst Anastasius I.
398 kommt der Bischof von Dacien, Niceta, der Verfasser des *Te deum', nach Rom.
Eusebius von Cremona kehrt vom hl. Land nach Rom zurück.
399—404 origenistische Streitigkeiten zwischen Rufin und Hieronymus.
400—409 Venerius, Bischof von Mailand.
402 recensiert Julius Tryfonianus Sabinus protector domesticus, der Recensent des Per-
sius, den Nonius Marcellus. Niceta reist neuerdings nach Italien.
402/03 Reise des Dichters Prudentius nach Rom.
405 veranstaltete Aurelius Prudentius Clemens eine Ausgabe seiner Gedichte,
c. 406 schreibt Augustin gegen den Donatisten Cresconius.
408 werden die Einkünfte der Tempel eingezogen.
409 Attalus von Alarich auf den Tnron erhoben. Paulinus von Nola wird zum Bischof
gewählt.
Zeittafel. XV
410 stirbt Rufinns in Sicilien.
411 Religionsgespräch in Garthago.
c. 415 schreibt Orosias ad Angustinum commonitorium de errore Priscillianistarum et Ori-
genistamm.
416 wird die Zulassung der Heiden zum Militär-, Verwaltungs- und Justizdienst untersagt.
418 widerlegt Augustin eine arianische Streitschrift.
420 (30. September) stirbt Hieron3rmus in Bethlehem.
427 disputiert der Gothenbischof Maximinus mit Augustin.
481 erwirkt Appius Nicomachus Dexter einen Erlass der Kaiser an den Senat, in dem
gestattet wurde, dass dem Virius Nicomachus Flavianus wieder ein ehrendes An-
denken gewidmet werde. Tod des Paulinus von Nola (22. Juni).
450 unterzieht Eutropius das militärische Handbuch des Vegetius einer krit. Revision.
Um dieses Jahr stirbt Eucherins, Bischof von Lyon, Verfasser einer Schrift über das
hl. Land. Um diese Zeit sind Pastor, Syagrius und Turibius von Astorga gegen den
Priscillianismus thätig.
454 — 485 Nicetas, Bischof von Aquileia.
492 — 496 Papst Gelasius; bekannt durch das decretum Gelasianum.
500-600 Anonymus Valesii (2. Fragment).
537-555 Vigilius, Papst. Um diese Zeit entstand die collectio Avellana, welche Akten-
stücke ans den Jahren 867 --553 umfasst.
563 wird in der Synode zu Braga der Priscillianismus niedergeworfen.
{
Einleitung.
776. Heidentum und Christentum. Durch das Mailänder Toleranz-
dikt des Jahres 313 war das Christentum der offiziellen Staatsreligion
Is gleichberechtigt an die Seite gestellt worden. Die Tragweite dieses
Dokuments war eine ungeheuere, da der römische Staat es aufgab, sich
lit dem Kultus, auf dem er ruhte, weiterhin zu identifizieren. Zwar ver-
chwand dieser nicht plötzlich, allein sein Untergang war besiegelt, die Ver-
indung des römischen Imperium mit dem Christentum nur noch eine Auf-
abe der nächsten Zeit. Schon bei Constantin (324 — 337) bricht diese
dee durch ; denn dadurch, dass er sich in die Streitigkeiten der Christen
inmischte und ihre Schlichtung herbeiführte, betrachtete er das Christen-
iim als eine Staatssache. Stückweise bröckelte das Heidentum ab, die
»arität war nur ein Schein, das Christentum wurde immer mehr ein leben-
iger Faktor im römischen Staatsleben. Während Constantin eine direkt
ggressive Haltung gegen die nationale Religion im allgemeinen vermied
nd auf die Selbstzersetzung des Heidentums rechnete, verfolgten seine
Fachfolger Constans und Constantius (337 — 361) eine Religionspolitik,
'eiche den heidnischen Kultus gänzlich beseitigen sollte. Eine Reaktion
-at unter Julian (361 — 363) ein. Obwohl in der christlichen Religion
nterrichtet, hatte er doch niemals ein inneres Verhältnis zum Christentum
ewonnen, sein Geist lebte in der hellenischen Welt und in der neu-
latonischen Philosophie, und als der Druck der äusseren Verhältnisse
on ihm genommen war, legte er Hand ans Werk und suchte das ihm
nsympathische Christentum aus dem römischen Staate auszumerzen. Mit
ohem Zwang wollte er im grossen Ganzen nichts zu thun haben ;^) die
Jhristenverfolgungen hatten das System der brutalen Gewalt für alle Zeiten
erurteilt. Die Mittel der Ueberzeugung und der Ueberredung erschienen
fim zunächst der geeignetste Weg zu sein, das grosse Werk durch-
uführen; so schrieb er ein Buch gegen die Christen, in dem er die Ver-
:ehrtheit der neuen Religion darzuthun suchte. Allein auch stärkere
Mittel verschmähte er nicht; mit scharfem Blicke erkannte er, dass der
*) Eatrop. 10, 16, 3 religionis Christianae
nsectator, perinde tarnen, ut cruore abstine-
et. Hieronym z. J. 2378 = 361 (2 p. 196 Seh.)
^uJiano ad idolorum culium converso hlanda
Handbuch der kla». AltertunuwiaseDBcbaft. VIII, 4.
peraecutio fuit inliciena magia quam impellans
ad aacrificandumf in qua mtüti tx nosiria
voluntate proprio conruerunt.
2 Einleitnng. (§776.)
Hebel bei der Schule einzusetzen sei und jede Christianisierung verhütet
werden müsse. Er gab daher im Jahre 362 ein Gesetz, durch welches er
die Anstellung der öffentlichen Lehrer in seine Hand nahm. ^) Diese Mass-
regel bedeutete nichts anderes als den Ausschluss der christlichen Gram-
matiker und Rhetoren von der Schule. Dass er auch die Christen aas
den andern öffentlichen Aemtern hinausdrängte, ist nicht verwunderlich.
Mehr zu tadeln ist, dass er durch Zurückberufung der verbannten Bischöfe
die Streitigkeiten in den christlichen Gemeinden wieder anfachte, um damit
dem neuen Glauben Abbruch zu thun. Mit der Zurückdrängung des
Christentums ging Hand in Hand das eifrige Bestreben des Kaisers, das
Heidentum zu erneuern und ihm frische Lebenssäfte zuzuführen. Die Eulir
handlungen wurden prunkvoll gestaltet, um eine Anziehungskraft auf die
Menge auszuüben. Das innere Wesen des hellenischen Götterglaubens
sollte mit Hilfe der neuplatonischen Philosophie gekräftigt werden; selbst
christliche Einrichtungen und Sitten verschmähte Julian nicht, wenn sie
geeignet waren, den alten nationalen Kultus zu stärken und zu heben.
Allein so rein und edel auch die Absichten des merkwürdigen Mannes
waren: den Pulsschlag der Zeit fühlte er nicht; auch wenn seine Regie-
rung länger gedauert hätte, würde sein Unternehmen doch fehlgeschlagen
sein. Die Rolle des Heidentums war ausgespielt, dem Christentum allein
gehörte die Zukunft.
Auf Julian folgte wieder ein christlicher Kaiser, Jovian (363 — 364);
der Reaktion des Heidentums gegen das Christentum war damit ein Ende
gemacht, das Christentum wurde wieder in den Vordergrund gestellt, das
Heidentum aber schonend behandelt. Diese Politik, die Toleranz, befolgten
auch die Kaiser Valentinian (364-375) und Valens (364—378), die
ebenfalls beide Christen waren, der erste nicänischen, der zweite ariani-
sehen Bekenntnisses. Freilich ganz streng wurde die Toleranz nicht durch-
geführt; so hören wir, um nur ein Beispiel anzuführen, von dem Verbot
aller Opfer mit Ausnahme der Rauchopfer.*) Allein im grossen Ganzen
waren die Herrscher der Ansicht, dass man den nationalen Kultus ruhig
dahinsiechen lassen könne; sogar ein gewisser Indifferentismus tritt zn
Tage. ^) Die Christianisierung des römischen Staates machte weitere Fort-
schritte unter dem Sohne Valentinians, dem Kaiser Gratian ^867— 383).
Der christliche Glaube wirkte in ihm als lebendige Kraft und zwar in
einem Grade, dass die Toleranz dabei unmöglich wurde. Neben der
*) Cod. Theodos. 13, 3, 5 magistros stu- ' stros rhetoricos et grammaticos ritus christi"
diorum doctoresque excellere oportet morihus \ ani cultores.
primunty deinde facundia; sed, quia singulis *) Liban. in der Rede für die Tempel
civitntibus adease ipse non possunif iuheOf
qutque docere vult, non repente nee temer e
prosiliat in hoc munuSj sed iudicio ordinis
probatua decretum curialium mereatur, opti-
morum conspirante consensn; hoc enitn decre-
tum ad me tractanditm referetury ut oltiore
quodnm honore nostro iudicio studiis ciri-
tatum accedat. Vgl. dazu Amm. Marc. 22,
10, 7 illud autem erat inclemenSf ohruendum
perenni sHentiOj quod arcehat docere magi-
1 p. 163 (ro (^veiy) intaXv^rj nagu xoTv adeX'
(poiv, ttXX' ov To Xtßm'toToy.
•) Amm. Marc. 30, 9, 5 inclaruU ( Valtn-
tinianus) quod inter religionum diversUaUt
medius stetit nee quemquam inquietavit neqWy
ut hoc coleretur, imperavit aut illud: nee
interdictis minacibus subiectorum cervieem
ad idy quod ipse coluit, inclinabaty sed in'
temer atas reliquit has partes ut repperit.
Einleituig. (§ 776.) 3
sehen Kirche sollte keine andere christliche Sekte bestehen, und
[ist die heidnischen Kaiser gegen die Christen vorgingen, so ging
'istlicher Kaiser gegen andersgesinnte Christen vor. Weniger Strenge
jrte der Kampf gegen das Heidentum, seine Kraft war schon zu
hen, es erschien dem christlichen Imperium nicht mehr sonderlich
lieh. Ohne Bedenken konnte der Kaiser es wagen, aus den Attributen
iserlichen Gewalt die Würde des pontifex maximus auszuscheiden.
3inmal flammte die Liebe zum alten nationalen Kultus auf, als der
iev Victoria aus der Kurie entfernt wurde; damit war ein durch
iten geheiligtes Symbol der ehrwürdigen Roma vernichtet worden,
rnehmen Männer des alten Glaubens bäumten sich auf, und es spielte
3r Kampf, als Gratian im Jahre 383 ermordet war, in die Regierung
tinians II. (375—392) hinüber. Symmachus war es, der seine be-
) Bittschrift an den kaiserlichen Hof richtete; es ist der letzte
;e Notschrei, den das niedergeworfene Heidentum pochend auf seine
Vergangenheit zu erheben wagte. Aber auch die Stimme des
mtums Hess sich in diesem Streit vernehmen; der grosse Ambrosius
e zwei Streitschriften gegen Symmachus und führte mit Meister-
die Sache des Christentums. So sehen wir das grossartige Schau-
ines Kampfes, in dem sich zwei Weltanschauungen begegnen. Auch
em Nachspiel fehlte es dem Kampfe nicht; sobald sich nur irgend
ünstige Gelegenheit einstellte, erhob die heidnische Partei in Rom
rderung, dass der Altar der Victoria in der Kurie wiederhergestellt
Am günstigsten stand ihre Sache unter dem Usurpator Eugenius
394), den der mächtige germanische General Arbogastes nach Hin-
ng Valentinians II. (15. Mai 392) auf den Thron erhoben hatte.
ius, obwohl Christ, glaubte, durch ein freundliches Verhältnis zu
ragenden heidnischen Männern seinen schwachen Thron zu stützen;
der 5. September des Jahres 394 machte auf dem Schlachtfelde
quileja seiner Herrschaft und seinem Leben ein Ende. Damit war
aum der nationalen Partei verflogen; der Alleinherrscher des grossen
s, Theodosius der Grosse (379—395), liess über seine Religions-
keinen Zweifel aufkommen. Er bekämpfte den Götterglauben durch
sehe Massregeln ^) und warf das Heidentum völlig zu Boden; auf der
n Seite hob er die Kirche dadurch, dass er durch sein Vorgehen
die Arianer die Einheit der katholischen Kirche erhielt und ihr aus
eidentum stets wachsenden neuen Zugang verschaffte. Die Zersetzung
identums machte seitdem von Tag zu Tag grössere Fortschritte, und
)e wurde schliesslich in die Diaspora gedrängt. Auf dem Lande
3 es da und dort noch ein kümmerliches Leben; die in der Kirche
lende Missionsthätigkeit suchte auch hier aufzuräumen. In der
eit schien noch hie und da ein Hoffnungsstern im Heidentum auf-
iten; so stützten sich die Usurpatoren gern auf die heidnischen
[n der Verordnung von 391 (Cod. mortali opere formata simulacra suspiciat.
. 16, 10, 10) heisst es: nemo se ho- Es folgen dann die Strafbesiammungen. Noch .
luaty nemo insontem victimam caedatf i schärfer ist die Verordnung vom 10. November J
eJuhra adeat, tempJa perlustret, et ' 392 (Cod. Theodos. 16, 10, 12). 1
1*
4 Einleitimg. (§ 776.)
Elemente. Der Empörer Gildo in Afrika bedrückte die Kirche; auch der
von Alarich im Jahre 409 auf den Thron erhobene Attalus weckte die
Hoffnung der heidnischen Partei in Rom. Allein das waren vorübergehende
Erscheinungen, die Kraft des Heidentums war für immer gebrochen, h
den beiden Hälften des Reichs, im Ostreich unter Arcadius, im West-
reich unter Honorius, hat die Staatsgewalt den nationalen Kultus aas
dem öffentlichen Leben ausgeschieden und schliesslich denselben nicht ein-
mal im Privatleben geduldet. Von den hieher gehörigen Gesetzen sei nur
eines vom Jahre 408, ein anderes von 416 erwähnt. Durch das in Born
erlassene Gesetz von 408 werden die Einkünfte der Tempel eingezogen
und dem allgemeinen Unterstützungsfonds überwiesen. Damit wird der
nationale Kultus als öffentliche Institution unmöglich gemacht. Die Tempel-
gebäude werden als Staatseigentum erklärt, Altäre und Götterbilder sollen
beseitigt werden; Festmahlzeiten mit heidnischen Riten sind verboten.
Was aber für das Edikt besonders charakteristisch ist, liegt darin, dass
die Bischöfe bei Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz eingreifen können
und dass säumige Richter mit Strafe belegt werden.^) Das zweite unter
Theodosius H. veröffentlichte Gesetz untersagt die Zulassung der Heiden zmn
Militär-, Verwaltungs- und Justizdienst.*) Durch diese Verordnung ist der
höchste Grad der Intoleranz erreicht, die Göttergläubigen sind jetzt zu
Staatsbürgern zweiter Klasse degradiert; nicht mehr eine strafbare Hand-
lung, sondern eine Gesinnung wird durch das Gesetz getroffen. Jet2t
musste der Abbröckelungsprozess des Heidentums rasch dem Ende zueilen.
Im Osten des Reiches vollzog er sich im allgemeinen leichter als im
Westen; die hereinbrechende Flut der germanischen Völker trug auch das
Ihrige zur Ausrottung des Heidentums bei, da die römische Vergangenheit
und damit der römische Nationalkultus ihnen fremd war. Charakteristisch
ist es, dass die gesetzgeberische Gewalt jetzt manchmal nötig hatte, die
Heiden gegen die Christen zu schützen. Gab es auch noch einzelne
heidnisch gesinnte Leute, das Heidentum zählte nicht mehr als Faktor des
Staatslebens; immer mehr ging die Regierungspolitik dahin, den katholi-
schen Glauben als den alleinigen zu dulden und die ketzerischen und die
heidnischen Elemente auszusondern. Klar und deutlich liegt dies in der
justinianischen Gesetzgebung vor. Mit der Intoleranz gegen das Christen-
tum hatte das römische Imperium begonnen, mit der Intoleranz gegen
das Ketzer- und Heidentum hat es geschlossen.
Litteratur. Lasaulx, Der Untergang des Hellenismus und die Einziehung seiner
Tempelgiiter durch die christlichen Kaiser, München 1854; Richter, Das weström. Reidi
unter den Kaisern Gratian, Valentinian IL und Maximus, Berl. 1865; F. Chr. Baur, Die
christliche Kirche vom Anfang des 4. bis zum Ende des 6. Jahrhunderts, Tübingen' 1863;
V. Schultze, Gesch. des Untergangs des griechisch-römischen Heidentums, 1. Bd. (Staat
und Kirche im Kampfe mit dem Heidentum), Jena 1887; 2. Bd. (Die Ausgänge), Jena 1892;
G. Boissier, La fin du Paganisme, 2 Bde., Paris 1891; Ebert, Allgem. Gesch. der latt. des
Mittelalters 1^ (Leipzig 1889) p. 105; Arneth, Das klassische Heidentum und die christliclie
Religion, 2 Bde., Wien 1895. Ueber eine Festordnung von Campanien aus d. J. 387 vgl.
Mommsen, Epigraphische Analekten (Ber. über die Verh. der sächs. Ges. derWissensch. 1850
p. 69); Voigt, Drei epigraphische Konstitutionen Constantins des Gr., Leipz. 1860, p. 35.
^) Cod. Theodos. 16, 10, 19. hoc est gentiles, nee ad militiam adtnittantur
*) Cod. Theodos. 16, 10, 21 qui profano nee administratoria veJ iudicis hanore dt'
pagani ritus ei'rore seu crimine poUuuniur, corentur.
Einleitmig. (§777.) 5
777. Gang der Litteratur. Zwei Ereignisse gewinnen in unserem
Zeitraum den mächtigsten Einfluss auf die Litteratur: das Christentum
und die Völkerwanderung; beide haben zur Auflösung der nationalen
Litteratur mächtig beigetragen. Die Anschauungen des Christentums
gingen über den engen nationalen Horizont hinaus und führten zu einer
Umgestaltung der sozialen und politischen Verhältnisse. Es entstand eine
neue Welt, die sich auch der Litteratur bemächtigte; doch hat sich die
christliche Litteratur nicht ganz von der profanen losgerissen; ist auch
der Inhalt ein anderer, so wirkt doch die Form der nationalen Litteratur
auf sie ein. Noch ruhte der Schulunterricht auf der alten Grundlage und
vermittelte unterschiedslos an Heiden und Christen die rhetorische Bildung;
diese rhetorische Bildung von der Hand zu weisen, wäre Thorheit gewesen,
denn die Propaganda für die christlichen Ideen im Kreise der Gebildeten
wäre alsdann unmöglich geworden, i) Was in der vorigen Epoche sich
bereits angebahnt hatte, dass die christlichen Schriftsteller ihre Ideen auch
in schöner, zum mindesten in geniessbarer Form darzustellen suchen, tritt
noch mehr in dem Beginn unseres Zeitraums hervor, in dem die christlichen
Schriftsteller den Principat in der Litteratur errungen haben. Ambrosius,
Hieronymus und Augustinus sind nicht bloss bedeutende Persönlichkeiten,
sondern auch litt^rarische Grössen. Dieser mächtig aufblühenden christlichen
Litteratur gegenüber tritt die nationale Litteratur ganz in den Hintergrund ;
sie konnte nicht mehr mit der Zukunft rechnen, sondern nur noch von der
Vergangenheit zehren. Die Erinnerung an die grosse Vergangenheit spendete
den nationalgesinnten Römern noch einigen Trost; sie redeten sich ein, dass
es thöricht sei, den alten Kultus, unter dem Rom mächtig geworden sei,
zu verlassen. Sie griffen auch nach den alten Schätzen der Litteratur, und
die vornehmsten Männer*) nahmen selbst oder mit fremder Hilfe Revi-
sionen der alten Klassikertexte vor, aber für grosse, neue, eigene Produk-
tionen reichte die Kraft nicht mehr aus; zwar taucht hie und da noch ein
origineller Geist auf, wie z. B. der Historiker Ammianus und der Dichter
Claudianus, allein sonst sind es nur mittelmässige Köpfe, Abschreiber,
Kompilatoren, welche sich in der Litteratur breit machen. Die Poesie
artet zur Spielerei aus, die Geschichte drängt sich zur Epitome zusammen,
die Rede und der Brief versinken in hohlen Formkultus und in Unnatur-
lichkeit, die gelehrte Litteratur zehrt von den Brosamen, welche von der
reichen Tafel der Vergangenheit abfallen. Merkwürdig ist es, dass die
Schriftsprache auch in diesen späten Zeiten noch immer ihren wesent-
lichen Charakter beibehält, so dass, wer z. B. von der Klassikerlektüre
an Eutrop herantritt, kein fremdartiges Gebilde vor sich hat. Somit war
diese Schriftsprache ein durchaus künstliches, dem Leben fremd gegen-
') Bezeichnend ist das Geständnis des i p. 335). Unsere lateinischen Handschriften
Hieronvmas epist.22 (ad Eustoch.), 30 (tom. 1 \ gehen selten über das 4. Jahrh. zurück; vgl.
Sp. llSVallarsi): si quando prophetas | das Verzeichnis bei Hnebner, Grundriss zu
i^ere eo^isaem, sermo horrehat incukus. \ Vorlesungen über die Gesch. und Encycl. der
') z. B. dioNicomachi und dieSymmachi; \ klass. Philologie, Berl. 1876, p. 29; Berl.'
vgl. 0. Jahn, Ueber die Subskriptionen in
den Handschriften röm. Klassiker (Ber. über
die Verh. der sftchs. Ges. der Wissensch. 1851
1889, p. 49; K. Dziatzko, Unters, über
ausgew. Kapitel des antiken Buchwesens,
Leipz. 1900, p. 185.
6 Einleitung. (§§778,779.)
überstehendes Produkt. Solange eine feste Einheit des Reiches vorhanden
war, konnte dieses künstliche Idiom sich halten und den Bedürfnissen ge-
nügen; mit der Zersprengung des Reiches war auch der einheitUcheo
Schriftsprache das Fundament entzogen, und die einzelnen Provinze
mussten ihre eigenen Wege gehen. Gallien bietet hier ein belehrendes
Beispiel. Doch noch grösseren Gefahren und Leiden ging die römische
Kultur und Litteratur entgegen. Barbarische Völker und Stämme brachen
von allen Seiten in das römische Reich ein und gaben der alten Kultur
den Todesstoss. Die Litteratur flüchtete sich in die Klöster, wo sie treo
gehütet wurde, bis die Zeit kam, welche diese verborgenen Schätze
heben konnte. Die Volkssprache macht sich bereits in der Litteratur
bemerkbar; in der Poesie führte sie seit dem vierten Jahrhundert^) das
accentuierende Prinzip statt des quantitierenden ein; immer weiter dehnten
die verschiedenen Provinzialdialekte, nachdem die gemeinsame Schrift-
sprache abgestorben war, ihre Bereiche aus und entwickelten sich eben-
falls zu Schriftsprachen, die uns in den romanischen Idiomen vorliegen.
778. Gliederung. Der vorliegende letzte Teil unserer Litteratur-
geschichte hat den Stoff von der Alleinregierung Constantins (324) bis zum
Gesetzgebungswerk Justinians, das in die Jahre 533/34 fallt, zu behandeln.
Also das litterarische Schaffen von zwei Jahrhunderten ist zur Darstellung
und zur Würdigung zu bringen. Auch hier blicken wir nach einem Ruhe-
punkt aus; am besten werden wir denselben in der christlichen Litteratur
suchen, die ja in unserer Epoche eine dominierende Stellung einnimmt
In der Geschichte des christlichen Geistes aber knüpft sich ein Wende-
punkt an die grosse Persönlichkeit des Augustinus; seine Lehren von der
Gnade und Erlösung sind für die kommenden Jahrhunderte bestimmend
gewesen. Augustins Wirken gehört sowohl dem vierten als dem fünftes
Jahrhundert an, allein der Schwerpunkt seines Schaffens liegt im fünften
Jahrhundert, in dem seine grundlegenden Werke erschienen sind. Mit
diesem Jahrhundert werden wir also einen neuen Abschnitt beginnen,
wobei natürlich auch Schriftsteller, die beiden Jahrhunderten angehören,
diesem Teile zugewiesen werden können. Wir bekommen sonach zwei
Abschnitte, die Litteratur des vierten Jahrhunderts und die Litteratur
des fünften und sechsten Jahrhunderts. In jedem dieser beiden Abschnitte
werden wir, wie das auch in dem vorigen Band geschehen ist, die natio-
nale und die christliche Litteratur von einander trennen.
Stellung* der einzelnen Kaiser zur Litteratur.
779. Constantin und Constantius (824—861). Der Kaiser Con-
stantin hatte in seiner Jugend eine sorgfältige litterarische Ausbildung
erhalten und stand, zur Herrschaft gelangt, der Litteratur nicht unfreund-
lich gegenüber. Als der Dichter Optatianus Porfyrius, um aus seiner
Verbannung zurückberufen zu werden, einen Band Gedichte dem Kaiser
überschickte, in denen die raffiniertesten Künsteleien, ja selbst Darstellung
äusserer Figuren zum Ausdruck kamen, nahm der Kaiser dieses Geschenk
*) Huemer, Untersuchungen über die ältesten lat-christl. Rhythmen, Wien 1879, p.6.
Einleitimg. (§779.) 7
8ehr gnädig auf und sprach seine hohe Befriedigung über diese neue
Verstechnik aus. Er verschmähte es nicht, einen gezierten Brief an den
Dichter zu richten und darin von seinem Wohlwollen gegen Schriftsteller
und Redner zu sprechen. Auch aus seiner Gesetzgebung leuchtet dieses
Wohlwollen gegen die gelehrten Berufe hervor; so bestätigte er den
Staatsprofessoren und Aerzten mit ihren Familien ihre Privilegien. Auch
pflog er persönlichen Verkehr mit dem Neuplatoniker Sopater, dem Schüler
des Jamblichus, zeichnete ihn am Hofe mehrfach aus und zog ihn bei der
lünweihung von Constantinopel heran. ^) Die grosse Bedeutung des ge-
sprochenen Wortes seiner Zeit erkannte er dadurch an, dass er selbst als
Redner oder, richtiger gesagt, als Prediger auftrat. Diese Predigten, die
Constantin vor seinem Hofe und vor vielen Zuhörern hielt, erschienen
ihm als* ein geeignetes Mittel, erziehend auf sein Volk einzuwirken und
seinen Ansichten wirksame Verbreitung zu geben. Gern erörterte er
christliche Themata. Dolmetscher übersetzten diese lateinisch geschrie-
benen Reden ins Griechische. Auch seine Denkwürdigkeiten schrieb er,
jedoch haben sich nicht viele Spuren derselben erhalten. Mit dem litte-
rarischen Geschmack Constantins scheint es indessen nicht gut bestellt
gewesen zu sein; das Lob, das er den wunderlichen Gedichten des Opta-
tianus gespendet, macht uns skeptisch. Auch sind die kaiserlichen Er-
lasse keineswegs ein Muster gerader und einfacher Rede.
Auch der Sohn Constantins, Constantius, der das Reich aus seiner
Zersplitterung wieder zur Einheit zusammenfasste, war litterarisch ge- .
bildet; freilich über seine Beredsamkeit lautet das Urteil verschieden, an
einer Stelle wird seine Rede als sanft und angenehm bezeichnet, an einer
anderen ihm zwar Streben nach Beredsamkeit zuerkannt, allein sogleich
bemerkt, dass sein Streben von keinem Erfolg gekrönt war, und dass er
infolgedessen andere, die glücklicher waren, beneidete. Der kaiserliche
Einfluss auf die Litteratur tritt in einem Kalender des Jahres 354 zu
Tage, in dem die heidnischen Feste bereits ausgemerzt sind, allerdings
ohne dass die christlichen ihre Stelle einnehmen.
Constantins Verliältnis zur Litteratur. Ps.-Aurel.Victorepit. 41,14 »u/rir^ar/i»
bimas, praeciptie studia litter arum; legere ipse, acribere, meditari. Eutrop. 10, 7 civilibus
artibus et studiis Uberalibus deditus. Optatianus Porfyrius p. 3, 6 (Müller) Caelestis iudicii
dignatione immensum pondus inpositum est, eius imperatoris teatimoniOj qui inter belli
pacUque virtutes, inter triumphos et laureaa, inier legum sanctianes et iura etiam Mtisis tibi
familiaribus plaudis, ut inter tot divinae maiestatia inaignia, quibua et inviciua aemper et
primus ea, huiua etiam atudii in te micet aplendor egregiua. In dem Briefe, den der Kaiser
an den Versekfinstler Optatianus richtet, heisst es (p. 4, 6 Müller) : aaeculo meo acribentea
dicenteaque non aliter benignua auditaa quam lenia aura proaequitur, Denique etiam atudiis
meritum a me teaiimonium non negatur. Der Kaiser fand an den Künsteleien des Dichters
Gefallen, denn es heisst weiter (p. 4, 9): Gratum mihi eat atudiorum tuorum felicittäem in
ülud exiaaey ut in pangendia veraibua dum antiqua aervaret etiam nova iura aibi conderet.
üeber die Privilegien, die er an Aerzte und Professoren verliehen, vgl. Cod. Theodos. 13, 3
aus den Jahren 321, 326 und 333; an dieser letzteren Stelle (13, 3, 3) heisst es: Beneficia
divorum retro principum confirmantea, medicoa et profeaaorea liiterarumy uxorea etiam et
filios eorum ab omni functione H ab omnibua muneribua püblicia vacare praecipimus, nee
ad militiam comprehendi, neque hoapitea redpere, nee ullo fungi munere, quo faciliua Übe-
raJibua atudiia et memoratia artibua multoa instituant,
Constantins Denkwürdigkeiten. Lydus de magistr. 2, 30 ntig (fiaXi^eai Kwy-
>) Vgl. ßurckhardt p. 360.
8 Einleitung. (§§780,781.)
ctayjiyovy (ig aviog oixeiif (patyj yQaxjfag dnoXskoiTtey. 3, 33 Ktorarayiiyog .... tog aviö^
6 ßaffi.Xei'g iy rotg iavrov Xiyei avyygdfifiaaiy .... noXvg iSy iy r^ naidetiaet Xoyatv, Hier
mag auch erwähnt werden, dass im spftten Mittelalter ein Schriftchen de Constantiiio eiusqne
mab*e Helena entstand, welches Heydenreich (Leipz. 1879) herausgegeben hat.
Litteratur. Spezialbiographien von Manso, Bresl. 1817; von Bnrckhardt,
Die Zeit Constantins des Grossen, Leipz.' 1880. Vgl. noch V. Schnitze, Gesch. des Unter-
gangs des griech.-röm. Heidentums 1 (Jena 1887) p. 28; Seeck, Gesch. des Untergangs
der antiken Welt 1», Berl. 1897; 2, Berl. 1901.
Verhältnis des Gonstantius zur Litteratur. Aurel. Victor Caes. 42, 23 lit-
ierarum ad elegantiam prudens atque orandi genere leni iucundoque. Epit. 42, 18 facundiat
cupidus, quam cum asaequi tarditaie ingenii non poaset, aliis invidebat.
780. Julianus (861—868). Man kann den Kaiser Julian den Phi-
losophen auf dem Thron nennen, und es ist ein Unglück seiner Regierung
gewesen, dass sich der Philosoph vordringlich in die Aufgaben des Herr-
schers einmischte. Er verkehrte gern mit den Philosophen und Sophisteo.
die einen grossen Einfluss auf sein Denken gewannen, und glaubte, mit
Hilfe der neuplatonischen Philosophie die alte heidnische Welt retten zu
können. Sein Ideal war die hellenische Humanität und Schönheit; die
hellenische Sprache stand ihm daher höher als die lateinische. In dieser
Sprache verfasste er seine geistigen Produkte; es sind Reden, satirische
Schriften und Briefe. Für das geistige Leben der Zeit, für die Beurteilung
der kaiserlichen Ideen sind diese Briefe eine Fundgrube von nicht zu
unterschätzender Bedeutung.
Julians Verhältnis zur Litteratur. Eutrpp. 10, 16, 8 liheralihus discipUni*
apprime eruditus, Graecis doctior atque adeo, ut Latina eruditio nequaquam cutn Graeca
scientia canveniretf facundia ingenti et prompta, memoriae tenacissimae, in quibusdam phUo-
sopho propior, Mamertinus sagt in seiner Lobrede auf Julian (23 p. 268 Baehrens): f«,
tUf inquam^ maxime imperatoTy exulantes relegatasque virtutes ad rem publicam quodam
postliminio reduxisti, tu extincta iam litterarum studia flammaati, tu philosophiam. pauh
ante suspectam ac non solum spoliatam honoribus, sed accusatam ac ream non modo iudicio
liberasti, sed amictam purpura, auro gemmisque redimitam in regali solio collocasti. Ps.-AureL
Victor epit. 48, 5 fuerat in eo litterarum ac negotiorum ingens scientin; eo iuverat phih-
sophos et Graecorum sapientissimos. — Ausg. seiner griechischen Schriften von F. C. Hert-
lein, 2 Bde., Leipz. 1875/76; Julian! librorum contra Christianos quae supersunt rec. C. J.
Neumann, Leipz. 1880; vgl. dazu Gollwitzer, Acta seminarii philol. Erlangensis 4 (1886)
p, 347. — Teuffei, Kaiser Julianus (Stud. u. Charakt., Leipz.* 1889, p. 224); E. Malier.
Kaiser Flavius Claudius Julianus. Biographie nebst Auswahl seiner Schriften, Hannover 1 901 ;
Koch, De Juliane imp. scriptonim, qui res in Gallia ab eo gestas enarrarunt, auctore dis-
putatio, Leiden 1890; Reinhardt, Der Tod des Kaisers Julian, Coethen 1891; P. Allard,
Julien r Apostat I., Paris 1900; Maass, Analecta sacra et profana, Marb. 1901, p. 12.
781. Valentinian und Ghratian (864—383). Valentinian war eine
bedeutende Herrschernatur; auch das geistige Leben war bei ihm reich
entwickelt. Er schrieb einen schönen Stil und verfügte über die freie Rede,
wenn die Notwendigkeit zu sprechen gegeben war; er war in der Malerei
und Bildhauerkunst gleich geschickt und erwarb sich sogar den Ruhm,
neue Waffen erfunden zu haben. Ein Panegyriker rühmt ihm nach, dass
er der öffentlichen Beredsamkeit freie Bahn geschaffen. Seine Sympathie
für Wissenschaft und Litteratur bewies er auch dadurch, dass er seinem
Sohne Gratian den Dichter Ausonius zum Erzieher und Lehrer gab. Er
selbst interessierte sich für die dichterische Produktion des Ausonius und
regte ihn zu dem cento nuptialis an, nachdem er selbst einen solchen ver-
fertigt hatte. Der Unterricht des berühmten Dichters trug auch seine
Früchte bei Gratian; er war ein Freund der Wissenschaft, der auch seinen
Hof litterarischen Bestrebungen zugängig machte. Er selbst verstand die
Einleitung. (§782.) 9
Kunst, Verse zu machen, konnte gewählt sprechen und war mit der rhe-
torischen Schultechnik vertraut.
Valentinians Verhältnis zur Litteratur. Amm. Marc. 30, 9, 4 scribens decore^
venusteque pingens et fingens et novorum inventor armorum: memoria sermoneque incitato
quidem sed raro, facundiae proximo vigens. Symmach. laudatio in Valentin. 2, 29 (p. 829
Seeck) sonet apud te Ubertas forensia eloquii, quam dudum exulem trihunalihus reddidisti!
ruri emeritus torpebat orator; quibus facundiam natura dederat, officium ius negabat . nus-
quam maius silentium quam in sacrariis litterar um .... haec alieni temporis vulnera in
Alamannicis contemplatus excubiis, cum aUigares manus hostium, solvisti vincla linguarum
.... par fuit, ut eloquentiae usum redderes, cum iam totiens scribenda geasisses. silentium
magnis rebus inimicum est; quid est gloria, si tacetur? habes tot testimonia, quot ingenia
liberasti. lieber seinen cento nnptialis ans Vergil vgl. § 788 p. 29; ttber seinen Einfloss
auf Ausonius § 786 p. 21.
Gratians Verhältnis zur Litteratur. Ps.-Aurel. Victor epit. 47, 4 fuit Gratianui*
litteris haud mediocriter institutus: carmen facere, ornate loqui, explicare controversias
rhetorum more. Auson. p. 194, 5 Seh. bellandi fandique potens Augtistus; Auson. grat. actio
15, 1 (p. 27 Seh.) et cUiqua de oratoriis virtutibus tuis dicerem, nisi vei'erer mihi gratificari.
nan enim Sülpieius acrior in contionibus nee maioris Gracchi commendabilior modestia fuit
nee patris tui gravior auctoritas. qui tenor vocis, cum incitata pronuntias! quae inflexio,
cum remissaf quae temperatio, cum utraque dispensasf quis oratorum laeta iucundius^
facunda cultius, pugnantia densius, densata glomeratius aut dixit aut, quod est liberius,
cogitatit? Symmach. laud. in Grat. 7 (p. 331 Seeck) tropaeis et litteris occupatus otiosa cum
bellicis negotia miscuisti historia oblectaris in proeliis, in adhortatione suasoriiSf actio-
nibus in conloquiis, carminibus in triumphis; Symmach. epist. 10, 2, 5 (p. 278 S.) nam^ quod
sciam, Musis in palatio loca lautia tu dedisti.
782. Theodosius der Grosse und Eugenius (379~-395). Auch der
grosse Theodosius stand der Litteratur nicht fremd gegenüber; er besass
nach dem Zeugnis eines Historikers eine gute Durchschnittsbildung. Ferner
las er Werke über römische Geschichte und las sie mit einem starken
ethischen Oefühl. In seinen Unterhaltungen war er erhaben und angenehm
zugleich. Gelehrte, die seinem Ziele nicht entgegenstanden, zeichnete er
aus. So ersuchte er in einem zierlichen Schreiben den Dichter Ausonius
um Uebersendung seiner Gedichte, wofür ihm der hocherfreute Dichter
ein Danksagungsgedicht überreichte. Merkwürdig ist, dass diese bewegte
Zeit auch einen Humanisten vorübergehend auf dem Throne sah, den
Gelehrten Eugenius.
Theodosius Verhältnis zur Litteratur. Ps.-Aurel. Victor epit. 48, 9 simplicia in-
genia aeque diligere, erudita mirarif sed innoxia .... litteris, si nimium perfectos contem-
plemur, mediocriter doctus; sagax plane, multumque diligens ad noscenda maiorum gesta.
e quilms non desinebat execrari, quorum facta superba, crudelia, libertatique infesta legerat,
ut Cinnam, Marium, Sullamque, atque universos dominantium^ praecipue tarnen perfidos et
ingratos .... miscere rolloquia pro personis, studia dignitatibus, sermonS cum gravitate iu-
cundo, Epist. Theodosii an Auson. p. 1 Seh. amor meus qui in te est et admiratio ingenii
atque eruditionis tuae, quae multo maxima sunt, fecit, parens iucundissime, ut morem prin-
cipibus aliis solitum sequestrarem f amiliar emque sermonem autographum ad te transmitterem,
postulans pro iure non equidem regio, sed ilUus privatae inter nos caritatis, ne fraudari
me seriptorum tuorum lectione patiaris, quae olim mihi cognita et iam per tempus oblita
rurtum desidero, non solum ut quae sunt nota recolantur, sed etiam ut ea, quae fama celebri
adieeta memorantur, accipiam; Auson. an Theodos. p. 1 Seh. scribere me Augustus iubet et
mea earmina poscit, paene rogans.
Verhältnis des Eugenius zur Litteratur. Hist. misc. 13, 11 grammaticus qui-
dam nomine Eugenius, litterar um Latinarum doctor, .... imperaioris Valentiniani anti-
graphus et propter eloquentiam a multis honoi'atus.
I.
Die nationale Litteratur.
a) Die Poesie.
1. Publilius Optatianus Porfyrius.
783. Die Gedichtsammlung des Publilius Optatianus Porfyrius.
Wir haben bereits oben § 512 gesehen, dass in die römische Poesie Vers-
künsteleien eindrangen. Auch hier waren die Griechen die Lehrmeister
der Römer; denn bei den Alexandrinern fanden die Versspielereien eine
eifrige Pflege und die griechische Anthologie liefert uns viele Beispiele
dieser Art von Poesie. Bei den Römern liegt uns das merkwürdigste
Beispiel dieser Verirrung in dem Dichter Publilius Optatianus Por-
fyrius vor. Wir sind nur mangelhaft über seine Lebensschicksale unter-
richtet. Höchst wahrscheinlich ist er identisch mit dem Manne, der im
Jahre 329 und 333 die Stadtpräfektur bekleidete. Jedenfalls war er, da
ihn der Kaiser in einem Briefe mit „frater carissime" anredet, ein Mann
in hochangesehener Stellung. Aus seinen Gedichten erfahren wir, dass er
unter Constantin in die Verbannung gehen musste; leider teilt er uns
nicht mit, warum die Strafe des Exils über ihn verhängt wurde und
welcher Ort ihm für dasselbe angewiesen war. Er begnügt sich hier mit
allgemeinen Andeutungen; er will ungerecht verurteilt sein und in seinem
Exil will er nicht die nötigen Materialien gefunden haben, um seiner Ge-
dichtsammlung eine prächtige Ausstattung geben zu können. ^) Um seine
Zurückberufung aus dem Exil zu bewirken, nahm er zu seiner Kunst seine
Zuflucht; er erinnerte sich, dass Constantin einst seine dichterischen Ver-
suche mit Wohlgefallen aufgenommen. Als nun Constantin das zwanzigste
Jahr seiner Regierung festlich beging, schrieb der Dichter eine Sammlung
von 20 panegyrischen Gedichten und überschickte sie dem Kaiser. Der Dichter
täuschte sich nicht in seiner Berechnung. Constantin war über die dich-
terischen Künsteleien des Porfyrius hocherfreut, begnadigte ihn und richtete
sogar ein Schreiben mit zierlichen, geschraubten Phrasen an den Dichter.
Die zwanzig von dem Kaiser so beifallig aufgenommenen Gedichte wurden von
Porfyrius auch in die Oeflfentlichkeit hinausgegeben; es ist nicht zu ver-
*) Als besonders schmerzlich erscheint ihm die Trennung von seinem Sohn; vgl. 1, 15.
Publiliiu Optatianas Porfyrins. (§§ 783, 784.) 11
wundern, dass er auch das gnädige Handschreiben des Kaisers mit-
erscheinen Hess, denn dasselbe musste ja sein Werk dem Publikum un-
gemein empfehlen. Allein der eitle Versifikator ging noch einen Schritt
weiter; er hatte einst an den Kaiser ein Dankschreiben gerichtet für die
bisherige gnädige Aufnahme seiner Oedichte und den Kaiser darin zugleich
gebeten, ein neues Werk von ihm hinzunehmen. Auch dieses Schreiben
brachte er zur Kenntnis des Publikums. Selbstverständlich musste infolge-
dessen der Dichter auch aus seinen früheren Schätzen manches mitteilen;
er fügte daher noch sieben Oedichte hinzu, welche in unserer Sammlung
die Nummern 21 — 27 bilden. Diese Sammlung wird ergänzt durch ana-
cyclische Verse, welche in der Anthologie des Codex Salmasianus stehen
und dort ausdrücklich dem „Porfirius** beigelegt werden, ferner durch einige
Fragmente, welche bei Fulgentius sich finden.^) Aus der Aufnahme der
anacyclischen Verse in die genannte Anthologie hat man die Vermutung ge-
zogen, dass der Dichter ein Afrikaner war; denn in jener Sammlung sind,
abgesehen von den grossen nationalen Dichtern, nur Werke afrikanischer
Dichter vereinigt.
Für die Schreibang Porfyrias spricht das Gedicht 21, wo der Name Publilius
Optatianus Porfyrins künstlich eingewoben ist.
Ueber das £xil sprechen sich die Verse 2, 31 aus:
Respice me falso de criminey maxime rector,
ExulU afflictum poena.
Vgl. noch 20, 22. Auf die Traurigkeit des Ortes, in dem er sich im Exil befindet, weist
hin 1, 8. Die Begnadigung ergibt sich aus den Schluss Worten des kaiserlichen Briefes:
Tu cum tibi videas operis tut gratiam, quam ex meis petiveras auribus, non perisse, et
proventu praesetUia temporis exuUare debebis et non indehitam laudem ingenii exercHatione
captare.
Ueber die Widmung der Panegyrici. Die Gedichtsammlung wurde dem Gon-
stantin zu seinen Yicennalien, welche im Jahre 825 gefeiert wurden, dediciert; vgl. die
Verse 9, 35:
Sancte paier, rector auperum, vicennia Jaeta
Augusto et decies crescant sollemnia natiaf
und 16, 35: Virtutum meritis vicennia praecipe vota.
Die Dedikation erfolgte sicherlich vor der Ermordung des Grispus durch seinen Vater
Constantin, welche im Jahre 326 stattfand; vgl. Burckhardt, Die Zeit Constantins d. Gr.,
Leipz.' 1880, p. 335; denn sonst würde der Dichter des Crispus nicht in auszeichnender
Weise Erwähnung gethan haben; vgl. 5, 30; 5, 33; 9, 24. In dem Briefe des Kaisers an Por-
f^rrius liegt kein Anzeichen vor, dass die Begnadigung mehrere Jahre später, nach Ueber-
reichung der Gedichtsammlung, erfolgte. Es scheint daher, dass Hieronymus sich täuschte.
wenn er die Zurückberufung mit den Worten: Porfyrius misso ad Consiantinum insigni
volumine exilio Uberatur (2 p. 192 Seh.) z. J. Abr. 2345 = 328 setzt.
Ueber die ausser dem Panegynkus von Porfyrius verfassten und dem Gonstantin
überreichten Gedichte vergleiche seinen Brief an den Kaiser, wo wir lesen (p. 3, 2 M.):
j,quippe cui (Constantino) satis abundeque suffecerat Carmen quod artioribus Musarum
inligaveräm vinculis^ — und weiterhin (p. 3, 9): „da veniam et quae nunc quoque pietatis
tuae favore ausus 8um versibus inligare, dignanter admitte: audaciae meae fomitem auc-
taritatis tuae dementia suscitavit.** Auch 1, 1 erwähnt er Gedichte, die früher in glän-
zender Ausstattung in die Hände des Kaisers gelangten.
In dem zweiten Teil der Gedichtsammlung erscheint ein Bassus, von dem der Dichter
sagt (21, 14): „Sed rursum Bassus nunc prodere Carmen imperat.^ Ueber diesen Bassus
vgL Lncian Mueller in seiner Ausgabe p. IX.
Die versus anacyclici stehen im God. Salmasianus; vgl. Anthol. lat. ed. Riese
No. 81; Baehrens, Poet. lat. min. 4 p. 268.
784. Charakteristik. Porfyrius ist nicht als Dichter, sondern ledig-
lich als Versifikator zu würdigen. Seine Gedichte sind nichts anderes als
_ •
*) Mythol. 2, 1 (p. 40 Helm). De continentia Vergiliana p. 100 H.
12 Pnblilias OptaUanas Porfyriiu. (§ 784.)
Spielereien; er wendet sich nicht an den Geist des Lesers, sondern grössten-
teils an dessen Auge. Seine Poesie ist daher fast nur ai'chitektonisclier
Natur. Viele seiner Gedichte stellen Quadrate dar, indem so viele Verse
aneinandergereiht sind, als jeder Vers Buchstaben enthält. Diese Quadrate
bilden natürlich auch Acrosticha und Telesticha. Aber damit gibt sich
der Verseschmied noch nicht zufrieden. Auch die Diagonalen sind für
sich lesbar; ausser den Diagonalen heben sich noch andere geometrische
Gebilde heraus; selbst das Monogramm Christi ist dem Kaiser zuliebe ein-
gewoben. Nicht bloss lateinische Sätze, sondern sogar griechische werden
auf diese Weise hervorgezaubert. Seine Meisterstücke liefert aber Por-
fyrius, wenn er durch seine Produkte Gegenstände nachbildet. So stellt
uns Gedicht 9 eine Palme dar, Gedicht 20 eine Wasserorgel, Gedicht 26
einen Altar und Gedicht 27 eine Hirtenflöte. Ausser den architektonischen
Kunststücken hat Porfyrius noch andere Künsteleien in Anwendung ge-
bracht, er baut Verse, die vom letzten Wort an gelesen, wieder dasselbe
Metrum ohne Aenderung des Sinnes ergeben (vgl. 13). Aus
Juatis serene populis, favente mundo
wird so:
Mundo favente populis serene iustis.
Ein ganzes Schock von Wunderlichkeiten hat der Verskünstler im Ge-
dicht 15 zusammengehäuft. Die ersten vier Verse werden so gebaut
dass der erste aus lauter zweisilbigen, der zweite aus lauter drei-, der
dritte aus lauter vier- und der vierte aus lauter fünfsilbigen Worten be-
steht. In dem fünften Vers erhalten wir einen sogenannten Keulenvers.
Derselbe entsteht dadurch, das fünf Worte aneinandergereiht werden, von
denen das erste ein einsilbiges, das zweite ein zweisilbiges, das dritte ein
dreisilbiges u. s. f. ist. Der siebente Vers gibt uns alle acht Redeteile. Eine
Reihe von Versen ist so gebaut, dass sie rückwärts gelesen wieder einen
Satz mit anderem Metrum ergeben. So wird aus dem Hexameter (Vs. 11):
Est placitum superis tunc haec in gaudia mundi
rückwärts gelesen folgender Pentameter:
Mundi gaudia in haec tunc superis placitum est.
Natürlich musste der Dichter bei solchen Spielereien den Leser eigens
aufmerksam machen, d. h. eine Gebrauchsanweisung beilegen, wie dies bei
Gedicht 13, 15 und 25 in prosaischer Form geschehen. Bei den architek-
tonischen Produkten mussten durch Mennig die Künsteleien veranschau-
licht werden; doch werden sie hie und da auch im Text^) angedeutet.
Doch genug von den Seltsamkeiten. Verwunderlich ist es nur, dass ein
Mann so unendlichen Fleiss auf solche Abgeschmacktheiten und Nichtig-
keiten verwenden konnte; noch verwunderlicher aber ist, dass solche
Thorheiten am Hofe beifällige Aufnahme fanden. Was den Inhalt an-
langt, so kann derselbe der ganzen Sachlage nach nur ein dürftiger
sein. Dem Panegyriker fliesst überdies der Stoff leicht zu. Merkwürdig
ist die Mischung des christlichen und heidnischen Elements. Man sieht
deutlich, dass die lateinische Poesie ihren Wort- und Phrasenschatz aus
der Blütezeit aufgespeichert hatte, von dem der Dichter nicht abweichen
__^___ . *
*) Ged. 16; 17.
Bnfliu Festns Avienas. (§ 785.) 13
konnte. Es zeigen sich daher bei Porfyrius sowohl in der Sprache wie
im Metrum nur wenig Spuren seiner Zeit. Selbstverständlich mussten
lie technischen Schwierigkeiten oft dunkle und geschraubte Ausdrucks-
nreise herbeiführen.
üeber Porfyrius vgl. Lucian Maeller im Prooemium seiner Ausgabe und dessen
Infsatz in ,,Nord und Sfld'\ 1878, B^.IV p. 84. Weiterhin Burckhardt, Die Zeit Gon-
rtantins d. Gr., Leipz.' 1880.
Die handschriftliche Ueberlieferung. Massgebend sind folgende Codices: der
^emensis 212 s. IX/X, Eporadiensis 70 s. X, Philippicus 1815 s. X, Vaticanus Reginensis 733
1.x. Vgl. L. Havet, Revue de philol. 1 (1877) p. 282; Götz und Löwe, Leipz. Stud. 1
1878) p. 377.
Ausgaben. Poemata vetera ed. Pithoeus, Paris 1590 (Leyden 1596); die Ausgabe
7on Marcus Welser von 1595 (Marci Welseri opuscula, Nürnberg 1682); Migne 19,391;
iie neueste Ausgabe ist die von Lucian Müller, Leipzig 1877, wozu zu vgl. Fröhner,
?hllol. Supplementbd. 5 (1889) p. 74.
2. Rufius Festus Avienus.
785. Die Lehrgedichte des Avienus. In einer Weihinschrift auf
die etruskische Oöttin Nortia, die wahrscheinlich einem Standbild bei-
gegeben war, stellt sich uns der Dichter vor, den wir nach der Para-
phrase des ersten Verses als Rufius^) Festus Avienus bezeichnen
müssen. Es besteht kein ernstlicher Grund, an der Identität des didak-
tischen Dichters mit dem der Inschrift zu rütteln. Aus dieser Inschrift er-
sehen wir, dass Avien sein Geschlecht auf den Stoiker C. Musonius Rufus
zurückführt. Wir hören, dass seine Heimat Volsinii in Etrurien ist,
vroher auch der genannte Stoiker stammt, und begreifen es demnach, dass
er ein Verehrer der etruskischen Schicksalsgöttin Nortia war. Wir lesen
Ferner, dass sein Wohnort Rom war, und dass er auch in der Staatslauf-
bahn auf eine hohe Sprosse stieg, indem er zweimal das Prokonsulat er-
langte, üeber sein Privatleben vernehmen wir, dass ihm ein reicher Kinder-
segen beschieden war. Einer seiner Söhne, Placidus, fügte der hexametri-
schen Inschrift des Vaters nach dessen Tode zwei Distichen hinzu, worin er
/erkündet, dass Juppiter dem Vater eine freundliche Aufnahme gewähren
md dass ihm der Chor der Götter die Rechte entgegenstrecken werde.
Von den Werken des Dichters scheint die Aratübersetzung das be-
rühmteste gewesen zu sein; wir schliessen dies daraus, dassHieronymus diese
Jebersetzung erwähnt, ferner daraus, dass sein Sohn Placidus in seinen
Oistichen das genannte Gedicht des Vaters verwertet hat. Es war keine
eichte Aufgabe, die Avien zu lösen hatte, als er sich zur Bearbeitung Arats*)
intschloss. Es lagen bereits zwei Uebersetzungen der römischen Welt
iOT, die Ciceros (§ 176) und die des Germanicus (§ 363). Von dem Jugend-
^erk des Kaisers Gordian (238 — 244), der ebenfalls den Arat ins Lateinische
Ibertragen hatte, wollen wir dabei ganz absehen. 3) Von seinen Vor-
gängern musste sich also Avien, wenn er bei dem Publikum Anklang
') Vgl. Mommsen, Hermes 16 (1881) scripsit, quae omnia extant, et quidem cuncta
X 605 Anm. 1. ! illa quae Cicero, id est Marium et Aratum
*) Ueber denselben vgl. die Litterator
m § 363 p. 18.
») Hiat. Aug. Gordian. 3, 2 (II p. 31 Peter)
idülescens cum esset Gordianus .... poemata
et Halcyonas et Ujcorium et Nilum. quae
quidem ad hoc scripsit, ut Ciceronis poemata
nimis anttqua viderentur.
14 Bofins Festns Ayieniui. (§ 785.)
finden wollte, irgendwie abheben; er wählte das Mittel der Erweiterung,
wodurch am leichtesten sein Werk einen gewissen originellen Zug erhaltai
konnte. Seine Uebertragung gewann dadurch einen um das Doppelte
grösseren Umfang; denn über 700 Verse konnte der Uebersetzer als sein
Eigentum bezeichnen. Den Stoff, den er zu seinen Erweiterungen brauchte,
fand er in nächster Nähe; die Handschrift des griechischen Dichters war
nämlich mit reichen Schollen ausgestattet, die nur der Einfügung in die
Uebertragung harrten.
• Als Avien an der Hand Arats die Sternenwelt dichterisch bearbeitet
hatte, fasste er den Plan, auch die Erde dem Leser in poetischem Ge-
wände vorzuführen. Eigenes wollte er auch hier nicht geben. Wiederum
griff er zu einer griechischen Vorlage, zu der in hexametrischen Versen
geschriebenen Periegese des Dionysius. Dieser Dichter war ein Alexan-
driner und lebte zur Zeit Hadrians. In versteckten Akrosticha seines
Qedichtes hat er selbst diese beiden Thatsachen verzeichnet. Dieses Ge-
dicht nahm also der Römer vor und bearbeitete es in freier Weise. Ve^
gleichen wir den Umfang des Originals und der Uebersetzung, so ent-
hält die Uebersetzung über 200 Hexameter mehr als das Original; doch
schliesst er sich an Dionysius enger an als an Arat. Ein starkes geo-
graphisches Interesse drängte den Avien nicht zu dem Werke; er wollte
nur seine dichterische Kraft bethätigen, der Stoff ist ihm dabei ziemlich
gleichgültig. Was ihm nicht passend erscheint, lässt er weg ; an anderoi
Orten Tügt er wieder Eigenes hinzu, kurz er schaltet frei mit dem Ori-
ginal, und fast möchte man glauben, dass er den Schein erwecken wollte,
sein Gedicht sei eine selbständige Arbeit. Den Verfasser des Originals
nennt er in seiner Uebersetzung niemals, erst in dem auf die Periegese
folgenden Gedichte, der ora maritima, erscheint der Name des Dionysius.
Auch Priscian hat, wie wir später sehen werden, die Periegese des Dio-
nysius bearbeitet; allein er verfolgt ein anderes Ziel als Avien, da er
ein geographisches Schulbuch geben will.
An die Descriptio orbis schloss Avien eine Küstenbeschreibung, ora
maritima. Sie begann ursprünglich mit Britannien und schloss mit den
Küsten des Pontus Euxinus. Allein von diesem Werk ist uns nur der
erste Teil in 713 Versen erhalten, der von Britannien an den Küsten
Galliens und Spaniens entlang bis zur Südküste Frankreichs reicht und
mit Massilia abbricht. Das Werk ist in jambischen Senaren geschriebea
Da Avien in den beiden vorausgegangenen Stücken den Hexameter im
Anschluss an sein Original gebrauchte, wird man auch die Wahl des
Jambus mit dem Original in Verbindung bringen müssen, d. h. seine Vo^
läge wird schon in jambischen Senaren abgefasst gewesen sein. Die An-
nahme, dass Avien erst seinen Stoff aus verschiedenen Werken zusammen-
suchte, muss gänzlich abgewiesen werden. Obwohl der Dichter bei der
Erwähnung von Gades sich auf Autopsie beruft, so ist er doch keines-
wegs als Geograph anzusehen; er ist nichts als ein Uebersetzer, und die
geographischen Blossen, die er sich gibt, bekunden dies nur zu sehr.')
») Vgl. F. Marx, Rhein. Mus. 50 (1895) p. 327.
Rufliw Festns ATienas. (§ 785.)
15
vien schreibt sein Gedicht zur Belehrung eines ihm befreundeten und
3rwandten Probus ;^) statt nun nach einem Buche zu greifen, das den
duesten Stand der Geographie enthielt, griff er zu einem längst veralteten
Terke, das ihm vielleicht zufällig in die Hände fiel. Das Thörichte dieser
uswahl im Hinblick auf sein Ziel scheint der Dichter nicht bemerkt zu
iben; aber wir wissen es dem sonderbaren Manne Dank, denn er hat
18 damit ein für die Geschichte der Geographie höchst wichtiges Denk-
al in die Hand gedrückt, aus dem wir unsere älteste Kenntnis von dem
^esten Europas schöpfen. Der griechische Periplus ist es, der unsere
ufmerksamkeit anzieht, nicht die Yersifikation Aviens. Dieser Periplus
ar aber, wenn man genauer zusieht, selber wieder kein einheitliches
rodukt, sondern aus zwei Periplen zusammengesetzt; >) der grössere be-
indelte die Küstenfläche, die schon lange bekannt und befahren war,
so die Küste von Gades ab ostwärts; hier hatten Seefahrer und Geo-
'aphen schon viel brauchbares Material zusammengebracht; er wird in
>r ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts entstanden sein. Schlimmer
Lgegen war es mit der Westküste Europas bestellt; über dieses Gebiet
eiteten Fabeleien ihren Schleier aus, erst allmählich drang auch in diese
Bgionen das Licht der Forschung, besonders seitdem die Römer durch
re kriegerische Politik auch in diesen Teil der Erde geführt wurden.
3r Teil des Gedichtes, der von Britannien bis an die Säulen des Herkules
icht, muss also auf einen jüngeren Periplus zurückgehen; es wird dieser
^riplus in der Zeit zwischen 200 — 150 v. Chr. entstanden sein. Ein wohl
>r augustischen Zeit angehörender Gelehrter vereinigte beide Periplen
iteinander, musste aber, um den jüngeren Periplus mit deiti älteren in
nklang zu bringen, die Route ändern und von Norden nach Süden ver-
breiten; dadurch entstanden vielfache Verwirrungen im ersten Teil. In
38er letzten Gestalt nahm Avien das Werk zur Bearbeitung vor. Gegen
s Ende erschien dem Uebersetzer die Vorlage der Ergänzung bedürftig;
griff daher zu Sallust, der einen Exkurs de situ Ponti in seinen Hi-
>rien gegeben hatte. Diesen Exkurs goss Avien in Jamben um und
^ das Stück dem Ganzen hinzu.
Die Bearbeitung eines Stückes aus Sallust scheint in Avien den Ge-
nken zur Entfaltung gebracht zu haben, auch noch andere vaterländische
itoren dichterisch umzugestalten; 3) so hob er aus Vergil die einzelnen
gen aus und versifizierte sie ebenfalls in jambischen Senaren. Dann
iff er zu Livius, um die wichtigsten Epochen der römischen Geschichte
demselben Versmass dem Leser darzubieten. Allein diese beiden letzten
erke sind, wie der Schluss der ora maritima, verloren gegangen. Da-
gen ist uns noch ein Gedicht erhalten, welches in der Ueberlieferung
der Spitze des Corpus erscheint; es ist ein Gedicht von 31 Hexametern,
dem Avien einen Freund um üebersendung afrikanischer Granatäpfel
>) Näher Ifisst sich derselbe nicht be-
nmen; wir können daher auch nicht sagen,
er identisch mit dem Konsul des Jahres
( ist.
*) Auf die Verschiedenheit der zwei Teile
macht schon Gutschmid aufmerksam.
') Es lag das fast im Geiste der Zeit;
denn auch Paulinus versifizierte Suetons
Bücher de regibus.
16 Bafiiw Festna Arienns. (§ 785.)
ersucht. Der Briefschreiber hatte nämlich seinen Magen verdorben und
erhoffte von den Granatäpfeln Heilung seines Leidens. Es ist ein ge-
spreiztes Gedicht, und es ist uns nicht klar, warum dasselbe in das Corpus
aufgenommen wurde.
Ueberschauen wir die dichterischen Leistungen Aviens, so springt
vor allem in die Augen, dass er kein origineller Dichter war. Er über-
setzt aus dem Griechischen ins Lateinische mit Beibehaltung des Metrum,
er giesst lateinische Prosa in Poesie um, er macht aus lateinischen Hexa-
metern lateinische Jamben. Also nur das Verdienst der Formgebung kann
Avien für sich in Anspruch nehmen. Allein seine Poesie ist doch nicht,
wie die des Ausonius, ein blosses Spiel; sie verfolgt eine Idee: das Uni-
versum, Himmel und Erde und die römische Welt sollen dem Leser
erschlossen werden. Dass Avien die Sagen Yergils und die römische
Geschichte nach Livius in poetischem Gewände vorführt, ist charak-
teristisch. Wir sehen daraus, dass Avien ein Mann ist, den der Haach
des Christentums nicht berührt hat und der mit ganzem Herzen sein^
Nation zugethan ist. Interessant ist es, dass noch auf diesen Römer
die Stoa ihren Einfluss ausgeübt, wie aus der Weihinschrift zu er-
sehen ist.^
Weihinschrift an Nortia. Festus, Musoni suboles prolesque Avieni, \ unde tui
latices traxerunt, Caesia, notnen, \ Nortia, te veneror, lare cretus Vulsiniensi, \ Romam habi"
tanSf gemino proconsulis auettis honoref \ carmina multa serens, vitam insons, integer cievum^
coniugio laetus Placidae numeroque frequenti | natorum exsultans. vivax ait apirüus oUis!
cetera composita fatorum lege trahentur. Vgl. CIL 6 p. 537; Dessau, Inscriptiones lat selectae
1 No. 2944; Anthol.lat. vol. 2 Carmina epigraphica ed. Bücheler, fasc. 2, Leipz. 1897, No. 1530.
Nach dieser Inschrift war der Dichter ein Nachkomme des Stoikers C. Mosonius Rufbs
(§ 451). Sehr dunkel ist Vs. 2, da die aqua Caesia gänzlich unhekannt ist; es scheint, dass
ein Caesius Avienus den Namen gegeben. Die Heimat des Dichters ist nach Vs. 3 in
Vulsinii in £trurien. Deber die Göttin Nortia, welche eine Fortuna, der von Antiom und
Praeneste ähnlich, bedeutete, vgl. K. O.Müller, Die Etrusker 2^ (Stuttgart 1877) p. 52;
Wagner in Roschers Lexikon der griech. u. röm. Mythol. s. v. Schwierig ist die Be-
stimmung der Worte gemino proconsulis auctus honore. Ein 'Pov(piog ^tjcjo^ be»
kleidete das Prokonsulat in Achaia (vgl. CIG 372), und wenn wir nun lesen descriptio
Vs. 603, dass Avien den delphischen Apollo selbst gesehen {illic saepe deum conspeximut
adridentem, \ inter turicremas hie Phoebum vidimus aras), so werden wir das eine Pro-
konsulat des Dichters in Achaia zu suchen haben. Für das zweite Prokonsulat fehlt
es an einem inschriftlichen Zeugnis; denn der Prokonsul Africae Festus aus den Jahren
366/67 ist mit unserem Dichter nicht identisch, sondern C. Julius Festus Hymetius (CIL 6,
1736; 8, 5336; 10609). Es bleibt also nur eine Stelle übrig (ora marit. Vs. 273), an der
Avien seine Bekanntschaft mit dem phönizischen Herakles von Gades auf Autopsie gründet
{no8 hoc locorum, praeter Herculaneam solemnitatem, vidimus miri nihil). Daraus machte
man schliessen, dass der Dichter Prokonsul von Baetica war; vgl. F. Marx Sp. 2388. Ueber
die ganze Frage vgl. P. Monceaux, Revue archöologique 9 (1887) p. 191; Kossi, Amuüi
deir Instituto 21 (1849) p. 345. Den Versen des Vaters fügte sein Sohn Placidus folgende
zwei Distichen hinzu: Ibis in optatas sedes: nam Juppiter aethram | pandit, Feste, tUn,
candidus tU venias. \ Jamque venia, tendit dextras chorus inde deorum \ et toto tibi iam
plauditur ecce polo. In diesen Distichen ist unleugbar Arat Vs. 2 nachgeahmt Darans
und aus den Worten der Inschrift carmina multa serens ergibt sich, dass der Yerfasser
der Weihinschrift der Dichter des Aratus ist. Wie es eine weitverbreitete Sitte des Alter
tums war, einen Schriftsteller durch ein stillschweigendes Citat zu ehren, so huldigt der
Sohn dem verstorbenen Vater dadurch, dass er den Anfang seines verbreitetsten Gedichts
in den Anfang der Distichen hineinverwoben hat. — Ueber Avienus im allgemeinen vgl
Wernsdorf, Poet. lat. min. 5 p. 621 und F. Marx, Pauly-Wissowas Realencycl. 2 Sp. 2886.
Avieni bei anderen Schriftstellern. Amm. Marc. 28, 1, 48 Eumenius et Abienut
ambo ex coetu amplissimo infamati sub Maximino in Fausianam feminam non obseuram,
*) Man vgl. den Schluss der Inschrift: Cetera — trahentur.
Rnflas FeatuB ATienna. (§ 785.) 1 7
Victorini obitutn, quo tuvante vixere seeurius, Simplicii adventu perterrefacti, tum secus
itis magna cum minis, ad secreta receptacula se contulerunt; vgl. noch das Folgende.
rob. sat. 1, 6, 26 sie Messdia tuuSt Äviene, dictus a cognomento Valerii Maximi. Seeck,
g. des Symmachos p. GLXXXVT identifiziert den Avien bei Ammian mit dem Dichter.
Avien bei Macrob hält F. Marx (1. c. Sp. 2887) ftlr einen Sohn des Dichters. Es fragt
noch, in welchem Verhältnis der Verfasser des Breviarium zu unserem Dichter steht;
I Mommsen (Hermes 16 (1881) p. 605, Anm. 2) ist der Verfasser identisch mit dem
faaser der Weibinschrift, dem Prokonsal von Achaia und Afrika (366). Bezüglich des
ersetzers des Aratos schwankt Mommsen, ob derselbe ebenfalls identisch oder der
IT des Verfassers des Breviarium ist. Die letzte Annahme ist ihm die wahrscheinlichere.
Chronologie der Gedichte. Da ora marit. Vs. 71 die descriptio orbis terrae
ft wird, muss dieses Werk der ora maritima vorausgehen. Höchst wahrscheinlich ist,
t der Arat der descriptio vorausgeht, wie dies auch in der handschriftlichen Ueber-
tnmg der Fall ist; wenn dagegen Winterfeld (Philol. 58 (1899) p. 281) aus den Worten
1) auspiee terraa linquo Jove u. s. w. schliessen will, dass die descriptio und die ora
itima dem Arat vorausgingen, so ist dieser Schluss keineswegs zwingend. Ebenso
rscheinlicb ist, dass die in Jamben geschriebenen Vergilsagen und die römische Oe-
chie nach Livius sich an die ora marit. anschlössen, welche der Dichter ebenfalls im
[»ischen Metrum versifiziert hat. Genauer lässt sich die Abfassungszeit des Arat be-
men. Da nämlich Hieronymus in einem im Jahre 387 publizierten Commentar den
t als ein neulich (nuper) erschienenes Werk bezeichnet, wird dieser nicht lange vor
em Jahr herausgekommen sein. Damit stimmt, dass Lactantius die Uebersetzungen des
ro (div. inst. 5, 5 Brandt) und des Germanicus (1, 21) erwähnt, den Avien aber nicht
at. (Buecheler zu carm. epigr. 306, 7 (= Damas. epigr. 26 Ihm) „num Avienum taxat
ra canentem vetera?*)
Der Titel Aratus. Im Vindobonensis lautet die Ueberschrift: Ruft Festi Arati
pü liber primus de posiHone ayderum; im wesentlichen auch so im Ambrosianus. Die
scriptio lautet in der editio princeps: Festi Aratus explicU; im wesentlichen auch so
^mbroaianus. Mit Recht hat daraus Breysig geschlossen, dass Avien seiner lieber-
ong den Titel Aratus gegeben. Im Gudianus 132 s. X lautet die Ueberschrift: Rufi
ti Avieni viri clari Arati Phaenomena; der Text hiezu fehlt aber; vgl. Breysig,
nes 11 (1876) p. 251.
Die Aratübersetzung. Das Original umfasst 1154, die Uebersetzung dagegen
l Verse (Phainomena 1325, Prognostica 553 Verse); der üeberschuss der Uebersetzung
ägt also 724 Verse. Ueber das Verhältnis des Originals zur Uebersetzung vgl. G. Sieg,
Cicerone, Germanico, Avieno Arati interpretibus, Halle 1886, p. 30. Ueber die Zusätze
p. 35 und p. 36. Ueber Eratosthenes als Quelle von Zusätzen vgl. C. Robert, Era-
lenis catasterismorum reliquiae, Berl. 1878, p. 26; Sieg 1. c. p. 36 und p. 40. Im all-
einen vgl. Schaubach, De Arati Solensis interpretibus romanis, Cicerone, Caesare
nanico et Rufe Feste Avieno commentatio, Meiningen 1818, p. 8. Für die Benutzung
hrter Schollen ist belehrend Vs. 582 cerni sex solas carmine Minthes adserit, Electram
> dbseessisse profunda oh formidatum memorat prius Oriona; vgl. auch Schaubach
p. 12; Winterfeld (Beitr. zur Quellen- und Textkritik der Wetterzeichen Aviens, Berl.
1), der auf Vs. 1606 f., 1612 f., 1682 f., 1710 f., 1794 f., 1808 f., 1813 f., 1823 f. auf-
csam macht.
Descriptio orbis. Ueber die Zeit und Heimat des Periegeten Dionysius vgl.
eae, Philol. 42 (1884) p. 175; über Alexandria als seine Heimat, die sich aus einem
Mitichon ergibt, vgl. p. 176. Ueber das Akrostichon, das die Zeit Hadrians als Ent-
ODgBzeit des Werks kundgibt, vgl. p. 177. Das Original hat 1187, die Uebersetzung
( Verse. Ueber das Verhältnis des Originals zur Uebersetzung vgl. Kosten, De Avieno
lyaii interprete, Tübingen 1888, p. 3. Ueber die geringwertige Handschrift, die der
drsetzer benutzte, vgl. Kosten p. 3; über die Missverständnisse vgl. p. 7; über die
;la88ungen vgl. p. 29. Im Gedichte selbst wird Dionysius nicht erwähnt, wohl aber
marit. Vs. 831. Die Uebersetzung Priscians steht bei Baehrens, Poet. lat. min. 5
75; über das Verhältnis dieser Uebersetzung und der Aviens vgl. Kosten 1. c. p. 2.
Widmung der ora maritima. Ora marit. p. 144, 5 H. subii libenter id laboris,
Ibi {Probe) desideratum carmine hoc claresceret. p. 145, 24 muha ergo, multa compulere
Probe, effiagitatam rem tibi ut persolverem. p. 146, b\ hie porro habebis, pars mei
lis Probe, quidquid per aequor insularum attollitur,
Ausdehnung des Werks. Dass die Beschreibung der Küsten des Pontus Euxinus
Schlufls des Werkes bildete, geht hervor aus p. 146, 68 H. laboris autem terminus
ri hie erit, Scyfhieum ut profundum, et aequor Euadni sali, et siquae in illo marmore
iae tumetU, edigserantur: reliqua porro scripta sunt nobis in illo plenius volumine^ qu<Ki
tifirf'r'u?*» der Irlii. Altertamurteenaoluift. VHI, 4. ^
18 Bafina Featna Ayieniia. (§ 785.)
de orbis oris partibuaque fecimu8. Der Ansicht Müll en hoffe (p. 76), dass sich das 2. Bach
gleich mit den Küsten des Pontus Enxinns beschäftigte, haben mit Recht A. von Gat-
schmid, Litt. Zentralblatt 1871, Sp. 523 = El. Sehr. 4 (1893) p. 127 und andere Gelehrte
sich widersetzt.
Der Original-Periplns Aviens. Zum erstenmal hat W. Christ über die
Quellen des Avien in methodischer Weise gehandelt, auch zur Erklärung des Gedichtes
manche treffliche Bemerkung gegeben. Bezüglich der Vorlage des Avien geht seine Meinung
dahin, dass er in der Beschreibung der Westküste Spaniens dem Eratosthenes gefolgt sei
(p. 165), Eratosthenes aber auf Pytheas zurückgehe (p. 158). Doch lässt Christ (p. 176)
eine Mehrheit der Quellen zu. Zu einem ganz anderen Resultat gelangte Müllenhof f;
er statuiert, dass in letzter Linie der Bericht Aviens auf einen phönizischen, auf Autopsie
beruhenden Periplus zurückzuführen sei, der 530—500 v. Chr. vor Einwanderung der Eeltra
in Spanien verfasst worden. Dieser Periplus sei aber von einem Griechen wahrcheinlich im
5. Jahrhundert ins Jonische übersetzt worden (p. 202); dieser Periplus sei dann im 3. Jahr-
hundert, vor der Gründung von Carthago Nova, von einem Griechen vielfach interpoliert
worden und in dieser Gestalt habe der Periplus dem Avien vorgelegen, der Ihn weiteriiin
durch Missverständnisse und Zusätze entstellte (vgl. Unger n. 193). Gutschmid (p. 130)
bestreitet den punischen Ursprung des Periplus wegen der bei Avien erscheinenden grie-
chischen Namen und setzt ein griechisches Original voraus, das er in den Anfang des 5. Jahr-
hunderts verlegt. Aber auch er nimmt Interpolierung des griechischen Periplus an. Auch
Unger (p. 204) erblickt die Quelle Aviens in dem Periplus eines Küstenfahrers, der «heim-
gekehrt seine Ergebnisse mit den in der bisher erschienenen Litteratur vorfindlichen Angaben
verglich und die Abweichungen anmerkte**. Die Abfassungszeit des Periplus setzt er in die
Zeit zwischen 390 und 370 (p. 196). Eine Interpolation der Vorlage erkennt Unger nicht an.
Die Ys. 42 fg. angeführten Quellenautoren seien schon in der Vorlage genannt gewesen (p. 202).
Sonny behauptet, dass der dem Avien vorgelegene Periplus vor dem Einbruch der Gallier
in das südliche Gallien, also vor Beginn des 4. Jahrhunderts, verfasst worden sei (p. 66).
Derselbe rühre von einem Massalloten her (p. 69). Atenstaedt schreibt bezüglich der Zeit
des Periplus (p. 71): „propter ea, quae de Massaliotarum et Carthaginiensium rebus in ora
Iberica gestis eruimus, videtur periplus Avieni sub finem quinti aut quarti saeculi initixim esse
compositus.** Zuletzt hat unsere Frage F. Marx in einer vortrefflichen Abhandlung des Rh^.
Mus. besprochen; er führt aus, dass die griechische Vorlage, die Avien übersetzte, aus zwei
Periplen zusammengesetzt war; der grössere ging von den Säulen des Hercules, bezw. vod
Gades und dem gaditanischen Gebiet ab ostwärts und umfasste also die bekannte Welt;
der kleinere ging etwa von Gades ab westwärts und nordwärts (p. 329). Der kleinere
Periplus muss nach ihm in die Zeit bald nach Eratosthenes und vor die Mitte des zweiten
Jahrnunderts v. Chr., d. h. vor die Zeit der Kriege der Römer mit den Celtiberem und Lusi-
taniem gehören, welche erst die Nordküste, Westküste und Südwestküste der Halbinsel der
Erdkunde erschlossen haben, also in die Zeit von 200—150 v. Chr. (p. 345). Die grössere
Vorlage fällt in die Zeit zwischen Herodot einerseits und Scylax und Ephoros anderseits,
d. h. in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts (p. 346). Da die griechische Vorlage des
Avien, um den ersten Periplus mit dem zweiten zu verbinden, den Weg des ersten Periplus
umkehren musste, waren Verwirrungen unvermeidlich (p. 333). Die Verbindung der beiden
Periplen mit der Umkehr des ersten soll einem Gelehrten der augustischen Zeit ange-
hören; er habe die punischen Etymologien von Gadir 268 und Abila 345 hinzugef!^,
ausserdem ein Citat aus dem punischen Periplus des Himilco an verschiedenen Stellen, war
also ein Gelehrter nach Art des Juba, über den Avien 275 f. berichtet. Ob derselbe Gelehrte
auch das Ganze in griechische Verse brachte oder ein späterer griechischer Dichter nach
Art des Dionysius sich dieser Aufgabe unterzog, lässt Marx unentschieden (p. 347).
Avien und Sallust. Ora marit. p. 145, 32 Holder Interrogastij si tenes, Maeoiiei
sUus quis esset aequoris. Sallustium noram id dedisse^ dicta et eius Omnibus prcieiudicatae
auctoritatis ducier non abnuebam: ad eius igitur inclytam descriptionem, qua loeorum f&T'
tnulam imaginemque expressor efficax stili et veritatis paene in optutus dedit lepore Hnguoi,
niulta verum iunrimus, ex piuHmorum sumpta commentäriis. Ueber die dann folgenden
elf Autoren, nämlich Hecataeus, Hellanicus, Euctemon, Phileus, Scylax, Damastus, Herodot»
Thucydides, Bacoris, Cleon, Pausimachus, vgl. Unger p. 201 und F. Marx p. 346. Sallast
handelte de situ Ponti im 3. Buch der Historien; vgl. Maurenbrecher, Sallusti historianun
reliquiae, Leipz. 1891/93, p. 134.
Litteratur zur ora maritima. Ukert, Ueber des Aviens ora maritima (Geo
graphie der Griechen und Römer 2. Teil, 1. Abt. (Weimar 1821) p. 473); Saulcy, l^tude topo-
graphiquc sur l'Ora maritima de Ruf. Avien. (Revue archöol. 15 (1867) p. 52 und p. 81);
W. Christ, Avien und die ältesten Nachrichten über Iberien und die Westküste Earopaa
(Abb. der Münchener Akad. der Wissensch. 11 (1868) 1. Abt. p. 113); Müllenhoff, Deutsche
Vltertumskunde 1 (Berl. 1870) p. 73; vgl. dazu W. Christ, Fleckeis. Jahrb. 103 (1871) p. 710;
Rnflna Fest na Ayienaa. (§ 785.) 19
C. M(ftller), Philol. Anz. 3 (1871) p. 456; Gutschmid, Kl. Sehr. 4 (1893) p. 127; C. M(üller),
Die ora maritima des Avienus (Philol. 32 (1873) p. 106) richtet sich gegen MttUenhoffs
Deutung einzelner Stellen; G. F. Unger, Der Periplus des Avienus (Philol. Supplementbd.
4 (1884) p. 191); A. Sonny, De Massiüensium rebus quaest, Dorpat 1887 (De Avieni ora
maritima p. 21); Atenstaedt, De Hecataei Milesii fragmentis, Leipz. 1891 (Quo tempore
Avieni periplus videatur conditus esse quaeritur p. 44); Eimer, Interne all* „Ora mari-
Üma* di Avieno e alle sue fonti (Stndi storici 2 (1893) p. 358); Ora maritima. Estudo d'este
poema na parte respectiva äs costas occidentaes da Europa. Por F. M. Sarmento. 2. edi9.
Forto 1896; F. Marx, Aviens ora maritima (Rhein. Mus. 50 (1895) p. 321); Karten zur ora
maritima finden sich bei Christ, Abh., Müllenhof f. I.e. undW. Sieglin im von Spruner-
Bchen Handatlas, Tafel 24, 1.
Das Einleitungsgedicht. In der editio princeps geht dem Corpus ein Gedicht
▼oraus, welches die üeberschrift trägt: Rufus Festus Avienius v. c. Flaviano Myrmeico v.
c suo salutem. Bei dem Adressaten hat man an den Prokonsul Africae Flavianus gedacht,
fUr dessen Prokonsulat wir Daten aus den Jahren 358 (Cod. Theodos. 8, 5, 10) und 361
(Cod. Theodos. 11, 36, 14) haben; femer an den Flavianus, der im Jahre 377 vic. Africae
war (Cod. Theodos. 16, 6, 2 ; vgl. Amm. Marc. 28, 6, 28) und an den, der 382 praefectus prae-
torio Illyrici et Italiae war (Cod. Theodos. 9, 40, 13; vgl. noch 7, 18, 8; 9, 29, 2). Vgl. Mon-
ceaux, Revue arch^ologique 9 (1887) p. 194.
Verlorene Gedichte, a) Vergilsagen. Serv. zu Verg. Aen. 10, 272 stoici dicunt
h4MS Stellas (cometas) esse ultra XXXII, quarum nomina et effectus Avienus, qui iambis
Mcripsit VergUii fahulas, memorat .... sane Avienus cometarum has differentias dicit,
Serv. zu Verg. georg. 1, 488 diri cometae] crinitae, pessimae, quia sunt et bonae .... quam
rem plenissime Avienus exsequitur. ß) Liviusparaphrasen. Serv. zu Verg. Aen. 10, 388
haec fahtda in latinis nusquam invenitur auctoribus. Avienus tarnen, qui totum Livium
iambis scripsit, hane commemorat dicens graecam esse. Vielleicht war hier Vorbild Alphius
Avitus (§ 513, 3).
Die zwei apokryphen Gedichte. Mit den Ausgaben des Avien werden in der
Regel noch 2 Gedichte verbunden (so z. B. bei Holder p. 173 u. p. 174), allein die Ueber-
lieferung gewährt keinen festen Anhalt fQr diese Zuteilung. Das erste Gedicht wird nur
von einem Teil der Handschriften unter der Aufschrift Avieni v. c. ad amicos de agro
aofgefahrt; vgl. Anthol. lat. ed. Riese No. 26 und Baehrens, Poet. lat. min. 4 p. 116. Für
das zweite Gedicht de Sirenis scheint sich eine handschriftliche Zuteilung an Avien über-
hanpt nicht nachweisen zu lassen; vgl. Anthol. lat. ed. Riese No. 637 und Baehrens,
Poet. lat. min. 4 p. 154.
Vorbilder. Ora marit. Vs. 347 ut auctor Plautus est. Ueber die Nachahmung des
Lacrez vgl. Maass, Aratea p. 314; F. Marx 1. c. Sp. 2390. BezQglich der Nachahmungen
▼on Cic. Aratea vgl. z. B. Cic. 48 aecat adra pinnis und Avien. Arat. 636 secat aethera pinnis.
JHe Benutzung des Germanicus zeigt sich allenthalben. Ueber Nachahmungen des Vergil
▼gl. E. Kosten, De Avieno Dionvsii interprete, Tübingen 1888, p. 16; des Horaz Ausg. von
Keller-Holder 1* (Leipz. 1899) an verschiedenen Stellen, z. B. epod. 3, 17.
Die Metrik Aviens. L. Müller, De re metrica, Leipz.' 1894, p. 99 und p. 172;
W. Meyer, Ueber die Beobachtung des Wortaccentes in der altlateiniscnen Poesie (Abh.
der Münchener Akad. der Wissensch. 17 (1886) p. 113 (über Betonungen) und p. 115);
Hilberg, Vorläufige Mitteilungen über die Tektonik des lateinischen Hexameters (Verh.
der 39. Philologenversammlung p. 231); Winterfeld, Philol. 58 (1899) p. 283.
Fortleben Aviens. Hieronym. ed. Vallarsi tom. 7 Sp. 706 D ipsius enim et genus
9umus [Act. apost 17, 28]: quod hemistichium in Phaenomenis Arati legitur^ quem Cicero in
laiinum sermonem transtulit, et Germanicus Caesar, et nuper Avienus et multi^ quos enu-
merare perUmgum est. Ueber das Verhältnis des Avien und Ausonius vgl. Stahl, De Au-
I Bonianis studiis poetamm graecorum, Kiel 1886, p. 19. Bemerkt sei, dass auch Priscian
, seinen Vorgänger benutzte.
Die Ueberlieferung ist für die einzelnen Gedichte Aviens verschieden, n) Für
t den Arat sind Zeugen der Ambrosianus D 52 inf. s. XV (A), der Vindobonensis 117 s. X (V)
: und die editio princeps des Georgius Valla, Venedig 1488 (E). Winterfeld (Do Rufi
\ Festi Avieni metaphrasi arateorum recensenda et emendanda, Berl. 1895, p. 4) versucht den
Nachweis, dass der Ambrosianus aus einem vielfach unlesbaren und 24 Zeilen auf jeder
Seite enthaltenden Apographon des Vindobonensis geflossen sei. Allein diese Annahme
findet Breysig (Berl. philol. Wochenschr. 1895 Sp. 1197) bedenklich, der vielmehr statuiert,
dass A aus derselben Quelle wie V stammt, aber nicht direkt, sondern durch mehrere
\ Zwischenstufen, ß) Für die descriptio sind Zeugen der gen. Ambrosianus und die editio
! princeps; hinzu kommt noch ein verloren gegangener Codex Ortelianus, dessen Collation
. m dem Codex Leidensis Bnrmanni 21 enthalten ist y) Für die ora maritima ist allein
2*
{
20 Deoimns Magnus Aiuoiiiaa. (§ 786.)
massgebend die editio princeps nnd die Vergleichnng des Orteliamis. d) Das Gedickt
an Flavianns Myrmeicns ist nur durch die editio princeps überliefert^
Ausgaben, a) Gesamtaasgaben; vgl. A. Holder, Ausg. p. XVllL Za bemo-kee
ist, dass von den 7 Stücken, die dem Festus beigelegt werden, von denen aber zwei uo-
kryph sind, die Ansg. nur selten alle enthalten. Besonders fehlt oft das inBchriftliche Ge-
dicht. Gesamtausg. ist daher nicht im strengen Wortsinne aufzufassen. Von der grSsaia
Wichtigkeit ist die editio princeps des Georgias Valla, Venedig 1488. An die ed. piiic.
reihen wir noch die Ausg. des P. Pithoeus in den Epigrammata et poemaiia cetera, Pan
1590; die Melians, Madrid 1634 (ohne ki-itischen Wert; vgl. Breysig, Hermes 16 (1881 1
p. 135). Ausser dem Aratus sind alle Werke des Avien beiWernsdorf, Poet. lai. voLh
p. 1296, p. 725, p. 1157. Alle 7 Nummern sind vereinigt in der Ausg. von Gilea, London 1848
und in der durch den kritischen Apparat massgebenden Ausg. A. Holders, Innsbmck 1887,
der auch ein ausführlicher Wortindex und ausführliche Bibliographie (p. XXXJ — LXY) bd>
gegeben sind; vgl. dazu Breysig, Rhein.Mus. 55 (1900) p.569; 56 (1901) p. 563. ß) Spezial-
ansgaben, a) Des Aratus. Dieses Werk ist öfters mit andern Aratea vereint, z. B. im Sji-
tagma Araieorum des Hugo Grotius, Leiden 1600 und in der Aratausg. von Bnhle, hagi
1793—1801 und in der von F. C. Matthiae, Frankfurt 1817. Gesondert ist Aviens Ante
•publiziert von Breysig, Leipz. 1882; dazu kommt Avieni prognostica ed. Breysig, ESrfnrt 1882;
vgl. Novae editiones Arateorum .... ed. J. G. Schaubach, Meiningen 1817; Jahns Aickh
12(1846) p. 197; Prosaische Uebersetzung I.Teil von P. Gr. Fischer und Fr. Köppner,
Eomotau 1893; 2. Teil von P. Gr. Fischer, Eomotau 1896; Olivieri, Sulla tradnzioDe ü
R. F. Avieno dei vv. 1—732 di Arato (Rivista di storia antica 3 (1898) p. 182). b) Der
descriptio. Sie steht in der Ausg. der Geographi graeci minores von Bernhard^, vd.1
Dionys. Perieget, Leipz. 1828 und Geographi graeci minores von C. Müller (P&hb* 1861)
p. 177 f. Ueber eine un November 1513 in Bologna erschienene Ausg. mit dem Titel: Situ
orbis Dionysii Ruffo Avieno interprete, deren Herausgeber Jo. Antonius Modeatns
ist, und die sehr beachtenswerte Lesarten enth<, vgl. Breysig, Rhein. Mus. 55 (1900)
p. 565. Gesondert wurde die descriptio von H. Friesemann,! Amsterdam 1786, heran-
gegeben; auch in der Aratausg. von Matthiae ist die Dionvsii Orbis teixamm desoM
beigegeben; vgl. auch Wassii, Miscellaneae observationes vol. 1 (Amsterdam 1732) p. 773;
vgl. dazu noch die Mitteilungen p. 373; vol. 5, tom. 1 p. 64 und p. 165. Das Einleitaiig»
gedieht ist auch abgedruckt in Anthol. lat. ed. Riese No. 876.
3. Decimus Magnus Ausonius.
786. Das Leben des Ausonius. Decimus Magnus Ausonius war zu
Anfang des 4. Jahrhdts. zu Bordeaux geboren. Sein Vater Julius Ausonius,
von dem er ein schönes Charakterbild in einem Epicedion entwirft, war
Arzt und erfreute sich als Mensch hohen Ansehens. Der Sohn erhielt die
rhetorische Bildung seiner Zeit; er studierte zuerst in Bordeaux, dADn
begab er sich nach Tolosa, wo sein Onkel Aemilius Magnus ALrborios^)
eine Professur inne hatte, um unter dessen höchst wirksamer Leitung seine
Studien fortzusetzen. Als der Onkel nach Constantinopel berufen wurde,
kehrte Ausonius nach Bordeaux zurück und brachte hier seine grammati-
schen und rhetorischen Studien zum Abschluss. Wie der Onkel, so wählte
sich auch der Neffe die Lehrthätigkeit zum Lebensberuf. 30 Jahre lang
bekleidete er eine städtische Professur in seiner Vaterstadt, zuerst ose
der Grammatik, dann eine der Rhetorik. Seine Wirksamkeit muss eine
glänzende gewesen sein, weil er die Aufmerksamkeit des Hofes auf sich
zog. In der Zeit von 364—368 berief ihn der Kaiser Valentinian nach Trier,
um ihm die Erziehung und Ausbildung seines Sohnes Gratian zu übertragen.
*) Patisson veröffentlichte im Petron I antiken meist mittelalterliche Gedichte oit-
(Paris 1587) aus einer nnhekannten, aber
guten Handschrift ein Liebesgedicht, über
welches zu vergleichen Burckhardt, Die
Zeit Constantins d. Gr., Leipz.« 1880, p. 258.
Spfiter wurde das Gedicht gefunden in einem
Cod. Remensis 743 s. XY, der neben einigen | 5 p. 891.
hält; vgl. Ellis, Journal of nhiloL 9 (188(9
p. 186. Rivinus schrieb es onne Ghnmd m-
serem Arborius zu; das Gedicht ist jedod
antik. Abgedruckt in Anthol. lat. ed. Ries«
No. 897 und bei Baehrens, Poet, lat
Deoimua Magnus Anaoniiui. (§ 786.)
21
Diese Berufung bedeutet einen wichtigen Einschnitt im Leben des Ausonius.
Seine Stellung sicherte ihm eine glänzende Zukunft. Als Valentinian und
Gratian in den Jahren 868 und 369 im Felde gegen die Alamannen
standen, befand sich auch unser Dichter im kaiserlichen Gefolge ; als Beute
erhielt er ein Schwabenmädchen mit Namen Bissula, dem er einen an-
ziehenden Liedercyclus widmete. Ehrenstellen blieben nicht aus; nachdem
er noch zu Lebzeiten Yalentinians comes und quaestor sacri palatii ge-
worden war, erhielt er von Oratian die Verwaltung Oalliens und später
in Gemeinschaft mit seinem Sohne Hesperius noch die Verwaltung von
Italien, Dlyrien und Afrika. Wahrscheinlich erwies sich der Sohn geeig-
neter als der Vater und geschah die Vereinigung beider Aemter nur zu
dem Zwecke, um den Dichter in feiner Form bei Seite zu schieben.
Schliesslich wurde ihm im Jahre 379 sogar das Konsulat zu teil, eine
Auszeichnung, die den alten Schulmann ausserordentlich glücklich machte.
Als Prinzenerzieher fand Ausonius Zeit genug, £iich in rhetorischen Dich-
tungen und Spielereien zu versuchen. Selbst der Hof nahm Anteil an
diesen Produktionen und veranlasste das eine oder das andere Gedicht;
so wurde der cento nuptialis auf Anregung Valentinians geschrieben, auch
das berühmte Gedicht über die Mosella dürfte höfischem Einfluss seinen
Ursprung verdanken. Mit der Ermordung seines Gönners Gratian (383)
hatte auch Ausonius seine Rolle ausgespielt; er zog sich jetzt vom öffent-
lichen Leben zurück und suchte wiederum die Stätte seiner Jugend, Bor-
deaux auf. In seiner Heimat lebte er als feiner Weltmann ein behag-
liches Stilleben, seine Versifikationen auch hier fortsetzend. Unter seinen
Zeitgenossen war Ausonius sehr angesehen; selbst der Kaiser Theodosius
bat ihn um Uebersendung seiner Gedichte. Zu seinen Freunden zählte
Ausonius hochberühmte Männer seiner Zeit; wir nennen Symmachus, ^) den
er in Trier kennen lernte, und seinen eigenen hochbegabten Schüler Paulinus,
den späteren Bischof von Nola, dessen geistiges Leben später eine andere
Kichtung nahm als das des Lehrers. Die Briefe, in denen sich dieser
Gegensatz abspielte, sind für uns Dokumente von fast welthistorischer Be-
deutung. Gegen Ende des vierten Jahrhunderts (etwa 893) erlöschen die
Spuren des Dichters. Sein Todesjahr ist uns so wenig bekannt wie sein Ge-
burtsjahr. Seine Wirksamkeit reicht fast durch das ganze Jahrhundert.
Allgemeine Litteratur über Ausonins. G. G. Heyne, Censura ingenii et
monun Ansonii (Opusc. 6 (1812) p. 22); J. C. Demogeot, l^tudes historiques et littäraires
aar Anaone, Th^ae Toulooae 1837; Boecking in seiner Aoag. der Mosella (Jahrb. des Ver-
eins von Altertomsfrennden im Rheinlande 7 (1845) p. 60); A. Base, Panlin und seine Zeit
1 (Regensb. 1856) p. 119; A. Bacmeister, Alemannische Wanderungen, Stuttgart 1867,
p. 75 (Ein alemannisches Idyll aus dem vierten Jahrhundert); P. G. Deydou, Un po^te
bordelais Ausone, Bordeaux 1868; G. Kaufmann, Rhetorenschulen und Klosterschulen oder
*) EjMsi 1, 32 p. 18 S. ewpertus es fidem
meam mentia atque dictorutn, dum in camitatu
degimua ambo aevo dispari, ubi tu veteris mili'
tiae praemia Uro meruiati, ego tirociniutn
iatn peteranu8 exercui, 1, 14 p. 10 S. schreibt
Symmachus bezüglich der vielen in der Mo-
sella aufgezählten Fische : atqui in tuis mensis
»aepe versatus, cum pleraque alia, quae tunc
in praetario erant esui obieeta, mirarerj num-
guam hoc genus piscium deprehendi. Die
Briefe des Symmachus an Ausonius umfassen
die Nummern 1, 13—43 p.9ff. S. (1, 32 p. 17 S.
Äu3oniu8 Symmacho). Aus denselben sei
sein Urteil über Ausonius angeführt (epist.
1, 20 p. 12 S.): cui tnorum gravUas et disci-
plinarum vetustcts curulis sellae insigne pe-
pererunt; epist. 1,30 p. 16 S.: aed de hoc non
lahorOy quando ita es ingenio placahili inter
reliqua pirtutum, ut hont consulas errata
leviora.
22 Decimna Magnus Ansoniiui. (§ 786.)
heidnische nnd christliche Eultor in Gallien während des 5. und 6. Jahrhunderts, AoBonias
und seine Zeit (F. Räume rs historisches Taschenbuch, Leipz. 1869, p. 8); F. Marx, Pauly-
Wissowas Realencycl. 2 Sp. 2562; R. Dezeimeris, Note sur Templacement de la ▼ülnla
d'Ausone, Bordeaux 1869; E. Everat, De Ausonii operibus et genere dicendi, Paris 1885;
G. Juli i an, Ausone et son temps, I. la vie d*un Gallo-Romain ä la fin du quatriöme si^le
(Revue historique 47 (1891) p. 241); II. la vie dans une cit^ Gallo-Romaine ä la veille des
invasions (L c- 48 (1892) p. 1); Manitius, Gesch. der christl.-lat. Poesie, Stuttgart 1891,
p. 105; 0. Denk, (jesch. des gallo-fränkischen Unterrichts- und Bildungswesens, Mainz 1892-
0. Ribbeck, Gesch. der röm. Dicht. 3 (Stuttgart 1892) p. 342; C. Hosius, Einl. zur Mo-
sella, Marb. 1894, p. 2; Glover, Life and letters in the fourth Century, Cambridge 1901,
p. 102; M. Duclaux, La Revue de Paris 8 (1901) p. 512. Eine nützliche, chronologische
üebersicht findet sich in Peipers Ausgabe (Leipz. 1886) p. LXXXX.
Biographisches. Der Dichter heisst Decimus Magnus Ausonius; so lesen wir im
S. Gallensis 899 und Bruxellensis 5370 Decimi Magni Ausonii Mosella; über den Bei-
namen Paeonius und seine Entstellung aus Aeonius vgl. Brandes, Auson. qoaest. spec. 1
(Leipz. Diss. 1876) p. 8; Fleckeis. Jahrb. 123 (1881) p. 77 und Schenkl, Ausg. p. V. üeber
sein Leben gibt er selbst dem Leser ausführlichen Bericht (p. 2 Seh.). Geboren war er zu
Burdigala: 3, 7 p. 2 ipse ego Burdigalae genitua, üeber das durch weitläufige Belnch-
tungen zu bestimmende Geburtsjahr (etwa 310) Brandes L c. p. 15 und Schenkl p. VI.
üeber seinen Vater Julius Ausonius 15, 3 p. 41 Seh.; 3, 5 p. 2 Seh.: Vasates patria est
patri; ibid. Vs. 13 genitor studuit medieinae; vgl. 15, 3, 13 p. 42 Seh. üeber das Epicedion
vgl. p. 33 Seh. üeber seine Mutter Aemilia Aeonia vgl. 15, 4 p. 42 Seh.; 3, 5 p. 2 Seh. gen$
Haedua matri. Ein Stemma der Ausonier bei P ei per, Ausg. p. CXV, Schenkl p. XIV und
etwas modifiziert bei Seeck, Ausg. des Symmachus p. LXXVL üeber seine Ausbildimg
sagt Ausonius allgemein 3, 15 p. 2 Seh. nos ad grammaticen Studium convertimus et mar i
rhetorices etiam quod satis attigimus, üeber seine Lehrer in der lateinischen Grammatik
vgl. 16, 11 p. 63 Seh.; über seine Lehrer im Griechischen und über seine geringen Fort-
schritte in dieser Sprache vgl. 16, 9 p. 62 Seh. üeber den grossen Einfluss, den der ünt^-
rieht seines Qpkels Aemilius Magnus Arborius auf ihn ausübte, vgl. 15, 5 p. 42 Scb. Da
Ausonius dem Onkel nach Tolosa folgte, wo derselbe einen Lehrstuhl erhalten, konnte er
19, 98 p. 101 Seh. die Stadt seine altrix nennen. Dass Ausonius, als sein Onkel nach Gon-
stantinopel berufen wurde, seine Studien in Bordeaux fortsetzte, zeigt Brandes p. 28 auf
Grund von 16, 4 p. 57 Seh. Bezüglich seines Berufs als Lehrer der Grammatik sagt er
3, 17 p. 2 Seh. : nee fora non celebrata mihi, set cura docendi | cultior et nomen grammatici
merui .... exactisque dehinc per trina decennia fastis \ deserui (so Brandes 1. c. p. 30:
adserui V) doctor municipalem operam \ aurea et Augusti palatia iussus ^dire | Augustam
suholem grammaticus docui, \ mox etiam rhetor. Zuerst lehrte A. in Bordeaux Grammi^,
später Rhetorik; sein Nachfolger auf dem Lehrstuhl der Grammatik war Acilius Glabrio; vgl.
16, 25, 5 p. 70 Seh., wo er diesen anredet: tu quondam puero compar mihi, discipulus mox \
meque dehinc facto rhetore grammaticus. Die Berufung des A. zur Erziehung Gratiazis an den
Hof zu Trier erfolgte zwischen 364, wo Valentinian zur Regierung kam, und 368, wo A. Yales-
tinian und dessen Sohn Gratian im alamannischen Krieg begleitete, doch liegt sie nSlier dem
Endtermin, vgl. Seeck p. LXXIX. Da nun A. 30 Jahre hindurch die J^ofessur in Bordeaux
bekleidete, muss er diese zwischen 384 und 338 erhalten haben. Die Beteiligung des Ausomoe
an dem alamannischen Feldzug in den Jahren 368 und 369 ergibt sieh aus 26, 1) 12 p. 128 Seh.;
Moseila 422 p. 96 Seh. üeber die Bissula vgl. 25, 4 p. 126 Seh. mit der späteren Ueberschiift
uhi nata sit Bissula et quo modo in manus domini venerit. üeber die von ihm verwalteten
Aemter vgl. 3, 35 p. 3 Seh.: cuius (Gratianus) ego comes et quaestor et culmen hanorum, \
praefectus Gallis et Libijae et Latio, \ et prior indeptus fasces Latiamque cunüem, \ cohsmJ
coUega posteriore fui. Zur Erläuterung vgl. 0. C lasen, Heidelberger Jahrb. 1872 p. 461.
Gratiarum actio 2, 11 p. 21 Seh. tot gradus nomine comitis propter tua incrementa congesti:
ex tuo merito te ac patre principibus quaestura communis et tui tantum praefectura hene-
ficii. Aus dieser Stelle geht hervor, dass A. noch zu Lebzeiten des Valentinian, ako
nicht nach 375 comes und quaestor (saeri palatii) war, dass er anderseits erst nach dem
Tode Valentinians zur Präfektur gelangte; über die Präfektur vgl. 11, 2, 42 p. 34 SgL:
praefectus Gallis et Libyae et Latio. ^ 13, 2, 91 p. 39 Seh. spricht A. von einer duplex prae-
fectura. Zur Erläuterung dieser Stellen sei bemerkt: Im Jahre 378 wurde A. mit der
praefectura Galliarum beti-aut. Sein Sohn war seit 377 praefectus praetorio Italiae, Dly-
rici, Africae (vgl. jedoch Brandes, Paulin. Euchar. p. 269). Beide Präfekturen wurden
dann vereinigt und unter dem Namen einer praefectura Occidentis Vater und Sohn gemdn-
schaftlich übertragen. Diese Vereinigung vollzog sieh zwischen August 378 und JoH 379;
vgl. die Belegstellen bei Seeck, Ausg. des. Symm. p. LXXX. Sein Konsulat fiel in das Jahr
379; sein Kollege war A. Clodius Hermogenianus Olybrius. üeber die Danksagung für das
ihm verliehene Konsulat vgl. unten § 788 p. 30. Auf die nach dem Tode Gratians etn^
tretene Herrschaft des Maximus bezieht sieh eine merkwürdige Notiz vor epist. 2 p. 158 ScL
Deoimns Magnus Ausoniiui. (§ 787.)
23
cum temporihus ttfrannicia ipse TreverU retnansisaet et filius a patre profectus esset. Auf
die Niederwerfung des Maximus durch Theodosius geht 19, 68 p. 100 Seh. Ueber die Rück-
kehr des A. in seine Heimat und über seine Landgüter vgl. P ei per, Ausg. p. CYIIII; 12, 1
p. 84 Seh. heiast es einleitend: cum de palatio post multos annos honoratissimus quippe tarn
eamsul redisset ad pcUriam. Der Briefwechsel mit Paulinus, die Briefe an Theon u. a. haben
die Rückkehr des A. in seine Heimat zur Voraussetzung.
Selbstschilderung des Dichters. 11, 2, 41 p. «S4 Seh.: tnaximus (der Söhne d. h.
Ansonius) ad sutnmum columen pervenit honorum, | praefectus Gallia et Libyae et Latio, \
iranquillua, Clemens, oculis, voce, ore serenus, | in genUore suo mente animoque pater,
1S1. Die Ausoninsausgaben. Die Herausgabe der ausonischen Pro-
dukte erfolgte in verschiedenen Formen. Hatte Ausonius ein Oedicht oder
einen Liederkranz fertig, so teilte er sein Produkt zuerst gern einem Freunde
mit, von dessen urteile er, um bescheiden zu erscheinen, es abhängig
machte, ob das Werk das Licht der Oeffentlichkeit erbUcken oder in den
Orkus hinabsinken sollte; für den ersten Fall erbat er sich zugleich die
bessernde Hand des Freundes. Allein damit war schon der erste Schritt in
die Oeffentlichkeit gethan; denn Ausonius musste wissen, dass der Freund
auch andern Bekannten von dem neuesten Erzeugnis des Dichters Mitteilung
machen würde, und dass viele derselben sich beeilen würden, eine Ab-
schrift von dem bewunderten Produkte sich zu verschaffen. So hat Auso-
nius seinen Cento nuptialis zwar dem Paulus gewidmet, allein am Schluss
des Gedichtes wendet er sich allgemein an den Leser. In dem einen und
in dem andern Fall mochte dem Ausonius allerdings die Weiterverbreitung
seines Erzeugnisses unangenehm sein, aber im allgemeinen sah er es sicher
gern, wenn der Freund sich um dessen Publizierung bemühte. In Gegen-
satz zu dieser Bekanntgebung in Freundeskreisen tritt die buchhänd-
lerische, ^) welche für die gesamte Leserwelt bestimmt ist und sich daher
gern in einer Vorrede an den Leser wendet. Die zwei Publikationsarten
gingen auch nebeneinander her; Symmachus hatte aus Bekanntenkreis
die Mosella, ehe sie auf buchhändlerischem Weg nach Rom gelangte, er-
halten. *) So führten die verschiedenen Gedichte des Ausonius ein verschie-
denes Dasein. Mit der Zeit musste der Gedanke erwachen, diese fliegenden
Blätter und Bändchen zu einem Corpus zu vereinigen, um sie dadurch von
Ihrer ephemeren Existenz zu befreien; und wenn nicht alles trügt, hat
Ausonius selbst vor dem Jahre 383 eine Gesamtausgabe seiner Gedichte
veranstaltet. *) Sie liegt uns in einer Gruppe von Codices vor, deren vor-
nehmster Repräsentant der Tilianus in Leiden ist. Allein die Versifikation
des Ausonius nahm auch nach dieser Zeit ihren Fortgang; sie bethätigte
sich sowohl in Anfertigung neuer Gedichte als in Umarbeitung alter. Das
eine oder das andere Produkt blieb unfertig in seinen Papieren liegen;
auch diese Erzeugnisse wurden nach dem Tode des Dichters zu einer
Ausgabe vereinigt, wahrscheinlich rührt dieselbe von des Dichters Sohn
Hesperius her. Selbstverständlich mussten vor allem die neuen Gedichte
aufgenommen werden. Auch die seit dem Erscheinen der ersten Ausgabe
umredigierten opuscula wollte der Herausgeber nicht ausschliessen, ja er
») Seeck (Gott. gel. Anz. 1887 p. 510)
nennt diese beiden Publikationen die ver-
schämte und die offene.
*) Vgl. epist. 1, 14 p. 9 Seeck.
') Dass Ausonius wirklich seine opus-
cula in neuen Ausgaben vereinigte, ergibt
sich aus 11, 1, 8 p. 32 Seh.: imagini ipsius
hi versxis subscripti sunt neque minus in
opusculorum fneorum seriem relati.
24 Deoimns Kagniui Ansoniiui. (§ 787.)
ging in seiner Gewissenhaftigkeit so weit, dass er selbst unfertige Kom-
positionen dem Publikum mitteilen zu müssen glaubte. So ist diese Sanun-
lung trotz mancher Doubletten im wesentlichen eine Ergänzung der erstes.
Neben diesen beiden Sammlungen pflanzten sich einzelne Gedichte (2.E
die Mosella) oder GoUektionen (z. B. solche gleicher Widmung) in ver-
schiedenen Handschriften fort. Eine Gesamtausgabe der ausonischen Werke
hat es im Altertum nicht gegeben, und es ist, wie ich glaube, verkehrt
wenn die modernen Herausgeber eine solche, natürlich jeder in seiner
Weise, herzustellen suchen und dadurch dem Leser die Auffindung der
einzelnen Stücke so sehr erschweren. Der Herausgeber kann nur die zwä
Ausgaben unverkürzt mitteilen und damit die wenigen Nummern, die ausser-
dem noch von Ausonius herrühren, verbinden. Auch die antike Ausgabe
ist ein Stück geistiger Arbeit und verdient eine gewissenhafte, anschau-
liche Reproduktion. 1)
Zur Veröffentlichung der ausonischen Gedichte. Es sind 2 Arten za miUi-
scheiden: a) Uebergabe an Freunde: 20, 3 p. 104 Seh. aequanimus fiam U indiee, m
legenda \ sive tegenda putes carminay quae dedimus. Im folgenden erwartet er von Da
Verbesserungen. Epist. 21, 1 p. 182 Seh. schreibt Ausonius dem Paulinus: de quo opuseulOf u
iubes, faciam. exquisititn univeraa limabo et quamvis per te manus summa conügerit, eadm
superfluae expolUianis adhibebo, magia ut tibi paream, quam ut perfectis aliquid adieitm]
epigr. 35, 13 p. 205 Seh. huius {Proculua) in arbitrio est, seu te {libellus) iuveneacere eedro | m
iubeat duris vermibus esse cibum. \ huic ego, quod nobis super est ignobilis oti, \ depuio, äet
legat quae dabo sive tegat. Am Schluss des cento nuptialis, der dem Paulas gewidiut
ist, heisst es (p. 146 Seh.): cui hie ludus noster non placet, ne legerit, aui eutn I^fcri
obliviscatur, aut non oblitus ignoscat. Ausonius schreibt an Synmiachus epist. 17, 29 p. 178 Sek:
sat est unius erroris, quod aliquid meorum me paenitente vulgatum est, quod bona fortwu
in manus amicorum incidit. Griphus p. 127 Seh. iste nugator libellus, iam diu stenk
quidem, sed vulgi lectione laceratus, 2>^fv^^i^ tandem in manus tuas. Quem tu aut ut Ätsett^
lapitis redintegrabis ad vitam aut ut Plato iurante Vulcano liberabis infamia, si pervemn
non debet ad famam, /9) Uebergabe an das Publikum: Diese zweite Form kemueklDHi
sich dadurch, dass sich der Autor an den Lector wendet; vgl. 3 p. 2 Seh.; 17, 1 p. 72 Sdk.;
25, 3 p. 125 Seh.
Die Tilianusausgabe (o) bei Schenkl, Z bei Peiper). Für diese Ansgibe
steht uns eine Reihe von jungen Handschriften zur Verfügung, von denen der beste Ver-
treter ist Leidensis Vossianus Q 107 s. XV, nach seinem frtlheren Besitzer Joannes TOin
(Du Tillet) Tilianus genannt. Die Handschrift wurde bereits von Vinetos benutzt; ftbcr
dieselbe vgl. Schenkl, Ausg. p. XIX und Peiper, Ausg. p. LXX. Was die Zeit der
Sammlung anlangt, so hat Brandes (Fleckeis. Jahrb. 123 (1881) p. 61) gezeigt, dass die
Sammlung kein einziges Gedicht enthält, das man aus irgend welchem Grunde später ak
383 anseb^en mOsste. In 'das Jahr 383 setzt auf Grund von epigr. 1, 7 p. 195 Seh. Seeck
(Gött. gel. Anz. 1887 p. 515) die Sammlung. Sehr wahrscheinbch ist es, dass die Samm-
lung von dem Dichter selbst herrflhrt; vgl. Seeck 1. c. p. 518. Brandes bezweifelt ei.
Die Tilianusausgabe umfasst folgende Bestandteile:
1. Eine Epigrammensammlung, eingeleitet durch ein Gedicht an Gratian Qp. 194 Sek);
es folgen die versus paschales (p. 30 Seh.); die einzelnen Epigramme sind an^ezfthlt tm
Schenkl, Ausg. p. AlX, wo auch die einzelnen Lficken angegeben werden. In epigr. 2
p. 195 Seh. ist eine grössere Lücke zu konstatieren, indem die ersten 5 Verse fehlen; fibat
die Anordnung der Epigramme vgl. Brandes, Fleckeis. Jahrb. 123 (1881) p. 74 und daa
Seeck, Gött. gel. Anz. 1887 p. 513; Marx, Pauly-Wissowas Realencycl. 2 Sp. 2567.
2. Liber epistularum; nach den versus paschales liest man: incipit liber epistularum]
er besteht aus 12 Briefen und zwar: a) aus 3 Briefen an Paulus (8, 10, 11 p. 166 Sek);
eingeschoben ist nach 11, 16 p. 169 Seh. semel erubescerem Gedicht 3 der Bissola p. 125;
ß) ein Brief an Paulinus (19 p. 179 Seh.); y) an Ursulus (18 p. 178 Seh.); d) zwei Bnefe n
Paulinus (21, 22 p. 181 Seh.); e) an Tetradius (15 p. 173 Seh.); C) an Probus (16 p. 174 Sek);
r;) drei Briefe an Paulus (12, 13, 14 p. 170 Seh.).
3. Die monosticha de aerumnis Herculis (p. 153 Seh.).
*) Seeck 1. c. p. 519.
Dedmos Kagnns Ausonins. (§ 787.) 25
4. Caesarea: a) 3 Qrappen von je 12 Monosticha ttber die 12 Kaiser Dach Sueton
mit einer Vorrede an Hespenns (p. 112 Seh.); ß) 6 Tetrasticha über die Kaiser von Nerva
bis Conunodus (p. 116 Seh.).
5. Verschiedene Gedichte: a) epigr. in Scabiosnm (107 p. 224 Seh.); ß) egloganun
liber 11 de menaihns et quattnor anni temporibus (p. 14 Seh.); y) 7 Epigramme (108 -114
p. 225 Seh.).
6. Qratianun actio (p. 19 Seh.).
7. Die erste Aasgabe des Technopaegnion, die dem Paoünus gewidmet war (27, 2—11
p. 182 Seh. nnd 18 p. 139 Seh.).
8. Griphns temarii nnmeri (p. 127 Seh.).
9. Cenfco nupiialis (p. 140 Scn.).
10. 2 Briefe: a) an Theon (4 p. 159 Seh.); es fehlen die Verse 69 und 87; /9) an
Paalinos (20 p. 181 Seh.).
11. Oratio matatina (4, 3 p. 4 Seh.); die Verse 8—16 fehlen.
12. Epicedion in patrem ohne die praefatio (p. 83 Seh.).
13. ProtrepUcns ad nepotem (p. 36 Seh).
14. Cnpido cmciatos, dem Proenlus Gregorins gewidmet (der Dichter nennt das opus
in der Vorrede p. 121 Seh. eine egloga), Beschreibung eines Gemäldes aus einem Triclinium
zu Trier.
15. Die Bissulalieder mit Ausnahme des Gedichtes, welches bei Nummer 2 einge-
schoben ist (p. 125 Seh.), am Schluss verstümmelt; es ist nicht unwahrscheinlich, dass noch
andere Gediente dadurch verloren gingen.
Die Vossianusausgabe (V). Dieselbe ist uns erhalten durch Vossianus 111 s. IX.
Ein Facsimile findet sich vor der Ausg. Schenkls und nach der Peipers; die Schrift ist
westgotisch; vgl. Rühl, Fleckeis. Jahrb. 137 (1888) p. 338. Ueber die Handschrift vgl.
C. O. Axt, Quaest Auson. mazime ad cod. Vossianum 111 spectantes, Leipz. 1873; Schenkl,
Ausg. p. XXXII; Peiper, Ausg. p. XVIII; Hartel, Ausg. des Paulinus 2 (1894) p. V. Dass
diese Ausgabe erst nach dem Tode des Dichters entstanden, ergibt sich aus dem Beisatz zu
ep]8t.2 p. 158Sch.: hoc incohaiutn neque inpleium sie de liturariis scriptum, der nicht von
einem Abschreiber herrühren kann. Ebenso kann die Bemerkung zu epist. 2 p. 158 Seh.:
cum Umporihus tyrannicis ipse Treveris remansisset et filius a patre profectus esset nicht
von Aoaonius selbst stammen. War die V-Ausgabe eine postume, so erklärt sich auch
leicht, warum hier zweite Ausgaben von Werken und die in die späteste Zeit fallenden
Gredi^te des A. erscheinen konnten. Der Charakter der V-Ausgabe wurde zuerst richtig
erkannt von Brandes, Zur handschriftlichen Ueberlieferung des Ausonius (Fleckeis. Jahrb.
123 (1881) p. 59), der als Herausgeber des Dichters Sohn Hesperius vermutet. Ueber die
Zeit der Ausgabe (394) vgl. 0. Seeck, Gott. gel. Anz. 1887 p. 516.
Die Vossianusausgabe enthält folgende Bestandteile:
1. Die Autobiographie des Dichters in elegischen Distichen (p. 2 Seh.).
2. Ein Gedicht an Syagrius (p. 3 Seh.).
3. Brief an den Kaiser Theodosius (p. 1 Seh.).
4. Die Ephemeris (p. 3 Seh.).
5. Eglogarum liber 1 — 10; 12—16 (p. 9 Seh.); es reihen sich an die Monosticha de
aenunnis Hercnlis (p. 153 Seh.), an die sich eglogarum liber 17 — 19 schliesst.
6. Zwei precationes des Konsul Ausonius pridie Kai. Januarias und Kai. Januarüs
(p. 17 Seh.).
7. Die Parentalia (p. 41 Seh.).
8. Commemoratio professorum Burdigalensium (p. 55 Seh.), an welche die Epitaphia
heroum angeschlossen sind (p. 72 Seh.). Zwischen epitaph. 29 und 30 (p. 78 Seh.) sind epigr.
49 und 50 (p. 209 Seh.) eingeschoben.
9. Es folgt ein neuer liber eglogarum; er besteht aus drei Stücken ethischen In-
halte, Pythagorica, de ambiguitate vitae, de viro bono und yal xai ov; dazu kommen de
aetatibuB Hesiodion, de ratione librae, de ratione puerperii (p. 147 Seh.). Gewidmet ist diese
Sammlung dem Pacatus in einem aus Hendecasyllaben bestehenden Gedicht (p. 120 Seh.).
10. Es folgt de herediolo, vom Nachlassammler eingeleitet: cum de palatio post multos
annas hanoraiissimus quippe iam consul redisset ad patriam, mlluJam quam pater liqua'at
introgressus his versibus lusit Luciliano stilo (p. 34 Seh.); versus paschales (p. 30 Seh.);
oratio consulis Ausonii versibus rhopalicis (p. 31 Seh.); epicedion in patrem, eingeleitet durch
eine Vorrede, in der es heisst: imagini ipsius hi versus subscripti sunt neque minus in
opuscvlarum meorum seriem relati (p. 32 Seh.).
11. Ordo urbium nobilium (p. 98 Seh.); Technopaegnion in zweiter Bearbeitung dem
Pacatus gewidmet (p. 132 Seh.).
12. Ludus Septem sapientum, ebenfalls dem Pacatus gewidmet und erweitert (p. 104 Seh.).
13. Die Caesarea, seinem Sohne Hesperius gewidmet (p. 112 Seh.).
26 Deoimns Magnus Aasonias. (§ 788.)
14. Zwei Gedichte zn den nicht erhaltenen fasti consnlares (p. 119 Seh.).
15. Griphos temarii nomeri mit einer prosaischen Widmung an Symmachas (p. 127 Sek).
16. Briefe: a) ein Brief des Symmachas an Ausonins (epist. 1, 31 p. 16 Seeck); b) Ai-
sonins an Symmachus (epist. 1, 32 p. 17 S.; p. 177 Seh.); c) Symmachas an Aasonias (epiä
1, 2.5 p. 14 S.); d) incipit liber epistalaram, 2 Briefe an Paalas (N. 8 and 9 p. 166 Sck=
Fünf Briefe an Theon: 4 p. 159 Seh.; 7 p. 164 Seh. (1 und 2); 5 p. 162 Seh.; 6 p. 163 Sek
17. Fünf Familiengedichte: a) 3 p. 158 Seh.; b) 1 p. 157 Seh.; c) 2 p. 158 Sek;
d) Protrepticus an Hesperias (p. 36 Seh.); e) Genethliacus ad Ausonium nepotem (p. 40 Sek. (
18. Briefwechsel mit dem nach Spanien ausgewanderten Paulinus: 24 p. 187 Sek;
25 p. 190 Seh.; 23 p. 186 Seh., auf die zwei Briefe des Paulinus folgen: XI p. 39 Haiul
(Vs. 1—48); X p. 24 Hartel. Den Schluss bildet die oratio Paulini (p. 3 H.), ein Gebet nack
dem Muster der ausonischen oratio matutina.
19. Eine Epigrammensammlung: 35, 8, 9, 71, 72, 73, 40, 44, 41, 47, 48, 42, 43, 21.
84—89, 95, 68 (Schenk! p. 205 u. s. w.).
Ueber die V und to gemeinsamen Stücke vgl. Peiper, Fleckeis. Jahrb. Snppk-
mentbd. 11 (1880) p. 281; Brandes, Fleckeis. Jahrb. 128 (1881) p. 69; Berl. philol. Wo^
sehr. 1884 p. 593; Seeck, Gott. gel. Anz. 1887 p. 517.
Die übrigen Sammlungen. Auch in den beiden Sammlungen sind nicht alk
Gedichte des Ausonius erhalten ; sie sind zu ergänzen noch durch zwei andere Sammlongn.
So sind die Periochae nur erhalten in der sog. Pariser Sammlung, welche vorliegt im Paiianii
8500 s. XIV und Harleianus 2613 s. XV; über den Parisinus vgl. Schenkl, Aasg. p. XXXH:
Peiper, Ausg. p. XXXVI; Hartel, Ausg. des Paulinus 2 p. X; über den Harleianus TgL
Schenkl p. XL Anm. 37; Peiper p. XXXVIII; Hartel p. XI. Ausser den Periochae ein-
hält diese Sammlung noch den ludus Septem sapientum; derselbe hat aber eine Erwei-
terung erfahren durch die nomina et sententiae Septem sapientum eines Anonymus (p. 111
Seh.); femer den Briefwechsel zwischen Ausonius und Paulinus. Zuerst die Briefe da
Paulinus an Ausonius X u. XI Hartel und die des Ausonius an Paulinus 23, 25, 24 Sek.;
femer den Briefwechsel des Symmachus. Zuerst ein Brief des Symmachas an Aosomu
(1, 31 Seeck), des Ausonius an Symmachus (177 Seh.), des Symmachus an Aasonias (1, 2S
Seeck); dann ein Brief des Theodosius an Ausonius und dessen Antwort. Der erste Bnä
(p. 1 Seh.) ist nur hier erhalten. Weiter enthält die Sammlung den GriphuB (p. 127 Sek),
epigr. 35 p. 205 Seh., Protrepticus (p. 36 Seh.), Genethliacus (p. 40 Seh.), egloga de ambi-
guitate vitae (p. 147 Seh.), der am Schlüsse eine Widerlegung hinzugefügt ist. — Die zweite
Sammlung können wir die Exzerptensammlung nennen, da sie mit den Worten Inci-
piunt excerpta de opusciiUs Decimi Magni Ausonii eingeleitet wird. Für dieselbe habeii
wir zwei Repräsentanten, den Sangallensis 899 s. X und den Bruxellensis 5369/73 s. XII:
über die beiden Handschriften vgl. Schenkl p. XLIV; Peiper p. LIII und p. LIIII. Diese
Sammlung enthält die Mosella (p. 82 Seh.), dann den Brief des Symmachus an Ausoniis
(epjist. 1, 14 p. 9 Seeck; p. 81 Seh.), dann die Caesares in der Redaktion von V (p. 112 Sek).
yal xal ov (p. 150 Seh), de aetatibus animantium (p. 152 Seh.), die Monosticha de aerumnii
Herculis (p. 153 Seh.), de institutione viri boni (p. 149 Seh.), epigr. 68 (p. 214 Seh.) und 2
(p. 195 Seh.), von dem die ersten 5 Verse nur hier überliefert sind.
788. Die Werke des Ausonius. Wir schreiten zur Besprechung
der Werke 1) des Dichters, von denen der grösste Teil in gebundener
Rede abgefasst ist. Die Gedichte sind in der Regel zu einzelnen Gruppen
zusammengeschlossen; als solche ergeben sich von selbst Epigramme und
Briefe. An Epigrammen haben wir über 100 Stück. Ausser einigen
höfischen Gedichten und einigen auf seine Frau haben diese Produkte
nicht viel mit dem Leben des Dichters zu thun. Nicht wenige sind
üebersetzungen aus der Anthologie; diese Dichtweise läuft oft auf Spie-
lerei hinaus, so wenn über dasselbe Thema eine ganze Reihe von Epi-
grammen gegeben wird. Auch die Mischung von Griechisch und Latei-
nisch ist hier zur Anwendung gekommen, manche Epigramme sind ganz
in griechischer Sprache geschrieben. Briefe sind uns 25 überliefert; als
Adressaten erscheinen Axius Paulus, Theon, Tetradius, Symmachus, ür-
^) Vgl. auch E. Evcrat, De D. M. Ausonii operibus et genere dicendi (Th^se Yon
Clermont 1885) p. 21.
Deoimas Magniui Ansonins. (§ 788.) 27
0ulu8 und Probus. Von allen Briefen sind am interessantesten diejenigen,
welche Ausonius mit Paulinus wechselte. Aus dieser Korrespondenz
haben aber von jeher die grösste Bewunderung diejenigen drei Num-
mern erregt, in denen Ausonius seinen ehemaligen Schüler Paulinus zu
seiner Lebensführung zurückzüleiten sucht, und die Paulinus in zwei
Briefen beantwortet. Diese Briefe, die ins Jahr 393 fallen werden, sind
das letzte Lebenszeichen, das wir von Ausonius haben. Ausser den Epi-
grammen und Briefen heben sich in dem Corpus Ausonianum noch andere
Oruppen ab. Die Ephemeris oder wie zur Erläuterung später hinzu-
gefügt wurde »Der Geschäftskreis des ganzen Tages' besteht aus einem
Cyklus von Gedichten in verschiedenen Massen. In sapphischen Stro-
phen wird der Bursche Parmeno zum Aufstehen aufgefordert. An die
sapphischen Strophen schliessen sich jambische Dimeter, in denen der
Herr dem Diener befiehlt, ihm Schuhe und Kleidung zu bringen; er will
sich waschen und dann sein Morgengebet verrichten. Dieses in Hexa-
metern abgefasste Gebet wird eingelegt; dasselbe trägt durchaus christ-
liches Gepräge und ist stark dogmatisch gehalten. Die jambischen Di-
meter nehmen dann wieder ihren Fortgang. Der Dichter schickt sich nun
zum Ausgehen, zum Besuch seiner Freunde an; das Gedicht ist jedoch
durch eine Lücke entstellt. Es folgen jambische Senare, welche die Ein-
ladung zum Mahle behandeln, in Distichen ergeht eine Anweisung an den
Koch. Durch eine Lücke ist der Schluss und damit auch der Anfang des
folgenden Gedichtes verschlungen worden. In Hexametern erzählt Auso-
nius die Träume, die seinen Schlaf beunruhigen. Die Parentalia sind
eine Sammlung von Gedächtnisepigrammen auf verstorbene Angehörige
und Verwandte des Dichters. Sie werden durch eine prosaische und durch
eine angeschlossene poetische Vorrede eingeleitet. Im ganzen sind 30
Personen besprochen, und wir erhalten dadurch ein klares Bild über die
verwandtschaftlichen Beziehungen des Ausonims. Es weht in diesen dich-
terischen Erzeugnissen heidnische Anschauung, doch werden Frauen manch-
mal so charakterisiert, dass ihr christliches Bekenntnis zu Tage tritt. Das
Metrum der meisten Stücke ist das elegische Distichon, unter den anderen
Metra ist besonders die Nachahmung eines der poetae neoterici, des
Serenus, bemerkenswert. In dieser Sammlung finden wir manche Stelle,
die uns wohlthuend berührt, doch von warmer Herzenspoesie ist das Ganze
nicht getragen. Der Cyklus kam nicht vor 389 zur Vollendung. Andenseiben
schloss der Dichter die Commemoratio professorum Burdigalensium.
Auch hier handelt es sich darum, das Andenken an verstorbene Personen
zu ehren. Charakterisiert werden die Professoren von Bordeaux, mit
denen Ausonius in irgend welche Beziehung kam. Sie stammen grössten-
teils aus Bordeaux selbst, sind also Landsleute des Dichters. Doch über-
geht er auch die nicht, welche aus der Fremde kamen, um sich in Bor-
deaux niederzulassen, und die, welche aus Bordeaux stammten, aber in
der Fremde ihren Lehrberuf ausübten. Die Commemoratio ist ein sehr
interessantes, kulturhistorisches Denkmal, weil wir mit derselben ein üni-
versitätsbild aus dem vierten Jahrhundert erhalten. Die Charakteristik
richtet sich sowohl auf die wissenschaftliche als auf die moralische Seite.
28 Deoimas MagniM Amioniiui. (§ 788.)
Metra sind in dem Cyklus verschiedene angewendet, ausser dem elegischen
Distichon auch die sapphische Strophe und die Masse der neoterici. Mit
den Professores verband Ausonius noch Epitaphien auf die Helden,
welche den trojanischen Krieg mitgemacht hatten. Er legte hier eine
griechische Sammlung zu Orunde, welche in den unter dem Namen des
Aristoteles gehenden Peplos eingereiht war; diese Sammlung fand er bei
dem von Eustathius benutzten Porphyrius. Die Bearbeitung der griechi-
schen Originale, die nur einen geringen poetischen Wert haben, ist eine
durchaus freie und erweiternde. Es sind 26 Stück, als Versmass erscheint
das Distichon, seltener der Hexameter. Mit dieser Sammlung hat eine
fremde Hand noch eine kleine Anzahl anderer Grabepigramme verbunden,
von denen einige der pfälzischen Anthologie nachgebildet sind. Zu dieser
Gruppe von Gedichten stellen wir noch das Epicedion, das Ausonius
seinem Vater gewidmet hat. Sehr ansprechend ist der Liedercyklus auf
das Schwabenmädchen Bissula. Leider ist derselbe nur fragmentarisch
erhalten. Neben den Professores ist für uns am belehrendsten der ordo
nobilium urbium, ein Charakterbild der berühmtesten Städte des römi-
schen Reiches. Es sind 20 Städte behandelt, Rom macht den Anfang, die
Heimat des Dichters den Schluss.
Der ordo nobilium urbium leitet uns zu den Gedichten über, welche
mit der Lehrthätigkeit des Ausonius in Zusammenhang stehen. Es sind
versus memoriales, die in keiner Weise auf dichterischen Wert Anspruch
machen können. Hierher gehören die in dem liber eglogarum ver-
einigten Gedichte. Sie geben die für den Kalender notwendigsten Daten
z. B. die Namen der sieben Wochentage, die Namen der Monate,^) die
Einteilung der Monate, die Tage derselben u. s. w.; auch der Festkalender
ist nicht übergangen. Hieran reihen wir die Caesares, welche seinem
Sohne Hesperius gewidmet sind. Zunächst werden die zwölf Caesares
vorgeführt, welche Sueton in seinen bekannten Biographien behandelt hat
Drei Gruppen von je zwölf Monostichen in Hexametern werden dem Leser
dargeboten. Die erste Gruppe gibt die Reihenfolge der zwölf Caesares,
die zweite ihre Regierungszeit, ^) die dritte ihren Tod. An diese Samm-
lung schloss Ausonius eine zweite an, in der er über den Rahmen der
zwölf Caesares hinausgreift. Hier sind jedem Kaiser zwei Disticha ge-
widmet, so dass die ganze Sammlung tetrastichisch gehalten ist. Die Reihe
schliesst mit Antoninus Heliogabalus. Allein die Ueberlieferung ist am
Schlüsse lückenhaft. Ein Seitenstück zu den Caesares bilden die fasti con-
sulares, von denen uns aber nur die vier poetischen Beigaben erhalten sind.')
Sie waren in mehreren Ausgaben vorhanden; die eine war seinem Sohne
Hesperius, die andere, bis 382 erweiterte,*) dem Expräfekten Proculus
Gregorius gewidmet. Ein Schulbuch sind die Periochae zu den einzelnen
*) Wir verweisen hier auch auf das ' *) In dieser Gruppe ist ein Vers ans*
Tetrastichon authenticum de singulis men-
sibus (Anthol. lat. ed. Riese No. 395; Baeh-
rens, Poet. lat. min. 1 p. 206, überh'efcrt
im Vossianus Q 86 s. IX). Jedem Monat sind
2 Distichen gewidmet; vgl. auch No. 11 u. 13
bei Baehrens.
gefallen.
») Vgl. Sehen kl, Ausg. p. 119.
*) Ausonius war, wie er in der Sab*
scriptio sagte, als quartus ab imo zu finden.
Da Ausonius 379 Konsul war, mossten alBO
noch 3 Jahre folgen.
XagBQs Deoimns Ansonins. (§ 788.)
29
n der Sias und der Odyssee. Sie sind in Prosa abgefasst, doch
diesen prosaischen Inhaltsangaben die Anfangsverse der einzelnen
in lateinischen Versifikationen voraus. Aus diesen üebersetzungen
t man, dass der Verfasser seinen Vergil vollständig inne hatte ; denn
itnimmt er dem Meister Verse, die sich mit den homerischen decken,
(trum ist glatt, aber der üebersetzer bleibt doch hinter der homeri-
inmut weit zurück. Eingeleitet wird das Werkchen durch eine
B Über den Inhalt der Ilias und ihr Verhältnis zur gesamten Troja-
illein diese Einleitung ist nicht vollständig überliefert. Die ganze
wird indes neuerdings nicht dem Ausonius selbst, sondern einem
oder Verwandten desselben zugeteilt. Eine eigentümliche Dichtung
ludus Septem sapientum; doch auch er dürfte seine Wurzel
iuUeben haben.*) Der Cyklus ist dem Drepanius, Prokonsul von
im Jahre 390, gewidmet. Die Widmung ist in elegischen Distichen
n, der ludus selbst in jambischen Senaren geschrieben. Es ist eine
ippenspiel, in dem nach der Ankündigung des Prologus und des
die sieben Weisen der Reihe nach auftreten, um ihre Sprüche
agen. Mit der Zeit nimmt es der Dichter nicht genau. Sein Pittacus
sich auf Terenz (Vs. 207), ebenso sein Periander (Vs. 220). Auch
rt es den Poeten nicht, dass Thaies von zwei Vorgängern spricht
6), während doch bereits drei Weise aufgetreten waren. Merk-
ist ferner, dass der Ludius einer Discrepanz in Zuteilung der
3 an Chilon und Selon gedenkt (Vs. 52). Die Sentenzen der Weisen
zuerst in griechischer Sprache gegeben, dann übersetzt. Das Ganze
mchen komischen Zug, und besonders drollig ist es, wenn die
das Publikum am Schluss zum Klatschen auffordern. Aller Wahr-
chkeit nach war die Dichtung für ein Schauspiel bestimmt. Im
s Senars weicht der Dichter in Anlehnung an Plautus von seinen
eobachteten Regeln erheblich ab. In dieser Gruppe möge auch des
pticus an seinen Enkel Erwähnung geschehen.
Jiv kommen zu den Spielereien des Ausonius und beginnen mit dem
nuptialis. Der Kaiser Valentinian hatte selbst ein solches Ge-
ns Vergil zusammengesetzt und forderte nun den Dichter auf, auch
)its ein solches Werk abzufassen. Die Aufgabe war für Ausonius
ikle; aber er löste sie in geschickter Weise. Seine Arbeit legte
einer Widmung dem Valentinian und dem Gratian vor. Als er
in wieder auf das Gedicht in seinen Manuskripten stiess, zog er es
Is hervor und schickte es mit einer Vorrede, in der er sich in
lanter Weise über die Natur des Cento ausspricht, seinem ver-
T'n vergleichen das Schanspiel von
)m am Geburtstag ihres Lehrers. Es
.2 Kämpfe durchgeführt, in den er-
ist das Thema gegeben, in dem 12.
i, der poetische Wettkampf schliesst
zten Nummer mit der Verherrlichung
ers. Die Reihenfolge der Kämpfen-
* in der Weise, dass die Ortung
unpfes zu (jrunde gelegt wird und
in jedem folgenden Kampf der erste immer
an die letzte Stelle rfickt. Bei den Themen
stossen wir selbstverständlich auf Vergil.
Ueberliefert ist das Schauspiel unter dem
Titel: carmina duodecim sapientum de dt-
versis catisis; fiber die Ueberlieferung vgl.
Baehrens, Poet. lat. min. 4 praef. p. 19;
abgedruckt in Anthol. lat. ed. Riese No. 495
und Baehrens 1. c. p. 119.
30
Deoimas Kagnas Aasoniiui. (§ 788.)
trauten Freunde Axius Paulus. Nur ein Mann, der seinen Yergil ganz
im Gedächtnis hatte, konnte sich an ein solches Werk machen. Auch
das Leserpublikum musste, wenn es die Kunst des Dichters bewundem
sollte, im Yergil durchaus bewandert sein. Am Schluss folgt eine un-
saubere Partie, die Ausonius mit Entschuldigungen einleitet und mit Ent-
schuldigungen schliesst. Aus dem keuschen Yergil ein derartiges Oedicht
zusammenzuflicken, machte fQr ihn den Höhepunkt des Cento aus.^) Eine
Spielerei nicht in der Form, aber in der Sache, ist der griphus ternarii
numeri. In allen möglichen Sphären wird die Dreizahl nachzuweisen
gesucht.^) Er entstand im Jahre 368, als Ausonius im Feldlager Yalen-
tinians weilte. Auch dieses Produkt lag lange in den Papieren des Yer-
fassers, bis er es gelegentlich wieder hervorsuchte und mit einer Vorrede
an Symmachus schickte. Das nichtswürdigste Produkt dieser Spielereien
ist das Technopaegnion. Die Künstelei des Dichters besteht darin, dass
alle Hexameter auf ein einsilbiges Wort ausgehen. In dem ersten Gedicht
wird die Künstelei so weit getrieben, dass das einsilbige Wort, welches
den Yers schliesst, zugleich den Anfang des folgenden bildet. Natürlich
musste dieser Zwang nahezu unerträglich erscheinen. In einer folgenden
Gruppe von Stücken, die nach sachlichen Rubriken geordnet sind, kommt
dieser Zwang in Fortfall, und wird nur der Schluss des Hexameter mit
einem einsilbigen Worte festgehalten. Mit Recht nennt der Dichter seine
Arbeit ein unnützes Werk einer geschäftslosen Muse. Ausonius hatte
diese Spielereien seinem von ihm so geliebten Paulinus zugeeignet. Später
im Jahre 390 nahm Ausonius sein Technopaegnion nochmals unter die Hand,
besserte daran, machte Zusätze und dedicierte es dem Rhetor Drepanius,
der damals das Prokonsulat bekleidete. Es ist ein glücklicher Zufall, dass
das Gedicht in beiden Sammlungen erhalten ist.
Den prosaischen Stil des Ausonius lernen wir aus den Yorreden und
Briefen, am besten aus der Dank rede, welche er im Jahre 379 an
Gratian für das empfangene Konsulat hielt, kennen. Dieselbe ist
in sehr geziertem Latein geschrieben und enthält ausser überschwenglichen
Dankesbezeugungen auch einen Panegyricus auf den Kaiser. Interessant
ist, wie der Rhetor das Ernennungsschreiben des Kaisers interpretiert und
wie er die stilistische Kunst in demselben bewundert.
Die Epigramme des Ausonius. Wir haben zwei Sammlungen, eine in », eine
in V. (Zur Ueberlieferungsgeschichte von Epigr. 8 (p. 197 Seh.) vgl. Gottlieb, Wien. Stad.
12 (1890) p. 130.) Die in V stehende umfasst 22 Epigramme und trägt die vom Nachläss-
Sammler herrührende Ueberschrift de diversia rebus. Die Epigramme sind abgedruckt in der
Reilienfolge des Vossianus in Peipers Ausg. p. 310, wo nur 21 und 22 p. 318 P. anfliii-
scheiden sind. Die Sammlung beginnt mit einem Widmungsgedicht 35 p. 205 Seh. Alle
Epigramme stehen fibrigens auch in ct>, mit Ausnahme von 72 und 73 p. 216 ScL Das
Corpus hat unzüchtige Gedichte nicht aufgenommen. Die oi-Sammlung beginnt mit einem
Widmungsgedicht an Gratian (1 p. 194 Seh.). Dasselbe wird in die Zeit von 383 fallen; vgl.
Seeck, Gott. gel. Anz. 1887 p. 515. Es schliessen sich an die versus paschales (p. 80 Sek),
welche nach Vs. 25 nicht vor 375, in welchem Jahr Gratian zum Augustus erhoben wurde,
fallen. In einem Einleitungsgedicht sagt Ausonius (2 p. 195 Seh.): laetis seria miseuimuSf
temperte ut placeant. noft unus vitae coloi' est nee carminis unus lector. Der Inhalt der Samm-
lung ist ein sehr verschiedener: es finden sich höfische Gedichte; vgl. 3 — 7 p. 195 Seh.; Ge-
*) üeber vergilische Centonen vgl. Com-
paretti, Vergil im Mittelalter, übers, von
U. Dütschke, Leipz. 1875, p. 51.
') Eine ähnliche Spielerei über die Drei-
zahl findet sich in dem Austemgedicht (epist
7, 2 p. 164 Seh.).
Decimas Magnus Amioniiis. (§ 788.) 31
dichte an seine Gattin Attnsia Lucana Sabina, welche starb, ehe Auson nach Trier kam:
17, 18 p. 200 Seh.; 25, 26, 27 p. 203 Seh.; auch an obscönen Produkten fehlt es nicht; f&r
eine Reihe von Gredichten lassen sich griechische Vorbilder in der Anthologie nachweisen ;
sie tragen sehr oft die Ueberschrift ex Graeeo^ z. B. 20 p. 201 Seh.; 21, 23 p. 202 Seh.;
82-84 p.218 Seh., 85—87 p.219 Scb. Merkwürdig sind die Variationen über dasselbe Thema,
so 56—63 p. 211 Seh. in Buculam Myronis; vgl. auch die Gedichte in statuam Ruft und
im Bufi imaginem (p. 207 Seh.). Auch die Mischung des Griechischen und Lateinischen findet
sich; bald ist der eine Vers lateinisch, der andere griechisch z. B. 29 und 33 p. 204; bald
ist der eine Vers halb griechisch, halb lateinisch, so 37, 6 p. 206 Scb. ; auch ganz grie-
chische kommen vor z. B. 31 und 32 p. 204 Scb.; 90 p. 220 Seh. Aussei den versus paschales
tragen die Epigramme kein christliches Gepräge. Für die religiösen Anschauungen des
Dichters ist b^nders interessant 80 p. 204 Seh. Mixoharharon Liberi patris siyno marmoreo
in riiia nostra omnium deorum argumenta habenti, fOr welches zu vergleichen Brandes,
Beitr. zu Ausonins, Wolfenbüttel 1895, p. 5 (dagegen Peiper, Berl. philol. Wochenschr. 1896
Sp. 1421). Ueber eine Lücke der Sammlung vgl. 50 p. 209 Scb. Die meisten Epigramme sind
in elegischen Distichen abgefasst, vereinzelt finden sich aber auch andere Masse, z. B. 114
p. 226 Seh.; 81 p. 218 Scb.; 79 p. 217 Seh.; 62 und 63 p. 212 Scb. -- R. Peiper, Fleckeis.
Jahrfo. Supplementbd. 11 (1880) p. 229; W. Brandes, Fleckeis. Jahrb. 123 (1881) p. 74;
Rnbensohn, Die Grabschr. des Xanthias und des Aus. Verse ,In notarium* (Aren, für
Stenogr. 53 (1901) No. 2).
Epigramme der Ausg. In den Ausg. des H. Avantius, Venedig 1496 und des
Th. Ugoletns, Parma 1499 finden sich noch Epigramme, für welche wir Handschriften
nicht nachweisen können; abgedruckt in den Ausg. von Sehen kl p. 252, Peiper p. 419 und
bei Baehrens, Poet lat. min. 5 p. 97. Ueber die 18 Epigramme des H. Avantius vgL
Schenk 1 1. c. p. XXX; über die 15 Epigramme des Ugoletus vgl. Schenkl L c. Ueber
die Frage der Echtheit vgl. Peiper, Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 11 (1880) p. 226; Ausg.
p. LXXXV. Das eine oder andere Epigramm kann ja ausonisch sein, die Mehrzahl ist
sicher unecht.
Briefe des Ausonins. Es sind im ganzen 25 Stück in verschiedenen Versmassen
erhalten; N. 17 p. 177 Scb. ist prosaisch, auch sonst gehen prosaische Vorreden den Episteln
voraus. Ueber das aus Griechisch und Lateinisch gemischte Gedicht 12 p. 170 Scb. vgl.
Wilamowitz, Hermes 19 (1884) p. 461. Unter den Adressaten heben wir hervor: «) Axius
Paulus (epist. 8 — 14 p. 166 Scb.). An ihn gerichtet sind auch die Gedichte über die Bis-
Bula (p. 125 Seh.) und der Gento nuptialis (p. 140 Scb.). Er war ein Bigerritanus (Bigerre
11» 26 p. 170 Scb.). Ueber seine Dichtung Delirus vgl. epist. 11,9 p. 169 Seh.: nisi De-
Ums tuus in re tenui non tenuiter laborattis opuscula mea, quae promi ttudtieras, retar-
dasset. Nach R. Dezeimeris (£tudes sur le Querolus, Bordeaux 1881) soll dieser Delirus
der Querolus sein (§ 32, 3); vgl. Bursians Jahresber. 59. Bd. 2. Abt (1890) p. 48. ß) Theon
(epist 4 —7 p. 159 Seh.), y) Tetradius (15 p. 173 Seh.). Er stammt aus Ictdisma (Angouldme);
vgl. Vb. 22. Auf seine Satiren bezieht sich Vs. 9 : rttdes camenas qui Sueasae praevenis \
aevoque eedia, non stilo. d) Svmmachus (17 p. 177 Scb.). Der prosaische Brief ist auch
bei Symmachus überliefert (vgl. Seeck, Ausg. p. 17, wo die Briefe des Symmachus an Au-
soniuB 13 — 43 p. 9 stehen). Er ist die Antwort auf den Brief des Symmachus 1, 31 p. 16
Seeck; über die Zeit vgL Seeck p. LXXXII. e) Ursulus, Grammaticus Treverorum (18
p. 178 Scb.). 0 Sextus Petronius Probus, praefectus praetorio und Konsul im Jahre
371 (16 p. 174 Seh.): apologos Titiani et Nepotia chronica, quasi alios apologos (nam et ipsa
instar sunt fabularum) ad nobilitatem tuam misi. — Die Zeit des Briefwechsels wird be-
sonders dadurch bestimmt, dass sich Ausonins 6 p. 163 Scb.; 13 p. 172; 15, 30 p. 174 Konsul
nennt, also müssen diese Stücke nach 379 fallen. Epist. 4 p. 159 weist Vs. 81 auf den Feldzug
hin, an dem sich Ausonins beteiligte, kann also nicht vor 368 geschrieben sein. Epist. 16,
2, 20 p. 175 nennt Ausonins den Probus Konsul, der Brief ist also nicht vor 371 abgefasst.
Epiat 1 p. 157 Scb. ad patrem de auscepto filio wird in die Zeit von 340 — 345 fallen; vgl.
Brandes, Fleckeis. Jahrb. 123 (1881) p. 60. Epist 2 p. 158 Scb. ist vor Gratians Ende (383)
al^efassi; vf^ Brandes p. 68 Anm. 10. Epist. 18 p. 178 Scb. ist vor 375 geschrieben; vgl.
Brandes p. 60; epist. 9 p. 166 Seh. fällt nach 388; vgl. Peiper, Ausg. p. CXII.
Ausonins und Paulinus. Suidas s. v. Avaoyiog aocpiatrjq yeyQag)(og iniatoXtlq xai
aXXa tird HQog Noyyoy (wo Schenkl richtig NaXayoy verbessert). Erhalten sind uns
sieben Briefe des Ausonins an Paulinus (epist 19—25 p. 179 Seh.; 23-29 p. 266 Peiper),
femer zwei Antworten des Paulinus (30 und 31 p. 289 P.; carm. 10 und 11, Bd. 2 p. 24 Ausg.
des Paulinus von Hartel, Wien 1894). Von den sieben Briefen sind vier durch die ct>- Aus-
gabe, drei durch die V- Ausgabe überliefert.
a) Die vier Briefe der oi- Ausgabe. Es sind die Nummern 19 p. 179 Scb.; 20
p. 181 Seh.; 21 und 22 p. 183 Seh. Drei Briefe (N. 19 p. 179 Scb., 21 p. 181 Seh., 22 p. 183
Scb.) standen in einem liber epistularum, der dem Axius Paulus gewidmet war. An an-
32 Deoimiui Magnus AoBoniiui. (§ 788.)
derer Stelle stand N. 20 p. 181 Seh. Brief N. 19 p. 179 Seh. ist die Antwort anf UeW
sendung des von Paulinus versifizierten Buchs Suetons de regibus (§ 533, 4); vgL p. IbO, U
Seh. hia (litteris) longe iueundissimum poema subdideras, quod de trtbiis SuetonU Ubru,
quos nie de regibus dedit, in epitamen eoegisti. Ansonius teilt eine Probe ans der Bearbethng
des Paulinus mit; vgl. Suetons reliquiae ed. Reifferscheid, Leipz. 1860, p. 315. N. 28
p. 181 Seh. beginnt mit den Worten: Paulino Ausonius: metrum 8%c 8uasit, tU esses \ h
prior et nomen praegrederere meum. Daran knüpft der Briefschreiber grosse Sehmeiehelda
an Paulinus: Vs. 11 cedimus ingenio, quantum praecedimus aevo. Da Vs. 4 Ansonius seiMi
Konsulats gedenkt, ist der Brief nach 379 geschrieben. Er eröffnete wohl eine Sammliaig
von Briefen an Paulinus; vgl. Marx, Pauly-Wissowas Realencycl. 2 Sp. 2570. In Brief
21 p. 182 Seh. sagt er: illud de epistularum tuarum eruditione, de poematis iucumdUak^
de inventione et coneinnatione, iura omnia nullt umquam imitcUfüe ftUurum, etsi fateahr
imitandum, de quo opusculo, ut iubes, faciam, Exquisitim univerea Hmabo et quamvU fir
te manus summa eoniigerit, eaelum superftuae expolitionis adhibebo, magis ut tibi pairtnm,
quam ut perfectis aliquid adiciam. interea tarnen, ne sine coroUario poetieo tabeflarius tum
redirety paueis iambicis praeludendum putavi, dum illud, quod a me heroieo metro desidem,
incohatur. N. 22 p. 183 Seh. wendet er sich in der Sache Philos, der einst Vilicus da \
Dichters war, an Paulinus: qui apud Ebromagum eonditis mereibus, quas per agro9 diverm
coemit, concesso ab hominibus tuis usus hospitio, inmature periclitatur expelii sowohl ii
prosaischer als in poetischer Form.
ß) Die Briefe der V-Ausgabe. Die Sanunlung umfasst 23 p. 186 Seh., 24 p. 187 Sek.
25 p. 190 Seh. Sie stehen aber in V in der Ordnung 24, 25, 23. Aus dem Briefwedwi
sind uns auch durch Paulinushandschriften und den Yossianus zwei Stflcke des Paulin
erhalten: N. 10 p. 24, N. 11 p. 39 Hartel. N. 10 (Vs. 1—18) besteht aus Distichen, Va 19-
102 folgen iambische Strophen, aus einem Trimeter und Dimeter bestehend, Vs. 103—331
haben wir eine Partie in Hexametern. Beide Partien kOndigt er in den EingangsdistidiM
an (Vs. 13): ista suo reger enda loco tamen et graviore \ vindieis heroi sunt agitanda tom..
interea levior paueis praecurret iambus \ discreto referens mutua verba pede, N. 11 b^
steht Vs. 1 — 48 aus Hexametern; daran reihen sich iambische Strophen, je aus einem TH \
meter und Dimeter bestehend (Vs. 49—68). Im Vossianus folgen sich 11 (Vs. 1 — 48), dam
10 (Vs. 103-331), 10 (Vs. 1—18) und 10 (Vs. 19-102); es fehlt also von 11 die iambisck
Partie (Vs. 49—68). Am voUsttodigsten ist dieser Briefwechsel durch eine Handschriften-
gruppe des Ansonius, deren Repräsentant Parisinus 8500 s. XIV ist, überliefert; vgl. Harteli
Ausgabe des Paulinus 2 p. X. Ueber den Bestand des Briefwechsels der verschiedenen An-
sonius- und Paulinushandschriften vgl. die übersichtliche Zusammenstellung bei Hartel Lc
p. XV. Wichtig ist die Discrepanz in der üeberlieferung dieser Briefe ; besonders bemerkem-
wert ist der Gegensatz von V und 0 (Parisinus 2122 s. X); vgl. Hartel 1. c. 1 p. VI. Die
stärkste Abweichung zeigt N. 25 p. 190 Seh. In 0 fehlen die Verse 6—19 und 38— IS,
die Verse 20, 24, 123, 130 haben verschiedenen Wortlaut. Ueber diese Verschiedenhaitei
vgl. Leo, Zum Briefwechsel des Ansonius und Pauh'nus (Nachr. der Qött Ges. der WisseoflcL
1896 p. 253) und dazu Hartel, Anz. der philos.-hist. Classe der Wien. Akad. vom 19. Mfll
1897, N. XIV. ^Es ist (in 0) eine bewusste Redaktion zum Zwecke kürzerer Fassung, nidit
blosse Interpolation und Streichung, mit der wir es zu thun haben* (Leo p. 256). ^Die Re-
daktion deutet auf eine Zeit, die nicht viel jünger ist als die des Ansonius und Paulinu*
(Leo p.259). Die übrigen Briefe desAusonius aus dieser Reihe sind nur an einzelnen SteUoi
überarbeitet, und es steht nicht überall fest, ob in V oder in 0 das ursprüngliche erhaltei
ist, so 23, 34 (Leo p. 262). Ueber die chronologische Reihenfolge vgl. Schenkl, Praef. p.X[;
A. Puech, De Paulini Nolani Ausoniique epistularum commercio et conmiunibus studüs, P^
1887, p. 35; R. Peiper, Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 11 (1880) p. 326; Hartel (Aai^
p. XVI) statuiert die Reihe: A. 24, A. 23, P. 10 und die Reihe: P. 11, A. 25; Marx lc
Sp. 2575. Dass P. 11 auf A. 25 folgt, ist zweifellos. So bezieht sich c. 11, 30 p. 40 BaM
discussisse iugum querer is me auf 25, 1 p. 190 Seh. discuiimus. Pauline, iugum, Dagegei
enthält P. 10 Beziehungen auf A. 23 und 24. Paulin. 10, 106 i 24,49; 10, 203 = 24,51;
10, 192 II 23, 31. Auch der Anfang von P. 10 klingt an den Anfang von A. 24 an. 10,7
sagt Paulinus, dass er drei Briefe auf einmal erhalten. Allein da der Brief 23 einen Yoxaat-
setzt, und der Brief 24 als der vierte bezeichnet wird, müssen zwei Briefe verloren gegaoges
sein. Die Briefe 25 des Ansonius und 11 des Paulinus bilden nicht den Anfang, wie Ebert
will (AUgem. Gesch. der Litt, des Mittelalters P (Leipz. 1889) p. 298), sondern den SdÜB»
der Korrespondenz. Da Paulinus sich etwa 389 nach Spanien begab (Buse, Paulin. wU
seine Zeit 1 (Regensb. 1856) p. 140), und Paulinus 10 vom vierten Sommer spricht, den m
in Spanien zubringe, wird die Korrespondenz ins Jahr 393 fallen.
Ephemeris id est totius diei negotium. Ueber die Abfassungszeit vgl. Her-
tens, Zu Ausonius (Flcckeis. Jahrb. 141 (1890) p. 785). Einen Anhaltspunkt bieten £•
Verse 1, 17 p. 8 Seh., wo der Dichter träumt: rursum \ inter captivos trahor exarmahu
Deoimas Magnue AasonioB. (§ 788.) 33
AUinos. Im Jahre 377 waren wieder nach längerer Pause Alanen über die Donau ins
iHmische Gebiet eingedrungen. Da die zwei letzten Verse auf einen Aufenthalt in Burdigala
deaten, so wird die Ephemeris Ende 379 entstanden sein, als sich Ausonius nach Burdigala
iMgab, um sein väterliches Besitztum zu übernehmen. Nachgeahmt ist die oratio matutina
▼on Paulin. in carm. 4, 2 p. 3 Hartel, welches ebenfalls in das Jahr 379 gehören wird; vgl.
Aoaon. 1 = Paulin. 1 ; Auson. 64 = Paulin. 6. Schon auf den ersten Blick sieht man, dass die
Sphemeris nicht das ganze Tageswerk des Dichters umfasst. in der That ist zwischen dem
vorletzten und letzten Gedicht ein Blatt ausgefallen ; über eine 2. Lücke vgl. Schenklp. 7. Die
omiio matutina ist sowohl in der Tilianus- als auch in der Vossianusausg. überliefert. Ueber
die TJeberlieferung in anderen Quellen und die verschiedenen Recensionen vgl. 0. Seeck, Gott.
gel. Anz. 1887 p. 505. Uebersetzung bei Baumgartner, Gesch. der Weltlitt. 4 (1900)
p. 187; eine Probe auch bei Hey, Blätter für das bayr. Gymnasialschulw. 38 (1902) p. 241.
Parentalia. Ausonius sagt in der prosaischen Vorrede (p. 41 Seh.): hoc opusculum
nme nuUeria amoenum est nee appellatione iticundum. habet maestam religionemy qua carorum
meorum obittis iristi affectione commemoro, titultis libelli est Parentalia, antiquae appeila-
litknia hie dies et iam inde ah Numa cognatorum inferiis institutus: nee quicquam sanctius
%4Bbet reverentia superstitum quam ut amissos venerahiliter recordetur. Ueber die Ab-
Gfteeungszeit vgl. Hertens, Fleckeis. Jahrb. 141 (1890) p. 788. 6, 32 p. 44 Seh. erwähnt Au-
lanias sein Konsulat. Da aber Ausonius sich ungenau Konsul auch nach dem Konsulatsjahr
ftennt, darf nur gefolgert werden, dass die Sammlung nach dem Konsulatsjahr 379 ent-
itanden ist. Eine andere Stelle ist 11, 25 p. 46 Seh., wo gesagt wird, dass die Gattin des
ausonius Attusia Lucana Sabina kurz vor der Vollendung des 28. Lebenimhres starb, und die
Stelle 11, 8 p. 46 Seh., wo der Dichter sagt, dass er bereits 36 Jahre Witwer ist. Würden
■ir das Geburtsjahr der Sabina genau kennen, so könnte die Abfassungszeit der Parentalia
^enau fixiert werden. Jetzt kann diese Rechnung nur approximativ erfolgen; auch so kommen
irir mit Wahrscheinlichkeit in das Jahr 879. Mertens hat 26, 5 p. 53 Seh.; 20, 9 p. 50 Seh.
md besonders 14, 11 p. 48 Seh. herangezogen und ist auf Gnmd der letzten Stelle zu der
Sehlassfolgerung gelangt, dass dieses Gedicht nicht vor dem Jahre 389 anzusetzen ist und
lass die Parentalia nach 379 begonnen und nicht vor 389 vollendet wurden (p. 790). Ueber
iie Nachahmung des Serenus in 29 p. 54 Seh. vgl. die Note Schenkls und L. Müller,
kasg. des Gl. Rutilius Namatianus (Leipz. 1870) p. 46. Ueber Frauen christlichen Bekennt-
iiaeea vgl. 14, 8 p. 48 Seh.; vielleicht auch 8, 8 p. 44 Seh.; 28, 3 p. 54 Seh.
Commemoratio professorum Burdigalensium. Der Dichter verbindet deutlich
iieee Gedichte von verstorbenen Professoren mit den Parentalia; vgl. praef. 1 p. 55 Seh.:
Vas etiam, quos nuUa mihi cognatio iunxit, \ set fama et earae relUgio patriae \ et Studium
'm lihris et sedula cura doeendi, \ eommemorabo viros marte obita celebres, Ueber die Ab-
'easmigszeit vgl. Mertens, Fleckeis. Jahrb. 141 (1890) p. 788. 6, 35 p. 59 Seh. wird auf
Iie im Jahre 385 erfolgte Hinrichtung der PriscillianiBten angespielt; vgl. Richter, Das
reetxdniische Reich, Berl. 1865, p. 635. Da die Parentalia, wie wir gesehen, nicht vor 389
^llendet wurden, die Professores aber sich an die Parentalia anschlössen, müssen dieselben
mckk 389 entstanden sein. Damit stimmt die Anspielung auf die Tyrannei des Usurpators
fajdmus (383 — 888) als eine abgeschlossene, auf die wir 6, 23 p. 59 Seh. stossen. Einen
Sinschnitt macht der Dichter mit N. 21 p. 68 Seh.: Hactenus observata mihi lex commemo-
wmtii I eives, sive domi seu docuere foris. Von den charakterisierten Personen seien ge-
dumt: Tiberius Victor Minervius orator (vgl. auch Hieronym. z. J. 2369 = 352 n.Chr. (2
u 194 Seh.) und Seeck, Ausg. des Symmach. p. XLIV), der Lehrer Julians Latinus Al-
irnns Alethius rhetor (vgl. § 792, 4 p. 43), Attius Tiro Delphidius rhetor, Leontius gram-
BAÜcns cognomento Lascivus (vgl. Buecheler, Carm. epigr. No.631), Jucundus grammaticus
rmter Leonti, Herculanus sororis filius grammaticus. Sowohl in den Parentalia (5 p. 42 Seh. i
Is in der Commemoratio (17 p. 66 Seh.) ist Aemilius Magnus Arborius behandelt: Inter
tfg^tuMtas iam fletus, avuncule^ manes, \ inter rhetoricos nunc memorandus eris.
Epitaphia. In einer Vorrede an den Leser äussert sich Ausonius p. 72 Seh. also:
cf retn pertinere existimavi, ut vel vanum opusculum materiae congruentis absoherem et
Ibelio, qui eommetnorationem habet eorum, qui vel peregrini <Burdigalae vel> Burdigalenses
^reffre docuerunt, Epitaphia subnecterem^ scilicet titulos sepulcrales heroumy qui
ello Troieo interfuerunt. quae antiqua cum aput phüologum quendam repperissem,
miitu> Sermone converti, non ut inservirent ordini persequendi, set ut cohaererent libere nee
herrarent. Es fragt sich, wer der Philologe ist, bei dem Ausonius die Epigramme ge-
anden. Es war dies Porphyrius, welcher diese Epitaphiensammlung, die nach Wendung
E>e Peplo Aristotelico quaest. select., Strassb. 1891, p. 58) zwischen 250 und 150 entstanden
md in den prosaischen Peplos, ein historisches Miscellaneenbuch, eingeschoben wurde,
Larana entlehnt hatte; vgL Wendling 1. c. p. 47 Anm. 1; Bergk, Poet. lyr. gr. 2^ p. 355
knm. 63. Ueber die griechischen Sammlungen vgl. Bergk 1. c. p. 336; Th. Preger, Zum
tfiBtotelischen Peplos (Abh. für W. Christ, München 1891, p. 58); W. Christ, Gesch.
Handbuch der klaai. AltertumtwiMenachaft. VIII. 4. 8
34 DecimiM Magnus Ansonine. (§ 788.)
der griech. Litt., M&nchen' 1898, p. 484. Ueber das Verhältnis der Bearbeitong zam grie-
chischen Original vgl. Stahl, De Ansonianis stadiis poetamm graeconun, Kiel 1886, p. 22.
Der Redaktor der Vossianussammlung fügte noch einen kleinen Anhang von anderen Crrabes-
epigrammen hinzu. Manche derselben sind uns nur durch den Vossianus erhalten. Yon
diesen Epigrammen stellen sich einige als Uebersetzungen der Anthologie dar; vgl. 29 p. 78
Seh. = Anthol. Palat. 7, 64; 33 p. 80 Seh. = Anthol. 7, 228. Aber auch eigene Produkte
finden sich unter denselben; merkwüdig ist 32 p. 79 Seh. itissu Augusti equo ctdmirabüi,
Gedichte auf die Bissula. Ausonius schreibt an Paulus (p. 125 Seh.): poematia, quae
in alumnam meam luseram, rudia et incohata ad domesticae aolacium eantilenae, cum sine
metu .... et arcana securitate frtierentur, proferri ad lucem caligantia coegisti. Es sind sechs
Stücke ; am interessantesten ist 4 p. 126 Seh. Die Sammlung ist fragmentarisch. Lateinischer
Text mit deutscher Uebertragung in Boeckings Mosella p. 69; wohlgelnngene, moderni-
sierte Uebersetzung bei Bacmeister, Alemannische Wanderungen 1 (Stuttgart 1867) p. 80.
Ordo urbium nobilium beschreibt in 168 Hexameter die Städte: Rom, Constan-
tinopel, Carthago, Antiochia, Alexandria, Treveris, Mediolanum, Gapua, Aquileia, AielAs,
Hispalis, Corduba, Tarraco, Bracara, Athen, Catina, Syrakus, Tolosa, Narbo und Bnrdigili.
Wie Vs. 69 zeigt, wurde das Gedicht nach der Niederwerfung des Mazimua 888 abgefiust
Vgl. auch Jahrb. des archaeol. Inst. 1887, Ergänzungsheft 1, Tafel 4.
Eclogarum Hb er. Der Titel ist urkundlich; denn in V heisst es: IneipU egUh
garum de nominibus Septem dierum. Da sich alle Gedichte auf den Kalender und das
damit Zusammenhängende beziehen, hat das Buch, wie es in V überliefert ist, einen einheit-
lichen Charakter; nur 11 p. 14 Seh. ist nicht in V erhalten. Gegen den Charakter des
Buches Verstössen die monosticha de aerumnis Herculis, welche in Y zwischen 16 und
17 Seh. eingeschoben sind. In die Sammlung sind auch aufgenommen 17 p. 16 8ch., Verse
von Q. Cicero (vgl. Baehrens, Poet. rem. fragm. p. 315) mit folgender üeMrschrift: ^irtM^t
Ciceronis hi versus eo pertinent, ut quod Signum quo tempore inlustre sit, noverimus. Quod
superius quoque nostris versibus expeditur. Ueber ein mit Unrecht dem Ausonius bei-
gelegtes Gedicht de signis caelestibus vgl. P ei per, Ausg. p. 412. Als Quelle wird dem
Ausonius das Pratum Saetons (§ 534) gedient haben.
Caesar es. Der Sammlung geht eine Vorrede an seinen Sohn Hesperios vorana,
in der es heisst (p. 112 Seh.): sua quemque (dem Kaiser) monosticha signant, \ qu&rum per
plenam seriem Suetonius olim '\ nomina res gestas vitamque obitumque peregit. An diese
schliesst sich eine zweite Sammlung, die also eingeleitet ist (p. 114 Scn.): nunc etpraedictos
et regni sorte sequenies \ expediam, series quos tenet imperii. \ incipiam ab divo percurram-
que ordine cunctoSy \ novi Romanae quos memor historiae. Eine Vermutung über die Quelle
bei Enmann, Eine verlorene Gesch. der röm. Kaiser (Philol. Supplementbd. 4 (1884) p. 443).
Periochae Homeri Iliadis et Odyssiae. Diese Schulschrift wurde zuerst von
Ugoletus nach einer Handschrift des Antonius Bemerius herausgegeben; vgl. R. Peiper,
Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 11 (1880) p. 208. Zu dieser Textesquelle kommen noch der
Harleianus 2613 s. XV in erster und Parisinus 8500 s. XIV in zweiter Linie; vgl. Brandes,
Beitr. zu Ausonius. lil. Die Periochae Iliadis et Odyssiae, Wolffenbüttel 1902, p. 30. In
Parisinus fehlt jedoch die Ueberschrift. Im Harleianus 2613 lesen wir aber (f. 19^): Periodia
Homerica Iliadis ab Ausonio und f. 26^ Jneipit periocha Odyssiae ab Ausonio; vgL Peiper,
Ausg. p.XXXX. Die unvollständige Einleitung verspricht (p.227 Seh.): breviter et in epOomat
speciem belli Troiani causam, originis, apparatus quaeque annis superioribus acciderunt, retext-
mus. In den übersetzten Anfangsversen hat der Uebersetzer manche Stellen der Diditer
verwertet. Dias 8 = Verg. Aen.7, 26; Ilias 11, 1 = Verg. Georg. 1, 447, Aen. 4, 585; Dias 19
= Verg. Aen. 4, 129, Aen. 11, 1; Ilias 20, 2 = Verg. Aen. 2, 331; Odyssee 13 = Veif.
Aen. 2, 1; Odyssee 1 = Horat. de arte poet. 141; vgl. J. Tolkiehn, Homer und die rOmische
Poesie, Leipz. 1900, p. 126 Anm. 4; Brandes p. 21. Ueber Anklänge an Ver^ ygL Tol-
kiehn 1. c. p. 127 Anm. 2. Merkwürdig ist, dass der lateinische Vers für das zwaniigita
Buch der Odyssee gar nicht mit dem griechischen Text übereinstimmt Auch findet sich
in dem Buch selbst keine klare Beziehung auf diesen Vers; vgl. Tolkiehn 1. c. p. 128 Anm.1.
Die Echtheit der Schrift wurde zuerst von Peiper (in der citierten Abb. p. 314) beswetfdt;
er legt sie dem Fulgentius bei. Seine Ansicht fand Beifall bei Schenkl, Ausg. p. LL
Dagegen hält F. Marx (Pauly-Wissowas Realencycl. 2 Sp. 2576) das Werk fttr ausonisck
und führt hiefür die Anklänge an ausonische Schriften ins Feld : Ilias 2, 1 (p. 228 Sdu)
caelestes hominumque gens superabile euris = epistula 19, 5 (p. 179 Seh.) iam volmertf
hominumque genus superabile curis; Odyssee 10 (p. 238 Seh.) patriamque damum^ut =
Moseila Vs. 440 patriaque domoque; Ilias praef. p. 227, 18 Scli. plasma; vgl. eptsi. 10, t
(p. 168 Seh.). Neuerdings hat Brandes (1. c.) die ganze Frage methodisch untersucht vbA
mit beachtenswerten Gründen, besonders wegen der Stilverschiedenheit (p. 18), das Weik-
eben dem Ausonius abgesprochen (p. 19) und unter Ablehnung der Fulgentius-Hypothese
dasselbe als die Arbeit eines Schülers oder Verwandten des Ausonius erklärt (p. &).
DeoimuB Magnus Ansonine. (§ 788.) 35
Der Indus Septem sapientum erschien zuerst in der Ausg. des Th. Ugoletus,
Parma 1499. Handscnriftliche Quellen für denselben sind Yossianus 111 s. IX und Parisinus
8500 s. XIV. Da der Indus dem Prokonsul Drepanius von Afrika gewidmet ist, der dieses
Amt im Jahre 390 bekleidete (vgl. Cod. Theodos. 9, 2, 4), fällt ^r in dieses Jahr. Ungenau
nennt sich Ausonius auch hier consul statt consularis; vgl. Brandes p. 16. In der Vorrede
Bpncht er Aber kritische Zeichen; vgl. 0. Seeck, Gott. gel. Anz. 1887 p.508 und H. Zimmer,
Hermes 29 (1894) P* 317. Ueber die abweichende Bildung des Trimeters vgl. Brandes,
Beitr. zu Ausonius, Wolfenbüttel 1895, p. 22. Ueber den archaistischen Charakter vgl. Leo,
Gott gel. Anz. 1896 p. 783. Bezüglicn der den Versen eingefügten griechischen Worte
inssert sich Brandes also (p. 29): .Meines Erachtens hat Ansonius die griechischen Sen-
tenzen nicht sowohl quantiüerend, als vielmehr silbenzfthlend in seine Jamben eingefügt,
indem er dabei einzelne Wortaccente, die für das Verständnis wesentlich sind, an Stelle der
metrischen Accente eintreten liess.*' Im allgemeinen urteilt Brandes also (p. 30): .Der
Lndus ist ursprünglich sicherlich für eine Schuldeklamation geschrieben, ein rasch hin-
ge^rorfenes Gelegenheitsstück — daher die inhaltlichen Widersprüche und Ungenauigkeiten
(vgl. über dieselben p. 19) — in archaistischem Versmass und Ton, insofern vergleichbar
mit unseren Nachahmungen Hans Sachsens seit Groethes Jugendzeit.** — Oft werden anter
dem Namen Ausonius ohne jede handschriftliche Gewähr die Sprüche der sieben Weisen
in je sieben Zeilen in verschiedenen Massen aufgeführt; vgl. dieselben bei Wölfflin,
PabliliiSyri sententiae, Leipz. 1869, p. 149, bei Baehrens, Poet. lat. min. 3 p. 159; Schenkl,
Appendix Ausonii p. 246 und Peiper, Ausg. des Ausonius p. 406; vgl. auch W. Brunco,
Zwei lat. Spruchsammlungen, BayreuÜi 1885, p. 19. Eine zweite ebenfalls unrichtig dem
Ausonius zugeteilte Sammlung enthält nach zwei einleitenden Hexametern in sieben Mono-
•tichen die Sprüche der sieben Weisen, welche aus der Anth. Pal. 9, 366 genommen sind;
vgL Schenkl 1. c. p. 250 und Peiper 1. c. p. 409. Ueber ein von Apollinaris Sidonius
benutztes Exzerpt vgl. Manitius, Fleckeis. Jahrb. 137 (1888) p. 80.
Cento nuptialis. In einem Brief an Paulus (p. 140, 8 Seh.) sagt Ausonius: sanetus
itnperator VaUntinianus, vir meo iudicio eruditus, nuptias quondam eiusmodi ludo descrip-
serat, aptis equidem versibus et compositione festiva, experiri deinde volens, quantum nostra
contentione praeeelleret, simile nos de eodem coneinnare praecepü .... hoc tum die uno et
addUa lucübratione properatum modo inter liturarios meos cum repperiasemy tanta mihi
eandoris tui et amoris fiducia est^ ut aeveritati tuae nee ridenda aubtraherem. Es folgt
eine Vorrede an die beiden Kaiser Valentinian und Gratian. Der eigentliche cento zerfällt
in verschiedene Unterabteilungen, cena nuptialis, descriptio egredientis aponsae und aponai,
obiaiio munerum, epiihcUamium, ingreaaua in cubiculum. Die unsaubere Partie wird durch
eine eigene Vorrede eingeleitet (p. 145 Seh.): Hactenua caatia auribua audiendum myate-
rium nuptiiüe ambitu loquendi et cireuitione velavi. verum quoniam et feacenninoa amat
ceiebritaa nuptialia verborumque petulantiam notua veter e inatituto ludua admittit, cetera
guoque eubiadi et leeiuli operta prodeniur. Auch am Schluss (p. 146 Seh.) verwahrt er
aach dagegen, dass die Leser ne fortaaae morea meoa apectent de earmine. Der cento wird,
"vie der Griphus, 368 entstanden sein, in welchem Jahr Ausonius den Valentinian im Ala-
mannenfeldzuge begleitete.
Griphus. Ueber die Entstehung sagt er in einer Vorrede an Symmachus (p. 128
8ch): in expeditione (368), quod tempua, ut acia, licentiae militaria eat, auper menaam meam
facta eat invitatio, non iUa de Bubrii conviviOy ut Graeco more biberetur, aet illa de Flacci
fig^oga, in qua propter mediam noctem et novam lunam et Murenae auguratum ternoa ter
epathoa attonitua petit vatea, hunc locum de ternario numero ilico noatra iUa poetica aeabiea
eoepii exealpere. Charakteristisch ist die Aeusserung (p. 128, 35 Seh.): eiuamodi epyllia, niai
mal obscura aint, nihil futura.
Das Technopaegnion ist in beiden Recensionen überliefert. Ueber das Verhältnis
derselben vgl. Baehrens, Fleckeis. Jahrb. 113 (1876) p. 152 und richtiger W.Brandes,
Zor handschriftlichen Ueberlieferung des Ausonius (Fleckeis. Jahrb. 123 (1881) p. 70). Die
ernte Ausgabe ist dem Paulinus gewidmet; hier heisst es (p. 132 Seh): miai ad te Techno-
paegnion, inertia otii mei inutile opuaculum. Die zweite Ausgabe ist dem Prokonsul Pa-
estns (390) gewidmet; hier heisst es (p. 132 Seh.): libello Technopaegnii nomen dedi, ne
ami ludum laboranti aut artem crederea defuiaae ludenti. Die Paulinusrecension ist durch
m, die Pacatusrecension durch V überliefert. Dass die Pacatusrecension in V später ist,
geht schon daraus hervor, dass in der Pacatusrecension sich der Abschnitt de litteria
numoagllabia graecia ac latinia (p. 138 Seh.) hinzugesetzt findet; es ist aber wenig wahr-
scheinlich, dass Ausonius von seinen mühsam geschaffenen Kunststücken in einer neuen
Ausgabe eines getilgt. Auch ist das acire velim catalepta legena, quid aignificet tau der
pAiilinusrecension in der Pacatusrecension erweitert worden zu: die, quid significent Cata-
lepta Maronia? in hia dl \ Celtarum poauit, aequiiur non lucidiua tau (13, 5 p. 139 Seh.).
Aach hier dürfte es misslich sein, die erweiterte Stelle als das prius anzusehen. Ausser
3*
36 Deoimus Magnne AasoninB. (§ 789.)
den Erweiterungen finden sich auch Aendemngen. So moBste 13, 21 p. 139 Seh. indulge,
PauUne in der Pacatusrecension geändert werden in indulge^ Pacaie. Merkwürdig iat, dass
p. 134 Seh. auch in der Paulinosrecension Pacato steht; vgl. eine Vermutong darfiber bei
Brandes 1. c. p. 71. Ueber seine Kunststücke spricht er sich in seinem Brief an Paulinas
also aus (p. 132 Seh.]: versiculi sunt monosylJabis eoepti et monosyUahis ierminati, nee hie
modo stetit scrupea difficuUas, sed accessit ad miseriam concinnandi, ut idem nu>no9yUabon,
quod eiset finis extremi versus, principium fieret insequentis. Dieser höchsten Stofe von
Künsteleien tritt eine freiere Gruppe gegenüber, die er durch eine Vorrede einleitet» wo er
sagt (p. 133 Seh.) : et hi versieuli monosyllabis terminanturf exordio tarnen libero, quamquam
fine legitimo. Es sind sachliche Rubriken zu gründe gelegt, z. B. de membris, de dis, dt
cibiSy de historiis u. s. w.
Gratiarum actio dicta domino Gratiano Augnsto. Der £[aiser hatte dem
Ausonius seine Ernennung zum Konsul mit folgenden Worten mitgeteilt (9 p. 25 Seh.) : cum
de consulibus in annutn ereandis solus mecutn volutarem, ut tne nosti, [atque] ut faeere
debui, ut velle te sciviy consilium meum ad deum rettuH. eius auctaritati obsecutus te am-
suJem designavi et declaravi et priorem nuncupavi; vgl. auch 4 p. 22 Seh.: solvere te quod
debeas et adhuc debere quod solveris. Das eigentliche Lob Gratians wird eingeleitet durch
die Worte (13 p. 26 Seh.): existimant, cum ea, quae ad grates agendas pertinebant, sum-
matim lenuiore filo sicut dicitur deducta Hbaverim, aliqua me etiäm de maiestatis tuae laudibut
debere perstringere.
Oratio consulis Ausonii versibus rhopalicis. Das Gedieht steht im Voa-
sianus zwischen den versus paschales und dem Epicedion in patrem. Es ist in Kenleo-
versen geschrieben, d. h. in Versen, welche mit einem einsilbigen Worte beginnen und n
einem 2, 3, 4, 5silbigen Worte vorschreiten, z. B. Spes, DeuSy aeternae stationis conciUator.
Vgl. oben p. 12. Das Gedicht, welches durchaus christlichen Geist atmet, wird eingehend
erläutert von Brandes, Beitr. zu Ausonius, Wolfenbüttel 1895, p. 12. Die Echtheit des
Gedichts wird von Brandes bezweifelt (vgl. auch L. Müller, De re metrica, Leipz.* 1894,
p. 580); er hat eine Reihe von Verdachtsmomenten zusammengestellt (p. 18): «Ein grosser
Teil des Wortschatzes ist dem Ausonius fremd und gehört der besonderen Kirehensprache
an; die Bedeutung einzelner Wörter ist eine andere, als sonst bei ihm; die Metnk ist
schlecht und zeigt ein Nachlassen nach kurzem Anlauf; endlich ist der Verfasser der Kenntnis
späterer Dichter verdächtig.**
Die Ausoniana der Appendix Vergiliana. Erst später wurden in die Appendix
Vergiliana aufgenommen auch die Gedichte: est et non, de viro bono, de rosis nascentibas;
vgl. Baehrens, Poet. lat. min. 2 p. 9. Weder Servius noch Sueton erwähnen dieselben.
Die 3 Gedichte sind abgedruckt in Anthol. lat. ed. Riese No. 644—646; die zwei ersten
Gedichte auch bei Sehen kl, Ausg. p. 149, das dritte bei Schenkl p. 243. Die Gedichte
„de viro bono*^ und „est et non** sind durch den Vossianus 111 als ausonisch bezeugt, und wir
haben keinen Grund, sie dem Ausonius abzusprechen; dagegen lässt sich das dritte Cre-
dicht „de rosis*^ in der uns erhaltenen ausonischen Ueberlieferung nicht nachweisen. Die
Zuteilung an Ausonius beruht lediglich auf der Ausgabe des H. Ale an der, Paris 1511, der
sich auf die fides vetusti codi eis, der verschollen ist, beruft. Schenkl, Ausg. p. XXXVI:
R. Peiper, Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 11 (1880) p. 210 und p. 305.
Verlorene Werke. Die Schrift de dubiis nominibus gibt uns drei Fragmente an
die Hand; vgl. Gramm, lat. 5 p. 579, 3; 5 p. 582, 27; 5 p. 589, 6. Die Fragmente sind lo-
samm engestellt bei Schenkl, Ausg. p. 226. Auch die prosaischen fasti consulares sind,
wie bereits im Text angegeben, nicht erhalten.
789. Die Moseila. Rom war schon lange nicht mehr das ZeDtrum
des Reiches, andere Städte überstrahlten es. Unter den Nebenbuhlerinnen
der ewigen Stadt nimmt Trier eine der ersten Stellen ein. Hier resi-
dierte der Hof, wissenschaftliches und künstlerisches Leben gelangten
zu einer bemerkenswerten Nachblüte. Es lag daher nahe, diesen neuen
Mittelpunkt des römischen Lebens durch ein panegyrisches Gedicht zu
feiern. Für die Abfassung eines solchen Panegyrikus musste Ausonius,
der als Lehrer Gratians mit dem Hof in den engsten Beziehungen stand,
besonders geeignet erscheinen. Er löste seine Aufgabe in der Weise, das8
er sich zum Sänger der Mosel aufwarf. Er schildert den schönen Fluss mit
seiner krystallenen Flut, beschreibt, wohl einer gelehrten Quelle folgend, die
Fische, die in seinem Wasser leben, berührt dann die am Ufer sich hin-
DeoimnB Xagnae AnBoniiM. (§ 789.) 37
ziehenden RebenhQgel, malt das Treiben der Götter und Göttinnen des
Flusses, führt uns die Schifferkämpfe und Sehifferspiele auf dem Strome,
in dem sich die Rebenhügel wunderbar spiegeln, in anschaulicher Weise vor.
Daran reiht sich eine wirkungsvolle Schilderung des Fischfangs, die Be-
trachtung der Bauwerke an den Ufern der Mosel, die sich den besten
Erzeugnissen des Altertums an die Seite stellen können, die Aufzählung
der hauptsächlichsten Nebenflüsse und die Charakterisierung der an-
wohnenden Bevölkerung. Ein Epos über die Thaten hervorragender Belgier
verspart er sich für die Zukunft. Nachdem der Dichter noch die Ver-
einigung des Rheines und der Mosel in den Bereich seines Gedichts ge-
zogen, stellt er sich selbst seinem Lesepublikum vor und verspricht,
späterhin nochmals die Mosel zu besingen.
Das Gedicht übt auf uns einen eigentümlichen Reiz dadurch aus,
dass wir sehen, wie Natur und Oertlichkeiten, die uns vertraut und wert
geworden sind, schon vor anderthalbtausend Jahren dieselben Eindrücke
bei dem Beschauer hinterliessen wie heutzutage. Im Grunde genommen ist
aber die Poesie, die aus dem Gedichte strömt, eine kalte, weil sie über
das Beschreibende nicht hinauskommt. Ein Vergleich unserer Moseila mit
dem Reisegedicht des Rutilius Namatianus zeigt, wie unendlich höher
dieser zweite Gallier seine Aufgabe erfasst. In dem Reisegedicht bricht
überall eine starke Individualität durch, und die grossen Weltbegeben-
heiten bilden den Hintergrund, in der Mosella spiegeln sich weder die
Zeitereignisse noch die Individualität ab.
Abfassungszeit der Moseila. Da nach Vs. 450 Valentinian I. noch am Leben
ist, mofls das Qedicht vor 375 fallen. Ein Jahr vor 875 erhalten wir durch Deutung
der Verse 409 ff. auf eine bestimmte Persönlichkeit. Nach Boecking ist dies Sextus Pe-
tronius Probus, der praefectus praetorio fOr Italien, Illyrien und Afrika in den Jahren 368
— 875 war. Dieser erreichte das Konsulat im Jahre 371, und auf dasselbe spielt Ausonius
Vb. 409 an. Die Richtigkeit dieser Identifizierung ergibt sich besonders, wenn man den
Brief, den Ausonius an den Genannten schrieb (16 p. 174 Seh.), ins Auge fasst. Darnach
ist die Mosella im Jahre 871 geschrieben. Damit stimmt auch eine andere Erwägung.
^vmmachos schickt nach 369 Ausonius die naturalis historia des Plinius (epist. 1, 24 p. 14 S.).
mne Benutzung derselben findet sich in der That in der Mosella, in den anderen Gedichten
aber keine. Von der Mosella ist im Brief noch keine Rede, und doch wdrde bei den
engen Beziehungen, die sich zwischen Ausonius und Symmachus herausgebildet hatten, eine
Erwähnung derselben erfolgt sein, wenn sie .vorhanden gewesen wäre. Damit kommen wir
dem Abfassnngsiahr 371 sehr nahe. Interessant ist der Brief (1, 14 p. 9 S.), den Symmachus
nach dem Erscheinen der Mosella an Ausonius richtet. Es heisst hier (p. ip S.): volitat
tuHM Mosella per manus sinusque multorum divinis a te versihus consecratus; vgl. C. Ho-
sius TOT seiner Ausgabe p. 17.
Ueber die Ueberlieferung siehe oben p. 26.
Speziaiausg. der Mosella von Tross (mit Uebersetznng und Commentar], Hamm
1820 nnd 1824; E Böcking (lateinisch und deutsch), Berl. 1828; Moselgedichte des Au-
sonius und Venantius (lat und deutsch) von £. Böcking ( Jahrbücher des Vereins von Alter-
tmnsfireunden im Rheinlande, Anhang zu Heft 7 (Bonn 1845); H. de la Ville de Mirmont,
Edition critique, pr^c^döe d'une introduction avec commentaire et omöe d'une carte de
laMoaelle et facsimil^ d'^ditions anciennes, Bordeaux 1889; vgl. dazu dessen Sur quelques
oorrections apport^es au texte de la Moselle d'Ausone (Annales de la Facult^ de Bordeaux
1887, N. 1); erkl. von G. Hosius, angehängt die Moselgedichte des Venantius, Marb. 1894.
üebersetzungen von Oppen, Göln 1837; Hessel, Bonn 1894; von R. E. Ott-
mann, Trier 1895; von Th. Vulpius (Jahrb. fUr die Gesch. Elsass-Lothringens, 4. Jahr-
gang (1888) 1. Artikel). Französische von E. F. Corpet, Paris 1887; vgl. den nächsten §;
von H. de la Ville de Mirmont, Bordeaux 1889. Frei nachgebildet von H. Viehoff,
Trier 1885 (sehr gelungene Uebertragung in Oktavreimen). Eine ausgezeichnete Probe einer
fieien Uebersetzung in achtzeiligen Strophen gibt auch Bacmeister, Alemannische Wan-
deningen 1 (Stattgart 1867) p. 86.
38 Deoimos Magnus Ansoniiui. (§ 790.)
Zur Erläuterung. A. Riese, Zu Aus. Moseila 418 ff. (Korrespondenxbl. der westd.
Zeitsclir. 7 (1888) p. 128; H. de la Ville de Mirmont, De Ausonü Mosella, Paris 1892;
W. Haag, Aus. und seine Mosella (Festsclir. des Friedrichs-Realgynmasinms Berl. 1900).
Ueber das Nai;urgef&hl des A. vgl. Riese, Entwickl. des Naturgef&hls bei den ROmera,
Kiel 1884, p. 183.
790. Charakteristik. Wenn nur derjenige den Namen eines Dich-
ters verdient, der uns in einer schönen Form eine innere Welt erschliessen
kann, so hat Ausonius das Recht sich nur einmal ^ erworben, den Dichter-
namen zu führen. Es war dies, als unser Poet sah, dass sein geliebtester
und talentvollster Schüler Paulinus einen ganz anderen Lebensweg ein-
geschlagen und sich ganz anderen Idealen zugewandt als er. Die Ent-
täuschung war für den alten Lehrer eine furchtbare, und er liess nichts
unversucht, den Schüler wieder auf die alte Bahn zu ziehen. In den
Briefen, die er zu diesem Zweck schrieb, bricht eine wahre Herzens-
empfindung durch und findet den angemessenen, poetischen Ausdruck. Die
Eindringlichkeit ergreift auch den Leser, der mit Interesse den Kampf zweier
Weltanschauungen verfolgt. Abgesehen von diesen Erzeugnissen gähnt nur
zu oft aus der Poesie des Ausonius eine entsetzliche Oede, und nicht ein-
mal in der metrischen Form finden wir Ersatz für den mangelnden Ge-
dankeninhalt, da auch sie von Laune und Willkür beherrscht ist. Ein
grosser Teil seiner Gedichte ist aus der Schulpraxis entstanden. Dass es
sich in diesen Memorialversen bloss um eine formale Thätigkeit handelt,
erhellt besonders daraus, dass auch fremde Erzeugnisse versifiziert wurden;
so bearbeitete Ausonius Suetons Werk über die Kaiser, wie sein Schüler
Paulinus das Buch des genannten Historikers über die Könige in Verse
brachte. Wenn diese Produkte auch vom Standpunkt des Nutzens aus
eine gewisse Berechtigung haben, so müssen wir strenger mit den Ge-
dichten ins Gericht gehen, welche auf eine eitle Spielerei hinauslaufen.
Da ist der Cento nuptialis, der aus lauter Versen und Versteilen Vergib
zusammengestoppelt ist. Müssen wir einerseits den Dichter bewundem,
dass er den ganzen Vergil ins Gedächtnis aufgenommen hat und über
denselben mit souveräner Herrschaft verfügt, so überkommt uns anderseits
doch ein gelindes Grauen, wenn wir sehen, dass er seine Vergilkenntnis
benutzt, um eine schmutzige Parodie zusammenzuleimen. Eine nichtsnutzige
Tändelei ist das Technopaegnion oder das Spiel mit einsilbigen Worten
am Schluss der Verse. Auch die Keulen verse, wenn sie wirklich von
Ausonius herrühren, gehören in die Gattung dieser thörichten Versifika-
tionen, wie das Gedicht, welches Griechisch und Lateinisch durcheinander
mischt und den Anfang der macaronischen Poesie darstellt.^) Die innere
Hohlheit des Mannes lässt ihn auch da nicht das rechte Wort finden» wo
der StoS einer poetischen Gestaltung fähig war. Er feiert das Andenken
seiner Verwandten und seiner Lehrer; welche Welt von zarten Empfin-
dungen hätte er entfalten können, wenn der Fond, aus dem er schöpfte,
ein reicherer gewesen wäre! Aber selbst die Frage über die Fortdauer
nach dem Tode ist hier nicht wirkungsvoll verwertet worden, und um
*) Leo (Nachr. der Gott. Ges. der Wis- | genommen,
sensch. 1896 p. 261) sagt, der Brief 25 fp. 190 >) Es ist Epistel 12 p. 170 Seh.; Tgl
Seh.) hat mehr wahres Gefühl als vielleicht dazn R. Köhler, Ausonius und die maatfO>
die ührigeu Verse des Ausonius zusammen- i nische Poesie (Rhein. Mus. 12 (1857) p. 4S4).
DeoimoB MagnoB Ansonins. (§ 790.)
39
auch diese Stücke wieder gewissennassen in ein Nichts aufzulösen, fQgt
er noch eine Sammlung von Gedankenversen über die Heroen, welche den
trojanischen Krieg mitgemacht haben, bei. Selbst die vielgelesene Mosella
dankt ihren Ruhm nicht sowohl der poetischen Empfindung als lokal-
patriotischem Interesse. Die tiefbewegte Zeit, in der Ausonius lebte,
bleibt von seiner tändelnden Poesie fast unberührt. Hie und da begegnet
uns eine historische Notiz, aber den Pulsschlag der Zeit fühlen wir nicht
in diesem Schattenreich der Poesie. Mehr interessieren, wie es scheint,
den Dichter die Bauten und Kunstwerke; diesem Interesse verdanken wir
die berühmte Beschreibung eines Gemäldes aus einem Triclinium zu Trier,
welches den Amor darstellt, wie er in der Unterwelt von den Heroinnen,
denen er im Leben Leid zugefügt, gepeinigt wird. Am merkwürdigsten
ist das Verhältnis des Ausonius zum Christentum. Wir begegnen in dieser
Epoche Männern, die dem Christentum fremd gegenüberstehen und sich
mit einem philosophischen Monotheismus zufrieden geben. Ein solcher
Mann war z. B. Ammianus Marcellinus. Da Ausonius stark von der alten,
nationalen Poesie zehrt, so würde es selbstverständlich sein, wenn wir
auch ihn in der Reihe dieser am Römertum haftenden Persönlichkeiten
finden würden. Allein er ist, wenn es darauf ankommt und wenn es sein
muss, auch Christ, und es verdriesst ihn nicht, zur Abwechslung auch ein-
mal ein christliches Gedicht zu fabrizieren. Es handelt sieb für Ausonius
ja nur um Worte, der Stoff ist ihm ziemlich gleichgültig. Wenn der alte
Schulmeister seinen Zögling Gratian wegen der schönen Phrasen, die er
als designierter Konsul in seinem Ernennungsdekret gefunden, in enthu-
siastischer Weise belobt, so werden wir unwillkürlich an Fronte erinnert.
Fronto und Ausonius sind beide Phraseologen;^) jener kultiviert die Phrase
der Rede, dieser die Phrase der Poesie; jenem wird sein Schüler Marc
Aurel, diesem sein Schüler Paulin abtrünnig. Wir begreifen dies, der
tiefere Geist verlangt Ideen, nicht Worte. Für die absterbende Litteratur
des Heidentums ist Ausonius mit seinem poetischen Dilettantismus und
seinen Formspielereien ein beredter Zeuge ; für die verlorenen Dichtungen
der poetae neoterici bietet er uns einigermassen Ersatz.
Ausonius und das Christentum. Boecking, Jahrb. des Vereins von Altertums-
fremiden im ^einlande 7 (Bonn 1845) p. 66; H. Speck, Quaest. Ausonianae, Breslau 1874
(De Ausonii religione p. 1); H. Mertens, Quaest. Ausonianae, Leipz. 1880; £. Everat,
De D. M. Ausonii operibus et genere dicendi, "Didse von Glermont 1885, p. 11; W. Brandes,
Beitr. zu Ausonius, Wolfenbttttel 1895 (Vom Christentum des Ausonius p. 8). Wahrschein-
lich hat Ausonius erst spftter das Christentum angenoinmen; unter Julian (861—363) scheint
er noch nicht Christ gewesen zu sein, denn wäre er ein solcher gewesen, so hätte er
infolge des Dekrets JuUans, durch das den Christen unmöglich gemacht wurde, Lehrstdhle
der Grammatik und Rhetorik einzunehmen, von seiner Lehrstelle zu Bordeaux zurücktreten
mllSBen. Allein von einer solchen Unterbrechung verlautet nichts bei ihm; vgl. Brandes
p. 6. Das Christentum des Ausonius erhält seinen Ausdruck in folgenden Produkten:
1. Im Griphus von 868 (Vs. 88 p. 182 Seh.). 2. In den versus paschales (p. 80 Seh.). 8. In
der oratio matutina (p. 4 Seh.). 4. In der gratiarum actio 18 p. 29 Seh. 5. In den allerdings
w^en ihrer Echtheit verdächtigen versus rhopalici (p. 31 Scn.). Als Gegenstttcke können
Epigr. 80 p. 204 Seh. mit seinem synkretistisclien Pantheus und precatio eonsulis designati
(p. 17 Seh.) angesehen werden. Auch finden sich hin und wieder Aeusserungen, die auf
^) Merkwürdig ist das Selbstgeständnis
des Dichters (13, 1, 6 p. 86 Seh.): si qua tibi
in his versieulis videbuntur fticatius con-
cinnata quam verius et plus coloris quam
8uci habere, ipse sciens fluere permisi, venu-
stula ut essent magia quam forticula.
40 ^^^ anonyme Dichter des QueroloB. (§ 791.)
einen yerschwommenen Monotheismus hindeuten; vgl. Speck 1. c p. 19; Brandes p.i
Erst durch den Hofdienst scheint Ausonius sich ftusserlich zum Christentam bekavt
zu haben.
Stil. Im allgemeinen vgl. A. M eurer, De Dec. Magni Ausoni genere dicendi quant
Münster 1873, p. 7; E. Everat, De D. M. Ausonii operibus et genere dicendi, Th^e m
Glermont 1885, p. 61. Im einzelnen vgl. Schenkl, Ausg. p. 286.
Zur metrischen Gomposition vgl. im allgemeinen Th. Raehse, De re metna }
Ausonii, Berl. 1868. Richtig urteilt Brandes (Gomment. WoelfElinianae, Leips. 1891, p.lt9;: I
«Ausonius ist vielleicht der ausgeprägteste Typus eines stillosen Decadencepoeten, den iot
Litteraturgeschichte kennt. Eine spielende Fertigkeit, alle möglichen Dinge in allen iiil|.
liehen Formen und Massen zu behandeln, verbindet sich bei ihm mit einer ftsthetiicki
Gewissenlosigkeit ohne gleichen.* L. Malier, De re metrica, Leipz.' 1894, p. 413; 370;
439; H. de la Ville de Mirmont, De Ausonii Mosella p. 107 (De Auson. Mos. Hezamctn;
Prosodisches in der Appendix G p. 294. üeber die Gaesur des Hexameter in der Hoidh
vgl. W. Meyer, Sitzungsber. der MOnchener Akad. 1884 p. lOff.; De la Ville de Mir- j
mont 1. c. p. 131; W. Brandes, Beitr. zu Ausonius (Der jambische Senar des AaMan. I
insbes. im Ludus Septem sapientum), Wolfenbttttel 1895, p. 19; Leo, GOtt gel. Anz. ISM /
p. 778. Ueber die strophische Gliederung der precatio consnlis designati des Antens
(p. 17 Seh.) vgl. Brandes, Gomment. Woelfflinianae p. 189; vgl. auch den Index in Scheikli
Ausg. p. 286. Ueber Reimstrophen vgl. Brandes (Beitrfige p. 7), der epigr. 30 p. 204 Sek.
und 4, 2, 15 p. 4 Seh. heranzieht.
Vorbilder. Dass Ausonius in den alten Dichtem sehr belesen ist, zeigen diek
den Ausg. von Schenkl und Peiper gesammelten Parallelstellen; vgL auch Zingerle, Zi
späteren lat Dichtem, Innsbrack 1873« p. 32 und M. Manitius, Zu spftÜateinischen Diek-
tem (Zeitschr. fQr österr. Gymn. 37 (1886) p. 241). Ganz hat er in sich den Veigfl nt
genommen, wie der Gento nuptialis zeigt; vgl. Speck, Quaest. Auson., Breslaa 1874, p.2L
Ausser Vergil lassen sich noch nachweisen die Spuren von Plautus, Terenz (LeoLc.;
Tschern ajew, Terentiana 11, Eazan 1900), Gatull (vgl. 23 p. 120 Sch.)> Lucrez, Rom,
Tibull, Ovid, Lucan, Martial, Statins, JuvenaX Gicero, den beiden Plinius, Apuleins in fo
Periochae, Sallost und Tacitus; vgl. Marx, Pauly-Wissowas Realencycl. 2 Sp. 2566. üab«
Ennius vgl. 27, 13, 17 p. 139 Seh. und dazu L. Valmaggi, Rivista di filol. 27 (1899) p.^
Afranius wird erwähnt epigr. 67, 4 p. 214 Seh. toga facundi «caenis agitavit AfranL Oefin
wird des Lucilius gedacht epist. 5, 88 p. 163 Seh.; epigr. 65, 8 p. 213 Seh.; epist. 15, 9 p 178Sck
{nides camenas Suessae); vgl. L. Müller, Lucili sat. rel., Leipz. 1872^. 271. Für die Mischmg
von Poesie und Prosa (vgl. epist. 19 p. 179 Seh.) konnte ihm Seneca YorbUd sein. Am meistei
werden jedoch sowohl in Bezog auf die Metrik als auf die Sprache die poetae neoterid nf
ihn eingewirkt haben. Den Ausdruck opuseula hat er mit ihnen gemeinsam. Ueber sau
griechischen Studien vgl. F. Stahl, De Ausonianis studiis poetarum Graecomm» Kiel 1886.
Fortleben des Ausonius. Ueber das Fortleben des Ausonius vgl. Schenkl, Aug.
p. XVII. So wurde Ausonius von Glaudian und Rutilius Namatianus gelesen; vgl. da
Index von Schenkl 1. c. p. 265. Apollin. Sid. 4, 14 p. 89 (Mohr) stellt den Ausonins aAt
hoch. Ueber das Fortleben der Mosella vgl. De la Ville de Mirmont, De Ausonii Ib-
sella, Paris 1894 — 1895, p. 169. Ueber Beziehungen zwischen A. de viro bono und PaadiA-
sius Radbertus vita Walae vgl. B. Simsen, Rhein. Mus. 41 (1886) p. 688.
Ausg. Editio princeps, Venedig 1472; vgl. Peiper 11. Suppl. p. 191; von H. Avin-
tius, Venedig 1496; von Th. Ugoletus, Parma 1499; von Pulmannus, Antwerpen 1568;
von J. Scaliger, Leiden 1575; dazu lectiones Auson. liber 2, Heidelberg 1588; von L
Vinetos, Bordeaux 1580, 1590; von J. Tollius, Amsterdam 1669; von J. Floridns vni
J. B. Souchay, Paris 1730; editio Bipontina 1785. Neuere Ausg. von E. Schenkl, Beri.
1883 (Monumenta Germaniae historica 5 (1883) 2. Teil) und R. Peiper, Leipz. 1886; vgl
dazu die wichtige Besprechung 0. Seecks (Gott. gel. Anz. 1887 p. 497). Ueber die Ausg.
überhaupt vgl. Peiper, Ausg. p. LXXXV; Schenkl, Ausg. p. XXX.
Uebersetzungen. Französische von Gorpet, Paris 1887; vgl. Peiper, Beil
philol. Wochenschr. 1888 Sp. 1241. Mit Auswahl von E. Ducot^, Paris 1897. Anthologie p»
Hovyn de Tranchiere 1898. Italien.Uebers. mit ausf.Gomment. von Ganal, Venedig I85S.
4. Der anonyme Dichter des Querolus.
791. Die Komödie des Qnerolus. Die ausgezeichnete plautiniscbe
Komödie Aulularia reizte einen Dichter, der wahrscheinlich dem vierten
Jahrhundert angehört, den Stoff in etwas anderer Weise zu bearbeiten.
Auch hier handelt es sich um einen Goldtopf, den der alte Euclio ver-
borgen hatte, als er in das Ausland ging. Doi*t traf er mit einem Men-
Der anonyme Dichter des Qnerolne. (§ 791.) 41
sehen Mandrogerus zusammen, den er über den Fundort im allgemeinen
unterrichtete und den er schriftlich zum Miterben einsetzte, wenn er seinem
Sohne Querolus den Ort, wo der Schatz geborgen sei, kundgebe und so
demselben zur Erlangung dieses Schatzes behilflich sei. Aber Mandro-
gerus sinnt mit einer Bande auf Betrug, gibt sich als Magier aus und
weiss so die Urne aus dem Hause hinauszuschaffen. Bei der näheren Be-
sichtigung der Urne entdekt er eine Inschrift, welche die Urne als die
eines Verstorbenen erscheinen lässt; er glaubt sich getäuscht und lässt
aus Zorn die üme zum Fenster des Querolus hineinwerfen. Die in Stücke
zersprungene Urne bringt den Schatz zum Vorschein. Mandrogerus, dem
diese Thatsache zu Ohren gekommen, möchte nun gern seinen Erbschein
ausnützen, aber es wird ihm mit einer Klage wegen Diebstahl und Grab-
schändung gedroht. Schliesslich löst sich alles in Versöhnung auf. Die
Composition des Stückes ist merkwürdig, weil es in einer rhythmisierenden
Prosa, wie wir sie auch in Inschriften finden, abgefasst ist. Die Fabel
des Stückes ist schwach, doch finden sich einzelne Züge, die unser Inter-
esse erregen, und die Forderung der Barmherzigkeit lässt schon den Ein-
fluss christlicher Ideen erkennen. Die Figur des Parasiten hat einen ganz
anderen Inhalt bekommen als in der alten Komödie. Das Stück scheint
nicht für die Aufführung bestimmt gewesen zu sein, sondern zur Unter-
haltung beim Mahle, i)
Der Titel der Komödie, p. 5, 9 F. Aululariam hodie sumtis acturi, non veterem at
rudern, inventigatam Plaut* per vestigia. 5, 22 Querolus an Äulularia haec dicatur fahula,
vestrum (spectatores) iudicium, vestra erit sententia. Im Vossianas und Vaticanus lautet
die Ueberschrift: PlauH Äulularia incipit feliciter,
Autor and Zeit der Komödie. Die Schrift ist einem Rutilius gewidmet: 5, 1
iuo igitur Butili inlustris libellus iste dedicatur nomini. Ohne durchschlagende Gründe
versteht P.Daniel unter diesem Rutilius den Rutilius Namatianus. R. Dezeimeris (Sur
l'autenr de Querolus, Bordeaux 1876; iStudes sur le Querolus, Bordeaux 1881) denkt an
Axios Paulus, der mit Ausonius in näheren Beziehungen stand und der einen Delirus ge-
schrieben hatte; vgl. oben § 788 p. 81. Auf einen gallischen Dichter könnte die Erwähnung
des liger (p. 16, 22) gedeutet werden. Auch diese Identifizierung lässt sich nicht fest be-
gründen; mit einer allgemeinen Andeutung begnügt sich Fr. Bücheier (Rhein. Mus. 27
(1872) p. 474), wenn er sagt: «Glodum illum pedem quo Querolus fabula composita est
cum in nulla alia orbis terrarum parte quam in Africa carmina habeant lapidaria, Queroli
scriptorem Africanum fuisse existimo.* üeber die Autorschaft vgl. noch Wernsdorf bei
Peiper, Praef. p. XXX und L. Quicherat, Mölanges en philologie, Paris 1879, p. 158.
Die Charakterfigur des Querolus. p. 7, 3 Querolus isie noster, sicut nostis,
omnüms est molestu», ipsi si fas est deo; homo ridicule iracundus, itaque ridendus magis.
Die äussere Komposition des Stückes, p. 5, 4 spectatores noster sermo poeticus
rogat, qui Graeeorum discipHnas ore narrat harharo et Latinorum vetusta vestro recolit
tempore. 5, 28 prodire autem in agendum non auderemus cum clodo pede, nisi magnos
praeclarosque in hae parte sequeremur duces. Allein ein Metrum ist nicht streng durch-
geführt, sondern nur Schluss und Anfang der Sätze metrisch geformt; wir erhalten jam-
bische und trochäische Klauseln und metrische Anfänge und manchmal auch beide zu-
sammen. Auch auf Inschriften späterer Zeit findet sich diese rhythmische Prosa, vgl. CIL
8, 646 — 648 (Carmina epigraphica ed. Buecheler, vol. 2 fasc. 1, Leipz. 1895, nr. 116), wo
Studemnnd auf die Aehnlichkeit mit der Kompositionsart des Querolus hinweist und be-
merkt: .Depromebant verba longe plurima ex carminibus iambicis, qui hanc numerosam
orationem componebant, atque id potissimum adsequi studebant, ut in periodorum clau-
sulis eoB efficerent pedes, quos in fine senariorum et septenariorum collocari fas essef;
vgL denselben Jenaer Litteraturzeitung 1875, p. 622. Ueber diese rhythmisierende Prosa
vgl. Norden, Die antike Kunstprosa 1 (Leipz. 1898) p. 680. Verfehltes Verfahren Havets,
Le Querolus; Com^die latine anonyme. Texte en vers rcstitu^ .... pr^c^dö d'un examen
litt^raire de la piöce (Biblioth^ue de TJ^cole des Hautes l^tudes, 41. Bd., Paris 1880).
*) p. 8, 16 (Peiper) nos fahelUs atque mensis hunc liheüum scripsimus.
l
42 Andere Dichter. (§ 791.)
üeber die lex convivalis, welche am Schluss des St&ckee angeliftiigt ist, r^
Fr. Bttcheler, Ind. lect. Bonn 1877, p. 10, abgedrackt in dessen Ansg. des Fetnufli,
Berl.» 1882, p. 239.
Fortleben des Querolns. Peiper (p. XX) führt als Ältesten Zangen flr iu
Fortleben den Servius an: Servias ad Vergjli A. III 226; Plaatns in Qnenilo de ü-
seribus [30, 16]: Cuncti — clangorihus. Allein in der Aosg. Thilos fehlen diese Worti.
welche in den Noten als ein Zusatz Daniels bezeichnet werden. Den ganzen Qneroh§ |
hatte Johannes Sansberiensis gelesen. Vitalis brachte den Qnerolus im achten oder nemtei
Jahrhundert (vgl. Peiper p. XXI) in elegische Verse; vgl. Reinhardstöttner, Phratoi
Spätere Bearbeitungen plautinischer Lustspiele, Leipz. 1886, p. 270. Zuerst verOffendick
von H. Gommelinus als Anhang zur Querolusausg. von Rittershuis, Heidelberg 159»,
wiederholt von Fr. Osann (zugleich mit dem Amphitmo, den Vitalis ebenfalls im dcgi-
sehen Versmass bearbeitet hatte), Darmstadt 1836. Diese Bearbeitung wurde zaeni nt-
öfifentlicht von A. Mai, Classici aucteres 5 p. 463, dann ausser Osann von G. £. Hfiller.
Analecta Bemensia 2 (Bern 1840) p. 10 und von E. MQllenbach, Bonn 1885. V^.]iod
A. de Montaiglon, Bibliothdque de TlScole des chartes 4 (1847— 48) P. 474; 5(1848-49)
p. 425; F. Bücheier, Grundriss der latein. Deklination, Bonn* 1879, p. 20. Ueber diekni-
schriftliche üeberlieferung vgl. Peiper p. XXI.
Ueberlieferung. Die massgebenden Handschriften sind: Der Vaticanos 4929 & I;
vgl. § 424 p. 201; der Leidensis Vossianus Q 88 s. X; weiterhin der Piüatinna 1615 i.X
(vgl. § 35 p. 65) und der Parisinus 8121 A s. X; vgl. R. Peiper, Praef. p. IX. Ueba
die Exzerpte vgl. denselben p. XIII. Vgl. auch M. Haupt, Opuscula 3 (Leipz. 1876) p.587.
Ausg. Editio princeps von P. Daniel, Paris 1564; vgl. noch H. Hagen, Der Jirit
Peter Daniel aus Orleans, Bern 1873, p. 12; rec. et illustr. S. G. Klinkhammer, Anut» I
dam 1829; Aulularia sive Querolus Theodosiani aevi comoedia Rntilio dedicata ed. R. Peiper,
Leipz. 1875; vgl. Praef. p. V.
Andere Dichter dieses Zeitraums sind:
1. Tiberianus. Unter dem Namen des Tiberianus hat Baehrena (Poet. Ist.
3 p. 263) vier Gedichte vereinigt; die ersten drei sind von ihm zuerst ans Cod. Harleiun
3685 8. XV in seinem Buch: Unedierte latein. Gedichte, Leipz. 1877, p. 27 veröffenÜidt
worden. Bei dem ersten Gedichte lesen wir die Aufschrift incipit versus Tiheriamj bei
dem zweiten incipit rerswt Sogratis phihsophi, bei dem dritten endlich incipit DiseripS»
de Avicula. Das vierte Gedicht gab zuerst M. Haupt (Ovidii Halieutica, Gratii et Nent-
siani Cynegetica, Leipz. 1838, p. 65; vgl. auch p. XXVI) heraus, dann Quicherat, Bibüo-
theque de T^cole des chartes 4 (1842 — i8) p. 269; abgedruckt auch in Anthol. lat. ed. Rieii
No. 490. Handschriftliche Quellen sind Cod. Reginensis 215 s. IX, Parisinns 2772 s. XjXL
Parisinus 17160 s. XII und Vindobonensis 143 s. Xlll. Im Parisinus 2772 lautet die üeJMr-
Schrift: Versus Piatonis a quodam tiberiano de graeco in latinum translati; ebenso fteht
im Vindobonensis, nur dass er a quendum tyherianum bietet. Hiezu kommen noch Fng-
mente aus Servius zur Aeneis und Fuigentius; vgl. M. Zink, Der Mytholog Falgentnit
WOrzb. 1867, p. 69. Alle Gedichte sind letzt vereinigt bei Baehrens, Poet. lat. min. 3
p. 264. Das erste Gedicht enthält eine hübsche Naturschilderung in troch&ischen Tefai-
metem. Das zweite Gedicht, aus Hexametern bestehend, handelt in nüchterner Weise ttlxr
die Verderblichkeit des Goldes. Da aus diesem Gedicht der dritte Vers von Serr. zu Vei;.
Aen. 6, 136 unter dem Namen des Tiberianus angeführt wird, ist ein ftusseres Zeugnis f^
die Auterschaft des Tiberianus gegeben. Ein solches fehlt bei dem dritten Gedi^t, du
in Hendekasyllabcn abgcfasst ist. Es ist ebenfalls ein sehr massiges Gedicht, das auf eiu
Nutzanwendung hinausläuft. Die letzte Nummer, aus 32 Hexametern bestehend, ist phik-
sophischer Natur und ergeht sich in einer Schilderung des höchsten Wesens. Es fragt sich,
wer der genannte Tiberianus ist. Hieronym. z. J. 2352 = 335 n. Chr. (2 p. 192 Seh.) gibt
folgende Notiz: Tiberianus, vir disertus, praef ectus praetorio Gallias regit. Es wird dff-
selbe Tiberianus sein, der 326 comes per Africam (Cod. Theodos. 12, 5, 1), 332 comes flispi*
nianim (Cod. Just. 6, 1,6) und 336 vicarius Hispaniarum war (Cod. Theodos. 8, 5, 5). Frei-
lich eine unumstösslichc Sicherheit für die Auterschaft dieses Tiberianus liegt nicht vor. -
R. Gehler, De Tiberiani quae feruntur fragmentis, Halle 1879. Dass Ausonius den Tibe
rianus nachgeahmt, zeigt Schenkl, Ausg. des Ausonius p. 303. Ueber Beziehungen n
Tiberianus von Seiten des Prüden tius vgl Rossberg, Fleckeis. Jahrb. 127 (1883) p. 771.
Ohne Grund will Baehrens das Pervigilium Veneris (§ 540) dem Tiberianus zuteilen.
2. Naucellius. a) Seine Gedichte: Symmach. epist. 3, 11, 4 earminum tuorum
codicem reportandum puero tradidi, et quia eghgarum confusus ordo est, quem deseripsimm^
simul misif ut et correctio a te utrique praestetur et aliorum, quae nunc pangis, adiecü».
3, 13 dum carmina tua ruminas, dum epigrammata ohlatis lucis aut amnibus facis, fdOUvr
doctis cogifationibus set^sus laboris.
Julias Yalerins. (§ 792.) 43
ß) Das antiquarische Werk. Symmach. epist. 8, 11, 3 non silebo alterum munus
ppuBCuli tuif quo priscam rem ptiblicavn cuiusqiie f huius ex libro Graeco in Latium
\tran8ttUisti. arma a Samnitibus^ insignia ah Tusds, leges de lare Lycurgi et Solonis
Mmmpseramus: tuus nobis posthaec addidit labor peregrina monumenta, quae iam sui neseiunt.
Mlfc Rttckaicht darauf heisst es vorher: itaque, ut ipse nannutiquam praedicas, spectator
Uki vfterU monetae solus supersum; ceteroa delinimetita aurium capiunt. stet igitur inter
«Mt ista paetio, ut me quidem luvet vetustatis exemplar de autographo tuo sumere, te autem
mom paeniteat scriptorutn tneorum ferre novitatem.
3. Flavius A^franius Syagrius, cos. 381. An ihn richtet Sidonius Apollinaris
efaien Brief (epist. 5, 5 p. 108 Mohr), in dem es heisst: cum eis igitur e semine poetae, cui
proeul dubio statuas dederant litterae, si trabeae non dedisaent, quod etiam nunc auctoris
«Mito versibus verba testantur, Ueber seine rhetorische Ausbildung vgl. die folgenden Worte :
pmtritiam tuam competenter scholis liberalibus memini imbuiam et saepenumero acriter elo-
mienterque deelamasne coram oratore satis habeo compertum. Auch Symmachus, der an
um die Briefe 1, 94 — 107 richtet, rühmt seine Beredsamkeit; vgl. epist. 1, 96 non mihi ex
mre ieiuno tributa laudatio est, sed de faeundiae penu boni iudicii fructus adrisit. Ausonius
lichtet an ihn eine Gedichtsammlung; vgl. Seeck, Ausg. des Svmmach. p. CX. Ueber
^ymgrius vgl. Seeck 1. c. p. GIX und R. P ei per, Die handschriftliche üeberlieferung des
Aiisonius (Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 11 (1880) p. 319); 0. Glasen, Heidelberger Jahrb.
1872 p. 867.
4. A leim US. Diesem Dichter werden einige Epigramme zugeteilt, abgedruckt in
Anthol. lat. ed. Riese Nr. 713—715 (Nr. 233; 788); 740 und bei Baehrens, Poet. lat.
vdo. 4 p. 105; 187. Wernsdorf hat den Dichter mit dem Rhetor identifiziert, den Hiero-
■grm. z. J. 2371 = 355 n. Chr. (2 p. 195 Seh.) neben Delphidius erwähnt: Alrimus et Delfidius
fJketores in Aquitanica florentissime docent, (Ueber Delphidius vgl. noch Hieronym. epist.
120 praef. (tom. 1 Sp. 812 Vallarsi)). Derselbe Rhetor erscheint auch bei Ausonius als Latinus
Alcimus Alethius; er feiert ihn als Lehrer Julians (Profess. Burdig. 3, 21 p. 57 Seh.) und des
Sftllnst (Ibid. 3, 23)> der 322 cos. war. Vgl. Apollin. Sid. epist. 8, 1 1 (p. 189 Mohr) et si a
te insiructio rhetorica poscatur, hi Paulinumf Uli Alcimum non requirunt; vgl. noch epist.
%1 (p. 39M.); epist 5, 10 (p. 115 M.). Die Identifizierung des Rhetor und des Dichters
Wird oegflnstigt durch die Worte des Ausonius (Profess. Burdig. 3, 7 p. 57 Seh.): palmae
forensis et camenarum decus, die deutlich die oratorische und poetische Thfttigkeit des Al-
cimus bezeichnen. Dem Rhetor werden auch die in einem Bibliothekskatalog s. IX (vgl.
G. Becker, Catalogi bibliothecarum antiqui, Bonn 1883, p. 42) erwähnten Produkte, die
als libri Alchimi angeführt werden, angehören. Es sind: In adulescentem qui in publice
patre cadente risit et languenti puellae amatorium dedit (nach M. Haupt ein Gedicht oder
eine Declamatio) und die controversia Fullonis vel Galvi. — H. Meyer zur Anthol. lat. 254;
Biese, Zeitschr. fOr österr. Gymn. 18 (1867) p. 439; M. Haupt, Opusc. 3 p. 427; Jttlicher,
PiMiIy-Wissowas Realencycl. 1 Sp. 1544.
5. Sulpicius Lnpercus Servasius iunior (Servasius Riese statt des überlieferten
9€rha8tus\ Scriverius: Sebastus). Im Vossianus 111 s. IX sind zwei Gedichte von demselben
fiberliefert, das eine in drei sapphischen Strophen über die Vergänglichkeit alles Irdischen,
ein grosseres in Distichen de cupiditate über die Habsucht. Die Produkte haben keinen
dichterischen Wert. — Anthol. lat. ed. Riese No. 648 und 649 und Baehrens, Poet. lat.
moML 4 p. 107.
6. Paulus Qnaestor. Aldhelmus p. 239 Giles Paulus Quaestor in gratiarum actione
mU; es folgt ein Hexameter. Ohne Angabe des Gedichtes citiert Aldhelm p. 231 und p. 238
Paulos Quaestor, indem er an jeder Stelle wieder einen Hexameter beibringt. — Baehrens,
poet. rom. p. 407.
b) Die Prosa.
«) Die Historiker.
1. Julius Valerius.
792. Der Alezanderroman. Schon bald nach seinem Tode trat
Alexander in das Reich der Sage ein. Sein phantastisches Unternehmen
reizte die Phantasie der Erzähler, und die Nachrichten von den fernen
Ländern, die hier zum erstenmal den Griechen bekannt wurden, fanden
unwillkürlich ihren Weg ins Wunderbare; selbst romanhafte Züge mischten
sich in die Erzählungen von den Thaten des Königs. Etwa im dritten
Jahrhundert kam ein uns unbekannter Mann auf den Gedanken, aus Ge-
44 Julins YalerioB. (§ 792.)
schichts- und Wunderbüchern, Briefen u. ä. einen ganzen Alexanderroman
zusammenzudichten. Sein Wissen war sehr dürftig, wie merkwürdige chro-
nologische Verschiebungen und geographische Irrtümer leicht darthun;
lokale Töne weisen auf das Land Aegypten hin. In späterer Fassung ist uns
dieser Roman in griechischer Ursprache erhalten; als Verfasser erscheint
hier manchmal Callisthenes, natürlich eine Fiktion. Auch Aristoteles und
Aesop werden mit dem griechischen Roman in Verbindung gebracht. Dem
sonderbaren Machwerk wurde ein Lauf durch die ganze Welt beschieden;
im Morgen- und Abendlande finden wir in unzähligen Verästelungen unsem
Roman. Von den orientalischen Produkten nennen wir eine armenische^)
und eine syrische*) Uebersetzung, welche den Pseudo-Callisthenes in die
weitesten Kreise brachten, von den occidentalischen die lateinischen eines
Julius Valerius und die des Archipresbyter Leo, von denen die letztere,
aus dem zehnten Jahrhundert stammende, die verbreitetste war. Ein Aufent-
halt in Constantinopel, wohin Leo durch eine diplomatische Sendung geführt
wurde, gab ihm Gelegenheit, sich mit Pseudo-Callisthenes zu beschäftigen;
er schrieb sich denselben ab. Nach seiner Rückkehr veranlasste ihn der
Herzog von Kampanien, der sich eine Bibliothek anlegen wollte, den
griechischen Roman ins Lateinische zu übersetzen. Die Bearbeitung Leos
ist nicht bloss für die Ueberlieferungsgeschichte des griechischen Textes
von Bedeutung, sondern noch mehr für die Verbreitung der Alexander-
sage im Mittelalter, da sich auf sie eine ganze Reihe solcher Produkte
stützt. Neben dieser Uebersetzung lief noch eine Epitome um, welche
aber wegen ihrer Dürftigkeit gegenüber der Arbeit Leos etwas in den
Hintergrund gedrängt wurde. Dieser Epitome lag die Uebersetzung eines
Julius Valerius oder mit vollem Namen Julius Valerius Alexander Polemius
zu Grunde. Dieser Autor wird gegen Ende des dritten und Anfang des
vierten Jahrhunderts gelebt haben, vielleicht war er mit dem Konsul des
Jahres 338 Polemius identisch. Sein Werk, das in drei Büchern Geburt,
Thaten und Hinscheiden Alexanders behandelt und auch eingestreute
Verse enthält, hat für uns einen doppelten Nutzen ; dasselbe dient zur Re-
konstruktion der älteren Fassung des Pseudo-Callisthenes, statt dessen aber
der Uebersetzer den Aesop als Verfasser nennt, dann liefert es aber auch
einen wichtigen Beitrag zur Sprachgeschichte , da das hier gebrauchte La-
tein gegenüber dem Normallatein bereits erhebliche Differenzen aufweist
Pseudo-Callisthenes. J. Zacher, Pseudo-Callisthenes, Halle 1867; P. Meyer,
Alexandre le Grand dans la litt^rature fran^aise du moyen-ftge, Paris 1886; A. Ausfeld,
Zur Kritik des griechischen Alexanderromans, Bruchsaler Progr. 1894; W. Kroll, Der
griech. Alexander- Roman (Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nr. 38 (15. Februar 1901) p. 8);
F. Kampers, Alexander der Grosse und die Idee des Weltimperiums in Propheiie und
Sage (Stud. und Darstellungen aus dem Gebiete der Gesch. von H. Grauert 1. Bd., 2. nnd
3. Heft (Freib. i. Br. 1901) p. 55). Der griechische Text wurde herausgegeben von C. MQller
hinter der Arrianausg. von Dttbner, Paris 1846; dass diese Ausg. den jetzigen HedOrfiaiasen
nicht gentigt, zeigt W. Kroll, Zum griech. Alexanderroman (Hermes 30 (1895) p. 462), von
dem eine neue Ausg. zu erwarten steht.
Zeugnisse über Julius Valerius. [Sergii] explanat. in Donatum lib. II (Gramm.
*) R. Raabe, 'Jarogla 'jXe^dydgov^ die ' Leipz. 1896.
armenische Uebersetzung der sagenhaften ^) W. B u d g e , History of Alexander the
Alexanderbiographie(i'seudo-Callisthene8)auf Great. Being theSyriac Version of the Pseudo-
ihre mutmasslicne Grundlage zurückgeführt, | Callisthenes, Cambridge 1889.
Julias Yalerins. (§ 792.) 45
L 4 p. 557, 24) in histaria Älexandri Magni legitur „iubet omne facessere famulüium*' ,
est procul discedere, „ut arcanum sermanem tuto committeret." Diese Stelle bezieht sich
if p. 3, 18 K.
Die Persönlichkeit des Julias Valerins. Im Tariner Palimpsest heisst es am
^aas des ersten Buches: Juli Valeri Älexandri v, c. Polemi Älexandri Macedonis oriua
her primus explicit; im Ambrosianus und Parisinus lautet die Subscriptio: Julii Valerii
lexandri Macedonis Translatae {translata: Paris.) ex Aesopo Graeco Liber primus etc.
US den Subscriptionen des Turiner Palimpsestes und des Ambrosianus zum zweiten Buch
:ellt sich keine wesentliche Verschiedenheit heraus, nur dass im Turiner Palimpsest auch auf
ie üebersetzung aus dem Griechischen hingewiesen ist. Aus dem Turiner Palimpsest ergibt
ch, dass der Verfasser Julius Valerius Alexander Polemius hiess. Es ist eine be-
:e€hende Vermutung Orions (I nobili fatti di Alessandro Magno, Bologna 1872, p.XXVIj, dass
alias Valerius Alexander Polemius mit dem Konsul des Janres 338 Polemius identisch war.
Die Zeit des Julius Valerius. Würde die Identifizierung des Julius Valerius
lit dem Konsul des Jahres 838 Polemius sicher sein, so wäre auch die Zeit des Autors
egeben. Allein da diese Identifizierung nicht sicher erwiesen werden kann, müssen wir
ach unabhängig davon die Zeit des Autors zu fixieren suchen. Ein Terminus ante quem
rgibt sich daraus, dass das Itinerarium Älexandri, welches an den Kaiser Constantius (887
-361) gerichtet ist, bereits die Alexandergeschichte des Julius Valerius kennt; vgl. Zacher,
seudo-Callisthenes p. 55. Den Terminus post quem gibt zunächst die Stelle an die Hand
l, 26 p. 36, 11 K.), wo von der Ausdehnung Roms gesprochen wird und dann die Worte
inamgefügt werden: nondum adiectis his partibus, quae multum congeminasse maiestatis
US magnificentiam visuntur; diese Worte beziehen sich auf die Erweiterung der Stadt
nter Aorelian (270—275); vgl. Boysen p. 412. Auf die aurelianische Zeit führen auch
ie Titulaturen; so wenn 2, 33 p. 104, 19 Alexander mit victoriosissime angeredet wird und
arius sich als dominus et deus bezeichnet; vgl. Landgraf p. 429 und Schoener, Ueber
Ie Titulaturen der röm. Kaiser (Acta seminarii philol. Erlangensis 2 (1881) p. 449). Weniger
eher ist der Schluss, der aus Nichtaufführung Constantinopels unter den grossen Städten
1 der erwähnten Stelle 1, 26 gezogen wird; man meinte nämlich, dass, als Valerius schrieb,
e Residenz noch nicht nach Constantinopel veriegt war (380), aber auch in der griechi-
;hen Vorlage ist Constantinopel nicht erwähnt; vgl. Boysen 1. c.
Ueber die Zierlichkeit anstrebende Sprache handelt Landgraf, Zeitschr. für
iierr. Gymn. 33 (1882) p. 430 (vgl. auch Philol. Rundschau 1881, p. 126) und Kühlers Index
srbonun et locutionum, p. 239. Wir finden neue Wortbildungen, Verstösse gegen die Formen-
ihre, eigentümliche syntaktische Wendungen und merkwürdige Erscheinungen in der Phraseo-
>gie. Ueber Partikeln vgl. Kluge, De Itinerario Älexandri Magni, Breslau 1861, p. 86 und
5; über Phraseologie p. 51. Emige Beispiele: p. 67, 81 K. commilitium = militia; 8, 19
tmtäitium = famuli; 9, 20 lubentia; 84, 2S poculum = potio; 98, 2 recursare — in mentem
fnire; 11, 8 mi muHer; 19, 4 mi parentes; 75, 19 iubere mit Dativ; 144, 23 quam blandius =
landissime; 123, 5 quanti — quot; 109, 5 virtutum et sapientiae merito (= wegen); 84, 18
\si dcUur; 33, 29 datur visere. Dass die Latinität des Julius Valerius auf Afrika hinweise,
ie Landgraf ani^immt, kann nicht erhärtet werden.
Die Ueberlieferung des Julius Valerius beruht hauptsächlich auf drei Hand-
Driften, dem Turiner Palimpsest s. VII (von dem ein Facsimile sich findet in Zange-
leister-Wattenbachs Exempla codicum lat. tab. 25), dem Ambrosianus P.49 sup. s. IX/X
nd dem Parisinus 4880 s. XIII. Da von der ersten Handschrift nur Fragmente erhalten
nd, sind wir im wesentlichen auf die zwei letzten angewiesen. Ueber die Handschriften
gl. J. Zacher, Pseudo-Callisthenes, Halle 1867, p. 33; B. Kuebler, Praef. zu seiner
osg. p. IX, femer denselben Hermes 22 (1887) p. 627 (Ambrosianus); Rivista di filol. 16
.888) p. 368 (über den Turiner Palimpsest).
Ausg. des Julius Valerius von A. Mai, Mailand 1817 (Frankfurt a/M. 1818,
^hlechter Nachdruck). Die zweite Ausg. von Mai in den Class. auct. tom. 7 (Rom 1885)
. 61. Auch C. Müller edierte den Julius Valerius in Dübners Arrianausg., Paris 1846
ihne kritischen Apparat). Massgebende Ausg. von B. Kuebler, Leipz. 1888.
Auszüge. Wir haben deren zwei, erstens einen vollständigeren in der Oxforder
Handschrift des Coli. Corp. Christi 82 s. XII, über welchen zu vergleichen D. Volkmann,
oL Val. adnotat. crit. (Festschr. für Karl Peter) und von dem W. Foerster eine Collation
ßsitzt, und einen in einer durch viele Handschriften verbreiteten Epitome, welche Zacher,
Alle 1867 herausgegeben hat. Unter dem Titel laus Alexandriae ist aus dem Parisinus
319 s. XI ein Fragment von Riese (Geographi lat. min. p. 140) und anderen herausgegeben
orden. Dieses Fragment entstammt aber, wie K. Boysen (Philol. 42 (1884) p. 411) zeigt,
18 Julius Valerius.
Die Üebersetzung des Archipresbyter Leo. Ueber die Entstehung der Ueber-
^tzong gibt der Prolog (p. 27 Landgraf) Aufschluss. Der allgemein übliche Titel der Ueber-
46 Julias YalerioB. (§ 793.)
Setzung ist Historia de preliis; derselbe erscheint aber erst in den Ausg. Im Monacensis
lautet die üeberschrift: Vita Alexandri Magni interprete Leone Arehipresbf^tero Neapolitano.
Herausgegeben wurde diese üebersetzung von Landgraf, Die Vita Alexandri Magni des
Archipresbyter Leo (Historia de preliis) nach der Bamberger und ältesten Mttnchener Hand-
schrift, Erlangen 1885 (der 1. Teil als Progr. des Gymnasiums Schweinfurt 1884/85). Die
beiden Handschriften sind Bambergensis £. lU, 14 s. XI und Monacensis 23489 s. XII/XIIL
793. Die Metzer Alezander-Epitome. In einer Metzer Handschrift
des zehnten J[ahrhunderts, und wie es scheint in dieser ganz allein, ist
uns die Epitome einer Alexandergeschichte erhalten. Dieselbe ist aber
am Anfang verstümmelt, denn die Erzählung beginnt mit den Ereignissen
nach dem Tode des Darius und führt sie fort bis zu dem Stadium des
indischen Feldzugs, in welchem Alexander auf seiner Indusfahrt nach
Patala gelangt; es folgt dann eine Lücke. Nach derselben bringt die
Erzählung das Komplott zur Vergiftung Alexanders, den Tod desselben und
sein Testament. Diese beiden Teile zeigen in Bezug auf den historischen
Charakter eine Verschiedenheit. Im ersten Teil folgt der Auszug dem Be-
richte, der sich auch bei Curtius, Diodor, Justin und Plutarch findet, und
zwar schliesst er sich von den vier genannten Autoren enger an Curtius
und Diodor an; in dorn zweiten Teil ist der Tod Alexanders ganz so ge-
schildert, wie es in der ältesten Fassung des dem Pseudo-Callisthenes
zugeschriebenen Alexanderromans der Fall ist. Die vorliegende Schrift ist
wohl aus dem Griechischen übersetzt und wird der Zeit des vierten oder
fünften Jahrhunderts angehören. Daraufhin weisen sprachliche Eigentüm-
lichkeiten ; der Stil des Verfassers hat einen archaistischen Beigeschmack.
Zur Charakteristik des vollständigen Werkes bemerkt Wagner (Proleg.
p. 95): „exstitisse videtur antiquitus liber quidam, qui inscribebatnr ,de rebus gestis Ale-
xandri Magni "y cuius auctor quis fuerit quave aetate flonierit, nescimus. apparet aatem
hunc scriptorem iisdem fere auctoribas in enarranda Alexandri Magni historia usom esse,
ex quibus fluxerunt, quae a Curtio Diodoro Jnstino Plutarcho tradita sunt, eomqne artiiu
cum relationibus Gurtii et Diodori quam cum Justini et Plutarchi cohaesisse, quibnsdani
tamen locis plura quam Curtium et ceteros praebuisse, aliis qnamvis paucis cum ArriaiM
consensisse, in exitu denique vitae Alexandri exponendo proxime ad eas fabolas accessisse,
quas de ea re scriptores quidem deteriores Graecorum commenti sunt, quamm fabulanm
ii scriptores, qui ad nostram aetatem pervenerunt» nisi paucissimis locis mentionem non
fecerunt earumque vestigia ampliora adhuc tantum exstabant in libfo illo, quo hlstorii
Alexandri in fabulae duicedinem a quodam scriptore, qui vulgo, ne prorsns nomine carest,
^Pseudo-Callisthenes'* vocatur, composita est, cuius libri complnres recensiones aetatem
tulerunt/ Haltlose Vermutungen über den Verfasser des vollständigen AlexanderbndiB
werden aufgestellt von G. Landgraf, Berl. philol. Wochenschr. 1901 Sp. 413.
üeber das Verhältnis des Pseudo-Callisthenes und der Metzer Epitome
vgl. W. Kroll, Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nr. 88 (15. Februar 1901) p. 4; Berl. pliikL
Wochenschi*. 1901, Sp. 494. Nach Kroll ist es nicht zweifelhaft, dass Pseudo-CallisuifiDeB
das griechische Original unserer Epitome abgeschrieben hat; vgl. dagegen Ansfeld, BheiD.
Mus. 56 (1901) p. 518. Urheber der Vergiftungsgeschichte war wohl Onesikritus; § 97 p. 112
iam non alienum videtur qui fuerint demonstrare, quorum Onesicritus fugiena simuUatem
mentionem facere noluit.
Ueber die Sprache der Epitome vgl. G. Landgraf, Berl. philol. Wochenschr.
1901 Sp. 252.
Ueberlieferung. Die Epitome ist nur in dem Metzer Miscellan-Godez 500 s. X
erhalten. Alle Nachforschungen nach einer zweiten Handschrift waren vergeblich; vgl
Wagner p. 167. Der Traktat beginnt mit den Worten: incipit Alexandri M<tgni Mate-
donis epitomae rerum gestarum liber I, das aber Reitzenstein richtig in liber II verbeBsert
hat. Wagner (p. 118) hält nicht fOr unmöglich, dass mit § 87 ein drittes Buch beginnt
Ausg. Zuerst erschien die Epitome, herausgegeben von Volkmann, in einer Fest-
schrift von Schulpforta für H. Bonitz. Diese Festschrift kam aber nicht in den Handel;
dann wurde die Epitome mit Prolegomena und Commentar herausgegeben von 0. Wagner,
Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 26 (1900) p. 97.
Die ScriptoroB bistoriae AngnsUe. (§ 794.) 47
2. Die Soriptores historiae Augustae.
19i. Die Historia Angusta. Sueton hatte die Kaiser in Biographien
bis Domitian behandelt; er wurde fortgesetzt von Marias Maximus, der
die Kaiser von Nerva bis Elagabal zur Darstellung brachte (§ 546). Das
Buch Suetons ist uns erhalten, das des Marius Maximus verloren gegangen.
Ausser diesen beiden Werken kennt die römische Litteraturgeschichte noch
ein drittes, welches man gewöhnlich Historia Augusta^) nennt. Dasselbe
umfasst die Periode von Hadrian bis Carus und seine Söhne, also die Zeit
von 117 — 284. Aber nicht bloss die Kaiser haben ihre Biographien er-
halten, sondern auch die Gaesaren und die Usurpatoren; selbstverständlich
sind die Biographien der zweiten Klasse als sekundäre,^) die der ersten
als primäre anzusehen. Die Sammlung ist in der Mitte durch den Aus-
fall einer Blätterlage verstümmelt; damit ist die Epoche 244 — 253 uns
entzogen. Vielleicht sind auch am Anfang die Biographien Nervas und
Traians mit dem ursprünglichen Titel untergegangen, da es nicht unwahr-
scheinlich ist, dass auch die Historia Augusta an Sueton anknüpfte.^)
Die Biographien folgen sich in chronologischer Ordnung, nur in dem
Teil, welcher durch die Biographien von Verus und Alexander Severus ein-
geschlossen ist, macht sich eine Störung bemerkbar. Das Charakteri-
stische dieser Sammlung ist, dass sie aus dem Werke von sechs Autoren
zusammengestellt wurde. Diese sechs Autoren sind Aelius Spartianus,
Yulcacius Gallicanus, Aelius Lampridius, Julius Capitolinus, Trebellius
Pollio und Flavius Vopiscus. Von diesen Autoren sind aber nur die Werke
der zwei letzten vollständig in die Sammlung aufgenommen worden, bei
den anderen vier Autoren wurde eine Auswahl getroffen. Trebellius Pollio
und Flavius Vopiscus stellen sich uns schon durch ihre rhetorische Sprache
deutlich als Individualitäten dar. Weniger ausgeprägt sind charakteri-
stische Eigenschaften der vier übrigen Historiker; Sprache und Kom-
position bewegen sich ziemlich in demselben Geleise, und die Scheidung
derselben ist daher bei der nicht ganz zuverlässigen Ueberlieferung stets
ein Problem der höheren Kritik gewesen, das bald im radikalen, bald in
konservativem Geiste gelöst wurde. Die Biographien lassen sich in zwei
Hälften zerlegen, in solche, welche Privatpersonen gewidmet sind, und in
solche, welche eine Dedikation an einen Kaiser enthalten.*) In die erste
Gruppe gehören die vitae des Pollio und Vopiscus, in die zweite die der
übrigen vier Autoren. Allein auch diese Gruppe zerfallt, je nachdem eine
Biographie dem Kaiser Diokletian oder Constantin gewidmet ist, in eine
diokletianische und in eine constantinische Reihe. Die vitae dieser
Gruppen, die keine Dedikation enthalten, lassen sich vermutungsweise in
eine der beiden Reihen einordnen.
Entstanden sind alle Biographien in einem Zeitraum von 40 Jahren,
der durch die Regierungen Diokletians und Constantins begrenzt wird;
*) Der Titel ist genommen aus Vopiscus | schlechter als die primären; vgl. H.Peter,
Tacitus 10, 3 (II p. 192 Peter) CJorneKwm Toüi- ' Die Script, p. lU.
tum, scriptorem historiae Augustae. üeber ') Peter, Die Scriptores p. 143.
ihre Entstehung in Rom vgl. Peter, Die *) Ueber andere Unterschiede der beiden
Scriptores p. 2 1 . Hälften vgl. K 1 e b s , Rhein. Mus. 47 ( 1 892) p. 30.
*) Diese sekundären Biographien sind viel
48
Die Soriptores historiae Angnstae. (§ 794.)
^) Da Byzantium in der Hist. Aag. vor-
kommt (vgl. den Index bei Peter, Ausg.
p. 270), nirgends aber Constantinopolis, wird
auch die Bedaktion nicht nach 330 erfolgt
sein, da die Grundsteinlegung Constantinopels
in das Jahr 326 und die Einweihung in das
Jahr 830 fällt; denn der neue Name würde
wohl substituiert worden sein; vgl. Peter,
Die Scriptores p. 40 und p. 145. Zum ersten-
mal werden die Script, hist. Aug. von Sym-
machus (cos. 485) benutzt; vgl. Seeck,
Fleckeis. Jahrb. 141 (1890) p. 632.
'^) H. Peter (Die Script, p. 146) nennt
Capitolinus als Schlussredakteur. Er fasst
(p. 79) seine Ansicht dahin zusammen, „dass
Capitolinus, dessen Schriftstellerei sich auf
die Zeit des Diocletian und Constantin ver-
teilt, in seiner zweiten Periode das Onpoi
zusammengefasst und zu dem Zweck sowolil
einige Biographien, welche sich von d«
früheren durch ihren Schwulst unterscheidea,
neu geschrieben, als auch die Werke anderer
mit Zusätzen versehen hat.* Vgl. aach dl 8L
Eine teilweise Epitomiemng der Viten kam
mit Linsen barth (Der röm. Eaieerbiogr^
Fl. Vopiscus, Kreuznach 1876, p. 7 n. p. 18)
und Rühl, Die Zeit des Vopiacos (Bbcn.
Mus. 43 (1888) p. 589) nicht angenomoMi
werden. Bezüglich des Vopiscus vgjL die
Vermutung Wölfflins unter der Rabrik
„Die Hypothese Dessaus* (p. 55).
») Vgl. H. Peter, Die i^cript p. 144 xad
Wölfflin p. 477.
die Sammlung dagegen wurde nicht nach 330 veranstaltet.^) Wer der
Sammler war, lässt sich nicht ermitteln.^) Eine wichtige Frage ist, in-
wieweit derselbe in das von ihm gesammelte Material eingegriffen und ob
er nicht selbst Biographien zur Vervollständigung des Ganzen eingeschaltet |
hat. Auch diese Frage lässt sich nur durch Kombination und Hypothesen |
beantworten. *)
Litteratur zur Hist. Aug. D od well, Praelectiones Gamdenianae, Oxford 169^
p. 32; Dirksen, Die Script, hist Aug. Andeutungen zur Texteskritik und Auslegmig der-
selben, Leipz. 1842; 6. Bernhardy, Prooemii de Script, hist. Aug. I. (Ind. lect. Halle 1846);
Fr. Richter, lieber die Script. VI hist. Aug. (Rhein. Mus. 7 (1850) p. 16); H. Peter, Hi-
storia critica Script, hist. Aug., Leipz. 1860; Plew, De diversitate anctomm hist An^
Königsberg 1869; Brooks, De quattuor prioribus hist. Aug. Script, Königsberg 1869;
Studien zu den Script hist. Aug., Marien werder 1877; Wissensch. Monatsbl&tter 5 (1877)
p. 119 und 6 (1878) p. 60; H. Peter, Die Script hist Aug., Leipz. 1892; GeschiehtL Litt
der Eaiserz., Leipz. 1897; vgl. auch dessen Jahresber. in Philol. 48 (1884) p. 137 md
Bursians Jahresber. 76. Bd. 2. Abt (1894) p. 119; De Sanctis, Gli scnpt. hist. Aug. (Bi-
vista dl storia antica 1 (1896) p. 90); Drake, Studios in the Script, hist Aug. (America
Journal of philology 20 (1899) p. 40; Trope a, Studi sugli Script hist Aug., Meflaina 1899,
3 Hefte, abgedr. aus der Rivista di storia antica. I. Sulla personalita degli Script, hial Aa^
II. 1. Antonini nomen. 2. La data della composizione dell' ultima biografia negli scripL
hist Aug. Dati cronologici intomo alla yita ed alle biografie di Vopisco, Pollione e Liii-
pridio. 3. Per la data del passagio del nome di Scribae pontificum in Pontifices Minoni.
4. Sulla interpretazione di un passo di Sparziano in Vita Severi 6, 9. 5. A propoeito £
un passo di Capitolino in Vita Clod. Alb. 12, 4 — 15. III. Mario Massimo vita e frammenti;
vgl. Peter, Berl. philol. Wochenschr. 1900 Sp. 685. Dazu kam im Jahre 1900 ein 4. mid
1901 ein 5. Heft; vgl. Peter, Beri. philol. Wochenschr. 1902 Sp. 488; J. M. Heer, Der
histor. Wert der Vita Commodi in der Sammlung der Script, hist. Aug. (Philol. Supplementbi
9 (1901) p. 1); Jaenicke, De Aelio Spartiano (De vitae Hadrianeae scriptoribna, HiDi
1875, p. 11); J. Dürr, I. (juellenanalyse von Spart, vit Hadi. cap. 5—14; 11. üeber dei
Brief Hadrians bei Vopiscus vit. Saturn, c. 8 (Die Reisen des Kaisers Hadrian, Wien 1881,
p. 73 und p. 88); Zeitler, Zu Spartianus' vita Hadriani, Eichstfttt 1875; Plew, QneUn-
unters. zur Gesch. des Kaisers Hadrian, Strassb. 1889; 0. Linsenbarth, Der römisdie
Kaiserbiograph Flavius Vopiscus, Kreuznach 1876; A. Gemoll, Die Script, hist Aug.,
I. Striegau 1886; Klebs, Die Vita des Avidius Cassius (Rhein. Mus. 43 (1888) p. 321).
Der Umfang des Corpus wird durch den vielleicht nicht ursprünglichen (Momm-
sen, Hermes 13 (1878) p. 301 will; vitae Caesarum) Titel vitae diveraarum prineipum ä
ti/rannorum a diro Hadriano usque ad Numerianum a diversis conpositae bestimmt Durdt
einen Blätterausfall sind Philipp (244—249), Decius (249-251), Gallus (251—253), Aemilianv
(253) und der Anfang des Valerianus (253—260) verloren gegangen. Der Schloss der Yt-
leriani und der Anfang der Gallieni lassen nur einzelne Worte und Buchstaben erkenBca
Die Reihenfolge der Biographien ist die chronologische; nur die Biographiei,
die zwischen Verus und Alexander Severus stehen, zeigen eine gestörte Reihenfolge. Sie
stehen in folgender Reihe : Didius Julianus, Commodus, Pertinaz, Avidius Cassius, Se^timiai
Severus, Pescennius Niger, Caracallus, Geta, Heliogabalus, Diadumenus, Macrinua, Ulodin
Die Soriptores historiae Angastae. (§ 794.) 49
Albinua, Alexander Severoa. Durch Verschiebung einzelner Lagen wird diese Störung er-
klart von Fr. Richter, Ueber die Script. VI bist. Aug. (Rhein. Mus. 7 (1850) p. 28). H. Peter
(Hiatoria critica Script bist. Aug., Leipz. 1860, p. 15) nimmt nur eine Störung der Reihen-
folge der vitae des AvidiUs Gassiua und des Didius Julianus an, welche ihre Plätze zu
tauschen hfttten. Ausserdem statuiert er, dass die vitae des Garacallus, Geta, Heliogabalus,
Diadomenns, Opilius Macrinus als Antonine zu einem Gorpus zusammengefasst gewesen
seien, welches der Redaktor als Ganzes herfibemahm; vgl. Peter, Ausg. p. XIII; Die script.
hist Aug., Leipz. 1892, p. 149.
üeber die Persönlichkeit des Vulcacius Gallicanus vgl. Hudemann, Philol.
7 (1852) p. 587. Derselbe wird in der einzigen von ihm mitgeteilten Biogiaphie vir claris-
simns genannt. Er ist vielleicht verwandt oder identisch mit dem Konsul Gallicanus des
Jahres 317; vgl. Gordiani tres 22, 8 (II p. 46 Peter).
üeber die Persönlichkeit des Trebellius Pollio vgl. Wölfflin, Mün-
ebener Sitznngsber. 1891 p. 480. Er scheint Heide gewesen zu sein; denn er glaubt an
Orakel; vgl. Glaudius 10 (II p. 140 P). Sein Grossvater war ein Bekannter des Tetricus iunior ;
vgL triginta tyranni 25, 3 (H p. 122). Die Persönlichkeiten, denen die Gallieni duo, die
30 Tyrannen und der Glaudius gewidmet waren, lassen sich durch einen Blattausfall nicht
mehr feststellen; ebenso können die vobis in Valeriani duo 7 (II p. 77) und 8, 5 (II p. 78)
aus dem gleichen Grunde nicht ermittelt werden. Rhetorische Kunst lehnt er ab; vgl.
triginta tyranni 33, 8 (II p. 132) libellum non tarn diserte quam fideliter scriptum, neque
ego eloquentiam mihi videor pollicittis esse, fted rem. Allein diese Ablehnung ist nur eine
Phrase. Der Historiker besitzt rhetorische Bildung und citiert viermal Gicero (Gallieni 20, 1
(H p. 96); trig. tyranni 8, 2 (H p. 104); 22, 11 (p. 120); Glaudius 2, 5 (II p. 184)). Vopiscus
Aurel. 2, 1 (U p. 149) adserente Tiberiano {praefecto urbis), quod Pollio multa incuriose,
muUa brevUer prodidisaet, üeber zweifelhafte Gitate vgl. Wölfflin p. 485. Seinen Wahr-
heitssinn hebt er hervor Glaudius 11, 5 (H p. 141) vera dici fidea cogit .... quod historia
diei postulat, non tacere.
Ueber die Persönlichkeit des Flavius Vopiscus vgl. Wölfflin p. 492. Er
wird in der üeberlieferung S3rracusius genannt. Er war Heide (Aurel. 21, 4 (II p. 163));
vgl. H. Peter, Die Scriptores p. 22. Auf seinen Grossvater beruft er sich Saturn. 9, 4
(U p. 226); 15, 4 (p. 230); Garinus 13, 3 (II p. 240). Ueber die Aufforderung des Junius
Tiberianus, das Leben Aurelians zu schreiben, vgl. Aurel. 1, 1 (II p. 148). üeber seine an-
gebliche Benutzung der bibliotheca Ulpia vgl. Aurel. 1, 7 (II p. 149); Probus 2, 1 (II p. 201).
In der vita Probi ist ein Gelsinus (1, 3 (II p. 200)), im Firmus (2, 1 (II p. 221)) ein Bassus
angeredet Aus Probus 1, 5 (II p. 201) 8i vita suppetet kann gefolgert werden, dass er als
älterer Mann schrieb, üeber eine Kritik der Zeitgenossen vgl. Garinus 18, 5 (II p. 243).
Von der Bedeutung des Senats ist er am meisten erfüllt; vgl. Klebs, Rhein. Mus. 47
(1892) p. 6. üeber seine Vorbilder vgl. Probus 2, 7 (II p. 202) et mihi quidem id animi
fuit, ui non SaUi4Stio8, lAvios, Tacitos, Trogos atque omnes disertissimos imitarer viros
in vita principum et temporibus disserendis, sed Marium Maximum ^ Suetonium Tran-
quiüutn, Fdbium Mareellinum, Gargilium Martialem [Julium Capitolinum, Aelium Lampri-
diurn] eeterosque, qui haec et talia non tam diserte quam vere memoriae tradiderunt. Er
lehnt Beredsamkeit ab; vgl. Probus 1, 6 (II p. 201) neque ego nunc facultatem eloquentiamque
poUieeor sed res gestas, quas perire non potior, üeber seine fides spricht er Aurel. 12, 4
(H p. 157); 17, 1 (p. 160); 20, 4 (p. 163); 35, 1 (p. 173); Bonosus 15, 9 (II p. 231). üeber
das Gmndmotiv seiner Schriftstellerei, die curiositas, vgl. Garinus 21, 2 (II p. 245) habe,
mi atniei, meum munus, quod ego, ut saepe dixi, non eloquentiae causa sed curiositatis in
lumen edidi. üeber seine verdächtigen Gitate vgl. Wölfflin p. 495. — Linsenbarth
p. 4; BQhl, Rhein. Mus. 43 (1888) p. 597; Richter, Rhein. Mus. 7 (1850) p. 17.
Die Verteilung der vitae unter die sechs Autoren. Zweifellos ist der Anteil
des Trebellius Pollio und des Vopiscus; der erste behandelt die Biographien von den Phi-
lipp! bis Glaudius, diese Partie ist aber am Anfang verstümmelt; der zweite behandelt die
von Aurelian bis auf Garns. Von den übrigen vier Historikern wird dem Vulcacius Galli-
canns die vita des Avidius Gassius (I p. 84) in der üeberlieferung zugeteilt. Ein stri'^tiges
Problem ist aber die Verteilung der vitae unter die drei übrigen scriptores. In den Hand-
schriften tragen den Namen des Aelius Spartianus die vita des Hadrian (1 p. 3), des Helius
oder Aelius (I p. 29), des Didius Julianus (I p. 127), des Severus (I p. 135), des Pescennius
Niger (I p. 156), des Garacallus (I p. 181), des Geta (I p. 191); vgl. jedoch gegen diese
Zuteilung Peter, Die Scriptores p. 25 Anm. 1. Auf Aelius Lampridius fallen die vitae des
Commodus (I p. 97), des Diadumenus Antoninus (I p. 211), des Heliogabalus (I p. 220), des
Alexander Severus (I p. 247). Den Namen des Julius Gapitolinus tragen die vitae des
Antoninns Pins (I p. 36), des Marcus Antoninus (1 p. 47), des Verus (I p. 74), des Helvius
Pertinax (I p. 114), des Glodius Albinus (I p. 167), des Opilius Macrinus (I p. 198), der
Maximini (II p. 3), der Gordiani (U p. 30), des Maximus und Balbinus (II p. 57). Ueber
Haodbacb der klaaa. AUertumswiascnschafl. VIII. 4. \.
50 I>i« Soriptores bistoriae AagosUe. (§ 794.)
die Bedenken gegen diese Verteilung vgl. Mommsen, Hermes 25 (1890) p. 248 und Klebe,
Rhein. Mos. 45 (1890) p. 446. Zuletzt hat diese Frage Tropea in seinen Stadi sngli Script
hist. Aug., Messina 1899 f., behandelt; diese Schrift kenne ich aber nur ans AnfÜhnmgen.
Die diokletianische Reihe der Biographien. Dem Diokletian siiid gewidmet
die vita Avidius Gassius des Vulcacius Gallicanus; vgl. 3, 8 (I p. 86) praposui enim, Dio-
cletiane Auguste; die dem Capitolinns zugeteilten vitae Marcus; vgl. 19, 12 (I p. 65) %a tfobif
ipsis, aacratisaime imperaior Diocletiane, et semper visum est et videtur; Veras; vgl. 11, 4
(I p. 83) praeter vestram clententiam, Diocletiane Auguste; Opilius Macrinns; vgL 15, 4 (1
p. 210) serenitati tuae, Diocletiane Auguste; die dem Spaitian zugeteilten vitae Aelins mit
der einleitenden Formel (I p. 29) Diocletiano Augusto Aelius Spartianus suus sal.; Severus;
vgl. 20, 4 (I p. 151) et reputanti mihi, Diocletiane Auguste; Pescennins Niger; vgl. 9, 1
(I p. 163) haec sunt, Diocletiane maxime Augustorum,
Die constantinische Reihe der Biographien. Dem Constantin sind gewidmet
die dem Spartianus zugeteilte vita Geta; vgl. 1, 1 (1 p. 191) scio, Constantine Auguste. Die
dem Lampridius zugeteilten vitae Heliogabalus; vgl. 2, 4 (I p. 221) quod tu, Constantine
sacratissime, ita veneraris; Alexander Severus; vgl. 65, 1 (1 p. 296) soles quaerere, Con^
stantine maxime; die dem Gapitolinus zugeschriebenen vitae Glodius; vgl. 4, 2 (I p. 169) quae
familia hodie quoque, Constantine maxime, nobilissima est; Maximini; vgl. 1, 1 (II p. 8)
clementiae tuae, Constantine maxime; Gordiani; vgl. 34, 6 (II p. 56) quae omniä, Constantine
maxime, und die mit den beiden vorausgehenden Nummern eng zusammenhängende vita
Maximus et Balbinus.
Die Biographien ohne Anreden sind: 1. Hadrian, 2. Pins, 8. Gommodns, 4. Per-
tinax, 5. Julianus, 6. Caracallus, 7. Diadumenus, 8. Maximus und Balbinus. Die letztere
vita ist mit anderen Viten, welche dem Gonstantin gewidmet sind, so eng verbanden, dass
wir auch diese in die constantinische Reihe setzen dürfen. Von den übrigen sieben stellt
Peter in die diokletianische Reihe Hadrian, Pius, Pertinax, Julianus, Garacallas; in die
constantinische Reihe Gommodus, Diadumenus.
Zeugnisse über die Schriftstellerei des Spartianus. Aelius 5, 5 (I p. 83) de
quo genere cibi alxter refert Marius Maximus, non pentafarmacum sed tetrafarmacum ap-
pellans, ut et nos ipsi in eius (Hadriani) vita persecuti sumus; vgl. Hadrian. 21, 4 (I p. 23).
Aelius 1, 1 (I p. 29) in animo mihi esty Diocletiane Auguste, totprincipum maxime, non solum
eoSy qui principum locum in hac statione, quam temperas, retentarunt, ut usque ad divum
Hadrianum feci, sed illos etiam, qui vel Caesarum nomine appellati sunt nee prindpes atä
August l fuerunt vel quolibet alio genere aut in famam aut in spem prineipatus venerunt,
cognitioni numinis tui sternere. 7, 5 (I p. 35) de quo idcirco non tacui, quia mihi propo-
situm fuit omnes, qui post Caesarem dictatorem, hoc est divum Julium, vel Caesares vÄ
Augusti vel principes appellati sunt, qiiique in adoptionem venerunt, vel imperatorum fUii
aut parentes Caesarum nomine consecrati sunt, singulis libris exponere, meae satisfaeiem
conscientiae, etiamsi multis nulla sit necessitas talia requirendi.
Zeugnis über die Schriftstellerei des Vulcacius Gallicanus. Avidius Cu-
sius 3, 3 (I p. 86) proposuiy Diocletiane Auguste, omnes, qui imperatorium nomen sive iutU
ex causa sive iniusta habuerunt, in litteras mitteile, ut omnes purpuratos Augustes eognascertt.
Zeugnisse über die Schriftstellerei des Lampridius. HeliogabaL 85, 1 (I
p. 245) cuius (Heliogabali) vitam me invitum et retractaiUem ex Graecis Latinisque coüeetam
scribere ac tibi (Constantino) offerre voluisti, cum iam aliorum ante tulerimus. seribsre autem
ordiar, qui post sequentur, quorum Alexander optxmus et cum cura dicendus est . , , . Au-
relianus praecipuus et horum omnium decus auctor tui generis Claudius .... his iungenii
sunt Diocletianus .... et Maximianus .... ceterique ad pietatem tuam, te vero, Auguste
venerabilis, multis paginis isdemque disertioribus Uli prosequentur, quibus id felieior natura
detulerit. his addendi sunt Licinius [Severus Alexander^ atque Maxentius, Alex. Sever. 64, 1
([ p. 296) Aurelianum dico et deinceps, de quibus, si vita subpeditaverit, ea, quae eomperta
fuerint, publicabimus; vgl. auch Heliogabal. 34, 6 (I p. 245). Gommod. 1, 1 (I p. 97) in tita
Marci Antonini satis est disputatum; vgl. noch Diadumenus 6, 1 (I p. 215).
Zeugnisse über die Schriftstellerei des Gapitolinus. Opilius 1,1 (I p. 198)
vitae illorum principum seu tyrannorum sive Caesarum, qui non diu imperarunt, in ob-
scuro latent .... nos tamen ex diver sis historicis eruta in lucem proferemus, et ea qmdem
quae memoratu digna erunt. Maximini 1, 1 (II p. 3) ne fastidiosum esset clementiae tustj
Constantine maxime, singulos quosque principes vel principum liberos per lihros singuks
legere, adhibui moderationem, qua in unum volumen duos Maximinos, patrem filiwmqutf
congererem quod quidem non in uno tantum libro sed etiam in plurimis deinceps
reservabo, exceptis magnis imperatoribus, quorum res gestae plures atque clariores longioret^
desiderant textum; vgl. Gordiani 1, 3 (II p. 30). Marcus 19, 5 (I p. 64) ut in vita eius (Com-
modi) docebitur. Glodius 1, 4 (I p. 167) inPescennii vita diximus; 12, 14 (I p. 177) quae omnia
in vita eius {Severi) posita sunt. Opilius 10, 6 (I p. 206) in eius {Diadumeni) vita.
Die Soriptores historiae Angostae. (§ 795.) 51
Zengnisse Über die Schriftstellerei des Trebellias Pollio und Vopiscns.
VopiscuB Aarelian 2, 1 (U p. 149) sermo nobis de Trebellio Polliane, qui a dtiobua Philippis
U8^tte ad divum Claudium et eitis fratrem Quintillum imperatores tarn claroa quam obscuros
memoriae prodidit, Pollio triginta tyr. 1, 2 (U p. 99) in unum eo8 libellum eontuli et quidem
brevem, maxime cum vel in Valeriani vel in Gallieni vita pleraque de his dicta nee repetenda
tanken satis eonstet, 81, 5 (p. 129) haec sunt quae de triginta tyrannis dicenda videbantur.
guo9 ego in unum volumen idcirco eontuli, ne de singuHs .... nascerentur indigna fastidia
. . . . nunc ad Claudium principem redeo, de quo speciale mihi volumen .... videtur edendum
addito fratre. 81, 8 (p. 129) quem ad modum Valentem superiorem huic volumini, sie post
Cltiudium et Äurelianum is, qui inter Tacitum et Diocletianum fuerunt, addere destinaveram.
Pollio Claudias 1, 1 (II p. 183) ventum est ad principem Claudium^ qui nobis intuitu Con^
eianti Caesaris cum cura in litteras digerendus est, de quo ego idcirco recusare non potui,
^uod alioSf tumtätuarios videlicet imperatores ac regulos, scripseram eo libro, quem de tri-
fhUa tyrannis edidi, üeber den Nachtrag zu den 80 Tyrannen (81, 7—88, 8) vgl. Wölfflin
p. 490 and Beilage 2 p. 587. Pollio hatte zwei Franen nnter die Tyrannen anfgenommen
and als man dartlber spöttelte (31, 10 (II p. 129)), dieselben durch zwei Tyrannen ersetzt.
Sein Fortsetzer ist Vopiscus. Vopiscus Probus 1, 5 (11 p. 201) sed non patiar ego iUe, a
quo dudum solus Aurelianus est expetitus, cutus tntam quantum potui persecutus, Taciio
Florianoque iam scriptis non me ad Probi facta conscendere, si vita suppetet, omnes, qui
Mupersunt usque ad Maximianum Diocletianumque, dicturus, Vopiscus Bonosus 15, 10 (II
p. 281) supersunt mihi Carus^ Carinus et Numerianus, nam Diocletianus et qui secuntur
eiüo maiore dicendi sunt. Der Fortsetzer hat aber mit Numerianus abgeschlossen, üeber
die GrOnde vgl. Carinus 18, 5 (11 p. 243).
Die Abfassungszeit. Für den ersten Teil ist die Abfassungszeit im allgemeinen
durch die Widmungen an die Kaiser bestimmt; es lassen sich aber noch einzelne chronologische
Daten feststellen. «) Spartianus Aelius 2, 2 (I p. 30) nostris temporibus a vestra dementia
Maximianus atque Constantius Caesar es dicti sunt (1. März 298; vgl. Peter, Die Scriptores
p. 30). ß) Julius Capitolinus Clodius Albinus 4, 1 (I p. 169) Ceioniorum quae familia
kodie quoque, Constantine maxime, nobilissima est et per te aucta et augenda, quae per Gal-
Uenum et Gordianos plurimum crevit; vgl. Peter, Die Scr^>tores p. 80. ;^) Aelius La m-
pridius Heliogabalus 7, 7 (I p. 225) Orestam (Orestes) condidit civitatem, quam saepe
eruentari hominum sanguine necesse est. et Orestam quidem urbem Hadrianus suo nomini
Hndicari iussit. Wahrscheinlich hat Lampridius die Schlachten zwischen 818 und 328 im
Binn; vgl. Peter p. 32. — Auch bezüglich des zweiten Teils ergeben sich chronologische
Anzeichen, «) fttr Trebellius Pollio triginta tyranni 21, 7 (II p. 119) nam in his focis
fuerunt, in quibus thertnae Dioeletianae sunt exaedificatae, tarn aeterni nominis quam sacrati.
Dieselben wurden von Maximian im Jahre 298 angeordnet und zwischen 805 und 306
Bingeweiht Femer wird Constantius an mehreren Stellen als Caesar bezeichnet (Gallieni
7, 1 (II p. 85); Claudius 1, 1 (II p. 188); 8, 1 (p. 184); 9, 9 (p. 140)), dagegen niemals Au-
KUstoB. Consttfntius war aber Caesar 293 — 805, Augustus 1. Mai 305 bis 25. Juli 806. Seine
Sehriftstellerei fällt also auch unter die Regierung Diocletians (284—805); vgl. Peter p. 36;
IComnoisen p. 280. ß) Für Vopiscus. Die Schriftstellerei des Vopiscus nahm ihren Aus-
Bingspunkt von einem Gespräch mit dem Stadtpräfekten Junius Tiberianus; derselbe be-
eidete sein Amt zweimal 291 — 292 und 308—804. Da die Schriftstellerei des Vopiscus
die des Pollio anknüpft, wird nur die zweite Präfektur als Ausgangspunkt anzusehen
; vgl. Mommsen, Hermes 25 (1890) p. 257 Anm. 1. Er verweist femer auf Constan-
als Imperator (Aurel. 44, 5 (U p. 181)). üeber 306 führen keine Spuren hinaus; vgl.
mch Fr. Rühl, Die Zeit des Vopiscus (Rhein. Mus. 48 (1888) p. 597).
795. Charakteristik der Historia Angusta. Das .Urteil über die
Scriptores historiae Augustae ist ein einstimmig vernichtendes, und die
Kritiker wetteifern förmlich in den Ausdrücken der tiefsten Verachtung.^)
Und in der That dürfte es schwer halten, irgend eine günstige Seite diesen
alenden Skribenten abzugewinnen. Vor allem ist es der Mangel an jedem
liistorischen Sinn, welcher uns die Historia Augusta so ungeniessbar macht.
Die biographische Geschichtsschreibung hat in ihr den tiefsten Verfall er-
reicht. Bereits bei Sueton war die abschüssige Bahn vorgezeichnet; es
war ihm nicht gelungen, eine Persönlichkeit aus dem Inneren heraus zur
Darstellung zu bringen, statt dessen arbeitete er nach einer Schablone und
*) üeber ihre Gedankenlosigkeiten vgl. Dessau, Hermes 27 (1892) p. 601.
4*
52 I>io ScriptoreB historiae Angastae. (§ 795.)
stellte Anekdoten zusammen. Einen weiteren Schritt nach abwärts that
Marius Maximus. Während Sueton bei seinem Anekdotenkram sich einer
rühmenswerten Kürze befleissigt hatte, entfaltete Marius Maximus seinen
nichtigen Stoff mit der grössten Breite. Auch durch das unorganische
Anhängen von Urkunden an die Biographien schuf er ein Novum gegen-
über Sueton. ^) Noch schlimmer ging es der Biographie bei Junius Cordus;
auch dieser wühlte mit Behagen im Schmutz der kleinlichsten Hof-
geschichten und scheute dabei vor Lügen und Erdichtungen, die übrigens
auch seinem Vorgänger nicht ganz fremd gewesen sein werden, >) keines-
wegs zurück. In diesem 6feleise bewegen sich auch die Autoren der
Historia Augusta. Die Grenze, die bei uns die Tagespresse von der Hi-
storiographie scharf scheidet, wird von ihnen nicht beachtet. Für die
Fragen der grossen Politik haben sie kein Verständnis, sie haften am
Persönlichen, sie suchen aber auch dieses Persönliche in den niederen
Sphären des Lebens; ihr Hauptziel ist, die Neugierde (curiositas) zu be-
friedigen. Zu dem Mangel an historischem Sinn tritt die Unkritik und
die völlige Gleichgültigkeit gegen die Wahrheit. Eifriges Quellenstudium
lag ihnen fern, ihre Hauptquelle war Marius Maximus, der ihnen den
Stoff von Nerva bis zum Kaiser Elagabal in reicher Fülle darbot. Auch
die Spuren anderer Schriftsteller finden sich bei ihnen, z. B. die des
Junius Cordus, der Griechen Herodian und Dexippos; auch eine Reihe von
Historikern, die sonst ganz unbekannt sind, wird von ihnen gelegentlich
citiert. An dem einzigen uns erhaltenen Herodian lässt sich die nach-
lässige und oberflächliche Benutzung nachweisen. Aber noch beklagens-
werter ist es, dass diese Schriftsteller geradezu als Fälscher auftreten;
manchen Nachrichten sieht man es sofort an, dass sie erdichtet sind,
andere sind höchst zweifelhaft, wie die Abstammung des Gonstantius
vom Gotenbesieger Claudius,*) welche Trebellius Pollio allem Anscheine
nach nur in dynastischem Sinne in Umlauf gesetzt hat. Am schroff-
sten stehen sie der Wahrheit mit ihren eingelegten Urkunden gegen-
über. Die antike Historiographie gestattete auch, um die Einheit des
Stils zu wahren, Urkunden mit verändertem Wortlaut der Darstellung
einzufügen, aber sie gestattete nicht, Urkunden zu fälschen. Doch auch
diesen schlüpfrigen Weg betraten unsere Historiker; nicht bloss Briefe und
Reden, sondern auch Urkunden wurden von ihnen erdichtet oder auch
fingierte Urkunden von ihnen gläubig hingenommen. Fast sämtliche in
der Historia Augusta stehenden Aktenstücke scheiden daher für den die
M Der Vorgang wirkte auch bei den ' gehört der nachsuetoniscben Kaiserbiographie
Scriptores nach; vgl. Vopiscus Tacitos 12, 2 als Grundzug, und es ist gar keine Veran-
(II p. 194) plerasque huius modi epistulas in | lassung, Marius Maximus davon aosEa-
fine libri pvsui; 18, 1 (p. 198) et quoniam me , nehmen/
promiai aliquas epistulas esse positurum •) Vgl. H. Peter, Die Scriptores p. 10;
his additis finem scrihendi faciam. In der Mommsen, R<)m. Gesch. 5 (Berl. 1885) p.227
litterarischen Biographie waren diese An- und die treffliche Ausfdhrung WOlfflins
hänge seit längerer Zeit üblich (Leo p. 297). p. 487; Klebs, Das dynastische Element in
^) Vgl. Leo (Die griechisch-römische { der Geschichtschreibung der röm. Kaieeneit
Biographie nach ihrer litterarischen Form, (Historische Zeitschr. 61. Bd., N. F. 25 (1889)
Leipz. 1901, p. 278): ,Die freie Erfindung, p. 227).
nenne man sie Fälschung, Märchen, Roman, ;
Die Soriptores historiae Angastae. (§ 795.) 53
Wahrheit suchenden Historiker aus. Zu dem Inhalt unserer Kaiser-
geschichte passt auch Komposition und Darstellung. Die Scriptores stehen
auf einer so niedrigen Stufe, dass ein individueller Stil sich nur sehr
schwach bei ihnen bemerkbar macht, allein dies dürfen wir nicht zu auf-
fällig finden; wir können dieselbe Erscheinung in Schülerarbeiten und in
unserer Tagespresse beobachten, wo auch nur selten sich individuelle Züge
abheben. Gleichgültigkeit gegenüber dem Stoffe erzeugt auch Gleichgültig-
keit in der Behandlung. Für die Komposition war die von Sueton ge-
schaffene Schablone massgebend.^) Doch finden sich auch Abbiegungen *)
von derselben und Aufnahme von Elementen, die sich auf anderem Boden
gebildet haben.*) Auch der Wortschatz wurde durch die Vorgänger, be-
sonders Sueton und Marius Maximus, beeinflusst. Dieser Wortschatz*)
musste eine gewisse Gleichförmigkeit erhalten, da das Persönliche, in dem
sich die Biographien bewegen, viel des Gemeinsamen b) darbietet. Allein
das Auge des scharfen Beobachters erkennt doch hinter diesem allgemeinen
Typus individuelle Besonderheiten. Die Litteraturgeschichte muss daher
eine in neuer Zeit mit Scharfsinn entwickelte Hypothese, dass die Historia
Augusta das Werk eines einzigen Fälschers aus der valentinianisch-
theodosischen Zeit sei, zurückweisen.
Zeugnisse zur Charakteristik der Historia Augusta. a) Stoff: Yopiscus
Proculos 12, 6 (II p. 228) minima quaeque iocunda sunt atque hahent aliquid gratiae cum
Uguntur, Satuminus 11, 4 (II p. 227} longum est frivola quaeque conectere, odioaum dicere,
quali statura fuerit, quo corpore, quo decore, quid biberit, quid comederit, ab aliis isla
dicantur, Yopiscus Aurelian 10, 1 (II p. 155) frivola haee fortasais cuipiam et nimia levia
esse videantur, aed curioaitas nihil recuaat; vgl. auch die Rubrik «Persönlichkeit des Fl.
Yopiscus*. — ß) Darstellung: Gapitolinus Maximus etBalbinus 4, 5 (II p. 60) aed priuaquam
de adibus eorum loquar, placet aliqua dici de moribua et genere, non eo modo quo Junius
Cardus est persecutus omnia, aed illo quo Suetoniua Tranquillus et Valeriua Marcellinua.
Trebell. Pollio trig. tyranni 1, 1 (11 p. 99) acriptia iam pluribua libria, non hiatorico nee
diserto aed pedestri adloquio. 11, 6 (p. 110) ut fidelitaa hiatorica aervaretur, quam ego prae
eeteris eustodiendam putavi, qui quod ad eloquentiam pertinet nihil curo. 33, 8 (p. 132)
libellum non tarn diserte qtMm fideliter scriptum, neque ego eloquentiam mihi videor polli-
citus esse sed rem, qui hoa libelloa, quoa de vita principum edidi, non acribo aed dicto, et
diclo cum ea featinatione u. s. w.
Quellen der Historia Augusta. Yulcacius Gallic. Avidins Gassius 9, 5 (I p. 91)
si qtiis autem omnem hanc historiam acire deaiderat, legat Mari Maximi aecundum librum
de vita Marci. Spartianus Hadrian. 2, 10 (I p. 5) ut Mariua Maximua dicit; 12, 4 (p. 14)
ut verha ipaa ponit Marius Maximua. Gapitolinus Marcus 1, 6 (I p. 48) ut Mariua Maximus
doeet, Pertinax 15, 8 (I p. 126) horruiaae autem illum imperium epiatula docet, quae vitae
iüius a Mario Maximo apposita est. quam ego inaerere ob nimiam longitudinem nolui.
Lampridius Commodus 13, 2 (I p. 108) de quibua etiam in opere auo Mariua Maximua glo-
riatur. Junius Gordus (§ 547) ist eine Quelle des Julius Gapitolinus; vgl. Glodius 7, 2
(I p. 172) quarum exemplum hoc eaae Cordua oatendit; Maximini 4, 1 (II p. 5) ut autem
Cordtis dicit; Gordiani 4, 6 (II p. 32) Cordus dicit. Yulcacius Gallicanus, Lampridius und
Spartianus dagegen kennen den Gordus nicht. Mommsen nimmt unrichtig an, dass Gapito-
^) Leo p. 272. ' praepositionum usu apud sex script. bist.
*) Leo p. 277. i Aug., Wien 1882; Gotta, Quaest. gram-
') So findet der dem Plutarch geläufige | maticae et criticae de vitis a scriptoribus
moralische Gesichtspunkt, der aber dem hist. Aug. conscriptis, Bresl. 1883; über diese
Sueton gftnzlich unbekannt ist, Berficksichti- Schriften vgl. Lessing, Studien zu den
gnng z. B. Gapitol. Gordiani 21, 4 (II p. 45) Script, hist. Aug., Berl. 1889, p. 4; eigene
$i quidem ea debeant in historia poni ab Beobachtungen p. 6.
historiografis, quae aut fugienda aint aut ^) üeber die gemeinsamen Züge vgl.
$equenda; vgL Leo p. 279. H. Peter, Die Scriptores p. 102 und p. 239;
«) Ygl. Paucker, De latinitate scrip- Elebs, Rhein. Mus. 47 (1892) p. 26.
tomm hist. Aug., Dorpat 1870; Krauss, De
54 I^i® Soriptores hiatoriae Aagastae. (§ 795.)
linus sich in diesem Cordus «einen Gewfthrsmann und Prügelknaben' geschaffen habe; vgl.
dagegen Elebs, Rhein. Mus. 47 (1892) p. 21 Anm. 3 und Peter, Die Scriptores p. 287.
üeber die anonyme Eaiserchronik als Quelle vgl. Peter p. 89. Der Nachweis dieser
Benutzung ist wichtig, weil sich dadurch das Verhältnis der Historia Augoista zu Eutrop
und Aurelius Victor (vgl. Marcus 16, 3 (I p. 61) = Eutrop 8, 11) in anderer Weise beetimmeii
lässt, als Mommsen und Dessau gethan; vgl. Elebs, Rhein. Mus. 45 (1890) p. 444 (über
Eutrop) und p. 446 (über Aur. Victor.); Peter, Die Scriptores p. 88 u. 94. Dagegen stellt
sich Leo (Die griechisch-rOm. Biographie nach ihrer litterarischen Form, Leipz. 1901, p. 286
Anm. 1) in Bezug auf Aur. Victor auf Seite Dessaus und Mommsen s. Die Benutzong
des Herodian erhellt aus Capitolinus Clodius 12, 14 (I p. 177) quae qui diligentiwt sein
velitf legat .... de Graecis scriptoribus Herodianum. Maximus et Balbinus 15, 3 (U p. 68)
haec sunt, quae de Mcucimo ex Herodiano, Graeco scriptores mcigna ex parte colUgimu»,
Ueber Capitolinus als Benutzer Herodians vgl. Peter p. 59; Mommsen p. 262; Böhme,
Dexippi fragmenta ex Capit., Trebellio, Syncello coÜecta, Leipz. 1882, p. 55 and Peter
p. 68 und p. 76. Drei Stellen aus Herodian bei Lampridius Diadumenus 2, 5 (I p. 212);
Alexander 52, 2 (I p. 287); 57, 3 (p. 291) hftlt Peter (p. 79) für spätere Einschiebsel. Der
griechische Historiker Dexippus wird citiert Lampridius Alex. Severns 49, 3 (I p. 285)
Dexippus dixit. Capitolin. Maximini 32, 3 (II p. 28) addidit Dexippus; Gordiani 2, 1 (II p. 30)
docente item Dexippo, Graeco auctore. Treb. Pollio trig. tyr. 32, 1 (II p. 130) docet Dexippus;
Claudius 12, 6 (II p. 142) Dexippus dicit. Ueber nachträgliche Benutzung dee Dexippos
durch Capitolinus vgl. Peter, Die Scriptores p. 60, p. 61 und p. 63. Ueber Dezippus als
Quelle handelt auch C. Martin, De fontibus Zosimi, Berl. 1866, p. 5; vgl. auch Mommsen
p. 255. Ueber die Schar citierter Autoren, welche meist ganz unbekannt und daher ver-
dächtig sind, vgl. § 548 und Peter p. 239; Löcrivain, Note sur Fhistorien latin AdiolinB,
une des sources de Thistoire Auguste (Revue des ^tudes anciennes 1 (1899) p. 141). Ueber
die Benutzung mehrerer Quellen vgl. H. Peter, Die Scriptores p. 100.
Litteratur zu den Quellen. Erause, De fontibus et auctoritate Script, bist.
Aug., Neustettin 1857 und 1874; Plew, Marius Maximus als direkte und indirekte Quelle
der Script bist. Aug., Strassb. 1878; Rubel, De fontibus quattuor priorum hist. Aug. scrip
torum, Bonn 1872; J. J. Müller, Der Geschichtschreiber L. Marius Maximus (Büdingen
Untersuchungen zur röm. Eaisergesch. 3 (Leipz. 1870) p. 33); Dreinhoefer, De fontibiu
et auctoribus vitarum quae feruntur Spartiani, Capitolini, Gallicani, Lampridii, Halle 1875;
Perino, De fontibus vitarum Hadriani et Septimii Severi imperatorum ab Aelio Spar-
tiano coDScriptarum, Heidelberg 1880; 0. Hirschfeld, Bemerk, zu der Biogr. des Sept.
Severus (Wien. Stud. 6 (1884) p. 121); C. Giambelli, Gli scrittori della storia AugosU
studiati principalmente nelle loro fonti. Accademia dei Lincei 1880 — 1881; Enmann, Die
Eaisergesch. und die Script, hist. Aug. (Philol. Supplementbd. 4 (1884) p. 356); Niehues,
De Vulcacii Gallicani vita Avidü Cassii commentatio, Münster 1885; Elebs, Die vita des
Avidius Cassius (Rhein. Mus. 43 (1888) p. 321); H. Peter, Das Verhältnis zu den Quellen
(Script, hist. Aug., Leipz. 1892, p. 49); J. M. Heer, Der hist. Wert der vita Commodi in der
Sammlung der Script, hist. Aug., Heidelberger Diss. 1901. Sehr bedeutsame Winke zur Quellen-
kritik gibt auch Fr. Leo in seiner Analyse der Eomposition verschiedener Biographien
(Die griechisch-römische Biographie nach ihrer litterarischen Form, Leipz. 1901, p. 282).
Die in die Scriptores eingelegten Dokumente. „Von den ungeffthr 130 An-
lagen sind die Mehrzahl Briefe (77), meist von Eaisem und Angehörigen; daran schliesaen sich
der Zahl nach Senatsverhandlungen und Orationes (kaiserliche Erlasse an den Senat 31),
Contiones (10) und andere Reden (3), Inschriften (7) und Edikte (2). Von ihnen entfallen 3 wk
Spartian (alle in der vita Pescennii), 9 auf Lampridius (davon 5 in der vita Diadumeni), 11 aof
Vulcacius, 3 auf die frühere Schriftstellerei des Capitolinus (in der vita Opilii), 48 auf die
spätere, 17 auf Trebelllus, 44 auf Vopiscus, also gar keine auf 11 Biographien des ersten
Teils, auf die 5 ersten, die des Hadr., Ael., Pius, Marcus und Veius, femer auf die des
Pertinax, Didius, Sept. Severus und seiner beiden Söhne Carac. und Geta, Heliogabal. Eine
eigentümliche Stellung nehmen die Senatsverhandlungen insofern ein, als ihre Zahl in keiner
Biographie die 2 überschreitet, und es solche und nur solche sind, wenn in einer nicht
mehr Einlagen vorhanden sind, während die anderen gewöhnlich in grösserer Zahl und in
bunter Mischung auftreten" (Peter p. 154). „Mit sehr geringen Ausnahmen (?) sind die in
der H. A. eingefügten Reden und Schriftstücke Erfindungen" (Feter p. 231). üeber ge-
legentliche Aeusserungen von Autoren bezüglich dieser Schriftstücke vgl. Peter p. 154
(Kleb 8, Rhein. Mus. 47 (1892) p. 21). Im Zusammenhang wird die Frage behandelt f&r
einzelne Autoren von C. Czwalina, De epistulanim actorumque quae a Script, hist. Aug.
proferuntur, fide atque auctoritate part. 1 (Avidius Cassius des Vulcatius Gallicanua), Bonn
1870; Wölfflin, Die Aktenstücke des Trebellius Pollio des Vopiscus (Münchener Sitzmigsber.
1891 p. 498); im vollen Umfange behandelt von H. Peter, Die Script, p. 153; vgl. jedodi
Klebs, Prosop. imp. r. 1 p. 21(5. Ueber den Entwicklungsgang der Fälschung vgl. Leo,
Die ^echisch-römische Biographie nach ihrer litterarischen Form, Leipz. 1901, p. 300.
Die Soriptores historiae Aagastae. (§ 795.) 55
Die Hypothese Dessaus. Dieser Gelehrte (Ueber Zeit und Persönlichkeit der
Scriptores historiae Augostae, Hermes 24 (1889) p. 837) hat scharfsinnig za zeigen gesucht,
iass die Eaiserbiographien auf einer Fälschung beruhen, dass dieselben nicht der constan-
tiniach-diokletianischen, sondern der valentinianisch-theodosischen Zeit angehören und dass
üe 6 Historiker keine wirklichen Persönlichkeiten waren, sondern vom Fälscher erfunden
wurden, um seiner Arbeit grösseren Reiz zu verleihen. Lebhafte Zustimmung fand Dessau
bei Habel, Wochenschr. für klass. Philol. 1890 Sp. 418 und Seeck, III. Die Entstehungs-
■eit der Hist. Aug. (Fleckeis. Jahrb. 141 (1890) p. 609), der (p. 631) den Satz ausspricht,
dass alle Biographien auf eine einheitliche, überall durch die gleichen anachronistischen
Ajischauungen bestimmte Fälschung zurückgehen. Seeck wandte sich in seinem Aufsatz
besonders gegen Mommsen, Die Script, hist. Aug. (Hermes 25 (1890) p. 228) und in einem
Ajihang gegen Elebs, Die Sammlung der Script, hist. Aug. (Rhein. Mus. 45 (1890) p. 436);
Die Script, hist. Aug. (Rhein. Mus. 47 (1892) p. 1). Beide hatten gegen Dessau Stellung
genommen, allerdings in verschiedener Weise. Mommsen stellt folgende Hypothese
Mif: Die Sammlung ist zwar im grossen Ganzen ein Werk der diokletianisch -constan-
fciiiischen Zeit, von verschiedenen Verfassern herrührend, hat aber eine doppelte Diaskeuase
erfahren, einmal in der constantinischen Zeit, um 330, wo die Sammlung in der Form, in
der sie uns vorliegt, ihren Abschluss fand (p. 270 und p. 273), dann in der valentinianisch-
theodosischen Zeit. Elebs dagegen kommt zu einer gänzlichen Verwerfung der Dessau-
Behen Hypothese und formuliert seine Ansicht also (p. 464): «Unsere Sammlung ist durch-
MiB ein Eäreugnis der diokletianisch-constantinischen Zeit; sie stellt sich dar als eine rein
ftOBserliche ZusammenfÜgnng verschiedener Arbeiten, bei der für uns Spuren einer einheit-
lichen Redaktion nicht erkennbar sind.'' Seine Hypothese verteidigt gegen Mommsen
und Klebs Dessau, Hermes 27 (1892) p. 561. Als Gegner Dessaus erscheint auch Wölfflin,
Die Script, hist. Aug. (Sitzungsber. der Münchener Akad. 1891 p. 465), der zumeist von
sprachlichen Gesichtspunkten aus der Frage näher trat. Durch emgehende Untersuchungen
wird die Individualität des Trebellius PoUio (p. 480) und des Flavius Vopiscus (p. 492)
festgestellt; über Spartianus gibt er gewagte Combinationen. Ueber Capitolinus und Lam-
ptidius versprach Wölfflin in einem zweiten Aufsatze zu handeln; allein dieser ist
noch nicht erschienen. Ueber die Entstehung des Corpus äussert er sich also (p. 526):
«Auf Wunsch des praefectus urbis Tiberianus hatte sich Vopiscus zunächst nur entschlossen,
den Biographien des Trebellius Pollio eine weitere des Aurelian anzufügen, und er that
dies auch, indem er sich den Trebellius zum Vorbilde nahm. Er setzte dann aber seine
Arbeitte fort, widmete dieselben verschiedenen höher gestellten Personen und gedachte
aach noch ein ausgeftthrteres Bild des Diocletian zu entwerfen, doch gelangte der Plan
nicht mehr zur Ausführung.* Weiterhin will Wölfflin gezeigt haben, .dass Vopiscus
ein ganzes Kaiserbuch von Hadrian an herausgab, indem er die vorhandenen Biographien
des Spartian durch Noten und Anhänge erweiterte, auch solche von Caesaren und Gegen-
kaisem neu einschob. ** Eine Verschiedenheit der Autoren glaubt auch Frankfurter, Zur
FVage der Autorschaft der Script, hist Aug. (Eranos Vindobonensis, Wien 1898, p. 218) aus
Inhalt und Stil einzelner ausgewählter Stücke (p. 232) zu erkennen und stimmt Mommsen
darin zu (p. 220), dass die Sammlung in der diokletianisch -constantinischen Zeit ent-
standen ist und eine Ueberarbeitung erfahren hat Ganz auf konservativem Standpunkt
steht auch Peter (Die Script, hist. Aug., Leipz. 1892, p. 242), der die Sammlung als ein
Produkt der diokletianisch-constantinischen Zeit betrachtet und sie mit dem Jahr 880 ab-
geschlossen sein lässt. Nochmals griff Seeck, Zur Echtheitsfrage der Script, hist. Aug.
(Rhein. Mus. 49 (1894) p. 208) in die Debatte ein, indem er den einen Punkt, ob die Samm-
iong von einem oder mehreren Fälschern herrühre, als einen nebensächlichen ansieht und
den ganzen Schwerpimkt seiner Argumentation auf den Satz legt, dass die Sammlung nicht
in der diokletianisch-constantinischen Zeit entstanden sein könne; dies ergebe sich aus den
Anachronismen. Zuletzt hat unserem Problem gegenüber Leo Stellung genommen; er er-
blickt (p. 286 Anm. 1) für Spartianus Severus 17, 5 (I p. 148)— 19, 4 (p. 150) die Vorlage in
Victors Caesarea 20, 1 — 31. Daraus folgert er zwar nicht, dass das ganze Corpus von einem
Pllscher der valentinianisch-theodosischen Zeit herrühre, da er den Nachweis, dass in den
Bciiptores verschiedene Individualitäten stecken, als von Elebs, Wölfflin und Peter
erbracht ansieht, zieht aber daraus Folgerungen für die Redaktion des Corpus (p. 303). Was
mm das Hauptargument Leos anlangt, so möchte ich doch Spartianus Severus 17, 5 quod
non optinuit eher als einen Irrtum der Quelle, d. h. der Eaiserchronik ansehen, als mit Leo
(p. 286 Anm. 1) annehmen, dass Spartianus die von Victor begangene Verwechslung des
Kmisers und des Juristen Julianus richtig erkannt, trotzdem aber Victor 20, I quod unum
effiei nequivit durch sein quod non ohtinuU in ganz anderem Sinne verwendet habe.
üeberlieferung. Lange war die Meinung herrschend, dass für die Textkritik der
Bcriptores zwei Handschriften, der Bambergensis E III 19 und der Vaticanus-Palatinus 899,
der einst im Besitze des Gianozzo Manetti (t 1459) und wahrscheinlich auch im Besitze
Petrarcas war (vgl. Nolhac, P^trarque et rhumanisme, Paris 1892, p. 252), massgebend
56 I^dx* Chronograph Tom Jahre 854. (§ 796.)
seien, da beide unabhängige Abschriften des Archetypus wären. Auf dieser Anachammg
ruht z. B. die Ausg. Peters. Neuerdings wurde von Mommsen (Heimes 25 (1890) p.281} .
auf Grund eines grösseren neu verglichenen Stücks die Behauptung aufgestellt, dain der 1
Bambergensis eher eine Abschrift des Palaiinus sei. Diese Behauptung Mommsens worie '
auf Grund einer neuen Vergleichung des Palatinus von Dessau, Die Ueberlieferung der
Script, bist. Aug. (Hermes 29 ( 1894) p. 393) in umsichtiger Weise bestätigt. Damit scheidet
der Bambergensis als selbständiger Faktor aus der Textkritik der Eüst. Aug. aus und dient
nur zur Sicherstellung der ursprünglichen Lesarten, welche in dem Palatinus später, nacb-
dem der Bambergensis abgeschrieben war, korrigiert wurden, und der Lesarten, welcbe
nach dieser Zeit in den Text gesetzt wurden. Irreführend war die Zeitbestimmung der
beiden Handschriften, nach der der Bambergensis ein höheres Alter hatte als der Palatum;
allein wie der Bambergensis, so wird auch der Palatinus in s. IX gehören; vgl. Dessii
1. c. p. 398. Auch der Vaticanus 5301, welcher die Vorlage fOr die editio princeps wmde,
ist aus dem Palatinus abzuleiten; vgl. Dessau p. 399. Ueberhaupt glaubt Dessau, dw
die übrigen jüngeren Handschriften aus dem Palatinus geflossen sind (p. 899). Auch &
Excerpta Palatina des Codex Palatinus 886, die neben Auszügen aus andern SduiftsteDcn
auch Auszüge aus der ersten Hälfte der Hist. Aug. bis zur Vita des Maziminiis darstellea,
stehen in Abhängigkeit vom Palatinus 899. Dagegen liegen Spuren einer vom Palitijiii
unabhängigen Ueberlieferung in den von J. Klein (£ine Handschrift des Nikolaus von Guei,
Berl. 1866, p. 95) publizierten Excerpta Cusana vor; die Quelle, aus der sie stammen, wir
aber dem Palatinus sehr ähnlich, und dieses Florilegium lag auch bereits dem Sedolin
vor; vgl. M. Haupt, Hermes 1 (1866) p. 43 == opusc. 3 p. 339. Ueber die ganze Frage
vgL Mommsen, Hermes 13 (1878) p. 298 und Dessau p. 414. Auch der verachoUese
Codex Murbacensis der Abtei Murbacn, dessen Lesarten bis zur Vita des Diadnmenus ind
in der Baseler Ausg. 1518 mitgeteilt werden, war dem Palatinus nahe verwandt. And
H. Peter (Berl. phüoL Wochenschr. 1897 Sp. 814) hat sich übrigens dieser durchaus an-
leuchtenden Ansicht Mommsens und Dessaus angeschlossen, nachdem ihm der band-
schriftenkundige Rühl auf Grund einer Untersuchung bestätigt hatte, dass der Bambergeon
s. X 1 angehöre, während Palatinus in s. IX/X zu setzen sei. Im Codex Durlac. 86, Rice. 619,
Ottob. 1303 ist eine moderne Umarbeitung der Rede des Nicomachus bei Vopiscas Tadtos 6
(II p. 188) enthalten; sie hat für die Ueberlieferung wenig Wert; vgl. G. Suster, RiriaU
di filol. 17 (1889) p. 247.
Ausg. £ditio princeps von B. Accursius, Mailand 1475; vgL darüber Peter (Ansg.
p. XVIU), der zeigt, dass derselben der Vaticanus 5301 s. XV zu Grunde liegt; Aldini,
Venedig 1516 und 1519; von D. Erasmus, Basel 1518; J. Gruter, Hannover 1611; ?ob
J. Casaubonus, Paris 1603, cum notis Salmasii 1620. Sammelausg. Leiden 167 1; rec
H. Jordan und F. Eyssenhardt, Berl. 1864; rec. H. Peter, Leipz.' 1884. Seine eigenei
Konjekturen begründet Peter, Fleckeis. Jahrb. 129 (1884) p. 75. Dazu vgl. Spartiani rita
Hadr. comm. ill. J. Centerwall 1, Ups. 1869. Durch die Feststellung der Thatsache, daai
der Bambergensis aus dem Palatinus stammt, wird der kritische Apparat eine weBentüdM
Umgestaltung erfahren. Es ist daher eine neue Ausg. ein Bedürftiis. Ausserdem braudiei
wir, wie Mommsen (Hermes 25 (1890) p. 281) sagt, „einen Commentar, welcher für iede
einzelne Notiz die in der Sammlung selbst sowie ausserhalb derselben auftretenden Paralkl-
stellen vor die Augen führt oder auch deren Mangel constatiert, und wir brauchen ein wenig-
stens die sachlich wichtigen Ausdrücke vollständig zusammenfassendes und chronologisch kiio-
trolierendes Wortverzeichnis.' Der letzten Forderung Mommsens wird auf Grandlage da
Palatinus Lessing nachkommen, der bereits zwei Fascikel eines Lexicons (Leipz. 1901)02)
erscheinen liess.
Uebersetzung von C. Aug. Closs, Metzlerische Sammlung Stuttgart 1856.
3. Der Chronograph vom Jahre 354.
796. Kalender und andere Verzeichnisse. Ein ausserordentlich
wichtiges Büchlein ist ein Kalender, dem noch andere Verzeichnisse bei-
gegeben sind. Es ist fQr den täglichen Gebrauch des Lebens bestimmt und
zwar zunächst fQr Rom; dieses Handbüchlein ist auch mit Bildern ana-
gestattet. Auf der ersten Seite nennt sich ein Furius Dionysius Philocalus;
er bezeichnet seine Thätigkeit mit „titulavit**. Wir kennen diesen Furius
Dionysius Philocalus auch als einen bei Inschriften ^) thätigen Kalligraphen.
') Es kommen zwei Inschriften der Stadt Rom in Betracht, heide publiziert von De
Der Chronograph vom Jahre 854. (§ 796.)
57
Nimmt man das titulare im strengen Wortsinn, so müsste man die Thätig-
keit des Kalligraphen auf das Titelblatt beschränken; allein möglicher-
weise hat Philocalus das ganze Handbüchlein geschrieben. Das Werkchen
atammt aus dem Jahre 354, denn hier brechen manche Verzeichnisse ab;
66 wird daher von Mommsen „der Chronograph von 354 "* genannt. Allein
leicht begreiflich ist es, dass man späterhin manche Verzeichnisse weiter-
f&hrte; auch lag nahe, eine Erweiterung des Büchleins durch Aufnahme
anderer Dokumente eintreten zu lassen. Die einzelnen Bestandteile des
Chronographen sind: 1. Der Kalender; derselbe hat einen offiziellen Cha-
rakter und ist in Bezug auf das Christen- und Heidentum neutral ge-
halten, d. h. es sind die heidnischen Feste und Ceremonien ausgemerzt,
dafär aber nicht die christlichen eingesetzt. 2. Annalen, von denen unter
Nr. 8 die Rede sein wird. 3. Die Konsularfasten; dieselben haben als die
vollständigsten und zuverlässigsten aller Fasti consulares einen hohen Wert.
4. Eine Ostertafel. 5. Ein Verzeichnis der Stadtpräfekten, ebenfalls ein
sehr wichtiges Dokument. 6. Es folgen zwei Verzeichnisse christlichen
Charakters, ein Verzeichnis der Todesbige und Begräbnisstätten a) der
römischen Bischöfe, b) der Märtyrer. Die beiden Verzeichnisse sind die
Qaelle eines ganzen Litteraturzweigs, der Martyrologien, geworden, die
sich im Laufe der Zeit immer mehr erweiterten und schliesslich zur Le-
gende führten. 7. Das Verzeichnis der römischen Bischöfe; aus diesem
Verzeichnis ist der liber Pontificalis erwachsen. 8. Annalen; dieselben liegen
uns im Chronographen in zwei Recensionen vor, von denen keine vollständig
ist, die eine aber die andere an Reichhaltigkeit übertrifft. Für die spätere
Zeit ist diese Chronik nicht ohne Wichtigkeit. Da dieselbe auf ganz anderem
Fandamente ruht, gehörte sie nicht ursprünglich zu der Sammlung, sondern
wurde erst später mit ihr verbunden. 9. Eine im Jahre 334 abgefasste Welt-
ehronik. 10. Eine Stadtgeschichte Roms. 11. Ein Regionenverzeichnis von Rom.
Diese drei Werke gehören allem Anschein nach zusammen und werden als
^eichzeitige Ergänzung zu dem ursprünglichen Bestände zu betrachten sein.
Ueber die einzelnen Bestandteile ist im besonderen folgendes zu bemerken:
X Der Kalender. Er besteht aus zwei TeUen, einem astronomisch-astrologischen und einem
^Ärgerlichen Teil. Der Kalender hat Illustrationen und Beilagen, z. B. die Monatsbilder mit
^Dotrastichen und die natales Caesarum. Die letzten schliessen mit Constantius IL (337—361).
IDor Kalender muss zwischen 350 und 361 entstanden sein; vgl. Mommsen p. 571. Der ur-
Millngliche Bestand desselben wird von Mommsen 1. c. zwischen 340 und 350 gesetzt.
JLdh besten herausgegeben von Mommsen, CIL 1 p. 334 und verbessert CIL P p. 256.
Die Bilder sind publiziert von Strzygowski, Die Kalenderbilder des Chronographen vom J.
9b4 (Jahrb. der deutschen archäol. Inst. 1. Ergänzungsheft, Berl. 1888). Ueber die Epigramme
Tgl-Baehrens, Poet lat. min. 1 p.203. Ueberdie Ueberlief erung vgl. Mommsen, CIL l'^p. 254.
in. Die Konsularfasten reichen vom Beginn des Konsulats bis zum Jahre 354
tt. Chr. und führen auch den Namen Anonymus Nonsianus nach dem Herausgeber Norisius,
Florenz 1689. .Dies Konsularverzeichnis ist das vollständigste und zuverlässigste aller
kftndsehriftlich erhaltenen *" (Mommsen p. 572). Dasselbe geht mit den fasti capitolini auf
«ne Qaelle zurück; vgL § 14 p. 26; vgL dazu Mommsen, CIL P p. 81 ; Hermes 9 (1875) p. 279.
ly. Einen Anhang zu III bildet eine Ostertafel vom Jahre 312 auf 100 Jahre
berechnet. Die ursprüngliche Aufzeichnung reichte bis 354. Die Ostertage von 359 — 411
sind durch Berechnung gewonnen und fehlerhaft. Dagegen sind die Jahre von 355 — 358
xiehtig bestimmt; vgL Mommsen, Chronica 1 p. 62.
Hossi, Roma sotterranea 1 p. 120; 2 tab. III;
*V]gl. noch p. 198. In der zweiten wird ge-
lesen : Damast sui pappae euUor atque amator
Furius Dionyaius Filocalus scribsit; vgl. auch
Mommsen, Chron. min. 1 p. 15.
58 Der Chronograph Tom Jahre 854. (§ 796.)
V. Verzeichnis der Stadtpräfekten von 254 — 354. Die üeberschrifl; ist: er
temporibus Gallieni quis quantum temporis praefecUiram ürbis adminUtraverU, Wichtig
ist das Verzeichnis durch die Eonsularfasten, die es mitenth< seit 288 erscheinen andi
Antrittstage vermerkt.
VI. Depositio episcoporum. Item depositio martyrum, ein Verzeichnis der
Todestage und Begräbnisstätten der römischen Bischöfe und Märtyrer, das für die Chiisteit
Roms bestimmt war. Beide Verzeichnisse gehören zusammen. Das Verzeichnis der rÖiiD>
sehen Bischöfe beginnt mit dem Begräbnistage des Lucius 255, folgt dem Kalender (wie
auch die depositio martyrum) und reicht bis Silvester 335; es folgt ein Nachtrag von zwei
Päpsten, Marcus 336, Julius 352. Ueber die beiden Verzeichnisse als Grundstock der Martm-
logien vgl. Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen 1* (Berl. 1885) p. 58; Aehelii,
Die Martyrologien, Berl. 1900, p. 6. Im allgemeinen vgl. Rossi, Roma sotteiranea 1 (Bon
1864) p. 116; 2 (Rom 1867) p. UI.
VII. Ein Verzeichnis der röm. Bischöfe, von Christi Tod bis anf liberiu
(352—366). Es wurde unter Idberius redigiert, da es seinen Todestag nicht entliilt.
Der Quelle und der Behandlung nach zerfällt es in zwei Teile, von denen der eiate \m
230 reicht, der zweite die Zeit von 231 bis Liberius umfasst. Dem zweiten Teil Hega
kirchliche Aufzeichnungen zu Grunde. Viel schlechter steht es mit dem ersten Teil, der wä
die Chronik des Hippolytus zurtlckgeht (vgl. dagegen Döllinger, Hippolytas nnd KalUstoi
(Regensb. 1853) p. 67) und zum Teil auf Combinationen beruht Ueber den SLatalog t^
Lipsius, Chronologie der röm. Bischöfe, Kiel 1869, p. 40; G. Waitz, Neues Archi? fk
ältere deutsche Gesch. 4 (1879) p. 217; 9 (1884) p. 459; 10 (1885) p. 455; 11 (1886) p. 217;
Harnack, Chronol., Leipz. 1897, p. 149. Üeber das Bischofsverzeichnia als Grnndstock du
liber pontificalis vgl. Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen 1* p. 57. Trefflick
Ausg. von Duchesne, Le liber pontificalis 1 (Paris 1886); 2 (1892); vgl. Bd. 1 p. 2.
VIII. Ursprünglich nicht im Zusammenhang mit dem Chronographen stand eine CIitobL
welche uns in demselben in zwei Recensionen (11 u. VIII) Überliefert ist. Die eine mitar
No. II reicht von Caesar bis 539 n. Chr., ist lückenhaft und , versetzt*. Die voUstindiceR
Recension (VIII) behandelt nach einem Verzeichnis der Könige die Annalen von Caesar )m
403 und dann wieder von 455—496. Diese Chronik heisst nach dem ersten Heraos^el« |
Anonymus Cuspiniani. Da sie auf Ravenna als Entstehungsort hinweist, heisst sie aaeh I
consmaria Ravennatia; vgl. Frick, Chronica min. 1 p. 375. Ueber die verschiedenen Tcfli I
der Kompilation vgl. Kaufmann, Die Fasten von Constantinopel und die Fasten von Ri- f
venna (Philol. 42 (1884) p. 474). Ausserdem vgl. Fall mann, Gesch. der Völkerwandflnsg
2 (1864) p. 196; G. Waitz, Nachr. der Gott. Ges. der Wissensch. 1865, p. 81; Kaufmtu,
Philol. 34 (1876) p. 398 und p. 729; Seeck, Idacius und die Chronik von Constantiuml
(Fleckeis. Jahrb. 139 (1889) p. 601). Zur Ergänzung des Anonymus Cusmniani dient im
Excerptum Sangallense, welches die Jahre 390 — 573 umfasst; abgedr. von Rossi, Bnlletiii
di Archeologia Cristiana 1867, p. 17 und Kaufmann, Philol. 42 (1884) p. 484. Gegen da
Versuch Holder-Eggers (Neues Archiv für ältere deutsche Gesch. 1 (1876) p. 345), ii
Ravennater Fasten von 379—577 wiederherzustellen, wendet sich Kaufmann, Philol. Lc
IX. Es folgt eine Weltchronik unter dem Namen chronica Horosii, welche sA
an die Bibel anschliesst und im Jahre 834 abgefasst ist. Der Grundstock ist, wie ■■
bisher allgemein angenommen hat, eine lateinische Bearbeitung des Chronicon von H^pt*
lytus; vgl. Harnack, Gesch. der altchristl. Litt. I (Leipz. 1893) p. 626; Mommsen, Hemi
21 (1886) p. 142. Diese Ansicht wird aber neuerdings von Frick (Chronica minora 1 (Ld|a
1892) p. XXX) bestritten, es wird vielmehr behauptet, dass eine Kompilation ans deBMi
Alex. Strom. I, 21, 109 — 136 und Hippolyts Chronik vorliege; vgl. dazu Harnack p. M
Daneben existiert noch eine selbständige ältere Uebersetzung desselben Werks im sog. \km
generationis. Ueber die beiden Uebersetzungen vgl. Mommsen, Chronica minora 1 viO.
Eine dritte Form der Uebersetzung liegt vor in dem Chronicon Alezandrinnm; sie niil
sich in dem im Parisinus 4884 s. VIl/VIII überlieferten Barbarus Sciüigeri. Eäne Hai-
schrift vertritt auch die Kompilation Fredegars (vgl. Mommsen, Chronica 1 p. 781 ttv
welche zu vergleichen B. Kr u seh. Neues Archiv für ältere, deutsche G^sch. 7 (1882yaMI
u. 423 und H. Geiz er, Africanus 2 (1885) p. 2. Die Völkertafel wurde publiziert von lu«H>
Geograph! lat. min. p. 160.
X. Eine Stadtgeschichte Roms. Diese Chronik schliesst mit licinins* Tod (99
ab; sie umfasst die fabelhafte Königsgeschichte. Eingestreute Notizen werden aas SofllM
Buch de regibus stammen. Für die republikanische Zeit begnügt sich die Chnmik ^^tv
eine Reihe von Persönlichkeiten ohne alle Ordnung anzuführen. Die Regieronganit #*^
Kaiser, die mit Julius Caesar beginnen, ist genau bestimmt. Die Ereignisse, die raitjpli
werden, sind die für die Stadt Rom interessanten. In der Darstellung der alten Zciti
ein euhemeristischer Zug bemerkbar. Die Chronik bildet gewissermaasen einen Teil i
Wcltchronik und ist vielleicht in demselben Jahre (334) verfasst; vgl. Seeck 8p. 24801
Anrelins Victor. (§ 797.) 59
XI. Das Regionenverzeichnis von Rom. Es wurde in der constantinischen
t ein offizielles Verzeichnis der von Augustus eingeführten 14 Regionen der Stadt Rom,
rin zugleich Umfang, Bauten u. s. w. angegeben waren, angefertigt; über die Anhänge vgl.
figmann, Hermes 15 (1880) p. 211. Dieses Verzeichnis ist auf uns in zwei Recensionen
kommen, in der sog. notitia regionum und dem Curiosum urbis Romae regionum XIV
tn breviariis suis, a) Notitia regionum ist fiberliefert in den Handschriften der notitia
piitatnm sowie in unserem Chronographen. Ihre Abfassung fällt in die Jahre 334 — 357,
Jirscheinlich in das Jahr 834; vgl. Mommsen, Abb. p. 603. Die Ueberlieferung des
ronographen bietet den besten Text der ganzen Familie, ß) Das Curiosum flillt zwi-
lien 357 (vgl. Mommsen p. 603) und 403. Es gibt die gemeinsame Vorlage in treuer
»talt; vereinigt sind beide Recensionen im Laurentianus 89, 67. Femer wurde durch
Sätze aus der basis capitolina und Humanisten des 15. Jahrhunderts ein Kompendium
r römischen Topographie hergestellt. Auch unter dem Namen Sex. Rufus erscheint das
iriosum; diese Zuteilung ist wohl dadurch zu erklftren, dass das Curiosum auch in Hand-
liriften des Breviarium des Festus vorkommt; vgl. H. Jordan, Topographie der Stadt
im im Altertum 2, Berl. 1871; Forma Urbis Romae regionum XIV, Berl. 1874; Urlichs,
dex urbis Romae topographicus, Wttrzburg 1871; Otto Richter, Handb. der klass.
tertumsw. Bd. 3*, Abt. 8, 2. Hälfte (Mfinchen 1901) p. 6 u. 371.
Ueberlieferung. Der Chronograph ist uns durch keine Handschrift vollständig
erliefert» sein Bestand muss vielmehr aus mehreren Handschriften gewonnen werden. In
r Geschichte der Ueberlieferung laufen alle Fäden in einen Codex Luxemburgensis zu-
nmen, der in den Besitz von Peiresc kam und seit 1627 verschollen ist. Es besteht
Dfise Wahrscheinlichkeit, «quidquid ex corpore chronographi a. 354 hodie superest, pro-
iaci ex uno exemplari Luxemburgensi' (Mommsen, Chronica min. p. 33). Die Ableitung
r Handschriften musste auch in zwei Schichten erfolgt sein ; die erste Schicht wurde aus
m Luxemb. abgeschrieben, als er noch vollständig war. Es gehören hieher besonders
r Vindobonensis 3416 s. XV, die Excerpta des Sangallensis 878 s. IX, der Bemensis 108
128 8. X, bei dem wohl ein verstümmeltes Mittelglied anzusetzen ist. Die andere Schicht
tzt bereits eine Verstümmelung des Luxemb. voraus; hieher gehören der Bnixellensis
24 — 55 s. XVI und die in der Barberina XXXI 39 in Rom aufbewahrten Bilder, welche
iresc aus ihnen anfertigen liess; vgl. Mommsen, Chronica 1 p. 19; Duchesne, Le über
ntificalis 1 (Paris 1886) p. VI.
Litteratur. Ueber die älteren Ausg. vgl. Mommsen, Chronica p. 84. Grundlegend
die Mommsens, Ueber den Chronographen v. J. 354 (Abb. der sächs. Gres. der Wissensch.,
ipz. 1850), die der Abhandlung (p. 549) beigegeben ist (p. 611); neueste Ausg. von Mommsen
den Chronica min. 1 (Berl. 1892) p. 15. Vgl. jetzt auch Seeck, Pauly Wissowas Real-
cycl. 3 Sp. 2477.
4. Aurelius Victor.
797. Historia tripertita. Mannigfach, besonders in den Epochen
^r sinkenden Litteratur stellt sich das Bedürfnis geschichtlicher Ueber-
chten ein. Diesem Bedürfnis kann in zweifacher Weise entsprochen
erden. Man exzerpiert die Werke, welche die verschiedenen Perioden
»r Geschichte behandeln und verschmilzt dieselben zu einer einheitlichen
arstellung. Dieser Weg ist der gangbarste. Daneben gibt es aber noch
n zweites Verfahren, jenes Bedürfnis zu befriedigen ; es ist dies die Zu-
.mmenstellung von historischen Werken, welche verschiedene Zeiten be-
mdeln, zu einem Ganzen; damit erhalten wir neben der Epitome das
)rpus. Unsere Periode weist ein solches Corpus auf, das wir, da es
'oi Teile in sich schliesst, vielleicht passend als historia tripertita be-
dehnen können. Die Grundlag-e dieses Corpus waren die Caesares des
arelius Victor, welche die Kaisergeschichte von Augustus bis 360 dar-
ellen. Die Aufgabe des Redaktors bestand zunächst darin, dem Werke des
arelius Victor eine Geschichte der Republik und der Königszeit vorauszu-
hicken. Er wählte ein Büchlein mit dem Titel de viris illustribus, das in der
3rm der Biographie gehalten war und daher sich gut der Kaisergeschichte
ipasste. Aber damit hatte sich der Sammler noch nicht genug gethan;
; gab eine reiche Litteratur über die Anfänge Roms und der italischen
60
AnreliQB Victor. (§ 797.)
Geschichte, welche besonders durch Vergils Aeneis hervorgerufen wurde.
Der Redaktor hatte selbst auf diesem Gebiete gearbeitet. Es ist daher
nicht verwunderlich, dass er auch diesen Zweig der historischen Forschung
berücksichtigte. Er wählte ein anonymes Schriftchen mit dem Titel origo
gentis romanae aus und schickte dasselbe seinem Corpus als Einleitung
voraus. Für seine Auswahl mögen die vielen in dem Büchlein citierten
Autoren massgebend gewesen sein; denn dass diese Eindruck auf ihn
machten, geht daraus hervor, dass er mit denselben in dem Titel seines
Corpus prunkte. Doch musste der Redaktor, um unser Schriftchen anzu-
gliedern, Streichungen vornehmen und zwar am Ende der origo und am
Anfang der viri illustres.
Das Corpus hat zweien der drei Schriften, der origo und den Cae-
sares, die Fortdauer gesichert. Sie erscheinen nicht ausserhalb des Corpus.
Dagegen ist das Büchlein de viris illustribus auch für sich überliefert und
wird nicht selten in den Handschriften mit Plinius in Verbindung gebracht.
Von den uns nur durch das Corpus erhaltenen Schriften lassen sich auch
Nachwirkungen aufzeigen. Die Caesares wurden in den ersten elf Ka-
piteln von einem späteren Darsteller der Kaiserzeit benutzt; es ist dies
die sogenannte Epitome Caesarum, welche deshalb in der Regel mit den
Ausgaben der Historia tripertita verbunden wird und die wir daher auch
hier mit besprechen wollen. Die origo wird zwar von keinem Schrift-
steller erwähnt, allein wir finden ihre Spuren in der Historia romana des
Paulus Diaconus, und vielleicht ist der Titel unserer Schrift auch Vorbild^)
gewesen für den Titel origo gentis Langobardorum.*)
Das Corpus der historia tripertita. Der Redaktor gibt über seine ThAtigkeü
folgende Auskunft (Sepp p. V): Origo gentis romanae a Jano et Saturno coftditoribua, per suc-
cedentes sibimet reges, usque ad consulatum deeimum Constantii, digesta ex auetoribus Verrio
FlaceOy Antiate ut quidem idem Verrius maluit dicere quam Antia tum ex annalibus pontifieum;
dein Cincio Egnatio Veratio Fabio Pietore Licinio Marco Varrone Caesare Tuberone, atque
ex omni priscorum historia; proinde ut quisque Neotericorum asseveravit, hoc est et Ldviui
et Victor Afer. Hier werden deutlich die drei Teile des Corpus unterschieden: 1. die ori^
durch die in derselben benutzten Autoren; 2. die Schrift de viris illustribus durch LivioB;
3. die Caesares durch Victor Afer. Der Redaktor glaubt also, dass das Büchlein de viris
illustribus aus Livius, der dem späteren Geschlecht fast als die einzige Quelle der republika-
nischen Zeit giltf geschöpft sei, die Caesares bringt er mit Victor in Verbindung. Liyii»
und Victor sind ihm gegenüber den alten Autoren der origo neoterici; vgl. Jordan, Hermes
«S (1869) p. 404. Die origo schliesst in ihrer gegenwärtigen Gestalt mit der Erwähnung der
verschiedenen Ansichten über den Ausgang des Streites zwischen Romulus nnd Remos.
Da dieser Streit auch im ersten Kap. der viri illustres vorkam, liess der Redaktor dieses
erste Kap. weg und stellte einen Uebergang zwischen dem Schluss der origo, den er auch
kürzte (vgl. Mommsen), und dem 2. Kap. der viri illustres mit folgenden Worten her:
Sed horum omnium opinionibus diversis repugnat nostrae memoriae procJamans historia
TAviana, qtiae testatur, quod auspicato Romulus ex suo nomine Romam vocavit, eumque
muniret moenibus^ edixit, ne quis Valium transiliret. quod Remus irridens transUuit, et a
Celere centurione rutro vel rastro ferreo (Schott: fertur) occisus. An diese Worte schliesst
sich das 2. Kap. der viri illustres an. Nach der Schrift de viris illustribus folgt die Sab-
scriptio: Finit prima pars huius operis, incipit secunda Aurelii Victoris. Die Ueberschrift
der Caesares lautet, wenn man von unwesentlichen Discrepanzen absieht, im Bruxellensis
und Oxoniensis so: Aurelii Victoris historiae abbreviatae ab Auguslo Octaviano, id est a
fine Tili Livii usque ad consulatum deeimum Constantii Augusti et Juliani Caesaris ttrtium,
— Aus diesem Thatbestand ergeben sich folgende Schlüsse: 1. dass der Redaktor 3 Schriften
zu einem Corpus verband; 2. dass von diesen 3 Schriften nur eine auf einen bestimmten
») Mommsen, Hermes 12 (1877) p. 408.
*) Die Schrift steht Monumenta Ger-
maniae historica (Scriptores remm Longo-
bardicarum et Italicarum s. VI — IX) p. 1.
AureUna Victor. (§ 798.)
61
Autor zurQckgeftÜirt war, während die zwei anderen keinen Verfassemamen tragen ; 3. dass
der Redaktor nach dem Jahre 360 und zwar, wie es scheint, nicht lange nach demselben
sein Corpus zusammenstellte, da er doch wohl die Geschichte bis a,vd seine Zeit geben
wollte; 4. dass der Redaktor nicht der Verfasser der origo war; denn in diesem Fall hätte
er sie doch wohl vornherein der Schrift de viris illustribus angepasst.
Die Ueberlieferung des Corpus. Die 3 Schriften des Corpus sind zusammen
aberliefert durch den BruxeUensis 9755 — 63 s. XY (Ende) und den Oxoniensis Canonic. 131
8. XIV. XV, einst im Beratz des Kardinal Bessarion. Die erste Handschrift wurde zum ersten-
mal benutzt von Andreas Schott in seiner Ausg. der 3 Schriften, Antwerpen 1579. Er
hatte sie von Th. Pulmann erhalten. Von da an blieb sie verschollen, bis Th. Mommsen
im Jahre ld50 sie in der Bibliothek zu Brüssel wieder auffand; vgl. Mommsen, Berl.
Sitzungsber. 1884 p. 952; Roth, Zu der Schrift de origine gentis romanae (Jahns Jahrb.
19 (1853) p. 814). Auch der Oxoniensis wurde erst in neuester Zeit durch H. Hildes-
heimer und A. Cohn bekannt; letzterer hat auch die Varianten in seiner Schrift „Quibus
ex fontibus S. Aurelii Victoris et libri de Caesaribus et Epitomes undecim capita priora
fluxerint" veröffentlicht; vgl. Mommsen p. 953. Beide Handschriften stammen aus ein und
derselben Quelle; vgl. die LQcke Caes. 34, 7. Durch den Oxoniensis werden verschiedene
Lücken des BruxeUensis ausgefüllt. — Haverfield, Journal of philology 15 (1886) p. 161;
Opitz, Die Handschriften der Caes. des A. V. (Fleckeis. Jahrb. 133 (1886) p. 140).
Ausg. des Corpus. In den Ausg. wird mit den 3 Schriften des Corpus noch die
Epitome verbunden. Aeltere Ausg. sind die von A. S c h o 1 1 , Antwerpen 1 579 ; S. Pitiscus,
Utrecht 1696; J. Arntzen, Amsterdam 1733; J. F. Grüner, Coburg 1757; F. Schroeter,
Leipz. 1829-31.
798. Die origo gentis romanae. Dem Büchlein, das die italische
Sagengeschichte behandelt und besonders für den Aeneasmythus von
Wichtigkeit ist, war kein freundliches Geschick beschieden. Das Ver-
dammungsurteil des grossen Historikers Niebuhr, der es für eine Fälschung
der Humanistenzeit erklärte, lastete schwer auf demselben. Das Werk-
chen blieb fast unbeachtet abseits liegen. Mit der Zeit erkannte das un-
befangene Auge der Forscher den FehlgriflF des berühmten Kritikers; die
origo wurde wieder dem klassischen Altertum zugewiesen. Allein ein
neuer Bannstrahl, von dem es betroffen wurde, hemmte wiederum die
richtige Würdigung. Man erklärte nämlich die Citate für gefälscht, und
wiederum war es eine gewichtige Autorität, nämlich die Mommsens, welche
das Ansehen des Büchleins untergrub. Für einen Fälscher, wenn er auch
der antiken Welt angehörte, konnte natürlich das Interesse der Philologen
kein grosses sein. Versuche, dem neuen Bannstrahl entgegenzutreten,
fruchteten nicht viel, weil sie über das Ziel hinausschössen und die Schrift
dem Verrius Flaccus zuteilen wollten. Allein, wenn nicht alles trügt, wird
sich mit der Zeit die richtige Ansicht von dem Büchlein durchringen. Die
Annahme, dass die Citate gefälscht sind, muss zu Voraussetzungen greifen,
welche an und für sich unwahrscheinlich erscheinen. Keiner der citierten
Autoren erweist sich von vornherein als unmöglich. Auch die Reichhaltig-
keit der Quellenangaben darf uns kein Bedenken einflössen, da der Autor
sich nach ausdrücklicher Angabe schon früher mit einer Ursprungsgeschichte
befasst . hat. *) Der Autor wird kurz vor Hieronymus gelebt haben, da
wir verwandte Züge der Ursprungsgeschichte bereits bei ihm vorfinden.*)
Ansichten aber die origo. Niebuhr spricht seine Ansicht über die Fälschung
des Bfichleins in seinen Vorträgen über rOm. Gesch., herausgegeben von Isler 1 (Berl 1846) p.34
also ans: , Durch die Aehnlichkeit, die das Buch mit Fulgentius, mit dem Scholiasten zum
*) 1, Ö quare addiderit tutus suo loco
plenissime cuinaiavimus in commentatione,
quam occepimus scribere, cognita ex eo lihro,
qui inseriptus est de origine patavina.
^) Ueber die spätere Ausbeutung und
Benutzung der origo vgl. Manitius, Philo-
logisches aus alten Bibliothekskatalogen
(Rhein. Mus. 47 (1892) Ergänzungsh. p. 152).
62 Anrelias Victor. (§ 798.)
Ibis und anderen Auslegern der Zeit hat, die ebenfalls bekannte und unbekannte Schrift-
steller citieren, könnte man veranlasst werden, den Verfasser in dieselbe Zeit, das f&nfke
oder sechste Jahrhundert, zu setzen. Allein das ganze Buch ist eine Erdichtung der neueren
Zeit, nicht von Schottus selbst, sondern von einem Betrüger, wie es deren zu Ende des
f&nf zehnten Jahrhunderts so manche gab.* Die Niebuhrsche HTpothese wird zurück-
gewiesen von Mähly, De auctore libelli, qui inscribitur de origine gentis romanae (Jahns
Jahrb. Supplementbd. 18 (1852) p. 132); vgl. dazu Roth, Zu dem Schriftchen de origine
gentis romanae (Jahns Jahrb. Supplementbd. 19 (1853) p. 314); von Jordan, üeber das
Buch origo gentis romanae (Hermes 3 (1869) p. 389); vgl. dazu Catonis, quae eztant,
Leipz. 1860, p. XXIX; Opitz, Zu der Schrift origo gentis romanae (Rhein. Mus. 29 (1874)
p. 186) und Mommsen, Zu der origo gentis romanae (Hermes 12 (1877) p. 401). Die
Unmöglichkeit der Niebuh rschen Ansicht ergibt sich schon daraus, dass Pamus Diaconus
die origo bereits benutzte; vgl. Mommsen p. 405. Vielleicht kommen wir aber noch weiter
zurück, da Hieronymus in seinen Zusätzen zur Chronik des Eusebius eine historia latina
benutzte, die von Janus bis auf Romulus' Tod gereicht hatte; vgl. Mommsen p. 408 und
dazu Enmann, Philol. Supplementbd. 4 (1884) p. 490. Nachdem die Annahme der mo-
dernen Fälschung gefallen war, handelte es sich darum, die Zeit des Autors zu fixieren.
Mähly (p. 152) und Jordan (p. 390) nehmen an, dass die Schrift im 5. oder 6. Jahrh.
entstanden sei. Diese Zeit wird wesentlich dadurch bestimmt, dass beide Grelehrte den
Ordner des Corpus zugleich für den Verfasser der origo halten; allein diese Ansicht ist,
wie wir bereits sahen, durchaus fem zu halten. Die Möglichkeit einer früheren Entstehung
(in der Zeit vor Hieronymus) ist von Mommsen 1. c. angedeutet worden. Am weitesten
geht zurück nach dem Vorgang Sepps (praef. zur 1. Ausg. p. IV) Baehrens, Zur origo
gentis romanae (Fleckeis. Jahrb. 135 (1887) p. 778), der die Schrift auf den berühmten
Gl^rammatiker Verrius Flaccus zurückführen und demgemäss die einleitenden Worte so ge-
stalten will, dass er liest: digesta Verrio Flacco ex auctoribus Antiate eic. Allerdings sidit
er das Schriftchen nur als einen Auszug aus des Verrius Schrift an und begegnet sieh
hierin mit Mommsen (p. 408), der die Schrift ebenfalls als einen Auszug betrachtet Wie
Niebuhr, so irrt auch Baehrens. Das Büchlein gehört einer späteren Zeit an, wie schon
manche Spuren der sinkenden Latinität verraten; vgl. Beck, De sermone libelli «origo
gentis romanae** adnotatiunculae (Mnemos. 1894 p. 340). Ich neige mich zu der Ansicht,
dass der Schriftsteller kurz vor Hieronvmus lebte; auch Beck spricht sich neuerdings dafDr ;^
aus; er nennt (p. 339) ihn: „sed Diocletiani fere vel Lactantii et Hieronymi aequiws* und ^,
sagt an einer anderen Stelle (p. 340): „Haec origo condita est post Apulei aetatem et ante
chronicon ab Hieronymo latine versum et auctum**. Freilich statuiert Beck (p. 888} noch
eine Ueberarbeitung des Schriftchens, indem er sagt: «Agnosco duas manus, qoamm alten
grata simplicitate proposuit antiquae urbis fata, altera in describendo vel excerpendo omnia
suis flosculis coDspersit**. Rotter, De auctore libelli de origine gentis romanae, Crottbos 1858
ist mir nicht zugänglich.
Die Quellencitate der origo. Vgl. den Index bei Jordan p. 398 und bei Sepp,
Ausg.^ p. 48. Der Titel nennt eine Reihe dieser Autoren. Es ist jedoch im Auge in oe-
halten, dass im Text noch andere Autoren erscheinen, dann dass von den ««genannten An-
toren Verrius Flaccüs, Varro und Veratius im Texte nicht angeführt werden (lälerdings wird
gegen die Ueberlieferung Veratius 7, 1; 22, 2 eingeschoben). Wir geben im Folgenden eine
üebersicht der Citate, wobei wir von Homer, Vergil, Sallust, Plautus und Ennius abaehen.
Bekannte Schriftsteller sind: 1. Fahius Pictor libro primo 20, 1 (§ 64); 2. CkUo in ari^m
generis romani 12, 5, in originibus 15, 5 (§ 68); 8. Cincii secundo 17, 3; Lucius Ci»-
ciu8 libro primo (Sepp: secundo) 18, 1 (§ 64, 2); 4. Cassius libro primo 6, 7, wohl L. Cas-
sius Hemina (§ 71); 5. Sextiis Gellius in origine gentis romanae 16, 4; in der Ausg. Sepps
wird für Sextus gesetzt: Cnaeus, um den bekannten Annalisten (§ 71, 4) zu erhalten; da
der Oxoniensis Sextus Gallius darbietet, so will Baehrens p. 775, Anm. 10 Sextius ChUut
lesen, der aus Gic. pro Mil. 31, 86 bekannt sei, wobei er noch darauf hinweist, dass ein
SextiuSj der über die Argiver von Tibur schrieb, bei Solin. p. 33, 4 M. erscheine; 6. Piso tnM
13, 8; epitomarum Pisonis secundo 18, 3; ut scribunt .... Acilius Piso 10, 2, wo aber ohne
Zweifel Acilius et Piso zu lesen ist; über den Annalisten L. Calpumius Piso Fmgi r^
g 71, 2 und über C. Acilius § 64, 5. 7. Licinius Macer libro primo 23, 5; vgl. noch 19,5
(§ 112, 3). 8. Valerius Antias libro primo 19, 4; vgl. 21, 1: Valerius tradU (§ 112, 2). 9. Sm-
pronius 10, 4; ob Sempronius Asellio § 72? 10. Tuberonis primo 17, 3 (§ 112, 4). 11. F«-
nonius 20, 1 (§71, 5). Die Annalen werden an folgenden Stellen citiert: wt seripium ni
in nnnalium pontificum quarto libro 17, 3; vgl. 17, 5; 18, 3. — Können diese Namen leicht
identifiziert werden, so stossen wir auf Schwierigkeiten bei folgenden citierten Autoren:
1. Alexander Ephesius libro primo belli Marsici 9, 1; man denkt an Alexander mit dem
Beinamen Lvchnos; vgl. Christ, Gesch. der griech. Litt, München' 1898, p. 588; Maehly
p. 142; Jordan p. 402. 2. Vulcatius 10, 2. Da es in der Stelle Vulcatus et Acüiu$ Fi»
heisst, so will Roth Vultacilius et Piso (§ 115) lesen; Jordan (p. 402) möchte dagegen
AnrelinB Victor. (§ 799.) 63
lesen IaUgHus et Aeilius et Piso, 3. M, Octaviua libro primo 12, 2; vgl. 19, 5. Bekannt
ist Mn Historiker Octayius Mnsa § 881. 4. Lutatius libro secundo 11, 8; libro tertio 18, 7;
18, 1 ; Tgl. 9, 2. Die Citate werden ans den communeB historiae des Q. Lutatius Catolus (§ 78)
stunmen. 5. Julus Postumius in eo volumine, quod de adventu Äeneae conscripsit atque
edidii 15, 4. Auch Serv. z. Yerg. Aen. 9, 710 citiert Posiumius de adventu Aeneae; gemeint
wird sein A. Postomios Albinos (§ 64, 4). 6. Egnatim libro primo 28, 6; Macrob. sat. 6, 5, 2
EgnatiuB de rerum natura libro primo (§ 110). 7. Veratius wird, wie bereits gesagt, in dem
ans fiberlieferten Texte nicht genannt, aber von Sepp an folgenden zwei Stellen einge-
schoben: Veratii libris pontificalium 7, 1, libro secundo pontificalium 22, 2. Nun lesen wir
bei Macrob. sat. 8, 6, 14 Veranius pontificalium eo libro quem fecit de supplicationibus. Aber
die UeberUefening gibt folgendes: Veraeiua pontifilie in eo P, Veratius pontificalis in eo B.
Da nun orig. c. 8, 2 dasselbe erzählt wird, wie hier, so haben wir es bei beiden Schrift-
stellern mit demselben Antor zu thun. Obwohl auch 8, 5, 6 Veranius in pontificalibus
fuaesiionibus die ursprüngliche Ueberliefening auf Veratius fahrt, wird doch nach 3, 2, 3;
8, 20, 2 und Fest. 289 Veranius der richtige Name sein und daher auch in unserer Ueberschrift
richtig am setzen sein (§ 200). 8. Domitius libro primo 12, 3; 18, 4; vgl. 12, 1. Maehly
(p. 143) identifiziert denselben mit DomitiOf homini docto celebrique in urbe Roma grammatieo
(Grellius 18, 7). Baehrens (p. 776) meint, dass er der Konsul des Jahres 54 v. Chr., L. Do-
mitias Ahenobarbus war. 9. Aufidius sane in epitomis 18, 4. Dieser Aufidius kann iden-
tisch sein mit dem von Cic. Tnsc. 5, 38, 1 12 erwsäinten Verfasser einer römischen Geschichte
in griechischer Sprache, Cn. Aufidius (§ 113, Anm. 2), nicht mit Aufidius Bassus (§ 440, 2).
10. Lucius Caesar libro primo 15, 4. Mit dem Pränomen wird Lucius Caesar auch genannt:
ut scribit Lucius Caesar in libro secundo 18, 5. Ohne Pränomen erscheint dagegen Caesar
an folgenden Stellen: ut scribit Caesar libro primo 11, 3; ut scribit Caesar pontificalium
libro primo 9,6; tU scriptum est in .... Caesaris secundo 17,3; Caesar secundo 20,3;
vgL auch 15, 5. Ohne Bnchangabe wird Caesar angeführt: 14, 4. Wahrscheinlich ist 16, 4
statt Caius Caesar in den Text Lucius Caesar zu setzen, was Sepp auch gethan. Wir
kennen einen Auguralschriftsteller Lucius Caesar (§ 200); es steht nichts im Weg, dass
derselbe auch pontificalis libri geschrieben; vgl. über ihn Jordan p. 401 und Baehrens
p. 775. — Bei diesem Thatbestand dürfte es schwer sein, die Vorstellung von den er-
dichteten Citaten aufrecht zu erhalten und mit Recht lehnen Sepp, Baehrens und neuer-
dings Beck (p. 839) diese Vorstellung ab, gegen die bereits ein so ausgezeichneter For-
scher wie Rnbino (Beitr. zur Vorgeschichte Italiens (Leipz. 1868) p. 107 Anm.) Front macht.
Die eine oder die andere Schwierigkeit, die noch übrig bleibt, wird sich lösen lassen; so
z. B. der Widerspruch zwischen der origo und Servius über die Aeneassage bei Cato; vgl.
Maehly p. 184; 149 und dagegen Baehrens p. 770.
Sonderausg. von Schott, Douay 1577; Sepp, München 1879 und Eichstädt 1885.
799. De viris Ulustribus urbis Bomae. Das Büchlein verfolgt das
Ziel, eine Geschichte der Königszeit und der Republik in Biographien zu
geben; es zieht daher auch manchen Nichtrömer heran, wenn sein Ein-
greifen in die römische Geschichte von Wichtigkeit geworden ist. Mit
dem Albanerkönig Procas beginnt die Darstellung, welche in 86 Kapiteln
bis M. Antonius reicht. Doch darf nicht übersehen werden, dass die
letzten 9 Kapitel nur durch das Corpus überliefert sind. Wenn es auch
in der Natur der Sache liegt, dass das Ziel, eine üebersicht der römischen
Geschichte in der Königszeit und der Republik zu geben, nur unvollkommen
erreicht werden kann, so gewahren wir doch Lücken, welche mit dem
angedeuteten Plane gänzlich unvereinbar sind. So fehlen Biographien,
z. B. die von Crassus und Jugurtha, welche unmöglich fehlen können.
Auch in den einzelnen Biographien stösst man auf Unklarheiten und Un-
gleichheiten in der Ausführung, welche nur durch Weglassungen und Zu-
sammenziehungen entstanden sein können. Auch aus dem Stil des Büch-
leins blickt die Epitome heraus. Wenn man nun weiter erwägt, dass
Ampelius, der in gewissen Partien mit unserem Auetor zusammengeht,
hier manches bietet, was wir in den viri illustres vergebens suchen, so
dürfte der Satz, dass uns in dem Büchlein eine Epitome vorliegt, keinem
begründeten Zweifel mehr unterliegen. Der Wert desselben ruht darin.
64 Aarelias Victor. (§ 799.)
dass es uns eine Ueberlieferung gibt, welche von Livius unabhängig ist.
Wir finden bei ihm auch eine Reihe von Thatsachen, die durch ihn allein
bezeugt sind. >) Es dürfte daher sehr wahrscheinlich sein, dass der Autor
in letzter Instanz auf eine Quelle zurückgeht, welche vor Livius liegt.
Sowohl der Autor als der Epitomator des Büchleins sind unbekannt.
Wenn die Schrift mit dem jüngeren Plinius oder mit Aurelius Victor in
Verbindung gebracht wird, so kann der Irrtum dieser Ansichten leicht
gezeigt werden.
Die Autorschaft. In der selbständigen Ueberlieferung wird das Schriftchen in
der Regel dem jüngeren Plinius zugeteilt. Diese ZuteUung beruht wohl auf der missver-
standenen Stelle epist. 6, 20, 5 poseo librum Tili Livi et qtiasi per otium lego adque etiam,
ut eoeperam, excerpo- Dass unser Werk keinen Auszug aus Livius darstellt, ist zweifellos.
Auch würde Plinius, wenn er ein solches Werk verfasst hätte, nicht über dasselbe völlig
schweigen. Auch mit Aurelius Victor haben die viri illustres nichts zu thon. Schon aus
der Ueberschrift des Corpus werden, wie wir bereits oben gesehen haben, die Caesarea des
Aurelius Victor von den viri illustres scharf geschieden. Auch ist der Stil in beiden Werken
ein völlig verschiedener. Femer liegt ein Gegenbeweis vor in dem Widersprach de vir.
ill. 79, 6 und Caes. 1, 7. Wenn es in der Subscriptio der viri illustres heisst: Finü prima
pars huius operis, incipit secunda Aurelii Victor, so ist klar, dass die Worte Aurelii Vietw
verbessert werden müssen in Aurelius Victor; vgl. Opitz, Quaest. de Sex. Anrelio Vic-
tore p. 208.
Die Schrift als Exzerpt. Die Interpolationen, üeber die Exzerptenfrage
handelt am eingehendsten Enmann p. 469. Er verweist für den epitomatorischen Cha-
rakter besonders auf die Biographie Sullas (c. 75) und auf das Leben des Pompeius (c. 77 j;
vgl. auch Hildesheimer p. 55; Vinkesteyn p. 86. — Ueber die Interpolationen v^
Hildesheimer p. 55 und Enmann p. 471; vgl. besonders c. 35. Ueber die Zusätze in
Bruxellensis in der Historia miscella vgl. Wijga, Ausg. der viri ill. p. 7.
Die Quellen der viri illustres. Wir geben zunächst eine Geschichte der Quellen-
frage. Borghesi (Oeuvres 1 p. 1) behauptet, dass die Biographien der viri ill. in letzter
Instanz auf die Inschriften (elogia) der Statuen zurückgehen, welche auf dem Forum des
Auguätus aufgestellt waren. Von neueren Gelehrten billigt Enmann (p. 485) die Ansicht
Borghesis; vgl. dagegen Vinkesteyn p. 4. Auch G. Schoene (Die Elegien des Augusti»-
forum und der liber de viris illustnbus urbis Romae, Cilli 1895) gehört hieher; er meint,
dass Augustus für seine Elegien Atticus benutzt habe und dass 47 Kapitel der viri ill. eben-
falls auf Atticus zurückgehen, während die übrigen mehr die Richtung Varros verfolgen,
dass aber diese beiden Quellen nicht direkt herangezogen seien. Mommsen, Hermes 1
(1866) p. 168 = Rom. Forsch. 2 (1879) p. 430 regte die Frage an, ob nicht überhaupt ftr
diejenigen Bestandteile der Schrift de viris ill., die nicht aus Livius entlehnt sind, Antiaa
die Hauptquelle gewesen ist. Allein nach der Mitteilung Jordans (Hermes 6 (1872) p. 207)
gab Mommsen späterhin diese Ansicht auf und stellte sich auf die Seite derer, welche
in Cornelius Nepos die Hauptquelle erblicken. Einen anderen Annalisten brachte Alden-
hoven (Hermes 5 (1871) p. 153) auf, indem er schreibt: „es scheint mir nicht zweifel-
haft, dass die Annalen des Calpumius Piso als Hauptquelle für das erste Buch des Livios
anzusehen sind und somit auch der Erzählung des Victor zu Grunde liegen **. Wölfflin (De
Lucii Amp. libr. memor. quaest. crit. et bist., Gott. 1854, p. 35) nannte zum erstenmale Hygin
als die gemeinsame Quelle des Ampelius und unseres Anonymus. Doch war von den ge-
nannten Gelehrten die Quellenfrage nur nebenbei behandelt worden, zum erstenmale wurde
der Gegenstand in systematischer Weise von H. Haupt (im Jahre 1876) untersucht. Der-
selbe stellt den Satz auf, dass unserer Schrift nur eine biographische Hauptquelle za Grande
liege, und dass nur wenige Biographien und Zusätze aus IJvius oder anderen Schriftatelleni
hinzugekommen seien (p. 12). Als diese biographische Quelle erkennt er Comelina Nepos.
Das Verhältnis des Ampelius und des Anonymus bestimmt er dahin, dass auch Ainpeliiis
in gewissen Partien seines Werks aus Cornelius Nepos geschöpft habe (p. 27). Die Ueber-
einstimm ung des Florus und des Anonymus führt er auf Gemeinschaft der Quelle zurflck
(p. 18). Für Cornelius Nepos sprach sich auf Grund einer Vergleichung mit Plutarch auch
Soltau aus (Nepos und Plutach, Fleckeis. Jahrb. 153 (1896) p. 125). Ein Pendant zur Diss.
Haupts bildet die im Jahre 1880 erschienene Diss. Hildesheimer s. Er nimmt für den
grössten Teil unserer Schrift Hygin als Quelle an, nur die Kapitel 9, 14, 22 leitet er ans
Livius ab. Aber nicht direkt sei Hygin benutzt, sondern in einer mit Benutzung des Florus
^) Hildesheimer p. 57.
AnreliiiB Victor. (§ 800.) 65
erfolgten Umarbeitong, aas der auch Ampelius und andere Autoren schöpften. Die Hypo-
these von Hygin als Quelle steht aber auf sehr schwachen Ffissen. — Im Jahre 1882 griff
Rosenhauer in die Frage ein. Während durch Haupt und Hildesheimer alles Schwer-
gswicht auf eine biographische Hauptquelle gelegt wurde, suchte Rosenhauer nachzu-
«sisen, dass ausser Biographien in dem Anonymus auch ein historisches Werk und eine
Betspielsammlung verwertet worden seien (p. 19 und 27). Das Verhältnis des Florus und
QBseres Autors bestimmt Rosenhauer dahin, dass beide denselben Historiker zu Rate
logen (p. 10). Auch die Uebereinstimmung des Ampelius und des Anonymus führt er auf
die Benützung desselben Historikers und derselben Biographien zurück (p. 25). Von der
grOssten Wichtigkeit in der ganzen Frage ist der Nachweis Rosenhauers, dass Livius nicht
benatst sei (p. 35). — Auf dem Standpunkt einer Mehrheit von Quellen steht Enmann,
der im Jahre 1883 an das Problem herantrat (p. 485). Der letzte, der sich in die Quellen-
ftage unseres Autors einliess, ist Vinkesteyn. Nachdem er zuerst versucht hatte, alle
Kuerigen Ansichten zurückzuweisen, stellte er seine eigene Hypothese auf. Auch er hält
dirmii fest, dass unser Autor und Ampelius aus einer gemeinsamen Quelle schöpften (p. 40).
Aneh Florus habe manchmal diese Quelle zu Rate gezogen. £r hält weiter daran fest,
ds88 unser Büchlein ein Exzerpt sei. Als die gemeinsame Quelle bezeichnet er einen nicht
liher bestimmbaren Historiker, welcher die Geschichte der Eönigszeit und Republik in
üogrmphiBcher Form dargestellt habe. Damit ist aber die Untersuchung im Sand verlaufen.
Litteratur. H. Haupt, De auctoris de viris ill. libro quaest. bist., Würzb. 1876;
I- Hildesheimer, De libro qui inscribitur de viris ill. urbis Romas quaest. bist., Berl.
880; Tgl. H. Haupt, Philol. Anz. 10 (1880) p. 402; J. Rosenhauer, Symbolae ad quaest.
e fontibus libri qui inscribitur de viris Ul. urbis Romae, Kempten 1882; Enmann, Eine
erlorene Gesch. der röm. Kaiser und das Buch de viris ill. urbis Romae (Philol. Supple-
lentbd. 4 (1884) p. 460); C. J. Vinkesteyn, De fontibus ex quibus scriptor libri de viris
1. urbis Romae hausisse videtur, Leiden 1886.
Ueberlieferung. Zwei Ströme der Ueberlieferung sind zu unterscheiden; die
dirift erscheint nämlich einmal im Corpus der Historia tripertita, dann auch für sich selb-
Andig. In erster Beziehung teilt sie oie Schicksale des Corpus, in dem sie steht. Das-
»Ibe ist aber, wie wir bereits gesehen, durch den Bruxellensis und Oxoniensis überliefert.
B kommt sonach hier nur die selbständige Ueberlieferung in Frage. Die beiden Ueber-
Bferungskanäle unterscheiden sich dadurch von einander, dass die Kapitel 78 — 86 am Schluss
I der selbständigen Klasse fehlen, während in dem Corpus 1 und 16 vermisst werden. Die
dbstindige Klasse zerfällt wieder in zwei Familien; die bessere schliesst 77, 9 mit den
Porten ad PtoUnuieum Alexandriae; sie wird repräsentiert durch den Laurenüanus 58, 29
ad Londiniensis mus. Brit. Bum. 231, dem wohl auch Leop. Med. 181 hinzuzufügen ist.
ie achlechtere Familie führt c. 77 zu Ende, aber in anderer Weise als das Corpus. Sie
st für die Textkritik keine Bedeutung; vgl. Wijga praef. p. 5. — Ueber die Handschrift
18 der Augsburger Stadtbibliothek aus dem Jahre 1466 vgl. Helmreich, Philol. 39 (1880)
. 161. Sie stimmt vielfach mit Laur. 68,29 überein; eine Collation bei Helmreich 1. c.
. 162, p. 549 und Philol. 40 (1881) p. 167. — Eine Vergleichung des Bruxellensis 9755,
Mir. 47, 32 und Vaüc. 4498 gibt Hildesheimer 1. c. p. 81.
Spezialausgaben. Für Schulen bearbeitet von Brohm, Leipz.' 1860; mit Com-
lentar und Beitr. zur Textkritik von E. Keil, Breslau' 1872. Kritische massgebende Ausg.
m J. R. Wijga, Diss. Groningen 1890; vgl. dazu Opitz, Comment Woelfflinianae, Leipz.
^l»p. 863 und Helmreich, Philol. 52 (1894) p. 560. ZurErläuterungvgl.nochPetschenig,
rcfa. für lat. Lexikographie 8 (1893) p. 140; Heraeus, ebenda 9 (1896) p. 134 (colligere,
Uere). Zu c. 42 (Grab Hannibals) vgl. Hülsen, Beri. philol. Wochenschr. 1896 Sp. 28;
. Schwab, ebenda Sp. 1661.
800. Die Caesarea des Aurelius Victor. Während die Verfasser der
Rrei ersten Schriften unbekannt sind, nennt uns das Corpus als den Ver-
is&er der dritten Schrift, der Caesares, Victor Afer. Dass der Historiker
£rikaner war, ergibt sich aus seiner Darstellung des aus Afrika stammenden
Bptimius Severus, den er als seinen Landsmann behandelt. Aus den
eberschriften der Caesares und der Epitome gewinnen wir als vollen
Famen Sextus Aurelius Victor. Sein Büchlein reicht bis zum Jahre 360,
nd in demselben Jahre, noch unter der Regierung des Constantius, ist
B auch abgefasst. Wie der Schriftsteller selbst sagt, stammt er aus einer
ürftigen, ländlichen Familie, konnte aber mit einem gewissen Stolze^)
^) Aus mancher Aeusserung geht hervor, wie hoch dem Historiker die litterarische
Rmndbnoh der klaoa. AltertamswlaMnioliAft. VUI. 4. 5
66 AureUnB Victor. (§ 800.)
auf seine fleissigen Studien hinweisen. Auch sollte er bald aus seiner
niedrigen Lage herausgerissen werden. Als Julian gegen Gonstantios im
Jahre 361 zu Felde zog, machte Victor seine Bekanntschaft. Der Kaiser
seheint Gefallen an dem Historiker gefunden zu haben, denn er liess ihn I
bald zu sich nach Naissus entbieten und übertrug ihm die Verwaltung der
Pannonia secunda mit dem Bang eines Eonsularen, auch zeichnete er ihn
durch ein ehernes Standbild aus. Später, im Jahre 889, war Victor Stadt-
präfekt in Rom, wo ihn Ammianus Marcellinus kennen lernte. Er gedenkt
desselben mit einem Lobe in seinem Geschichtswerk. Auch auf einer In-
schrift, die dem Kaiser Theodosius gewidmet ist, erscheint ein Sextos
Aurelius Victor als urbi praefectus und iudex sacrarum cognitionum, und
es ist kaum einem Zweifel unterworfen, dass dieser Sextus Aurelius Victor
unser Historiker ist.
Sextus Aurelius Victor will uns eine Beichsgeschichte liefern. Ob-
wohl naturgemäss das Biographische stark hervortreten muss, so löst dck jt
doch sein Werk nicht in Biographien auf. Quellenstudien lagen nicht in
seinem Plan, ihm genügte das eine oder das andere ausführliche Werk,
da es ihm ja nur um eine üebersicht der Kaisergeschichte bis auf seine
Zeit zu thun war. Er ist aber nicht als ein blosser Epitomator zu be- li
trachten, sondern durchdringt den gesamten Stoff mit seinem Oeiste. Der ''
Historiker hat seinen individuellen Stil; derselbe ist aufgedunsen >) anl
überladen und verrät in nicht wenigen Phrasen das Studium SaUusts.')
Mit seinen Anschauungen hält der Autor nicht leicht zurück und giU
seiner Arbeit ein stark subjektives Gepräge; er wendet sich nicht selten 1»
gegen die Verkommenheit der Zeit. Auch Ansätze historischer Kritä ^
finden sich (5, 9; 14, 9). An allgemeinen Betrachtungen und Reflexionei
ist das Schriftchen überreich. Sein religiöser Standpunkt ruht noch auf
der nationalen Grundlage, wie sein Glaube an die Prodigien erweist.') Du
Christentum interessiert ihn offenbar so wenige) wie seinen Zeitgenoaaei
Ammian. Die Christenverfolgungen finden daher bei ihm keine Stelle.
Das Büchlein fand seine Leser. Es wurde von Hieronymus und Paolos
Diaconus benutzt, selbst bei einem Griechen, Lydus, fand es Beachtung.,
Die grösste Wirkung übte es auf die gleich zu besprechende Epitome.
Biograph sches. Ammian 21, 10,6 uhi (in Naissos im J. 361) Vietorem of^Y:
Sirmium visum scriptorem historicum exindeque venire praeceptum, Pannoniae Beeunik
consularem praefecit {Julianus) et honoramt aenea statua, virum sobrietcUia gratia aemtr
landum, multo poat (389; vgl. Cor sin i p. 287) urbi praefectum. Caes. 20, 5 Quo hmm
Omnibus ac mtfii fidendum magis, qui rure ortus tenui atque indocto paire in haec im-
para vitam praestiti, studiis tantis honestioretn (auf seine Stadien spielen aach die Woiii
mihi audienti legentique an). Quod equidem gentis nostrae reor, qtme fato mkodam hwih
rum parce fecunda, quos eduxerit tarnen j quemque ad sua celsos liabet. Yelut Sevenm
ipsum, quo praeclarior in republica fuit nemo. Aus den letzten Worten ergibt och, -■
dass Aurelius Victor und Septimius Severus Landslente waren. Da Septimius ein Afrikaw
war, musB es auch Aurelius Victor gewesen sein, und so heisst er aucn Afer in der Uekr
Schrift des Corpus. Dessau, Inscr. lat. sei. 1 No. 2945 veterum prindpum €iemmtimi\
Bildung steht; vgl. z. B. 20, 2 tantum gratia , p. 285; Opitz, Sali. u. Aur. Victor (Fleck« p
doctarum ariium valet, ut scriptoribus ne Jahrb. 127 (1883) p. 217). ■*»
saevi mores quidem ad memoriam officiant, ' •) 5, 17; 28, 3; 38, 4; 41, 7; 41, 14ilU;|V
^) Einen Fanatiker der Inconcinnität nennt 39, 45; vgl. Opitz p. 203.
ihn Pichlmayr, Hermes 26 (1891) p. 636. ' *) Vgl. Opitz p. 203.
«) Wölfflin, Rhein. Mus. 29 (1874) ,
r->
.1
AnreliQB Victor. (§ 801.) 67
va%eiÜHdmem munificentiam supergresso d. n. (= domino nostro) FL Theodosio pio victori
mtmper Augusto, Sex. Äwr, Victor v. c, urhi praef, iudex sacrarum cognitionutn, d. n. m.
|. e. (= divoius numini maiesttUique eiua),
Abfassungszeit. Der Titel der Schrift ist: Aurelii Victoria historiae abbreviatae
•6 Augusto Octaviano, id est a fine Titi Livi usque ad conaulatum X Constantii Augusti et
hUiofni Caeaaris III, Es ist dies das Jahr 860. Von vornherein ist es nun wahrscheinlich,
in diesem Jahr anch die Caesarea geschrieben wurden. Denn für den Abschlnss mit
Jahr 360 Ifisst sich kein anderer vernünftiger Grund beibringen als der, dass Victor
in diesem Jahre seine Eaisergeschichte schrieb. Damit stehen im Einklang die Worte
48, 20: At Julius Constantius, annos tres atque viginti augustum imperium regens, dum
miemis motibus, modo civüibus exercetur, aegre ab artnis abest. Er spricht auch von
Oonstantias als vom noster jprinceps; vgl. 41, 10 imperatori nostro Constantio. (Ueber
aadere Zeitanspielungen vgl. Opitz p. 201.) Dass Julian noch nicht zum Augustus aus-
genifen war, ergibt sich aus der ijrt und Weise, wie der Historiker (42, 17) die Thaten
laliAns in Gallien darstellt: quamquam vi eius {Juliani), fortuna principis tarnen et con-
fOio aecidere; vgl. Opitz p. 205.
Die Quellen der Caesarea. Hier ist zuerst das Verhältnis zu Sueton und den
11 ersten Kapiteln der Epitome ins Auge zu fassen ; vgl. was wir darüber p. 68 beigebracht
laben. Weiterhin sind ins Auge zu fassen Eutrop und die Scriptores bist. Aug. Hier greift
Be Hypothese Enmanns von einer verlorenen Eaisergeschichte ein. Die Uebereinsiimmung
irlsGoen Victor und Eutrop erklärt er daraus, dass beide aus diesem verloren gegangenen
V'erke schöpften (p. 847). Auch die verwandten Berichte der Script, bist. Aug. zieht En-
lann zur Konstruktion jener Kaisergeschichte heran (p. 356, 396 u. 419). Diese verlorene
kmisergeschichte habe der Zeit Diocletians angehört (n. 432), von Nerva bis Diocletian ge-
iidit (p. 396), sei biographisch und schematisch nach dem Muster Suetons (vgl. darüber
L Schmidt, De Romanorum, imprimis Suetoni arte biographica, Marb. 1891) angelegt ge-
resen (p. 433 u. 439), von einem Gallier oder von einem in Gallien schreibenden Historiker
'«rfttsst worden (p. 435) und habe wahrscheinlich später eine Fortsetzung erfahren (p. 459).
Jeber das Verhältnis des Eutrop und Victor vgl. Klebs, Rhein. Mus. 45 (1890) p. 461 ; über
las des Victor (Caesarea) zu Tacitus vgl. Wölfflin p. 302. üeber das Verhältnis zwischen
lern Caesarea und den Script bist. Aug. vgl. Dessau, Hermes 24 (1889) p. 361.
Fortleben des Aurelius Victor. Hieronym. epist. ad Paulum Senem Concor-
Uae X (1, 24 Vall.) et neputes modica esse, quae deprecor, margaritam de evangelio postu-
mris .... scüicet commentarios Fortunatiani et propter notitiam persecutorum Aurelii Vic-
oris hisioriam simulqtie epistulas Novatiani. Vgl. A. Schoene, Die Weltchronik des Eu-
lebtns in ihrer Bearbeitung durch Hieronvm., Berl. 1900, p. 202. Lydus de magistratibus 3, 7
lr9«y airioyai ovg OvIxtcjq 6 latogixdg iv xn Urrogiif tiöy if4(pvXi(oy (pQovfievragiovg olde ro
i^»' oyofAaa^yaiy oti, rtjg rov TtaXatiov ev^tjyias to ngiy ifpQoyrtCoy = 39, 44. — Paul.
'Hmc. bist Langob. II, 18 (p. 83 Waitz) Sunt qui Alpes Cottias et Appenninas unam dicant
ms€ provinciam; sed hosVictoris revincit historia, quae Alpes Cottias per se provinciam
ippeüat = 5, 2; vgl. Manitius, Philologisches aus idten Bibliothekskatalogen (Rhein. Mus.
^7 (1892) Ergänzungsheft p. 152).
Massgebende Spezialausg.: Sexti Anr. Victoris de Caesaribus Über ed. F. Pichl-
aayr, Progr. des Ludwigs-Gymnasiums in München 1892; vgl. auch dessen Aufsätze im
r«0tgrofls des Ludwigs-Gymnasiums in München 1891 und in den Blättern für das bayr.
gymnasial -Schulw. 24 (1888) p. 30. Zur Erklärung des Wortes lautus vgl. Klebs, Archiv
ttr lat Lexikographie 7 (1892) p. 438.
801. Die Epitome. Neben den Caesares haben wir noch eine Dar-
(tellung der Eaisergeschichte, welche von Augustus bis auf den Tod des
rheodosius (395) reicht und um diese Zeit wohl auch verfasst wurde.
n den ersten elf Kapiteln zeigt sie Berührungen mit den Caesares, und
laraus ist wahrscheinlich der Orund abzuleiten, dass die Schrift in der
Teberlieferung als ein Auszug des Aurelius Victor hingestellt wird. Allein
lelbst ein flüchtiger Blick zeigt uns, dass sie nicht als ein Werk Victors, auch
licht als ein aus demselben exzerpiertes anzusehen ist. Während Victor
(eine Individualität in starkem Masse ausprägt, können wir bei dem Ver-
ÜEUsser der Epitome von einer eigenen Individualität gar nicht sprechen.
Der Epitomator ist ganz von seinen Quellen abhängig^) und sein Werk
^) Der Wechsel der Qaellen kündigt sich oft durch den Wechsel der Pronomina an ;
rgl. Cohn p. 28.
5*
68 Anreliiui Victor. (§ 801.)
mehr als Gento denn als selbständige Arbeit aufzufassen. Beim Exzerpieroi
verfährt er nicht selten gedankenlos.^) Die Komposition ist daher in den
verschiedenen Teilen, deren wir vier unterscheiden können, eine anders
geartete. lieber die Quellen erhalten wir keinen Aufschluss; ausser den
Beziehungen zu Aurelius Victor im ersten Teil liegen noch klar die Be-
rührungen mit Eutrop im zweiten und dritten vor. Auch die Epitome kann
von dem Historiker nicht bei Seite geschoben werden; sie hat manche
Notiz, die Beachtung verdient.*)
Das Verhältnis der Epitome zu den Caesares. In der üeberschrift finies
wir die Epitome bezeichnet als Hbellua breviatus ex libris Sex, Äur, Vietoris, Man sollte
demnach annehmen, dass die Epitome nur einen Auszug aus den Caesares des Sex. Anr.
Victor darstelle, welcher eine Fortsetzung erfahren habe. Allein Wölfflin, Rhein. Ifai
29 (l^*^^) P- "^^^ ^^^ gezeigt, dass wir in den Caesares und der Epitome Ewei ganz fcr*
schieden geartete Werke vor uns haben, indem die Caesares anstreben, eine wirklieb
Reichsgeschichte zu geben, während die Epitome sich lediglich aus Biographien zusamnui-
setzt (p. 284). Auch der Stil der beiden Werke deutet in seinem Kern am zwei ursprtii-
lieh verschiedene Verfasser (p. 290). Wenn die Epitome als einfacher Auszug ans Aorel»
Victor, somit als ein Werk dieses Autors hingestellt wird, so wird der Grand darin gelega
haben, dass man zwischen den Caesares und der Epitome Uebereinstimmnngen erkamite.
Allein Mähly (Jahns Archiv 19 (1858) p. 317) hat zuerst das fOr das Verhftltnifl der beida
Schriften bedeutsame Moment entdeckt, dass Uebereinstimmungen mit den Caesares nor n
den ersten 1 1 Kapiteln (also bis Domitian einschliesslich) zu Tage treten, während mit den
12. Kapitel die Epitome ihre eigenen Wege gehe. Diese uebereinstimmnngen werden im
Enmann, Eine verlorene Geschichte der römischen Kaiser und das Buch de viiia illiutiftii
urbis Romae (Philol. Supplementbd. 4 (1884) p. 403) also charakterisiert: ,J)ie Entlehnongn 1
.... beginnen erst mit Tiberius. Tib. 8 = V. 2, 3; 9 = V. 2, 1. — Calig. 2 = V. 8, 4; 3 =
V. 3, 4 und 7; 5 = V. 3, 9. — CJaud. 2 = V. 3, 15 und 16; 3 = V. 4, 1; 5 = V. 4, 2; 7 =
V. 4, 5. 6; 8 = V. 4, 7; 10 = V. 4, 12; 12 = V. 4, 10; 13 = V. 4, 13. — Nero 2-4 = Vid
5, 2; 5 = V. 5, 4. 5. 7; 7 = V. 5, 15. Dann hören die Entlehnungen auf bei Galba, Otlu,
VitcUius, die von Victor sehr kurz behandelt waren. Dem Leben des Vitellina § 6 ist ea ^
Satz aus Vict. 8, 7 angehängt." Für Vespasian, Titus und Domitian können wieder Ueber-
einstimmungen aufgezeigt werden, besonders bei Vespasian und Domitian treten dieselbei
stark hervor; vgl. auch H. Peter, Geschichtl. Litt, der Kaiserz. 2 (1897) p. 861. Naek
der Entdeckung Mählys wurden verschiedene Versuche gemacht, das Verhältnis zwisdieo
den Caesares und der Epitome näher zu bestimmen. Es möge eine Uebersicht derBeOw
folgen. Opitz (Quaestionum de Sex. Aur. Victore capita tria p. 210) stellt den Satz iit
dass sowohl die Caesares als die ersten 11 Kapitel der Epitome aus einem vollständigem
Aur. Victor geschöpft seien. Obwohl bei den Caesares der Beweis nur aus den ersteo U
Kapiteln erbracht werden könne, so stehe doch nichts im Weg, das gewonnene Renhii
auf die c. 12 — 42 der Schrift zu übertragen (p. 226). Auf dem Standpunkt, den Opitz eis*
genommen, steht auch Wölfflin p. 294. Nur die eine Modifikation bringt er an, derEp-
tomator habe, um persönliche Züge für seine Biographie zu erhalten, zu seinen AnazSga
aus dem vollständigen Werk des Aur. Victor auch direkt manches aus Sueton übemomnMB t
(p. 295). Mit Opitz und Wölfflin geht auch zusammen Armstedt, Quae ratio intereedik
inter XI capita priora Sext. Aur. Vietoris et libri de Caes. et Ep., quae didtur, Bfickebori
1885; er gibt (p. 30) als Resultat seiner Untersuchung den Satz: Das Büchlein de Cm&
und die Ep. sei aus dem Geschichtswerk des Sex. Aur. Victor abzuleiten und Sueton Mi
für die Ep. nicht Vorlage gewesen. Wohl aber sei in dem Werk des Aur. Victor aoaser
Tacitus auch Sueton herangezogen (p. 26). Verwandt ist auch die Ansicht Jeeps, An.
Vietoris de Caesaribus historia e Tepitome de Caesaribus (Rivista dl filologia 1 (1878) p. 5141
Er nimmt zwei Werke des Aur. Victor an ; das eine, welches uns in den Caesares erhalieo
wurde, sei in der Provinz entstanden; ein grösseres sei in Rom mit Hilfe von reicbera
Hilfsmitteln verfasst worden; dasselbe sei verloren gegangen, habe aber unserer Epittae
vorgelegen (p. 8). Einen anderen Weg beschritt A. Cohn, Quibus ex fontibus S. As.
Vietoris et libri de Caes. et Epit. XI capita priora fluxerint, Leipz. 1884. Er bestritt anfi
entschiedenste, dass die Caesares ein Exzerpt darstellen (p. 16). lieber das Verhältnis der
Caesares und der Epitome spricht er sich dahin aus, dass die Epitome neben den Caenrei
noch einen erweiterten Sueton zu Rate zog (p. 31). Aur. Victor habe den Sueton benntit
^) Vgl. Cohn p. 18 f. I Der Sieg über die Alamannen im Jahre 26$
*) Vgl. über c. 34, 2 W. Strootman, | (Hermes 30 (1895) p. 356).
Eatropiua. (§ 802.)
69
mI MiBBerdem die gemeinsame QueUe des Tacitus und Dies (p. 58). Auch die Zu8&t7.e zu
■eton berfihren sich mit Tacitus und Dio (p. 45). Aehnlich meint H. Peter (p. 363), dass
JU*. Victor und die Epitome in den hetr. Abschnitten eine Quelle exzerpiert hätten; diese
|v»Ile sei aber „eine durch andere Nachrichten (namentlich aus Tacitus) ergänzte und er-
Wterte Bearbeitung des Sueton von einem unbekannten Verfasser.'* Dass die Caesarea
bi Anazug seien, leugnet auch Enmann (p. 399), erkennt aber die Abhängigkeit der Epi-
mmm Ton den Caesarea an (p. 404). Die Hauptquelle in den ersten 11 Kapiteln der Epi-
ne war aber nach Enmann Sueton, wozu noch Zusätze aus Victor kamen (p. 405). Ausser
ietor und Sueton seien aber noch die Spuren zweier anderer QueUen erkennbar (p. 407 j ;
SS* dagegen Ärmste dt p. 6.
Quellen der Epitome. Bei der Quellenuntersuchung sind die 4 verschiedenen
^9iim der Schrift auseinanderzuhalten; 1. die ersten 11 Kapitel von Augustus bis Domitian ;
Kapitel 12 — 23 von Nerva bis Heliogabalus; 3. die Kapitel 24—38 von Alexander
bis Carinus; 4. die Kapitel 89 — 48 von Diocletian bis Theodosius; vgl. Opitz p. 266.
4 Abschnitte erhalten ihre Gestalt durch die Verschiedenheit der Quellen. Ueber
ie Quellen des 1. Abschnittes ist bereits gehandelt worden. Was nun die 3 übrigen Ab-
dmitte anlangt, hat Opitz für den 2. Abschnitt, der die Schilderung der Sitten stark
arv'ortreten lässt, als Hauptquelle den Marius Maximus hingestellt, zu dem auch noch Zu-
itxe aus anderen Autoren gekommen seien. Für den 3. Teil, der die Schilderung der Sitten
ihr sorücktreten lasse, vermag er die Hauptquelle nicht zu bestimmen. Für den 2. und
• Abachnitt sei aber noch charakteristisch (was bereits von Mommsen beachtet wurde), dasa
ier Eatrop benutzt worden sei (p. 267). Der 4. Teil ist nach Opitz aus Ammian und der
tetaetzung seines Geschichtswerkes geflossen. In diesem Abschnitt nehmen die Charakter-
bliflderungen wieder einen grösseren Raum ein. Gegen die im 4. Abschnitt angenommene
taMÜe wendet sich Mendelssohn, Zosimi historia nova, Leipz. 1887, p. XXXVI. Auch
V jkchsmuth (Einl. in das Stud. der alten Gesch., Leipz. 1895, p. 674) begnügt sich mit
moi Hinweis auf die Beziehungen zwischen Ammian, Zosimus und der Epitome in den letzten
O Kapiteln besonders c. 47 u. 48. Für die Benutzung Eutrops im 2. und 3. Teil und die
Lnunians in dem letzten spricht sich Enmann aus p. 404. — üeber c 25 vgl. Chauvin,
Lor«lins Victor (Revue de philol. 1900 p. 60). Vgl. noch Klebs, Rhein. Mus. 45 (1890)
^ 4eo.
Ueberlieferung der Epitome. Die beste Handschrift ist der Gudiauus 84 s. IX.
Ke Ueberschrift lautet: incipit Hbeflus de vita et moribua imperatorum breviatus ex libris
Xnr. Aur. Victoria (über einen hier von Hancke statuierten Ausfall von anderen Namen
fj^. Ärmste dt p. 2) a Caeaare Aug. usque ad Theodosium, Ueber das im Katalog von
laquier aus dem J. 831 vorkommende Plinius de moribus et vita imperatorum vgl.
illlil, Berl. philol. Wochenschr. 1895 Sp. 469. Weiterhin sind zu verzeichnen Gudianus
181 8. XI; Bemensis 120 s. XI; Bemensis 104 s. XIV; Parisinus Reg. 4955 s. .XU; Pari-
fana Sorb. 914 s. XV (wertlos); Vossianus 96 s. XII; Vossianus 56 s. XIV (wertlos);
ka^^oatodunensis 39 s. XI. Schon der Archetypus dieser Handschriften war durch Lücken
mteiellt Diese Handschriften zerfallen in 3 Familien; zu der ersten gehören die beiden
akidiani (und die editio princeps), massgebend ist nur Gudianus 84. Die zweite Familie
Mist sich zusammen aus Parisinus Reg. 4955, Bemensis 120 und Vossianus 96. Die Hand-
idrifken der dritten Familie sind für die Textkritik von keiner Bedeutung. Indirekte
Bangen sind auch die Historia miscella und der Bambergensis H. E. III. 14; vgl. Opitz
IL 273.
5. Eutropius.
802. Das Breviarium Eutrops. Der Kaiser Valens (364—378)
HFünschte sich einen gedrängten Abriss der römischen Geschichte bis auf
leine Zeit. Er beauftragte daher seinen magister memoriae, Eutropius,
hin einen solchen abzufassen. Eutrop kam diesem Auftrage nach; er
rerfasste ein Werkchen von zehn Büchern, das den Titel „Breviarium ab
irbe condita' führt, ^) und legte dasselbe mit einer Dedikation seinem
kaiserlichen Herrn vor. >) Die Verteilung des Stoffes geschieht in folgender
*) Auf diesen Titel führt die Ueber-
iiefeniDg im Gothanus und Ftüdenais; vgl.
Drojsen, Edit maior, p. lY.
^) Auf die regierenden Herrscher Valens
und Valentinian nimmt das Büchlein nur
noch am Schluss und 1, 12 neque quicquam
8imiliu8 patest dici quam dictatura aniiqua
huic imperii potestati quam nunc tranquil-
Utas vestra habet Rücksicht.
70 Eatropins. (§802.)
Weise. Mit Romulus beginnt die Erzählung, welche in dem ersten Bacbe
bis zur Niederwerfung der Oallier durch Gamillus gelangt. Das zweite
Buch schliesst mit dem ersten, das dritte mit dem zweiten pumschen
Kriege ab. Im vierten Buche kommt der Verfasser bis zum Siege des
Marius über Jugurtha, im fünften bis zum Ende des Bürgerkrieges zwischen
Marius und Sulla. Der Tod Caesars bildet den Abschluss des sechsten
Buches. Die Erzählung steuert jetzt der Eaisergeschichte zu; hier sbd
Ruhepunkte der Tod Domitians (7. B.), der des Alexander Severus (8. B.),
der des Diokletian (9. B.). Das zehnte Buch führt endlich die Erzählung Us
zum Tode Jovians. Die Regierung der gegenwärtigen Kaiser, Valens und
Valentinian (364 — 375), zu schildern, lehnt der Autor vorerst ab, behält
sich aber die Ausführung dieser Aufgabe für eine spätere Zeit vor. ^) Für
die Abfassung des Schriftchens konnte natürlich ein ausgewähltes QueUen-
Studium nicht in Frage kommen; es sind daher nur wenige Werke, die
Eutrop zu Rate gezogen, nachzuweisen. Für die Eönigszeit und die Zeit
der Republik griff er nach einem Auszug aus Livius, der das Original in
späterer Zeit ganz verdrängt hatte. Für die erste bis auf Domitiaa
reichende Kaiserzeit lag ein brauchbares Buch in Suetons Eaiserbiographien
vor; allein auch diese scheint er nicht direkt, sondern in umgearbeiteter
Gestalt herangezogen zu haben. In der Darstellung der folgenden Epoche
stossen wir auf die Spuren einer Kaiserchronik, deren Verfasser für ons
verschollen ist, und auf eine nicht näher zu bestimmende Famüien-
geschichte des constantinischen Hauses. Im letzten Abschnitt, besonders
bei der Schilderung Julians und Jovians, konnte Eutrop auch aus eigener
Anschauung berichten. Sein Amt hatte ihm sicherlich Oelegenheit gegeben,
von manchem Kunde zu erhalten; auch hatte er sich am Zuge Julians
gegen die Perser beteiligt. Nebenquellen blicken hie und da durch. An-
gaben über Ortsentfernungen von Rom und chronologische Daten konnten
leicht aus Handbüchern entnommen werden. Das Ziel, das dem Autor
gesteckt wurde, hat er unzweifelhaft erreicht. In gewandter, Wechad
des Ausdrucks erstrebender Darstellung^) gibt er eine klare Uebersicht')
über die gesamte römische Geschichte bis auf seine Zeit. ^) Auf innere Ver-
hältnisse hat er sein Augenmerk nicht gerichtet. In der republikanischen \
Zeit beschränkt sich die Darstellung fast nur auf die Aufzählung dar
Kriege und Schlachten, die Zahl der Gefallenen wird hiebei gewissenhaft
vermerkt, ja selbst der eine Tote fehlt nicht (5, 3). Eine Charakteristik
der auftretenden Persönlichkeiten wird selten gegeben. Mit der Kaise^
geschichte tritt das Persönliche stark hervor, und der Historiker ve^
schmäht selbst das Anekdotenhafte nicht (7, 18).^) Je näher er aber
*) 10, 18 quia ad inclUos principes
venerandosque perventum est, interim operi
modum dabimus. nam reliqua atllo maiore
dicenda sunt, quae nunc non tarn praeter-
mittitnus quam ad maiorem scribendi dili-
gentiam reservamtis, .
') Ungenügend Sorn, Der Sprachge-
brauch des Eutropius I. Hall 1888, IL Lai-
bach 1889; vgl. Ruh 1, Berl. philoL Wochen-
schr. 1893 Sp. 1484.
') Peter, Geschichtl. Litt, der Sjösen.
2 p. 136; Wachsmath, Einl. in das Stad.
der alten Gesch. 1895 p. 614.
*) Der Historiker unterlftsst nicht, flftm
den alten Namen die zu seiner Zeit gehriiick*
liehen gegenüberzustellen (6, 17; 7, 11; 7, 15)
und auch in anderer Beziehung auf die Otgsa-
wart hinzuweisen (1, 6; 7, 10; 8, 2; 8, 5;
9, 23).
^) Auch in der Epoche der RepaUik
(
Entropiaa. (§ 802.)
71
teiner Zeit kommt, desto mehr gewinnen seine Charakterschilderungen an
Durchsichtigkeit und Schärfe.
Es ist nicht zu verwundem, dass das handliche Büchlein sich grosser
Beliebtheit erfreute, da es den Bedürfnissen eines lesemüden Publikums
entgegenkam. Eine Reihe von lateinischen Autoren weist Lesefrüchte
ans unserem Breviarium auf; selbst dem griechischen Osten wurde das
Büchlein durch freie Uebersetzungen vermittelt. Die eine, die von einem
Zeitgenossen Eutrops, Paianios, herrührt, ist noch erhalten und leistet
bei der Textkritik gute Dienste. Eine spätere, von Capito verfasste, liegt
nns nur in Fragmenten vor. Auch im Mittelalter war dem Autor ein
reiches Fortleben beschieden. ^) Paulus Diaconus legte das Compendium
seiner Historia Romana zu gründe, indem er es durch Zusätze, besonders
ins Orosius, erweiterte und bis Justinian (553) fortsetzte. Das Werk des
E^aulus Diaconus wurde wiederum die Grundlage für eine neue Kompilation,
lie sogenannte Historia miscella des Landolfus Sagax, welche um das
Fahr 1000 anzusetzen ist. Auch hier fand sowohl Erweiterung als Fort-
setzung statt. Die neuere Zeit, die bei den Historikern den Schwerpunkt
Q die Quellenuntersuchungen setzt, hat dem Büchlein, das ihr nicht viel
Irenes bieten kann, einen bescheideneren Platz angewiesen.
Biographisches. Suidas s. v.: EihQomog, liaXog, aoqucxi^q . rtjy ^tofitüxijy lato-
nar hutofiuetog rj 'fraiUiy q>toyj MyQtnpe, xai aXXa. Welche Scbriften ausser dem Brevioriom
Batrop noch geschrieben, ist anbekannt. Eutrop. 10, 16, 1 Julianus .... Parthis intulit
i€ilum, cui expedüioni ego quoque vnterfui. Im Bambergensis III, 22 s. X nennt Eutrop
in dem Brief an Valens sich v. c. tnagister memoriae, Georgias Codinas (vgl. Eram-
bacher, G«Bch. der byz. Litt, München' 1897, p. 422) p. 18 ed. Bonn.: Evigomog 6 aotpiaxfjg
9 x^ ngoßatn *lovXtayov avunagtar iv TlBQaiSi xai 6 inMtoXoyQdfpoc Kiayaiayrlyov. Ein
mrichtiger Zosatz des Codmas ist Kioyataytiyov. lieber den Clarissimat Eotrops vgl.
üommsen beiDroysan p. 11. üeber die verschiedenen Persönlichkeiten des Namens Eu-
tropiaB im 4. Jahrhundert vgl. Pirogoff p. 5; über die Identifizierang des Historikers Eutrop
mit dem Neffen des Redners Akakios p. 6; über den Adressaten des Sjmmachus ep. 3, 46
—53 vgL denselben p.9 und Seeck, Ausg. des Symmachus, Berl. 1883, p. CXXXII, der weiter-
gehend als Pirogoff die vermutliche Laufbahn Eutrops darlegt. Für die Identifizierung
benrffc man sich auf 3, 47 p. 86, 2 Seeck: sed haec stilo exequenda tibi ante alias, cui pollet
Minerva, concedimus. In diesen Worten erblickt man eine Anspielung auf den Schluss
des Breviariam: reliqua stäo maiore dicenda sunt, quae nunc nan tarn praetermittimus
quam ad maiorem scribendi düigentiam reservamus. Nikephoros Gregoras (Erumbacher
l. c p. 101) bei Lambec. comm. de bibL Vindob. 8, 136 6 ao<p6g Ertgoniog^ Ög OvdXeyxi fiiy
^^Z9^^^ Y^yo^^it "EXkfiy &*tSy irjy ^Qt^xeiay .... /nytjc&ijaouai Mg lovyofiu EvtQonlov
ßgaj^vXoyiq /^oi^f'ov r^g &Qfj<rx€iag dxoiyaittjroy xai ngog ye dtä ro fjhxioStrjy ofjiov xai
nl^BCuitfpf *lovkiayov ytyeyi^a&ai,
Ziel nnd Umfang der Schrift. In der Widmung heisst es: Res rom, ex voluntate
manäuetudinis tucLC ab urbe candita ad nostram memoriam, quae in negotiis vel beUicis vel
dvüibus emmehant, per ordinem teniporum brevi narratione collegi strictim, additis etiam
his, quae in princ^m tfUa egregia exHterunt u. s. w. Am Schluss des Werkes heisst es:
Hie Status erat Bomamie rei Joviano eodem et Varroniano eonsulibus anno urbis conditae
mülesimo centesimo et octavo decimo . quia autem ad inclüos principes venerandosque per-
ventum est, interim operi modum dabimus. nam rdiqua stüo maiore dicenda sunt, quae
nunc nan tarn praetermittimus quam ad maiorem scribendi düigentiam reservamus.
Quellen. Wir haben bei der Quellenuntersuchung 4 verschiedene Abschnitte aus-
einander zu halten. 1. Die Königszeit und die Zeit der Republik. Hier ist die Hauptquelle
die lavina-Epitome (vgL § 324), aus der auch andere Autoren geschöpft haben, und eine
hfebenqaelle, welche auch dem Verfasser der Schrift de viris illustribus und anderen Histori-
kern Torlag. 2. Die Kaiserzeit bis Domitian. Hier ist die Hauptquelle Sueton, aber, wie es
konnte sich der VerfBSser hie und da nicht
rersagen, «nen interessanten Zog weiter aus-
snlfthren, z. B. in der (Jeeehichte des Pyrrhus.
^) Manitius, Beitrftge zur Gesch. der
röm. Prosaiker im Mittelalter (PhiloL 49 (1890)
p. 191).
72 Entropins. (§802.)
scheint, ein umgearbeiteter and mit ZuBfttzen versehener. Ebeling, Qnaest Entropiaiuie,
Halle 1881; Cohn, Qnibos ex fontibos S. Aurelii Victoris et libri de Caeeaiibus et Epi-
tomes ondecim capita priora fluxerint, Berl. 1884 (Leipziger Dias.), üeber die Entiehniui^
von zwei Notizen über Bauten in Rom (7, 14—23) aus der Stadtchronik des Chronographen
y. J. 354 vgl. Mommsen, Abb. der sflchs. GeB, der Wissensch. 1850 p. 600. 8. Die Zeit
von Nervs bis Diocletian. Hier ist die f&hrende Quelle eine Eaiserchronik, deren Verfasser
wir nicht kennen. VieUeicht stand in derselben auch die umgearbeitete und Tennehrt«
Partie aus Sueton. Enmann, Eine verlorene Geschichte der römischen Kaiser nnd dia
Buch de viris illustribus urbis Romae (Philol. Supplementbd. 4, 1884). Ueber Herodian irod
Eutrop vgl. Neumann, Rhein. Mus. 35 (1880) p. 485 und Ebeling 1. c. p. 44. Für den
letzten Abschnitt schöpft Eutrop aus einer FamUiengeschichte Constantins und zuletzt ans
seinen eigenen Erlebnissen.
Ueber die Queilenfrage vgl. das sorgfältige Referat Wageners, Philol. 45 (1886)
p. 509; das Verhältnis des Livius und Eutrop ist untersucht von Pirogoff, De Entrofii
breviarii ab u. c. indole ac fontibus L, Berl. 1873, p. 39; vgl. im allgemeinen Peter, 6e-
schichtl. Litt, der Kaiserz. 2 (1897) p. 348; C. Wachsmut h, Einl. in das Stnd. der alten
Gesch., Leipz. 1895, p. 613. Ueber das Verhältnis des Eutrop zu Aurelius Victor vgl. En-
mann 1. c. p. 472.
Die griechische Uebersetzung des Paianios. Im Jahre 1590 gab Sylborf;
(Roman, bist. Script, min. Frankf., vol. HI, p. 62) eine griechische UebersetEung Entrops von
Paianios heraus; die Handschrift, nach der er den Druck besorgte, hatte er durch Vermitt-
lung des Opsopoeus von Pithoeus erhalten. Seitdem bildet diese griechische üebenetzong
einen fast stehenden Bestandteil der Eutropausgaben; gesondert wurde sie herausgegeben
von G. F. Schmidt (Lauenb. 1786) und Ealtwasser (Gotha 1780). Bereits Sylbarg
hatte erkannt, dass unser Verfasser der Uebersetzung über seine Zeit selbst Aufschli» j
erteile durch folgenden Zusatz zu den Worten Eutrops 9, 24: nannog di ovro^ (Naneii (
IiinttiQi iB xal 'OpfdiaBq toTg eiV Tijy ijfÄeUQny i^kixiay dfputOfAiyois, Ds der Tod Sapon j
vor 380 fällt, ist Paianios als Zeitgenosse Eutrops zu betrachten. Vielleidit ist der üeber- 1
setzer identisch mit dem bei Libanius vorkommenden Paianius; v^. E. Schal tze, De Paianio
Eutropii interprete (Philol. 29 (1870) p. 287). Die Uebersetzung ist eine freie; sie nhniot
Kürzungen und Erweiterungen vor. Die letzteren stammen zum Teil aus Dio Cassiiis; vgl
Schnitze 1. c. p. 296. Ueber die handschriftliche Grundlage verbreitet sich ein^ead
Schultze p. 288 und Droysen edit. mai. p. XXI. Die massgebende Handschrift ist der
an einigen Stellen lückenhafte Laurentianus 70, 5 s. XV, und der jetzt verloren gegangen
Codex Pithoei, der aber vielleicht aus dem Laurentianus geflossen ist. Als massgebende
Ausgabe ist die Droysens in seiner grösseren Eutropiusausgabe zu betrachten. Ueber
Exzerpte des Paianios bei Planudes vgl. H. Haupt, Ueber die Herkunft der dem Dio Ci»-
sius beigelegten planudischen Exzerpte (Hermes 14 (1879) p. 59) und Pirogoff p. 90.
Die griechische Uebersetzung Capitos. Suidas s. v.: Kanirwr, Avxiog, int-
Qtxo?' ovtog 6y()a\pey'lanvQix((f ßißXta rj\ fA6tuq>gaciy r^g initofirjg EvTQ<miov ftOfiaTcti ht-
leuoytog yilßioy roV PwfAmoy, Dieser Capito lebte vor Stephanus von Bjzanz, da dieser
ihn sub voce ^*'ifAaf^a citiert Nach der Vermutung C. Müllers (Frag. bist. Graec. 4 p. 138)
schrieb Capito unter Anastasius (491—518) oder Justin (518 -527). Seine Uebersetcong st
uns nicht direkt erhalten, sondern liegt uns nach einer Beobachtung des Valesins in den i
Bruchstücken der Chronik des Johannes von Antiochia (Krumbacher, G^esch. der \(jt I
Litt., München' 1897. p. 334) vor; soweit wir aus diesen Bruchstücken nrteilen ktann, j
bewegte sich Capito seinem Originale gegenüber mit Freiheit und stattete es mit ZnaÜni I
aus. Ueber die falsche Schlussfolgerung Köchers (De Joannis Antiocheni aetate fontibai
auctoritate, Bonn 1871) aus diesen Zusätzen, dass der Uebersetzer einen vollstindigera
Eutrop vor sich hatte als wir, vgl. Hartel, Eutropius und Paulus Diaconns
der Wiener Akad. Bd. 71 (1872) p. 288). Die Bruchstücke sind gesammelt in der
Eutropausgabe Droysens. Ueber die in Fragmenten des Maximus Planudes
Eutropübersetzung vgl. H. Haupt 1. c. p. 38 und Droysens grossere Ausg. p. LXVUI. 8ie
ist wahrscheinlich auch die Capitos; vgl. Droysen p. LXIX.
Die Historia Romana des Paulus und die Historia miscella des Lao-
dolfus Sagax. Ueber sein Werk berichtet uns Paulus Diaconns in einem demselboi yw-
ausgeschickten Briefe an die Herzogin Adelperga von Benevent, wo es heisst: legemdm
tibi Eutropii historiam optuli . . . . at ego .... paulo superitis ab eiusdem ttxtu kittoria
narraiionem cnpiens eamque pro loci merito extendens, qiiaedam etiam temparünu m»
coyi^gruentia e divina lege interserens eandem sacratissimae historiae consanam reddidi. d
quia Eutropius usque ad Valentis tantummodo imperium narrationis suae m ea Mriem
deduxit, ego deinceps .... sex in Ubellis .... usque ad Justiniani ÄugusH tempora per-
reiii. Das Geschichtswerk wurde verfasst vor 774. Bei der Bearbeitung ging Psnliis ••
zu Werke, dass er eine Einleitung vorausschickte, in der er sich an die origo gentis Ronwiae
Eatropiaa. (§802.) 73
and zwar an eine vollstftndigere Fassung anschloss; vgl. Mommsen, Hermes 12 (1877)
p. 407; Droysen edit. maior p. XXXIX. Es folgt dann der Text Eutrops, durch Zusätze
ans Orosius, Hieronymus, Jordanes und anderen Autoren ausgestattet; vgl. Dropsen 1. c
p. XXXVIII. Hieran scbliessen sich die 6 Bücher, in denen Paulus von Eutrop unabhängig
ist und in denen er den Geschichtsstoff bis auf Justinian (553) führte. Die Quellenanalyse
hat zunächst die Bücher 11, 12 und 13, Kapitel 1 und 2 ins Auge zu fassen. In dieser Partie
bfldet Orosius die Grundlage, zu der Zusätze, wie im I.Teil zu Eutrop, kamen; vgl. Droysen
p. XLI. Im Rest des 13. Buches benutzt er da, wo Orosius vers^e, ein vollständigeres
Uhronikon des Prosper; vgl. Droysen p. L. Auch in den Büchern 14, 15 und 16 wird
Paulus so veifahren sein, dass er eine Hauptquelle zu Grunde legte und dieselbe mit Zu-
Bfttzen versah. Allein die Untersuchung ist hier mit grösseren Schwierigkeiten verknüpft;
vgjt. Droysen p. LVÜ. Ueber die Exzerpte aus Beda, Jordanes, Prosper, Isidor vgl.
Droysen p. LH. — Die Handschriften des Paulus zerfallen in 2 Klassen. Repräsentanten der
ersten sind: Bambergensis E. EI, 4. 518 s. IX/X, Vaticanus 3839 s. XI, Berolinensis Lat. 4 ^
1 8. XIII; Vertreter der anderen Familie sind: Laurentianus 65, 35 s. XI, Vaticanus 7312 s.
KU, Monacensis 3516 s. XI; vgl. Droysen p. XXIX. Vollständige Ausgabe von Droysen,
Berl. 1879; unvollständig liegt sie auch vor in Droysen s edit. maior des Eutrop (B. 11 — 16
p. 185). Hartel, Eutropius und Paulus Diaconus ; Bauch, Ueber die Historia Komana des
Paulus Diaconus, GOttingen 1873. Die Historia Romana des Paulus erfuhr wiederum Ver-
kürzungen und Umarbeitungen in barbarischer Diktion ; vgL Droysen p. XXXII. Ein Un-
bekannter machte einen Auszug aus der Langobardengeschichte des Paulus und fügte sie
als 17. Buch zu. der Historia Romana hinzu, abgedruckt bei Droysen edit. maior p. 896.
Wie aber Eutrop für die Historia Romana des Paulus das Fundament, das ergänzt und
fortgesetzt wurde, bildete, so bildete die Historia Romana des Paulus wiederum in gleicher
Weise das Fundament für ein Werk, das wahrscheinlich nach dem Vorgang des Pithoeus
gewöhnlich Historia miscella genannt wird und von Landolfus Sagax ums Jahr 1000 ver-
£B88t wurde. Landolfus fügte zu den 16 Büchern der Historia Romana 8 neue Bücher hinzu,
indem er die Erzählung bis auf die Zeiten Leos des Armeniers (813 — 820) führte. Die 16
Bficher des Paulus wurden erweitert, durch Zusätze ausgestattet und das 7. und das 16. Buch
in 2 Bücher zerlegt Das Ganze umfasst sonach 26 Bücher. — Massgebend ist der Pala-
tinus-Vaticanus 909, wahrscheinlich die Originalhandschrift des Landolfus Sagas selbst;
▼gl. Droysen, Hermes 12 (1877) p. 390. Ueber sein Verfahren vgL Droysen edit maior
n. LXV. Ueber die QueUen der Zusätze vgl. ebenda. Zum Teil sind es dieselben Quellen,
die dem Paulus vorlagen. — Ausgaben von Muratori, Script rer. Ital. vol. 1 p. 100 und
Ejssenhardt, BerL 1869.
Spuren Eutrops bei anderen Schriftstellern. Gegen die angebliche Benutzung
Entrops durch Festus, welche Jacob i (De Festi breviarii fontibus 1874) annimmt, vgl.
Mommsen bei Droysen edit maior p. XXV; Elebs, Rhein. Mus. 45(1890) p. 459; es
ist vielmehr eine gemeinsame Quelle anzunehmen. Zweifellos dagegen ist die Ausnutzung
Entrops durch Hieronymus in seinem Chronicon; vgl. Mommsen, Ber. der sächs. Ges.
der Wtssensch. 1850 p. 62 und die Ausgabe des Chronicon von A. Schoene. Orosius
eitiert Eutrop an 2 Stellen VII, 11 p. 484 und VII, 20 p. 511; vgl. den Index scriptorum,
qnibns Orosius usus est in der Ausgabe von C. Zangemeister p. 695-697. Damach ist
Eutrop in allen Büchern benutzt, das erste ausgenommen. Ueber den geringen Wert der
Citate ftlr die Texteskonstituierung vgl. Wagener, Philol. 42 (1884) p. 523. Die Spuren
Entrops in der sogenannten Epitome des Ps.-Aur. Victor sind von den Forschem mehr-
fach beobachtet worden; Quellengemeinschaft statuiert Elebs 1. c. p. 460; vgl. Opitz,
Quaest de Sext Aurelio Victore (Acta soc. phil. vol. II, fasc. 2 (Leipz. 1874) p. 197) und
Wagener 1. c. p. 526. Ueber einige Entlehnungen aus Eutrop in Augustins De civitate
dei VgL Pirogoff p. 87. Ueber Polemius Silvius und Eutrop vgl. Mommsen, Polemii
Silvii laterculus (Abh. der sächs. Ges. der Wissensch. 1857 p. 2H9). Ueber Cassiodor und
Eutrop vgl. Mommsen, Die Chronik des Cassiodor (Abh. der sächs. Ges. der Wissensch.
1861 p. 568). Ueber Jordanes und Eutrop vgl. Mommsen praef. ad Jordan, p. XXV. Ueber
Eutrop als Quelle Isidors vgl. Hertzberg, Ueber die Chroniken des Isidorus von Sevilla
(Forschungen zur deutschen Geschichte XV p. 289—360) und Wagen er 1. c. p. 529. Ueber
Beda und Eutropius vgl. Wagener p. 532. — Ob sich Priscians Stelle, Gramm, lat. 2, 8, 19
id etiam Eutropius confirmat dict^n auf unseren Eutrop, der allerdings nach Suidas ausser
dem Breviarium noch anderes geschrieben hat, bezieht, ist zweifelhaft. Ueber Eutrop und
Hieronymus vgl. Mommsen, Hermes 16 (1881) p. 608 Anm. 2. Ueber Eutrop und byzan-
tinische Historiker vgl. C. de Boor, Hermes 20 (1885) p. 325.
Ueberlieferung des Eutrop. Nach Mommsen bei Droysen, proleg. p. XIV,
liehen die Handschriften Eutrops auf 2 Archetypi zurück; der erste wird repräsentiert
durch den Gothanus 101 s. IX, den ältesten erhaltenen Codex Eutrops, durch den verloren
gegangenen Fuldensis, den Sylburg in seiner 2. Ausgabe des Breviarium benutzte (vgl.
74 Festaa. (§ 808.)
Lad ecke, SylburgB Codex des EutropioB, Fleckeis. Jahrb. 111 (1875) p. 874), und endlick
durch die Handschrift des Paulus Diaconus, mit dem Vaticanns 1860 s. XI V zaBammen-
zustellen ist; der zweite durch den Bertinianus sive Audomarensis (St. Omer) 697 8. X/XI,
den Leidensis 141 s. X und die Vorlage des Uebersetzers Paianios. Die zweite Familie ent-
hftlt eine willkürliche Textesrecension; vgl. Droysenp. YI. Von Mommsen unterscheidet
sich Droysen dadurch, dass er den Vaticanns 1860 und den Codex des Paulus als eine
eigene Familie C konstruierte. Allein auch die Aufistellung Mommsens ist, was den Codex
des Paianios anlangt, nicht haltbar; vgl. Dunker, De Paianio Eutropii interprete, Greiffen*
bürg 1880; Fleckeis. Jahrb. 119 (1879) p. 641 und Wagener (PhiloL 42 (1884) p. 401).
Man wird die Trennung der Handschriften in 2 Gruppen nach dem Codex des Paianios an-
setzen und daher diesem eine von den Handschriften abgesonderte Stelle einrftomen mOssra;
vgl. auch Rtthl, Praef. p. VIII, der noch andere mit den Gothanus und Fuldensis verwandte
Handschriften heranzieht. — Ueber die handschriftliche Verbreitung Eutrops im Mittelalter
vgl. Manitius, Philologisches aus alten Bibliothekskatalogen (Rhein. Mus. 47 (1892) Er-
gänzungsheft p. 88).
Ausg. Ed. princeps 1471; kritisch wichtig sind die Ausg. von Schonhovias (Sdiooo-
hoven), Basel 1546 (benutet den Leidensis; vgl. Droysen, Die Ausgg. von Schoonhoven und
Vinetus, Hermes 12 (1877) p. 885), die von Vinetus, Poitiers 1553 (nach einem Codex Bor-
digalensis), die 2. Ausg. von Sylburg 1590 (der Codex Fuldensis herangezogen). Ohne
kritische Bedeutung sind die Ausg. von Havercamp, Leiden 1729, Verheyk, Leiden 1762,
1793, von Tzschucke, Leipz. 1796. 1804. Kritische Handausg. von Hartel, Beil. 1872;
vgl. dazu PhiloL Anz. 4 (1872) p. 250. Massgebende Ausgabe ist die von Droysen (com
versionibus graecis et Pauli Landolfique additamentis), Berl. 1879 (Monumenta GermaniM
Historica vol. 2); vgl. dazu Wagener, Philol. 44 (1885) p. 310. Krit. Handausg. von Droysen,
Berl. 1878. Textausg. von C. Wagener, Prag 1884, von F. Rtthl, Leipz. 1887; eine üeber-
sieht dei Abweichungen der beiden Herausg. Rühl und Wagener von Droysen gilrt
Petschenig, Bursians Jahresber. 72. Bd. 2. Abt. (1892) p. 28. Fttr den Schnlgebranch
bearbeitet von Sichert, Hanno v. 1871 (Ausg. mit Wörterbuch, Breslau 1850).
6. Festus.
803. Das Breviarium des Festus. Noch einen anderen Abriss
der römischen Geschichte hatte der Kaiser Valens veranlasst; es ist
das Breviarium des Festus. Zwar ist der Kaiser in dem Büchlein nicht
genannt, allein derselbe ist so deutlich bezeichnet, dass über seine Per*
sönlichkeit kein Zweifel aufkommen kann. Das Schriftchen ist wesentlich
anderer Art als das Breviarium Eutrops. Während dieses ein einheit-
liches und einen bestimmten Plan streng durchführendes Werkchen da^
stellt, haben wir in dem Breviarium des Festus nur lose zusammen-
hängende Teile. Nach der Anrede an den Kaiser gibt der Verfasser in
c. 2 eine chronologische Uebersicht über die römische Oeschichte. Dann
folgt der erste Hauptteil der Schrift (c. 3 — 14), in dem das Wachstum
des römischen Reiches dargelegt wird und die Kämpfe geschildert werden,
welche die Römer zu führen hatten, um die verschiedenen Länder als
Provinzen dem römischen Reiche einzuverleiben. Mit c. 15 hebt ein ganz
neuer Abschnitt an, der auch durch eine Anrede an den Kaiser noch be-
sonders hervorgehoben wird. Der Autor geht jetzt zu einer Schilderang
der Kämpfe der Römer mit dem Osten, besonders mit den Parthem, über.
Bei den Thaten des Kaisers auf diesem Gebiete macht der Verfasser Halt:
ihre Schilderung behält er sich für eine spätere Zeit vor. Er spricht
aber noch den Wunsch aus, dass den gegenwärtigen Kämpfen des Kaisers
dasselbe glorreiche Ende beschieden sein möge, wie den Kämpfen mit den
Goten. Zwei Momente erklären, wie mir dünkt, den unorganischen Auf-
bau des Ganzen, das Vorhandensein des Breviarium Eutrops und das
Eingreifen des Autors in die Tagesgeschichte. Lag Eutrop bereits dem
Publikum vor, so musste Festus neue Wege wandeln, wenn er seiner
Featns. (§ 803.) 75
Arbeit einigermassen einen originellen Charakter beilegen wollte. Er fand
dieselben, indem er dem ersten Teil seiner Darstellung eine geographische
Unterlage gab. Die Kämpfe des Valens gegen die Parther legten es
unserem Autor auch nahe, im zweiten Teil eine Geschichte der Beziehungen
Roms zu dem Orient anzuhängen. Hier greift er in die Gegenwart ein
und verleiht seiner Geschichte ein aktuelles Interesse. Durch diese Rück-
sichtnahme des Historikers auf seine Zeit gewinnen wir zugleich die Mög-
lichkeit, die Zeit der Fertigstellung des Schriftchens genauer zu fixieren,
wir kommen in die Jahre nach 369. Von eigentlichen Quellenstudien kann
bei unserem Breviarium ebensowenig die Rede sein wie bei dem Eutrops;
einige gangbare Handbücher genügten, um das Material bereit zu stellen,
unter denselben figuriert die Epitome Liviana und die anonyme Eaiser-
chronik, auch Florus hat Manches geliefert. Im ganzen ist das Elaborat
ein durchaus dürftiges, das weit hinter Eutrop zurücksteht und den Ver-
fasser als sehr unbedeutend erscheinen lässt. Trotzdem ist es von Ammian,
Jordanes und Isidor^) benutzt worden. Ueber die Lebensverhältnisse des
Festus sind wir im Unklaren. Als feststehend kann nur erachtet werden,
dass er magister memoriae des Kaisers Valens war, alles übrige ist ein
Werk der Combination.
Die Persönlichkeit des Verfassers. Die massgebende üeberliefemng des Namens
ist Festus. So wird z. B. der Verfasser genannt im Bambergensis; auch der Gothanus,
der im Titel keinen Verfasser nennt, hat am oberen Rand einiger Seiten den Namen Festus.
Im Escorialensis wird das Büchlein eingeführt als Breviarium Rufi Festi; dieses Rufi Festi
ist aufzulösen Rufius Festus, wie Mommsen (Hermes 16 (1881) p. 605 Anm. 1) unter
Vergleichung von CIGr. 872 = CIA 3, 635 und CIL 6, 537 bemerkt Von dieser üeber-
Ileferung ausgehend nimmt Mommsen weiter an, dass derselbe identisch sei mit dem Pro-
konsul von Achaia und Afrika (J. 366), dem Verfasser des Weihgedichts an die Nortia
(CIL 6, 537, Dessau, Inscr. lat. sei. 1, BerL 1892, No. 2944; Anthol. lat. voL 2 Carmina
epigraphica ed. Buecheler, fasc. 2, Leipz. 1897, nr. 1530), und erachtet es für mOglich,
dass dieser Festus auch identisch sei mit dem Uebersetzer des Aratus oder noch eher mit
dessen Vater. Allein diese Combination entbehrt der kritischen Grundlage, die es allein
mit Festus zu thun hat. Es fragt sich sonach, ob nicht Festus noch näher bestimmt
^werden kann. Einen solchen Schritt hat Valesius vorgenommen, der zu Amm. 29, 2, 22
den Verfasser des Breviarium mit dem Festus identifizierte, der aus Trient stammte, im
J. 365 Syrien verwaltete, dann magister memoriae wurde, endlich als Prokonsul von Asien
sich grosser Greuelthaten schuldig machte. Diese Vermutung führte näher aus Wagener,
PhiloL 38 (1879) p. 374; vgL auch Peter, Geschichtl. Litt, der Eaiserz. p. 133; Wagener,
PhiloL 42 (1884) p. 521.
Titel der Schrift. In der besten Handschrift, im Bambergensis, ist das Werkchen
betitelt: Breviarium Festi v. c. magistri memoria^; in der Subscriptio ist noch hinzugefügt:
Ah tMrhe candita. Im Gothanus: De breviario rerum gestarum populi romani; im Pari-
sinus: Breviarium Festi; endlich im Escorialensis: Breviarium Rufi Festi vic. de breviario
rerum gestarum populi romani. Am Schluss heisst es dagegen: Breviarium Rufi Festi vic.
Augusto Volenti scriptum.
Die Persönlichkeit des Adressaten und die Zeit des Schriftchens.
In der massgebenden üeberlieferung ist der Kaiser, dem das Schriftchen gewidmet ist,
nicht genannt. Doch gibt der Verfasser einige Daten über ihn an, aus denen sich seine
Persönlichkeit feststellen lässt. Am Schluss des Schriftchens heisst es in der Anrede an
den Kaiser: Maneat modo concessa dei ntUu et ab amico^ cui credis et creditus es, numine
indulta felicitas, ut ad hanc ingentem de Gothis etiam Babyloniae tibi palma pacis accedat.
Nach diesen Worten kommt ein Kaiser in Frage, der über die Goten einen Sieg er-
rangen und mit den Persem im Kriege steht. Dies trifft bei Valens zu, der im Jahre 369
aber die Goten einen Sieg errungen (Wietersheim, Geschichte der Volkerwanderung III
E. 414) und im Jahre 371 kriegerische Verwicklungen mit den Persem hatte; vgl. Wieters-
eim L c. p. 417. Damit steht im Einklang 10: nunc Boas partes totumque Orientem
*) Vgl. Wagen er praef. p. XIII.
76 Jaliu» Obaequens. (§ 804.)
CLC positas 8ub tncino sole provincias, qui audores sceptris tuis paraverint, explicabo. Aus
diesen Stellen ergibt sieb zugleicb, dass die in Handschriften, z. B. im Vindobonensis 89
s. IX, sieb vorfindende Ueberschrift: Pio perpetuo datnino Valentiniano imp. et semper aug.
Rufus FestiM V. c. unrichtig ist. Die massgebende Ueberlieferong kennt dieae Worte nicht.
Aus dem Gesagten folgt weiterhin, dass das Schriftchen nicht vor 869, sondern einige Jahre
BD&ter entstanden ist; vgl. Wachsmuth, Einl. in das Stud. der alten Oesch. p. 614.
änen anderen Weg beschritt Mommsen, Provinzialverzeichnis von 297 (Abb. der Berl.
Akad. 1862 p. 517).
Zeugnisse des Autors über sein Schriftchen. c. 1: Brevem fieri de-
mentia tua praecepit, Parebo libens praecepto, quippe cui desit facultas loHus eloquendi;
ac marem secutiM calculonum, qui ingentes summas aeris brevioribua exprimunt, res gestas
signabo, fwn eloquar. Accipe ergo, quod breviter dictis brevius computeturz ut annos et
aetatem rei publicae ac praeterüi facta temporis non tarn legere tibi, glariosissime prineeps,
qtiam numerare videaris. — c. 15: Scio nunc, inclyte princeps, quo tua pergat intentio.
Bequiris profecto, quotiens Babyloniae ac Bomanorum arma conlata sint ei quibus vidbw
sagittis pila contenderint. Breviter evenius enumerabo beüorum. Furio hostes in paucis
invenies esse laetatos, vera autem virtute semper Bomanos probahis exstitisse victares. —
c. 30: Quam magno deinceps ore tua, princeps invicte, facta s%mt personanda! Qwbw
me licet imparem dicendi nisu et aevo graviorem parabo,
Quellen des Festus. Zuerst ist die QueUenfrage von Jacobi, De Festi breviarii
fontibus, Bonn 1874, behandelt worden. Allein manche seiner Ei^ebnisse wurden von der
Kritik verworfen. 1. Jacobi (p. 14 u. 26) im Anschluss an Gardthausen, Die geo-
graphischen Quellen Anmiians (Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 6 (1872—73) p. 532), statuierte
für die geographische Partie Gemeinsamkeit der Quellen zwischen Ammian und Fesbu.
Mommsen, Hermes 16 (1881) p. 605 weist nach, dass Ammian vielmehr das Büchlein des
Festus benutzt hat. 2. Die Abschnitte 20 — 24 (2.5) leitet Jacobi (p. 45) aus Eutrop ab;
Mommsen (Droysens edit. maior des Eutrop p. XXVI) spricht sich dagegen für eine ge-
meinsame Quelle aus; vgl. auch Klebs, Rhein. Mus. 45 (1890) p. 461. 3. Jacobi (p. 38)
leugnet die Benutzung des Florus durch Festus und erklärt die gemeinsamen BerflhnnigB-
punkte durch Gemeinschaft der Quelle; A. Eussner (Philol. 37 (1877) p. 154) macht es da-
gegen wahrscheinlich, dass Florus direkt von Festus herangezogen wurde; vgl. Wag euer,
Philol. Anz. 7 (1876) p. 51. Zwei Sätze müssen bezüglich der Quellen des FestoB fest-
gehalten werden: 1. dass dem Festus die Epitome Li viana vorlag, aus der eine ganze Reihe
von Autoren schöpfte; vgl. § 324; 2. dass Festus auch die anonyme Kaiserchronik vor sich
hatte, die auch Aurelius Victor and Eutrop benutzten. Wölfflin, Archiv 13 (im Druck).
Ueberlieferung. Zuerst hat W. Foerster in der Vorrede zu seiner Ausg. die
handschriftliche Grundlage des Schriftchens dargelegt. Die Handschriften zerfallen in
2 Familien; zu der ersten und besseren gehören der Gothanus 101 s. IX, Parisinas 6113*
8. X, Vindobonensis 451 s. XII, welche auf ein Exemplar zurückgehen, und der Bamberg^iais
E III 22 s. XI. Die zweite geringere Familie ist vertreten durch den Escorialensis s. VII, dessen
Collation W. Foerster, Wien. Stud. 1 (1879) p. 303 mitgeteilt hat. Während W. Foerster
den Gothanus sich als Führer wählt, weist Wag euer die erste Stelle dem Bambergensis
zu. Ueber die Methode der R«cension vgl. Wagen er praef. p. XIII. Ausser der direkten
Ueberlieferung ist noch eine schwache, indirekte vorhanden, z. B. bei Jordanes, der den
Festus benutzte.
Ausgaben. Von Cellarius, Hai. 1698, von Tzschucke, Leipz. 1798, von
Münnich, Hann. 1815; öfters ist das Schriftchen mit Eutrop vereinigt Massgebende
Ausg. sind die von W. Foerster, Progr. d. Josefst. Gymn., Wien 1874 und die von
C. Wagen er, Leipz. 1886.
7. Julius Obsequens.
804. Das Wunderbüchlein des Julius Obsequens (liber pro-
digiorum). In die livianische Exzerptenlitteratur gehört auch das Wonder-
büchlein des Julius Obsequens. Wie Eutrop, so schöpfte auch Julius
Obsequens aus einem Chronicon, das vornehmlich auf die Epitome Liviana
zurückging. Die von dem Autor verzeichneten Prodigien umspannen die
Zeit von 190 — 12 v. Chr. In seiner Quelle begannen sie aber mit dem
Jahre 249; es ist daher nicht unwahrscheinhch, dass der Eingang des
Schriftchens verloren ging. In dem Epitomator ist der Prodigienglaube
noch lebendig, die Notwendigkeit der Sühne steht ihm fest, und er unter-
Lnoiiis Septimiiis. (§ 805.) 77
läset es nicht, oft anzumerken, dass die Sühne von Erfolg begleitet ge-
wesen sei. Julius Obsequens ist also Heide, und sein Schriftchen, das
von keinem Autor citiert wird und kein Zeitindicium enthält, dürfte in die
Periode fallen, in der das Heidentum nochmals seine letzten Kräfte gegen
das Christentum zusammenraffte, also in das vierte Jahrhundert.
Quelle des Jalias Obsequens. Dass nicht Livius direkt, sondern eine Epi-
tome Liviana von Julius Obsequeus ausgezogen wurde, hat zuerst Zangemeister, l5ie^
Periochae des Livius (Festschr. für die Karlsruher Philologenvers., Freib. i. B. 1882, p. 101)*
dargethan; vgl. § 324 (p. 257'). Rein hold (Das Geschichtswerk des Livius als QueUe
späterer lÜstonker, Berl. 1898, p. 18) statuiert für Julius Obsequens (wie für Eutrop, Festus,
C^usiodor) noch ein weiteres Mittelglied, ein Chronicon, für das die Epitome Liviana zwar
die Haupt-, aber nicht die ausschliessliche Quelle war. Daher stossen wir auf manche be-
achtenswerte Notiz; vgL 0. Rossbach p. 1.
UnVollständigkeit der Sammlung. Der Titel der Handschrifi lautet nach
der Aldina: Julii Obseqtientis ab anno urbis conditae quinquentesimo quinto prodigiorum
liber imperfecttu. Das Wort ^imperfectus* ist natürlich als ein Znsatz des Herausgebers
zu betrachten. Dieser Zusatz mag daher rühren, dass der Herausgeber erkannte, dass
zwischen dem Titel und der Aufzählung der prodigia im Büchlein eine Differenz besteht.
Der Titel lässt die prodigia beginnen mit 505 a. u. c. = 249 v. Chr. Das Büchlein selbst
setzt ein mit einem prodigium des Jahres 564 =190. Es ist möglich, dass der Anfang
des Büchleins mit einer Einleitung und den Prodigien der Jahre 249 — 191 verloren ging;
▼gl. 0. Rossbach, Der prodigiorum liber des Julius Obsequens (Rhein. Mus. 52 (1897)
p. 5). Ueber die Ausfüllung der Lücke durch G. Lycosthenes vgl. 0. Jahn p. XVI. Das
Jahr 505 = 249 war wahrscheinlich das Jahr, in dem die pontiflces anfingen, regelmässig
die Prodigien zu verzeichnen. In diesem an Prodigien reichen Jahr wurden nämlich die
Säknlarspiele eingeführt; vgl. Mommsen bei 0. Jahn p. XVIIII und J. Bernays, Ver-
gleichung der Wunder in den römischen Annalen (Rhein. Mus. 12 (1857) p. 436) = Ges.
Abh. 2 (Berl. 1885) p. 307.
Religion und Zeit des Julius Obsequens. Ueber die Religion vgL
Mommsen bei 0. Jahn p. XVIIII; Mommsen vergleicht Obsequens mit Orosius und
hält ihn für einen Christen. Mit Recht nennt ihn aber V ossius (De historicis lat., Amster-
dam 1697, p. 220 Sp. h) einen Heiden. Der Schriftsteller legt der Sühnung der Prodigien
wirkliche Bedeutung bei: p. 118, 7 Jahn prodigium maioribus hostiis quadraginta expiatum;
p. 113, 15 supplicationibus habitis in Hispania et Histria bella prospere administrata;
p. 115, 21 urbe lustrata nihil triste accidit; vgl. 0. Rossbach p. 3. üeber die Zeit des
Autors sagt Vossius 1. c: vixisse (e^im) minimum ante Honorii tempora. Ohne beweis-
kräftigen Grund rückt R o s s b a c h (p. 7) ihn etwa in die Zeit Hadrians oder der ersten
Antonine.
üeberlieferung und Ausg. des Julius Obsequens. Von Julius Obsequens
haben wir keine Handschriften mehr. Wir sind daher auf die Aldina des Jahres 1508 an-
gewiesen. Diese enthält die Briefe des jüngeren Plinius mit seinem Panegyrikus, die Schrift
de viris illustribus, das Fragment Suetons de grammaticis, rhetoribus, endlich Julius Ob-
sequens. Die Handschrift dieses Autors hatte Aldus Pins Manutius von Jucundus (§ 448)
erhalten. Sekundäre Berichte gewähren hie und da die Schriftsteller, welche aus derselben
Quelle wie Obsequens schöpften; vgl. die Parallelstellen ibei 0. Jahn. Aeltere Ausg. sind
noch: J. Scheffer, Amsterdam 1679; F. Oudendorp, Leiden 1720; Verbesserungen
dazu in Acta philologorum Monacensium 2 (1816) p. 291; J. Kapp, Hof 1772; vgl. 0. Jahn,
Ausg. p. XIUI. Massgebende Ausg. von 0. Jahn, Leipz. 1853; dazu vgL H. Haupt,
Animadversiones in Julii Obsequent^ prodigiorum librum, Bautzen 1881 und 0. Rossbach
p. 8; abgedruckt ist Obsequens auch im 10. Bd. des Weissenbornschen Livius, besorgt
von H. J. Müller, BerL 1881. Ueber die Lücken vgl. H. Haupt L c. p. 1; p. 2;
O. Jahn p. XVI.
8. Lucius Septimius.
806. Das Tagebuch des Dictys vom troianischen Krieg. Die
Sage vom trojanischen Krieg war eine der beliebtesten des Altertums.
Durch Homer war dieselbe bei den Griechen jedem Kinde bekannt, bei
den Römern, welche Roma als eine Fortsetzung von Ilion betrachteten,
war sie durch Vergil in die nationale Bildung verpflanzt worden. In merk-
würdiger Weise wird die Sage von Lucius Septimius behandelt. In einer
78 Laoiua Septimiiis. (§ 805.)
an Q. Aradius Rufinus gerichteten Epistel gibt er seine Geschichte als eine
Uebersetzung eines griechischen Werkes, das ein Teilnehmer am trojani-
schen Kriege selbst verfasst habe. Die Entstehung des griechischeD
Werks, welches Ephemeris belli Troiani betitelt ist, erzählt uns ein Prolog
in folgender Weise: Der Kreter Dictys, der Genosse des Idomeneus and
Meriones im trojanischen Kriege, ein der phönizischen Sprache und Schrift
kundiger Mann, wurde von diesen zwei Helden aufgefordert, den tro-
janischen Krieg zu beschreiben. Diesem Wunsche kam er nach and
fasste in phönizischer Schrift neun Bücher ab. Nach Kreta zurückgekehrt
befahl er bei seinem Tode, das Werk ihm ins Grab mitzugeben. Der
Befehl wurde auch ausgeführt und das auf Lindenholz geschriebene Buch
in einem zinnernen Kästchen ins Grab gelegt. Im 13. Regierungsjahre
Neros wurde durch ein Erdbeben das Grab gesprengt. Vorübergehende
Hirten entdeckten das Buch in dem Kästchen und brachten es zu ihrem
Herrn Eupraxides; dieser überreichte es dem Konsular von Kreta, RutilioB
Rufus, welcher den Eupraxides mit seinem Fund zu Nero schickte. Der
Kaiser liess das Werk ins griechische Alphabet umsetzen,^) beschenkte
den Ueberbringer mit dem römischen Bürgerrecht und nahm (Üe Geschichte
in seine griechische Bibliothek auf. Etwas abweichend erzählt der
Schreiber des dem Werke vorausgeschickten Briefes die Genesis diesw
trojanischen Geschiebte und fährt dann fort, das Werk sei ihm zufällig
in die Hände gekommen und er habe sich zu einer lateinischen Be-
arbeitung desselben entschlossen; diese habe er so vorgenommen, dass er
die ersten fünf Bücher des Originals, welche die Ereignisse des Krieges
schilderten, beibehielt, die übrigen vier (oder fünf), weiche die Rückfiüirt
der Helden behandelten, in eines zusammenzog. Es bildet seit längerer
Zeit eine Streitfrage, ob die Ephemeris eine Uebersetzung aus dem Griechi-
schen oder ein lateinisches Originalwerk sei. Die Frage wurde in ver-
schiedenen Zeiten verschieden beantwortet; in neuester Zeit schien sich
die Ansicht festsetzen zu wollen, dass das vorliegende Buch keine Ueber-
setzung sei, sondern völlig der römischen Litteratur angehöre. Aber in
den letzten Jahren erhoben sich doch gewichtige Stimmen gegen diese
Ansicht, und sie werden, so weit man sehen kann, die Oberhand behalten.
Die Gründe, die gegen eine Uebersetzung geltend gemacht wurden, scheinen
nicht stichhaltig zu sein. Man hat Anstoss daran genommen, dass das
ganze Colorit der Darstellung sallustisches Gepräge an sich trage und
auch vergilische Nachahmungen aufweise; beides sei aber mit einer Ueber-
setzung nicht gut verträglich. Allein wenn man bedenkt, dass dem Alter-
tum die wörtliche Uebersetzung so gut wie unbekannt war und die freie
Bearbeitung an deren Stelle trat, so werden die sallustischen und vergili-
schen Reminiscenzen keinen Anstoss mehr erregen. Finden wir doch aoch
bei dem sog. Hegesippus (Ambrosius), der den jüdischen Krieg des Josephos
frei bearbeitete, in der Diktion Anlehnung an Sallust. Nicht viel wfll
^) Es heisst: in Graecum sermonem j aber: litteris Phoeniceia; auch 5, 17 werden
transferri iussitf darnach sollte man an- { der oratio die litterae Panicae gegenQber*
nehmen, dass die Geschichte in phönizischer i gestellt; vgl. auch Körting, Dictys o. Dares
Sprache geschrieben war. Vorher hiess es p. 48.
LaoiQs Septimias. (§ 805.) 79
auch der Einwand besagen, dass sich von dem griechischen Dictys keine
handschriftlichen Spuren aufweisen lassen, da ja auch bei anderen Werken
der griechischen Litteratur diese Erscheinung Platz greift und die Papyrus-
fiinde uns eines andern belehren. Viel entscheidender aber ist das Mo-
ment, ob neben der lateinischen Quelle auch noch eine griechische fiiesst,
welche uns Nachrichten überliefert, die in der lateinischen fehlen und
daher die Annahme ausschliessen, dass die griechischen Autoren ihr
Wissen lediglich aus dem lateinischen Dictys geschöpft haben. Das
Problem, das sich besonders um die Chronik des Malalas aus dem sechsten
Jahrhundert dreht, ist ein sehr verwickeltes, da auch noch eine zweite
Darstellung des trojanischen Kriegs des Sisyphos von Eos ^) und namentlich
auch die besonders schwierige Johannes-Antiocbenusfrage hier hineinspielt.
Trotz mancher noch ungelösten Schwierigkeiten scheint uns doch der Nach-
weis erbracht, dass wir mit dem lateinischen Dictys allein nicht auskommen
und dass den Byzantinern noch der griechische Dictys vorlag und von
ihnen benutzt wurde. Auch folgendes Moment spricht allem Anschein
nach für ein griechisches Original. Wie wir oben gesehen, erhalten wir
sowohl durch eine Epistel als durch den Prolog eine Geschichte von der
Entstehung und dem Bekanntwerden des Werks, deren Fassungen aber
von einander differieren. Wäre nur das lateinische Original vorhanden ge-
wesen, so begreift man nicht, woher der Prolog mit seinen ausführlicheren
und mehrmals abweichenden Notizen kommen konnte; anders, wenn wir
eine griechische Vorlage voraussetzen. Der Vorgang war dann folgender:
Septimius musste den Prolog, den er durch seinen Brief ersetzt hatte, und
der wegen der von dem Uebersetzer beliebten Abweichungen störend
wirkte, weglassen.^) Später wurde derselbe aus dem griechischen Original
übersetzt') und der lateinischen Bearbeitung einverleibt. Wenn wir so-
nach die Angabe des L. Septimius, dass er die Bearbeitung eines griechi-
schen Originals gebe, für wahr erachten, so ist natürlich anderseits auch
keinem Zweifel unterworfen, dass die Einführung des Dictys als Erzählers
eine Fiktion ist, wie die ganze Fundgeschichte. ^) Ueber den lateinischen
Bearbeiter fehlen uns nähere Angaben; wir werden ihn wohl unter den
Grammatikern zu suchen haben. Gelebt hat er wahrscheinlich im vierten
Jahrhundert.
Dem lateinischen Dictys war, wie dem lateinischen Dares, ein reiches
Fortleben im Mittelalter beschieden. Die Fiktion, dass hier Berichte von
^) Er ist citiert 117, 1; 119, 22; 182, 20; | es keinen griechischen Dictys gab. Bekannt-
vgl. Fürst p. 244. schaft mit dem Prolog verrät das unter der
') In der Ueberliefening wurde später-
hin und zwar im Sangallensis und im Ber-
nensis der Brief weggelassen. £. W ö 1 f f 1 i n ,
Frontins Kriegslisten (Hermes 9 (1875) p. 89)
nimmt unrichtig an, dass die Epistel erst
bei einer neuen, um das 6. Buch vermehr-
ten Auflage hinzugekommen sei. Eine ver-
wickelte Hypothese von 8 Ausg., einer Ausg.
der 5 ersten Bücher, einer Ausg. des 6. Bu-
ches und einer Gesamtausg., stellt L. Havet
(Revue de philol. 3 (1879) p. 81) auf; allein
sie ruht auf der falschen Grundlage, dass
Rubrik „Zeugnisse*^ (P-81) mitgeteilte Scho-
lion des AreÜias.
') Es wäre nicht uninteressant zu unter-
suchen, ob in Sprache und Stil der Prolog
von der Darstellung des Septimius abweicht.
*) Auch in der römischen Litteratur be-
gegnet uns schon frühzeitig eine solche Fund-
geschichte; so wollte man die Religions-
bttcher Numas auf dem Janiculus ausgegraben
haben; vgl. Plin. Nat bist. 13, 84—87; E
Rohde, Der griech. Roman, Leipz. 1876.
p. 272 Anm. 2.
80 Luoins Septimiiis. (§ 805.)
Augenzeugen vorlägen, verfehlte nicht seinen Eindruck auf jene kritiklose
Zeit. Auch gefiel der nüchterne Ton und der Ausschluss der homerischen
Götterwelt bei Septimius.
Die Vorrede. L, Septimius Q, Äradio s. d, Ephemerida Belli Troiani Dietfi Cre-
tensis .... conscripsit litteris pu/nicis .... dein post mulia aaecula conlapso per vetutkUem
apud Crnoson, olim Cretensis regni sedem, sepulchro eius, pastares cum eo devenisseni, forte
inter ceteram ruinam loctUum stanno affdbre dausum offendere oc theaaurum roH mox
disaolvunt, non aurum nee aliud quicquam praedae, sed libros ex phüyra in lucem pro-
dituri, at ubi spes frustrcUa est, ad Praxim dominum loci eos deferunt, qui commutaia
litteris Atticis, nam oratio Graeca fuerat, Neroni Bomano Caesari obtulit, pro quo plu-
rimis ab eo donatiM est nobis cum in manus forte libelli venissent, avidos verae historiae
cupido incessit ea uti erant Latine disserere, non magis confisi ingenio, quam ut otiosi
animi desidiam discuteremiM. itaque priorum quinque voluminum, quae heüo contractu
i/estaque sunt, eundem numerum servavimus: residua quinque (Dederich nach Siiidas:
quatuor) de reditu Graecorum in unum redegimus atque ad te misimus: tu, Bufine «u,
ut par est, fave coeptis.
Das Verhältnis des Prologs and der Epistel. Bezüglich der üeberliefemiig
ist zu hemerken, dass (vgl. p. 79) der Brief in dem besten Codex Sangallensis und auch im
Bemensis fehlt Die Angaben beider Berichte über die Geschichte des griechischen Werb
differieren von einander. So ist, am die wesentlichen Diskrepanzen vorzofClhren, in dem Prolog
das Grab des Dictys mit seinem Schatze darch ein Erdbeben geöffnet worden, in der Epistel
durch das Alter. Im Prolog brachten Hirten den Schatz, den sie zafUlig aufgefunden, zo
ihrem Herrn mit Namen Eapraxides, in der Epistel bringen die Hirten ihren Schatz zom
Besitzer des GrundstQcks Praxis. Nach dem Prolog liess Nora das Werk ins griechifiche
Alphabet umsetzen, nach der Epistel wird die Umsetzung durch Praxis vorgenommen. Eine
falsche Schlussfolgerung ziehen aus diesen Diskrepanzen W. Greif, Nene Unters, zor
Dictys- u. Daresfrage, Berl. 1900, p. 7 und L. Havet, Revue de philol. 3 (1879) p. 86.
Zur Fiktion. 5, 17 Juiec ego Gnosius Dictys comes Idomenei conscripn aratione
«a, quam maxime inter tam diversa loquendi genera consequi ac comprehendere potuij
litteris Punicis ab Cadmo Danaoque traditis, 1, 18 eorum {Idomenei et Merioms) ego
tiecuttis comitatum ea quidem, quae antea apud Troiam gesta sunt, ab ülixe cognita quam
diligentissime retuli: et reliqua, quae deinceps insecuta sunt, quoniam ipse inter fui quam
verissime potero exponam. üeber die verschiedenen Erfindungen, die Dictys machte, «um
dem Leser die Kenntnis von Vorgängen erklärlich erscheinen zu lassen, deren Aagenzeuge
er nicht mehr gewesen sein kann**, vgl. E. Patzig, Byzantin. Zeitschr. l (1892) p. 149;
F. Noack, Philol. Supplementbd. 6 (1891/93) p. 445. 6, 10 haec ego cuncta a6 Neaptolemo
cognita mihi memoriae mandavi. Ebenda: haec de Memnone eiusque sorore comperta wnhi
per Neoptolcmum; vgl. noch H, 3; 6,4; 6, 5. Ausser dem Proloe und der Praef. vgl. Ober
die Fundgeschichte noch Suidas s. v. inl KXav6iov r^g Kgi^trjg vno aeic/Aov xatsyex^eicijf,
xai noXXcjy incptav aveoi/i^eVraii', evQe&tj iy iyl rovruy t6 avpxayfia trjq UtxoQiag Jixrvog,
Toy Tgiütxoy negie/oy noXefAoy^ oneg Xaßcjy KXavdiog i^edoixe yQttqtsa&M.
Die Zeit des Septimius ist nicht völlig sicher zu bestinmien, da ea an fest»
Daten hiefÜr fehlt. Noch am besten geht man von dem Adressaten Q. Aradius Rofiniu
aus. Wir kennen einen Mann dieses Namens, der Stadtpräfekt in Rom im Jahre 812 und
818 war, später im Jahre 316 auch das Konsulat bekleidete; vgl. CDj Vlll Sappl. 14688;
14689 = 10602; Mommsen, Chronica minora 1 p. 67; Synmiach. epist. 1, 2, 3. Auf
diesen Q. Aradius Rufinus möchte man am liebsten den Brief des L. Septimius beziehen.
Weiterhin möchte man an die Worte des Prologs Rutilio Bufo, illius instuae (Cretae) am-
suluri anknüpfen. Bezüglich der Titulatur tnr consularis bemerkt nämlich Marqnardt
(Rom. Staatsverwaltung P (Leipz. 1881) p. 549): ,Der Titel Consularis ist im zweiten Jahr-
hundert genau zu verstehen und bezeichnet einen Statthalter, welcher erst nach der Be-
kleidung des Konsulates das Kommando erhält; allmählich aber verliert er die nrsprflng-
liche Bedeutung und wird im vierten Jahrhundert ein offizielles Prädikat einer bestimmteB
Klasse von Provinzialstatthaltem, welche niemals Konsuln gewesen waren.* Im Anachlan
hieran bemerkt Havet, Sur la date du Dictys de Septimius (Revue de philoL 2 (1878)
p. 239): nSi la Substitution du titre de consularis au titre de proconsul date de Ccn-
stantin (nach einer Bemerkung von L. Renier), l'oublie de cette Substitution doit dtre
notablement post^rieur. L'anachronisme commis par Septimius ne pennet gu^re de croire
qu'il ait ^crit dans la premi^ro moitie du quatri^me si^cle.* Havet will ihn dahor mifc
dem Aradius Rufinus identifizieren, von dem Amm. Marc. 23, 1, 4 (zu 863) sagt: JRufinum
Aradium comitem orientis in locum avunculi stn luliani recens defuncti provexit. Die
Schlussfolgerungen, die sich aus dem Anachronismus für die Chi'onologie ziehen lassen,
können zunächst nur auf den Prolog bezogen werden; ihre Bedeutung erhalten sie, je nadi-
Luoias Septimius. (§ 805.) 81
dem man das Verhftlüiis der Epistel und des Prologs zn einander anffasst Ist der Prolog
eine Uebersetzung ans dem Griechischen, so ergeben sich Scfalussfolgemngen für die Zeit
des Originals und der Uebersetzung; wird ein griechisches Original geleugnet, so fragt es
äch, ob dasselbe von dem Verfasser der £phemeris herrührt; in diesem Falle gewinnen
wir ein Moment fttr die Zeitbestimmung desselben. ROhrt der Prolog nicht von dem Autor
der Ephemeris her, so beweist er natürlich nichts fttr die Zeit desselben. Mit dem vierten
JuliThandert stimmt auch die Sprache der Schrift, welche trotz der Nachahmung alter
Autoren doch schon Spuren der sinkenden Latinität zeigt; vgl. die fleissigen Zusammen-
etellnngen Dederichs vor seiner Ausg. p. XXXVIII. Auch Dunger (Dictys-Septimius
1878, p. 53), der als Grenzen Philostrat einerseits und Syrianus anderseits ansetzt und so
die Grenzen 250—400 gewinnt, entscheidet sich fttr das vierte Jahrhundert
Zeugnisse. Walz' rhetores graeci 4, 43, 3 tos Jixrvg iy tatg i(ptjfi€Qiai (ftjaiy
(= Dictys 5, 17). A. Sonny teilt (Byzantin. Zeitschr. 1 (1892) p. 590) uns ein Scholion
des Encbischofs Arethas (um 917) zu Dio Ghrysostomus or. XI g 92 mit, welches also lautet:
JiXfvg di oyofjLa Kgrjg og TtaQatv^uiy xm TQtoixio noXifjLt^ ygatpei re ta ngax^iyta ixel
j^aXxoTs 7tiya(i xttl iavtio cvydäntsi ' oV xai evQBdrjaar X9^*'V f^'^'^Q^ vategoy inl Nigtoyog,
i^ tay xtti ßißXiotg xitteii&ijaay avfjLtpmyoiq xaia ndyia 'OfAr]Q(p, Suidas sub voce: Jixtvg
iaroQUtog . fyQa^ey iqnjfiegiiftt {iari ifi rd fie^ "O/ÄijQoy xitraXoyddfjy iy ßtßXioig ^*), 'IraXixdy
Tjpcui'xor dtaxöauov . ovtjog eyga^e id negl xrjq aQnayrjg 'EXeyrjs xai negi M/iyeXdov xai
Mte^ff^ *lXtax^g vnodicetog; v^. Aber diese Stelle G. Körting, Dictys u. Dares p. 56 und
Patzig, Byzantin. Zeitschr. 1 (1892) p. 140. Ueber das wertlose Zeugnis im Violarium der
Eodokia vgl. Pulch, Zu Eudokia, Constantinns Palaeocappa, der Verfasser des Violariums
(Hermes 17 (1882) p. 177); Patzig 1. c. p. 132; Noack, Philol. Supplementbd. 6 p.463;
Tgl. ein Zeugnis des Ood.Vindob. 138 fol. 155 bei Fürst, Philol. 60 (N. F. 14, 1901) p. 231 Anm. 5.
Vorbilder. Die Nachahmung des Sallust ergibt sich dem Leser auf den ersten
Blick. Sie erstreckt sich auf Wörter und Wortverbindungen, auf Phrasen, ja ganze S&tze,
auf grammatische Eigentttmlichkeiten und auf die historische Kunst, z. B. die Einschaltang
von Reden; vgl. H. Pratje, Quaest. Sallust. ad Lucium Septimium et Sulpicium Severum
6ai Sallusti Crispi imitatores spectantes, Gott. 1874 und besonders die eine viel bessere
Methode zeigende Abhandlung von W. Brttnnert, Sallust und Dictys Cretensis, Erfurt
1883. Auch F. Meister (Praef. zu seiner Ausg. p. VIII) gibt eine Sammlung von Stellen
und bemerkt: ,quid quod haud raro quasi quaedam huius (Sallusti) imitationes reperiuntur
atqne in Agamemnonem Ulixem alios ea transferuntur quae ille de lugurtha Mario Gatilina
dixit?* Vgl. auch C. Wagener, Fleckeis. Jahrb. 121 (1880) p. 510. Auch mit Vergil
leigt Septimius sowohl sachliche als sprachliche Konkordanzen, wie dies H. D u n g e r (De
Dictye-Septimio Vergilii imitatore, Dresden 1886, p. VIII) nachweist.
Quellen des Dictys. Dunger (üeber die ursprttngl. Abfassung u. die Quellen
der Ephemeris belli Troiani p. 38) kommt nach einer genauen Quellenuntersuchung zu fol-
gendem Resultat: , Seine Hauptquellen sind Homer, ApoUodor, Lykophron, Ptolemaeus
Ohennus, Philostratus, Virgil und ein geographischer Autor, wahrscheinlich Plinius; viel-
leicht hat er auch Hygin und Ovid benutzt.* P. 51: «Nicht benutzt hat er die kyklischen
Dichter und die tragische Litteratur im grossen Ganzen mit Ausnahme etwa der Andromache
des Enripides oder Ennius." Vgl. auch R. Horcher, Ueber die Glaubwürdigkeit der Neuen
Gesch. des Ptolemaeus Chennus (Jahns Jahrb. Supplementbd. 1 (1855/56) p. 284). In ganz
anderer Weise behandelt die Quellenfrage Greif, Untersuchungen p. 33 und 35.
Geschichte der Dictysfrage. Einen Abriss gibt uns Dunger im Eingang
SU seiner Abhandlung, De Dictye-Septimio Vergilii imitatore, Dresden 1886, ferner Fürst
p. 2S0. Der wesentliche Punkt in dieser Frage ist, ob die Angabe des L. Septimius richtig
ut» dass er seine Schrift nach einem griechischen Original verfasste, und ob es demnach einen
griechischen Dictys gegeben hat oder nicht. Fttr das griechische Original ist J. Peri-
sonius (De Dictye Cretensi et eius interprete Septimio, abgedruckt in Dederichs Ausg.,
Bonn 1833) eingetreten, ohne jedoch die Angabe von der Autopsie und der Wiederaufflndung
der Schrift als einkleidende Momente zu verkennen. Ein philologisches Problem wurde die
Frage erst durch die Abhandlung Dungers, Die Sage vom troian. Kriege in den Bear-
beitungen des Mittelalters und ihre antiken (^eUen, Dresden 1869 und durch Körting,
Dictys und Dares. Ein Beitr. z. Gesch. der Troja-Sage in ihrem Uebergange aus der antiken
in die romantische Form, Halle 1874. Dunger leugnete den griechischen Dictys und be-
trachtete demnach die Schrift des Septimius als Originaiarbeit; Körting dagegen nimmt
an, dass es wirklich einen griechischen Dictys gegeben und dass demnach das Buch des
Septimius eine Uebersetzung sei. Vor dem Erscheinen der Körtingschen Abhandlung
hstte sich bereits A. Joly, Benott de Sainte More et le roman de Troie, Paris 1870/71
aof Seite Dungers gestellt; Meister vor seiner Ausg. p. VII. Im Jahre 1878 griff noch-
mals Dunger, Dictys-Septimius. Ueber die ursprflngliche Abfassung und die Quellen der
Ephemeris belli Troiani (Progr. d. Vitztumsg3rmnasiums in Dresden) in die Frage ein, indem
Haudbnch der klaos. Aliertunuwissenflohaft. Vni. 4. 6
%
82 LwAvM Septimins. (§ 805.)
er sich gegen die AosfOhrang Körtings wandte. Seitdem wurde der griec^iische Dicijs
als abgeäan betrachtet; man vgl. z. B. Wagener, Beitrag zu Dares PhryginB (PhfloL a8
(1879) p. 108); Havet, Revue de philol. 2 (1878) p. 288; Lehrs, KOnigsberger win. |
Monatsbl. 1878 p. 131; vgl. jedoch noch Dunger, De Didye 1886 p. VII; H. Haupt in '
seiner Besprechung des Dung ersehen Aufsatzes 1878 (Philol. Anz. 10 (1879/80) p. 539);
Zu Jordanes u. Dictys Cretensis (Philol. 43 (1884) p. 546); Pratje, Quaest. Sallust, (}dtt
1874, p. 6; Brünnert, Sallust u. Dictys Cretensis, Erfurt 1883 p. 18; R. Peiper, Anz.
für deutsches Altertum und deutsche Litt. 6 (1880) p. 76; W. Greif, Die mittelalterlichei
Bearbeitungen der Troianersage, Marb. 1886; Collilieuz, £tnde sur Dictys de Gr^ et
Dares de Phrygie, Grenoble 1886; vgl. dazu Dunger, Berl. philol. Wochenschr. 1887 Sp. 1505.
Nur hie und da erhoben sich Stimmen ftlr den griechischen Dictys, z. B. Th. Mommsen,
Homerische Unters. (Philol. Unters. H. 7 (Berl. 1884) p. 192 Anm.84); Ebert, AUgem. Gesch.
der Litt, des Mittelalters P (Leipz. 1889) p. 609 Anm. 2. Vgl. noch K. Tümpel, Achilleos
u. die lesbische Hierapolis (Fleckeis. Jahrb. 137 (1888) p. 831). Die Frage ruhte längere
Zeit, bis sie 1892 wiederum in Fluss kam. Zugleich, aber unabhängig von einander giäeB
in das Problem ein £. Patzig, Dictys Oetensis (Byzantin. Zeitschr. 1 (1892) p. 131) imd
F. Noack, Der griechische Dictys (Philol. Supplementbd. 6 (1891/93) p. 408). Im Hinblick
auf diesen Aufsah geht E. Patzig, Die Hypothesis in Dindorfs Ausg. der OdysseeacholicB
(Byzantin. Zeitschr. 2 (1893) p. 413) näher auf die Quellenfrage ein. K. Krumbacher
(Gesch. der byzantin. Litt, München' 1897, p. 845) nennt den Nachweis der beiden G^
lehrten, dass es einen ausführlicheren griechischen Dictys gegeben habe, unanfechtbar; ?gi.
auch denselben Byzantin. Zeitschr. 2 (1893) p. 162. Für das Hauptresultat, dass es eines
griechischen Dictys gegeben, tritt auch J. Fürst, Unters, zur Ephemeris des Dictys toi
Kreta (Philol. 60 (1901) p. 236) ein, jedoch im einzelnen an den Resultaten seiner Vor-
gänger bessernd. Dagegen bleibt auf dem Dung ersehen Standpunkt W. Greif (Nene
Unters, zur Dictys- und Daresfrage. I.: Dictys Gretensis bei den Byzantinern, Berl. 1900)
stehen. Er fasst seine Untersuchungen in folgende Sätze zusammen (p, 40): «Die Ephemem
des Dictys, deren Verfasser Septimius ist, war den Byzantinern schon bidd nach ihrer Ab-
fassung bekannt geworden; vom 5. — 7. Jahrhundert wurde sie nachweislich von ihnen ver-
wertet. Nach diesem Zeitraum aber ist keine Spur mehr einer selbständigen Benutzusg
derselben bei ihnen zu konstatieren."
Fortleben des Dictys. Auch hier spielt die Frage, ob es einen griechischen
Dictys gegeben oder nicht, herein. Je nach der Beantwortung der Frage handelt es sich
um das Fortleben des griechischen und des lateinischen Dictys oder des lateinischen Dictys
allein. Die Frage, ob die Byzantiner aus einem griechischen oder aus einem lateiniscbeo
Dictys schöpften, hat die Vorfrage zur Voraussetzung, inwieweit die lateinische Sprache
denselben geläufig war. In erster Linie kommt hier Malalas in Betracht; vgl. G. Körting.
De vocibus latinis, quae apud loannem Malalam chronographum Byzantiniun inveninntor
(Ind. lect. Münster 1879); Noack, Philol. Supplementbd. 6 (1891/93) p. 448; Fürst, PhikL
60 (1901) p. 242. Dass die Bekanntschaft des Malalas mit der lateinischen Sprache fllr die
Quellenfrage ohne Bedeutung ist, haben die beiden letzten Gelehrten gezeigt. Noch eb
zweites Problem muss hier bei-ührt werden, ob nämlich noch ein ausführlicher, lateinischer
Dictys existiert habe, wie A. v. Gutschmid angenommen. Durch die Annahme eines giie- •
chischen Dictys dürfte dieses Problem in V^egfall kommen; die Personalbeschreibungoi
sprechen eher für einen griechischen, als einen ausführlicheren lateinischen Dictys (Fürst,
Philol. 61 (N. F. 15, 1902) p. 377). Die Dictysfrage ist für die byzantinische Litteratur noch mit
ungelösten Schwierigkeiten verknüpft, da hier weitläufige Quellenuntersuchungen erforderiick
sind. Ausser den in der „Geschichte der Frage" citierten Hauptabhandlungen eitleren wir
noch folgende: H. Haupt, Dares. Malalas nnd Sisypbos (Philol. 40 (1881) p. 107); £. Patzig,
Unerkannt und unbekannt gebliebene Malalasfragmente, Leipz. 1891 ; Johannes AntiodieDOi
und Jobannes Malalas, ibid. 1892; Die Troica des Johannes Antiochenus (Byzantin. Zeitschr. 4
4 (1895) p. 23); A.Heinrich, Die Chronik des Johannes Sikeliota der Wiener Hofbihlio-
thek, Graz 1892; C. £. Gleye, Beitr. zur Johannesfrage (Byzantin Zeitschr. 5 (1896) y. 428).
lieber das Fortleben des Dictys — Septimius im Mittelalter handeln die ebenfalls in da
„Geschichte der Frage" citierten Abhandlungen von Joly, Körting und Greif. Eiae
kurze Zusammenfassung siehe bei Meister, Ausg. p. XI. Vgl. noch £. Gorra, Testi inediti
di Storia Troiana, Turin 1887 und dazu Greif in Kochs Zeitschr. f. vergl. Litt.-6esch. N.F.
Bd. 2 (1889) p. 118; M. Gaster, Die rumänische Version der troianischen Sage (Byzanüi.
Zeitschr. 3 (1894) p. 528).
Ueberlieferung. Der zuverlässigste Zeuge ist der Sangallensis 205 s. IX/X, nnd
ihm ist Meister vorwiegend in seiner Ausg. gefolgt. Ausser demselben hat er nodi
Tirias Nieomachiis FlaviaBiia und die anderen Nioomaohi. (§ 806.) 88
herugezogen Bernensis 867, den yerstümmelten Vraiaslayienais IV Q 47 und einen Berolineneis
71 y alle 8. Xin, hie und da auch einen Argenioratensis und einen zweiten Sangallenflis, heide
B. XV. Eine methodische Darlegung der handschriftlichen Ueberlieferung fehlt noch.
Ausg. Von den filteren Ausg. sind namhaft zu machen die editio princeps, Köln 1470
oder 1475; eine Mailänder 1477; die Baseler oder die sog. Oratandrina 1529, meist üher-
räistimmend mit der editio Veneta 1499; die ausgezeichnete Ausg. des Jos. Mercerius,
Paris 1618; dann die Obrechts, besorgt von Samuel Artopoeus, Strassb. 1691 und die
Amsterdamer Ausg. von L. Smids 1702. Die neueren Ausg. sind die von A. Dederich
mit der Dissertatio Perizonii (p. LVII) und einem reichhaltigen Glossar, Bonn 1838 (vgl.
G. F. Hildebrand, Jahns Jahrb. 23 (1838) p. 276) und die von F. Meister, Leipz. 1872;
vgl. dazu Philol 38 (1879) p. 373; H. Dung er, De locis aliquot Dictyis-Septimii (Com-
mentat. Fleckeisen. 1890 p. 205).
9. Virius Nicomachus Flavianus und die anderen Nicomachi.
806. Die Annalen des Nicomachus. Zu den wärmsten Anhängern
der alten Religion gehörte neben der Familie der Symmachi die mit ihr
verschwägerte der Nicomachi. Aus dieser Familie greift Virius Nicoma-
chus Flavianus mit starker Hand in das öffentliche Leben ein. Unter
Theodosius hatte er es zur Quaestura sacri Palatii gebracht und diesem
Kaiser ein historisches Werk, seine Annalen, dediciert; sie trugen ihm in
einer Inschrift den Titel eines sehr beredten Historikers ein. Doch der ehr-
geizige Mann blieb seinem kaiserlichen Herrn nicht treu ; als im Jahre 392
Arbogastes den Eugenius zum Kaiser des Westens ausrufen Hess, schlug er
sich auf die Seite des Usurpators und erlangte unter ihm im Jahre 394
das Konsulat. Damals setzte ihm der Sohn des berühmten Redners Sym-
machus, Q. Fab. Memmius Symmachus, der die Enkelin des genannten Nico-
machus zur Frau hatte, ein inschriftliches Denkmal, das noch erhalten ist.
Allein die Herrschaft des Eugenius, von dem die nationale Partei einen
Umschwung der Verhältnisse erwartet hatte, dauerte nicht lange; schon
im Jahre 394 wurde er von Theodosius aufs Haupt geschlagen und hin-
gerichtet. Aber bereits früher hatte auch Nicomachus Flavianus seinen
Abfall mit dem Leben büssen müssen. Der Fall des einflussreichen heid-
nischen Mannes kam den Christen sehr gelegen; unter dem frischen Ein-
druck der Ereignisse schrieb ein Christ in mangelhafter Prosodie und
mangelhafter Rede eine Invective gegen die gestürzte Grösse. In den
christlichen Kreisen war man sich klar, dass der Fall des Nicomachus
auch eine Niederlage der heidnischen Partei bedeute; denn Nicomachus
hatte alles gethan, um die alten religiösen Institutionen wieder aufzurichten,
und sogar Christen wieder in das nationale Lager zurückgebracht. Im
Zusammenhang mit diesen Bestrebungen stand gewiss auch seine Be-
schäftigung mit Apollonius von Tyana. Es ist bekannt, dass die Heiden
gern diesen Wunderthäter Christus gegenüberstellten. Nicomachus be-
arbeitete daher das Leben des Apollonius von Philostratus in lateinischer
Sprache; sein Werk wurde von Victorianus einer Durchsicht unterzogen.
Dass die Bildung des Nicomachus ganz auf nationaler Grundlage ruhte,
ist nach dem Gesagten selbstverständlich ; er war nicht nur in der Philo-
sophie bewandert, sondern hatte sich auch in der Auguraldisziplin um-
gesehen. In der Familie der Nicomachi scheint das tragische Geschick
ihres berühmten Vorfahren einen Stachel zurückgelassen zu haben; sein
Andenken wieder zu Ehren zu bringen, musste das Bestreben derselben sein.
84 VirinB Nicomaohas Flavianas und die anderen Hieomaohi. (§ 806.)
Das Ziel wurde auch erreicht; im Jahre 431 erwirkte der Enkel dieses
Nicomachus, Appius Nicomachus Dexter, einen Erlass der Kaiser an den
Senat, in dem gestattet wurde, dass dem Nicomachus wieder ein ehrendes
Andenken gewidmet werde. Der Enkel liess daher eine neue Inschrift
errichten, in der er wiederum die Ehren des Nicomachus verzeichnete,
aber begreiflicherweise das von Eugenius verliehene Konsulat wegliess;
auch das anerkennende Schreiben der Kaiser an den Senat wurde der In-
schrift beigegeben. Wie der Vater, so standen auch Sohn und Enkel auf
nationalem Boden. Die vaterländische Richtung prägte sich auch darin aus,
dass man die alten Autoren hervorsuchte und korrekte Exemplare herzu-
stellen bemüht war; auch auf diesem Gebiet finden wir die Nicomachi
thätig. Der Sohn und der Enkel des Yirius Nicomachus Flavianus, der
jüngere Nicomachus Flavianus und Appius Nicomachus Dexter, haben sich
mit der Revision des Livius beschäftigt; von ihrer Thätigkeit legen Sub-
scriptionen zu einzelnen Büchern der ersten Dekade Zeugnis ab.
Der Historiker Virius Nicomachus Flavianns, derVater. Ueber seine
amtliche Laufbahn erteilt Aufschlnss die Inschrift CIL 6, 1782; Willmanns, Exempla io-
scriptionum lat. 645'; Dessau, Inscr. lat. selectae 1 No. 2947: Virio Nicomacho Flaviano
V. c. quaest,, praet., pontif. maiari, constUari SicüicLe^ vicai^io Äfricae, quaestori irUra Pa-
latiuin, prctef, praet. iterum, cos. ord., historico disertissimo, Q. Fab. Metnmius Symmachn^
V. c. prosocero optimo. Ueber diese Inschrift vgl. Rossi p. 291 ; Seeck, Ausg. des Symmach.
p. CXI f. Als Eonsular leitete er Sizilien im Jahre 364; vgl. Seeck p. CXIV. Vicarins
Africae war er im Jahre 377. Zur Quaestura sacri Palatii wurde er durch Theodosius be-
fördert kurz vor 383. Zum erstenmal war er praefectus praet. 883, zum zweitenmal 391 und
392, vielleicht schon 389. 394 war er cos. ord. unter Eugenius. Da die Inschrift dBS Konsulat
erwähnt, das Nicomachus von dem Usurpator Eugenius erhielt, wird sie kurz vor dem Tode
des Eugenius (394) und des Nicomachus gesetzt sein. Ueber die amtliche Laufbahn des Nico-
machus gibt auch eine zweite Inschrift CIL 6, 1783; Willmanns 645; Dessau 2948
Aufschluss; durch diese Inschrift, in welcher der in den Fall des Eugenius hineingezogene
Nicomachus im Jahre 431 wieder in seine Ehren eingesetzt erscheint, werden zwei Aemter
genauer bestimmt; statt quaestori intra Palatium lesen wir quaest. aulae divi Theodosi, statt
praef. j)ra€t. iterum steht hier praef. praet. Ital. Illyr. et Afric. Das Konsulat dagegen ist
in der zweiten Inschrift, weil von Eugenius verliehen, in Wegfall gekonmien. Ans dem
Schreiben der Kaiser Theodosius II und Placidus Valentinianus an den Senat, welches der
zweiten Inschrift beigegeben ist, heben wir folgendes aus: intellegüis profecto, quidquid
in restitutionem pristini honoris inliistris et sanctissimae aput omnes recordationis Fla-
Viani senioris adimus, divi avi nostri (sc. Theodosii maioris) veneratumem esse, si eum
quem vivere nobis, servarique vobis — quae verba eius aput vos fuisse plerique meministis
— optavit, sie in monumenta virtutum suarum titulosque revocemus, ut quidquid in istum
caeca insimulatione conmissum est, procul ab eius principis voto fuisse iudicetia; euius in
eum effusa benivolentia, et usque ad annalium, quos consecrari sibi a quaestore et prae-
fecto suo voluit, provecta, excitavit livorem inproborum. Seine Gelehrsamkeit berührt
Macrob. sat. 1, 5, 13 Flavianum qui, quantum sit mirando viro Venusto patre praestan"
tior, non minus omatu morum gravitateque vitae quam copia profundae erudiUonis ad-
seruit; vgl. 1, 24, 17 post hunc Flavianus „apud poetam nostrum", inquit, ,^UnUam
scientiam iuris nuguralis invenio ut, si aliarum disdplinarum doctrina destitueretw, haec
illum vel sola professio sublimarei'* ; vgl. auch Sozom. 7, 22 p. 307 Val.; Nikeph. Eist. ecd.
12, 39 (Migne, Patrol. gr. 146 Sp. 880). Bezüglich der Uebersetzung von Philostratos' Leben
des Apollonius von Tyana vgl. Apollin. Sid. epist. 8, 3 p. 173 Mohr: Äpollonii JPythagariei
vitam, non ut Nicomachus senior e Philostrati, sed ut Tascius Victorianus e NieomadU
schedio exscripsit, quia iusseras, misi^ wozu Mommsen in der Ausg. des Sidonios Apol-
linaris von Luetjohann p. 420 bemerkt: „significatur opinor Nicomachi senioris cnra Plnlo-
strati Graeca Latine versa esse, Yictorianum eam versionem recognovisse.* Bei Jcrfiamiee
Saresberiensis polier. 2, 26; 8, 11 wird die Schrift de vestigiis sive de dogmate philosophorum
eines Flavianus erwähnt; da bei Symmachus epist. 2, 61 dem Flavianus philoaopliiBehe
Kenntnis zugesprochen wird, ist es nicht unmöglich, dass Flavianus eine solche Schrift
geschrieben; vgl. A. Reif f erscheid, Rhein. Mus. 16 (1861) p. 23. (Ueber den Grammatiker
^vianus vgl. unten bei Charisius). Ueber das gegen unsem Nicomachus gerichtete Oe-
ieht adversus paganos werden wir später handeln.
Ammianiia Maroellinns. (§ 807.) 85
Der Recensent des Livius Nicomachus Flavianus, der Sohn, lieber
•eine amtliche Laufbahn belehrt uns die zweite Inschrift (CIL 6, 1783; Wilmanns 645;
Dessau 2948) .... m honorem fUii Nicomachi Flaviani cons, Camp., proconp, Asiae,
praef, urhi saepius, nunc praef, praet. Italiae Ulyrici et Afrieae. Vgl. auch noch Liban.
er. 27. Sein Prokonsulat von Asien f&Ut in das Jahr 383; vgl. cod. Theodos. 12, 6, 18.
BesQglich der Worte praef. urhi saepius ist zu bemerken, dass in der gleich zu er-
wfthnenden Subscriptio dem praef. ein III hinzugefügt wird. 431 war er praef. praet.
Unser Nicomachus war mit einer Tochter des Redners Synuoiachus verheiratet (vgl. Seeck
LLII), wfthrend Q. Fab. Memmius Symmachus die Tochter unseres Nicomachus zur Frau
tte. Die Verbindung der beiden Familien wird durch das Diptychon Meleretense veran-
schaulicht; vgl. Gori, Thesaurus veteram diptychorum tom. 1 p. 203; eine Abbildung auf
Tafel VI; vgl. auch Borghesi, Oeuvres 8 p. 198. Die Subscriptio zum 6., 7. und 8. Buch
dee Livius lautet: Nicomachus Flavianus v. c. III praefect. urbis emendavi apud Hennam,
Mit ihr vereinigt steht noch die Subscriptio: Victor ianus v. c, emendabam domnis Sym-
maehiSt welche sich unter allen 10 Büchern findet; vgl. § 828. Die Worte apud Hennam
finden ihre Erklärung durch Symmach. epist. 2, 30; 6, 57; 6, 66, aus denen man ersieht,
daaa die Nicomachi in Sizilien begütert waren. Da Nicomachus in der Subscriptio nicht
als praef. praet. bezeichnet wird, ist zu schliessen, dass die Recensio vor 431 erfolgte; vgl.
O. Jahn, Die Subscriptionen in den Handschriften rOm. Klassiker (Ber. über die Verh. der
sichs. Ges der Wissensch. 1851 p. 835).
Der Recensent des Livius Appius Nicomachus Dexter, der Enkel.
Der Schluss der zweiten Inschrift lautet: Äppius Nicomachus Dexter v. c. ex praef. urbi
uro optima (d. h. dem zuerst genannten Nicomachus) statuendam curavi. — Septb, Basso
et Antiocho rr. cc, conss, (i. J. 431). Er war der Sohn des an zweiter Stelle genannten,
jüngeren Nicomachus; vgl. Seeck p. LI. Auch dieser Appius Nicomachus Dexter beteiligte
flieh an der Verbesserung der ersten Dekade des Livius. Die Subscriptio Nicomachus Dexter
V. e. emendavi ad exemplum parentis mei Clementiani findet sich zu den Büchern 3, 4, 5,
wo aber auch die Recension des Victorianus angemerkt ist. Ueber die Deutung der Worte
ad exemplum parentis mei Clementiani vgl. G. B. de Rossi 1. c. p. 326, der vermutet,
dass Clementianus ein Rhetor und Lehrer des Nicomachus Dexter gewesen, und dass daher
d«r Ausdruck parene in zärtlichem, nicht in verwandtschaftlichem Sinn zu nehmen sei; vgl.
dagegen B. Borghesi, Oeuvres 8 p. 199.
Litteratur über die Nicomachi. G.B. de Rossi, Annali dell' instituto arch.
21 (1849) p. 285; B. Borghesi, Oeuvres 8 p. 197; 0. Jahn, Üeber die Subscriptionen in
den Handschriften röm. Klassiker (Ber. über die Verh. der sftchs. Ges. der Wisseosch. philoL-
lust Elass. 3 (1851) n. 336); E. Morin, iStude sur la vie et sur les Berits de Symmaque,
prüfet de Rome en 384, Paris 1847; 0. C lasen, Zur Prosopographie der Briefe des Sym-
machus (Heidelberger Jahrb. 1872 p. 535); 0. Seeck, Ausg. des Symmachus p. LI; ein
Siemma der Symmachi und Nicomachi p. XL.
10. Ammianus Marcellinus.
807. Sein Leben. Ammianus Marcellinus war ein Grieche aus Antiochia.
£r stammte aus einer vornehmen Familie. Aufgenommen unter die protec-
tores domestici wurde er dem magister equitum Ursicinus beigegeben, wel-
cher damals in Nisibis, einer Stadt Mesopotamiens, stand. Als Ursicinus
finde 353 oder Anfang 354 nach Antiochien zur Leitung der Hochverrats-
prozesse berufen wurde (14, 9, 1), folgte ihm Ammian. Die Furcht,
Ursicinus möchte im Orient die Macht an sich reissen, bestimmte den
Kaiser Constantius, den Feldherrn an sein Hoflager in Mailand im Jahre
354 zu berufen (14,11,5); unter seiner Begleitung sehen wir unsern
jungen Offizier. Damals hatte sich Silvanus in Köln die Eaiserwürde an-
gemasst. Um dieses Aufstandes Herr zu werden, schickte der Kaiser den
bewährten Ursicinus dorthin ab; in seinem Gefolge befand sich unser
Historiker (15, 5, 22). Ursicinus Hess den Empörer ermorden. Mit seinem
Feldherrn verweilte Ammian noch in Gallien, als der Caesar Julianus sieg-
reich gegen die Alamannen vorging (16, 2, 8). Im Jahre 357 kam Ammian
mit Ursicinus an den kaiserlichen Hof nach Sirmium und schloss sich dei^
86 Ammianns Maroelliniui. (§ 807.)
Qeneral an, als dieser wieder nach dem Orient geschickt wurde (16, 10,21).
Wiederum von dem misstrauischen Kaiser zurückgerufen (18, 5, 5), erhielt
jedoch Ursicinus auf dem Marsche Gegenbefehl (18, 6, 5) und leitete aufs
neue die Operationen gegen die Perser. Mit lebhaften Farben erzählt uns
Ammian seine Erlebnisse in diesen Kämpfen. Besonders interessant ist
seine Schilderung, die er von der Belagerung Amidas gibt (i. J. 359), wohin
er sich geflüchtet hatte (18, 8, 11). Bei der Eroberung der Stadt durch
die Perser entkam Ammian und rettete sich unter grossen Gefahren nach
Melitene in Kleinarmenien, wo sich auch Ursicinus eingefunden hatte.
Mit seinem Feldherrn begab sich Ammian nach Antiochia (19, 8, 12). Als
Ursicinus im Jahre 360 seines Postens enthoben wurde (20, 2, 1), scheint
auch Ammian eine Zeit lang dem Militärdienst Lebewohl gesagt zu haben.
In kriegerischer Thätigkeit aber finden wir ihn wieder, als Julian im Jahre
363 gegen die Perser zu Felde zog, und seine Berichte sind wieder die
eines Augenzeugen (21, 5, 7; 24, 1, 5; 24, 2, 1; 24, 5, 1; 24, 8, 4; 25, 1, 1;
25, 2, 1 ; 25, 3, 1 u. a.). Sie reichen bis zum Rückzug des Kaisers Jovian
nach Antiochia. Es ist sonach wahrscheinlich, dass Ammian damals aus
dem Militär definitiv austrat und sich in das Privatleben zurückzog. Er
lebte anfangs in seiner Vaterstadt Antiochia (29, 1, 24; 29, 2, 4; 30, 4, 4).
Von da begab er sich nach Rom, wo er der Abfassung seines Geschichts-
werkes oblag. Er trat nicht ganz unvorbereitet an seine Aufgabe heran.
Einen grossen Teil der in seiner Zeit sich abspielenden Ereignisse hatte
er miterlebt; auf seinen Kriegszügen waren ihm viele Länder des römi-
schen Reiches durch persönliche Anschauung bekannt geworden, und
diese so gewonnene Länderkunde hatte er noch durch eigene Reisen, nach
Aegypten, dem Peloponnes, Thracien erweitert. Es fehlte nur noch, dass
er seine litterarische Bildung vervollkommnete; er that dies auch, indem
er sich mit staunenswertem Fleisse in die römische Litteratur hinein-
arbeitete. Auch mit der gebildeten vornehmen Welt suchte er Fühlung
zu gewinnen. Obwohl der orientalische Grieche manche Demütigung (14,
6, 12) hierbei erfahren musste, kam er doch mit einigen hochstehenden
Persönlichkeiten in freundschaftlichen Verkehr, so mit Hypatius, dem Stadt-
präfekten vom Jahre 379, dem nachmaligen praefectus praetorio Italiae
von 382—383 (29, 2, 16j. Die Frage, wie lange Ammian gelebt habe, lässt
sich nicht direkt beantworten, da es hierüber an einer positiven Nach-
richt gebricht. Wir können nur feststellen, dass die Zeitindicien in seinem
Werke bis zum Ende des vierten Jahrhunderts herabführen.
AllgemeiDe Litteratur über Ammian. Chifflet, DeA. M. vita et lifatiB,
Löwen 1627. Ausg. von Wagner-Erfurdt, p. LXXXV; Ch. Heyne, Censura ingenii
et historiarum Ammiani Marc. (Opuscula), Göttingen 1802; Si e ve rs, Das Leben des Libanios,
BerL 1868, p. 271; Ditki, De Amm. Marc, Rössel 1841; C. A. Müller, De Amm. Marc.,
Posen 1852; £. A. W. Möller, De Amm. Man*., Diss. Königsberg 1863; R. H. Reuscher,
Quaestiones Amm. I. De Ammiani vita, Frankfurt a. 0. 1859; Michael, Beitrftge nr
Charakteristik des Amm. Marc. (Philol. Abb. M. Hertz dargebracht, Berl. 1888, p. 229);
Gimazane, Ammien Marcellin, sa vie et son oeuvre, Th^se. Bordeaux 1889; Michael,
Das Leben des Amm. Marc, Fr. Jauer 1895; Wachsmuth, Einl. in das Stud. der alten
Gesch., Leipz. 1895, p. 682; Bttdinger, Amm. Marc und die Eigenart seines GeschichtB-
Werkes, eine universal-hist. Studie (Denkschriften der phU.-hist. Klasse der Wiener Akad.
Bd. 44 (1896) Abb. 5); Peter, Geschichtl. Litt, der röm. Kaiserz. Bd. 2 (1897) p. 117;
Norden, Die antike Kunstprosa, Leipz. 1898, p. 646; R. v. Scala, Doxographische und
stoische Reste bei Amm. Marc. £in Beitrag zur Gesch. der allgemeinen Bildung des 4. Jafarii.
Ammianns MaroellinuB. (§ 808.) 87
(Festgaben za Ehren Max Bttdingers, Innsbruck 1898); Seeck, Pauly-Wissowas Realencycl.
Bd. I Sp. 1845; L. Dautremer, Ammien Marcellin (Th^se), Lille 1899; Leo, Die griech.-röm.
Blogr., Leipz. 1901»p. 236; Glover, Life and letters in the foorth centory, Cambridge 1901, p. 20.
Biographisches, a) Der volle Name Ammianus Marcellinus erscheint in
4er Subsoriptio des Vaticanus; bei Libanius nnd Priscian heisst er Marcellinus; über
Pereönlichkeiten mit gleichen Namen vgl. Gutschmid, Kl. Sehr. 5 p. 568. Seine Heimat
Antiochia ergibt sich deutlich aus Libanius. Der Antiochener Libanius (ep. 983) schreibt
ea Amm. Marc: tavti di ov toy avyyQatpia xocfiei uo^oy, aXXä xni T^fing uty iariy 6
mwyy^fpsvg .... dXX* avrog re yiyyov XafiTtQoieQog xai ijfity tovio Slöov . toiovxoy ynQ
ivelirfTc fvdoxifAtSy xocfiet toTg ttvTov itjy noXiy ttjy iavtov. Er selbst nennt sich am
ScMoaae des Werkes (31, 16, 9) einen Griechen. Dass Amm. von vornehmer Familie war,
«flipbt dch ans 19, 8, 6 tU insuetus ingenuus,
p) Ueber Amm. als protector domesticus vgl. 14, 9, 1 a Nisibi, quam tuehatur accUus
Unicinus, eui nos obsecuturoa iunxerat imperiale praeceptum. 15, 5, 22 bezeichnet sich
Amm. aosdrflcklich als einen domesticus protector. 16, 10, 21 provectis e consortio nostro
md regendos müites natu maioribus, adulescentes cum (Ursicinum) sequi iubemur. Da
Üraiciniis das Kommando fOr den Orient im Jahre 350 erhielt, und die militärische Corri^re
in jenen Zeiten gewöhnlich im 18. Lebensjahre angetreten wurde, wird Amm. ungefähr um
4bb Jahr 332 geboren sein; vgl. Gutschmid, Kl. Sehr. p. 572.
y) Ueb^ seine Ankimft in Antiochia aus dem Feldzug Julians gegen die Perser
▼gl. 25, 10, 1 Antiochiam venimus. Dass er sich hier längere Zeit aufhielt, beweist 29, 1, 24,
wo er von den Hochverratsprozessen des Jahres 371 sagt: addici post cruciabües poenas
vidimus multos, Anch im J. 378 befand sich anscheinend Amm. noch in Antiochia; vgl.
Sl, 1, 2.
<f) Aufenthalt in Rom. Liban. epist. 983 (an Amm.) xai ai ^ijXtS tov 'PwfÄijy exeiy,
Mttxtirfjy tov aä. Der Exkurs über das Leben der Gesellschaft in Rom (14, 6, 3—26 u. 28,
4,6 — 35) setzt durchaus die Anwesenheit Ammians in der Hauptstadt voraus; vgl. Gut-
schmid, El. Sehr. p. 567. Reisen Ammians 17, 4, 6 {Thebis hecatompylis) .... obeliscos
wkNmus plures. 22, 15, 1 Res Aegyptiacae tangantur, quarum notitiam .... degt^ssimus
Imie Visa pUraque narrantes, 26, 10, 19 Laconicam prope Mothonem oppidum nos trans-
tmndo eonspeximus. 22, 8, 1 super Thraciarum extimis situque Pontici sinus risa vel
Ueta quaedam perspicua fide mofistrare; vgl. auch 27, 4, 2. Vgl. ausser den angegebenen,
ellgemeinen Schriften über Amm. besonders Cart, Quaest. Amm. p. 6, auch Büdinger,
Amm. Marc. p. 6.
808. Ammians Werk. Ammian gibt selbst am Schlüsse seines Werkes,
dem er den Titel „Geschehnisse* (res gestae) vorsetzt, den Inhalt des-
selben an, indem er sagt: »Ich, ein Grieche und ehemaliger Soldat, habe
die vorliegende Geschichte vom Prinzipat Nervas bis zum Tode des Valens
nach Massgabe meiner Kräfte dargelegt.* Dieser grosse Zeitraum, der
sich von 96 — 378 erstreckt, nahm 31 Bücher in Anspruch; von denselben
sind uns aber nur die letzten 18, also B. 14—31, in welchen die Epoche
358 — 378 geschildert wird, erhalten. Dagegen sind uns die 13 ersten
Bücher verloren gegangen. Wir verschmerzen diesen Verlust, da der wert-
vollere Teil, in dem Ammian die Ereignisse seiner Zeit erzählt, vom Unter-
gang verschont blieb. Eine bewegte Epoche ist es, in die uns der Autor
geleitet. Bald werden wir nach Osten, bald nach Westen geführt; die
Kämpfe mit den Alamannen, Persern und Goten treten vor unsere Augen.
Mit der Regierung des Constantius setzt das Erhaltene ein; der Tod des
CSaesar Gallus bildet den Höhepunkt des 14. Buches. Mit dem 15. Buch
wird Julian in den Vordergrund gerückt, er bleibt die Hauptfigur durch
elf Bücher hindurch. Der Autor gibt uns ein farbenreiches Gemälde
von der siegreichen Schlacht Julians gegen die Alamannen (B. 16); er
verfolgt dessen kluges und umsichtiges Vorgehen in Gallien und Ger-
manien und führt den Leser, nachdem auch die Ereignisse im Orient in
den Kreis der Betrachtung gezogen sind, zur Katastrophe, dem Abfall
Julians vom Kaiser Constantius, dessen Tod das erschütterndste Ereignis
gg Ammiaiiiis XarcellinnB. (§ 808.)
des 21. Buches ist. Die Erzählung wendet sich zu den Kämpfen Julians
mit den Persern; der Tod des Kaisers gibt denselben einen tragischen
Abschluss. Die Erhebung Jovians zum Kaiser, sein unrühmlicher Friedens-
schluss mit den Persern und sein bald eintretender Tod geben uns das
Nachspiel zu dem traurigen Drama. Mit dem 26. Buch treten wir in die
Kegierungszeit Yalentinians ein, der seinen Bruder Valens und später
seinen Sohn Qratian zum Mitregenten annahm. Ausser den Alamanoen
erscheinen jetzt die Gothen auf dem Kampfylatz; auch die Perser bleiben
nicht unthätig. Ein plötzlicher Tod rafft 375 den Kaiser Yalentinian hin-
weg; neben Gratian wird Yalentinian II. zum Kaiser ausgerufen. Die
Erzählung erreicht jetzt die höchste Spannung, die beginnende Yölker-
wanderung erschüttert die Grundfeste des römischen Reiches. Vor den
Hunnen fliehend, dringen die Goten vorwärts; Kaiser Valens, der sich
ihnen entgegenstellt, verliert in der Schlacht bei Hadrianopolis 378 das
Leben. Bei diesem bedeutsamen Ereignis legt der Historiker den Griffel
aus der Hand.
Nur einige Züge aus dem reichen Inhalt konnten hier gegeben
werden ; die Fülle des Einzelnen darzulegen ist unmöglich. Aber der Ver-
fasser hat sich nicht auf den geschichtlichen Stoff beschränkt; er nimmt
gern die Gelegenheit wahr, dem Leser auch seine durch eifriges Studium
erworbene Gelehrsamkeit vorzuführen. Er flicht daher oft, und nicht selten
sogar in störender Weise, Exkurse über fast alle Gebiete des Wissens ein:
dadurch erhält sein Werk zugleich den Charakter einer kleinen Encyclopädie.
Ammian verfasste seine Geschichte in Rom. Aus einem Briefe des
Rhetors Libanius, der im Jahre 390 oder 391 geschrieben ist, lernen wir
die Thatsache kennen, dass Ammian sein Geschichtsbuch in Abschnitten
vorlas und grossen Beifall erntete. Als Libanius den genannten Brief
abschickte, wies er zugleich auf künftige Vorlesungen Ammians hin, so
dass wir daraus den Schluss ziehen müssen, die Geschichte Ammians m
in dem Jahre 390 oder 391 noch nicht vollendet gewesen. Und in der
That lässt sich wahrscheinlich machen, dass er erst nach dem Tode des
Theodosius mit der grossen Aufgabe, die er sich gestellt hatte, zu Ende
kam. Wenn Ammian durch Recitation abschnittweise sein Werk zur Kenntnis
des Publikums brachte, wird dasselbe auch successive in den Buchhandd
gekommen sein. Dafür finden wir Spuren in den erhaltenen Bfichern
selbst; so macht der Autor einen Einschnitt mit dem 15. Buch. Noch
bedeutungsvoller ist der, welcher im Eingang des 26. Buches zu Tage tritt
Ammian hatte die Absicht, mit dem Tode Jovians seine Erzählung abzo-
schliessen. 1) Er hatte die Thaten berichtet, an denen er selbst seinen
Anteil hatte und in denen die glänzende Gestalt Julians aufleuchtete. Er
war der Gegenwart näher gerückt und fürchtete daher die Gefahren, die
mit der Verkündigung der Wahrheit verbunden sind. Auch der Kritik
sah er mit Besorgnis entgegen. Doch griflf er, vielleicht durch den Bei-
fall des Publikums ermuntert, nochmals zur Feder, um die Erzählung bis
zur Schlacht bei Hadrianopolis zu führen.
*) Anders Gatschmid, Kl. Sehr. 5 p. 571.
Anunianiui Maroellinns. (§ 808.) 89
In seiner Darstellung der Ereignisse konnte Ammian bei einem
grossen Teil derselben auf eigene Erlebnisse zurückgreifen, und diese
Partien, die manchmal an das Memoirenhafte streifen, haben für den
Leser einen besonderen Reiz. Allein um die ganze Geschichte einer Zeit-
epoche zu schreiben, reichten die persönlichen Erinnerungen des Autors
nicht aus; er musste sich daher auch nach litterarischen Quellen um-
sehen.^) Da hier Ammian sehr schweigsam ist, können wir nur mehr
oder weniger wahrscheinlichere Vermutungen geben. Für die Kämpfe
Julians mit den Alamannen scheint er eine Spezialschrift seines Helden
verwertet zu haben; für die Schilderung des Perserkriegs Julians wird er
wohl das Werk des Magnus von Carrhae herangezogen haben. Auch
mündliche Berichte mochten ihm zugeflossen sein, üeberall aber bewahrt
sich der Historiker ein objektives Urteil.
Eine ganz andere Persönlichkeit tritt uns in den Exkursen entgegen.
In denselben ist Ammian fast ganz von seinen Quellen abhängig') und
nur selten vermag er hier Eigenes zu bieten. In diesen Einlagen will der
alte Soldat mit seiner mühsam erworbenen Gelehrsamkeit glänzen und
er schreibt daher manchmal aus seinen Quellen Dinge ab, die er selbst
nicht verstand.
Umfang, Gliederung und Titel des Werks. 31, 16, 9 haec ut miles qitondam et
GraecuSf a principatu Caesaris Nervae (96) exorsus ad usque Volenti» interitum (378) pro
virium explieavi mensura. Einschnitte gewanren wir noch im Eingang des 15. und im Eingang
des 26. Baches. Der erste Teil, der also die Bücher 1 — 14 umfasst, reicht von der Re-
gierang Nenras bis zom Tod des Gallus, also von 96—354; der zweite Teil, der die Bücher
15 — 25 in sich begreift, von dem ersten Auftreten Jolians bis zum Tode Jovians, also von
854—364; der dritte Teil endlich, auf den die Bücher 26—31 fallen, von Jovians Tod bis
zum Untergang des Kaisers Valens, also von 364— 378. Sonach erstreckt eich das Werk,
soweit es erhidten ist, auf den Zeitraum von 353—378, behandelt also 26 Jahre; die ver-
lorenen 13 Bücher umschlossen dagegen einen Zeitraum von 257 Jahren (Fragm. bei Gardt-
hausen, Ausg. 1 p. 1; Gimazane p. 405). Die Annahme Michaels (Die verlorenen Bücher
des Amm. Marc., Breslau 1880), dass die verlorenen Bücher erst mit der Zeit von Con-
stantins Tod (337) begonnen hätten und dass die Ereignisse von Nervs bis zu diesem Zeit-
punkt in einem zweiten Werk behandelt worden seien, ist unrichtig. Michael gelangt zu
seiner Annahme auf Grund der Rückverweisungen auf die verlorenen Bücher in den er-
haltenen; dieselben seien besonders zahlreich für die Zeit von 337—353 und nötigten uns,
der Darstellung dieses Zeitraums eine grössere Anzahl von Büchern, also wohl die 13 ver-
loren gegangenen, zu geben, so dass fttr die Zeit von Nervs bis zu Constanüns Tod ein
eigenes, ebenfalls verloren gegangenes Werk angesetzt werden müsse. Allein die Schluss-
folgerung, die Michael aus den Rückverweisungen zieht, hält einer näheren Prüfung nicht
Stuid; vgl. Jeep, Rhein. Mus. 43 (1888) p. 60; M. Petschenig, Bursians Jahresber. 72. Bd.,
2. Abt. (1892) p. 1. Auch wäre es sonderbar, wenn von diesem zweiten Werk sich alle
Sparen in der Litteratur verloren hätten. Dass Amm. nur ein Geschichtswerk geschrieben,
ergibt sich übrigens schon aus den ausgeschriebenen Schlussworten; vgl. auch 23, 6, 24.
Noch ist die Frage zu berühren, ob das Werk Ammians aus 31 oder 32 Büchern bestanden hat.
Chifflet (De Amm. Marc, vita et libris rerum gestarum p. 112 in der Ausg. von Wagner)
schliesst daiaus, dass ein 28, 1, 57 gegebenes Versprechen nicht eingelöst wird, dass noch
vieles andere vermisst wird, und dass der Anfang des 31. Buches nicht zu dem voraus-
gehenden passt, Amm. habe 32 Bücher geschrieben und es sei ein Buch vor dem letzten
mnsgefallen. Auch Valesius p. 51 (in der Ausg. von Wagner) stimmt Chifflet zu. Von
den neueren ist Gutschmid (Kl. Sehr. p. 572) auf die Seite Chifflets getreten, indem er
es besonders als eine Unmöglichkeit ansieht, dass Amm. die Ereignisse von 3 Jahren (375
— 378) gänzlich unberücksichtigt gelassen. Die Lücke wird kaum zu leugnen sein, zumal
da wir noch eine andere, wenngleich minder grosse 24, 7, 2 (vgl. 24, 7, 8) nachweisen können.
Ob aber die Lücke ein ganzes Buch ausgefüllt hat, ist mir doch zweifelhaft. — Das Ge-
') Anders Mommsen, Hermes 16(1881) \ ') Vgl. Michael, Beiträge zur Charak-
p. 602. I teristik des Amm. Msxc. ^. 2&\.
90 Ammianaa Xaroellinos. (§ 808.)
Schichtswerk wird in der Subscriptio des VaticaDiis durch rerum geftarum (libri^ bezeichnet
Auch bei Priscian, Gramm, lat. 2 p. 487, 1 heisst es: tU „induisi indulsum" vel „indultum'j
unde Marcellinus rerum gestarum 14 (1, 4) „tamquam lieentia cruddüati indüUaJ* Wabr-
scheinlich enthielt aber der Titel noch die Einschränkung ab excessu Nennte.
Excurse. Es mag hier eine Uebersicht der verschiedenen Grmppen derEzkaise feiges.
a) Geographische:
14, 4, 1 Ueber die Saracenen.
22, 8, 1
Ueber Thracien und die Lage des
14, 8, 1 „ die orientalischen Provinzen.
pontischen Meerbusens. .
15, 4, 1 „ den Bodensee.
22,15
, Aegypten.
15, 9, 1 „ Gallien.
28,6
, Persien.
18, 9, 1 , Amida.
27, 4, 1
, Thracien.
21, 10, 8 s den Pass bei Succi.
81, 2, 1
„ die Hunnen und Alanen.
ß) Physikalisch. mathematische:
17, 7, 9 Ueber Erdbeben. schriftsteiler.
20, 3, 1 , die Sonnenfinsternis. 23, 6, 85 Ueber die Perlen.
20,11,26 „ den Regenbogen. 25,2,5 , Meteore.
23,4 „ Kriegsmaschinen; abgedr. n. 25,10,2 . Kometen.
übers, bei Köchly u. Rüstow, Kriegs- 26, 1, 8 „ den Schalttag.
;') Philosophisch-religiöse:
14, 11, 25 Ueber Adrastea oder Nemesis. 21, 14, 5 Ueber die Schutzgeister.
21, 1, 7 n die Weissagung.
(f) Soziale:
14, 6, 8 Ueber das Leben in Rom. 29, 4, 2 Ueber die Pest
28, 4, 6 „ die Sittenverderbnis des Adels 30, 4, 4 , , Advokaten im Orient
und des gemeinen Volks in Rom.
Abfassungszeit. In dem ersten Teil tritt uns ein einziges Zeitindidum entgegen.
16, 6, 19 wird von einer vor nicht langer Zeit stattgehabten Hungersnot in Rom geeprodien;
es ist die des Jahres 883. Also muss das 14. Buch einige Zeit später als 888 verfust
sein. Im zweiten Teil (B. 15—25) weiss der Historiker nichts von der Zerstörung des Seit-
peum (22, 16, 12), welche in das Jahr 391 gesetzt wird; vgl. Cart, Quaest Amm. p. 47.
Dass dieses Schweigen von dem Untergang des Serapeum in chronologischer Beziehung
durchaus beweiskräftig ist, betont mit Recht Mommsen, Hermes 16 (1881) p. 680 und
ganz besonders Gutschmid, Kl. Sehr. 5 p. 366. Also muss das 22. Buch vor dem Jthre
391 liegen. Im letzten Teil (B. 26—31) erhalten wir zwei Zeitindicien. 26, 5, 14 wird von
Neoterius als postea consul, tunc notariuSy gesprochen. Das Konsulat des Neoterius fiUt
in das Jahr 390. 27, 11, 2 heisst es von Probus: quoad vixU; sein Tod war also dem
Schriftsteller schon bekannt. Derselbe war 395 sicher tot, vielleicht schon geraume Zeit;
vgl. Sievers, Libanius p. 273 und Seeck, Symmachus p. CiV. Auf die Zeit nach 395
fuhrt uns auch 29, 6, 15, wo von dem nachmaligen Kaiser Theodosius gesagt wird : prineeps
p08tea perspectissifftus; hätte Theodosius in der Zeit des 29. Buchs noch regiert, so hätte
Amm. wohl nunc princepa noster gesagt; vgl. 15, 2, 7; 16, 11, 6 und Cart, Quakest Amm.
p. 49. Vielleicht darf auch noch ange^hrt werden, dass Amm. 29, 5, 6 wie 21 und 24 von
Gildos späteren Schicksalen nichts erwähnt; der Autor scheint also vor 897, da der Sentt
den Gildo für einen hostis publicus erklärte, geschrieben zu haben. Sonach wird das Weric
gegen Ende des 4. Jahrhunderts zum Abschluss gekommen sein. Die successive Veröffent-
lichung des Werks ergibt sich aus den Einleitungen zu den Büchern 15 und 26, wie aneh
aus den Zeitindicien; vgl. Seeck, Paulys Realencycl. Sp. 1847.
Die Vorlesungen des Ammianus. Schon im vorigen § haben wir den 983. Brief
des Libanius herangezogen und aus ihm erwiesen, dass Amm. aus Antiochia stammt und,
als der Brief geschrieben wurde, sich in Rom befand. Dass sich der genannte Brief anf
unsem Historiker bezieht, ist zweifellos; dagegen unterliegt manchem Bedenken, ob auch
noch andere Briefe des Libanius mit Amm. Marc, in Verbindung gebracht werden ktaoen.
Vermutungen hierüber bei Mo eil er, De Amm. Marc. p. 18 und Bttdinger, Anun. Marc. p. 9.
Der Brief 983 ist im Jahre 390 oder 391 geschrieben; vgl. Mo eil er L c. p. 19; Sievers,
Das Leben des Libanius, Berl. 1868, p. 272. Aus diesem Briefe erfahren wir auch die
interessanten Thatsachen, erstens, dass das Werk in Abschnitte zerlegt war, zweitens, dass
die Vorlesung solcher Abschnitte bereits stattgefunden hatte, drittens, dass solche Vorlesungen
noch in Aussicht standen, viertens, dass der Vorleser grossen Beifall fand. Die Wate
lauten: yvy «f^, i6g tanv nxovBi-y ivüv ixe?&cy ärpixyovjLts'ytayf avrog tjfity iy ini&ei^eüt, tmi
uiy ytyoyag, taig di ean, tijg avyyQaqyrjg eig noXXd TBifxrjuiytjgy xal tov <p«r^yjo^ intuwB-
&syiog fxtQog ^regoy siaxctXovytog. Weiter heisst es über den Erfolg: ^Axovto dk xtjy 'Ptifiiir
nvtrjy axeffayovy aoi roy noyoy xai xeiadai \prj(poy avt^, rcjy fjiiy ae xexQcnfjxiratf riir
<f^ ov^ rJTtrja&ai.
Ammianns Xaroellinns. (§ 808.) 91
Allgemeine Zeugnisse über die Quellen. 15, 1, 1 ütcumqu$ potuinius veri-
iatem serutari, ea quae videre licuU per aetatem, vel perplexe interrogando versatos in medio
9cire, narravimus ordine casuum exposüo diversorum. 16, 1, 3 quidquid narrabitur, quod
non faUUas arguta eoncinnat, sed fides integra rerum absolvU documentis evideniihus fultOf
ad laudativam paene materiam pertinebit.
Quellenangaben. 15, 9, 2 ambigentes super ortgine prima Gallorum scriptores
weteres notitiam reliquere negotii semiplenam, sed postea Timagenes et diligentia Graecus
tt Hngua haec quae diu sunt ignorata eollegit ex muUiplicibus libris. cuius fidem seeuti
obscuritate dimota eadem distinete docebimus et aperte, 17, 4, 17 qui notarum textus obeliseo
incisus est veteri, quem videmus in Circo, Hermapionis librum seeuti interpretatum litteris
subiecimus Graecis. Ueber seine Bekanntschaft mit Julians Schriften vgl. 22, 14, 2 volumen
e&mposuit invectivum, quod Antiochense vel Misopogonem appellavit, probra civitatis infensa
mente dinumerans addensque veritati eomplura. 16, 5, 7 sed tarnen cum haec (philosophisches)
effecte pleneque coUigeret, nee humiliora despexit, poeticam mediocriter et rhetoricam amavit
(so ergänzt ron Wagner; tractavit: Koch p. 17) — ut ostendit orationum epistularumque
Hus cum gravitate comitas incorrupta — et nostrarum externarumque rerum historiam
multiformem. 22, 8, 4 et acta super eo gesta non sine magno legebantur horrore, cum id
voluminis pMici contineret exordium „eonsulatu Tauri et ilorenti inducto sub praeconibus
Tauro*'. 31, 10, 5 ut quidam laudes extoUendo principis iactarunt.
tt) Quellen der Exkurse. Bei den Quellenuntersuchungen Ammians hat man
strenge zwischen den historischen Partien und den Exkursen zu scheiden. Genauer unter-
sucht sind die geographischen Quellen von Gardthausen und Mommsen. Das Resultat,
SU dem Mommsen nach Rektifizierung der von Gardthausen vorgetragenen Ansichten
kommt, ist folgendes (p. 634): Die geographischen Abschnitte Ammians sind schematisch
gearbeitet Dieses Schema hat er aber nicht bereits vorgefunden, sondern selbst sich ge-
bildet, sonach kein schematisches, geographisches Handbuch, wie Gardthausen annimmt,
zu Grunde gelegt. , Vielmehr hat Ammian zur Grundlage seiner Arbeit f&r das römische
Reich dessen offizielle Distrikts- und Stadtliste, fttr das Ausland die analogen ptolemäischen
Listen genommen und aus dem chorographisch geordneten Greschichtswerk des Rufius Festus
die historischen Notizen, aus den ebenfalls chorographisch geordneten plinisch-solinischen
Memorabilien die Merkwürdigkeiten hinzugefügt. Ausserdem hat er eine oder mehrere
griechische Ortsbeschreibungen in einzelnen Abschnitten hinzugezogen und benutzt (z. B.
Timagenes 1. c. p. 620 f.) ; es ist hauptsächlich der Einwirkung der letztgenannten Quelle
zuzuschreiben, dass der Verfasser sein Schema teilweise selber beiseite gesetzt hat. End-
lich begegnen zahlreiche sachliche Entlehnungen mehr vereinzelter Art, nachweislich aus
Caesar, Sallustius, Livius.* (Ueber eine Entlehnung vgl. Mommsen 1. c. p. 631 Anm. 1.)
Die anderen Exkurse harren noch eingehender Untersuchungen; doch hat neuerdings Scala,
Doxographische und stoische Reste bei Amm. Marc. (Festgaben zu Ehren MaxBttdingers,
InnsbrucK 1898, p. 119) den Versuch gemacht, eine Reihe dieser Abschweifungen mit stoi-
scher Färbung ai^ ein doxographisches Handbuch zurttckzuführen (p. 149).
Litteratur über die geographischen Quellen Ammians. Gardthausen,
Die geographischen Quellen Ammians (Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 6 (1872/73) p. 507);
▼gl. dazu A. V. Gutschmid, Kl. Sehr. 5 (1894) p. 366; Schuf fner, Amm. Marc, in rerum
gestarum libris quae de sedibus ac moribus complurium gentium scripserit, quibus rebus
differant ab aliis scriptoribus, quibus cum iis congruant exponitur, Meiningen 1877; Chri-
stophe, Geographie d'Ammien Marcellin; Asie centrale, ancienne Gaule, ^gypte, Lyon
1880; Mommsen, Ammians Geographica (Hermes 16 (1881) p. 602); Foucard, Acad. des
Inscriptions et Belles-Lettres 1897. (Ueber Mygdus 26, 7, 14.)
ß) Quellen der historischen Partien. Wir werden hier zwischen den drei Teilen
des Werkes zu scheiden haben. Im ersten war er wesentlich auf die Litteratur angewiesen.
Da die Bücher dieses Teils bis auf eins verloren gegangen sind, ist ein Quellennachweis
unmöglich. In dem zweiten Teil, in dem Ammian zum Teil als Augenzeuge berichten
kann, lassen sich einige Vermutungen über die Quellen, die er benutzte, aufstellen. Nach
dem Vorgang Heckers (Zur Geschichte des Kaiser Julianus, Kreuznach 1886) sucht Koch
(De Juliane imperatore scriptorum, qui res in Gallia ab eo gestas enarrarunt, auctore dispu-
tatio, Leiden 1890) nachzuweisen, dass Julian eine eigene Schrift über seinen Krieg gegen
die Alamannen, besonders über die Schlacht bei Strassburg verfasst habe (Müller, Fragm.
Hist. Graec. 4 p. 16), welche Ammian benutzt habe; vgl. p. 31 und über 16, 12, 15 p. 48;
Hecker p. 25; denselben. Die Alamannenschlacht bei Strassburg (Fleckeis. Jahrb. 139 (1889)
p. 68 adnot.); Wigand, Die Alamannenschlacht vor Strassburg 357 n. Chr. (Beitr. zur Landes-
und Volkeskunde von Elsass-Lothringen 3 (Strassb. 1887) p. 8). Für die Darstellung des
persischen Feldzugs Julians gibt einen Fingerzeig Zosimus. Dieser stimmt nämlich hier
auffallenderweise mit Ammian überein. Diese Uebereinstimmung kann nur durch eine ge-
meinsame Quelle erklärt werden; vgl. Sudhaus, De ratione quae intercedat inter Zo»"
92
Ammianns Xaroellinas. (§ 809.)
et Amm. de hello a Joliano imp. cum Persis gesio rel., Bonn 1870, p. 99. Als diese ge-
meinsame Quelle wird aber nicht, wie Sudhaus will, Orihasius, sondern Magnus von Cairhae
zu betrachten sein; vgl. Mendelssohn, Praef. zu seiner Ausg. des Zosimos, Leipz. 1887,
p. 39. Wegen der zwiespältigen (]lhronologie, die bald Konsuln, bald Sommer und Winter
anführt, will Seeck Sp. 1849 in den Büchern 14 — 25 noch eine zweite Quelle annehmen,
welche bis zur Thronbesteigung Valentinians I. gereicht habe und mittelbar auch von
Zonaras benutzt worden sei. Im dritten Teil habe Ammian, da die Chronologie hier ganz
aufhöre, ausser Panegyriken wohl gar keine schriftlichen Quellen benutzt, was mir ganz
unwahrscheinlich dünkt, da Ammian den Ereignissen des letzten Teiles fem gestanden.
809. Charakteristik. Für Ammian nimmt uns schon das ein, dass
er, der doch einen Teil seines Lebens im Kriegsdienst verbracht hatte,
von einem brennenden Bildungsdrang erfüllt ist, der ihn spotten lässt über
die, welche keine anderen Autoren als Juvenal und Marius lesen, ^) und
über jene Ignoranten, welche, wenn sie zufallig den Namen eines alten
Schriftstellers hören, damit einen Fisch oder ein anderes leckeres Gericht
bezeichnet glauben. ^) Mit rühmlichem Fleisse hat unser Autor nicht nur
die Litteratur seines Volkes, sondern auch die litterarischen Schätze der
Römer durchgearbeitet und sich bemüht, das Wissen seiner Zeit encyclo-
pädisch zu umspannen. Noch mehr steigert sich unsere Bewunderung,
wenn wir in Betracht ziehen, welche hohe Aufgabe er sich in seiner Ge-
schichtschreibung gestellt. Der lateinische Historiker stand damals auf
einer sehr niedrigen Stufe; er war entweder Compendienschreiber oder
Anekdotenerzähler. Von beiden scheiden sich Ammians Wege, und der
Kleinkram, der in der Historiographie damals im Schwünge war, wird
von ihm öfters scharf getadelt. Er selbst hatte sich den grössten römi-
schen Historiker, Tacitus, zu seinem Vorbilde erkoren. In seinen Fuss-
tapfen wollte er einherschreiten und er schloss daher sein Werk an das
taciteische an. Blieb Ammian, wie begreiflich, auch hinter seinem Vor-
bilde zurück, so vereinigt er in sich doch Vorzüge, welche ihn in dieser
gesunkenen Zeit zu einer glänzenden Erscheinung erheben. Vor allem
zieht uns das biedere Wesen des Mannes an, der alle krummen Wege
verabscheut, dem Schlechten überall den Krieg erklärt und besonders den
Höflingen stark zu Leibe geht. ^) Auch das freut uns, dass der geborene
Grieche als fester Soldat treu zu Kaiser und Reich hält und er noch immer
zu Rom als der ewigen Stadt mit Verehrung emporblickt.*) Am meisten
aber erregt unser Staunen, dass der Historiker ein so feiner Kenner des
menschlichen Herzens ist,*) dass er sich mit den grössten Geschichts-
schreibern auf diesem Gebiete vergleichen kann. Keine wichtige Persön-
lichkeit tritt auf, die nicht in ihren Charaktereigenschaften mit festen
Strichen gezeichnet wird. Besonders glänzend sind die ethischen Porträts,
welche Ammian von den Kaisern entworfen hat. Sie folgen regelmässig
der Erzählung von ihrem Tode und ziehen die Summe ihres Lebens.*)
*) Amm. 28, 4, 14 quidam detestantes ut
venena doctrinas, luvenalem et Marium Maxi-
mum curatiore studio le^nt, nülla volumina
praeter haec in profunda otio contrectantes.
So sagt er 14, 6, 1 von Orfitus: spUndore
Uberalium doctrinarum minus quam nohilem
decuerat institutus.
*} Amm. 30, 4, 17 et si in circulo docto-
rum auctoris veteris inciderit nomen, piscis
aut edulii peregrinum esse voeahulum arhi-
trantur,
») Vgl. z. B. 18, 7.
^) Amm. 26, 1, 14 victura Roma adiu-
mento numinis divini. Besonders intereflsant
ist die Schilderang des Besuches des Kai-
sers Gonstantias in Rom (16, 10).
') Mommsen, Hermes 16 (1881) p.6$5f.
^) Bddinger, Amm. Marc. p. 88.
Ammianns Maroellinus. (§ 809.)
93
Sind sie auch nach einer bestimmten Schablone gearbeitet,^) so folgen
wir doch mit der grössten Spannung den Pinselstrichen des grossen
Sittenmalers. Auch die Fülle der Ereignisse, die sich überwiegend im
chronologischen Rahmen hält,*) übt einen eigentümlichen Reiz auf den
Leser aus; nirgends gähnt uns Langweile entgegen; überall gewahren wir
das persönliche Interesse des Autors, der Liebe und Hass gleichmässig
nach Verdienst austeilt. Die Partien, in denen Ammian uns von seinen
eigenen Lebensschicksalen berichtet, erreichen mitunter die Spannung des
Romans. Uneingeschränktes Lob muss der historischen Zuverlässigkeit
und Objektivität gespendet werden; wir können unserem Historiker kaum
eine wissentliche Entstellung der Wahrheit nachweisen ; mit Recht hat er
am Schlüsse seines Werkes auf seine Wahrheitsliebe hingewiesen. Er
bewundert Julian, allein dies hält ihn nicht ab, auch dessen Fehler und
Missgriffe scharf zu rügen. Seine ruhige Objektivität tritt auch in den
religiösen Anschauungen zu Tage, welche hier etwas eingehender erörtert
werden sollen. Die Glaubenskämpfe, die damals den Erdkreis aufregten,
spielen bei ihm nicht die Rolle, die man erwarten könnte. Er erkannte
zwar den hohen Wert der christlichen Weltanschauung und nennt die
Religion der Christen frei und einfach, er weist auf den milden Charakter
derselben hin, er streift den Heldenmut der Märtyrer, allein den religiösen
Streitigkeiten schenkt er nur insofern Beachtung, als sie mit dem öffent-
lichen Literesse in Widerstreit kommen. So ist er nicht gut auf die
Synoden zu sprechen, weil durch das Hin- und Hereilen der Bischöfe das
Ileichspostwesen gestört wird. Auch an den Kämpfen um den Bischofs-
stuhl in Rom konnte er nicht mit Stillschweigen vorübergehen; in der
Schilderung dieser Zwistigkeiten stellte er dem weltlichen Leben des
römischen Klerus das einfache und sittenstrenge der Provinzialbischöfe
gegenüber. Aus verschiedenen Aeusserungen geht hervor, dass Ammian
in religiösen Dingen tolerant war; er verargt es daher dem Kaiser Julian,
dass dieser die Christen von den Lehrstühlen ausgeschlossen wissen wollte.
Nur steht ihm das öffentliche Wohl höher als das religiöse Bekenntnis.
Was die eigentliche religiöse Anschauung Ammians betrifft, so gewinnen
wir kein völlig klares Bild von derselben aus seinem Werke. Es ist dies
auch leicht erklärlich, da der Historiker mit philosophischen Dingen zw£^r
vertraut, aber doch kein philosophischer Kopf ist. So viel steht fest, dass
die antike Qötterwelt, wie aus den rationalistischen Deutungen ersichtlich,
keine lebendige Kraft mehr bei ihm darstellt. An ihre Stelle ist ein
göttliches Wesen getreten, das wenig konkrete Züge zeigt. Als lebendige
Persönlichkeiten dagegen erscheinen die Genien, welche den einzelnen
Menschen zum Schutze beigegeben sind. Dem Geiste*) der Zeit ent-
sprechend glaubt Ammian an Vorbedeutungen; auch der Glaube an eine
bestimmte Weltordnung, an ein Fatum, steht ihm fest. Will man in
^) Michael, Beiträge zur Charakteri-
stik des Amm. Marc. p. 232.
*) Nor im letzten Teil tritt die Chrono-
logie sehr znrftck.
*) Vgl. Anun. 23, 1, 7 super his alia
quoque minora signa subinde quid accideret
oatendebant; vgl. auch noch 27, 3, 1. Für
den Aberglauben Ammians ist die Stelle 28,
1, 42 bezeichnend: scopae florere sunt visae,
quibus nobüitatis curia mundabatur.
94 Ammianiui XaroellinnB. (§ 809.)
einem Stichwort die religiösen Anschauungen Ammians zusammenfassen,
so dürfte « neutraler Monotheismus'' ^) der beste Ausdruck sein. Kehren
wir nach dieser Abschweifung zur Beurteilung der Gteschichte Ammians
zurück. Ammian will Historiker, nicht Redner sein. Und er hat die
Historie nicht der rhetorischen Mache überantwortet. Beden, die fast
durchweg an die Soldaten sich richten, sind im Ganzen sparsam ein-
geschoben ; im letzten Teil des Werkes, wo der Autor sichtlich zum Ende
eilt, hat er sie vom 28. Buche an weggelassen. Diese Beden sind im
wesentlichen das geistige Produkt*) Ammians; sie treten bei passenden
Situationen zu Tage und sind gut aus denselben heraus entwickelt. Auch
in den Schlachtbeschreibungen stellt sich uns nicht ein Bhetor, sondern
ein sachkundiger Militär dar.
Hatten wir bisher nur Günstiges zu verzeichnen, so muss unser Urteil
anders lauten, wenn wir die Exkurse und die historischen Beispiele, mit
denen die Darstellung geschmückt werden soll, ins Auge fassen. Ammian
zeigt hier eine unechte Gelehrsamkeit') am unrechten Orte. Er breitet
ein Wissen aus, das er sich aus Büchern geholt; mit Bedauern müssen
wir sehen, wie oft er strauchelt und in Albernheiten gerät. Noch mehr
verletzt den Leser die ungeschickte Art, mit der diese Abschweifungen
ihm aufoktroyiert werden. Auch die historischen Beispiele und Analogien
wirken meist störend^) und enthalten, da sie in der Begel aus dem Ge-
dächtnisse^) stammen, Irrtümer.^) Auch die sprachliche Darstellung trübt
das Bild des Autors. Bei der Beurteilung derselben muss man im Auge
behalten, dass Ammian als ein geborener Grieche sein Geschichtswerk
schreibt. Wenn ihm auch das Latein als die offizielle Sprache des Heeres
geläufig war, so besass er damit noch nicht die Fertigkeit, das Latem
auch in Form der Schriftsprache zu handhaben; diese Fertigkeit hat sich
Ammian aus vielen lateinischen Büchern anzueignen gesucht. Seine Phra-
seologie ist aus lauter Reminiscenzen aufgebaut, wie sie nur ein gutes
Gedächtnis an die Hand geben kann. Der Einwirkung Ciceros, des Tacitns,
Gellius und anderer Autoren begegnet man allenthalben; dadurch wird
sein Wortschatz buntscheckig, weil derselbe aus den verschiedensten Ele-
menten sich zusammensetzt. Aber auch die Spuren des Lagerlebens sind
nicht ganz verwischt; inkorrekte Formen und Missbildungen erinnern oft
sehr an die Vulgärsprache. Das Griechentum des Verfassers leuchtet ans
vielen Wendungen und Konstruktionen hervor.') Die Rede Ammians geht
dem Einfachen und Schlichten aus dem Wege. Da sein GeschichtsweiiL
zu Recitationen verwendet wurde, musste er natürlich nach Mitteln suchen,
seine Zuhörer zu reizen und zu fesseln. Solche Mittel *) hatte die Bhetorik
M Witte p. 59. j (25, 3, 8) Epaminondas herangezogen.
*) Schon aus den Worten docente anti- ') Doch vgl. 16, 7, 8 cui spadanum w-
guttäte (21, 13, 13) erkennt man den Amm.; ' terum hunc comparare debeam antiquUata
vgl. Michael 1. c. p. 233. i replicando complures invenire non potui.
») Mommsen, Hermes 16 (1881) p. 635. «) Michael p. 234 u. p. 235.
*) Man vgl. die Beispiele, die 30, 8, 4 , ') Belehrende Beispiele bei Norden,
in die Charakteristik Valentinians einge- Antike Eunstprosa p. 648.
schaltet sind; ebenso angeschickt wird bei ^) Allitteration bei Petschenig, PhiloL
der Erzählung von der Verwundung Julians ; 56 (1897) p. 556 f.
AmmianQB Maroellinns. (§ 809.) 95
seiner Heimat und seiner Zeit in Fülle ausgebildet, und mancher Schil-
derung seines Geschichtswerkes sieht man es an, dass ihr Verfasser die
rhetorische Technik inne hat. Kühne Metaphern durchblitzen die Dar-
stellung;^) Vergleiche, meist aus dem Tierleben entnommen,') sind mit
reicher Hand ausgestreut. Die Wortstellung ist eine durchaus gespreizte,
da sie das Zusammengehörige auseinanderreisst und damit allerdings nicht
selten einen wohlklingenderen Rhythmus erzielt.') Durch Häufung der
Worte und Einschachtelung von Nebenbestimmungen werden die Perioden
überladen und dunkel; er will durch das Ungewöhnliche wirken. Der Stil
Ammians ist ein bizarrer, aber doch im Ganzen ein origineller. Auch in
dieser wunderlichen Mischung gewahren wir die siegreiche Kraft des,
Geistes. Die schwerverständliche Darstellung Ammians hat seiner Ver-
breitung Eintrag gethan; citiert wird er nur einmal von dem Grammatiker
Priscian, benutzt und stilistisch nachgeahmt von Cassiodor.^)
Zeugnisse des Autors über seine Geschichtschreibung, a) Glaubwürdig-
keit. 81, 16, 9 bezeichnet Amm. seine Geschichte als optts veritatem professum numquam,
ui arbiträr, seiens süentio ausus carrumpere vel mendacio, scribant reliqua potior es, ctetate
doctrinisque florentes. quoa id, si Itbuerit^ adgressuros, procudere Hnguaa ad maiores moneo
9tüo8. 15, 10, 2 super quibus conperta paulo postea referemus. 16, 1,2 sagt er, als er zu
Julian kommt: singula »erie progrediente monstrabOy instrumenta otnnia mediocris ingenii,
«t svffeeerint, commoturus. 21, o, 4 si famae solius admütenda est fides. 27, 9, 4 et quo-
niam adest Über locus dicendi quae sentimus, aperte loquimur. 28, 1, 2 ac licet ab hoc
textu cruento gestorum exquisite narrando iustus me retraheret metus multa reputantem et
varia, tarnen praesentis temporis modestia fretus^ carptim ut quaeque memoria digna sunt,
eseplanabo, nee pigebit, quid ex his, quae apud veteres aceiderint, timuerim, docere succincte.
18, 6, 23 cum nos eauti vel, ut verius dixerim, timidi nihil exaggeremus praeter ea quae
fidei testimonia neque incerta monstrarunt.
ß) Gegen die kleinliche Geschichtsschreibung. 26, 1, 1 eonvenerat iam re-
ferre a noiioribus (die jüngsten Ereignisse) pedem, ut et pericula declinentur veritati saepe
c&ntigua, et examinatores contexendi operis deinde non perferamus intempestivos, strepentes
ut Ulssos, si praeteritum sit, quod locutus est imperator in cena, vel omissum quam ob causam
gregarU milites coerciti sunt apud signa, et quod non decuerat in descriptione multiplici
regionum super exiguis süere castellis, quodque cunctorum nomina, qui ad urbani praetoris
officium convenere, non sunt expressa, et similia plurima praeceptis historiae dissonantia,
discurrere per negotiorum celsitudines adsuetae, non humilium minutias indagare causarum.
27, 2, 11 praeter haec alia multa narratu minus digna conserta sunt proelia per tractus
varios Galliarum, quae superfiuum est explicare, cum neque operae pretium aliquod eorum
habuere proventus, nee historiam producere per miniUias ignobiles decet. 28, 1, 15 et quo-
niam existimo, forsitan aliquos haec lecturos, exquisite scruiando notare, strepentes id actum
esse prius, non illud, aut ea, quae viderint praetermissa: hactenus faciendum est satis quod
non omnia narratu sunt digna, quae per squalidas transiere personas, nee si fieri fuisset
necesse, instruetiones vel ex ipsis tabulariis suppeterent publicis. 29, 1, 24 summatim quia
nos penitissima gestorum memoria fugit, quae recolere possumus eoepeditius absolvemus.
81, 5, 10 et quoniam ad hos partes post multiplices ventum est actus^ id lecturos — siqui
erunt umquam — obtestamur, nequis a nobis scrupulose gesta vel numerum exigat peremp-
torum, qui conprehendi nullo genere potuit. sufficiet enim, veritate nuUo velata mendacio,
ipsas rerum digerere summitates: cum explicandae rerum memoriae ubique debeatur inte-
gritas fida. 14, 9, 9 quae singula narrare non refert, ne professione modum, quod evitandum
est, excedamus,
y) Anordnung des Stoffes. 26, 5, 15 quia igitur uno eodemque tempore tUrubique
turbines exarsere maestissimi, competenti loco singula digeremus, nunc partem in Oriente
gestorum, deinde bella barbarica narraturi, quoniam pleraque et in occidentali et in eoo
orbe isdem tnensibus sunt actitata, ne dum ex loco subinde saltuatim redire festinamus in
^) Norden 1. c. p. 647. I Jordanem et Cassiodoriam intercedat com-
») Michael p. 288. ment., Dorpat 1858, p. 31. Ueber die Frage,
•) Gutschmid, Kl. Sehr. 5 p. 583 ver- ob Ammian vom Anonymus Valesii benutzt
gleicht Amm. mit Grimm eishausen. ist, vgl. unten § 810 p. 100.
*) Vgl. Schirren, De ratione quae inter |
96 AmmiannB Xaroellinus. (§ 809.)
locum, omnia confundentes aqualidüaie maxima rerum ordines inplicemus. 29, 5, 1 abhinc
tnter .... proximo haec narratione disseri cantinua pUicuit, ne, dum negaüis longe di$creti$
et locis alia subseruntur, cognitio multiplex neces9ario confundatur,
Verhältnis Ammians znm Christentum und zur Religion, a) 21, 16, 18 sagt
Amm. von Constantius: Christianam religionem absolutam et simplieem anili »uper-
$titione confundens. 22, 11, 5 ist von dem Bischof Georgius von Alezandrien die Bede und
von ihm gesagt: professionisqus 8uae oblitus, quae nihil nisi iuftum suadet et fene, 22, 11, 10
deviare a religione compulsi pertulere crucidbiles poenas, ad usque glorio9am tnortem in-
temerata fide progressi, et nunc martyres appellantur. In einem Ebckurs Aber Aegjptea
sagt er 22, 16, 22 ex his Jesus (dieses Wort ist richtig hinzugefügt von Gutschmid; vgl
Kl. Sehr. 5 (1894) p. 576) fontibus per sublimia gradiens sermonum ampliiudine Jorü
aemulus non visa Aegypto milüavit sapientia gloriosa; vgl. Büdinger p. 15. 22, 10,7
heisst es von Julian : illud erat inclemens, obruendum perenni siUntio, quod arcebat doetrt
magistros rhetoricos et grammaticos ritus christiani cuUares; vgl. 25, 4, 20. 80, 9, 5 sagt
er in der Charakteristik Valentinians: hoc moderamine principatus inelaruit quod inttr
religionum diversitates medius stetit nee quemquam inquietapit neque, ut hoc coleretur, im-
peravit aut illud: nee interdictitt minacibus subiectorum cervicem dtd id, quod ipse eoluü,
inclinabat, sed intemeratas reliquit has partes ut repperit. 14, 9,lut appeUant Christiani;
15, 7, 7 synodus ut appellant; vgl. 31, 12, 8. Ueber das Verhältnis des ConatanüiiB zu Atlu-
nasins und Liberius vgl. 15, 7, 6—10. Ueber den Kampf des Damasus und Uninus um
den bischöflichen Stuhl in Rom vgl. 27, 3, 12; hierbei wird das ttppige Leben der römischen
Geistlichkeit in Gegensatz zu dem strengen Leben der Provinzialgeistlichkeit gestellt. Ueber
die Vertreibung des Ursinus vgl. 27, 9, 9. ß) 17, 7, 12 Neptunum umentis substantiat pote-
statem Ennosigaeon et Sisichthona poetae veteres et theologi nuncuparunt. 16, 5, 5 {JuHanui)
occulie Mercurio supplicabat, quem mundi velociorem sensum esse, motum mentium susd-
tantem theologicae prodidere doctrinae. 21, 14, 3 ferunt theologi in lucem editis hominilm
cunctis salva firmitate fatali huitis modi quaedam velut actus reetura numina 80ciari; (§ 5)
itidem ex sempiternis Homeri carminibus intellegi datur, non deos caelestes cum viHs fortÜbm
conlocutos nee adfuisse pugnantibus vel iuvisse, sed familiaris genios cum isdem versatot.
16, 12, 13 salxUaris quidam genius praesens ad dimicandum eos, dum adesse potuit, ineitabat;
vgl. 20, 5, 10 und 25, 2, 3. 19, 10, 4 divini arbitrio numinis, quod auxit ab incunabulii
Romam perpetuamque fore respondit, 19, 12, 20 naseuntur huius modi saepe partenta tWt-
cantia rerum variarum eventus, quae quoniam expiantur, ut apud veteres puiliee, inaudita
praetereunt et incognita, 21, 1, 9 rolatus avium dirigit deus .... amat enim berngniiat
numinis, seu quod merentur homines seu quod tangitur eorum adfectione, his quoque artibus
prodere quae impendent. 16, 1, 1 fatorum ordine contexto versante Caesar apud Viemnam.
16, 1, 4 videtur lex quaedam pitae melioris hunc iuvenem a nobilibus eunis ad usque spiri-
tum comitata supremum. 23, 5, 5 nulla vis humana vel virtns meruisse umquam poimt,
ut quod praescripsit fatalis ordo non fiat.
Litteratur. Cart, Quaest. Amm., Berlin 1868, p. 23; Gimazane, Animien Mar-
cellin., Bordeaux 1889, p. 67; Witte, Ammianus Marcellinus quid iudicaverit de rebus
divinis, Jena 1892; Bttdinger, Ammianus Marcellinus p. 10; Gutschmid, Kl. ScJir. 5
(1894) p. 575.
Reden und Briefe. 14, 10, 11 Rede des Constantius an das Heer, um den Frieden-
schluss mit den Alamannen zu empfehlen.
15, 8, 5 Rede des Kaisers Constantius an das Heer, um Julian als Caesar zu pro-
klamieren.
16, 12, 9 Rede Julians an das Heer vor der Schlacht bei Strassburg.
17, 5, 3 und 17, 5, 10 £in beleidigender Brief Sapors und die Antwort des Gonstantnis.
17, 13, 26 Rede des Constantius nach dem sarmatischen Krieg.
20, 5, 3 Rede Julians an die Soldaten, die ihn zum Augustus ausgerufen hatten.
20, 8, 5 Schreiben Julians an den Kaiser über die Vorgänge in Paris.
21, 5, 2 Rede Julians an die Soldaten vor seinem Abfall vom Kaiser ConstanthiB.
21, 13, 10 Rede des Constantius an die Soldaten, um den Abfall Juliana vom SLaiser
zu verkünden.
23, 5, 16 Anrede Julians an die Soldaten über den persischen Feldzug.
24, 3,4 Rede Julians an seine Soldaten, die mit dem Geldgeschenk nicht zufrieden waren.
25, 3, 15 Kurze Anrede Julians an die Umstehenden vor seinem Tode.
26, 2, 6 Rede des zum Augustus proklamierten Valentinian.
27, 6, 12 Valentinian stellt in einer Rede an seine Soldaten seinen Sohn Gratian als
Mitregenten vor.
Vorbilder. Das Werk Ammians schloss sich an die Historien des Tacitns an.
Schon daraus lässt sich vermuten, dass er in diesem Historiker sein Vorbild erblickte. Und
in der That können wir, trotzdem Tacitus in den erhaltenen Büchern Ammians niemals ge-
AmmiannB Maroellinns. (§ 809.) 97
nuint wird, den Einfiuss des grossen Historikers auf Ammian nachweisen. Alle Schriften
des Tacitos sind henntzt, ausgenommen der Dialog. Am meisten sind sprachlich die Hi-
storien, welche Ammian fortsetzte, ausgebeutet worden. Besonders in den Anf&ngen einiger
Bücher erkennt man, wie Ammian sein Vorbild kopiert; vgl. Büdinger, Amm. Marc. p. 4.
Auch in seinen Charakteristiken der verstorbenen Kaiser schwebten ihm die gleichartigen
Sdiildemngen des Tacitus als Muster vor; vgl. Büdinger p. 33. Wie Sallust auf den
Idstorischen Stil des Tacitus eingewirkt hat, so zeigen sich auch Spuren der sallustischen
Diktion bei Ammian. Hertz (De Amm. Marc. stud. Sallust.) sucht zu zeigen, dass Ammian
die Historien Sallusts ganz gelesen (p. 13); femer, dass er auch den Jugurtha benutzt habe
(^ 15), wfthrend ein Studium des Catilina sich nicht nachweisen lasse (p. 16); vgl. noch
die Zusammenfassung p. 16 und vor ihm Gardthausen, Coniectanea Amm., Kiel 1869,
p. 36. Besondere Zuneigung hegt Ammian fftr Cicero; derselbe wird an mehr als 30 Stellen
Ten ihm citiert; er beruft sich gern auf ihn als Autorität und führt deshalb gern Sätze
ans ihm an (vgl. Michael p. 6), jedoch auch oft, ohne seine Quelle zu nennen; vgl.
Michael p. 7. Auch in der Phraseologie lassen sich die Spuren Ciceros aufiseigen; vgl.
Michael p. 17. Nächst Cicero ist A. Gellius von starker Einwirkung auf Ammian ge-
wesen; in Sachen, Worten, Wortverbindungen und Phrasen lässt sich dies erkennen; vgl.
Hertz, A. Gellius und Amm. Marc. p. 276. Lesefrüchte aus anderen Autoren verzeichnen
Hertz p. 266; Michael (p. 3), letzterer z. B. aus Livius p. 4; £. Sehneider, Quaest. Amm.,
BerL 1879, aus Valerius Mazimus p. 12, p. 34, p. 35 u. p. 38; aus Herodian p. 44; vgl. auch
Michael, Beiträge zur Charakteristik des Anun. Marc. p. 237. Hertz zieht aber aus seinen
Beobachtungen ganz falsche Schlüsse für die Arbeitsweise Ammians; er meint, dass Am-
mian mit einem Zettelkasten arbeitete (p. 265), dass er seine erborgten Phrasen auf ganz
▼eTBchiedenartige Dinge anwandte (p. 301), dass er von den benutzten Stellen den einen
Teil hier, den anderen dort verwertete (p. 298), dass er bei seinen Entlehnungen Variationen
ADhrachte (p. 294) und sie zu verstecken suchte (p. 301), und kommt schliesslich dazu, in
Ammian einen «verschrobenen, närrischen Kauz** (p. 302) zu erblicken. Wer aber ohne Vor-
urteil Ammian gelesen, wird leicht zu der Ueberzeugung kommen, dass der Historiker zu
bedeutend ist, um in solcher mechanischer Art zu arbeiten. Das Richtige ist, dass Ammian
auf Grund der eingehendsten Lektüre eine Masse Reminiscenzen im Kopfe hat, die er natür-
lich unbewusst verwertete; vgl. Mommsen, Hermes 16 (1881) p. 635 Anm.; Michael,
Beiträge zur Charakteristik des Amm. Marc p. 239; Büdinger, Amm. Marc. p. 32.
Litteratur über die Vorbilder Ammians. Michael, De Ammiani Marcellini
stndiia Ciceronianis, Breslau 1874; M. Hertz, A. Gellius und Amm. Marc. (Hermes 8 (1874)
p. 257) = Opusc. Gell., Berl. 1886, p. 146; De Ammiani Marcellini studiis Sallustianis (Ind.
lect, Breslau 1874); H. Wirz, Ammians Beziehungen zu seinen Vorbildern Cicero, Sallustius,
Livius, Tacitus (Piniol. 36 (1877) p. 627); A. Gerber, Reminiscenzen bei Amm. aus Tacitus
bei Wulff lin (Philol. 29 (1870) p. 559). Ueber das Verhältnis zwischen Velleius und Amm.
iQSsert sich im negativen Sinn Elebs, Philol. 49 (1890) p. 310 Anm. Ueber Florus vgl.
Norden, Die antike Eunstprosa, Leipz. 1898, p. 646; über Apuleius vgl. F. Gatscha,
Dissert phüol. Vindob. 6 (1898) p. 156.
Stil. Im allgemeinen vgl. Valesius in der Ausg. von Wagner p. LI; Gutschmid,
Kl. Schi*. 5 p. 583; Seeck Sp. 1851; Norden, Antike Eunstprosa p. 647. Ueber seinen
Wortschatz vgl. Liesenberg, Die Sprache des Amm. Marc, 1. Der Wortschatz, Blanken-
btirg 1889, II. Syntax und Stil, ebenda 1890 und P. Langen (Emendationes Amm., Düren
1867), der die bei Ammian allein vorkommenden WOrter verzeichnet (p. 5); Schi c kinger,
Die Graecismen des Amm. Marc, Nikolsb. 1897; vgL eine Einschränkung bei Elebs, Philol.
47 (1889) p. 76; einige leitende Gesichtspunkte bei Norden p. 648. Ueber sachliche Wieder-
holungen handelt Gardthausen, Coniectanea Amm., Eiel 1869, p. 23; Michael, Beitr. zur
Charakteristik des Amm. Marc. p. 238. Ueber phraseologische Wiederholungen vgl. Hertz,
Hermes 8 (1874) p. 269. Ueber die Eonstruktionen mit quod statt des Acc m. Inf. vgl.
Reiter, De Amm. Marc, usu orationis obliquae, Würzb. 1887, p. 41.
Ueberlieferung. Die Frage über die handschriftliche Grundlage des Ammian
war längere Zeit Gegenstfmd eingehender Erörterungen, an denen sich besonders Mommsen,
Gardthausen, Nissen und Rühl beteiligten. Es handelt sich zunächst um zwei Hand-
schriften, um einen codex Hersfeldensis und einen Fuldensis; der letztere ist uns noch er-
halten; er kam durch Poggio nach Italien vor dem Jahre 1417; vgl. den Fundbericht Poggios
bei Gardthausen, Praef. p. XVII ; Mai, Spicileg. rom. X p. 811; Voigt, Wiederbelebung
des klass. Altertums 1* (Berl. 1880) p. 244. Diese Handschrift befindet sich jetzt unter
Nummer 1873 im Vatican; über die Zeit des Vatic. vgl. Nissen p. 18; Facsimile bei
Chatelain, Pal^ogr. des class. latins, Paris 1894-1900. II partie pl. 195. Von dem Hers-
feldensis wussten wir bisher, dass Gelenius ihn bei der Herstellung der Basler Frobenschen
Ausg. 1533 benutzt hatte. Ein glücklicher Zufall wollte, dass von diesem verschollenen Codex
noch 6 Blätter von Eoenneckeim Archiv von Marburg aufgefunden wurden. Sie stamm«
Handbuch der klMP. ▲ItertamMwiflsemchAft. VIII, 4. 7
98 AmmiannB lUroellinnB. (§ 809.)
aus Friedewald im Hersfeldischen, wo sie als Aktenrnnschläge verwendet worden. Die
6 Blätter enthalten: 2.% 6, 37-45; 28, 4, 21—6, 5; 30, 2, 5-4, 2. Sie wurden heransgegebes
und umsichtig besprochen von H. Nissen im Jahre 1876; Aber die Zeit dieser Fragmente
gehen die Ansichten der Forscher auseinander; vgl. p. 16; Rühl, Fleckeis. Jahrb. 113 (1376)
p. 789. Die Frage ist nun die, ob der Fuldensis aus dem Hersfeldensis abgeschrieben ist;
Eysenhardt (Ausg. praef. p. IY)> Gardthausen und Rtthl (I. c. p. 792) nehmen eine gt-
meinsame Quelle für neide Handschriften an. Haupt ((>puBC. 2 (1876) p. 375), Mommsea
(Hermes 6 (1872) p.232) neigen sich zu der Annahme, aass derFuldenaiB aus dem HerBfddeoai
abgeschrieben ist. Bestimmt spricht diese Ansicht Nissen p. 19 aus; in ebenso beaUiumUr
Weise bestreitet Rühl (Fleckeis. Jahrb. 113 (1876) p. 799) die Abh&ngigkeit des Fuldenw
vom Hersfeldensis, indem er sich auf zwei Weglassungen (29, 6, 11 ; 30, 8, 5) stützt, welch»
gleichen Umfang einnehmen. Doch ist die Entscheidung dieser Frage nicht von eriieblidur
Wichtigkeit, da die Hei^tellung des Hersfeldensis aus der Ausg. des Oelenius mit be-
sonderen Schwierigkeiten verknüpft ist und sichere Resultate oft ^ar nicht erzielt werdet
können; vgl. Nissen p. 28; es wird sonach immer der Fuldensis miser Führer b der
Ammiankritik sein müssen. Eine zweite Frage, welche die Ammiankiitiker beschäftigte,
ist die, ob ausser dem Hersfeldensis-Fuldensis noch ein Strom der Ueberlieferong f&r Am-
mian fliesst. Von Gardthausen wird diese Frage bejaht. Er legt neben dem Vaticams-
Fuldensis auch der verstümmelten Klasse, der die Bücher 27 — 31 fehlen, kritischen Wert
bei und betrachtet als deren Hauptreprftsentanten den codex Petrinus im Archiv der Peter»-
kirche zu Rom; vgl. Praef. p. XVIIl: Neque solus c. Petrinus verum etiam archetypii
huius classis scripti sunt eo tempore quo c. Vaticano-Fuldensis latnit in «silvis Germaniae'.
Nissen dagegen schreibt p. 24: Si integer ezstaret codex Marburgensis (i. e. Hersfeldensis),
reliqui Codices omnes abiciendi essent. Ebenso hält Seeck (Panly-Wissowas BealencjcL
Sp. 1852) den Hersfeldensis für die einzige Textesquelle Ammians und glaubt, dass alle ttbr^ei
Ausg. und Handschriften auf den Fuldensis zurückgehen. Dass neben dem HersfeldennS'
Fuldensis noch eine Quelle anzunehmen ist, erscheint wenig wahrscheinlich; vgL Mommsen,
Hermes 7 (1873) p. 91. Nach brieflicher Mitteilung gibt jetzt Gardthausen den Petrinoi
auf und will ihn durch die Lesarten der Ausg. des Accursius ersetzt wissen. Die ganze Fr^»
über die Ueberlieferung Ammians bedarf noch einer neuen, abschliessenden Untersnchiug.
Litteratur zur Ueberlieferung Ammians. M. Haupt, Opusc. 2 (1876) p. 371;
Gart, Revue critique (lieber die französ. Handschr.) 1870 p. 118; Gardthausen, Die
Handschr. des A. M. (Fleckeis. Jahrb. 103 (1871) p. 829); Th. Mommsen, üeber den kiit
Apparat zu A. (Hermes 6 (1872) p. 231); Gardthausen, Wie und wann kam der Fuldensis
des A. M. in den Vatican? (Hermes 6 (1872) p. 243); Mommsen, Weiteres über den
Apparat zu A. (Hermes 7 (1873) p. 91); Gardthausen, Die A mmianhandschiift des Ac
cursius (Hermes 7 (1873) p. 168); Mommsen, Ueber die Anmiianhandschrift des Accursiitt
(Hermes 7 (1873) p. 171); vgl. dagegen Rühl, Rhein. Mus. 28 (1873) p. 337; H. Nissen,
Ammiani Marcellini fragmenta Marburgensia, Berl. 1876; vgl. dazu F. Rühl, Fleckeis. Jahib.
113 (1876) p. 789; Mommsen, Zur Kritik Ammians (Hermes 15 (1880} p. 244).
Ausg. Die Editio princeps wurde von Angelus Sabinus nacn dem Codex Regi>
nensis 1994 besorgt; vgl. Mommsen, Hermes 7 (1873) p. 92; sie erschien in Rom 1474.
Es folgte die Ausg. des Petrus Castellus, Bologna 1517 (durch Konjekturen willkfirlidi
entstellt). Auf ihr ruht die Ausg. des Erasmus, Basel 1518. Bisher waren nur die Bücher
14 — 26 bekannt; die letzten 5 Bücher kamen zuerst hinzu in der Ausg. des Accursias,
Augsb. im Mai 1533; der Text Ammians hat hier eine ganz neue Grundlage erhalten; Aber
seine Quelle vgl. Gardthausen, Ausg. praef. p. 21. In demselben Jahre (vgL das (je-
nauere bei Nissen p. 25) trat auch die Ausg. des S. Geleniusim Corpus der lat. Historiker
zu Basel bei Frohen im Juli ans Licht; in derselben war der Hersfeldensis benutzt. Von den
folgenden Ausg. sind zu verzeichnen: Gum notis integris F. Lindenbrogii, Hamb. 1609; die
Ausg. der Brüder Valesii 1636 und 1681 ; die Ausg. des JakobGronov, Leiden 1693; Sammel-
ausg. des J. A. Wagner, vollendet von Erfurdt, Leipz. 1808. Die neuesten Ausg. sind: Rec.
F. Eyssenhardt, Berl. 1871 (in jeder Beziehung ungenügend); vgL dazu A. Kiessling,
Fleckeis. Jahrb. 103(1871) p. 481; Gardthausen, Gott. geL Anz. 1871p. 1801; klttnere
Ausg., Berl. 1872; die massgebende Ausg. ist jetzt die Gardthausens mit ausgewähltem
krit. Apparat, Leipz. 1874; vgl. dazu Eyssenhardt, Fleckeis. Jahrb. 111 (1875) p. 509 nnd
dagegen Gardthausen ebenda p. 653; Petschenig, Bemerkungen zum Texte des Adud.
Marc, Philol. 48 (1889); 49 (1890); 50 (1891); 51 (1892); 52 (1893); 56 (1897) und 59 (1900).
Eine neue Ausg. wird von Gardthausen und von einem Amerikaner Clark vorbereitet
Zur Erläuterung. Seeck, Die Reihe der Stadtpräfekten bei Amm. Marc. (Hermes
18 (1883) p. 289); Reiche, Chronologie der letzten 6 Bücher des Amm. Marc, Jena 1889;
A. Klotz, Rhein. Mus. 56 (1901) p. 639 (zur Magie).
Uebersetzungen von Tross-Büchele, Stuttg. (Metzler); Tross, Ulm* 1898.
Einzelne auf die deutsche Geschichte bezügliche Stücke übers, von Coste, Geschichtschreiber
der deutschen Vorzeit, Leipz. 1879.
AnonymuB Valesii. (§ 810.) 99
11. Anonymus Yalesii.
810. Zwei historische Fragmente. Im Jahre 1636 erschien hinter
1er Aromianausgabe des H. Yalesius ein historisches Fragment, das man
leitdem mit dem Namen „Anonymus Valesii'' bezeichnet. Der Jesuit Jakob
firmond hatte das Fragment in einem Codex gefunden und dasselbe dem
genannten Yalesius mitgeteilt. Die Handschrift kam im Jahre 1764 in
len Besitz Meermanns in Haag, nach dem sie manchmal auch benannt
wird^ und später 1824 in die Bibliothek des Handschriftensammlers Thomas
Philipps nach England; hier wurde sie von Georg Pertz entdeckt. Seit
L887 befindet sich dieselbe in Berlin. Das Fragment zerfällt in zwei Zeit-
ibechnitte; der eine umschliesst die Jahre 298—387, der andere die Jahre
174 — 526. Der erste Teil bezieht sich auf die Regierung Constantins, der
Bweite besonders auf die Odovacars und Theoderichs. Bis in die neueste
Zeit herein war man gewohnt, die beiden Teile als die Arbeit eines Yer-
Eassers zu betrachten; allein schon die Sprache legte dagegen ein Yeto
ain. Während in dem ersten Bruchstück die Sprache des vierten Jahr-
bunderts in verhältnismässig reiner Gestalt vorliegt, weisen die Barbarismen
ies zweiten auf eine viel spätere Zeit hin. Nicht minder konnten aus
der üeberlieferungsgeschichte und aus der ganzen Anlage Momente für
den verschiedenen Ursprung der beiden Ueberbleibsel abgeleitet werden.
Erst nach der Scheidung der beiden Fragmente gewannen die Unter-
suchungen über ihren Charakter einen festen Boden. Eine nähere Prüfung
des constantinischen Fragments ergab, dass dasselbe von einem christ-
lichen Skribenten aus Orosius in roher Weise interpoliert wurde. Nach
Ausmerzung dieser Interpolationen kann es nicht mehr zweifelhaft sein,
disiss das Bruchstück von einem Nichtchristen herrührt. Was den Ur-
sprung desselben anlangt, so wird es einer in biographischer Form ge-
haltenen Eaisergeschichte entnommen sein. Welche Quellen in dem Werk
benutzt waren, lässt sich aus den Überresten nicht mehr feststellen. Da
der Autor vermutlich Zeitgenosse Constantins war, wird ihm auch für
das Erhaltene mündliche Tradition zugeflossen sein. Das zweite Frag-
ment hat ohne Zweifel zum Yerfasser einen Christen, der heftiger Gegner
der Arianer ist. Er wird dem sechsten Jahrhundert angehören und steht
viel tiefer als der Schreiber des ersten Bruchstücks. Bezüglich der Quellen
sehen wir klarer als bei dem ersten Fragment; so benutzte er die Bio-
graphie Severins von Eugippius und mehrere Chroniken. Für die Geschichte
sind beide Fragmente von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Ueberliefernng. Massgebend für beide Fragmente ist der Berolinensis 1885 s. IX,
dessen Geschicke im Text erzählt sind. Ueber die Handschrift und ihre verschiedenen
Tefle vgl. Rflhl, Act. soc. Lips., tom. 4 (1875) p. 368 (über Fragm. II) und besonders
Mommsen, Chron. min. vol. I, Berl. 1892 (Monumenta Germaniae historica) p. 3. In
IVagm. II kommt noch hinzu Vaticano-Palatinus Lat. 927 s. XII. Ueber denselben vgl.
Bethmann, Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichte 2 (1877) p. 113;
Zangemeister, Rhein. Mus. 30 (1875) p. 309. Mommsenp. 260 glaubt, dass diese Hand-
schrift durch ein Mittelglied aus dem Berolinensis geflossen sei. Der Palatinus hat Zusätze
AUS Jordanes erhalten.
Die Trennung der beiden Fragmente. Dadurch, dass die beiden Fragmente
miteinander publiziert wurden, entstand der Glaube, dass dieselben von einem Verfasser
herrührten. Allein schon die Ueberliefernng spricht dagegen ; denn das sogenannte 2. Frag-
ment geht in der Handschrift dem 1. voraus; es wird eingeführt mit den Worten: item ex
7*
100 ^^' ■<>£• HegeBippns« (§ 811.)
libris chronicorum inier cetera, wfihrend dem 1. Fragment die Worte voraoBgehen: origo
Constantini imperatoris; auch Sprache und Tendenz ist in beiden Fragmenten gänzlich
verschieden. Die Trennung wird daher jetzt allgemein angenommen; vgl. Aber die Frage
besonders Gör res, Zur Kritik des Anonymus y&Lesii (FlecKeis. Jahrb. 111 (1875) p. 201);
Ohnesorge, Der Anonymus Valesü de Constanüno, Kiel 1885, p. 1—82; Mommsen, Chron.
min. vol. 1, Berl. 1892, p. 5. Der Einspruch Enmanns (Philol. Supplementbd. 4 (1884) p. 460j
und Fricks (Zur Textluitik und Sprache des Anonymus Yaleaianus, Conmient. Woelfflinianae,
Leipz. 1891, p. 350) ist abzuweisen; vgl. Mommsen 1. c. p. VU und Gipolla, Conaideraziom
sulle «Getica" di Jordanes e sulle loro relazioni colla Historica Getarum di Cassiodoro Seio-
tore ( Bulle ttino del instituto storico Italiano 1892 p. 7 — 98). Ohne Scheidung der beiden
Fragmente ist jede Untersuchung wertlos, wie dies die Irrwege Pallmanns (Geschichte
der Völkei-wanderung 2 p. 248 f.) zeigen.
Die Interpolationen und Kürzungen im constantiniachen Fragment
Klebs, Das valesische Bruchstück zur Gesch. Constantins (Philol. 47 (1888) p. 65) hat be-
wiesen, dass die gS 20, 29, 33, 34, 35 wörtlich aus Orosius eingeschoben sind und dass Orosias
zur Bemerkung § 8 vermutlich Anlass und Stoff gab. Eine verkehrte Ansicht über das Ver-
hältnis des Anonymus zu Orosius gibt Gör res p. 203; vgl. auch Mommsen p. 5. Aach
Verkürzungen des Originals werden von Klebs p. 66 angenommen.
Ueber Zeit und Individualität des Verfassers der Fragmente. FOr
die Zeitbestimmung des constantiniachen Fragments ist der Charakter der Sprache ma»
gebend (Klebs p. 72); diese weist aber auf das 4. Jahrhundert hin (Klebs p. 79); vgl
auch Gör res p. 207. Auch die Nachrichten deuten vielfach auf einen Zeitgenoasen. Nach
Ausscheidung der christlichen Interpolationen zeigt sich, dass der Verfasser nicht CSuist
war; vgl. Klebs p. 79. Wahrscheinlich stammt das Fragment aus einer biograDhisch ge-
haltenen, ohne besondere stilistische Kunst geschriebenen Kaisergeschichte (Klebs p. 71);
vgl. jedoch C. Wagener, Philol. 45 (1886) p. 545. Was die Quellen desselben (Ohne-
sorge p. 32) anlangt, so liegt die Sache nach Ausscheidung der christlichen Znsätze ein-
fach. Es kann sich nur um einen nichtchristlichen Autor als Quelle handeln; als solchoi
hat man die verlorenen Bücher Ammians hinstellen wollen; vgl. Opitz, Act. soc. Lipa.
fasc. 2 (1874) p. 257; vgl. dagegen Klebs p. 68; eine andere Vermutung bei Wagener.
Philol. 45 (1886) p. 546. Eine bestimmte Quelle lässt sich nicht nachweisen; vgl. Klebs
p. 68. Ueber die Frage vgl. auch Peter, Geschichtl. Litt, der röm. Kaiserz. 2 (1897) p. 149;
Patzig, Byzantin. S^eitschr. 7 (1898) p. 572. Ueber eine Sammlung von Kaiserbiographien ik
Quelle vgl. Seeck, Pauly-Wissowas Realencycl. 1 Sp. 2334. Zur Zeitbestimm nng des 2. Frag-
ments ist von wesentlicher Bedeutung, dass Theodoricn schon in das Reich der Sage eingetreten.
Mommsen (p. 261) äussert sich in dieser Beziehung folgendermassen: «ut scripeiase videtor
post eversum Gothorum principatum inter turbas bellorum civilium novas sub imperatoribni
Constantinopolitanis" ; vgl. auch Görres p. 211. Beiträge zur Charakteristik der Sprache
der beiden Fragmente geben Ohnesorge p. 10, Frick p. 343. Ueber die Persönlichkot
des Verfassers des 2. Fragm. schreibt Mommsen p. 261: «homo fuit Christianus parom
cultus et superstitionis anilis et osor Arianorum acerrimus, scriptor summae infantiae*.
Ueber die Quellen sagt derselbe 1. c: „Scriptorem praeter Eugippii vitam Severini editam
a. 511, quam citat c. 45 (Glttck, Wiener Sitzungsber. 17 (1855) p. 77 Anm. 3), adhibmiBe
chronica Italica cum plura, quae habet communia mazime cum fastis Vindobonensibas et
cum Agnelüanis, luculenter oslendunt tum consulatus duobus locis c. 53, 54 praescripti
herum capitum originem ex consularibus prae se ferentes*^.
Ausg. Die beiden Fragmente stehen, kritisch revidiert, in der Ausg. Ammians von
Gardthausen, Leipz. 1874, vol. 2 p.280 u.289. Getrennt wurden sie ediert von Mommsen,
Chron. min. vol. 1, Berl. 1892, und zwar das erste p. 7 und das zweite p. 806 — 328.
Ueber Setzungen. Hinter der Ammianübersetzung von Büchele p. 949 (Meti-
ler'sche Samml.). Prokop, Gothenkrieg, übers, von D. Coste, Leipz. 1885, p. 874 (Die
Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Bd. 3).
12. Der sogenannte Hegesippus.
811. Die Übersetzung von Josephus' jüdischem Krieg. Nach 367
und wahrscheinlich vor 375 nahm ein Mann, der bereits die libri regno-
rum bearbeitet hatte, des Josephus Geschichte des jüdischen Kriegs^) vor,
um dieselbe in das Lateinische zu übersetzen. An der Darstellung fimd
er grossen Gefallen, allein ihm missfiel, dass Josephus noch immer zu
^) Die Benutzung von Rufins lateini-
scher Uebcrsetzung des jüdischen Kriegs ist
ausgeschlossen, ,quod graeca mensium no-
mina retinet a Rufino cum romaniB mntati'
(Caesar, Ausg. p. 392). Sein Original ftim
der Uebersetzer öfters namentlich an.
Der sog. Hegesippns. (§811.) 101
sehr vom jüdischen Standpunkt aus seine Geschichte geschrieben habe.
Oer üebersetzer meint, nur ein christliches Auge könne aus diesen
K^hweren Schicksalsschlägen das Walten der göttlichen Gerechtigkeit er-
cennen, und als Christ tritt er daher an die üebersetzung des Werkes
leran.^) Seine üebersetzung bewegt sich aber dem Original gegenüber
mit grosser Freiheit, so dass sein Werk mehr als eine Bearbeitung denn
sds eine üebersetzung anzusehen ist. Er gestattet sich sowohl Eür-
Eungen des Originals als auch Erweiterungen^) desselben besonders in
den Reden.s) Auch materielle Zusätze, wie z. B. aus der Archäologie des
Josephus, fügt er bei, im Aufbau jedoch schliesst er sich im grossen
Ganzen seiner Vorlage an. Er hat sein Werk in fünf Bücher geteilt, von
denen die vier ersten auch den vier ersten Büchern des Originals ent-
sprechen, das fünfte jedoch fasst den Inhalt der Bücher 5, 6 und 7 der
Originalscfarift zusammen. Als Verfasser der Üebersetzung kursiert ein
Hegesippus; allein dieser Hegesippus ist ein Phantom und beruht auf einer
Entstellung des Namens Josephus, der durch die Mittelstufen 'Ioi(rr]7Tog^
Josippus, Egesippus, schliesslich sich zu einem Hegesippus umbildete.^)
Eine alte üeberlieferung bringt die üebersetzung mit Ambrosius in Zu-
sammenhang, und wir haben keinen Grund, diese üeberlieferung zu ver-
werfen; weder chronologische noch sprachliche Indicien stellen sich uns
in den Weg. Als Eatechumene wird Ambrosius diese üebersetzung ge-
fertigt haben, die natürlich hinter den Originalwerken des Mailänder Bischofs
zurücktrat. Doch wurde sie nicht bei Seite geschoben; Gassiodor und
Isidor kennen diese Bearbeitung, und die Schriftsteller, welche die heiligen,
christlichen Orte beschreiben, benutzen gern unseren Autor.
Urteil des üebersetzers über Josephus. Prolog. 4 (p. 1 Weber) reliqttorutn
usque cul incendium tetnpli et manubias 7\ti Caesaris relator egregius hiatorico stilo Jo-
sephus utinam tarn religioni et veritati attentus quam rerum indagini et sermonum sobrie-
tat*, consortem se enim perfidiae Judaeorum etiam in ipso sermone exhibuit, quem de
eorum »uppUcio manifestavit, et quorum arrna deseruit eorum tarnen sacrilegia non dere-
liquit, deptaravit fiebüüer aerumnam sed ipsiua causam aerumnae non inteÜeodt,
Standpunkt des üebersetzers. Prolog. 10 (p. 2 W.) unde nobis curae fuit
non ingenü ope fretis sed fidei intentione in historiam Judaeorum ultra scripturae seriem
saerae paülisper introrsum pergere, ut tamquam in spinis rosam quaerentes inter saeva f
inpiorum facinora, quae digno inpietatis pretio soluta sunt, eruamus aliqua t^el de re-
>) Bemerkt sei, dass bei der Anführung
der Bibelstellen Spuren der Hieronymusüber-
setznng nicht zu Tage treten; vgl. Caesar
1. c. p. 399.
^) Caesar p. 391: „neque tarnen verbum
de verbo transtnlit, sed vel e pleniore Jo-
sephi narratione suam excerpsit vel rhetorico
more mazime locis communibus et verborum
sententiammque floribus nonnunquam satis
splendidis adauxit, id quod praesertim in
orationes cadit graecarum modum plerumque
mnlto superantes vel omnino additas, non-
nnlla ex ultimis Antiquitatum Judaicamm
libris desumta interposuit, pauca ad Roma-
norom historiam spectantia aliunde addidit,
denique qnavis data occasione Christianum
se praebet non solum res gestas commemo-
rando, ut Christum a Judaeis interfectum
n, 12, et Petri cum Simone mago conten-
tionem atque ipsius Paulique mortem III, 2,
sed doctrinam etiam christianam admiscendo,
et vel maxime perverses Judaeorum mores
castigando.** Vgl. auch Elebs, Philol. 51
(1892) p. 152: «Wie Hegesippus Sallust in
umfassender Weise sprachlich ausbeutete,
Tacitus auch sachlich verwertete, so hat er
gelegentlich Josephus Angaben durch ein
Curtius entnommenes Beispiel erweitert.*'
Jetzt noch Elebs p. 214.
•) Vgl. 5, 53, 2 hunc sermonem adorsu^
est, quem nos quasi epüogum quendam clau-
dendo operi deplorabilem more rJietorico
non praetermisimus.
*) Vogel, De Hegesippo p. 48: „omnibus
autem bis rebus perpensis Hegesippi nomen
post saeculum decimum in consuetudinem
venisse mihi comprobatum est.*^
102 ^®' BOS* HegeBippns. (§ 811.)
verentia sacrtie legis vel de sanctae religionis constittUtoniaque mtraciUo, quae magi» \ißd
heredibus vel in adversis obtentui fuerint vel honori m prosperis .... ac ne qtiia raeiHm
fide et superfluum putet nos suscepisse negotium, ideo per prindpes duetum Hebraeorwm
genus omne consideremus, ut liquido clareat utrum a femoribus Judae ntisquam genera-
tionia eius successio claudicaverit, an vero offenderit in principutn serie, sed mansenJt tu
eo, cui reposita manebant amnia et ipae erat apea gentium.
Die Zeit des Uebersetzers. Der terminiiB post quem ergibt aieh ans mehreren
Stellen. 3, 5, 11 wird eine Scbaospielergeschicbte erzftnlt, die anf einen Einfall der Pener
hindeutet; diesen Einfall berührt auch Amm. Marc. (23, 5, 8) und verlegt ihn in die Zeit
des Gallienus (254—268). Also kommen wir in die Zeit nach 254. Tiefer herab ftfart
eine zweite Stelle (8, 5, 28), welche die Verlegung der Residenz nach Conatantinopel im
Jahre 880 voraussetzt. Noch um eine Stufe tiefer kommen wir herab, wenn wir 5, 15, 24
ins Auge fassen. Hier wird auf die Ereignisse des Jahres 867, an denen der Yi^ des
Theodosius beteiligt war, angespielt. Es handelt sich nur noch, den terminua ante quem
festzustellen. Die Völkerwanderung scheint dem Verfasser, um ans dem Stülschweigen
zu schliessen, noch unbekannt zu sein; es wird daher die Uebersetzung wohl vor 375 fallen.
Vgl. F. Vogel, De Hegesippo p. 8. Sonach fällt die Schrift m die Zeit von 367—875.
Andere Schriftstellerei. Prolog. 1 (p. 1 Weber) Quath^or regnorum libroij
quoa acriptura complexa est aacra, etiam ipae atüo peraequutua uaque ctd captivücUen
Judaeorum murique excidium et Babylonia triumphoa hiatoriae in morem compoaui. VgL
Klebs p. 212.
Die Autorschaft der Uebersetzung. Eine Geschichte dieser Frage gibt
Vallarsius (Migne, Patrol. lat. 21 p. 258); vgl. auch Gronov, Observafcorom in Script,
eccles., Daventriae 1651 und F. Vogel, De Hegesippo p. 1. Gegen die Autorschaft des
Ambrosius hat sich neuejrdings besonders F. Vogel, De Hegesippo, qui dicitur, Joseph!
interprete, München 1880; Zeitschr. für österr. Gymn. 84 (1883) p. 241; Roman. Forsch.
1 (1888) p.415 erklärt; femer Elebs, Das lai Geschichtswerk über den jüd. Krieg (Festschr.
für L. Friedlftnder, Leipz. 1895, p. 282). Allein die Beweise sind nicht durchschlagend;
besonders wichtig erscheint mir, dass eine alte Ueberlieferung für Ambrosiua spricht. So steht
im Vaticanus-Palatinus 170 s. IX/X: Incipit tractatu^a ad Ambroaii epi de hiatoria iosipyi
captivi iranalata ab ipso ex greco in latinum; vgl. Beiff erscheid, Sitzongsber. der Wien.
Akad. der Wissensch. 56 (1867) p. 441. Im Mediolanensis sive Ambrosianus C 105 inf. steht
im jüngeren Teile (s. VIII/IX) : Egesippi über primtia explicit, Incipit aecundua Ämbrosi
episcopi de grego transtulit in latinum. Ueber Handschriften aus der Zeit nach dem 12.
Jahrb., welche unsere Uebersetzung mit Ambrosius in Verbindung bringen, vgl. F.Vogel,
Zeitschr. für österr. Gymn. 84 (1888) p. 245. Schon diese Ueberlieferung ftllt zu Gunsteo
der Autorschaft des Ambrosius stark ins Gewicht, da sich schwer absehen Ifisst, warum
Ambrosius mit dieser Uebersetzung ohne Grund in Zusammenhang gebracht werden konnte.
Denn was F. Vogel (De Hegesippo p. 49) sagt, ist unzulänglich. Es kommt hinzu, dass die
Zeit der Uebersetzung mit der des Ambrosius zusammenfällt, dass also Ambrosius die Ueber-
setzung schreiben konnte; vgl. F. Vogel, Zeitschr. für österr. Gymn. 84 p. 241. Endhch
bietet die Sprache soviel Aehnlichkeit, dass wir auch in der Uebersetzung, obwohl sie eine
ganz andere Stilgattung darstellt, doch den Ambrosius wiedererkennen; vgl. Ihm p. 64.
Selbst die Nachahmung des Sallustius findet sich ebenso bei Ambrosius wie bei unserem
Uebersetzer; vgl. F. Vogel, 'OfioiojrjTss Sallust. (Acta seminarii philol. Erlangensis 1
(1878) p. 848); (Elebs p. 221). Eine auffallende Aehnlichkeit bieten z. B. folgende Stellen:
De hello Judaico 5, 58, 58 unde nonnullia gentibtis moa eat, ut ortua hotninum fletibus
occasua gaudiis 2^rosequantur, quod illos ad aerumnam generatoa doleant, hoa ad beati-
tudinem redisse gratulefitur, illorum animas ad aervitutem t^eniaae ingemescant, istarum
ad libertatem egressas gaudeant = Ambros. de exe. Sat. 2, 5 fuiaae etiam quidam fenmtur
populi, qui orius hominum luger ent obitusque celebrarent. Nee imprudenter: eoa enim
qui in hoc vitae salum venissent, maerendos 2)utabant; eoa vero qui ex iatius mundi pro-
cellis et fluctibus emerstissent, non iniusto gaudio persequendoa arbitrabantur. Mit Recht
hat daher Ihm, Studia Ambrosiana (Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 17 (1890) p. 61) die
Anschauung Vogels bekämpft, und zutreffend sagt Rei ff er scheid 1. c. p. 442: «Dass
der Verfasser dieses Auszuges aus Joseph (De hello Judaico) Ambrosius ist, hätte nie be-
zweifelt werden sollen, da derselbe durch die Autorität der ältesten Handschriften als sol-
cher beglaubigt ist.*^ Entscheidend für Ambrosius Landgraf, Archiv 12 (1902) p. 465. 7gL
auch Ron seh, Philol. Rundschau 1881 p. 602; Die lexikal. Eigentümlichkeiten der Latinittt
des Hegesippus, Roman. Forsch. 1 (1883) p. 256 = Collectanea philol., Bremen 1891, p. 32.
Fortleben des Hegesippus. In einem Palimpsest des Klosters Bobbio, der
einen Traktat in Lucae evangelium enthält, erscheint bereits eine Stelle aus der Ueber-
setzung; vgl. Rönsch, Zeitschr. für wiss. Theol. 26 (1888j p. 289. Cassiodor. instii dir.
litt. 17 (edit. Garet. 2 p. 520) qui (Joaephua) etiam et alios aeptem libroa captwüatia /«•
Die Itinerarien. (§ 812.)
103
daieae mirahüi nüore conscripsit. quorum tranBlationem alii Hieronymo, alii Ambrosio, alii
deputant Bufino; quae dum tcUibua adscribitur, amnino dictionis eximiae merüa de-
tiarantur. Auch Encherios, der im 5. Jahrhundert de locis aliquibus sanctis schrieb, be-
imtEte unsere Uebersetzung; vgl. F. Vogel , De Hegesippo p. 34; femer finden sich auch bei
Udor Spuren des Hegesipp; vgl. J. Caesar in Webers Ausg. p. 394; Vogel 1. c. p. 36.
Üeber Adaninanus (605—705), der auch über die heiligen Orte schrieb, vgl. Vogel p. 42;
P. Geyer, Adamnanus 1, Augsb. 1895, p. 31. lieber Beda vgl. Vogel p. 44. Ueber Widu-
kind vgl. Vogel p. 46; ttber eine metr. Bearbeitung Du mm 1er, Neues Archiv 7 (1882)
^ 608. Im 12. Jahrhundert lesen wir bei Guilelmus Malmesberiensis, De gest. regum Angl.,
nancof. 1601, p. 138, 25: «Cuius situm commemorarem, nisi aviditatem meam praeoccupasset
Ambrosiana in Egesippo facundia.** Ueber Joannes Saresberiensis vgl. Vogel p. 47.
Die Ueberlieferung wird von Weber auf Cassellanus s. VIU/IX basiert; es
kommen aber noch hinzu Mediolanensis s. VU/VIII, Bemensis s. IX und Vaticanus s. IX/X;
TgL Weber, Ausg. praef. p. III; Caesar, Ausg. p. 399; A. Reifferscheid, Sitzungsber. der
Wien. Akad. der Wissensch. 56 (1867) p. 441; F. Vogel, De Hegesippo p. 4; £. Ealinka,
Wien. Stud. 16 (1894) p. 93.
Ausg. Editio princeps von J. Ascensius, Paris 1510. Von älteren Ausg. nennen
wir noch die in der BiblioÜieca patr. 5 (1677) p. 1123, von Gallandi 7 p. 653; Migne 15
S> 1962. Spezialausg. von C. F. Weber und J. Caesar, Marb. 1864; vgl. dazu Caesar,
beervat. nonnull. de Josephe Latino emendando (Ind. lect. Marb. 1878).
ß) Die Geographen.
Die Itinerarien.
812. Die Beisebecher, das Itinerarium Antonini und Hierosoly-
mitanum. Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geographie sind von
den Griechen gelegt worden, und die Römer haben keinen Anteil daran.
Allein praktisch haben auch die Römer sich um die Geographie verdient
gemacht; ihr ruhmreiches Werk ist das weitverzweigte Strassennetz, das
me anlegten, um die einzelnen Teile des ungeheueren Reiches mit ein-
ander zu verbinden. Dieses Strassennetz mit seinen Meilensteinen erzeugt
auch einen Litteraturzweig, das Kursbuch, in dem die Strassen und
Stationen wie die Entfernungen i) verzeichnet waren. Wir haben epi-
graphische und litterarische Denkmäler dieser Art, die gewöhnlich mit
dem Namen Itinerarien bezeichnet werden. Im Schwefelbad von Vica-
rello (Aquae ApoUinares) am See von Bracciano (lacus Sabatinus) wurde
im Jahre 1852 eine Masse Münzen und Metallgegenstände gefunden. Den
Fund verdanken wir der Sitte, dass die Gäste des Bades dem Heilgotte
eine Spende in der Weise darbrachten, dass sie dieselbe in die Quelle
warfen. Von den Fundgegenständen erregen besondere Aufmerksamkeit
vier silberne Reisebecher, welche in Form von Meilensteinen gear-
beitet waren und die Route von Gades bis Rom aufzeichnen. Sie gehören
verschiedenen Zeiten an und bestimmen daher die Route nicht überein-
stimmend, da ja im Laufe der Zeit manche Aenderung in der Anlage von
Strassen sich vollzog, doch werden sie wohl alle in das 3. Jahrhundert
gehören. Die Verwilderung der Sprache deutet auf das provinzielle Latein.
Litterarische Itinerarien sind zwei zu verzeichnen; das eine führt den
Namen Itinerarium provinciarum Antonini Augusti. Man denkt
bei den letzten Worten gewöhnlich an Antoninus Caracalla, und es ist
0 Ueber die Masse sagt Hieronymos in
seinem Commentar zu Joel c. 3 (6 Sp. 215 Yfdl.) :
nee mirum si unaquaeque gens certa viarum
gptUia suis appeUet nominibus, cum et Latini
mille passus vocent, et Galli leucas, et Persae
parasangas, et rastas universa Germania.
Lengen finden wir im Itinerarinm Hierosoly-
mitannm.
104 I>ie Itinerarien. (§ 812.)
nicht unmöglich, die Echtheit des Titels vorausgesetzt, dass ein der Zeit
Caracallas angehörendes Itinerar benutzt wurde. Allein so wie die Re-
cension uns jetzt vorliegt, gehört sie der diokletianischen Zeit an, denn
sie setzt Diokletians Reichseinteilung voraus. Mailand und Nicomedien
treten hervor, während Rom in den Hintergrund gerückt ist. Die Ab-
fassungszeit des Itinerars muss daher nach 293 erfolgt sein. Das Kurs-
buch enthält ein nach Provinzen geordnetes Verzeichnis der Strassen und
Stationen des ganzen Reiches; die Entfernungen werden mit rundeo
Zahlen angegeben. Mit diesem Itinerar erscheint in alten Handschriften
auch ein Itinerarium maritimum verbunden, das aus drei Teilen be-
steht und nicht vollständig ist. Es gibt die Entfernungen der Seestädte,
die Hafenplätze und die Inseln an. Das andere litterarische Kursbuch
ist das sog. Itinerarium Hierosolymitanum aus dem Jahre 833, das
eine Reise von Bordeaux nach Jerusalem und die Rückkehr über Rom
nach Mailand enthält. Es rührt von einem Christen her, wie dies aus
der Beschreibung der heiligen Orte hervorgeht. Dies Reisehandbuch ver-
zeichnet nicht bloss die Poststationen (mutationes) und die Herbergen
(mansiones) mit Angaben der Entfernung, sondern fügt auch hie und da
Merkwürdigkeiten hinzu. Man sieht hier schon Ansätze zu dem modernen
Reisehandbuch.
Reisebecher als Itinerarien. Ueber den Fand von Yicarello vgl. Henzen.
Altertümer von Yicarello (Rhein. Mus. 9 (1854) p. 20); über die Reisebecher vgl. p. 2t^.
Henzen waren drei Reisebecher bekannt, später Kam ein vierter hinzu; vgl. Garrncci.
Sur an noavel Itinöraire d^couvert dans les Aqaae Apollinares (Revue archöoL 5 (1862)
p. 254); £. Desjardins, Explication d'un passage de Vltin^raire insctit sor le quatii^me
vase Apollinaire de Yicarello (ebenda 22 (1870/71) p. 124). Publiziert sind die vier Reise-
becher von R. Garracci, Dissertazioni archeologiche, Rom 1864, p. 161; CIL 11, 3281—
8284. — A. Jacob, Les Itin^raires des Aqaae Apollinares, Paris 1859; H. Nissen, Italische
Landeskunde 1 (Berl. 1883) p. 23.
Itinerarium provinciarum Antonini Augusti. Die Ueberliefemng Antonini
wird von A. Riese (Geographi lat. min., Heilbronn 1878, proleg. p. XTJ Anm. 1^ bestritteD
und derselben kein Wert für die Zeitbestimmung beigelegt. Er sagt: «si consideras qiiae
Parthey et Pinder ex codicibus tradunt, plerosque libros habere Antonii Augusti, aUos
nuUum nomen, solum vero Scorialensem saec. YlII Antonini Augusti, atque ne eom
quidem illud nomen exhibere nisi in inscriptione Itinerarii maritimi, quod ab altero illo
diversum alio loco posuit, non possumus non suspicari, Antonii genuinam nomüus formam
esse, quam inde ortam puto quia in Aetlüci nostri qui dicitur, qui ante Itinerarium in sylloga
positus est, praefatione Antonii Caesarisque nomina et Augusti consulatus cum terrae
mensuratione coniunguntur. Quare cavendum erit abhinc, ne Antonini nomine abutamar
ad aetatem Itinerarii definiendam. Quod nomen in Scorialensi e coniectura natom esse
existimo, qua librarius aliquis qui Antonium non fuisse imperatorem probe aciebat, aptios
nomen imperatorium restituere sibi visas est ** Ygl. auch noch Bergk, Zur Gesch. and
Topographie der Rheinlande in röm. Zeit, Leipz. 1882, p. 146. Gewöhnlich wird Antoninas
aufCaracalla (211 — 217) bezogen; vgl. Parthey, Ausg. p. YT. Dass unsere Recension in
die Zeit Diokletians (284 — 305) fällt, erörtern Parthey l. c, der bemerkt (p. VIH): «non ab
uno sed a compluribus neque eodem tempore opus, quäle nunc habemuB, confectum esse
patct"", und besonders Bergk 1. c. p. 147; p. 149: „Das Itinerar kann erst nach dem Jahre
293 abgefasst sein.'' In der Ausg. von Parthey und Pinder ist ein reiches handschrift-
liches Material zusammengebracht (über 40 Handschriften), allein es fehlt die methodische
Sichtung, an deren Stelle vielfach ein eklektisches Yerfahren getreten ist. Zum erstenmil
versuchte Kubitschek, Zur Kritik des Itinerarium Antonini (Wien. Stud. 13 (1891) P* 177]
eine Gruppierung und Wertschätzung der Handschriften. Das Hauptresultat seiner Unter-
suchungen ist (p. 189), «dass von dem gemeinsamen Archetypus unserer Handflchriftes,
der sich selbst schon als eine nicht sehr vollkommene Copie des Originals und hereits in
Yerbindung mit der Cosmographia des Julius Honorius und dem Itinerarium maritimniB
gezeigt hat, zwei jetzt verlorene Abschriften anzunehmen sind, deren eine die Quelle ftr
Parisinus 7230 s. X (D) und Scorialensis II R 18 s. YIII (P), die andere f&r die fllnigeo
Die Itinerarien. (§ 813.) 105
Handachriften geworden ist' und dass (p. 193) der weitaas bedeutendste Vertreter der zweiten
Klasse die Wiener Handschrift 181 s. VTII (L) ist und dass aus einer von L nnabhftngigen
Gruppe der zweiten Familie der einst im Besitze von Conrad Geltes befindliche Parisinus
4807 8. Vin/IX (B) herbeigezogen werden muss. Einen Stammbaum gibt er p. 209.
Ueber die Randbemerkungen der in Deutschland hergestellten Handschriften vgl. Bergk
p. 179; 184. Zur Kritik der Zahlenangaben des Itinerars vgl. Bergk p. 178. Möglicher-
weise hat auch Einhart das Itinerar benutzt; vgl. M. Manitius, Einharts Werke und ihr
Stil (Neues Archiv der Ges. für ältere deutsche Geschichtskunde 7 (1882) p. 568 Anm. 1).
üeber das in älteren Handschriften damit verbundene Itinerarium maritimum und seine
drei Teile vgl. Parthey p. IX. — Itinerarium Antonini Augusti et Hierosolymitanum ex libris
mannscriptis ediderunt G. Parthey et M. Pinder, Berl. 1848; Raven, Antonines itine-
rary, Route IX (Britain. archaeological Journal N. 185); F. P. Garofalo, Le vie romane
in Sicilia. Studio suir «Itin. Antonini', Neapoli 1901; desselben Studio sull' «Itin. Antonini*.
Parte relativa all' Italia (Rendiconti di Istituto Lomb. ser. U, vol. 34, 1901).
Itinerarium Hierosolymitanum. Ueberschrift: Itinerarium a Burdigala Hie-
rusaJem usque et ah Heradea per Äülonam et per urbem Romam Mediolanum tisque.
Zeitbestimmung (p. 270 P.): Item ambülavimus Dalmaiio et Zenofilo cons. III, hol, Jun.
a Calcidonia, et reversi sumus Constantinopolim VII. (Veron.: VI 11) kal, Jan. Cons.
supraScript. Von den Merkwürdigkeiten, die der Verfasser einfügt, seien folgende vor-
geführt (p. 271 P.): ibi positus est rex Ännibalianus, qui fuit Afrorum; (p. 273) ibi est
vtüa Pampati, unde veniunt equi curules; inde fuit Apollonius magnus; (p. 276) in tertio
müiario est mons Sifna, übi fons est in quem mulier si laverit, gravida fit; (p. 285) ibi
positus est Euripidis poeta. Lange Zeit war für das Itinerar als einzige massgebende Hand-
schrift cod. Parisinus 4808 s. IX bekannt, der den Text volbtändig gibt. In neuester Zeit
kam hinzu eine Handschrift der Eapitelsbibliothek in Verona 52 (60) s. IX/X; vgl. A. de
Barth^l^mv, Itinöraire de Bordeaux ä Jerusalem d'aprds un manuscrit de la Biblioth^ue
du chapitre de Vörone. Suivi d'une description des lieux saints tiröe d'un manuscrit de la
Biblioth^ue imperiale (Revue arch^ol. 10 (1864) p. 98), abgedruckt p. 99. Endlich gesellten
bieh noch hinzu die zwei Fragmente des Sangallensis 732 aus dem Jahre 811. Herausgegeben
von Parthey und Pinder, vgl. oben. Itinera Hierosolvmitana rec. Geyer (Corp. Script,
eccles. lat. vol. 39, 1899). — L. Renier, Itinöraires Romains de la Gaule, Paris 1850;
A. Bertrand, Les voies Romaines en Gaule, Paris 1863; Aurds, Concordance des voies
Apollinaires et de Titin^raire de Bordeaux ä Jerusalem et comparaison de ces textes avec
riün. d' Antonin et avec la table Thöodosienne, Ntmes 1868.
Gesamtausg. von Wesseling, Vetera Romanorum Itineraria (It. Antonini Augusti,
It. Hieroeoljrmitanum et HierocUs grammatici synecdemus), Amsterdam 1735; Recueil des
itin^raires anciens, comprenant Titin^raire d' Antonin, la table de Peutinger et un choix de
p^riples grecs avec 10 cartes par Fortia d'Urban, Paris 1845. Eine neue Ausg. der Itine-
rarien wird vorbereitet von J. W. Eubitschek und Otto Cuntz.
813. Itmerarium AlezandrL Als im Jahre 77 v. Chr. Pompeius
einen Zug nach Spanien unternehmen wollte, gab ihm der gelehrte Varro
ein Geleitsbuch mit, eine Ephemeris navalis, in welcher der Feldherr über
die Schiffahrt und die dabei in Anwendung kommenden Vorsichtsmass-
regeln belehrt werden sollte. Dieses Beispiel fand Nachahmung in der
constantinischen Zeit. Als der Sohn Constantins, Constantius, sich zu
einem Feldzug gegen die Perser rüstete, glaubte ein Mann sich die Gunst
des Hofes zu erwerben, wenn er dem Kaiser eine Geschichte der FeldzUge
AJexanders des Grossen und Traians nach Persien unterbreiten werde.
Sein Werk ist uns erhalten, den Schluss ausgenommen, der einen Teil der
Alexandergeschichte und den persischen Feldzug Traians behandelt hatte.
Durch eine Verstümmelung der einzigen Handschrift, welche uns diesen
Abriss überliefert, ist dieser Verlust eingetreten. Aus Bescheidenheit wählt
der Autor statt des Titels Breviarium den schlichten Itinerarium, ob-
wohl er keine Reiseroute gibt, sondern eine zusammenhängende Erzählung,
in der er übrigens sich nicht auf den persischen Feldzug Alexanders be-
schränkt. Seine Darstellung ist hart und unharmonisch und wimmelt von
Archaismen, Gräcismen und Vulgarismen; man f ^' daher zweifeln, ob
106 ^^ Itinerarien. (§ 818.)
er ein geborener Römer war, und ihn eher für einen Griechen halten, der
wie Ammian sich das Lateinische erst mühsam angeeignet hat. Seine
Hauptquelle ist Arrian, daneben hat er aber auch den Pseudo-Callisthenes
benutzt und zwar, wie wir aus einer Stelle sicher nachweisen können, in
der lateinischen Bearbeitung des Julius Yalerius. Vergleichen wir diesen
Julius Yalerius mit unserem Autor, so zeigen sich so viele sprachliche
Uebereinstimmungen, dass die Vermutung ausgesprochen werden konnte,
der Verfasser unseres Itinerarium sei Julius Valerius, und in der Thai
ist diese Ansicht sehr wahrscheinlich. Obwohl unsere Kenntnis von den
Thaten Alexander des Grossen keine Bereicherung erfährt, so liefert doch
auch unser Werkchen einen interessanten Beitrag zur Geschichte des
geistigen Lebens im 4. Jahrhundert.
Veranlassung des Werks, c. 1 Dextrum admodum scienSf et omen (vgl. Haase,
Miscellan. pliilol. lib. 2, Breslau 1858, p. 20) tibi et magisterium futwrum, domine Ckmstanti
bonia melior imperator, si orso feliciter tarn accinctoque persicam expedüionem itinerarium
principum eodem opere gloriosorum, Alexandri scüicet magni Traianique, componerem,
libens sane et Iciboris cum amore succubui. c. 8 (p. 2 Volkmann) m Terentius Varro Gnaeo
Pompeio olim per Hispaniaa müitatwo librutn iUum Ephemeridoa 8ub nomine laborarit,
ut inJiabües res eidetn ingressuro scire esset ex facUi indinationem oceani, atque omnes
reliquos motus aSrios praescientiae fide peteret aut declinaret: cur ego tibi rem nostrae
scdutis adgresso non ut ex bona flamma virtutum Turne facem praeferam?
Zeit des Itinerars. Da das Itinerar an den dominus Constantiua gerichtet ist,
muss es in dessen Regierungszeit 337 — 361 fallen. Allein die Abfassungszeit kann noch
genauer bestimmt werden. Nach c. 2 p. 2 V. war Constantin, der Bruder des Constantiua,
tot; da dessen Tod ins Jahr 340 fftllt, muss diese Schrift nach dieser Zeit entstanden sein.
Der angeredete Constantius hat sich eben zu einer Expedition gegen die Perser gerfistet
(vgl. c. 1 orso feliciter iam accinctoque persicam expeditionetn); die Schrift kann sich daher
nur auf den Feldzug des Constantius gegen die Perser, der im Jahre 346 oder 859 statt-
fand, beziehen und wird in einem dieser Jahre erschienen sein; vgl. Letronne, Jonmal
des savants 1818, p. 403; C. Wachsmuth, Einl. in das Stud. der alten Gresch., Leipz. 1895,
p. 577. Ohne durchschlagende Beweise will C. Kluge (De Itinerario Alexandri Magni,
Breslau 1861, p. 33) das Itinerar in der Gestalt, in der es uns jetzt vorliegt, aus sprach-
lichen Gründen einer späteren Zeit zuweisen.
Titel, c. 2 (p. 1 V.) Itinerarium pro Breviario superscripsi castigans operis eius
etiam nomine facultatem.
Der Verfasser des Itinerars. In der einzigen Handschrift, die uns das Itine-
rarium überliefert, folgt dasselbe auf die Alexandergeschichte des Julius Valerios, und zwar
wird dasselbe eingeführt: incipit itinerarium eiusdem; vgl. Volkmann p. I. Damach sollte
man meinen, dass auch der Verfasser des Itinerarium Julius Valerius ist Und in der That
finden sich zwischen der Alexandergeschichte und dem Itinerar die auffallendsten sprach-
lichen Uebereinstimmungen; vgl. Kluge p. 34, der aber in seinem Urteil schwankend oleibt
(p. 45); J. Grion, I nobili fatti di Alessandro Magno, Bologna 1872, p. XXVI.
Quellen des Itinerars. c. 1 nee de loquacium numero viltbtM usus auctoribus,
sed quos fidei amicissimos vetus censura prohuntiat, quosque istic qua potui tibi drcumdsa
satis curiositate collegi. c. 21 (p. 12) denique duos corvos draconesve praevios ivisse atmt<
inimici fnbularum. lieber die Benutzung Arrians vom 22. Kapitel an vgl. C. Kluge p. 4; p. 9
(wo in einer Tabelle die übereinstimmenden Kapitel vorgeführt werden); p. 13; 15 und
Letronne, Journal des savants 1818, p. 404. Dass die Benutzung Arrians sich durch
das ganze Werk hindurchzieht, wenn diese auch gegen den Schluss des Werkes weniger
hervortritt, zeigt J. Zacher, Pseudo-Callisthenes, Halle 1867, p. 57 und p. 83; über die
Nachlässigkeit der Benutzung Kluge p. 15. Ueber Pseudo-Callisthenes als Quelle vgl.
p. 20; p. 26 „integrius uberiusque multis locis Ps. Callisthenis exemplar, quam qnale codice
A. representatur, Itin. auctorem ad manum habuisse negari vix potest'' ; vgl. auch p. 80.
Ueber die Beziehungen zu Julius Valerius p. 28. Dass Jul. Valerius selbst benutzt wurde,
kann an einem sicheren Beispiel (c. 28, 29) gezeigt werden; vgl. J. Zacher 1. c. p. 55; 57 und 83.
Ueber die Beziehungen zu Curtius vgl. Kluge p. 18, über die zu Diodor Zacher p. 57.
Die Sprache des Itinerars. Beiträge zur Kenntnis derselben geben Letronoe
p. 409 und Kluge p. 46 und 54; Volkmann p. VII. Auch Gräcismen finden sich, so dsss
Kluge (p. 54) sich zu dem Glauben neigt, das Itinerar sei ursprünglich vom Griechischen
ins Lateinische übersetzt. Allein diese Gräcismen können auch in der Benutzung griechischer
daadiiis Maminriiiiiis. (§ 814.) 107
Quellen ihre Erklinnig finden. Die Worte c. 1 ego audctder id muneria subeo, non meis
fretus, verum extemi ingemii virilms werden nicht anf den Uebersetzer (vgl. Haase, Mis-
celL p. 20), aondern anf den Benutzer Arrians zn deuten sein.
üeber den geschichtlichen Wert desitinerars vgl. Kluge p. 31: .Esse eius
generis iam TidemoB, ut nihil fere emolumenti ex Itinerario nobis redundet ad Alezandri
faiBtorinm angendam et locupletandam, haud spemenda tarnen auxüia nacti mmus ad Pseudo-
Gallistfaeneae historiae vetostissmiam formam indagandam et restitnendam."
üeberlieferung. Einzige Handschrift ist der Ambrosianus P. 49 sup. s. IX/X.
Die Schnft bricht am Schluss unvollständig ab; von der Lttcke ist der ganze Zug Trajans
gegen die Parther verschlungen worden. Genaue Beschreibung bei Volk mann p. I.
Ansg. von A. Mai, Itiuerarium Alexandri ad Constantium Augustum Constantini
Magni filium, Mailand 1817 (Frankfurt a/M. 1818, schlechter Nachdruck). Eine zweite Ausg.
von A. Mai findet sich in den Class. auct. tom. 7 (Rom 1835) p. 1. Neue Ausg. sind die
von C. Müller in der Anianausg. von F. Dflbner, Paris 1846, p. 115 (ohne kritischen
Apparat) und die von D. Yolkmann in einem Progr. von Schulpforta 1871 auf Grund einer
neuen von R. Schoell gemachten Collation des Ambrosianus; in der Eapiteleinteiluug
Bchliesst er sich der rOmischen Ausg. Mais an.
y) Die Redner (Deklamatoren).
1. Claudius Mamertinus.
814« Danksagungsrede des Claudius Hamertmus fttr das ihm von
Julian verliehene Konsulat. Die Rede wurde am 1. Januar 862 in
Constantinopel gehalten. Mit ganz besonderer Befriedigung konnte Clau-
dius Mamertinus auf das abgelaufene Jahr zurückblicken; denn dasselbe
hatte ihm drei hohe Würden gebracht, das Amt eines comes sacrarum
largitionum, das Amt eines praefectus praetorio für Italien, Illyricum und
Afrika, endlich als Krone das Konsulat. Selbstverständlich muss der Pane-
gyriker diese Häufungen von Gunstbeweisungen des Kaisers ins helle
licht setzen, und er spart nicht die Worte, um dies zu thun, wobei auch
seine Person nicht in den Schatten tritt. Der Kern der Rede ist das Lob
Julians. Nachdem er seine Ruhmesthaten in Qallien geschildert, verbreitet
er sich ausführlich über die ausgezeichneten Tugenden des Herrschers,
über seine Strenge gegen sich selbst und seine Milde gegen andere, über
seine Sittenreinheit, über seine Liebe zur Wissenschaft, über seine Freundes-
treue u. 8. w.
Der Rede gebricht es an Einfachheit der Gedanken, sie ist überladen
und trägt das Lob zu stark auf. Als der Panegyriker seine Rede hielt,
war er bereits ein bejahrter Mann;^) aber sein Leben sollte doch nicht
ohne Schiffbruch ablaufen. Im Jahre 368 wurde er in einen Prozess
wegen ünterschleifs verwickelt. Dies zog ihm die Ungnade des Kaisers
zu, der an seine Stelle als praefectus praetorio 'Vulcatius berief.
Biographisches. Ueber des Redners Rang vgl. 3 p. 246, 25 B. numquani profecto
liberi cwis et boni senatoris officio defutssem. 1 p. 245, 5 cum me aerarium publicum curare
voluisti , . , , at cum me praetoriia praefecisti. Er war comes sacranun largitionam (vgl.
Aniinian21,8, 1 largüiones curandaa) und praefectus praetorio Illyrici etitaliae 361 — 365; vgl.
Symmachos ep. 10, 40, 8 und 10, 40, 5; Anunian 21, 12, 25 Mamertinum praefectum prae-
torio per Illyricum designavit coneulem\ 21, 10, 8 Mamertino in consulatu iunocit Nevittam;
26, 5, 5 ItcUiam cum Africa et Ulyrico Mamertinus {regebat). Beide Würden wurden dem
Mamertinus in demselben Jahre 361 verliehen. 22 p. 262, 7 B. mihi certe tertia uniua anni
ubertas est consulatus; im Nachfolgenden werden die drei Aemter genannt. Ammian 27,
7, 1 (i. J. 868) vix dies intercessere pauci, cum Mamertinum praefectum praetorio ab urbe
regressum. quo quaedam perrexerat correcturus, AmtianiM ex vicario peculatus detulerat
reum. <Mi ideo Vulcatius stMicessit Rufinus.
*) 17 p. 257, 28 B. a teneris annis ad hanc i^que canitiem consuiatus amore flagravi.
108 Latinins Paoatas DrepaniuB. (§ 815.)
Ort der Rede ist Constantinopel; denn der Redner bezeichnet die Stadt, wo er
spricht, als den Gebortsort Julians (2 p. 245, 30).
Ansg. in den Panegyrici latini von Baehrens p. 244; Mignes Patrol. 18 p. 409.
2. Latinius Pacatus Drepanius.
815. Der Panegyricus des Latinius Pacatus Drepanius auf Theo-
dosius. Als der merkwürdige Usurpator Maximus von Theodosius im
Jahre 388 niedergeworfen und ums Leben gekommen war, schickte Gallien,
das von dem Tyrannen am meisten zu leiden hatte, im Jahre 389 einen
Abgesandten nach Rom, wo sich damals Theodosius befand, um seine
Glückwünsche zu dem Siege darzubringen. Der Abgesandte war der gal-
lische Redner Latinius Pacatus Drepanius; derselbe stand mit Ausonius
in näheren Beziehungen. Dieser widmete dem Rhetor mehrere Werke
und machte ihm auch ob seiner dichterischen Fähigkeit ein warmes
Kompliment. Auch mit Symmachus war der Redner vertraut, und die
Briefsammlung des letzteren weist mehrere Stücke auf, die an Pacatus
gerichtet sind. Der Panegyriker hielt seine Rede vor dem Kaiser im
römischen Senat. Nachdem er die äusseren und inneren Vorzüge seines
Helden dargelegt und die Erwählung zum Mitregenten durch Gratian als
eine naturgemässe Folge dieser Vorzüge hingestellt hat, kommt er auf
den eigentlichen Gegenstand seiner Rede, den Kampf mit dem schlauen
Maximus. Nachdem dieser fast ohne Schwertstreich Britannien und Gal-
lien erobert, Gratian hingemordet und seine Ernennung zum Mitaugustus
durchgesetzt hatte, steckte sich sein Ehrgeiz noch höhere Ziele und strebte
nach der Alleinherrschaft über das gesamte römische Reich. Jetzt war
es Zeit für Theodosius einzugreifen. Maximus war Meister auf dem Feld
der Intrigue, aber er war kein Feldherr und unterlag der Strategie des
Theodosius. Diese wichtige Episode aus der Regierung des grossen
Kaisers erzählt uns der Gallier anschaulich und ausfiihrlich. Die Heimat
des Redners war ja das Operationsgebiet des Usurpators. Der Redner
konnte manche Beobachtungen sammeln; seine Erzählung ist daher keine
unwichtige Geschichtsquelle. Der Panegyriker spricht gewandt und mit
Aufgebot aller rhetorischen Mittel; doch ist die Darstellung nicht zu auf-
gedunsen und im Ganzen erträglich. Die grosse, römische Vergangenheit
übt auch noch auf diesen Spätling ihren Zauber aus.^) Das Wehen des
christlichen Geistes gewahren wir dagegen nirgends.*)
Die Rede scheint dem Kaiser gefallen zu haben. Wir finden bald
darauf den Gallier als Prokonsul von Afrika, und wir werden die Ver-
mutung wagen dürfen, dass ihm dieses Amt als Belohnung für seine red-
nerische Leistung verliehen wurde. Im Jahre 393 war Pacatus comes
rerum privatarum, damit erlöschen seine Spuren in der Geschichte.
Biographisches. In der Inscriptio des Panegyricus wird der Verfasser im Grenitir
angegeben als Latini Pacati Drepani (Baehrens, Ausg. p. XVII), was aufnilösen ist
*) Ueber die Nachwirkung der Horaz- ' ille rerum fabricator indulsit; 21 p. 289,22
lektüre vgl. M. Hertz, Analecta ad carmi- | dicata numini aummo delvhra. Die Apo-
num Horat. historiam, particula 3 (Ind. lect. theose des Kaisers findet sich auch bei ihm
Breslau 1879 p. 15). "* P* ^*^^' ^^ deum dedit Hispania quem
^) Nur einige monotheistische Aeusse- videmus.
rungen finden wir, wie 4 p. 274, 4 B. supremus \
Q. Anrelins Symmaohus. (§ 816.) 109
Latinias Pacatus Drepanins; vgl. Seeck, Ausg. des Symmach. p. CXGIII. Seine Heimat
ist Gallien; vgl. 2 p. 27^, 7 B. cum admiratione vvrtutum tuarum ab ultimo Oalliarum
recesau, qua litus oceani cadentem excipit solem et defidentibus terris sociale miscetur
elementum, ad contuendum te adorandumque properassem. 24 p. 293, 8 unde ordiar
tun de tuis, mea GeUlia, media? 23 p.291, 28 triumphis tuisGcdli irascimur, 47 p. 314, 17
qu€ie reversus urbibus Oalliarum dispenaabo miracula. Apollin. Sid. 8, 11 p. 188 Mohr
quid agunt Nitiobrogea (jetzt Agen), quid Veaunnid tui .... tu vero utriaque praeaentiam
tuam diapoaite viciaaimqtie partitua nunc Drepanium ülia, modo iatia reatüuia Anthedium.
Er bekleidete 390 das Prokonsolat von Afrika; vgl. cod. Theodos. 9, 2, 4. Auch Ausonius
erwfthnt das Prokonsulat 20 p. 104 Seh.; 27 p. 132 Seh. Er war 393 auch comes rerum
privatamm des Theodosios; vgl. cod. Theodos. 9, 42, 13.
Pacatu« undAusonins. Mehrfach erscheint unser Rhetor in der Gedichtsamm-
lung des Ausonius. p. 120 Seh. wird er nach der Sitte der Zeit in sttsslicher Weise Dre-
paniua füiua angeredet. Der Dichter dediciert dem Redner eine nicht näher bezeichnete
Gedichtsammlung; er geht von der Widmung Gatulls aus, zu der er die seinige in Gegen-
satz stellt. Dem Adressaten widmet er folgendes Kompliment (vs. 10) : Imc nulluA mihi carior
ineorum, \ quem pluria faciunt novem aororea, \ qtMm cunctoa cUioa, Marone dempto. Der
Dichter dediciert dem Prokonsul Drepanius seinen luc|us Septem sapientum. p. 205 Seh.
dediciert Ausonius irgend ein poetisches Werk, das er vielleicht später dem Proculus wid-
mete; vgl. jedoch die Emendation nach Tollius. Weiterhin widmet er in einem prosaischen
Briefe p. 132 Seh. dem Pacato proconauli die zweite Ausgabe des Technopaegnium, das
er früher dem Paulinus überreicht hatte. Im Technopaegnium erscheint Pacatus noch
p. 134 Seh. und p. 139 Seh., wo aber die Ueberlieferung zwischen Paccde und Pauline
schwankt.
Pacatus und Symmach us. An Pacatus sind gerichtet die Briefe 8, 12 p. 217
Seeck; 9, 61 p. 253; 9, 64 p. 254. Ueber das Verhältnis des 11. und 12. Briefes vgl. Seeck
p. CXGIII. Dieser Pacatus ist höchst wahrscheinlich identisch mit unserem Rhetor.
Ort und Zeit der Rede. Die Rede wurde in Rom gehalten (47 p. 314, 20 Bomam
vidi, Theodoaium vidi) und zwar im Senat (1 p. 271, 16 huc accedit auditor aenatiM), Die
Gegenwart des Kaisers erhellt gleich aus dem Anfang: ai quia umquam fuit, imperator Au-
guate, qtU te praeaente dicturua iure trepidaverit. Die Rede fällt nach der Ermordung des
Maximus, welche am 27. August oder 28. Juli 388 stattfand; vgl. H. Richter, Das
weströmische Reich, Berl. 1865, p. 661. Da die Rede vor Theodosius in Rom gehalten wurde,
dieser aber im Juni 389 nach Rom kam, so muss die Rede in dieses Jahr gehören.
Sonderausg. von Scheffer, Upsala' 1668; Arntzen, Amsterdam 1753. Ueber
Gresamtausg. der Pane^riker, in der selbstverständlich auch unsere Rede ihren Platz ge-
funden, vgl. § 591. Wir citierten nach der Ausg. von Baehrens.
3. Q. Aurelius Symmachus.
816. Biographisches. Q. Aurelius Symmachus stammte aus vor-
nehmer, wenn auch nicht alter Familie. Sein Vater Lucius Aurelius Avi-
anius Symmachus war in hervorragenden, amtlichen Stellungen thätig,
selbst das Konsulat wurde ihm zu teil, und wir haben noch Fragmente
aus der Rede, in welcher der Sohn für diese Auszeichnung seinen Dank
ausspricht. Wegen seiner Verdienste wurde ihm eine Statue sowohl in
Rom als auch in Gonstantinopel gesetzt. Der Historiker Ammian rühmt
seine Gelehrsamkeit und seine massvolle Haltung. Er war aber auch ein
tüchtiger Redner und dilettierte selbst in der Poesie; wir haben einen
Brief von ihm an seinen Sohn, in dem er diesem fünf Epigramme auf
angesehene Zeitgenossen zur Beurteilung vorlegt; die Hebdomaden Varros
schwebten ihm als Muster vor. Es sind frostige Produkte, aus denen
kein Hauch dichterischen Geistes uns entgegenweht. Noch stärker griff
dessen etwa um 340 geborener Sohn Q. Aurelius Symmachus in das öffent-
liche Leben ein. Auch er, der von einem gallischen Rhetor in der Rhetorik
seine Ausbildung erhalten und als der gefeiertste Redner seiner Zeit galt,
brachte es zu den höchsten Ehrenstellen. Ueber seine amtliche Laufbahn
erhalten wir gesicherte Kunde durch eine Inschrift, die ihm sein Sohn
110 Q. AnreliuB Symniaoliiis. (§816.)
Q. Fabius Memmius Symmachus setzen Hess. Im Jahre 369 wurde er zur
Feier der Quinquennalien Valentinians nach Gallien abgeschickt; bei dieser
Gelegenheit hielt er zwei Panegyriken auf Yalentinian und Gratian. Er
wurde in die dritte Ordnung des Kronrats berufen und kam in enge Be-
ziehungen zu Ausonius; von dem Wechsel verkehr beider Männer legen die
erhaltenen Briefe des Symmachus an Ausonius und das Gedicht über die
Dreizahl, das Ausonius dem Symmachus widmete, Zeugnis ab. Auch der Feld-
zug gegen die Alamannen, den beide mitmachten, wird in ihren Schriften
berücksichtigt. Im Jahre 370 hielt Symmachus wiederum . einen Pane-
gyricus auf das dritte Konsulat Valentinians, von dem uns ebenfalls Reste
erhalten sind. Eine schwierige Mission wurde dem Redner im Jahre 373
zu teil; er wurde als Prokonsul nach Afrika geschickt, wo Firmus die
Fahne der Empörung erhoben hatte. In dem erfolgreichen Kampfe, den
Theodosius gegen den Empörer führte, hatte der Prokonsul wertvolle
Dienste geleistet. Im Jahre 375 verliess er die Provinz; in diese Zeit
wird seine Vermählung mit Rusticiana, der zweiten Tochter des Memmius
Vitrasius Orfitus, fallen. In das Leben des Symmachus spielen besonders
die kirchlichen Kämpfe hinein. Er war dem Christentum fremd gebUeben
und hatte an dem alten nationalen Glauben festgehalten. Nachdem die
heidnische Götterverehrung von Julian wiederhergestellt worden war, be-
hauptete sie ihren Platz neben der christlichen Religion und wurde auf
Staatskosten unterhalten; auch erblickte man in der Curie den Altar der
Victoria. Allein im Jahre 382 wurden von Gratian die heidnischen Kulte ver-
boten, die priesterlichen Einkünfte eingezogen und der Altar der Victoria
entfernt. Symmachus wurde mit einer Deputation an den Kaiser geschickt,
um die Aufhebung dieses Dekrets zu erwirken. Infolge christlicher Gegen-
vorstellungen blieb die Gesandtschaft ohne jeden Erfolg. Als 383 Gratian
einen gewaltsamen Tod gefunden, stieg wieder die Hoffnung der nationalen
Partei. Im Jahre 384 hielt sie den Zeitpunkt für günstig, die Aufhebung jenes
gegen den alten Glauben gerichteten Dekrets zu erwirken. Symmachus
richtete eine Vorstellung an den Kaiser Valentinianll.,*) die zu den schönsten
Denkmälern des Altertums gehört. Allein die Zeit des Heidentums war voiv
über; der grosse Ambrosius blieb in diesem Kampfe Sieger. Die letzten Stadien
des Streites fielen in die Stadtpräfektur des Symmachus, die er in den Jahren
384 und 385 leitete. Die nächsten Jahre brachten eine schwere Gefahr über
Symmachus. Er hatte eine Lobrede auf den Usurpator Maximus gehalten,
der in Italien eingefallen war und Valentinian zur Flucht genötigt hatte.
Allein als Theodosius den Rebellen niedergeworfen hatte, war die Lage f&r
Symmachus eine höchst gefahrliche. Nur mit Mühe wehrte er seinen Unter-
gang ab; durch einen Panegyricus auf Theodosius suchte er seinen Miss-
griflf in Vergessenheit zu bringen. Seine politische Laufbahn wurde in
der That nicht unterbrochen, denn er erlangte im Jahre 391 die höchste
Ehrenstelle, das Konsulat. Aus dieser letzten Lebenszeit stammt der
grösste Teil der uns erhaltenen Briefe; ihre Spuren erlöschen mit dem
Jahre 402. In diesem Jahre wurde Symmachus mit einer Mission nach
Mailand betraut, kehrte krank nach Rom zurück und wird in dieser Zeit
»} Vgl. Seeck, Ausg. p. XVII.
Q. AnrelinB Symmaohns. (§ 816.) Hl
gestorben sein. Von seinen Kindern hat der bereits erwähnte Sohn Q. Fabius
Memmius Symmachus, auf dessen Ausbildung der Vater die grösste Sorgfalt
verwendet hatte, es ebenfalls in der politischen Laufbahn weit gebracht.
Er trat das Prokonsulat im Jahre 415, die Stadtpräfektur im Jahre 418 an.
Er war vermählt mit einer Tochter des jüngeren Nicomachus, während
dieser selbst eine Tochter des Redners Symmachus zur Frau hatte.
Lnciüs Anrelins Avianius Symmachas, der Vater des Redners. Ueber
den Vater des Redners Symmachus, der die Briefe 1, 1 und 1, 8 — 12 an ihn richtet, belehrt,
soweit seine amtliche Laufbahn in Betracht kommt, die Inschrift CIL 6, 1698; Wilmanns,
Exempla inscriptionum lat 641 : Fhosphorii. — Lucio Aurelio Avianio Symmacho v, c,
praefecto urbi, constUif pro praefectis praetorio in urhe Borna finitimisque provinciis, prae-
feeto annomie urbis Ronune, pontifici maiori, quindecimviro sacris fcunundis, multis lega-
tionibus pro atnplissimi ordinis desideriis apud divos principes ftmcto, qui primus in
senatu senUntiam rogari solitus audorücUe pritdentia atque eloqueniia pro dignitate tanü
ordinis magnitudinem loci eius itnpleverit, auro inlustrem statuam, quam a dominia Ät*-
gustisque nostris sencUus amplisaimus decreiis frequentibus impetrahü, idem triumfatores
prmc^es nostri conißtitui adposita oratione iusserunt, quae meriUM'um eius ordinetn ac
seriem contineret. quorum perenne iudidum tanto muneri hoc quoque addidit, ut alteram
sicUuam pari splendore etiam apud Cot^tantinopolim conlocaret. — dedicata III kal. Maias
d, n. Chratiano IUI et Merobaude consulibus (a. 877). Amm. Marc. 21, 12, 24 ibi (in
NaiBSus) Symmachum repertum et Maximum senatores conspiciMS, a nobüüate legatos ad
Constantium missos, eocinde reversos honorifice vidit (Julianus a. 861). Praefectus urbi
wurde er im Jahre 364; vgl. Seeck, Die Reihe der Stadtpräfekten bei Amm. Marc. (Hermes
18 (1888) p. 802). Ueber seine Verwaltung der Stadtpräfektur vgl. Amm. Marc. 27, 8, 8
Symmachus Aproniano successit, inter praecipua nominandus exempla doctrinurum atque
modestiae; vgl. Symmach. epist. 2, 44; 2, 88. Ueber sein Konsulat, das in das Jahr 377
fiült, vgl. die Rede des Sohnes pro patre (p. 332 Seeck). Da sein Name in den Fasten nicht
vorkommt, vermutet Seeck (Ausg. p. XLIII), dass er als consul designatus gestorben sei.
Aus dem Brief 1, 101 des Jahres 380 geht hervor, dass damab der Vater tot war. Von dem
Vater existiert in der Briefsammlung des Sohnes ein Brief (1, 2), in dem der Vater dem
Sohne 5 Epigramme auf Zeitgenossen seinem Urteil unterstellt. Die Personen, denen die
Epigramme gelten, sind: Aradius Rufinus, Valerius Proculus, Anicius Julianus, Petronius
Probianus und Verinus. Als Muster schweben ihm Varros hebdomades vor; es heisst in
dem Brief: quia nihü est, quod agam, et si nihil ugam, subit me malorum meorum misera
recordatio, inveni, quod Ulis libellis, quos nuper dictaveram, possimus adicere. scis Teren-
tium, non comicum, sed Beatinum iUum Romanae eriAdüionis parentem, hebdomadon libros
epigrammatum adiectione condisse, illud nos, si fors tulerit, conamur imitari. Die Epi-
gramme, von denen jedes 6 Hexameter umfasst, sind sehr prosaisch gehalten. Solche
Epigramme scheinen bei den Römern sehr beliebt gewesen zu sein; vgl. eine Sammlung in
Auuol. lat. ed. Riese No. 881; Baehrens, Poet. lat. min. 5 p. 894. Auch als vorzüglichen
Redner stellt der Sohn den Vater dar; vgl. Symmach. epist. 1, 44 egit ille senatui gratias
ea facundiae gravitate qua notus est.
Der Redner Q. Aurelius Symmachus. Ueber die amtliche Laufbahn desselben
belehrt uns folgende Inischrift (CIL 6, 1699; Wilmanns, Exempla inscriptionum lat. 1235;
Dessau, Inscript. lat. selectae 1 No. 2946): Eusebii, Q. Aur. Symmacho v, c. quaest.,
praet., pontifici maiori, correctori Lucaniae et Brittiorum, comiti ordinis tertii, procons.
Africae, praef. urb., cos. ordinario, oratori disertissimo, Q, Fab. Memm. Symmadius t?. c.
patri optimo. Das Agnomen Eusebii ist sonst nicht bekannt. Bezüglich der Quästur und
Prfttur vgl. Seeck p. XLV: ,,quaestura et praetura tum non honores erant, sed munera
patrimonii, quae omnes senatores utrumqne, si locupletiores erant, sin pauperiores, prius
tantum, subire cogebantur.'' Ueber sein Pontifikat spricht Symmachus an verschiedenen
Stellen; vgL epist. 1, 47; 1, 49; 1, 51 und andere Stellen bei Seeck, Ausg. p.XLVI Anm. 137.
Corrector Lucaniae et Brittiorum war Symmachus im Jahre 365 ; vgl. cod. Theodos. 8, 5, 25.
Ueber die correctores vgl. J. Marquardt, Rom. Staatsverwaltung P (Leipz. 1881) p. 228
mid besonders p. 237 Anm. 8; A. v. Premerstein, Pauly-Wissowas Realencycl. 4 Sp. 1646.
Ueber comes tertii ordinis vgl. Seeck, Pauly-Wissowas Realencycl. 4 Sp. 685 : ,S3rmmachu8
wurde noch im J. 869 nur mit der comitiva ordinis tertii in den Eronrat aufgenommen, obgleich
er schon vorher die Correctura Lucaniae et Brittiorum bekleidet hatte." Das Prokonsulat
von Afrika trat er an im Jahre 873; vgl. Cod. Theodos. 12, 1, 78 und Seeck p. XL VII Anm. 148
erwähnt wird dasselbe epist. 8, 5; 10, 1. Praefectus urbi war er in den Jahren 384 und 385,
consul Ordinarius 891; vgl. epist. 2, 62; 2, 63; 2, 64; 5, 15. Ueber seine Ausbildung sagt er
epist. 9, 88, 8 praecepta rhetoricae pectori meo senex olim Garumnae eUumnus inmulsit.
112 Q. Anrelias Symmaohiis. (§817.)
Ueber die Beziehungen zu AasoniuB vgl. die Briefe 1, 18 — 48 and den gryphoa temarii
numeri, der dem Symmachus gewidmet ist (§ 788 p. 85). Ueber beider Teilnahme an dem
Feldzage gegen die Alamannen berichtet Aasonias in der Mosella, SymmachaB in der zweiten
Rede. Vermählt war Symmachas mit Rasticiana, einer Tochter des Memmins Vitrasias Orfitos,
der zweimal praefectas arbi 358 — 55, 357 — 59 war; vgl. rel. 84, 12 pro coniugia meae Rusti-
cianae c. f. parte qucieaüa sunt; epist. 9, 150 soceri mei Orfiti; vgl. Seeck p. XUX, der
die Vermählang ins Jahr 875 setzt. Landgüter besass er in grosser Anzahl; vgl. 2, 57; 6, 60;
6, 66; 6, 58; 7, 21; 1, 6; 2, 52; 6, 72; 4, 44; 7, 15; 9, 69; 6, 81; 1, 5 a. s. w.; vgl. Seeck,
Aasg. p. XLV. Seine Wohnang hatte er aaf dem mons CaeÜas; vgl. epist 7, 18 regressus
in larem Caelium; vgl. noch 7, 19. Klagen über seine Gesandheit epist 6, 10; 6, 7; 5, 67;
4, 54; 9, 127; 9, 128; 5, 96; 4, 18. Da die Briefe des Symmachas nicht über das Jahr 402
hinaasgehen, wird er bald nach diesem Jahre gestorben sein. Ende Febraar 402 kam er krank
von einer Mission nach Mailand in Rom an.
Der Sohn des Redners Q. Fabias Memmius Symmachus. Symmach. epist.
5, 68 Cid haec etiam Symmachum, cum sübcreverü, quamquam unicum cohortabor. Bezüg-
lich des unicum vgl. noch 6, 7. Ausser dem Sohne hatte der Redner noch eine filiere Tochter,
welche mit dem jüngeren Nicomachus vermählt wurde; vgl. § 806 p. 85. In seiner Kind-
heit (898) bekleidete er schon die Quästur; vgl. epist. 5, 22; über seine Ausbildung vgL 4, 20
(aus dem Jahre 895) dum filius meus Graecis lüteris initiatur, ego me denuo stuaiis eius
velut aequalis adiunxi; vgl. auch noch 5, 5 (aus dem Jahre 898); 6, 61 (ebenfalls aus dem
Jahre 898). 6, 84 (aus dem Jahre 401) ab inlustri viro praefecto Hadriano GaUum rhe-
torem, quem proxime ühMebius noater ingesserat, poatulemus, ne pignorum nostrarum in-
dolea in profectu posita deseratur. Wie sehr der Vater auf die rhetorische Ausbildung
bedacht war, zeigt 7, 9. Die Prätur bekleidete er im Jahre 401; vgl. Seeck p. LXXII und
epist. 7, 1. Wie es scheint, heiratete er in demselben Jahre die Tochter des Nicomachoa
Flavianus; vgl. Seeck p. LXXll. Das Prokonsulat von Afrika hatte er 415 inne; vgji.
Cod. Theodos. 11, 80, 65. Praef. urbi wurde er im Jahre 418, und aus dieser Amtsth&tig-
keit sind uns Berichte in der von 0. Günther, Wien 1895/98 edierten collectio Avellana
erhalten; vgl. W. -Meyer, Epistulae imperatorum rom. ex coUectione canonum Avellana
(Ind. lect Göttingen 1888/89, p. 6).
Litteratur. J. Gothofredus, Vita Symmachi, vor der Ausg. des Pareos, Neu-
stadt a. H. 1617; Suse, De vita S3rmmachi, Hamb. 1817; E. Morin, £tudes sur Symxnaqne
ou recherches biographiques et chronologiques sur la seconde moiti^ du quatri^me si^le,
Paris 1847; 0. Koren, Quaest. Symmachianae, Wien 1874; 0. Seeck, Ausg. p. XXXIX;
Glover, Life and letters in the fourth Century, Cambridge 1901, p. 148.
817. Die Beden des Symmachus. Den Ruhm des Symmachus be-
gründeten zunächst seine Reden, die er vor dem Kaiser oder im Senat
hielt, und gern wird, wenn Symmachus von den Alten citiert wird, dem-
selben ein seine grosse Redekunst charakterisierendes Epitheton beigefügt
Eine von ihm gehaltene Rede Hess Symmachus zuerst unter den Freunden
cirkulieren, um deren Urteil mit Spannung zu vernehmen. Waren so
mehrere Reden zusammengekommen, legte er dieselben in einem Corpus
einem grösseren Publikum vor, nicht jedoch ohne Verbesserungen und
Aenderungen vorgenommen zu haben. Wir haben die Ueberreste von
einem solchen Corpus in einem Palimpsest des Klosters Bobbio, den A. Hai
entdeckte; dadurch sind uns die Fragmente von acht Reden erhalten, drei
davon sind Panegyriken auf das Herrschergeschlecht, zwei auf Valenti-
nian I., eine auf Gratian. Die Reden auf Valentinian sind im Jahre 369
und 370 gehalten und zwar die erste auf Valentinians Quinquennalien, die
zweite auf dessen drittes Konsulat; die Rede auf Gratian wurde bei Ge-
legenheit des ersten Panegyricus auf Valentinian gesprochen. Die vierte
Rede, die ins Jahr 376 fallt, ist eine Danksagung für die Wahl seines
Vaters zum Konsul; die fünfte Rede pro Trygetio aus dem Jahre 376,
die sechste aus der Zeit 376—378 und die siebente (vor 388) sind Em-
pfehlungsreden im Senat, die achte enthält kein Zeitindicium. Die Reden
sind im panegyrischen Stil, der damals üblich war, geschrieben. Dass auf
Q. Anreliiis Symmaohns. (§817.) 113
I Ausarbeitung dieser Produkte die grösste Sorgfalt verwendet wurde,
klar; die Sucht nach pikanten Wendungen hat den Redner mitunter
3h auf Abwege gebracht.
Zeugnisse über den Redner Symmachus. CIL 6, 1699 heisst Symmachiis
tor discrtissimus. Olympiodor bei Photiiis c. 80 nennt ihn 6 Xoyoyqäfpog, Socraies, Hist.
1. 5, 14 i^avfjux^sjo di inl naidevaet Xoyuty *PmAMxtiy * xal ydg avtt^ noXXoi Xoyoi
y^yQafAfiiyoi t^ 'Patfiaitay yhoavjn xvyxävovaiv, Pnident. contra Symmach. 2 praef. 56
> nunc nemo disertior eocuUat, fremü, intoncU ventiaque eloquii turnet; 644 praenobilis
Senator orandi arte potens; andere Stellen bei Seeck, Aosg. p. Y Anm. 4. Ueber
16 Empfehlung des Augustin f&r einen rhetorischen Lehrstuhl in Mailand vgl. Augustin.
fess. 5, 23.
Zeugnisse ttber die Reden. Or. 2, 2 (in Valentinianum) fuit evidens causa,
\ fasces sumere tertio cogereris; vgl. Seeck p. XLVII. üeber die Panegyriken auf die
ser vgl. Seeck 1. c. (fc. 4, 1 {pro patre) desinet profecto mirari, non unum pro
9ulatu gratias agere, quem tarn miUtos videat dettUisse; vgl. Seeck p. XUII. Or. 5, 4
9 Trygetio) sed iam satis mtdta de nobis! demus cdiquid operae, aliquid temporis etiam
fgetio clarissimo et emendato viro, qui vos oraios per me adque exoratos cupit, ut eius
«m functioni praetoriae destincUum dedmus annus <iccipiat, Epist. 1, 44 cum familiaris
\ Trygeti filio praetorio candidato operam spopondissem; vgl. 1, 105; 3, 7; 5, 43; 1, 52;
)6; 1, 78. Or. 6, 2 {pro Flavio Severe) quania verecundia factum putatis, ut tarn sero
fretur! olim pervectus in fastigia summa rei publicae adhuc dubitat, an senatorem
Sit implere, Or. 7, 3 {pro Synesio) non ideo Synesius in senatum legendus est, quia
if amicitia iungitur, sed ideo amicus est mihi, quia dignus est, qui legatur!
Chronologie der Reden. Seeck, Ausg. p. X ,ex orationibus, quae supersunt,
na et tertia recitatae sunt a. 369, secunda a. 370, quarta et quinta a. 376, sexta inter
108 376 et 378, septima ante a. 388, octava nuUum temporis indicium praefert''.
Verlorene Reden. Epist. 4, 64 nee tantum epistulas meas poscis, sed oratiun-
18 quoque nostras nondum tibi editas deferri in manus tuas praecipis. quae res videtur
*ndere, quid iudicii Jtabeas de iis, quas ante sumpsisti .... misi igitur ex recentioribus
tiunciUis meis q;uinque numero, quarum mihi iam fiduciam fecit publicus favor. Alle
»e 5 Reden sind weder der Zeit noch dem Inhalt nach bestimmbar. Auch der Panegyri-
, auf den Cassiodor, Var. leci XI 1 fin. (p. 340 Seeck) zu deuten scheint, kann nicht
rakterisiert werden. Dagegen kann Genaueres über folgende Reden gesagt werden:
Panegyricus in Maximum tyrannum. Socrates bist. eccl. 5, 14 ßaaiXixov ody Xoyoy
Mti^tfioy in neQioyra yeyQUfftag xai öie^eXt^cay xta xrjq xaSoaitiaetog iyxXfjfjLaxt lyoxog
BQov iye'ysxo; vgl. auch Suidas s. v. xa&oaiojaig; Seeck p. LVII. 2. Panegyricus ad
eodosium, gehalten gegen Ende 388. Socrates 1. c. avyyyaififjs ovy a^Ko^eig o Zvfifiaxog
aTioXoyrjxixoy Xoyoy eig xoy avxoxQccxoQa Seodoaioy iyQatpey. Epist. 2, 31 quod in pane-
ici defensione non tacui; vgl. auch epist. 2, 13 cum civües et bellicas laudes domini nostri
'odosii stili Jionore percurrerem ; vgl. 8, 69. 3. Gratiarum actio pro consulatu (391).
I dieser Rede scheint Arusianus Messius Fragmente erhalten zu haben; vgl. Seeck,
ig, p. VI. 4. De censura non restituenda; vgl. epist. 4, 29. 5. Contra Polybii
um praetorium candidatum. Beide Reden (No. 4 und 5), die Ende 397 oder Anfang
fallen, gehören zusammen. Epist. 4, 45 misi igitur ad eruditionem tuam duas oratiun-
is nostras, quarum una ad Polybii filium pertinens ex recenti negotio nata est, altera
lum, cum res in senatu agitaretur, a me parata nunc opere largiore aucta processit,
z argumentum est repudiata censura, quam tunc totius senatus fugaint auctoritas.
duas igitur oratitmctdas nuper editas a nobis misi. earum una ad urbanos fasces
dtantem tenuit candidatum, alteri argumentum dedit iam pridem decreto senatus im-
bata censura; vgl. 7, 58.
Ueberlieferung der Reden. Die Ueberreste der Reden verdanken wir dem
. rescriptus Bobiensis s. VI, der uns auch Cic. de rep. (§ 158) und Fronto (§ 550) ge-
idet hat. Für Symmachus kommen 27 Blätter in Betracht; dieselben befinden sich teils
ilailand (Ambros. E 147 inf.), teils in Rom (Yaticanus 5750); vgl. auch Naber, Mnemo-
ß 26 (1898) p. 281.
Ausg. Q. Aurelii Symmachi v. c. octo orationum ineditarum partes ed. A. Mai,
Land 1815 (Frankfurt a/M. 1816); durch die vatikanischen Fragmente vermehrt in
ptorum veterum nova collectio, Rom 1825, 1831 und in der Ausg. Cicero de rep.,
1 1846; Q. Aurelii Symmachi VllI orationum fragmenta Frontoms reliquiis adiecta
B. G. Niebuhr, Berl. 1816; Ausg. des panegyricus secundus im Valentinianum von
$ck, Comment. in honorem Tb. Mommseni, Berl. 1877, p. 595. Gesammelt sind die
^ente auch bei H. Meyer, Orat. rom. fragm., Zürich' 1842, p. 627 und in Seecks
g. p. 318.
SAndbuch der kUi«. Aliertomswlaasenschaft. Vin. 4. 8
114 Q. Aareliaa Symmachns. (§818.)
818. Die Briefsammlung des Symmachns. Nächst der Rede war es
der Brief, in dem man sein stilistisches Können zu zeigen vermochte. Auch
dieser Gattung der Rede wandte Symmachus seine ganze Sorgfalt zu. Man
wusste, dass der Brief auch in andere Hände als die des Adressaten ge-
langen konnte; man musste ihn daher so abfassen, als ob er für die
Oeffentlichkeit bestimmt sei. Die Briefe, die Symmachus schrieb, waren
ein begehrenswerter Artikel: die Freunde hoben sie sorgfältig auf, man
stellte sogar dem Briefträger nach, um in den Besitz eines Briefes von
Symmachus zu gelangen. Bei dieser ausserordentlichen Nachfrage lag die
Gefahr der Fälschung sehr nahe, so dass sich Symmachus sogar einmal
genötigt sah, gegen den Unfug einzuschreiten. Ein Brief war daher für
Symmachus immer ein Gegenstand, der die grösste Sorgfalt erforderte.
Er pflegte ihn einem Schreiber zu diktieren und nur, wenn es notwendig
erschien, einen Zusatz mit eigner Hand hinzuzufügen. Es ist nahezu
selbstverständlich, dass die Konzepte der Briefe in der Regel aufbewahrt
wurden; so kam im Laufe der Jahre eine grosse Anzahl^) der Briefe zu-
sammen, so dass an deren Herausgabe gedacht werden konnte. Uns hegt
ein solches Corpus in zehn Büchern vor; vom zehnten Buch sind uns
aber nur zwei Briefe erhalten, der eine an Theodosius Senior, der andere
an Gratian. Wahrscheinlich gehörten aber noch dazu die uns gesondert
überlieferten, amtlichen Berichte, die sog. Relationes. Als Herausgeber
nennt sich in Subskriptionen der Sohn des Redners Q. Fabius Memmius
Symmachus. Die Subskriptionen enthalten auch eine allgemeine Angabe
über die Zeit der Herausgabe, sie erfolgte nach dem Tode des Autors; wir
können aus Indizien hinzufügen: zwischen 403 und 408. Für die Bildung
des Corpus scheint das des jüngeren Plinius massgebend gewesen zu sein;
wie bei ihm wurde die amtliche Korrespondenz der übrigen gegenüber-
gestellt und zu einem Buch vereinigt. Betrachtet man die neun Bücher
der Privatkorrospondenz, so gewahrt man Verschiedenheiten in der Thätig-
keit des Herausgebers bei den sieben ersten Büchern und den zwei letzten;
dort finden wir die Briefe nach den Adressaten zu Gruppen zusammen-
geschlossen ohne Rücksicht auf die Zeitfolge, hier fehlen diese Gruppen,
dafür erscheinen Briefe ohne Adresse, die Chronologie tritt uns stärker
entgegen, mit einem Worte, der erste Teil ist planmässiger und sorg-
fältiger angelegt als der zweite. Bezeichnend für den Charakter des zweiten
Teils ist, dass zwei Entwürfe für eine Einladung zu den Feierlichkeiten,
die bei dem Antritt der Prätur des Sohnes stattfinden sollten, neben einander
gestellt sind. Es ist keine unwahrscheinliche Annahme, dass der erste
Teil der Sammlung noch vom Vater entworfen war, welchem der Sohn noch
eine Reihe von Briefen hinzufügte, die entweder der Vater ausgeschieden
oder übersehen hatte.
Zur äasseren Herstellung der Briefe. Ueber das Briefmaterial vgl. 8, 12, 2
ipsa etiam verba melius ex oris fontibus fluunt quam mandantur textis papyri. 4, 28, 4
Aegyptus papyri volumina bybliothecis foroque texuerit. sufficiat aliquando cdebrcmdae
amicitiae. Dass eine pagina gewöhnlich him-eichte, geht hervor aus 8, 23, 1 qua€ igitur
V7i6&eatg erit paginae Imigioris? 3, 75 nolo enim te a conloquiis tuorum pagina longioff
producere. Dass die Briefe diktiert wurden, ergibt sich daraus, dass 2, 31 ein Zusatz vob
*) Ausser den 49 Relationes circa 900 Stück.
(). Anrelina Symmaohiuu (§819.) 115
der eigenen Hand des Symmachofi ansdrficklich vermerkt wird mit den Worten: Symmachus
hoc manu sua stibter cidiecit; vgl. auch noch 6, 58, 2 tinica mihi catisa dictandae episttdae
fmt ut, 6, 4 anonus igitur vulnere animi et corporis morbo tisque ad sübscribendi poesibili-
taUm litteras differre tion potui, sed dictatione properata magis soUicüudini meae quam
eoH9%utudini aatisfeci. üeber Sammlungen von Briefen des Symmachos vgl. 2, 48, 1 qiuie,
ut canfido, iam iradita sunt; nisi forte denuo aliquis ex urbanis divitibus insessor viarum
scripta nostra furaverit. 2, 12, 1 spatiari in foro urbis nostrae post acceptas a me litteras
pierosque cognavi, et sie nimis vereor, ne quid in nos fraudis admiserit simulata ante
properatio, merito apographa epistvlarum mearum simulque Twminum nomina vel legenda
tibi vel relegenda subieci. tu vicissim de singulis mihi aut inpleti officii fidem nuntia aut
vidati prode perfidiam etc. 5, 85, 1 (an Helpidios) quod epistulas meas condis, nmoris
est tui, qui describenda nesdt eligere .... eadem mei quoque librarii servare dicayitur.
5, 86 (an denselben) nee vereor, ne temere a me effusa verba in paginas librarii tui referas.
4, 34, 8 (an Protadins) mandari periturae chartae epistulas quereris. 2, 85 ego quoque in
seribendo formam vetustatis amplector nimisque miror, quod mihi librarii error obrepserit,
qui solitus epistulis meis nomina sola praeponere, fMum simplicem novella adiectione mutavit.
Der Heransgeber und die Zeit der Herausgabe der Briefe. In der Sub-
aeriptio zu Buch 2 lesen wir: Q. Aurelii Symmachi v. c. consülis ordinarii epistolarum
W), II explieit editus post eius obitum a Q. Fabio Memmio Symmacho v. c. füio incipit
Hb, III; vgl. auch die Aufschrift zu Buch 5 (p. 124 S.) und Buch 10 (p. 276). — Bezüglich
der Zeit der Herausgabe sagt See ck (p. XXIU): «tempus editionis ea re definitur, quod epi-
stnlae ad Attalum (YU 15 — 25) in collectionem receptae sunt, quae postquam Alaricho
anctore a. 409 purpuram sumpsit, aut omitti debuerunt aut certe inscriptionibus privari, ut
md Maximum et Eugenium satelütesque eorum scriptae aut desiderantur aut inter anonymes
librorum octavi et noni latent .... cum igitur Q. Aurelius Symmachus a. 402 mortuus sit,
epistnlarum corpus inter annos 408 et 408 prodüsse debet.* — Ueber die Differenzen, die
in dem Corpus der Bücher 1 bis 7 und den Bachern 8 und 9 andererseits auffallen (Buch 10,
das nur zwei Briefe umfasst, scheidet aus), stellt H. Peter (Der Brief in der röm. Litt.,
Abh. der sächs. Ges. der Wissensch. Bd. 20 No. III (1901) p. 144) folgende Hypothese auf:
ȧr (der Sohn) fand eine geordnete Sammlung in dem Nachlasse des Vaters vor, konnte
sich aber nicht entschliessen, die von ihm ausgeschiedenen Briefe beiseite zu werfen oder
sie wenigstens einer Auswahl zu unterziehen; obwohl sie nach Inhalt und Form sich als
Mindergut (?) veiraten mussten, hat er sie nach den ererbten Eonzeptrollen noch abschreiben
lassen und als Buch VIII und IX mit den übrigen zusammen herausgegeben. '^ Nach Seeck,
Ausg. p. XXIII ist der Unterschied bloss darauf zurückzuführen, dass die Briefe der ersten
7 Bttcher von den Empf&ngem gesammelt, die des 8. und 9. Buchs aus den zurückbehaltenen
Konzepten herausgegeben sind.
Das zehnte Buch. Die Ueberschrift lautet: Continens epistulas familiäres ad
imperatores, sententias senatorias et opuscula,
Briefgruppen. In den sieben ersten Büchern sind die Briefe, die an dieselbe
Persönlichkeit gerichtet sind, zu Gruppen zusammengefasst, z. B. 1) 1, 1—12 (mit Aus-
schluss von 1, 2)f Briefe an seinen Vater. 2) 1, 13 — 43 (1, 32 Ausonius an Symmachus),
Briefe an Ausonius. 8) 1, 44—55, Briefe an Praetextatus. 4) 1, 56—61, Briefe an Probus.
5) 1, 62—74, Briefe an Celsinus Titianus frater. 6) 1, 75—88, Briefe an Hesperius. 7) 1,
89 — 93, Briefe an Antonius. 8) 1, 94—107, Briefe an Syagrius. 9) zweites Buch; sämt-
liche Briefe an Flavianus frater. 10) 8, 1—9, Briefe an Julianus. 11) 8, 10—16, Briefe an
Naucellius u. s. w. Auch handschriftlich werden Gruppen unterschieden; vgl. Seeck p. XXV.
Die Adressaten. Vgl. Seeck, Chronologia et prosopographia Symmachiana
p. LXXni; 0. C lasen. Zur Prosopographie der Briefe des Symmachus (Heidelberger Jahrb.
1872 p. 461); R. P ei per. Zur handschnftlichen Ueberlieferung des Ausonius (Briefwechsel
des Ausonius mit Symmachus, Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 11 (1880) p. 320).
Ueberlieferung der Briefe. Der hervorragendste Zeuge ist der Parisinus 8628
8. IX; vgl. 0. Clason, De Symmachi epistularum codice Parisino, Bonn 1867; Seeck,
Ansg. p. XX VH; ebenda p. XXVIU: «praeter Parisinum nuUus codex manuscriptus ad nos
pervenit, qui inscriptiones integras conservaverit; reliqui enim neque libros diviaunt et epi-
stulis nomina nisi rarissime non praeponunt." Von diesen Handschriften ist der beste Ver-
treter der Vaticanus-Palatinus 1576 s. XI. Ausserdem gibt es zahlreiche Florilegien aus
den Briefen des Symmachus; vgl. Seeck p. XXVUI. Ueber ein Florilegium im cod. Ber-
tinianus zu St Omer 686 s. XH vgl. R. Förster, Rhein. Mus. 30 (1875) p. 466.
819. Die Belationes. Unter den Briefen des Symmachus nehmen
die Relationes die wichtigste Stelle ein; es sind die Briefe, welche Sym-
machus in den Jahren 384/85 als praefectus urbi an die Kaiser richtete.
Im Ganzen sind es 49 Stücke. Sie gewähren uns einen Blick in die Amts-
o*
116 Q. Anrelina Symmaphna. (§819.)
thätigkeit des Stadtpräfekten; die Rechtsfälle nehmen den breitesten Raum
ein/ doch treten uns auch andere, mitunter sehr interessante Verwaltungs-
angelegenheiten entgegen. Das dritte Stück der Sammlung hat welt-
historisches Interesse, da es in den grossen Kampf zwischen Heidentum
und Christentum eingreift; es ist die berühmte Schutzrede für den Altar
der Victoria in der Kurie und die Restituierung der eingezogenen priester-
lichen Einkünfte, ein Brief, in dem das heidnische Rom in würdiger Weise
zum letzten Male seine Stimme erhebt.^) Nochmals leuchtet die Erinnerung
an die grosse Vergangenheit des römischen Volkes auf; aber aus der ge-
dämpften Stimme glauben wir zu vernehmen, dass auch der Briefschreiber
dieselbe für unwiederbringlich verloren hält. Noch heute ergreift die An-
sprache, die er Rom in den Mund legt, unser Gemüt wunderbar. Noch
mehr Eindruck machte sie auf die Zeitgenossen. Die Christen fürchteten
einen Umschwung, so dass es Ambrosius für nötig hielt, auf den Kampf-
platz zu treten; zwar ging die unmittelbare Gefahr vorüber, allein diese
offizielle Verteidigung des Heidentums konnte doch nicht unerwidert blei-
ben, und Ambrosius Hess eine Gegenschrift gegen die Relation erscheinen.
So kam dieses wichtige Aktenstück zur Kenntnis der gesamten, damals
lebenden, gebildeten Welt; die übrigen Relationes dagegen traten erst an
das Licht der Oeffentlichkeit, als der Sohn ') des Symmachus die Briefe des
Vaters in einer Sammlung vereinigte. Er stellte die Relationes an den Schluss.
Von dieser Einreihung in die grosse Briefsammlung ist noch eine schwache
Spur in der Ueberlieferung erhalten ;3) abgesehen davon führen diese Briefe
unter dem Titel Q. Aurelii Symmachi v. c. relationes eine handschrift-
liche Sonderexistenz; allein schon ein Herausgeber, Juretus, hatte erkannt,
dass diese Sonderüberlieferung keine Berechtigung habe, und daher unsere
Briefe in das zehnte Buch der Briefsammlung gestellt.
Zeugnisse über die dritte Relatio. Pnidentius c. Symmach. 1, 648 inlaesua ma-
neat über exceUensque vnlumen obtineat pariam dicendi fulmine famam, Ambrosius adr.
Symmachum 2 (epist. 18, 2; 16 Sp. 972 Migne) aurea . , . . est lingua sapientium lüteratorum,
quae phaleratis dotata sermonibus, et quodam splendentis eloquii velut coloris pretmi
corusco resultans, capit animorum oculos specie formosi, visuque perstringit.
Die Ueberlieferung der Relationes basiert auf drei Zeugen, dem cod. Tegern-
seensis-Monacensis 18787 s. XI, dem Mettensis 500 s. XI und der editio princeps des S. Ge-
lenius, Basel 1549, d. h. der dieser Ausg. zu Grunde liegenden Handschrift; vgl. L. HaTet,
Revue critique 1873, 2 p. 252. Dazu kommt noch die Ueberlieferung der dritten Relatio
durch die Codices des Ambrosius; vgl. Seeck, Ausg. p. XIX. Im Tegemseensis und im
Mettensis lautet die Subscriptio im wesentlichen übereinstimmend so: Quinti Aur. {Ah-
relii: M) Symmachi relationes explicitae sunt feliciter,
Spezialausg. von W. Meyer, Leipz. 1872. — Vgl. Waltzing, üne lettre de
Symmaque concemant les Corporati Orbis Romae (Revue de Tinstruction publique en Belgiqae
35 (1892) p. 217). Zur Geschichte der Relationes vgl. Seeck, Ausg. p. XVI.
^) Ueber den Gang der Ereignisse vgl. ad imperatores miserat, monobiblo compo-
Brockhaus, Pnidentius, Leipz. 1872, p. 46; suisse videtur.* Ich bezweifle die Richtig-
Seeck, Ausg. p. LIII; LVIII; G. Boissier, , keit dieser Anschauung.
La fin du paganisme 2 (Paris 1891) p. 317; ' ^) Seeck, Ausg. p. XVII: »in florilegio
A. Ebert, Allgem. Gesch. der Litt, des Mittel- epistularum, quod e codice non integro qoi-
alters 1* (Leipz. 1889) p. 169; H. Richter, , dem sed pleniore quam onmes, qui in 8»e-
Das weström. Reich, Berl. 1865, p. 551. ' culum sextum decimum duraveront, excerp-
^) Seeck nimmt auch eine Ausg. der tum est, relatio undecima reperitor, quae si
Relationes durch Symmachus an; vgl. p. XVI in illo codice fuerat, de ceteris relationibos
flpraefectura urbis deposita Symmachus ipse ! idem praesumendum est*,
relationes omnes, quas magistratus tempore j
Q. Anrelias Symmaohns. (§820.) 117
820. Charakteristik. Es war eine Zeit grosser Kämpfe, in der Sym-
machus seine Briefe schrieb. Das Heidentum raffte nochmals seine letzte
Kraft zusammen, um den Siegeslauf des Christentums zu hemmen. Man
griff zu den alten Autoren und verbreitete sie in gereinigten Abschriften,
man sonnte sich in der grossen Vergangenheit Roms und klammerte
sich krampfhaft an den Kultus an, unter dem das Vaterland gross ge-
worden war. Auch an politischen Kämpfen war die Zeit reich. Wir
sehen Usurpatoren auf dem Kampfplatz erscheinen, und mehr als einmal
krachte das Reich in allen Fugen. Als Anhänger des nationalen Glaubens
und als ein Beamter in hohen Stellungen war Symmachus in diese Zeit-
kämpfe verflochten. Was hätte der Mann uns nicht alles sagen können,
wenn er in den Briefen sein Herz ausgeschüttet hätte ! Allein so gut wie
niemals fühlen wir den Pulsschlag jener bewegten Zeit in seinen Briefen,
die Ausnahme bildet die berühmte Relatio für den Altar der Victoria, aus
der die Sprache des Herzens in wirklich grossartiger Weise herausklingt.
Wir wären dem Schriftsteller auch dankbar, wenn er uns in das Leben
der römischen Gesellschaft eingeführt hätte; allein auch hier finden wir
uns in den Erwartungen getäuscht. Abgesehen von den Briefen an die
Kaiser, die natürlich amtliche Dinge berühren müssen, bieten die übrigen
Briefe, wie der Briefschreiber richtig sagt, Worte ohne Inhalt; ihr einziges
Ziel ist der zierliche Ausdruck und der feine Ton, welcher sich nach dem
Adressaten genau abstuft. Dem Empfänger soll irgend etwas in verbind-
licher und eleganter Form gesagt werden. Die Klage über die Seltenheit
der sehnsüchtig erwarteten Briefe, über ihre Kürze gibt reichlich Anlass,
sein stilistisches Können in der Varietät des Ausdrucks zu zeigen. Nicht
minder ist der Empfehlungsbrief geeignet, in feiner und urbaner Diktion zu
glänzen. Gegenseitige Komplimente der Briefschreiber über den schönen
Stil sind ein notwendiges Beiwerk dieser Briefgattung. Endlich die Dank-,
Glückwunsch- und Trostschreiben haben ihren bestimmten Vorrat von Worten
und Phrasen. Die grosse Sorgfalt, die auf den Ausdruck des Briefes ver-
wandt werden musste, machte es fast zur Notwendigkeit, dass der Brief
kurz gefasst und mehr unserem Billet ähnlich gemacht wurde. Rhetorische
Abhandhingen in Briefform, Chrien bleiben uns erspart, wir erhalten nur
kurze Stücke, die gern mit einem allgemeinen Satz eröffnet werden. Selbst
wenn Symmachus Gelegenheit hätte, eine längere Erzählung auszuspinnen,
geht er dem aus dem Wege und begnügt sich mit kurzen Andeutungen.
Sogar der Wort- und Phrasenschatz zeigt sich bei genauerer Prüfung als
eng begrenzt; er ringt nach der klassischen Form, nimmt aber manchen
archaistischen Aufputz hinzu und schöpft auch aus der Sprache des da-
maligen Lebens.
Es ist eine kleine Welt, die aus diesen Blättern herausragt, auch
die Persönlichkeit des Briefschreibers ist zwar eine gutmütige, für die
Pflege der freundschaftlichen Beziehungen ängstlich besorgte, ehrliche,
vornehme und gegen anders Meinende tolerante,^) aber doch eine klein-
^) Epist. 1, 64 commendari a me episco' \ tuo fratrem meum Seveintm episcopum om-
pum forte mireris^ causa istud mihi non nium sectarum adtestatione laudabilem,
secta persuasit. 7, 51 trado aancto pectori
118 Q. AnreliM Symmaohna. (§820.)
liehe, schwächliche und kurzsichtige. Dass das Heidentum reif für den
Untergang war, zeigt diese an Gedanken so arme, nur im Phrasengeklingel
sich ergehende Briefsammlung, der eine christliche Litteratur gegenQber-
trat, reich an gährenden Ideen.
Zur Charakteristik der Briefe. Epist. 3, 10 quid agat, quo se vertat, vin m-
moretur cassa rebus oratio? 1, 15 deerant digna memoratu et in defeetu rerum nihü
operae est indulgere verbis, 2, 35, 2 cum alia stilo materia suppetat. at olim parentes
etiam patriae negotia, quae nunc angusta vel nuUa sunt, in familiäres paginaa eonferdtant.
6, 37 de publicis scribenda non suppetunt absque eo, quod in Traiani pkUea ruina uniwi
instdae pressit Jiabüantes, 2, 69 ut süere non possum, quotiens stüum invüat oecam,
ita si desit causa longioris adloquii, seriem pagina^ stringo compendio. 2, 35, 2 quousque
enim dandae ac reddendae salutationis verba blaterabimus, cum alia stUo materia non
suppetat? .... captanda sunt nobis plerumque intemptata scribendi semina^ quae fasti-
dium tergeant generalium litterarum,
Ueber den Stil. Epiat. 3, 1 1 sumpsi parüer geminas lüteras tuas Nestorea^ ut ita
dixerim, manu scriptas, quarum sequi gravitatem Idboro. irahit enim nos U8us temporis in
plausibilis sermonis argutias. quare aequiAS admitte linguam saeculi nostri et deesse hdc
epistulae Atticam sanitatem boni consule .... quodsi novitatis imptstiens es, eume de foro
arbitros, mihi an tibi stili venia poscenda sit. crede, calctUos plures merehor, non ex aequo
ac bona, sed quia plures vitiis communibus favent, itaque, ut ipse non numquam praedicas,
spectator tibi veteris monetae solus supersum; ceteros delinimenta aurium capiunt, stet
igitur inter nos ista pactio, ut me quidem iuvet vetustatis exemplar de cnUographo tw
sumere, te autem non paeniteat scriptorum meorum ferre novitatem. 3, 44 ä^x^^f*^"
scribendi non invitus adfecto. Seinem Sohn gibt er als Lehren: efUsL 7, 9 vdo, ui tu
aliis materiis aculeis orationis utaris, kuic autem generi scriptionis maturum aUquid ä
comicum misceas .... nam ut in vestitu Jwminum ceteroque vitae cuUu loco ac tempori
apta sumuntur, ita ingeniorum varietas in familiaribus scriptis neglegentiam quandam
debet imitari, in forensibus vero quatere arma facundiae. YgL E. Th. Schalze, De Q.
Aurelii Symmachi yocabulorum formationibus ad sermonem vulgarem _pertinentibii8, Halle
1884; E. Norden, Die antike Eonstprosa 1 (Leipz. 1898) p. 648; H. Peter, Der Brief in
der röm. Litt. (Abh. der sfichs. Ges. der Wissensch. Bd. 20, No. III (Leipz. 1901) p. 141);
vgl. auch C. G. Heyne, Gensura ingenii et morum Symmachi (Opusc. 6 (1812) p. 6i:
0. Koren, Quaest. Symmachianae, Wien 1874, p. 39; J. Burckhardt, Die Zeit Constan-
tins des Grossen, Leipz.' 1880, p. 437; G. Boissier, Journal des Savants 1888 p. 602;
G. B. De Rossi, Ann. dell' inst. arch. 21 (1849) p. 283; Melicus, De Q. Aurelio Sym-
mache postremo apud Romanos veteris humanitatis magistro ac defensore liber, Sassari 1898.
Urteile über den Stil. Macrob. Sat. 5, 1, 7 pingue et floridum (genus dicendi)
in quo Plinius Secundus quondam et nunc nullo veterum minor noster Symmackus luxuri-
atur. Prudentius c. Symmach. 1, 632 o lingiMtm miro verborum fönte fluentem, ApoUin.
Sid. epist. 1, 1 (p. 1 Mohr) Quinti Symmachi rotunditatem,
Ueber den rhythmischen Satzschluss, der auf Quantität basiert, vgL L. Haret,
La prose m^trique de Symmaque et les Origines mötriques du Cursus (94^ Fasciciile de la
Biblioth^que de rj^cole des Hautes J^tudes, Paris 1892); W. Meyer, Gott geL Ans. 1893 p. 1.
Ueber die Vorbilder vgl. W. Kroll, De Q. Aurelii Synmiachi stadüa graeds et
latinis (Breslauer philol. Abh. 6. Bd., 2. Heft (1891) p. 1). Das Resultat seiner üntereachongen
fasst er zusammen p. 98: «Graecos scriptores si ullos perpaucos novit, e Latinis imprimia eos
qui in scholis tractabantur: Terentium Vergilium Sallustium Ciceronem, minus Horatium et
Lucanum. Historiae notitiam plerumque e Valerie Maxime, rarius e Cicerone LivioPlinio nuüore
hausit. Ex ceteris poetis attigit Ovidium Silium Juvenalem, e prosaicis Pliniimi minorem,
Tacitum Frontonem atque ut videtur Gellium. Reliquorum imitatio minus certa est* -
P. Tschern ajew, Apul^e, Ausone et Symmaque comme imitateurs de Törence, Kasan 1900.
Symmachus und Livius. Epist. 9, 13 munus totius Liviani operis, quod spo-
pondi, etiam nunc diligefitia emendationis inoratur. Damit steht im länklang'die aUen
10 Bflchem der ersten Dekade beigegebene Subscriptio: Victorianus v, c. emefuUtbctm dowinis
Symmachis; vgl. § 823.
Ausg. A eitere Ausg. der Briefe und Relationes sind die von J. Schott, Sinasb.
1510, von S. Gelenius (libri II), Basel 1549, von J. Juretus, Paris 1580; 1604, von
J. Lectius, Genf 1587; 1598; 1601, von C. Scioppius, Mainz 1608, v. Ph. Parena,
Neustadt a/H. 1617 (Frankfurt 1742), von G. Wingendorp, Leiden 1653, von Migne 18
p. 145. Massgebend ist Q. Aurelii Symmachi quae supersunt ed. 0. Seeck (Monumenta
Germaniae historica tom. 6, pars 1, Berl. 1883); vgl. dazu G. Boissier, Journal des Savants
1888 p. 402. — F. C. Hermann in der Festschr. der königstädt Realsch , Berl. 1882, p. 293.
Julius Firmioiia Maternns. (§821.) 119
Andere l^edner, von denen rednerische Produkte veröffentlicht wurden, sind:
1. ClaudiUB Antonius, praefectus praet. 376 und cos. 882. Symmach. epist. 1, 89
nOH ineognüo quidem nobia eloquii splendore nituisti, sed magnis rebus adcommodam et
maiestatis seripiia aptatam gloriam, gnam tnagisterio ante quaesisti, recens auxU oratio,
nam praeter hquetuli phalercu, quibus te natura ditavU, senile quiddam planeque conveniens
auribus patrum gravitate sensuum verborum proprietate sonuisti. denique etiam hi, quorum
Minerva raneidior est, non negant, facundiam tuam euriae magis quam caveae eonvenire.
Aue den letzten Worten schliesst Seeck (p. CIX): ,tragoedias eum scripeisse, Synimachus
iodicare yidetnr". An ihn gerichtet sind oie Briefe I, 89 — 93.
2. Proculus Gregorius, quaestor sacri palatii 379 und praefectus praet. von Gallien
383. Symmach. epist. 3, 18, 2 et certe interfuit sollicitudinis tuae exerere aliquid verborum
famüiarium, cum mihi de seriniis tuis profecta delegaretur oratio. An ihn gerichtet sind
die Briefe 3, 17—22. Vgl. Seeck p. CXXVI.
8. Ein Anonymus, der zugleich Redner und Geschichtschreiber ist. Symmach. epist.
9, 1 10, 2 pari nitore at^ue gravitate senatorias actiones et Romanae rei monumenta limasti.
Von kulturhistorischem Interesse ist es, dass Griechen sich die lateinische Spiache
so aneignen, dass sie in derselben die Meisterschaft erringen. Ein solcher Mann war
HieriuB, dem Austin seine Schrift de pulchro et apto um das Jahr 379 gewidmet hat und
der in der üeb^rliefeningsgeschichte der qnintilianischen Deklamationen erscheint (§ 485
p. 358). Von ihm sagt Augustin (confess. 4, 14, 21): Hierium romanae urbis oratorem ....
efferebant laudibus, stupentes quod ex homine Syro^ docto prius graecae facundiae, postea
in laiina etiam dictor mirabilis extitisset. Vgl. Mommsen, Hermes 4 (1870) p. 359. Dass
aber auch Griechen griechisch in Bom deklamierten, ist nicht zu bezweifeln. Zu ihnen
wird gehören der Athener Palladius, der es im Jahre 381 zum comes sacrarum largitionum
und 882 zum magister officiorum brachte; vgl. Seeck p. CCII. Von einer Deklamation
sagt Symmach. ej^st. 1, 15: movit Xdyog Athenaei hospitis Latiare concilium divisionis arte,
inventumum copia, gravitate sensuum, luce verborum. Erwähnt wird er auch von Apolli-
naris Sidonius epist. 5, 10 (p. 115 Mohr).
Abgesehen haben wir von Rednern, welche nicht litterarisch sich bethfttigt haben,
wie z. B. von Gennadius, von dem Hieronym. z. J. 2369 = 352 n. Chr. (2 p. 194 Seh.)
sagt: Gennadius forensis orator Romae insignis habetur,
cf) Die Philosophen.
1. Julius Firmicus Maternus.
821. Das astrologische Werk des Firmicus Matemus (matheseos
libri Ym). Auch die Astrologie hat bei den Römern ihre Bearbeitung ge-
funden. Unter der Regierung des Tiberius schrieb M. Manilius ein Gedicht
über diese DiscipUn (§ 364), für die er grosse Begeisterung hegte. Der Neu-
platonismus macht es erklärlich, dass in einer Zeit, in der das Christentum
schon die Welt erobert hatte, doch noch der astrologische Aberglaube in einem
prosaischen Werk durch Julius Firmicus Maternus eine Darstellung fand.^)
Der genannte Autor stammt aus Sicilien, und zwar ist es höchst wahrschein-
lich, dass Syrakus seine Vaterstadt ist. Er widmete sich zuerst der Advo-
katur, allein die vielen Unannehmlichkeiten und^Anfeindungen, welche ihm
dieser Beruf brachte, veranlassten ihn, denselben aufzugeben. Er fand jetzt
Müsse zur Schriftstellerei. Angeregt wurde er dazu durch den Statthalter
von Eampanien, Lollianus Mavortius. Bei demselben fand Firmicus, als er
Kampanien aufsuchte, eine äusserst freundliche Aufnahme. In gelehrten
Unterhaltungen ergingen sich die beiden Männer über die verschiedensten
Naturphänomene. Bei einer solchen Unterredung stellte Firmicus ein Buch
über die Astrologie in Aussicht; aber als er zur Ausführung schritt, kamen
ihm manche Bedenken, und gern wäre er von seinem Versprechen zurück-
getreten. Allein sein Gönner Hess nicht ab, ihn anzuspornen, und so er-
^) £e darf hier auch an die astrologische 1 vgl. Bernays, Ges. Abh. 2 (Berl. 1885)
Symbolik des Priscillianas erinnert werden; | p. 103 Ann»
120 JaliuB Firmicns lUienins. (§ 821.)
schien endlich zwischen 334 und 837 das Werk. Er widmete dasselbe
seinem Oönner, Lollianus Mavortius, der damals Prokonsul von Afrika war.
Es umfasst acht Bücher; das erste Buch ist aber als Einleitung anzu-
sehen, in welcher der Verfasser die Berechtigung der Astrologie darzu-
thun sucht. Die Schwierigkeit, die Moral mit der Astrologie zu vereinen,
fühlt der Verfasser wohl, und er versucht auch einen Ausgleich; allein
derselbe ist ein schwächlicher.^) Die übrigen sieben Bücher enthalten das
Technische der Disciplin. Da die Astrologie für uns eine abgestorbene
Wissenschaft ist, kann uns das Stoffliche nur geringes Interesse einflössen.
Uebrigens gesteht der Verfasser selbst ein, dass seine Kenntnis auf diesem
Gebiet eine nur massige sei. Er ist daher auf Quellen angewiesen. Ob-
wohl sich über dieselben hie und da eine allgemeine Bemerkung findet
so unterlässt es doch der Autor, den Leser in diesem Punkte genauer zu
unterrichten. Das astrologische Gedicht des Manilius ist nirgends erwähnt,
und doch finden wir Partien, in denen die Mathesis mit dem Dichter in
Uebereinstimmung steht. Die Darstellung leidet an Breite und Geschwätzig-
keit, an Rück- und Vorverweisungen ist kein Mangel. Interessant ist,
wie sich Firmicus in Bezug auf die Astrologie mit dem Kaiser abfindet.
Er untersagt dem Astrologen, politische und den Kaiser betreffende Fragen
zu beantworten; der Kaiser unterliege nicht der Einwirkung der Gestirne,
er gehöre ja selbst zu den Göttern.*) Nicht ohne Wärme spricht der Ver-
fasser von dem sittlichen Einfluss, den die Astrologie auf ihre Jünger
äussern muss; wer täglich mit den Göttern umgeht, meint er, muss ein
in jeder Beziehung lauterer Charakter sein. Er entwirft einen förmlichen
Sittenkodex für seinen Astrologen, der ein helles Streiflicht auf das Treiben
der wahrsagenden Schwindler in der damaligen Zeit wirft. Auch die Lehre
der Kunst soll nicht jedermann preisgegeben werden: so verlangt er im
Eingang zum siebenten Buch von dem Adressaten, die hier ausgeführten
Lehren nur unverdorbenen Personen mitzuteilen.*) Im Mittelalter hat das
Buch seine Leser gehabt;^) die Neuzeit dagegen, in der die Astrologie
von der Astronomie aus dem Feld geschlagen wurde, hat den Autor zurück-
geschoben, so dass selbst das Verlangen nach einer neueren Ausgabe lange
Zeit nicht rege wurde.*) Der Kulturhistoriker kann an dem Werke nicht
vorübergehen; denn er findet dort eine reiche Fundgrube.
Biographisches. 1 proem. p. 1, 20 K. S. Siciliae situntf quam incolo et undU orirnndui
8um, 6, 31 p. 173, 16 P. Syracmanua Archimedes civia meus (so richtig Skutsch, HennM
31 (1896) p. 646 statt des handschriftlichen quia meus), qui Romanos exereitu$ .... pro-
stramt. 4 proem. p. 195, 1 K. S. Patrocinia traciantea tenuerunt causarum eonflictatiome$
et caninae, ut ita dicam, contentionis inrgiosa certaminaf ex quo studio nihil mihi aliud
per dies singulos nisi periculorum cumulus et grave onus invidiae conferebatur .... Deserui
itaque hoc Studium.
1) So sagt Sokrates 1, 6, 3 p. 18, 18 K. S. | «) Vgl. Bouchö-Leclercq, L'tstrol.
„sed haec omnia a me prudentiae ac vir- grecque, Paris 1899, Schlnsskap.
tutum nuctoritate superata sunt, et quicquid •) Vgl. auch 8, 33 p. 244 F.
vitii ex prava concretione corpus habuitj *) Er wird zuerst erwähnt im 18. Jilir-
animi bene sibi conscia divinitas temperapit** ; 1 hundert bei Honorius von Autan, De philo-
wozu der Schriftsteller hinzufügt: Hie in- . sophia mundi 2, 5.
telfegi datur stellarum quidem esse, quod ' ') Doch hat Lessing (9 p. 421 Laeh-
patimur, [et] quae nos incentivis quibusdam mann) über einige Ergänzungen (nach einer
ignibus stimulant, divinitatis vero esse animi i handschriftlichen Quelle) gehandelt.
^i/0{/ repugnamus.
Jnlina Firmioiia lUteniiifl. (§ 821.) 121
Genesis des Werks. 1 prooem. p. 1, 1 E. S. Olim tibi hos libeUos^ Mavorti decus
nasirum, me dieaturum esse promiseram, verum diu me inconstantia vereeundiae retardavit
et ab isto scrtbendi. studio dubia trepidatiane revoeavit .... cum esses in Campaniae provinciae
fascibus eonstitutus .... occurri tibi rigwre hiemalium pruinarum et prolixi itineris di-
versitate eonfectus .... haee (naturwissenschaftliche Prohleme) cum amnia mihi a te, Mavorti
omamentum bonorum, facili demonstrationis magisterio traderentur, ausus sum etiam ipse
aliquid inconsulti sermonis temeritate proferre, ut promitterem tibi editurum me, quiequid
Aegjfpti veteres sapientes ac divini viri Babyloniique prudentes de vi steUarum ac potestatibus
divinae nobis doctrinae magisterio tradiderunt. Fui itaque, sicut ipse novi, in ista pro-
missione temerarius et me, ut verum tecum loquar, frequenter severa obiurgaiione reprehendi
cupiebamque, si permiUerer, mutare promissum; sed trepidationem meam hortatio tui ser-
monis erexit eöigitque aggredi quod frequenter ex desperatione deserui. Nam cum tibi totius
Orientis gubemaeula domini atque imperatoris nostri Constantini Augusti serena ac venera-
bUia iudicia tradidissent, nullum praetermisisti tempus, quo non a nobis exigeres, quod tibi
ineonsuUa poüieitatione promisimus. Proconsuli itaque tibi et ordinario consuli designato
promissa reddimus,.
Titel und Gliederung des Werks. In den Subskriptionen heisst das Werk
matheseos libri. Der Titel ergibt sich aus der Prftf. zu B. 2 und 8. Bezüglich der Glie-
demng vgL 8, 83 p. 244 P. aceipe itaque, Mavorti .... Septem hos libros^ ad Septem steUarum
ordinem' numerumque compositos, nam primus über solum patrocinium defensionis aceepit,
in eeteris vero libris Romanis hominibus novi operis tradidimus diseiplinam.
Die Chronologie des Werks. 1, 4, 10 p. 18, 20 K. S. cum sol medio diei tem-
pore .... mortalibus fulgida splendoris sui denegat lumina (quod Optati et Paulini con-
sulatu, ut de recentioribus loquar, cunctis hominibus futurum mathematicorum sagax
praedixit intentio). Mit diesen Worten deutet der Schriftsteller auf die Sonnenfinsternis
vom 17. Juli 884 n. Chr. 1 prooem. p. 8, 22 K. 8.; 1, 10, 13 p. 87, 23 K. S. und 1, 10, 14
p. 38, 21 K. 8. wird Constantm noch als lebend behandelt. Da Constantin am 22. Mai 337
starb, muss das erste Buch zwischen 834 und 337 fallen. Mit diesen Datierungen scheint
die Dedikation an Lollianus in Widerspruch zu stehen, da diese auf eine viel spätere Zeit
führt. Wir lesen nämlich 1 prooem. p. 3, 26 K. 8. in der Anrede an Lollianus: proconsuli
itaque tibi et ordinario consuli designato promissa reddimus ^ vgl. damit 8, 15 Lollianus ^
qui severitatis merito etiam ordinarii consulatus insignia consecutus est. Da Q. Flavius
Maesius (oder Messius) Egnatius Lollianus mit dem Beinamen MavortiuS; über den uns
vier Inschriften (CIL X 4752; X 1695, 1696; VI 1728) belehren (vgl. Borghesi, Oeuvres
4 p. 519), im Jiüire 855 cos. Ordinarius war (vgl. Amm. 15, 8, 17), hat man angenommen,
dass das Werk erst im Jahre 854, in das man die Designation setzte, zum Abschluss kam.
Allein in diesem Falle ist es doch sehr störend, dass die Stelle von dem noch lebenden
Constantin nicht geändert wurde. Mommsen (Hermes 29 (1894) p. 468) hat daher Recht,
wenn er an der Abfassung der Schrift zu Lebzeiten des Constantin festiiält und an jenen
zwei Stellen nur eine Verheissung des Konsulats, nicht eine förmliche Designation, aus-
gesprochen findet. Auf die Abfassungszeit wirft auch ein Licht die genitura eines Mannes,
den er nicht zu nennen braucht, weil ihn Lollianus von selbst kennt. Aus derselben soll
sich die Wiikung der antiscia ergeben; hier heisst es nun 2, 29, 10 p. 81, 14 E. S. pater
post geminum ordinarium eonsülatum in exilium datus est, sed et ipse ob adulterii crimen
in exilium datus et de exilio raptus in administrationem Campaniae primum destinatus est,
deinde Achaiae proconsulatum, post vero ad Asiae proconsulatum et praefecturam urbi Romae.
Diese genitura, die im Nachfolgenden noch genauer erläutert wird, bezieht sich nicht auf
Lollianus, wie man gewöhnlich will, sondern auf C. Ceionius Rufius Volusianus, der zwei-
mal (311 und 814j cos. ord. war, und auf dessen Sohn Ceionius Rufius Albinus, der die
Stadtpräfektnr vom 80. Dez. 885 bis 10. März 337 bekleidete. Wenn nun Firmicus diesen
Albinus bei der genitura im Auge hat, so muss die Abfassungszeit des zweiten Buches
zwischen 885 und 387 fallen. Unrichtig E. Sittl, Archiv für lat. Lexikographie 4 (1887) p. 610.
Quellen. 4 prooem. p. 196, 21 E. 8. OmniOf quae Aesculapio Mercurius f einhnus
(Teuf fei et Hanubius; vgl. Kroll, Catal. cod. astrol. gr. 2 p. 159) vix tradiderunt, quae
Petasiris expUeavit et Nechepso et quae Abram, Orfeus et Critodemus ediderunt [et] ceterique
omnes huius artis scii, perlecta pariter atque collecta et contrariis sententiarum diversitatibus
(omparata iüis perscripsimus libris divinam scientiam Romanis omnibus intimantes. Ueber
Petosiris und Nechepso vgl. noch 3 prooem. p. 91, 3 E. 8.; 4, 22, 2 p. 264, 26 E. S.; 8, 3 p. 215,
41 P.; 8, 5 p. 216, 9 P. und Riess, Nechepsonis et Petosiridis fragmenta magica (Philol.
Supplementbd. 6 (1892) p. 328); Eroll, Neue Jahrb. 1901 p.569; Boll, Sphaera, Leipz. 1903,
p. 372. 4, 17, 2 p. 238, 17 E. 8. haec omnia divinus ille Abram (vgl. noch 4, 17, 5 p. 239,
20 K. S.; 8, 2 p. 213, 26 P. und Moore p. 84) et prudentissimus Achilles rerissimis conati
sunt ratianibus invenire; über Achilles vgl. Di eis, Doxogr.gr. p. 18; Maass, Comment.
in Arat. rel, Berl. 1898, p. XVI. 2, 29, 2 p. 77, 23 E. 8. nam et Ptolomaeus nullam aliam
122 Jnlins Firmioofl Mateniiis. (9 821.)
raiionem sequitur nisi antiseiorum, et Antioehus, cum dieit .... DarUkeu» wro Sidaniut,
vir prudentiasimus et qui apoteleamata veiHssimis et disertinimis versQms seripfii, anti-
8ciorum ratianem manifestis aententiis explicavit, in libro seUicet quarto. Ueber die Stelle
vgl. Moore p. 35. 2 prooem. p. 40, 8 E. S. Fronto noster Hipparehi seeutus antiseia Ua
apoteleamatum aententias protulit, tamquam cum perfeetis tarn et cum perüis loquereiur,
nihil de institutione, nihil de magisterio praescribens. 8ed nee aliquia paene LaHnomm
de hac arte institutionis libroe acripsit nisi paueo» versu» Julius Caesar et ipsos tawun de
alieno opere mutuatos, Marcus vero TulHus .... Unde nos omnia, quae de ista arte Äegffptii
Babyloniique dixerunt, docüis sermonis institutione transferemus .... Antiseia Hipparehi
secutus est Fr&nto, quae nuUam vim habent nullamque substantiam; et sunt quidem in Fron-
tone pronuntiationis atque apotelesnuUum verae senientiae, antisdarum vero inefßeax Studium;
eum enim secutus est, qui rationem veram non fuerat asseeutus .... Fronto verissime scripsU;
vgl. daza Moore p. 85. Ueber die (stillschweigende) Benatzung des Manilins vod Seiten
des Firmicos vgl. oben § 864 p. 27. Jedenfalls ist merkwürdig die Ansaenmg 5 prooem.
p. 280, 28 K. S. scripsimus, ne omni disciplinarum arte translata solum hoc opus extUistt
videatur, ad quod Romanum non adfeetasset ingenium; vgl. 8, 5 p. 216 P. Die l&tlelmiingeii
sind aus N^methy, der in dem 2. Abschnitt seiner Schnft (Quaestiones de Firmico Matemo
astrologo, Budapest 1889, p. 17) De Firmico Matemo Manilü sectatore handelt, snsammeo-
gestellt von Moore p. 52; vgl. dazu Bell, Studien Aber Claudius PtolemaeaB (Fleekeis.
Jahrb. Supplementbd. 21 (1894) p. 146), der den Gesichtspunkt einer fOr beide Astrologen
gemeinsamen Quelle erörtert, und denselben, Sphaera Kap. 14 p. 897; p. 404, wo der Nach-
weis erbracht wird, dass Firmicus den Manilius benutzt hat. Ueber Eameades als Gegner
der Astrologie und Firmicus vgl. Riess 1. c. und Praechter, Berl. philol. Wochenschr.
1893 Sp. 617. Die Möglichkeit, dass Gemeinsamkeit der Quellen vorliegt, deutet Moore p. 37
an. Eine neue Untersuchung der Frage wftre erwünscht. Ueber die Benutzung des Comeliiis
Nepos fttr die historischen Beispiele vgl. Moore p. 88. Ueber die Benutzung einer livhis-
epitome vgl. Moore 1. c. Ueber das Verhältnis des Firmicus zu Sallust (Sulla) TgL F. Vogel.
Sallustiana (Acta seminarii philol. Erlangensis 2 (1881) p. 411); Maurenbrecher, Sallnsti
reliquiae, Leipz. 1893, p. XIV und Moore p. 89. Sehr wichtig der Anonymus de planeüa,
weil er grosse Uebereinstimmungen mit dem 6. Buch zeigt; vgl. Kroll etOlivieri, Codices
Veneti (Catalogus codicum astrologorum graecorum 2 (Bruxelles 1900) p. 159).
Charakteristik des Werks. 1 prooem. p. 4, 1 E. S. In nobis tenue ingenium et
sermo suhtilis (Winterfeld, Philol. 58 (1899) p. 300) ety quod vere confitendum est, mathe-
8608 f permodica (Winterfeld: peritia modica velperitia permodica; Woelfflin: mathesii
permodica), 2, 30, 4 p. 86, 1 K. S. Cave ne quando de statu reipublicae vel de vita Bomani
imperatoris aliquid interroganti respondeas; non enim oportet nee licet, ut de statu reipu-
blicae aliquid nefaria curiositate discamus .... sed nee aliquia mathematicus verum aUquid
de fato imperatoris definire pottUt; solus enim imperator stellarum non subiaeet cursibui
et solus est, in cuitis fato stellae decernendi non habeant potestatem .... etiam ipse in eorum
deorum numero constitutus est, quos ad facienda et conservanda omnia divinitas statuit
principalis. An den Jünger der Astrologie stellt der Verfasser grosse ethische Anforderungen ;
vgl. 2, 80, 1 p. 85, 10 E. S. oportet eum, qui cotidie de diis vel cum diis loquitur, animum
suum ita formare atque instruere, ut ad imitationem divinitatis semper aecedat .... esto
pudicus integer sobrius, parva victu, parvis opibus contentus, ne istius divinae seientiae
gloriam ignobilis pecunlae cupiditas infamet .... antistitem Solis ac Lunae et eeterorum
deorum, per quos terrena omnia gubernantur, sie oportet animum suum semper instruere,
ut dignus esse tantis caerimoniis omnium hominum testimoniis comprobetur.
Ueber die Sprache vgl. H. Dressel, Lexikalische Bemerkungen zu Firmicos
Matemus, Zwickau 1882 ; C h r. E e 1 b e r , Zu Julius Firmicus Matemus dem Astrologen, Erlangen
1881; Anfang eines Wörterbuches zu den libri matheseos des Julius Firmicus Matemos
1883. Feine Beobachtungen auch bei Moore 1. c.
Ueberlieferung. Das Werk hat keine einheitliche Ueberlieferung; von den älteren
Handschriften geht keine über 4, 22, 16 = p. 269, 19 E. S. hinaus. Die neuesten Heraus-
geber Er oll und S kutsch haben in dem ersten Teil folgende Handschriften zu Grunde
gelegt: Montepessulanus H 180 s. XI; Parisinus 7311 s. XI; Vaticanus Reginensis 1244 8.X1;
Vaticanus 3425 s. XIII; Parisinus 17867 s. XIII. Der Bestand dieser Handschriften ist ver-
schieden. Von jüngeren Handschriften, welche allein die acht Bücher liefern, sind von
Eroll und Skutsch folgende herangezogen: Norimbergensis V 60 aus dem J. 1468; Moni-
censis 49 s. XVI; Vaticanus 2227 s. XV/XVI; Palatinus 1418 s. XV; Urbinas 268 s. XV
(teilweise noch Vindobonensis 3195 s. XV). Sie zerfallen in zwei Familien; zu der einen
gehören der Norimbergensis und der Monacensis, zu der anderen Vaticanus, Palatinus nnd
Urbinas. Zu der ersten Familie gehört noch der Neapolitanus V A 17 s. XV/XVI, zur zweiten
der Oxoniensis 114 s. XV. Ueber den Monacensis 560 s. XI vgl. Eelber, Zu Julias Firmicns
Matemus dem Astrologen. Ueber den Montepessulanus vgl. Bonnet, Revue de philologieS
(1884) p. 187; Sittl, Archiv für lat. Lexikographie 4 (1887) p. 610.
Jaliiis Firmicua Maternna. (§ 822.)
123
Au8g. Die editio princeps (Venedig 1497) hat kritiachen Wert; die Aldina (die
astronomici veteres, 1497 — 99) Btammt aus einem anderen sehr interpolierten Codex; denn
wir lesen in der Aldina, dass der Heraasgeher seinen Autor aus extrema Scytharum fex
herbeigeholt; vgl. Lessing, 9 p. 421 Laclmiann. Von der Aldina hängen ab die stark und
willkQrlich ergänzten zwei Ausg. Pruckners, die ebenfalls einer Samnilung einverleibt
aind, Basel 1533 und 1551. Nachdem mehrere Jahrhunderte keine neue Ausg. mehr er-
schienen war, trat Leipz. 1894 die Sittische in die Oeffentlichkeit und zwar pars 1 (B. 1—4);
▼gl. dazu Mommsen, Hermes 29 (1894) p. 618; Kroll und Skutsch, In Firmicum Sit-
telianum emendationum centuriae duae primae (Hermes 29 (1894) p. 517); 6. N^methy,
Novae emendationes in Firmicum Matemum astrologum. 1. S.-A. aus Egyetemes Philologiai
KtelOny 19 (1895) p. 1-18; H. 19 (1895) p. 355—366. Berl. philol. Wochenschr. 1895 Sp. 908.
Massgebende Ausg. ist letzt die von Kroll und Skutsch, Julii Firmici Matemi matheseos
libri YHI, fasc. prior, libros lY priores et quinti prooemium continens, Leipz. 1897; vgl.
Boll, Berl. philol. Wochenschr. 1898 Sp. 199; G. r^^methy, Specil. crit. in Firmico Ma-
temo astrologo. S.-A. ans der ungarischen Zeitschr. Egyetemes Philologiai KOzlöny 22 (1898)
p. 1~19.
Andere astrologische Schriften des Firmicus. Es sind zu unterscheiden 1. die
bereits ausgeführten und 2. die versprochenen. Zu der ersten Gruppe gehören a) math. 4,
20, 2 p. 258, 8 K. S. quae omnia .... apecialiter tarnen in singulari libro, quem de damino
geniturae et chronocratare ad Murinum nostrum acripsimua, et comprehensa 8unt et explicata,
ß) 7, 6 p. 200 P. haee tibi omnia ex eo libro qui de fine pitae a nobis ecriptus est ....
manifestius intimantur. Zur zweiten gehören a) math. 5, 1 p. 121 P. cum hoc opus .... medio-
criias nostra compleverit, tunc tibi (Lolliane) aliis XII libris cetera intimabo secreta.
ß) 8 prooem. p. 212 P. aliud mihi tempus ad explicandam myriogenesin reservavi, y) 8, 3
p. 215 P. huius (des Nechepso) ego lü^ri interpretationem alio tibi tempore, Mavorti decus
nostrum, intimare eurabo.
Allgemeine Litteratur. J. Burckhardt, Die Zeit Constantins des Grossen, Leipz.'
1880, p. 212; L. Friedlftnder, Darstellungen aus der Sittengesch. Roms 1* (Leipz. 1888)
p. 365; Riess in dem Artikel über Astrologie (Pauly-Wissowas Realencycl. 2 Sp. 1826).
822. Ueber den Irrtum der heidnischen Religionen (de errore
profanarum religionmn). Seit dem Erscheinen des astrologischen Werks
waren etwa zehn Jahre verflossen, da trat Firmicus Maternus mit einer
neuen Schrift über den Irrtum der heidnischen Religionen hervor. Mittler-
weile war Firmicus Christ geworden, und diese zweite Schrift atmet daher
einen anderen Geist. Man hat sich vielfach gesträubt, die zwei Schriften
demselben Autor zuzuteilen, und zwei Persönlichkeiten des Namens Julius
Firmicus Maternus angenommen.^) Aber die Schwäche dieser Ansicht geht
schon daraus hervor, dass man gezwungen war, die beiden Personen zu
Verwandten mit derselben Heimat zu machen.') Doch wer die sprach-
lichen Eigentümlichkeiten der beiden Schriften mit scharfem Blicke mustert,
wird sofort die üeberzeugung gewinnen, dass der heidnische und der christ-
liche Schriftsteller identisch sind. Nur die mangelhafte Einsicht in die
chronologischen Verhältnisse der astrologischen Bücher hat der Wahrheit
solange die Thüre verschlossen. Dass aber der Geist des Fanatismus in
der christlichen Schrift so stark weht, dass man kaum den Autor der
astrologischen Schrift wiederzuerkennen glaubt, ist eine Erscheinung, die
doch nicht in der Geschichte isoliert dasteht. Nicht auf dem Wege der
Belehrung will sich der Verfasser mit dem Heidentum auseinandersetzen,
sondern er versucht es lieber mit der Denunziation. Er wendet sich daher
in der Zeit von 346 — 350 an die Kaiser Constantius und Constans und
^) Eigentümlich ist die Ansicht Eber ts
(Allgem. Gesch. der Litt, des Mittelalters 1^
(Leipz. 1889) p. 130 Anm. 3), dass vielleicht
irrUbnlich die Schrift de errore dem Astro-
logen Julius Firmicus Maternus beigelegt
worden sei ; vgl. dagegen A.Rei ff erscheid,
Bursians Jahresber. 23. Bd. 3. Abt. (1880)
p. 258.
') Auch de errore weist auf Sicilien als
Heimat hin; vgl. c. 7.
124
JuliuB Firmioua Katemofl. (§ 822.)
fordert sie auf, durch scharfe Edikte dem Heidentum den Garaus zu
machen. Die Stimme der Intoleranz lässt sich in einer Weise vemehmeD,
die auch anderen Zeiten nicht fremd ist. Die Ausrottung wird als eine
göttliche Mission der Kaiser erklärt und der Segen des Himmels ihnen
dafür in Aussicht gestellt. Selbst wider ihren Willen müssen die Heiden
bekehrt werden, sie werden ja dadurch vom Verderben gerettet. Die
Idololatrie wird als ein Werk des Teufels gekennzeichnet. Sogar der
materielle Gewinn, den die Konfiszierung der Götterbilder und Tempel-
geräte mit sich bringt, wird gestreift. Um die Kaiser für seine Idee zu
gewinnen, sucht der Fanatiker von allen Seiten belastendes Material gegen
die Heiden zusammen und erstreckt daher seine Betrachtungen auf die
Aegypter und die orientalischen Völker, während der römische National-
kultus nur eine nebensächliche Behandlung erfährt. So wird gleich im
Eingang der Schrift, der uns aber verstümmelt vorliegt, die göttliche Ver-
ehrung der vier Elemente bei den verschiedenen Nationen gegeisselt. Der
Euhemerismus liefert unserem Ankläger manche Waffe in die Hand. Er
spricht den Gedanken aus, dass viele Kulte im Grunde auf eine Toten-
feier für verruchte Menschen hinauslaufen. Durch lächerliche Etymologien
wird eine natürliche Deutung der Götternamen versucht, um sie des Nimbus
zu entkleiden (c. 17). Besonders scharf wendet sich Firmicus gegen die
Geheimdienste. Es entging ihm wohl nicht, dass das Heidentum in den-
selben nochmals einen Stützpunkt gefunden hatte; auch erschienen ihm
diese Kulte gefährlich, weil sie manches darboten, was an das Christen-
tum erinnerte. So half sich nun der glaubenseifrige Mann damit, dass er
ausführte, der Teufel habe, um die Menscheit zu täuschen, absichtlich
christliche Gebräuche nachgeäfft.^) Mit der zelotischen Gesinnung des Au-
tors steht auch sein Stil im Einklang; er geht der ruhigen Auseinander-
setzung aus dem Weg und spricht in aufgeregtem Tone mit unnatürUchem
Pathos. Die Apostrophe wird förmlich zu Tode gehetzt. Merkwürdig ist.
dass auch der Sonne eine Anrede an die Menschen in den Mund gelegt
wird, in der sie sich bitter über den Kult, den man mit ihr treibt, beschwert
und erklärt, sie wolle nichts anderes sein als wozu sie Gott gemacht
Die Identität der Verfasser der astrologischen und der christlichen
Schrift. Die Frage ist seit langem controvers. Von älteren Gelehrten sprachen sich ftr
die Identität ans Gave (Scriptorum ecclesiasticorum historia latina 1 p. 205), Fahricias
(Bibliotheca lat. ed. Ernesti 3 (Leipz. 1774) p. 121). Aber seit der Ausg. Bursians worde
die Identität der beiden Autoren allgemein aufgegeben. Erst als Mommsen über die Chrono-
logie der Schrift Klarheit verbreitete, griff man wieder auf die Identität zurttck. Eingehend
und völlig überzeugend ist dieselbe begründet von Mo'ore, Julius Firmicus, der Heide und
der Christ, München 1897, p. 1. Den Entscheid gibt die sprachliche Compoaition hei dem
Werke. Math. 3, 1 ne quid autetn a nohis praetermissum esse videatur, omnia explicandö
sunt — de errore 14, 1 Penates qui sint explicare contendam, ne quid a me praetermiuum
esse rideatur. Math. 1, prooem. sed omnia haec ideo brevi oratione persirinximus = de
errore 7, 1 quod quaienus factum sit brevi sermone perstringam. Maui. 4, prooem. libdlw
scripsi, ut a terrena quodam modo conversatione sepositus = de errore i9, 2 ui in ktif
terrena conversatione opus nostrum per dies singulos luceat. Math. 7, 15 praepasteri amcri*
studiis occupati = de errore 7, 1 cum praeposteri amoris coqueretur incendiis .... virginem
rapit. Math. 1, 1 Scythae soli immani feritatis crudelitate grassantur = de errore 15, 1
^) 21, 1 (Halm) omnia symhola 2)rofanae
religionis per ordinem suggerantur^ ut pro-
hemus nequissimum hostem gener is humani de
sanctis haec venerandisque prophetarum ora-
culis ad contaminata furoris sui gcelera
transtulisse.
Julina Firmioua Maternns. (§ 822.) 125
efftra gens hominum et cruddi atque inhumana semper atrocUnte grassata, Math. 4, 1
erae infelicüatis squalore demersos = de errore 5, 2 ohscuro tenebrarum squalore demersi.
h. 1, 8 aerpentis ietus .... venas stringit in mortem = de errore 18, 2 hoe .... venam
ngU in mortem; vgl. A. Becker, PhiloL 61 (N. F. 15, 1902) p. 478. Math. 1, prooem.
» rotata vertigo und 1, 4 rotatae vertiginis lapsum = de errore 24, 2 praecipUtU diem
%di (=: caeli) rotata vertigo. Math. 8, 17 flammie üUricihue eremabuntur = de errore
2 %U perpetua imitatione flammarum .... flammte uUricibus coneremetur. Diese Paral-
n, die nur eine Auswahl aus der Beispielsammlung Moores darstellen, finden nicht
ch die Annahme einer Verwandtschaft der beiden Autoren oder durch die Annahme
eher Schulbildung ihre ErklArung, sondern nur durch die Identifizierung beider.
Die Adressaten sind Constantius und Constans, die mit Namen angeredet werden:
7 V08 nunc, Constanti et Conetans aacratisaimi imperatorea. Sonst wählt er Bezeichnungen
e Namen und zwar a) aaeratiaaimi imperatorea 6, 1; 7, 7; 8, 4; 16, 4; 24, 9; 25, 4;
6; 29, 1; 29, 4. p) aacroaancti imperatorea 18, 1. y) aacroaancti principea 17, 1. cf) do-
li imperatorea 25, 1.
Zeitindicien. 28, 6 aub remia veatria incogniti tarn nobia paene maria unda con-
nuit et inaperatam imperatoria faciem Britannua expavU bezieht sich auf die Expedition
Constans nach Britimnien im Jahre 843. 20, 7 werden die Kaiser Constantius und
istans angeredet, also lebend vorausgesetzt; Constans wurde aber im Jahre 850 ermordet;
ach muss die Schrift zwischen die Jahre 848 und 850 fallen. Das Intervallum kann
r noch eingeengt werden durch folgende Stelle: 29, 8 atrati aunt adveraantium cunei
rebellantia ante conapectum veatrum aemper arma ceciderunt, miaai aunt auperbi aub
um populi et Peraica vota conlapaa aunt. Diese Worte beziehen sich höchst wahr-
einlich auf die Aufhebung der Belagerung von Nisibis durch Sapor im Jahre 346, kaum
den im Jahre 348 errungenen Sieg, dem auch Niederlagen gegenüberstehen. Hiemach
rde die Schrift zwischen 346 und 850 anzusetzen sein.
Ziel des Autors. 16, 4 amputanda aunt haec, aaeratiaaimi imperatorea, penitua
ue delenda et aeveriaaimia edictorum veatrorum legibua corrigenda .... aub-
ite miaeria, liberate pereuntea: ad hoc vobia Deua aummua commiait imperium meliua
ut liberetia invitoa quam ut volentibua concedatia exitium. 29, 1 hoc vobia {aaeratiaaimi
teratorea) Dei aummi lege praecipitur, ut aeveritaa veatra idololatriae facinua omnifariam
aequatur. 20, 7 modicum tantum aupereat ut legibua veatria funditua proatratua diabolua
iat, ut extinctae idololatriae pereat funeata contagio erigite vexillum fidei, vobia hoc
Initaa reaervavit .... idololatriae excidium et profanarum aedium ruinam propitiua
'iatua populo veatria manibua reaervavit. 28, 6 Tollite, tollite aecuri, aaeratiaaimi impe-
yrea, ornamenta templorum: deoa iatoa aut monetae ignia aut metallorum coquat flamma,
aria univeraa ad utilitatem veatram dominiumque tranaferte. poat excidia templorum in
\us Dei eatia virtute provecti.
Quellen der christlichen Schrift. 18,4 iata eaae Porphyriua, defenaor aimula-
rum, hoatia dei, veritatia inimicua, aceleratarum artium medialer, manif eatia nobia pro-
ionibua prodidit. in libria enim, quoa appellat negl tf^c ix Xoy'noy (piXoaotpias, maie-
'em eiua praedicana de infirmitate confeaaua eat. Für die Bibelstellen lagen ihm als
^hschlagebücher Cyprians testimonia und dessen Schrift ad Fortunatnm vor. Dass er
selben wirklich benutzte, dafür legt besonders der Umstand Zeugnis ab, dass bei beiden
elcitate in gleicher Reihenfolge erscheinen; vgl. B. Dombart, lieber die Bedeutung
amodians für die Textkritik der Testimonia Cyprians (Zeitschr. für wissenschaftl. Theol.
[Leipz. 1879) p. 375). Ueber Berührungspunkte der Schrift mit Minucius Felix vgl. Moore
!9; dagegen bestehen keine Beziehungen zwischen de errore und Tertullians Schriften,
nationes und Apologeticus; vgl. Moore 1. c. Ueber Benutzung Ps.-Quintilians (declam.
i.) vgl. Weyman, Revue d'histoire et de litt, relig. 3 (1898) p. 383; Becker 1. c. p. 476.
>er die euhemeristischen Bestandteile vgl. Moore p. 31. lieber die quinque Minervae
16) v^. R. Foerster, Der Raub und die Rückkehr der Persephone, Stuttgart 1874, p. 97.
Ueberliefernng. Zuerst gab Flacius Illyricus 1562 den Firmicus zu Strassburg
codice Mindensi" heraus. Der Codex war längere Zeit verschollen, bis 1856 C. Bursian
im Vaticanus-Palatinus 165 s. X wiederauffand. Da die zwei ersten Blätter verloren
;en (vgl. Reifferscheid, Bibliotheca patrum 1 (1865) p. 268), fehlt der Anfang der
rift. Ueber den Inhalt des Fehlenden vgl. Ebert, Allgem. Gesch. der Litt, des Mittel-
»rs IM). 131. Der Codex ist in manchen Partien schwer zu entziffern; vgl. Weyman 1. c.
der Üeberlieferung lautet die Subscriptio: Julii Firmici Materni v. c. de errore pro-
arum religionum explicit.
Ausg. Die Schrift wurde in der Regel mit Minucius Felix, Cyprian oder Amobius
ausgegeben; z. B. mit Minucius Felix in der Bibl. Patrum ecclesiast. Lat. sei. von F. Gehler,
pz. 1847 und C. Halm im corpus scriptorum ecclesiast. lat. vol. 2, Wien 1867, p. 75.
gne vol. 12. Spezialausg.: Von Wower, Hamb. 1603; F. Munter, Kopenhagen 1826;
126 Chaloidiiui. (§828.)
G. Bursian, Leipz. 1856. (üeber Commodian und Finn. vgl. Maass, TageagOtter, BerL
1902, p. 23.)
Litteratur. J. M. Hertz, De Julio Finnico Matemo eioflqae imiirimia de eirore
profananim religioniun libello, Kopenhagen 1817; J. Burckhardt, Die Zeit Conatantins des
Grossen, Leipz.> 1880, p. 188; 230 Anm. 2; 861; Ebert p. 180.
2. Ghalcidius.
823. Uebersetzung des Timaens mit Commentar. unter den pla-
tonischen Dialogen war dem Timaeus das reichste Nachleben beschieden.
Die tiefsinnige Schöpfung verlangte ihre Deutung, und Jahrhunderte hin-
durch ist bei den Griechen diese Deutung in Gomnientaren versucht worden.
Auch bei den Römern fand der Timaeus Eingang; Cicero hatte Teile daraus
übersetzt (§ 168), wahrscheinlich um sie in einen naturphilosophischen
Dialog hineinzuarbeiten. Einige Jahrhunderte später machte sich Ghalci-
dius an die Bearbeitung des schwierigen Werks. Er that dies auf Ver-
anlassung eines Osius, der ursprünglich selbst beabsichtigt hatte, sich dieser
Aufgabe zu unterziehen. Ghalcidius übertrug den Dialog bis zu 53 C;
ausser der Uebersetzung gab er auch noch einen Commentar, der eben-
falls bis 53 G reicht, und der in letzter Linie auf den Timaeuscommentar des
Posidonius zurückzugehen scheint. Der Arbeit ist ein Widmungsschreiben
an den genannten Osius vorausgeschickt. Dass Ghalcidius und Osius Christen
waren, geht aus dem Werke deutlich hervor. Ueber andere persönliche Ver-
hältnisse aber erhalten wir aus der Schrift keine Notizen; dagegen ist uns
durch die handschriftliche Ueberlieferung die Nachricht geworden, dass
Osius Bischof von Cordova war, und dass Ghalcidius die Würde eines Arcbi-
diacons oder Diacons bekleidete. Nichts zwingt uns, diese Angaben als un-
wahrscheinlich hinzustellen ; für den geistlichen Stand des Ghalcidius spricht
überdies seine genaue Kenntnis der hl. Schrift und die Benutzung der
Hexapla des Origenes (f 254). Ist der Adressat unserer Uebertragung
wirklich mit dem erwähnten Bischof identisch, so ist damit auch die Zeit des
Werks gegeben. Da Osius den Bischofsstuhl von Cordova von 296 — 357 inne
hatte, wird es in den Anfang des vierten Jahrhunderts zu setzen sein.*)
Die Arbeit des Ghalcidius, obwohl ganz ohne Selbständigkeit, hatte
eine grosse Zukunft. Bis zum Ende des 12. Jahrhunderts schöpfte das
Mittelalter seine Kenntnis Piatos nur aus derselben. Selbst durch einen
Commentar wurde Ghalcidius im 12. Jahrhundert erläutert.
Oslos und Ghalcidius. Im ViDdob. 278 steht am Rande von der alten Hand ge-
schrieben: Osii episcopi Corduhensis rogatu Calcidiiis hunc librum suscepit transferendum.
Im Riccardianus 139 lesen wir von zweiter Hand za Osius über der ZeUe: episcopo hispaniae
conflator huiiis operls archidiaconns; vgl. Iw. Müller, Spec. 3 p. 5. Auch Fabracins
bezeugt, dass in dem von ihm benutzten Bodleianus auf der ersten Seite die Notiz gestanden
habe, Ghalcidius sei der Archidiacon des spanischen Bischofs Osius gewesen. In den Tat.
Reg. 1861 s X/XI, 1107 s. XI heisst Osius episcopus; im Vat. 2063 s. XIII/XIV epUe. eordu-
hemh, Ghalcidius im Vat. 3815 s. XI diocottus; vgl. Tamilia 1. c. Wir kennen einen Bischof
von Gordova des Namens Osius, der den Synoden von Nicaea (325) und Sardica (847) bei-
wohnte; vgl. Gams, Series episcoporum, Regensb. 1873. Wir haben keinen stichhaltigeii
Grund, diese Identifizierung für unmöglich zu erachten. Auch dass Chalcidins ein tk-
riker war, ist nicht unwahrscheinlich, üeber seine Bekanntschaft mit der hl. Schrift vgl c 55
p. 122 Wr. quod quidem verum esse testatur eminens quaedam doctrina sectae sandicrii rt
in comprehensione dimnae rei prudentioris, quae perhibet deum ahaoluto inlustratogue tentiU
mundo genus hominum instituentem corpus quidem eius parte humi sumpta iuxta hanc
') Vgl. Tamilia, De Ghalcidii aetate (Studi ital. di filol. class. 8 (1900) p. 79).
ChaloidiuB. (§ 828.) 127
effigiem aedifieasse farmoMeque, vitam vero eidem ex eonvexis aceersisse caelestUms poatque
iiUimis eius inspirationem proprio flatu intimasaef inapirationem hane dei consilium animae
ratianemque significana, c. 126 p. 190 Wr. eat quoque alia aanctior et venerabilior hiatoria,
quae perhibet ortu atellae cuiuadatn non morboa morteaque denuntiaiaa, aed deacenaum dei
Ttnerahüis ad humanae eonaervationia rerumque mortalium grcUiam. Nicht minder spricht
daftkr, dass die Hezapla des Origenes c. 276 p. 806 Wr. benutzt sind. Unter allen Umständen
ist aber sicher, dass Chalcidius Christ war; vgl. Switalski p. 5. Auch das Christentum
des Oains ISsst sich aus folgenden Worten c. 188 p. 196 Wr. deduzieren: cum angeli partim
dei aint miniatri, — qui ita aunt, aaneti vocantur — partim adveraae poteatatia aatellitea ut
(^ime noati.
Ueber das Werk spricht sich der Autor also aus (p. 4, 15 Wr.): primaa partea
Timati Platonia adgreaaua non aolum tranatuli, aed etiam partia eiuadem commentarium
feci .... Cauaa vero in partea dividendi lihri fuit operia prolixitaa, aimul quia cautiua
tidebatur ease, ai tamquam libamen aliquod ad deguatandum auribua atque animo tuo mit-
Urem. Quod cum non diaplicuiaae reaeriberelurj faceret audendi maiorem fidueiam, Ueber
den Commentar ftussert er sich c. 4 p. 71 Wr.: Itaque quia iubentibua vobia moa erat gerun-
dua, licet ea quae iubebantur potiora eaaent, quam auatinere mediocre ingenium valeret, aola
translatione eontentua non fui ratua obacuri minimeque inluatria exempli aimulacrum eine
interpretatione tranalatum in eiuadem aut etiam maioria obacuritatia vitio futurum.
Quellen des Commentars. Nach dem Vorgänge Bergks (Zeitschr. f&r die Alter-
tumsw. 1850 p. 176) hat Hiller, De Adrasti Peripatetici in Piatonis Timaeum commentario
(Rhein. Mus. 26 (1871) p. 582) mit unwiderleglichen Beweisen dargethan, dass Chalcidius
den Timaeoscommentar des Adrastos aus Aphrodisias, eines Peripatetikers, der um die Mitte
des 2. Jahrh. lebte, benutzt hat(p. 584), nicht Theon, wie Martin (in seiner Ausg. Theons,
Paris 1849, p. 18) annimmt. Plotinos wird in dem Commentar nicht citiert. Ueber die ge-
meinschafÜiche Quelle des Ch. und Favonius vgl. Skutsch, Philol. 61 (1902) p. 198. Eine
Untersuchung Aber die Quellen gibt Switalski, Des Ch. Commentar zu Plat. Timaeus (Beitr.
zur Gesch. der Philos. des Mittelalters Bd. 3, Heft 6 (Münster 1902) p. 55) und gewinnt fol-
gendes Resultat (p. 118): Der Commentar geht in letzter Linie durch die Mittelstufen Adrastns
und Albinus auf den 'Hmaeuscommentar des Posidonius zurück, in erster auf einen jungen
Commentar, in dem Numenius (c. 295; 296; 297; 299) benutzt war und den Chalcidius im
wesentlichen bloss übersetzte (Gercke, Rhein. Mus. 41 (1886) p. 269).
Fortleben des Chalcidius. Haur^au, Histoire de la philosophie scolastique 1
(Paris 1872) p. 100 und 92 (über Scotus Erigena). Aus dem 12. Jahrh. stammt ein Commentar
zum Gh.; vgl. Cousin, Fragments philosophiques, Paris' 1865, p. 857. Ueber das Fortleben
des Ch. im Mittelalter gibt Einiges Wrobel, Zeitschr. für österr. Gymn. 26 (1875) p. 178.
Ueberliefernng. Wrobel benutzte einen cod. Cracoviensis 529 s. XI, femer einen
zweiten Cracoyiensis 665 s. XV, endlich vier Vindobonenses und zwar folgende: 278 s. XII;
272 s. XIII; 176 s. XII; 448 s. XI; den letzten nimmt er als Führer. Fabricius gründete
seine Ausg. auf einen Bodleianus. Auf eine Reihe von Handschriften lenkte die Aufincrk-
samkeit in einigen Erlanger Programmen Iwan Müller; zuerst besprach er (Quaest. crit.
de Chalcidii in Timaeum Piatonis commentario, spec. 1, Erlangen 1875) den cod. Bamber-
gensis M. V. 15 s. Xi und teilte eine teilweise Collation aus demselben mit, welche in dem
E^r«^rainm des Jahres 1876 fortgesetzt wurde. In einem dritten Programm des Jahres 1877
machte er auf folgende yier Handschriften aufmerksam: Coloniensis 192 s. XI; Riccardianus
139 s. Xl/XIi; Monacensis 6865 s. XI; Marcianus 469 s. XIV, aus dem Marcianus VI 187
stammt. Von diesen vier Handschriften werden die CoUationen mitgeteilt und manche
sprachliche Beobachtungen angeschlossen. Ueber den cod. Parisinus 10195 s. XI vgl. Bonnet,
Hermes 14 (1879) p. 158. Ueber 10 Vaticani vgl. Tamilia 1. c. Eine Sichtung der Hand-
schriften, die in ihrem Umfang sehr von einander differieren, steht noch aus.
Ausg. Ed. princeps von August Justinianus, Paris 1520; es folgten die Ausg. von
Menrsins, Leiden 1617, die beachtenswerte von Fabricius im zweiten Band seiner Ausg.
des Hippolytos, Hamburg 1718; von Mullach, Fragm. philos. graec. 2 (Berl. 1867) p. 149;
von Wrobel, Leipz. 1876 (mit unmethodischem Apparat); vgl. auch dessen Beitrag zur lat.
Lexicographie aus Chalc. (Zeitschr. für Osten*. Gymn. 1875 p. 179 und p. 258).
Litteratur. Fabricius, Bibl. lat. 8 p. 105; Wrobel, Ausg. p. VIII; Freudenthal,
Hellenist Stad. 1 (BresL1875) p. 180 Anm.; Kroll, Pauly Wissowas Realencycl. 8 Sp. 2042.
Pseudo- Chalcidius. In der appendix ad opera ab A. Maio edita 1 (Rom 1871)
p. 19 wird das commentum eines Chalcidius Neapolitanus super carmine saeculari (Horati)
ans dem Vaticanus 2769 s. XV erwähnt. Es ist dort die Vermutung ausgesprochen, dass dieser
Chalcidius mit dem Platoübersetzer identisch sei. Allein Buecheler (Rhein. Mus. 85 (1880)
p. 401) hat gezeigt, dass hier die Arbeit eines Humanisten aus der Zeit Papst Paul IL
1464—1471 vorUegt.
Ueber den Chalcidius grammaticus ist bei Fulgentius zu handeln.
128 Vettiua Agorina Praetextätna. (§ 824.)
3. Vettius Agorius Praetextatus und andere Philosophen.
824. Die lateinische Bearbeitung der aristotelischen S^ategorien
von Praetextatus. Unter den Männern, welche sich dem Christentum gegen-
über ablehnend verhielten und dem alten Kultus treu blieben, nimmt Vettius
Agorius Praetextatus eine hervorragende Stelle ein. Er war mit Sym-
machus befreundet, der ein Gesinnungsgenosse von ihm war, und in der
letzten Briefsammlung erscheint auch Praetextatus unter den Adressaten.
Von Macrobius wird er in den Saturnalien neben anderen heidnischen
Celebritäten als Teilnehmer an den Gesprächen eingeführt. Seine amtliche
Laufbahn, über die wir aus Inschriften genau unterrichtet sind, führt in
die verschiedensten Zweige der Verwaltung; für das Jahr 385 war er zum
Konsul designiert, allein er starb schon im Jahre 384, ohne sein Amt an-
zutreten. Wir besitzen von ihm noch eine merkwürdige Grabinschrift,
der ein längeres Gedicht in jambischen Senaren beigegeben ist, das seinen
Preis enthält. Aus dieser Inschrift ersehen wir mit Erstaunen, an wie viel
Kulten Praetextatus teilgenommen; nicht bloss einheimische, sondern auch
fremde sind vertreten. Für das religiöse Leben ist der inschriftliche Be-
richt von hohem Interesse; das Heidentum machte, um sich des Christen-
tums zu erwehren, alle Anstrengungen, die verschiedenen Kulte äusserlich
zu einer Einheit zusammenzuschmelzen; die Mysterien spielten hiebei eine
grosse Rolle, aber auch die Philosophie sollte ihre Dienste leisten. Natur-
gemäss war daher auch Praetextatus philosophischen Studien ergeben. Er
bearbeitete die Kategorien des Aristoteles nach der Paraphrase des Themi-
stius; auch bei Macrobius wird er als Philosoph kenntlich gemacht. Mit
dem Festhalten an dem nationalen Kultus stand auch das Bestreben im
Einklang, den nationalen Autoren sorgsame Pflege angedeihen zu lassen;
man suchte die alten Litteraturschätze durch korrekte Abschriften zu ver-
breiten. Wie die vornehmen Nicomachi, so beteiligte sich auch Praetex-
tatus an dieser Arbeit, wenn wir auch nicht mehr wissen, welchen Schrift-
stellern seine Thätigkeit zugute gekommen ist.
Neben Praetextatus tauchen noch andere philosophisch gebildete
Männer in der Litteratur auf, ohne dass wir jedoch von wahrer Förderung
der Philosophie bei ihnen reden können. Durch Aeusserlichkeiten suchten
sie vielfach zu ersetzen, was ihnen an Geist abging.^)
Die amtliche Laufbahn des Vettius Agorius Praetextatus wird in der
Grabschrift CIL 6, 1779 also bestimmt: Augur, pontifex Vestae, pontifex Solis, quindecimfir,
curialia HercuUa, sacratus Libero et Eleusinis hierophantay neocorus, tauroboliaius, pater
patrum, in repüblica vero quaestor candidatus, pretor urbanus, corrector Tuseiae et ümbruUj
consularis Lusitaniae, pro consule Achaiae (362 — 364), praefectus urbi (363 und 368),
legatus a senatu tnissus F, praefectus praetorio II Italiae et llhjrici (384), eoH9ul Ordinarius
designatus (für 885); vgl. auch das in CIL 6, 1780 über seine Frau Gesagte. Er steb im
Jahre 384. lieber die Daten der amtlichen Laufbahn vgl. Henzen L c. und Seeck, Ausg.
des Symmach. p. LXXXVII.
Die litterarische Wirksamkeit des Vettius Agorius Praetextatus.
tt) Philosophische Studien: Boethius, De interpretatione, ed. sec. 1 p. 289 Vettius Prae-
textatu8 priores postremosque analyticos non vertendo Aristotelem latino sermani tradiditj
sed transferendo Themistium. Nach einer Vermutung des Fabricius wtkrde die unter
Augustins Namen erhaltene Schrift de X categorüs ihm gehören. Macrob. Sat. 1, 24, 21 preist
^) Augustin. epist. 1, 1 hoc saeculo cum amiculo corporis, quos quidem haiid an-
iam nullos videamus ph'dosophos nisi forte , suerim dignos tarn venerabUi nomine.
Die Grammatiker und Metriker. (§ 825.) 129
er als Geeprftchsperson die Philosophie, ß) Ueber seine VerbeBserung der Hand-
■ckriften vgl. die Worte des Gedichtes (CIL 6, 1779, Anthol. lat., vol. 2 Garmina epi-
grapliica ed. Bachelor, fasc. 1, Leipz. 1895, No. 111 Vs. 8) tu namque quidquid lingua
mräque est proditum | cura »oforum, porta quis eaeli patet, | vel quae periti condidere
oargHinOf \ vel quae solutis vocibus sunt edita, \ meliora reddis quam legende sumpseras.
9|3rininach. epist. 1, 53 remissa iempora et ah negotiis publicis feriata Hbris veterum rumi-
mandis libenter expendis.
Zar Gharakteristik des Vettius Agorius Praeteztatus. Amm. Marc. 22, 7, 6
P^aetextatuSy praeclarae indolis gravUatisque priscat Senator. 27, 9, 8 Praetextatus, prae-
ftcturam urhis sublimius curans, per integritatis mültiplices actus et probitatis, quibus ab
fuiuUscentiae rudimentis inclaruit,, adeptus est id quod raro contingit, ut cum timeretur^
atmorem nan perderet civium, minus firmari solitum erga iudices farmidatos. Macrob. sat. 1,
24, 1 laudare hie memoriam, iUe doctrinam, cuncti religionem, adfirmantes hunc esse unum
tureanae deorum naturae conscium qui solus divina et adsequi animo et eloqui passet ingenio.
1, 17, 1 et quia sacrorum omnium praesulem esse te, Vetti Praetextate, divina voluerunt,
perge, quaeso. 1, 11, 1 sagt EaaDgelus von Praetextatns: quia princeps religiosorum pu"
iatur, non nulla iam et superstitionis admiscet. Gepriesen wird er in dem inschriftlichen
Qedicht von seiner GemahUn Aconia Fabia Paulina, Tochter des Aconius Gatullinos Philo-
matins, als ein frommer Mann, der auch sie in verschiedene Kulte eingeführt. Inschriften
beleliren ans auch über die Kulte, denen Aconia Paulina angehörte; vgl. 0. Jahn p. 340.
Litteratur. G. Jahn, Ueber die Subscriptionen in den Handschriften römischer
Klassiker (Ber. über die Yerh. der sftchs. Ges. der Wissensch. 1851 p. 338); H. Richter,
Das westrOm. Reich, Berl. 1865, p. 339; Seeck (Ausg. des Symmachus), der (p. LXXXIII)
alle auf Praetextatns bezüglichen Inschriften zusammengestellt hat.
Andere Philosophen der Zeit, die gelegentlich erwfthnt werden, sind folgende:
1. Hör US. Symmach. epist. 2, 39 Horus philosophus vita atque eruditione praecipuus iamdiu
tmihi carus et amicus est, Macrob. Sat. 1, 7, 3 Horus .... vir corpore atque animo iuxta
validuSy qui post innumeras inter pugiles palmas ad philosophiae studia migravit, sectamqne
Antisthenis et Cratetis atque ipsius Biogenis secutus inter Cynicos non inlecebris habebatur.
2. Barachas. Symmach. epist. 1, 29 nihil moror ceteros vulgus ig nobile, qui philosophiam
fasiu et habitu mentiuntur. paucos et in his praecipue familiärem meum Barachum nostra
metiss ittlit, quorum germana sapientia ad vetustatem vergeret, 3. Eustathins. Macrob.
Sat. 1, 5, 13 Eustathium, qui tantus in omni genere philosophiae est ut solus nobis reprae-
mentei ingenia trium philosophorum (des Akademikers Gameades, des Stoikers Diogenes,
des Peripatetikers Gritolaus). 7, 1, 8 quia te unicum, Eustathi, sectatorem philosophiae
nostra aetcis tulU.
In den Briefen des S^machus werden noch andere Männer als Philosophen be-
xeichnet, allein die ihnen erteilten Lobsprüche haben in Empfehlungen ihre Wurzel und sind
daher nicht besonders ernst zu nehmen.
e) Die Fachgelehrten.
I. Die Grammatiker und Metriker.
825. Allgemeines. Indem wir zur Behandlung der Grammatiker
übergehen, müssen wir die Bemerkung vorausschicken, dass die Gram-
matiker dieser Periode von den reichen Vorräten der Vergangenheit zehren;
sie sind Compilatoren und bieten daher nur wenig Eigenes. Sie erhalten
aber für uns einen hohen Wert dadurch, dass sie uns bedeutsame Artes,
die verloren gegangen sind, wenigstens in ihren Umrissen erkennen lassen.
Besonders sind es die Arbeiten des Remmius Palaemon (§ 475), Q. Terentius
Scaurus (§ 594) und Julius Romanus (§ 603), auf die sich unsere Aufmerk-
samkeit richtet. Ihre Restituierung wäre sehr erwünscht; allein die man-
gelnden Angaben über die Quellen bei den späteren Ausschreibern und
der verwandte Inhalt erschweren uns sehr diese Aufgabe. Grosse Ver-
breitung scheint auch das Schulbuch eines allem Anschein nach jüngeren
Grammatikers, des Cominianus, gefunden zu haben. Es handelte über
die acht Redeteile in knapper Form, ohne auf Gelehrsamkeit Anspruch zu
erheben; wir kennen das Büchlein nur durch Charisius.
Handbnch der klase. AltertnmnrlMentchaft. Vni, 4. 9
180 l>i® Grammatiker und Metriker. ((825.)
Cominianus. Die Stelleo, an denen Charisius den CJominianns dfciert, sind bei
Charisius (p. 151) angegeben. DasB ChariBiuB unsere einzige Qnelle fOrCominian ist und spStere
Citate des Cominian auf diesen zurückgehen, bemerkt H. Keil, Gramm, lat. 1 p. XLVUI.
Ueber die Verwechslung des Cominian mit Charisius Tgl. Keil 1. c. Ob Diomedes den
Cominian direkt oder indirekt benutzt hat, ist eine Streitfrage, deren Entscheidung davon
abhängt, ob Diomedes den Charisius benutzt hat; vgl. unten p. 158. Zum Inhalt und zur
Charakteristik des Werkes vgl. Keil 1. c. ,si ea sequimur quae Charisius Cominiano tribuit,
adparet non solum de octo partibus orationis (nam de pronomine quamquam nihil indicatnm
est, tarnen eam partem omissam non fuisse certum est) sed etiam de vitüs orationis quae
grammatici dicebant hunc scriptorem ezposuisse, ea ratione usum ut brevi et simplici ora-
tione suae aetatis consuetudinem doceret omniaque quae ad usum antiquitatis pertinerent
vel paullo doctiorem disputationem requirerent a suo consilio aliena putaret. nam in eo
fere haec omnia versantur ut definitione unius cuiusque partis orationis proposita quae
cuique accidant explicetur et ad certas regulas usus dicendi revocetur. quae quidem disse-
rendi ratio in eam me adducit opinionem ut Cominianum non valde antiqnum grammaticum
fuisse et librum suum non doctis hominibus sed pueris destinavisse putem.* Marschall,
De Palaemonis libris gramm., Leipz. 1887, p. 59; 67; E. Meyer, Quaest. gramm., Jen. Diss.
1885, p. 37; 65. Ueber die Zeit vgl. noch F. Boelte, De artium scriptoribus lat. quaest,
Bonn 1886, p. 52; H. Keil p. LVI. — Goetz, Pauly-Wissowas Realencycl. 4 Sp. 606.
Asmonius. «) Als Grammatiker: Priscian, Gramm, lat. 2 p. 516, 15 vetustissimi
etiam „scicidi*^ proferehant, quod solum quoque in usu esse putat Asmonius in arte^ quam
ad Constantium Imperator em scr ihn j sed errat. /9) Als Metriker: Priscian, Gramm, lat 3
p. 420, 1 Asmonius etiam idem confirmat his verhis „comici poetae kucius etiamnum fper-
sibus suis quam tragici spatium dederunt et illa quoque hca, quae proprie debentur iambo,
dactylicis occupant pedibus, dum cotidianum sermonem imitari volunt et a versificationü
observatione spectatorem ad actum rei convertere, ut non fictis sed veris affectiontbus in-
esse videatur". Es folgt eine Stelle aus Juba, worauf dann fortgefahren wird idem
in octavo, was wohl auf Juba, nicht auf Asmonius zu beziehen ist; vgl. Keil, Qoae-
stiones grammaticae, Leipz. 1860, p. 18; vgl. auch dessen Quaestiones grammaticae p. I
De Marii Victorini arte grammatica (Ind. lect. Hai. 1871 p. VI). ~ Irrig denkt Lentsch
(Grundriss zu Vorlesungen über die griech. Metrik, Göttingen 1841, p. 21) daran, den As-
monius durch den Grammatiker Memnonius zu ersetzen; von dem es heisst (Gramm, lat
7 p. 175, 9) ülustris memoriae audivi Memnonium. — Goetz, Pauly-Wissowas Realencycl.
Bd. 2 Sp. 1702.
Der Metriker Albinus. Maximus Victorinus, Granmi. lat. 6 p. 211, 23 (vgl. auch
Gramm, lat. 7 p. 339, 1) quod genus versificationis usquc adeo durum est, ut non invenMie
Albinus in libro quem de metris scripsit ita posuerit. Aus dem, was in verderbter Gestalt
folgt, muss man schliessen, dass die Verslehre in Hexametern geschrieben war. Baehrens
(Fragm. poet. Rom. p. 406) stellt folgende zwei Hexameter her: vites spondeo totum eon-
cludere versum; \ posse puta fieri, iunges si dactylon apte. Rufin. Gramm, lat. 6 p. 565, 1
mensuram esse in fabulis [hoc est metron] Terentii et Plauti et ceterorum comicorum et
tragicorum dicunt hi, Cicero, Scaurus, Firmianus .... Albinus. Es ist kein Grund vor-
handen, hier an einen anderen Albinus zu denken als an den oben genannten. Die Identi-
fizierung anderer Albini mit dem Metriker ist mehr oder weniger zweifelhaft. Wir kennen
noch einen Philosophen Albinus, der geometrische und dialektische Schriften verfasste; v^
Boeth. comm. Aristot. negl igfA. ed. sec. 1 p. 4 Meiser Albinus quoque de isdem rebus scrip-
sisse perhibetur, cuius ego geometricos quidem libros editos scio, de dialectiea vero diu
muUumque quaesitos reperire non valui. Derselbe schrieb auch nach Cassiodor de mus. 70,
1212 Migne compendiosa brevitate über Musik; vgl. J. Caesar, Die Grundztlge der grieck.
Rhythmik, Marb 1861, p. 4. Dieser Philosoph wird identifiziert mit Ceionius Rufins AHunns,
ordentl. Konsul des Jahres 335 (CIL 6, 1708), Stadtpräfekt 385-337; vgl. F. Osann, Beitr.
zur griech. und röm. Litteraturgesch. 2 (Cassel 1839) p. 361; 0. Seeck, Die Inschrift des
Caeionius Rufius Albinus (Hermes 19 (1884) p. 186) und Mommsen, Hermes 29 (1894)
p. 471. Auch kann, wie Baehrens (Fragm. poet. Rom. p. 406) annimmt, mit nnaerm Al-
binus der bei Priscian. Gramm, lat. 2 p. 304, 20 genannte Dichter rerum Romanarum I, von
dem drei Hexameter angeführt sind, identisch sein (vgl. § 527, 10). Wohl zu unterscheiden
von unserem Albinus ist der, dem Servius de centum metris widmet; vgl. zu Servius § 835
p. 158. Ebensowenig dürften ihm die versus Albini magistri de laude metricae artis einer
vatikanischen Handschrift angehören, über welche zu vgl. ist H. Keil, Anal, gramm. 1848
p. 24 und die H. Wentzel (Symbolae crit. ad bist. Script, rei metricae lat., Breslau 1858,
p. 55) mit ihm in Verbindung bringen will. Auch noch andere Albini sind anssuscheiden,
z. B. der im cod. Sanctamandinus s. IX/X Albini in Friscinnum Ubri duo; vgl. H. Keil,
Gramm, lat. 1 p. XX. - K. Prantl, Gesch. der Logik 1 (Leipz. 1855) p. 644; Graf, Paoly-
Wissowas Realencycl. 1 Sp. 1315.
Nonins Maroellas. (§ 826.) 131
1. Nonius Marcellus.
826. De compendiosa doctrina. Unter diesem etwas sonderbaren
Titel ist uns ein Werk des Nonius Marcellus überliefert; er wird Peri-
patetiker und Thubursicenser genannt; der Grammatiker war sonach ein
Afrikaner. In einer Inschrift des Jahres 324 tritt uns ein Nonius Mar-
c^Uus Herculius entgegen, der sich Verdienste um das Bauwesen seiner
Vaterstadt erworben hatte. Es spricht nicht viel dagegen, wenn wir
den Grammatiker und den Nonius Marcellus der Inschrift miteinander
identifizieren. Aus dessen Werk und seiner Ueberlieferungsgeschichte lässt
ftieh nur abnehmen, dass Nonius nach Apuleius und Gellius, welche er
citiert, und vor 402, in welchem Jahre schon eine kritische Recension
seines Werkes besorgt wurde, geschrieben hatte. Die meiste Wahrschein-
liclikeit hat für sich, dass Nonius zu Anfang des vierten Jahrhunderts
lebte. Die compendiosa doctrina ist ein Sammelwerk, das seinen Stoff
in 20 Kapiteln abhandelt; von diesen Kapiteln aber ist das 16. nicht mehr
erhalten. Dem Inhalt nach zerfallen die 19 auf uns gekommenen Kapitel
in zwei Gruppen. Die Kapitel 1-12 sind sprachlicher, die übrigen sach-
licher Natur. Während der Autor im ersten Teil über Wortbedeutung,
über den Geschlechtswandel, über Synonyma, über den Wechsel der Aktiv-
nnd Passivformen, über die Unregelmässigkeiten in der Deklination, in
der Kasusrektion, über die irregulären Verbalformen, über unregelmässige
Adverbialbildung und über andere gelehrte Beobachtungen handelt, erörtert
er im zweiten Teil die verschiedenen Benennungen der Schiffe, der Kleider,
Gtefässe und Becher, der Farben, der Speisen und Getränke, der Waffen,
die Verwandtschaftsbezeichnungen; in dem verlorenen 16. Kapitel endlich
waren die verschiedenen Ausdrücke für die Fussbekleidung aufgezeichnet.
Das Werk ist also halb Lexikon, halb Onomastiken. Mit Ausnahme des
9. Kapitels erfolgt die Anordnung nach Worten, jedoch ist nur in den
Kapiteln 2, 3, 4 alphabetische Reihenfolge zu Grunde gelegt, i) Der Wert
des nicht nach einem strengen System aufgebauten Sammelwerks besteht
darin, dass der Verfasser mit Ausnahme des letzten Kapitels für jedes
Lemma Belege*) aus alten Autoren beifügt; dadurch sind uns Fragmente
aus verlorenen, wertvollen Werken gerettet worden. Beispielsweise seien
hier nur Lucilius, Varro und die scenischen Dichter erwähnt. Aber auch
die Beispiele aus noch vorhandenen Autoren geben uns manchen Finger-
zeig für die Geschichte der üeberlieferung. üeber die Thätigkeit des
Nonius kann das Urteil nur ungünstig lauten, und alle Gelehrten, die sich
mit ihm beschäftigten, brandmarken in den stärksten Ausdrücken seine
entsetzliche Dummheit, s) Der Mann arbeitete nicht mit dem Geiste, son-
dern mit den Augen und mit den Händen. Sein Verfahren lässt sich aus
^) Nach Li n d 8 ay (Non. Marc. p. 2 u. p. 90) auctorom loca prave et sinistre interpretatur?
könnte die alphabetische Anordnung auch von Bezeichnend für Nonius ist die naive Aeus-
einem späteren Unbekannten herrühren, was serung p. 70, 4 M. (1, 94 L. M.) quem si quis
sich freilich nicht beweisen lässt legere voluerit, ibi inveniet et fidem nostram
^) Ueber die auctoritas der veteres vgl. sua diligentia adiuvabit; vgl. M. Hertz,
Hertz p. 135. Opusc. Gelliana, Berl. 1886, p. 114. Beson-
') z.B.Bentley zu Horat. serm. 1, 2, 129: \ ders das 9. Kapitel ist für die Dummheit des
sed quoties fatuus ille turpissime se dat, et i Nonias belehrend.
9
«
132 Nonius MarceUas. § 826.)
der Art und Weise, wie er den Qellius ausnutzte, noch deutlich erkennen.
An Missverständnissen, Nachlässigkeiten, Albernheiten und Unredlichkeiten
ist kein Mangel. Die wiederkehrenden Reihen der Autoren in den Citaten
unterrichten uns über die Reihenfolge der ausgeschriebenen Schriften.
Dass alles erborgtes Out und aus Commentaren, Sammelwerken, Wörter-
büchern, Grammatiken,^) die er zu nennen unterlässt, entlehnt ist, dürfte
nicht zweifelhaft sein. So verächtlich aber auch der Mann ist, schulden
wir ihm doch grossen Dank, dass er uns eine verlorene Welt wenigstens
in Trümmern kennen lehrte.
Biographisches. In der Ueherschrift des Werks wird Nonios Marcellus bezeichnet
peripateticus Tubursicensis. Ueber die Varianten des letzten Wortes in den Handschriften
vgl. L. Müller p. XV u. 248. Damit ist Afrika als die Heimat des Grammatikers gegeben.
Es gibt aber zwei Städte des Namens Thubursicam in Afrika; die eine war Thnbnrsicam
Bure in der Prokonsalarprovinz, das heutige Tebursuk im Gebiet von Tonis, das andere
Thubnrsicum Numidarum, jetzt Sukh Arras im französischen Afrika (Mommsen p. 559).
Nun wurde vor nicht langer Zeit in dem zuletzt genannten Thubursicam eine Inschrift ge-
frinden, in der ein Nonins Marcellus Herculius im Jahre 324 wegen seiner Verdienste um
Herstellung der verfallenen Strasse und Gebäude verewigt wird; vgl. CIL 8, 4878; Dessan,
Inscr. lat. sei. 1 Nr. 2943; Mommsen, Hermes 13 (1878) p. 559; wir werden uns daher
für Thubursicum Numidarum zu entscheiden haben. Wir können aber vielleicht noch einen
Schritt weiter gehen und unsem Grammatiker mit dem Nonius Marcellus der Inschrift
identifizieren; in diesem Fall würde der Grammatiker dem Anfang des 4. Jahrhunderts
angehören. Weiter in dem 4. Jahrhundert kommen wir hinab, wenn der Nonins Mir-
cellus der Vater des Grammatikers war. Dagegen kommen wir in das 8. Jahrhundert
wenn die Inschrift sich auf den Sohn des Grammatikers beziehen sollte. Eine sichere Ent-
scheidung ist nicht möglich. Aus anderweitigen Indicien können wir nur feststellen, dass
Nonius Marcellus nach dem 2. Jahrhundert und vor Anfang des frlnften geschrieben haben
muss. Denn er benutzte Gellius und Apuleius, welche mit ihrer Schriftstellerei der 2. Hälft«
des 2. Jahrhunderts angehören; aber bereits im Jähre 402 wurde eine Recensio seiner Schrift
angefertigt. Der bei Ausonius (profess. Burdig. 19 p. 67 Schenkl) genannte Grammatik^
Marcellus, Sohn des Marcellus, hat mit Nonius Marcellus nichts zu thon. In der Schrift
de compendiosa doctrina citiert er noch ein anderes Werk p. 451, 11 M. (2, 47 L. M.) nw
in epistulis qtiae inscrihuntur de peregrinando a doctrinis.
Der Titel des Werks ist in der Ueberlieferung (vgl. L. Malier 1 p. XIV) Dt com-
pendiosa doctrina per litteras ad filium. Durch per litteras soll die alphabetische Ordnung
bezeichnet werden. Allein diese findet sich nur in Kap. 2, 3, 4. Da aber diese drei Kapitel
drei Viertel des ganzen Werks ausmachen, ist der Zusatz als a potiori hergenommen zo
betrachten. L. Müller 2 p. 247 hält aber diese Worte für eine Interpolation. Auch die
Präposition de erachtet er 2 p. 246 für irrig und verlangt den Nominativ. Ueber die üeber-
tragung des Titels des ersten Kapitels de proprietate sermonum auf das ganze Werk vgl
L. Müller 1 p. XIV und 2 p. 246. Zur Erläuterung des compendiosa vgl. Gellins praef. § 12
modica ex his (libi*is) eaque sola accepi, quae aui ingenia prompta expeditaque ad konestae
eruditionis cupidinem utiliumque artium contemplationem celeri facilique compendio
dncerent.
Inhalt und Einteilung. Das Werk des Nonius umfasst folgende Abschnitte:
c. 1 de proprietate sermonum; c. 2 de honeste (d. h. decore; vgl. L. Müller 1, 92, 8) ftt
nove dictis per litteras; c. 3 de indiscretis generibus per litteras (über den Geschlechts-
wandel); c. 4 de varia significatione sermonum per litteras (das wichtigste und nmfaog-
reichste Kapitel); c. 5 de differentia similium significationum; c. ß de inpropriis (L. Müller
erläutert: hoc est de eis quae aliter dicta sunt atque origine et condScione respecta did
oportebat); c. 7 de contrariis generibus rerborum (über den Wechsel zwischen Aitiv- and
Passivformen); c. 8 de mutatis declinationibus (über unregelmässige DeklinatioDsfonnen);
c. 9 de numeris et casibus (über Unregelmässigkeiten in der Gasusrection) ; c. 10 de muiatit
coniugationibus (über die unregelmässigen Verbalformen); c.W de indiscretis adverbiis (d«
^) Vgl. Hertz p. 117. L. Müller 2 ' Ueber die Verwendung der grammatischeB
p. 250 sagt: „persuasum habeo eum non usum ' Schriften des Plinius im 3. Kapitel des No-
nisi eorum doctrina, qui saeculo 11 inde ab ' nius vgl. Beck, Die Plinianischen Fragmente
Hadriano floruerunt, idque comprobari rationi- bei Nonius und dem Anonymus de dabiis
bus quas ille in auctoritate scriptorum quos nominibus (Berl. philol. Wochenschr. l*St!
citat sive extollenda sive elevanda sequitur**. ,' Sp. 157*2).
Nonins Maroellas. (§ 826.) 133
Kapitel gibt eine Sammlong von Adverbien, welche von der regelmässigen Form abweichen);
c. 12 de doctorutn indagine (L. Malier f> folgendes zur Erläuterung bei: i. e. de doc-
tonun observationibus coriosioribus. apparet capite hoc, quod ex prioribus XII ut loco ita
tempore extremom foisse statuo, cum pariter eo et quae ad sermonem spectent et quae ad
antiquitaies aint tractata, transitum muniri ad alteram partem operis); c. 18 de generihus
navigiorum; c 14 <2e generibus vestimentorum ; c. 15 de generibus vasorum vel poculorum;
c. 16 de generibus caiciamentorum; c. 17 de coloribus; c. 18 de generibus ciborum rel po-
tionum ; c. 1 9 de generibus armorum ; c. 20 de f)ropinquitatum vocabulis. Das letzte Kapitel
enthält 9 Artikel ohne Belegstellen; jedoch heisst es am Schluss: de quibus exempla multa
mni in antiquis auetoribuSf et maxime in Afranio et iuris vetustissimis scriptoribus. —
Dieser Index, der nur in einigen Handschriften überliefert ist (vgl. L. Müller 1 p. XIV),
belehrt ans, dass das Werk ursprünglich aus 20 Abschnitten bestand und dass das 16. Ka-
pitel de generibus caiciamentorum (vgl. Isid. or. 19, 34) verloren ging; vgl. Quicherat,
Ausg. p. XII; L. Müller 2 p. 247. Lindsay (Non. Marc. p. l Anm.i vergleicht die Ein-
teilung in 20 Bücher bei Gellius Noct. Att. und Isid. orig. Von einer Einteilung in Büchern
findet sich in der handschriftlichen Ueberlieferung keine Spur. Auch Priscian (vgl. oben)
citiert nach der Kapitelüberschrift de doctorum indagine. Es ist nicht unwahrscheinlich,
dass die Vorrede an den Sohn vor dem Index ausgefallen ist; vgl. L. Müller 2 p. 247.
Nonius und Plautns. Plautus erscheint bei Nonius in zwei Reihen; die erste um-
fasst die Stücke: Amphitruo, Asinaria, Aulnlaria, Bacchides, Casina, Cistellaria, Gaptivi,
Corealio, Epidicus, Miles, Menaechmi, Persa, Pseudulus, Poenulus, Rudens, Stichus, Tri-
nummns, Tnicnlentns; die zweite Reihe umfasst die drei Stücke: Amphitruo, Asinaria, Aulu-
laria. Daraus schliesst P. Schmidt (p. 35), dass Nonius seine Plautuscitate aus zwei Com-
mentaren entnommen, von denen der grössere 18, der kleinere 3 Stücke enthalten habe.
Reblin (De Nonii Marcelli locis Plautinis, Greifswald 1886, p. 2) zeigt, dass auch die Vidu-
laria in dem grösseren Commentar enthalten war, die wahrscheinlich zwischen den Bac-
chides und der Gasina ihren Platz eingenommen. Gegen die Vermutung Reblins (p. 61),
dass bei der Quelle des Nonius nicht sowohl an einen Commentar als vielmehr an ein
Glossar zu denken sei, wendet sich G. Goetz, Emendationes militis gloriosi Plautinae (Ind.
lect. Jena 1890/91). Lindsay nimmt für die beiden Reihen Texthandschriften mit Scholien
an ; die ausserhalb stehenden Citate führt er auf Glossare zurück. Die Untersuchung über
das Verhältnis zwischen Nonius und Plautus ist darauf gerichtet, wie sich die Plautuscitate
bei Nonins zu unserer Plautusüberlieferung verhalten. Ungenügend wurde diese Unter-
sachang geführt von M. Hennig, De Nonii Marcelli locis Plautinis, Königsberg 1884, um-
sichtig dagegen von H. Caesar, De Plauti memoria apud Nonium servata, Strassb. 1886
und Reblin 1. c. Das Resultat der beiden Abhandlungen ist, dass die Noniuscitate bald
mit der ambrosianischen, bald mit der palatinischen Recension übereinstimmen, und dass
manche sogar auf die Spuren einer dritten Recension hinweisen; vgl. dazu 0. Seyffert,
Boisians Jahresber. 68. Bd. 2. Abt. (1890) p. 3. Ueber die Plautusreihe vgl. auch Schott-
müller p. 825; Valmaggi, Ennio, Plauto e Nonio (Bollettino di filologia classica 5 (1898)
p. 39); Lindsay, Non. Marc. p. 106.
Nonius undTerentius. Das Verhältnis der Terenzcitate bei Nonius zu unserer
Ueberlieferung wurde untersucht von Bartels, De Terentii memoria apud Nonium servata,
Strassb. 1884. Der Grewinn, den sie für die Textkritik abwerfen, ist nicht gross. Ueber
die Quelle des Nonins vgl. p. 20. Ueber die Benutzung eines mit Glossen ausgestatteten
Terenzexemplars vgL p. 42.
Nonius und Verrius Flaccus. Das Problem, das hier vorliegt, besteht darin.
dasB eine ErklArung für die gleichen Glossenreihen, welche bei beiden Grammatikern vor-
kommen, gesucht wird. Fröhde, De Nonio Marcello et Verrio Flacco, Berl. 1890; Nettle-
ship, Lectnres and Essays, Oxford 1885, p. 277; Lindsay, Non. Marc. p. 101.
Nonius und A. Gellius. Das Verhältnis der beiden Autoren wurde zuerst von
M. Hertz (Fleckeis. Jahrb. 85 (1862) p. 705 = Opusc. Gelliana, Beri. 1886, p. 85) behandelt.
Hertz zeigt, dass Gellius von Nonius unmittelbar benutzt sei (p. 110), ausserdem auch
Sätze des Gellins selbst als Citate gebraucht. Weiterhin legt er dar, dass diese Benutzung
sich besonders auf die zwei ersten Kapitel des Nonius erstrecke (p. 116). Dieser Hertz-
schen Ansicht tritt Nettleship (Lectures and Essays p. 233) entgegen. Indem er her-
vorhebt, dass Nonius mit Gellius verglichen öfters mehr biete, dass Nonius den Gellius
oft nicht benutze, wo man eine Benutzung erwarte, dass Nonius den Gellius vornehmlich
in den zwei ersten Büchern herangezogen, zieht er den Schluss, dass Nonius und Gellius
von einer gemeinsamen Quelle abhängen. Allein die Reihe, die Hertz (p. 96) aufweist,
dürfte doch die unmittelbare Benutzung des Gellius durch Nonius darthun; vgl. auch Lindsay
1. c. p. 90 Anm. u. p. 104 Anm. Trotzdem Gellius stark ausgebeutet ist, wird doch sein
Name verschwiegen, bezw. durch allgemeine Andeutungen ersetzt; vgl. Hertz p. 132. Non.
p. 493, 4 M. (2, 122 L. M.) apud veterem anctoritatis ohscurae == Gell. 1, 17, 2; p. 171, 20 M.
134 Nonius Marcellns. (§ 826.)
(1, 251 L. M.) et apud alium auctoritatis incertae = 18, 18, 6; p. 188, 8 M. (1, 276 L. M.) auc-
toritas prudentium = 14, 1, 24; p. 129, 9 M. (1, 184 L. M.) tw veterüms prudentihu» Ucium
est = 6, 6; p. 121, 20 M. (1, 172 L. M.) honeste veteres dixerunt = 8, 8.
Die Reihen bei Nonius. Zuerst ist folgende Beobachtung Schneidewin8(6dtt
gel. Anz. 1848 p. 697) von Bedeatung geworden: , Nicht selten stösst man auf ganze
Schichten von Gi taten aus einem und demselben Schriftsteller, wie z. B. Varro p. 167, Sisenna
p. 57 ff., Cicero p. 130 u. a., in fast ununterbrochener Folge. Hat diese Beobachtung «och
nicht 80 fruchtbringende Folgen, wie die schöne Müller sehe Entdeckung der Catoniana
und Plautina im Festus, so f&hrt sie doch darauf, dass wir unter Nonlns' Fflhrem auch an
Specialglossarien oder Schollen zu einzelnen Auetoren denken mOssen, denen er mitunter
genau folgte.* Ergänzt wird diese Beobachtung durch die Ausführungen von M. Hertz.
Opusc. p. 95. Tiefer griffen in diese Frage A. Riese, Ueber die Doppeltiiel Varroniscber
Satiren (Symbola philologorum Bonnensium, Leipz. 1864—67, p. 488) und Schottmaller.
Oeber die Bestandteile des ersten Kapitels des Nonius MarceUus (ebenda p. 809). Man
erkannte, dass auch in der Aufeinanderfolge der exzerpierten Autoren eine bestimmte Reihen-
folge erscheint. So macht Riese (p. 484) auf eine Reihe aufmerksam, in der wir folgende
Bestandteile finden: Lucilius (spätere Bftcher), Beispiele f&r Zeitwörter aus dramatischen
Dichtem, Adverbien, Cic. de off., Hortensius, de senectute, Stellen aus drei Anfangskomödieo
Amphitruo, Asinaria, Aulularia, 17 (oder 18) Satiren Varros, Gellius, fünf andere Satiren
Varros, Cic. de fin., Sisenna (B. 3 und 4), Cic. erat., de erat., Acad. Tose, Varro de n
rustica IIb. 1, de vita populi Romani und Cato. Eine andere Reihe, beginnend mit Plautos.
Lucretius, Attius, Pomponius, Lucilius u. s. w. ist von Schot tmflller aufgestellt wordes
(p. 811 f.). Die erschöpfendste Behandlung wurde unserer Frage von Paul Schmidt (De
Nonii Marcelli auctoribus grammaticis, Leipz. 1868) zu teil. Interessant ist es, aus deo
Reihen zu ersehen, dass Nonius Schriftsteller in verschiedenen Ausgaben benutzte, z. R
Lucilius; vgl. L. Müller 2 p. 250. So hat er eine Ausgabe, in der Cicero Tüll ins genannt
wurde, eine andere, in der er Cicero hiess; daraus folgerte man unrichtig, dass Nonios
hiebei an zwei verschiedene Schriftsteller dachte; vgl. L. M filier 2 p. 361. Neuerdings
wurde die Noniusfrage von Lindsay (Nonius MarceUus^ dictionary of repnblican latin, Ozfod
1901) eingehend behandelt; vgl.Wessner, Berl. philol.Wochenschr. 1902 Sp. 296; Froehde,
Wochenschr. für klass. Philol. 1902 Sp. 98. Eine Ergänzung bildet Lindaays Abhandlung,
De fragmentis scriptorum apud Nonium servatis (Rhein. Mus. 57 (1902) p. 196), wo e
die wesentlichen Resultate seiner Schrift also zusammenfasst: «Docui Nonium Marcellnn
in componenda Compendiosa Doctrina materiem suam ex XLl libris hausisse, qnos eoden
semper ordine ad partes vocat." (Es wird dann aufgezählt ausser mehreren Glossaren die
Reihe der einzelnen Schriftsteller und Ausgaben.) Femer p. 198: „Docui porro eos fontes
ea coDstantia a Nonio esse adhibitos, ut loci ex iis citati eundem ordinem in singulis Com-
pendiosae Doctrinae libris servent atque in fontibus ipsis.*
Fortleben des Nonius. Priscian, Gramm, lat. 2 p. 85, 20 „sifilum" quoque pr^
„sibilum" teste Nonio Marcello de doctorum indagine dicebant •= Non. p. 531, 2 M. (2, 189
L. M.); 2 p. 269, 24 „incus^ etiam „incudis^y quod ponit Nonius Marcellus de doctorum
indagine = Non. p. 523, 30 M. (2, 178 L. M.). 2 p. 499, 20 Noniiis tarnen MarceUvs dt
mutatis coniugationibiis sie ponit: ^sapivi^ pro „sapui'^ = Non. p. 508, 16 M. (2, 153 L. M.i.
Aber auch ohne Nennung des Namens sclireibt Priscian den Nonius aus; ein Vergleich Ob«
die Adverbialbildung p. 513, 12 M. (2, 161 L. M.) mit Priscian 8 p. 71, 3 zeigt dies. Auch
Fulgentius hat ilin in seiner Expositio sermonum antiquonmi ausgenfltzt; vgl. Fulgent
p. 112, 5 Helm: poUinctores dicti sunt qui funera morientia accurant = Non. p. 157, 21 M.
(1, 230 L. M.) poUictores sunt qui mortuos curanf; andere Beispiele bei L. M filier 2 p. 25J);
vgl. besonders Wessner. Comment. philol. Jenens. 6 pars 2 (1896) p. 106. üeber Nonm»
und die Glossare vgl. Goetz, Berl. philol. Wochenschr. 1889 Sp. 1831. Ein Glossar mit
seinem Namen im Corpus glossanim 5 p. 640. Vgl. auch Lindsay, Archiv für lat. Lex. 9
(1894) p. 598; Onions-Lindsay, Harvard studies in class. philol. 9 (1898) p. 67.
Die Subscriptio. Im Montepessulanus 212 s. X stand eine SubacriptiOy die mit
den nötigen Ergänzungen und Korrekturen also gelesen wird: Julius Tryfonianus Sabinm
protector dornest icus legi meum dominis Arcadio et Honorio quintum cans. (= J. 402!i.
prout sine magistro emendans adnotavi anno aetatis XXX et militiae quarto t» ciritaU
Tolosa; vgl. 0. Jahn, Ber. über die Verh. der sächs. Ges. der Wissensch. 1851 p. 334;
L. Müller 2 p. 261. Es ist derselbe Sabinus, der auch eine Recension des Persius g^
macht hat; vgl. § 384.
Ueberlicfcrung. Die nunmehr abgeschlossenen Untersuchungen Lindsajs
im Philol. 55 und 60 haben zu folgendem Ergebnis geführt, durch das die Aufistellungeo
L. Müllers ergänzt und berichtigt werden: Alle unsere Handschriften gehen auf einen
Archetypus etwa des 7. — 8. Jahrh. zurück, der am besten und vollständigsten wiedergegeben
wird durch die erste Hand des Lugdunensis Voss. 73 s. IX. Mit diesem Codex haben tJik
Nonins Marcellas. (§ 826.) 135
Abrigen, soweit sie in Betracht kommen, das Gemeinsame, dass ein Stück ans dem K. lY
durch Blattveraetzung ins £. I verschlagen war. Dieser Einschub war nicht vorhanden in
einem verlorenen , Codex optimus", der anscheinend nnr K. I — III enthielt und die Qnelle
▼on gewissen Korrekturen im Laurentianus 48, 1 s. IX ist. Die letztere Handschrift, die
aar K. 1 — III enthält, ist im übrigen ein Abkömmling vom Lugd. 73 (abweichend Onions
in seiner Ausg. p. XXIIl und p. XXVI), auf den wieder der Harleianus 2719 s. IX/X und der
EBCurialensis M III 14 s. X (ersterer für K. I — III, letzterer für II med. — III) zurückgehen,
Bo dass für diesen ersten Teil des Werkes nur Lugd. und die Korrekturen im Laur. als
selbständige Vertreter der besten Ueberlieferung (a) in Frage kommen. Daneben steht die
sweite Erlasse iß) der redigierten Handschriften, deren gemeinsame Vorlage dem Lugd. nahe
stand; Hauptvertreter ist der Guelferbitanus-Gudianus 96 s. X, femer eine Handschrift, auf
die der Parisinus 7667 s. X und der Escurial. (für K. I— II med.) zurückgehen; endlich ge-
hören hierher Korrekturen im Lugd. und Harleianus. Die dritte Klasse (y), ebenfalls dem
Lagd. durch die gemeinsame Quelle nahe verwandt, ist gekennzeichnet durch das Fehlen
des K. lü sowie durch die verkürzte Fassmtg. Ihr gehören in zwei Gruppen folgende Hand-
schriften an: (/) Paris. 7666 s. X, Vossianus 116 s. X/XI, Bamberg. M V 18 s. X, (/') Paris.
7665 -f Bern. 347 u. 357 s. X, Montepessulanus 212 s. X und Oxon. Bodleianus 279 s. X ex.
Für das umfangreiche K. IV sind Zeugen der ersten Klasse ausser dem Lugd. besonders
der Genevensis 84 s. IX (mit ihm anscheinend identisch der cod. Tomaesianus), der ebenso
wie der (zeitweise interpolierte) Bemensis 83 s. X und der (aus dem Genev. abgeleitete)
Cantabrigiensis Mm V 22 s. IX ex. nur dieses Kapitel enthält. Aus einer anderen trefflichen
Quelle stammen gewisse Korrekturen im Genevensis und Bodleianus, welch letzterer im
übrigen auf ersteren zurückgeht. Die zweite Klasse wird ausser durch den Guelferbitanus
durch Korrekturen im Escurial., Harleianus und Cantabr. vertreten, welch letzterer Quelle
f&r Paris. 7667 in dieser Partie ist. In der dritten Klasse haben wir nur die Handschriften
der zweiten Gruppe, da in denen der ersten Gruppe K. IV fehlt. Für den Rest des Werkes,
K. V — XX, ist das Verhältnis ähnlich, nur dass hier die erste Gruppe der dritten Klasse
den vollständigen Text gibt und somit zur ersten Klasse übertritt, die durch Lugd., Harl.,
Escurial., Paris. 7667 repräsentiert wird. — Aus der Eigenart der Ueberlieferung dürfte der
Schluss zu ziehen sein, dass die ganze compendiosa doctrina in drei dem Umfange nach
aemlich gleiche Teile zerlegt war, die nur im Lugd. gemeinschaftlich fortgepflanzt wird,
w&hrend sie im übrigen ihre eigene Ueberlieferung hatten; soweit andere Handschriften
mehr als einen Teil enthalten, sind sie aus Stücken diverser, wenn auch oft eng verwandter
Tradition zusammengesetzt. — Ueber die jungen Handschriften vgl. ausser L. Müller 2, 311
auch Onions in seiner Ausg. p. XXIV.
Litteratur zur Ueberlieferung. Baehrens, Zur Handschriftenkunde des Florus
und Nonius (Rhein. Mus. 30 (1875) p. 629); er handelt über Canonic. 279 s. XI in Oxford;
J. H. Onions, Nonius Marcellus de compendiosa doctrina (Anecdota Oxoniensia vol. I, pars 2
[Oxford 1882) p. 93); H. Meylan, Nonius Marcellus; collation de plusieurs manuscrits de
Paris, de Gen^ve et de Beme, suivie d'une notice sur les principaux manuscrits de Nonius
psr L. Havet, Paris 1886. Ueber den Laur. 48, l handelt Stowasser, Wochenschr. für
klass. Philol. 1888 Sp. 1540. Lindsay, On the quotations from old Latin poets in the
Escurial ms. of Non. Marc. (Classical Review 4 (1890) p. 346); Brown, The corrections
in the Florence M. S. of Nonius (ebenda 9 (1895) p. 396 und p. 447); Lindsay, The lost
»Codex optimus'' of Nonius Marcellus (ebenda 10 (1896) p. 16); Die Handschr. von Nonius
liarcellus I— III (Philol. 55 (1896) p. 160); über B. IV (ebenda 60 (1901) p. 217); B. V— XX
'ebenda p. 628); vgL Wessner, Bursians Jahresber. 113. Bd. 2. Abt. (1902) p. 152. Ueber
JsD cod. Tomaesianus vgl. Lindsay, Classical Review 15 (1901) p. 156; über den Archetypus
vgl. American Journal of philol. 22 (1901) p. 29; Die Noniushandschr. in Cambridge (Revue
le philol. 25 (1901) p. 50); Sur la provenance de quelques manuscrits de Noniut Marcellus
[ebenda 1902 p. 211); The emendation of the text of Nonius (Classical Review 1902 p. 46);
De fragmentis scriptorum apud Nonium servatis (Rhein. Mus. 57 (1902) p. 196).
Ausg. L. Müller unterscheidet vier Epochen in den Ausgaben, von denen die erste
bis zur Aldina reicht, die zweite bis zur Ausg. des Junius, Antwerpen 1565, die dritte bis
rar Ausg. Merciers, Paris 1583, bes. 1614 (Neudruck I^eipz. 1825), die vierte bis zur Neu-
teit. Derselben gehören an die Ausg. von Gerlach und Roth (mit der Expositio ser-
nonum antiquorum des Fulgentius), Basel 1842 (auf Grundlage des Gudianus 96); vgl. dazu
^chneidewin, Gott. gel. Anz. 1843 p. 689; die von L. Quicherat, Paris 1872, und die
jetzt massgebende von L. Müller, Leipz. 1888; vgl. die Besprechung von Stowasser,
(Wochenschr. für klass. Philol. 1888 Sp. 1539. Der Ausg. L. Müllers gingen noch folgende
Vnfs&tze von ihm voraus: Rhein. Mus. 21 (1866) p. 470; 24 (1869) p. 637; 27 (1872) p. 284;
>8 (1873) p. 508; Fleckeis. Jahrb. 93 (1866) p. 566; 95 (1867) p. 490; 97 (1868) p. 422). Hiezu
commt noch die englische Ausg. der drei ersten Bücher von J. H. Onions, London 1895;
^ettleship, The printed editions of Nonius Marcellus (Journal of Philology 21 (1893) p. 211);
136 Atilius Fortanatianiis. (§ 827.)
vgl. noch ScaligerB Unpublished emendatioDB in Nonios (Jonmal of philology 22 (1893)
p. 74). Eine neue Ausg. wird von Lindsay vorbereitet. Die Emendationen Bentleys sind
veröffentlicht im Rhein. Mus. 33 (1878) p. 465.
Zur Erläuterung. Quicherat, Introduction ä la lecture de NoniuB Marceline.
Paris 1872; Rönsch, Non. Marcellus und die Itala (Zeitschr. f&r Osterr. Gymn. 36 (18^öi
p. 87) = Collectanea philol., Bremen 1891, p. 266; J. Vahlen, Analectonun NoniaDoruin
libri duo, Leipz. 1859; H. Nettleship, American Journal of philoLS (1882) p. 170 ^ Lectores
and Essays, Oxford 1885, p. 277; Onions, Journal of philol. 11 (1890) p. 79; 12 (1891
p. 77; 16 (1895) p. 161; 18 (1897) p. 89; Stowasser, Noniana, Freistadt 1884; Havel.
Noniana (Revue de philol. 15 (1891) p. 61; 20 (1896) p. 22); Francken, Noniana (Mnemos
26 (1898) p. 373 J.
2. Atilius Fortunatianus.
827. Die Metrik des Atilius Fortunatianus. Mit der Metrik des
Caesius Bassus war die Metrik eines uns nicht näher bekannten Atilius
Fortunatianus zusammengeflossen (§ 384 a). Erst nachdem beide Werke
durch sichere Kriterien von einander geschieden waren, konnte in eine
richtige Würdigung derselben eingetreten werden. Atilius Fortunatianus
schreibt sein metrisches Handbuch für einen jungen, vornehmen Mann,
der ganz mit rhetorischen Studien beschäftigt ist und sich das Ziel ge-
setzt hat, ein guter Redner zu werden. Der Autor darf daher nicht zu
sehr in das Detail eingehen. Zunächst will der Adressat nur über die
Metra des Horaz Belehrung erhalten; allein um eine Grundlage für diese
Unterweisung zu bekommen, schickt der Verfasser die allgemeinen Grund-
sätze der Metrik voraus. Der Autor gibt sich den Anschein, als hätte
er viele Quellen durchmustert, in Wahrheit aber wird er nur aus wenigen
Handbüchern, besonders aus Caesius Bassus, geschöpft haben.
Veranlassung und Aufbau des Werkes. In einer voraasgehenden Widmnne;
heisst es: scio te omni studio atque rirtitte in hoc maxime lahorarCf iU oratorem te perfid
velis, et hoc unutn in animo rohere, quo ovo et quo patre sis natus, dies noctesque insi$tere,
uf eloquentia Senator iam cumules dignitatem .... accipe igitur Horatiana tnetra, quae tat-
pius ftagitasti .... quare necessario altius et ab ovo mihi, quod aiunt, repetenda res e^,
ut de metris ipsis principalibus ante percurram, quo magis haec quibus intendimus in
aperto esse possint. p. 279, 2 igitur ut a certo initio auspicemur, de litteris pocalibus paua
dicam, simul ne onerare te ridear, cum artem grammaticam et intellexeris apud me et mt-
moriae mandarcns diligenter, praesertim cum satis meminerim me tibi amnem summam
metrorum brevitate poUicitum,
Quellen, p. 278, 15 sed, ut ille (Sali. Cat. c. 4) ait, carptim, ut quaeque memoria
digna videbantur, de multis auctoribus excerpta perscripsi. quod si omnia velis cognascert
et nomina et genera metrorum, cum tibi ab oratoria otium fuerit, veteres lege musicoSf id
est, ut ait Lucilius, archetypos, unde haec sunt omnia nata. p. 294, 5 cetera partim «
Horatio rerognosces, partim in archeti/pis auctorum libris, unde haec nos excerpnmut.
p. 302, 20 Philoxenus ait; vgl. G. Schultz, Aus der Anomia, Berl. 1890, p. 51. H. Keil
p. 258: „partim Caesium Bassum partim Jubam auctores secutus est. quo factum est ut
et cum fragmento Caesii Bassi et cum aliis artis mctricae scriptoribus, qai iifldem auc-
toribus usi erant, in primis cum Mario Victorino et Diomede et cum fragmento ex Bobieitti
codice in analectis grammaticis Vindobonensibus p. 516 sqq. edito, saepe consentiret; gra^
conim autem poetarum exempla complura, quae ab Heliodoro, ut videtur, ad Jabam pro-
pagata erant, servaret". — H. Wentzel, Symbolae criticae, Breslau 1858, p. 11; West-
phal, Griech. Metrik 1-* p. 128 u. 158; Westphal, Griech. Rhythmik (Theorie der mua-
schen Künste der Hellenen 1* (Loipz. 1885) p. 205; 0. Hense, De Juba aiügrapho (AcU
soc. philol. Lips. 4 (1875) p. 152 u. 156); Consbruch, De veterum 7ibqi noitjfjiaxoq doctrins
(Breslauer philol. Abb. 5 (1890) p. 95); Pauly Wissowas Realencycl. 2 Sp. 2082.
Ueberlieferung. lieber dieselbe vgl. § 384a (II, 2 p. 72). Erhalten ist uns die
Sclirift nur durch eine Abschrift, die J. Parrhasius von einem jetzt verloren gegangenen
cod. ßobiensis genommen; vgl. H. Keil, Gramm, lat. 6 p. 245.
Ausg. Editio princcps des J. Parrhasius, Mailand 1504, die ebenfalls aus der
Abschrift des Parrhasius geflossen ist; H. Keil, Gramm, lat. 6 p. 278; AtiL Fortom-
Marios Victorinas. (§ 828.) 137
ianus liber de metris ad fidem cod. Neapolitani rec. H. Keil (Ind. lect. Halle 1885); vgl.
I. Keil und G. Jürgens, Observationes in Gaesium BasBum et Atiliam Fortunatianum
Ind. lect. Halle 1880).
DerMetrikerEnsebius. Unter denen, welche in lateinischer Sprache de numeris
;eechrieben, wird Rhet lat. min. p. 581, 18 (Halm) ein Eusebins genannt, der nicht näher
lestimmt werden kann; vgl. noch p. 598, 20.
3. C. Marius Victorinus.
828. Biographisches. C. Marius Victorinus stammte aus Afrika, wie
ier Beiname Afer bekundet, und erhielt hier wohl jedenfalls seine rhe-
torische Bildung; die Stätte seines Wirkens aber war Rom. Als gefeierter
Khetor unterrichtete er zahlreiche Jünglinge vom höheren Stande; sein
Eluhm stieg derart, dass ihm eine Statue auf dem Trajansforum gesetzt
wrurde. Aber nicht bloss als Lehrer, sondern auch als Schriftsteiler war
ar in seinem Fache thätig; selbst die mit der Rhetorik eng zusammen-
hängende Grammatik fand bei ihm schriftstellerische Pflege. Auch in die
philosophische Bewegung der Zeit griff Victorinus mächtig ein; er über-
setzte Schriften von Plato, Aristoteles und gab auch eigene philosophische
Arbeiten, die sich auf die Lehre von der Definition und den Schluss be-
ziehen, heraus. Damals blühte in Rom die neuplatonische Philosophie,^)
und zu ihr trat unser Rhetor in die engsten Beziehungen, wie schon
daraus hervorgeht, dass er die Isagoge des Porphyrius übersetzte. Ein
Wendepunkt seines Lebens war der Uebertritt zum Christentum; derselbe
erfolgte, als Victorinus bereits sehr in Jahren vorgeschritten war, vor 357.
Der Neuplatonismus stellte leichte Brücken zu der christlichen Lehre her;
Victorinus vertiefte sich zwar jetzt in die heilige Schrift und in die ge-
samte christliche Litteratur, allein die neuplatonische Denkungsart abzu-
legen, konnte ihm nicht gelingen. Auch hielt er sich lange von dem christ-
lichen Gottesdienste fern, indem er scherzhaft sagte, dass die Kirchen-
wände nicht den Christen ausmachten. An seinen theologischen Schriften
wurde die grosse Dunkelheit beklagt, allein diese Dunkelheit lichtet sich,
wenn man sie vom neuplatonischen Standpunkte aus betrachtet.
Zeugnisse über Victorinus. Hieron. de vir. Ulustr. 101 Victorinus, natione Afer,
Romae sub Constantio principe rhetoricam docuit et in extrema aenectute Christi se tradens
fidei .... Praef. comment. in epist. ad Galat. non quia ignorem C. Marium Victorinum,
qui Romae me puero rhetoricam docuit, edidisse commentarios in apostolum, sed quod occu-
patus nie eruditione saecularium litterarum omnifio sanctas ignoraverit. Hieronym. z. J.
2870 = 353 n. Chr. (2 p. 195 Seh.) Victorinus rhetor et Donatus grammaticus praeceptor
mens Romae insignes habentur. e quibus Victorinus etiam statuam in foro Traiani meruit.
Augostin. confess. 8, 2, 3 ille ( Victorinus) doctissimus senex et omnium liberalium doctrinarum
peritissimus quique philosophorum tarn multa legerat et diiudicaverat, doctor tot nobilium
stnatarum, qui etiam ob insigne praeclari magisteriiy quod cives huius mundi eximium
putant, statuam Romano foro meruerat et acceperat; 8, 5, 10 Juliani temporibus lege data
prohibiti sunt Christiani docere litteraturam et oratoriam — quam legem ille (Victorinus) am-
pUxus loquacem scholam deserere maluit; 8, 2, 3 sacrorumque sacrilegorum particeps, quibus
tunc tota fere Romana nobilitas inflata inspirabat populo iam {Osirim: Ihm) et omnigenum
deum monstra et Anubem latratorem .... quae iste senex Victorinus tot annos ore terri-
erepo defensitaverat ; 8, 2, 4 Legebat (Victorinus), sicut ait Simplicianus, sanctam scripturam
(nnnesque christianas litteras investigabat studiosissime et per scr utabat ur et dicebat Simpli-
Hano non palam, sed secretius et familiarius: „Noveris iam me esse Christ ianum** . Et
*) Augnstin. epist. 118, 33 ad Dioscor. ' scipulos multos acutissimos et soUertissimo!<
Plotini schola Romae floruit habuitque condi- viros.
138 Marias Victoriiiiui. (( 829.)
respondehat ille: „Non credam nee deputabo U inter ehristianas, nisi in eeclesia Chritti te
videro*, Ille atäem irr idebat dicens: „Ergo parieiea faciunt ehristianosf^ Nicht gUuibhAft
ist die Angabe Cassiodors de inst. div. c. 5 (70 Sp. 11 17 Migne) Victarinu» ex oraiore epii-
copus, da diese Nachricht sonst nirgends bestätigt wird. — G. Koffmane, De Mario Vic-
torino philosopho Christiane, Breslau 1880, p. 2; Gore, Dictionary of Christian Biographr
Bd. 4 (London 1887) p. 1136; G. Geiger, C. Marios Victorinus Afer, ein nenplatonischer
Philosoph, 1 (Metten 1888) p. 8; 2, Metten 1889; Reinh. Schmid, Marias Victorinos Bhetor
und seine Beziehungen zu Augustin, Eael 1895, p. 6.
829. Die ars grammatica des Marias Victorinus. Unter diesem
Titel ist uns ein umfassendes Werk erhalten, das aber in Wahrheit ein
Lehrbuch der Metrik ist. Im Eingang werden zwar einige Grundbegriffe
der Grammatik und ihre Elemente behandelt, in der Regel in der Form von
Fragen und Antworten, allein dann geht die Darstellung zur Metrik über und
bleibt diesem Stoff treu bis zum Schluss, nur dass der allgemeinen Metrik
noch eine spezielle über Horaz im Anhang beigegeben ist. Mit einem sach-
kundigen und selbständigen Mann haben wir es in diesem Werk nicht zu
thun. Für seine Unselbständigkeit legt besonders die Thatsache Zeugnis
ab, dass er das metrische Handbuch des Aelius Festus Aphthonius mit
geringen Aenderungen und Zusätzen einfach herübemahm; er verfuhr aber
dabei als ehrlicher Mann; denn wie aus der Ueberlieferung zu erschliessen,
gab er das fremde Gut nicht als eigenes aus, sondern führte die entlehnte
Partie, wie dies auch Charisius that, unter dem Namen des Autors dem
Leser vor. Auf seine Rechnung ist daher nur der grammatische Eingang
zu setzen und höchst wahrscheinlich auch der die Metrik des Horaz be-
handelnde Anhang. Die Ars des Marius Victorinus gehört also in ihrem
Kern dem Aphthonius an, und wir haben uns immer dessen zu erinnern,
wenn wir unsern Grammatiker aufschlagen. Was aber den Aphthonius
anlangt, so bietet sein Werk, dessen Anfang durch eine Lücke verloren
ging, die Merkwürdigkeit dar, dass die zwei metrischen Systeme des Alter-
tums, ohne dass der Autor die daraus entstehenden, widrigen Eonsequenzen
merkt, miteinander verschmolzen sind. Eine Richtung ging nämlich von
einer Anzahl von Grundrhythmen, metra prototypa oder physica genannt,
aus, eine andere dagegen wollte alle Metra von dem Hexameter und dem
jambischen Trimeter abgeleitet wissen; das erste System wurde den Rö-
mern durch Juba, das andere durch Varro und Caesius Bassus nahe ge-
bracht. Wie Aphthonius, so hat auch Marius Victorinus an dieser Ver-
quickung keinen Anstoss genommen. Als Quellen des metrischen Hand-
buchs lassen sich Terentianus Maurus, Caesius Bassus, Juba und Thaco-
mestus erkennen; von denselben ziehen die beiden letztgenannten unsere
Aufmerksamkeit in hohem Grade an. Für die Geschichte der Metrik ist
daher die Arbeit des Aphthonius von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
In der grammatischen, dem Marius Victorinus selbst angehörenden Ein-
leitung stossen wir auf Landläufiges, wie es sich auch bei Charisius, Dio-
medes und Dositheus findet. Dagegen steht höher der hier eingereihte
Traktat über die Orthographie; denn es unterliegt keinem Zweifel, dass
wir in demselben kostbares Gut des ausgezeichneten Grammatikers Verrius
Flaccus aus der augustischen Zeit haben. Vielleicht gehören unserem
Grammatiker auch zwei in Fragen und Antworten abgefasste Schriften
über Grammatik und Metrik an, wenngleich die Ueberlieferung hier nur
Xariaa Yictorinns. (§829.) 139
är einen Victorinus zeugt. Dass die Grammatiker in verschiedenen Kursen
bren Stoff behandelten, ist genugsam bekannt. Ausreichend bezeugt ist
ireiterhin für ein dürres Schulbüchlein de ratione metrorum die Autor-
chaft eines Maximus oder Maximinus Victorinus; es ist uns aber nicht
Qöglich, über diese Autorschaft etwas Bestimmtes .zu sagen. Ohne Stütze
ler Ueberlieferung wird diesem Victorinus ein ebenso dürres Schulbuch
le finalibus metrorum beigelegt, da es in der Ueberlieferung auch unter
lem verdorbenen Namen Metrorius erscheint. Fest steht, dass beide
»chriften nichts mit Marius Victorinus zu thun haben.
Zeugnisse über Marina Victorinns. Rnfinus comment. in metra Terentii (Gramm,
it 6 p. 556, 23) Victorinus sie dicit; vgl. Marias Victorinus p. 78, 19. Gramm, lat. 6
. 557, 19 Idem Victorinus in alio loco de iambo sie dicit; vgl. Marius Victorinus p 80, 27.
. 565, 3 zählt Rufinus ihn unter denjenigen auf, welche gebundene Rede bei den Komikern
nd scenischen Dichtem überhaupt statuieren. Fragm. Sangallensia (Gramm, lat. 6 p. 639, 15)
ed alii, ut Victorinus, putant; vgl. Marius Victorinus p. 104, 9; 107, 10.
üeber den Titel vgl. H. Keil praef. p. VII. Der Palatinus führt auf den Titel
rs grammatica; im Parisinus heisst es: inci^it ars grammatica Victorini Mari de ortho-
raphia et de metrica ratione und explicit ars grammatica Victorini Mari de orthographia
t de metrica ratione,
Marius Victorinus und Aelius Festus Aphthonius. Zum vierten Buch der
TB grammatica finden wir die Subscriptio: Äelii Festi Aphthonii v{iri) p{erfectissimi) de
^€tris Omnibus explicit Über IUI; vgl. H. Keil p. 173, 32. Auf die Bedeutung dieser Sub-
criptio hat Bergk, Krit. Analekten (Philol. 16 (1861) p. 639) aufmerksam gemacht. Er wollte
uf Grund dieser Subscriptio die ars dem Aelius Festus Aphthonius beigelegt wissen; das
araoffolgende, über die norazischen Metra und der Anhang, hat nichts mit Aphthonius zu
hun und wird somit dem Marius Victorinus beizulegen sein; vgl. H. Keil, Quaest. gramm.
»ars I de Marii Victorini arte grammatica (Ind. lect. Halle 1871 p. V) und dagegen Schultz
. c. p. 52, der auch diese Partie dem Aphthonius beilegt; allein die genannte Subscriptio
lacht Schwierigkeiten. Die nächste Frage ist, wo Aphthonius beginnt; da es nun sehr wahr-
cheinlich ist, dass wie der Schluss, so auch der Anfang des Aphthonius in dem Werk be-
eichnet war, so ergibt sich von selbst die Vermutung, dass die Bezeichnung des Anfangs
Inrch die Lücke, welche wir 31, 16 antreffen, verloren ging. Damach würde auch der An-
ang nicht von Aphthonius, sondein von Marius Victorinus herrühren. Dies bestätigt auch
ine n&here Betrachtung des der Lücke vorausgehenden und ihr nachfolgenden Teils; hier
laben wir ein von den Elementen ausgehendes metrisches Handbuch, dort einen grammatischen
iVaktat, in dem nach Erörterung des Begriffs ars gehandelt wird de voce, de litteris, de ortho-
raphia, de "^gllabis. Auch tritt in der ersten Partie die Schulform viel stärker hervor als in
ler späteren; es wird auch über litterae und syllabae von verschiedenem Standpunkt zwei-
mal gehandelt. Auch Verschiedenheit der Quellen liegt in den beiden Abschnitten vor;
gl. Keil, Quaest. gramm. p. VIII. Also gehören dem Aphthonius 31, 17 — 173,31. Dem
Lphthonius gegenüber ist Marius Victorinus wesentlich Abschreiber, wenn er auch hie und
!a Aenderungen und Zusätze vornahm; vgL Keil, Praef. p. XVII; Quaest. gramm. p. XI.
(eine sklavische Abhängigkeit geht sogar soweit, dass er, wie C. Thiemann (Fleck eis.
ahrb. 107 (1873) p. 429) aus 47, 3 und 58, 17—59, 5 nachweist, auch die Randbemerkungen
ler Handschrift übernommen hat. Allerdings will das geschilderte Verfahren schlecht zu
lem Bilde passen, das wir von des Victorinus sonstiger schriftstellerischer Thätigkeit kennen ;
8 hat daher L. Jeep (Zur Gesch. der Lehre von den Redeteilen bei den lat. Grammatikern,
ieix>z. 1893, p. 82) die Vermutung ausgesprochen, dass die Grammatik des Marius Victo-
inas von einer fremden Hand oder sogar durch Zufall mit dem Werk des Aphthonius ver-
tnigt wurde (p. 84). Freilich setzt diese Hypothese voraus, dass der Abschnitt de metria
^oratianis nicht von Victorinus stamme, und dass die Subscriptio des Parisinus explicit ars
rrammatica Vietorini Mari de orthographia et de metrica ratione, als möglicherweise aus
lem Vorhergehenden entnommen, nicht beweisend sei. Allein da auch der erste Teil, wie
[er orthographische Traktat zeigt, starke Compilation enthält, und da auch Charisius eine
tolche Einlage hat, wird man sich doch bei der Autorschaft Victorins beruhigen müssen.
Mese Schulschriftstellerei macht offenbar auf Originalität keinen Anspruch.
Das metrische Handbuch des Aphthonius. Das erste Buch enthält die Ele-
nente, das zweite handelt de prototypis speciebus novem, das dritte de coniunctis inter se
i mixtis metris, das vierte de conexis inter se atque inconexis quae Graeci ilavvttQirjtn
iKant, Ueber Terentianus als Quelle vgl. H. Keil, Quaest. gramm. p. IX; über Juba vgl.
Ceil L c. und besonders p. X (§ 606); derselbe wird zweimal citiert: p. 94, 6 at Juba
140 Marina Viotorinna. (§ 829.)
fMster, qui inter metricos auctaritatem primae eruditionis abtinuUy insMtens Ueliodori retti-
güSj qui inter Graeco/t huiusce artis antistes aut primus aut solus est, negat hoc Vitium,
ut quidam adserunt, rhythmicum fore, sed mage metrica ratione eontingere. p. 88, 4 ut Juha
tioster atque alii Graecorum opinionem secuti referunt. üeber Caesius Baaaiia veL Keil.
Praef. p. XVI. lieber Jaba vgl. noch besooders 0. Hense, De Jaba aiügrapno (Acta
societatis philol. Lipsiensis 4 (1875) p. 123). Eine umfaaaende Quellenantersnchang wurde
vorgenommen von G. Schultz, Quibus auctoribuB Aelius Featua Aphthoniaa de re metrica
nsus sit, Breslaa 1885. Derselbe macht besonders anfThacomeafcoa, der 140,3 dtiert ond
circa 150 n. Chr. angesetzt wird, als Quelle aufmerksam; Qber denselben vgl. auch F. Leo,
Die beiden metrischen Systeme des Altertums (Hermes 24 (1889) p. 283 Anm. 2). lieber
Aristoxenisches in den Quellen des Aphthonius vgl. F. Blass, Kleine Beitr. z. griech. Mefarii
(Fleckeis. Jahrb. 18H (1886) p. 451); R. Westphal, Griech. Rhythmik (Theorie der mus-
sehen Kflnste der Hellenen V (Leipz. 1885) p. 206). Ueber die Widersprüche, welche durch
Vereinigung zweier metrischer Systeme entstanden sind, vgl. R. Westphal p. 205 und da-
gegen J. Caesar, De verborum arsis et thesis apud Script, artis metricae lat., inprimif
Marium Victorinum significatione (Ind. lect. Marb. 1885). Üeber Verwimingen im oritteD
Buch vgl. L. Kayser, Philol. 6 (1851) p. 706.
Der grammatische Teil der ars. Ueber die Quellen vgl. Keil, Qnaeat. gramm.
p. VIII: «priora illa de arte, de voce, de litteris et syllabis ab iisdem auctoribos, quos
reliqui artium scriptores sequebantur, petita sunt, plurima enim cum Charisii, Diomedia,
Dosithei commentarils, quos ex uno fönte derivatos esse constat, ut Maximi Victorini artem
quae fertur nunc omittamus, consentiunt; pauca quae apud illos non inveniontar ipse Tic-
torinus addidit, ex quo genere sunt definitiones artis p. 1 a graecis artium scnptoribiu
receptae et notationes litterarum p. 6, de quibus non constat, cui auctori debeantor.* BezQg-
lieh der Quellen des Commentars über die Orthographie vgl. W. Schady, De Mari Victofini
librl I capite IV quod inscribitur de orthographia, Bonn 1869. Wenn auch die Ansicht
Schady 8, dass der Traktat ein unmittelbarer Auszug aus Verrius Flaccus de orthographia
ist, nicht haltbar ist, so muss doch zugegeben werden, dass Verrianisches Gut in dem
Traktat steckt. Wahrscheinlich ist eine auf Verrius Flaccus zurfickgehende, längere Quelle
anzunehmen, in der auch andere Grammatiker benutzt waren; vgl. § 341a (II, 1 p. 326 K
Die horazische Metrik. Keil p. 174, 1 inter initia huius operis, id est in prima
odey excusareram brevitatis studio, cuius amirus sum, singuhrum asmatum exempla pro-
fWHvre. verum ne quid serupuhso leetori ad querellam linquerem, placuit omnia quae apwl
Iloratium metra tarn in carminihus quam epodis continentur sub exemplis singulorum a$-
matum nc propria specierum designatione comprehendere. V. schliesst seine AufEfthlung
der horazischen Metra mit den Worten (p. 183, 19): habentur itaque apud Horatium hahita
dinumeratione metrorum genera XXI in libris carminum et epodis. Es folgen dann Defini-
tionen der Ode (p. 188, 22), des Melos (183, 29), des Colon (p. 184, 9) und des Comma (184, 10).
Die Ueberlieferung der ars grammatica basiert auf den drei Handschriften
Palatinus 1753 s. IX/X, Valentinlanus M. 6, 10 s. IX und Parisinus 7539 s. IX. Diese Hand-
schriften enthalten allein das vollständige Werk. Der orthographische Traktat im Auszug
befindet sich in vier Vaticani s. XV: Vatic. 1493; 2725; 2930; Urbinas 452, herausgegeben
von H. Keil, Ind. lect. Halle 1874. Vgl. H. Keil, Gramm, lat. 6 p. VII; über das Ver-
hältnis der Handschriften zu einander p. XII.
Ausg. Erste vollständige Ausg. von J. Camerarius, Ttkbingen 1537; massgebende
von H. Keil, Gramm, lat. 6 p. 3.
Der Grammatiker Victorinus. Mit einem Grammatiker Victorinus werden auch
zwei Schriften in Verbindung gebracht, eine grammatische und eine metrische. Beide ge-
hören sicherlich einem Verfasser an; vgl. H. Keil, Gramm, lat. 6 p. XXIV. In der Ueber-
lieferung wird die Autoi-schaft vorschieden angegeben; im Vaticanus Reginensis 1587 a X
wird die ars einem Victurintts (sie), im Sangallensis 877 s. IX/X einem Victorinus gram-
mofirus, im Bobiensis-Vindoboneusis 16 s. VllI dem Palaemon beigelegt. Die metrische
Schrift wird im Parisiuus 7559 s. X dem Palaemon zugeteilt: incipit ars Palaemonis de
niefrira inntitutione de hexametro usu seu heroico. In der editio princeps wurden beide
Schriften von Putsche dem Maximus Victorinus zugeschrieben. Da der Verfasser der
metrischen Schrift zur Zeit des Lactantius, d. h. des Kirchenvaters, lebte (vgl. 209, 1 1 nastra
(jufujue memoria lAicfanfius), in diese Zeit aber auch das Leben des Marius Victorinus ftllt
da ferner die grammatische und die metrische Schrift einem Verfasser angehören, so ist
die Zuteilung unserer beiden Schriften an C. Marius Victorinus nicht gerade als absurd ni
bezeichnen, wenngleich ein ausreichender Beweis noch fehlt. Es würde sich dann nach
Keil (p. XXVI) folgendes Bild der grammatischen Schriftstellerei des Marius Victorinus
ergeben: „lumc morem ita secutus esse videtur Victorinus, ut primum et de nniversa arte
grammatica breviter scriberet et de metris pauca delibaret, deinde de elementis artis et de
orthographia copiosius disputaret et praetermissis reliquis grammaticae artis parfcibns omnem
Marina Victorinas. (§ 880.) 141
metroram doctrinam Aphthonü libris in sunm usrnn conversis exponeret*. Keil, Qaaest.
gramm. II p. XII. Ueber die BerOhruDgen des grammatiBchen Teils der grösseren und der
kleineren Ars vgl. Keil p. XXV. Ueber den Zastand der beiden libri sagt Keil (p. XXIV):
,eo8dem ex antiqniore lioro neglegenter coUectos et pertorbato ordine verborum depravatos
esse apparet praeter ea qnae casu periemnt vel perturbata sunt, uterque Über curam
grammatici experkis est, qui ea quae nunc legimus collegit et in hanc formam redegit.
de metris quidem veterem auctorem plura scripsisse vel scripturum fuisse, quam nunc super-
snnt, in fine commentarii de hexametro indicatum est p. 215, 24, hactenus de hexametro
dartffUeOf de ceteris vero suo loco. aliam autem recensionem eamque ex parte meliorem
habebat Audax' (vgl. Gramm, lat. 7 p. 317). Ueber das Verbaltnis zu Audax vgl. L. Jeep,
Redeteile p. 85. Herausgegeben sind die beiden Schriften von H. Keil, Gramm, lat. 6
p. 187 und 206. In der ereten Schrift ist Führer der Sangallensis, in der zweiten der ge-
nannte ParisinuB. — F. Osann, Beitr. zur griech. und röm. Litteratnrgesch. 2 (1839) p. «S52;
H. Wentzel, Symbolae crit., Bresl. 1858, p. 55.
Der Grammatiker Maximus (Maximinus) Yictorinus. Ein Schriftchen de
ratione metrorum wird im Bobiensis-Vindobonensis 16 s. VIII/IX dem Maximinus Vic-
torinutf, im Monacensis 6281 s. X dem Maximianus Victorinus, im Monacensis 19484 s. X
dem Maximus Victarinus, im Parisinus 7491 s. X und Paris, suppl. 69 s. XI dem Maximus
Vieforinus beigelegt. Auch bei Beda (Gramm, lat. 7 p. 248, 17) wird der Autor als Vic-
tor inits citiert Damach steht die Autorschaft eines Maximus oder Maximinus Yictorinus
fOr dieses Schriftchen fest, wenngleich über diesen Grammatiker nichts näheres bekannt ist.
Das Schriftchen hat keinen Wert für uns; vgl. Keil p. XXIV „non solum a liquentibus
litteris parum apte initium fit, sed in reliquis etiam partibus de mensura syllabarum et de
scansione versuum ita disputatur, ut et iusta ratio desideretur, et multa omissa esse ap-
pareat. cuius neglegentiae exemplum relictum est p. 219, 23. '' Dagegen hat nichts mit diesem
yictorinus zu thun das Schriftchen de finalibus metrorum, das gewöhnlich mit dem-
selben verbunden erscheint. Dasselbe wird offenbar im Missverständnis des metrorum einem
Metrorius, der auch in manchen Handschriften den Zunamen Maximinus erhält, beigelegt;
auch dieses Schriftchen ist für uns wertlos. Ueber ein verwandtes dem Servius beigelegtes
Schriftchen vgl. § 835 p. 158. Beide Schriftchen herausgegeben von H. Keil, Gramm, lat. 6
p. 216; 229, besonders auf Grundlage des Bobiensis-Vindobonensis 16 s. VIII/IX. — H. Keil,
Qnaest. gramm. Pars 11 de Maximi Victorini libris de arte grammatica qui feruntur (Ind. lect.
Halle 1871).
830. Commentare, Uebersetzungen und philosophische Schriften.
Neben der Grammatik betrieb Marius Victorinus auch die Rhetorik, welche,
da er Rhetor heisst, seine eigentliche Fachdisziplin war. Auch von dieser
Thätigkeit liegen uns Erläuterungen zu Ciceros Jugendschrift de inventione
vor; allein uns befriedigt der Commentar nur sehr wenig. Zwar verleugnet
er das philosophische Denken des Verfassers nicht, allein er lässt die Ge-
schichte und die griechische Rhetorik beiseite liegen; er spendet uns daher
keine Belehrung fQr die Altertumsstudien, nur für die Geschichte des da-
maligen Schulunterrichts kann er in Betracht kommen ; auch für die Kritik
leistet er den einen und den anderen Dienst. Nach derselben Methode
waren wohl auch der Commentar zur Topica und die Commentare zu philo-
sophischen Schriften Ciceros abgefasst, so dass wir den Verlust dieser
Arbeiten nicht zu beklagen haben. Viel wichtiger ist eine andere Thätig-
keit des Victorinus, durch die er Aristoteles den Römern vermitteln wollte;
er übersetzte nämlich die Kategorien und die Schrift nsgl igfxijvsiag. Auch
die Isagoge des Porphyrius übertrug er ins Lateinische und kam dadurch
mit dem Neuplatonismus in enge Fühlung. Der Neuplatonismus musste
ihn aber auch auf die Quelle, auf Plato selbst, zurückführen, und in der
That wird auch von Uebersetzungen platonischer Dialoge berichtet. Ja
sogar zu selbständigen philosophischen Arbeiten fand, wie oben bereits
erwähnt, der eifrige Gelehrte Zeit und Müsse. Er schrieb eine Unter-
suchung über die Definitionen; mit Unrecht wurde diese Schrift dem
Boethius zugeschrieben, aber äussere und innere Kriterien lassen nicht
142 Marias Victorinas. (§ 830.)
den mindesten Zweifel aufkommen, dass wir ein Werk des Victorinus vor
uns haben. Wir erkennen einen philosophisch gebildeten Rhetor, der gern
aus seinem Cicero Belege beibringt. Eine zweite Schrift, über die hypo-
thetische Schlussform, ist uns nicht mehr erhalten.
Zeugnisse fiber die schriftstellerische Thfttigkeit des Victorinus. Zu
Cassiodor Buch 2 der inst. div. et saec. ist am Schluss der Dialektik in der Bamberger
Handschr. hinzugefügt: Isagogen (nämlich des Porphyrius nBQi xtov mrte g>ioyiSr) transtulu
Victorinus orator, commentum eius quinque Ubria vir magnifictis Boethius edidit. categoria^
idem transtulit Victorinus^ cuius commentum octo libris ipse quoque formavit. Peri hermeninx
supra memoratua Victorinus transtulit in latinum, cuius commentum sex libris patricim
Boethius minutissima disputatione tractavit, Apuleius vero Madaurensis syllogismos ecUegoricw
breviter enodavit (vgl- § 562 p. 106). Victorinus de syllogismis hgpothtticis dixit. quindecim
quoque species esse definitionum idem Marius Victorinus diligenter edocuU. topica AristoteIi$
Cicero transtulit in latinum, cuius commenta prospector atque amator Latinorum Vietorinw
quattuor libris exposuit. Vgl. Usener p. 66. Von den in der Stelle genannten Schriften
sind uns zwei erhalten: de definitionibus und der Commentar zu Cicero de inventione.
tt) De definitionibus. Unter den Schriften des Boethius erscheint auch eine Schrift
de definitionibus. H. Usener, Anecdoton Holderi (Festschr. zur XXXI i. Philologenversamm-
lung zu Wiesbaden, Bonn 1877, p. 59) hat den unumstösslichen Beweis geliefert, dass dieses
Schriftchen dem Rhetor C. Marius Victorinus angehört. Schon die handschriftliche Uebe^
lieferung spricht dafür; denn während einerseits in den Boethiushandschriften das Werk-
chen nicht ausdrücklich dem Boethius beigelegt wird, berichtet A. Mai (Classici auct. 3
(Rom 1831) p. 815) von einer leider nicht mehr auffindbaren Handschrift s. XI, in der dis-
selbe unter dem Namen des Victorinus aufgeführt war. Auch an anderen äusseren Zeug-
nissen fehlt es nicht: Boethius in seinem Commentar zu Ciceros Topik bezieht sich unter
Anfuhrung des Victorinus auf unsere Schrift (p. 824, 46 Orelli) hunc locum Victorinus unius
Voluminis serie aggressus exponere et omnes definitionum differentias enumerare multoi
interseritj quae definitiones esse paene ab omnibus reclamantur; vgl. noch p. 327, 4 hat
sunt definitionum differentiae, quas in eo libro, quem de definitionibus Victorinus edidit,
annumeravit. Auch Isidor legt Zeugnis für die Autorschaft des Victorinus ab; denn in
seinen origenes 2, 29 führt das Kapitel, in dem er die Definition behandelt, den Titel dt
divisione definitionum ex Marii Victorini libro abbreviata, Isidor hatte aber diesen Auszug
nicht unmittelbar aus Victorinus gemacht, sondern ist hierbei einem Compendium gefolgt
das wir auch in Cassiodors institutiones divinarum et saecularium litterarum Bd. 2 p. 539
verwertet finden. Endlich legt das Schriftchen selbst Zeugnis für Victorinus ab, indem es
auf ein anderes Werk desselben Verfassers bezieht (p. 25, 13 St.) nos quia iam uno libro
et de bis quinque rebus plenissime disputarimus, ne res rei interposita obscuritatem pariat
aut dicta repetomusy lectorem ad librum qui iam scriptus est, si adest ei indigentia^ ire
volumus. Das Buch, auf das verwiesen wird, ist Victorins Uebersetzung der Isagoge des
Porphyrius, die er wahrscheinlich als eigenes Werk ausgegeben hatte. Mit diesen äusseren
Kriterien stimmen die inneren; alle individuellen Züge der Schrift passen auf den Rheti^
Victorinus. Kritisch wurde die Schrift herausgegeben nach dem Monacensis 14272 s. X/Xl
dem Monacensis 14819 s. XII und dem Bemensis 800 s. XI/XIl von Th. Stangl, Tulliana
et Mario- Victoriniana, München 1888, p. 17. Zur Ueberlieferung vgl. noch G. Schepss, Zu
Marius Victorinus de definitionibus (Philol. 56 (1897) p. 382), der besonders über den Pari-
sinus nouv. acq. 1611 s XI handelt.
ß) Der Commentar des Victorinus zu Cicero de inventione. Vgl. S 14S.
Massgebende Handschriften von diesem Commentar sind Darmstadtiensis jetzt Coloniensis 166
s. VII, Frisingensis 200 sive Monacensis 6400 s. X, Bambergensis M, IV, 4 s. XI. Am
Schluss des ersten Buches heisst es im Coloniensis: Q. Fabii Laurenti explanationum in
Rhetoc. liber pn'mus exj)licit; vgl. Jaffö et Wattenbach, Ecciesiae metropolitanae Colo-
niensis Codices manuscripti, Berl. 1874, p. 67. Im Frisingensis wird die Schrift eingeführt
mit den Worten: Incipit commentum Victorini rhetoris in M. T. Ciceronis Rhetoricam. Im
Bambergensis lautet die üeberscbrift: Marii Fabii Vicforini rhetoris in Rhetoricis M, TuU.
(Hceronis Über J incipit; damit stimmt im wesentlichen die Subscriptio zu liber I und II.
A. Mai (Spicilegium romanum 5 (1841) p. XI) berichtet von einem Codex, in dem der Ver-
fasser Fabius Laurenti us heisst. In zwei Laurentiani wird als Verfasser angegeben:
Fabius I^nrentius Marius Victorinus. Iw. Müller (Bursians Jahresber. 4. Bd. 2. Abt.
(1874/75) p. 679) vermutet bei der Besprechung von Knackstedt, De Cic. rhetor. libris
ex rhetoribus lat. emend. 1 (Göttingen 1873); 2 (Helmstedt 1874i, dass zwei Namen zu-
sammengeflossen sind und dass ein Q. Fabius Laurentius den Commentar des Marius Vic-
torinus neu bearbeitete. Ueber die Schrift sagt Cassiodor (Halm, Rhet. lat. min. p. 498, 7i
haec licet Cicero .... per varia volumina copiose nimis et diligenter effuderit et in arit
. Marias Victorinns. (§ 831.) 143
'hetoriea duohus lihris videatur ämplexus, quarum eommenta a Mario Victarino eomposita
M hibliotheca mea vobis reliquisse cognoscor. Herausgegeben ist der Gommentar von Orelli,
^ceros Aosg. tom. 5 pars 1 p. 2; massgebend ist jetzt die Ausg. von C. Halm, Rhetores
at. min., Leipz. 1863, p. 155, wozu zu vgl. Th. Stangl, Tulliana et Mario -Victoriniana,
tf&nchen 1888, p. 49. Ueber die Ausnfltzung des Conunentars für die Kritik Ciceros vgl.
L, Kayser, Philol. 6 (1851) p. 708.
De attributis personae et negotio. Vgl. über diesen Traktat Halm, Rbet.
at. min. p. IX; abgedruckt bei Halm p. 805. Das Schriftchen bat mit Victorinus, mit
lern es verbunden wird, nichts zu thun.
Verlorene Schriften des Marius Victorinus sind: 1. Die Uebersetzung der
iiöaytoyij des Porphvrius; an diese Uebersetzung schloss sich ein Gommentar des
BoetlüuB an, dem er die Form von 2 dialogi gab. Später schrieb Boethius eine eigene Ueber-
letzung, dazu einen Gommentar in 5 Büchern; vgl. auch Isidor. orig. 2, 25, 9. Aus Boethius
p. 5 Zeile 23 Rota wissen wir, dass Victorinus die Widmung des Originals geändert und an
*$teHe des dort angeredeten Ghrjsaorios einen Menantius gesetzt hatte, wahrscheinlich um
seiner Arbeit den Schein eines selbständigen Werks zu geben; vgl. Usener, Anecdoton Hol-
den p. 61. 2. Eine Uebersetzung der Kategorien des Aristoteles mit einem Gom-
mentar von 8 Büchern; vgl. Gassiodor, Expositiones in psalm. U p. 28. 8. Eine Ueber-
setzung der aristotelischen Schrift negl iQfitjrelag. 4. De syllogismis hypo-
bheticls; vgl. Isidor. orig. 2, 28, 25 modos syllagismorum hypotheticorum si quia plenius
nosse desideraty librum Ugat Marii Victorini ^ qui inseribitur De syllogismis hypO'
theticis. Zu diesen aus Gassiodor bekannten verlorenen Schriften konmien noch 5. Ein
Gommentar zu Giceros Topica; vgl. Boethius p. 290, 16 Orelli quum in M. Tullii
Topica Marius Victorinus rhetor plurimae in disserendi arte notitiae eommenta conscrip-
serit 6. Gommentarii in dialogos Giceronis d. h. zu den philosophischen
Schriften, welche uns Hieronymus, Apol. contra Rufinum 1, 16 bezeugt. 7. Uebersetzungen
platonischer Dialoge. Diese bezeugt uns Augustin. confess. 8, 2, 3 legisse me quosdam
libros Platonicorum^ quos Victorinus quondam rhetor urbis Romae, quem christianum de-
functum esse audieram, in latinam linguam transttdisset. 7, 9, 13 quosdam Platonicorum
libros ex graeca lingua in latinum versos; vgl. F. Osann, Beitr. zur griech. und röm. Lit-
teratorgesch. 2 (1839) p. 373.
831. Die theologischen Schriften Yictorins. Nach seinem Ueber-
tritt zum Christentum stellte Victorinus seine Spekulation vornehmlich in
den Dienst der trinitarischen Forschung; er entschied sich gegen den
Arianismus für das orthodoxe Bekenntnis. Seine Schriftstellerei verfolgt
zunächst den Zweck, den Arianer Candidus von seiner Irrlehre auf den
rechten Pfad zu führen; sie knüpft daher an zwei Abhandlungen des ge-
nannten Arianers an, die uns in der handschriftlichen üeberlieferung er-
halten sind. In der ersten Entgegnung verbreitet sich Victorinus über
die Zeugung des göttlichen Logos, in der zweiten tritt er in eine direkte
Polemik gegen den Arianismus ein; hierzu kommt noch die Abhandlung
über die Annahme des Homousios. Noch andere dogmatische Schriften
tragen den Namen Victorins, allein ihre Echtheit ist mehr oder minder
zweifelhaft; es sind dies die an Justinus gerichtete Schrift gegen die zwei
Prinzipien der Manichäer und über den wahren Leib Christi, fernerhin
eine Abhandlung über die Frage, ob die Schöpfung am Abend oder am
Morgen begonnen habe, an der Hand der Oenesis, die ohne Allegorie ge-
deutet wird, endlich die Schrift de physicis. Die commentierende Thätig-
keit, auf die Victorinus als Rhetor gewiesen war, übertrug er nach seiner
Bekehrung zum Christentum auch auf die heilige Schrift. Er commentierte
paulinische Briefe; erhalten sind uns solche Commentare zum Philipper-,
Galater- und Epheserbrief; hier ist die Echtheit unbestritten. Ob sich
Victorinus auch als christlicher Dichter eingeführt hat, ist sehr grossen
Bedenken unterworfen; es tragen zwar mehrere Gedichte diesen Namen,
aber die Autorschaft des Victorinus lässt sich bei keinem sicher erweisen.
144 Marina Yictoriniui. (§ 881.) .
Bei einem Gedicht über die sieben maccabäischen Brüder deutet zwar
alles auf einen Rhotor als Verfasser hin, allein dass dieser Rhetor gerade
Victorinus war, kann nicht wahrscheinlich gemacht werden.
Das theologische System Victorins ist deshalb interessant, weil eä
ein leuchtendes Beispiel dafQr ist, wie die nationale Bildung mit den christ-
lichen Ideen verschmolz. Gewiss w^oUte Victorinus orthodoxer Christ sein,
allein der Neuplatonismus hatte in seinem Denken so tiefe Wurzeln ge-
schlagen, dass er sich von ihm bei Entwicklung christlicher Gedanken
nicht lossagen konnte. Seine Stellung ist daher in der christlichen Lit-
teratur eine isolierte und ein Einfluss des christlichen Neuplatonikers auf
Augustin unwahrscheinlich.
Zeugnisse über die christlichen Schriften des Victorinus. Hieronym.de
vir. illustr. 101 {Vicioritius) scripsU „adver atis Avium*' libros more dialectieo valde obscurot,
qui nisi ab eruditis non inteViguntur, et commentarios „in apostolum".
Unzweifelhaft echte Schriften sind: 1. Liber de generatione divini Verbi
adCandidumArianum. Es ist die Antwort auf einen in den Handschriften beigegebenen
Brief des Arianers Candidus über denselben Gegenstand. Ueber den Inhalt der Schrift vgl
G. Geiger, C. Marius Victorinus Afer, ein neuplatonischer Philosoph, 1, Metten 1888, p. 14.
Die Untersuchung bewegt sich in grossen Spitzfindigkeiten.
2. Adversus Arium libri quatuor, ebenfalls an den Arianer Candidas gerichtet
und zwar als Antwort auf einen in die Handschrift aufgenommenen Brief desselben. Eioe
kurzgefasste Inhaltsangabe bei G. Geiger 1 p. 14. Ueber die falsche Bacheinteilung 7^.
Koffmane, De Mario Victorino philosopho christiano, Bresl. 1880, p. 6. Der Anfang deB
Werks bezieht sich auf de generatione Verbi divini. Auf die BClcher de generatione Verbi
divini und auf die Bücher gegen Arius weist er hin Comment. ad Ephes. 1, 4 Sp. 1242 IL
sed de h\8 ac de eodem traciatu alias et pluribus explicavimus ; 1, 21 Sp. 1250 et a nobii
in his libris saepe tractata est, et alibi plenius explicata, Ueber die Zeit der Schrift vgl
Reinhold Schmid, M. Victorinus Rhetor und seine Beziehungen za Aagastin, Kiel 1895,
p. 9; dass sie unter Constantius abgefasst worden ist, ergibt sich aus Adv. Ariun 2,9
Sp. 1096, wo es vom Konzil zu Nicaea heisst: Probatum ab imperatore imperaiori* nostri
patre. Im Hinblick auf die kirchlichen Streitigkeiten meint Schmid (p. 12) mit Recht
dass die Situation des Werkes am besten auf das Jahr 357, in welchem das Konzil von
Sirmium abgehalten wurde, passt; vgl. 1, 28 Sp. 1061; 2, 9 Sp. 1095.
8. De homousio recipiendo, eine kurze Schrift zur Ergänzung des zweiten Baches
gegen Arius. Ueber den Inhalt vgl. G. Geiger 1 p. 14.
4. Drei Hymnen zur Lobpreisung der Trinität oder Christi, nicht metrisch tb-
gefasst, sondern wie die Psalmen nach dem Gesetz des Parallelismus.
5. Commentare zu Paulus; erhalten sind die zum Philipper-, Galater- (L. 2) nnd
Epheserbrief iL. 2), gedruckt bei A. Mai, Nova collectio veterum Script., Tom. 3, 2, 1. Ucb»
die Zeitfolge vgl. Comment. ad Philipp. 2, 6 Sp. 1207 plene de hoc et hie tetigi ad EpheMw.
Möglich ist, dass Victorinus noch andere Briefe commentiert hat; vgl. auch Comment ad
Ephes. 1, 4 Sp. 1258 de qua et in aliis epistolis tractavimiis, was allerdings nicht streag
beweisend ist. Mehr Beweiskraft hat die Stelle Comment. ad Ephes. 4, 10 Sp. 1274, wo bei
Gelegenheit der Lehre von mehreren Himmeln Victorinus sagt: de quo tractaiu tarn mutt«
diximus in praeter ito. Aller Wahrscheinlichkeit nach weist er hier auf einen verioren ge-
gangenen Comnientar zu 2. Corinth. 12, 2 hin.
Angezweifelte oder unechte Schriften sind: 1. Ad Justinum Manichaenm
contra duo principia Manichaeorum, et de vera carne Christi; so hat Sirmond
der Schrift den Titel gegeben, welcher in der handschriftlichen Ueberlieferang fehlt Koff-
mane (p. 5), Gore, Rcinh. Schmid (p. 8) halten das Schriftchen, das bei Hieronjmiis
nicht erwähnt wird, für echt, G. Geiger (p. 5 Anm. 3) für mindestens sehr zweifelhaft.
2. De verbis scripturae: Factum est vespere et mane dies anas (coepe-
ritne a vespera dies, an a matutino). Auch dieser Titel wurde von Sirmond gebildet, di
er in der Handschrift fehlt. Ueber den Inhalt des Schriftchens vgL Reinh. Schmid p. 8;
er hält dasselbe für imecht. Für echt hält es Koffmane p. 6; G. Geiger hält die Echt-
heit der Schrift für mindestens sehr zweifelhaft (p. 5 Anm. 8).
3. De physicis findet sich zwar vereinigt mit Werken des Victorinas, wird aber
nicht ausdrücklich demselben beigelegt; zuerst herausgegeben von A. Mai (Nova collectio
veterum Script., tom. 3, 2); er weist die Schrift dem Victorinus zu. Allein Koffmane (p. 7),
Gore, Reinh. Schmid (p. 9) und G. Geiger (p. 5 Anm. 3) sprechen sich mit Recht für
die ünechthcit derselben aus.
AoUiui Donatns. (§ 832.) 145
Mit UDrecht werden folgende Gedichte unserem Victorinns zugeschrieben (über Vic-
torin als beliebten Automamen vgl. W. Brandes, Wien. Stud. 12 (1890) p. 313):
1. De fratribus Septem Maccabaeis interfectis ab Antiocho Epiphane
(Parisinus 2772: de martyt^ Maccahaeorum), 394 Hexameter. Das Thema ist aus dem
siebenten Kapitel des zweiten Buches der Maccabfter entnommen. Das Gedicht zeigt rhe-
torische Mache, es stellt die Mutter in den Vordergrund, welche durch ihre Reden den König
in immer neue Wut versetzt. Von christlichem Geiste ist in dem Gedicht wenig zu ver-
^ILren. In der Sprache ist Muster Vergil, aber der Dichter weiss die poetische Sprache
nicht festzuhalten und verf&Ut oft in Prosa. Koffmane (p. 8) will mit Beck (De Orosii
fontibus, Marburg 1832, p. 37) den Hilarius von Arles als Verfasser ansehen, wogegen sich
A. Ebert (Allgem. Gesch. der Litt des Afittelalters, 1' (Leipz. 1889) p. 124 Anm. 4) und
Peiper (p. XXVIII) aussprechen. Ueber das Gedicht vgl. noch M. Manitius, Gesch.
der christl.-lat. Poesie, Stuttgart 1891, p. 113; Rhein. Mus. 45 (1890) p. 156; vgl. auch
M. Hertz, Analecta ad carminum Horatianorum historiam 4 (Ind. lect. Breslau 1880, p. 24).
— Ausg.: Zuerst von G. Fabricius, Poetarum vet. opera christ. p. 443. Es folgten die
Ansg. : Sanctae reliquiae duum Victorinorum, Pictavensis unius episcopi martyris, Afri alterius
Caii Marii ed. A. Rivinus, Gotha 1652. Abgedruckt auch bei G. F. H. Beck, De Orosii
fontibus p. 41; Peiper, Cypriani Galli Heptateuchus (Corpus Script, eccles. lat 28 (Wien
1891) p. 240) in ursprünglicher und interpolierter Fassung.
2. De cruce (de pascha, de ligno vitae), 69 Hexameter. Unter dem Bilde eines
Baumes, dessen Haupt in den Himmel reicht, und dessen aus den beiden Armen sich ent-
wickelnde Zweige sich nach allen Seiten des Erdkreises erstrecken, stellt der Dichter die
Verbreitung des Christentums dar. Er spricht weiter von einer Quelle, die sich im Schatten
des Baumes befindet, und in der sich alle baden müssen, welche die Früchte des Baumes
gemessen wollen. In der Sprache schliesst sich der Dichter auch an Vergil an. Das Ge-
dieht wird in Handschriften auch dem Cvprian beigelegt; vgl. Ebert p. 315; Manitius
p. 116. Die Allegorie ist schön durchgeführt und das Gedicht anmutig zu lesen. Heraus-
gegeben von G. Fabricius p. 302, Rivinus p. 140; am besten von Hartel, Ausg. Cy-
prians 3 p. 305.
3. De Jesu Christo deo et homine, 137 Hexameter. Das Gedicht schildert Ge-
bort, Wunderthfttigkeit, Tod und Auferstehung Christi, umfasst also die gesamte Heils-
thltigkeit des Erlösers; vgl. Manitius p. 115. Herausgegeben von G. Fabricius p. 761;
Rivinus p. 124.
Gegen E. Hückstaedts (Das Gedicht adversus Marcionem, Leipz. 1875) Zuteilung
des Gedichtes adversus Marcionitas an C. Marina Victorinns vgl. Koffmane p. 35; Waitz,
Bas pseudotertuU. Gedicht adv. Marcionem, Darmstadt 1901, p. 83; vgl. § 860.
Verlorene und unvollendete Schriften. Es kommen hier folgende Stellen in
Betracht: 1. Comment. ad Ephes. 5, 2 Sp. 1283 de qua re est Über certus hoc exponens quid
Spiritus Sit, et quam inteUigentiam habeat, ut substantia eius possit intelligi. 2. Ebenda 4, 10
8p. .1274 ergo passio üla Christi et resurrectio et ascensio, perfectio est omnium tarn in
mundo quae salvari possent, quam in aeternis, et super omnes coelos, Quod mysterium
ßUnissime unius libri explicatione tractavimus. 3. De generatione Verbi div. c. 31 Sp. 1036
dictum est a nobis sufficienter, ut credo, in aliis libris^ a quo sit progressio et descensio;
rtgrestiaque promissi saneti spiritus declarata est; ibidem: de iis tribus alia nobis oratio;
▼^ G. Geiger 1 p. 10 Anm. 2. 4. Comment. ad Ephes. 1. 2 Sp. 1273 arbitror de isto sensu
iatoqut tractatu librum aliquem esse complendum, quem permissu Dei iam aggrediar, ut omnia
neeessaria ad istius modi inteUigentiam liberi a necessitaie interpretationis valeamus implere,
üeberlieferung. Die üeberlieferung der christlichen Schriften ist noch nicht plan-
mlMig dargelegt. Einfache Au&fthlung der Handschriften bei Koffmane p. 9.
Ausg. der christlichen Schriften in der Bibliotheca patrum maxima, tom. 4
(Leiden 1677), der Bibliotheca veterum patrum antiquorumque scriptorum ecclesiast. ed.
A. Gallandi, tom. 8; Migne, Patrolog. tom. 8.
Victorinns und Augustin. Zum erstenmal hat Gore den Einfluss Victorins auf
Augostin behauptet. Harnack (Dogmengesch. 3' p. 30) hat diese Ansicht adoptiert, er-
weitert und den Victorinns geradezu als Augustinus ante Augustinum bezeichnet; vgl. auch
denselben, Zeitschr. fOr Theologie und Kirche 1891 p. 159. Allein Reinh. Schmid (Kiel
1895 p. 68) hat erwiesen, dass ein solcher Einfluss nicht stattgefunden hat.
4. Aelius Donatus.
832. Die Orammatik und die Commentare des Donatus. Der be-
rühmteste Grammatiker dieser Epoche ist Aelius Donatus, der Lehrer des
Hieronymus, der seine Blüte um die Mitte des vierten Jahrhunderts an-
HMidlmoh d«r klaM. Alteriaiiiswineiiiohaft. vm, 4. 10
•^
<'
146 AeliiM DonatoB. (§ 832.)
setzt. Seine Lehrwirksamkeit entfaltete er in Rom; sonst wissen
nichts über sein Leben, die Fabeleien des Mittelalters sind gänzlich au
Acht zu lassen. Seinen Ruhm verdankt Donatus vornehmlich seinem gi
matischen Lehrgebäude. Dasselbe geht aus von den Bedürfnissen
Schule und gibt zunächst in der sogenannten ars minor einen Elemen
kursus über die acht Redeteile in Fragen und Antworten. Daran schli
sich ein fortlaufendes Lehrbuch, welches für eine höhere Stufe bestii
ist. Dasselbe gliedert sich in drei Teile; zuerst werden die grammatis<
Elemente, wie Laut, Buchstaben u. s. w. behandelt; dann folgen wiede
die acht Redeteile; daran schliesst sich ein Traktat über Fehler und Sei
heiten der Rede. Wie man sieht, ist der Kern des ganzen Lehrgebäu
die Lehre von den acht Redeteilen doppelt behandelt; Wiederholungen wi
daher nicht ganz zu vermeiden. Mit Diomedes (und im letzten Teil i
mit Charisius) berührt sich Donatus, wir finden sogar Gleichheit im j
druck ; diese Uebereinstimmung der beiden Autoren erklärt sich durch
Benutzung derselben Quellen. Der Lehrgang Donats fand ungeme
Anklang. Kein Grammatiker wird so häufig citiert als er, und Comi
tare schlössen sich an seine ars an; wir nennen den Commentai* des
vius, die sogenannten Explanationes, die Commentare des Cledonius
Pompeius. Bis ins Mittelalter zog sich diese commentierende Thätig
hinein, wie die Arbeit des Bischofs Julianus von Toledo aus dem siebe
Jahrhundert und das Lehrbuch des Remigius, die commenta Einsidlensia,
dem neunten oder zehnten Jahrhundert erweisen. Ausser der Gramm
verfasste Donatus auch noch Commentare. Zum Gegenstand dieser Stu
V ■ nahm er sich die Dichter Terenz und Vergil. Der Terenzcommentar is
' allen Stücken des Komikers erhalten, nur zum Heautontimorumenos fe
die Erläuterungen; wahrscheinlich waren aber auch diese ursprünglich
banden. Der Terenzcommentar ist nicht in seiner ursprünglichen Gei
erhalten ; so wie er jetzt vorliegt, umfasst er zwei Massen, von denen ;
jede auf Donatus zurückgeht, nur dass die eine uns denCommentar in rein<
die andere in erweiterter und umgestalteter Form zeigt. Der Commei
der auf trefflichen Quellen (z. B. Probus, Asper) und auf sorgfältigen Stu
des Verfassers ruht, ist sehr wertvoll, und unser besonderes Interesse ern
die Scholien, welche sich auf die scenische Darstellung beziehen und
Vergleichung der griechischen Originale enthalten. Ausser Terenz hat
natus auch noch Vergil behandelt; von seinem Commentar hat sich
nur erhalten die Widmung, die Vergilbiographie und die Einleitung zu
Bucolica. In der letzteren tritt schon deutlich das Streben zu Tage, inV<
alles Mögliche hineinzugeheimnissen; auch diese Reste haben für uns h<
Wert. Vielleicht hat Donatus auch noch eine rhetorische Schrift gescl
ben; denn wir finden ein Citat, das kaum eine andere Deutung zul
Biographisches. Hieronym. z. J. 2370 = 353 n. Chr. (2 p. 195 Seh.) Victo
rhetor et Donatus grammätlcits, praeceptor mens, Romae inaignes habentur. ApoL
Rufin. 1, 16 (2 Sp. 472 Vall.) j;m/o qtiod puer legeris Aspri in Virgilium et SaUnstium
mentarioSf VtiJcatii in orationes Ciceronis, Victarini in dialogos eius^ ei in Terentii f<
dias praeceptoris mei Donatio aeque in Virgilium^ et aliorutn in alias, Hieronym. com
in eccles. c. 1 (vol. 3 Sp. 390 Vall.) huic quid simile sententiae et Camicus ait j,nihil est di
quod non sit dictum 2)rius'*. unde praeceptor meus Donatus^ cum istum verneulun
poneret: pereant, inquit, qui ante nos nostra dixerunt. In der Ueberschrift des Te
Aelina Donatas. (§ 832.) 147
commentars wird er genannt Aelitis Danattis r. c, orator urbis Romae; vgl. H. Keil p. XL;
W essner, Ansg. p. IX. Der Leidensis nennt ihn in der ars bloss Danatus Orammaticus
urbis Romae. Dass beide Persönlichkeiten identisch sind, leidet keinen Zweifel; orator
bedeutet hier so viel als rhetor; vgl. Sabbadini, Stadi ital. di filol. class. 3 (1895) p. 339.
Diesen Titel wird aber der Grammatiker Donat erst später erhalten haben. Mim darf also
wohl schlieesen, dass der Terenzcommentar spftter ist als die Grammatik. Wertlos ist die
von Fabeleien strotzende vita des Donat von Flaccns Rebius (H. Hagen, Anecdota Helvetica
p. CCLX).
Das Verhältnis der beiden artes. Die ars minor geht in der Ueberliefening
stets der ars maior voraus. Pompeius comment. in Donat. (Gramm, lat. 5 p. 98, 6) bene
fecit Danatus, pariem illam priorem scribere infantibus, posteriorem omnibus, est enim
robusta et utilis. Da die octo partes orationis sowohl in der ars minor als in der ars maior
erscheinen, ergibt sich f&r die Commentatoren die Notwendigkeit, beide Darstellungen mit
einander zu verbinden; vgl. Serv. in Donat. (Gramm, lat. 4 p. 440, 19) et cetera, quae in su-
periaribus dicta sunt, in posterioribus illud adicit. Die beiden Darstellungen der Redeteile
wurden daher in der Ueberlieferung so mit einander verbunden, dass auf die kleinere un-
mittelbar die grössere folgt; vgl. H. Keil, Gramm, lat. 4 p. XXXV. Die beiden artes
werden vom Autor so in Zusammenhang gebracht, dass die Anfangsstufen der ars minor
als absolviert in der ars maior vorausgesetzt werden, so dass z. B. in der letzteren die
Paradigmen fehlen; vgl. L. Jeep p. 24. Ueber z. T. scheinbare Discrepanzen vgl. Jeep p. 26.
Die grössere ars (Gramm, lat. 4 p. 367) handelt de voce, de littera, de syllaba,
de pedibus, de tonis, de posituris, de partibus orationis; nachdem die Redeteile ausführlich
abgehandelt sind, kommt noch ein stilistischer Anhang hinzu : de barbarismo, de soloecismo,
de ceteris vitiis, de metaplasmo, de schematibuSf de tropis.
Quellen des Donatus. Vgl. H. Keil p. XL: «cum Diomede ita per Universum libram
consentit Donatus, ut multis locis .... non solum eaedem res tradaniur, sed etiam verba
verbis respondeant. in quo consensu quamquam quaedam, maxime in initio libri, ita com-
parata sunt, ut ex uberioribus Diomedis commentarüs brevior Donati disputatio duci po-
tuerit, tarnen in maiore parte praeceptorum, quae iisdem verbis conprehensa apud Diomedem
et Donatnm leguntur, dubitari nequit quin ab antiquiore auctore, tamquam communi fönte,
uterque suam doctrinam derivaverit. nam ut apud Diomedem omnia copiosius et doctius
exposita sunt, quam apud Donatum, ita hie iusto rerum ordine et ratione disputandi saepe
veetigia quaedam antiquioris doctrinae retinuisse videtur. praeterea multa, maxime in iis
quae in extrema parte libri de vitiis et virtutibus orationis scripta sunt, non solum cum
Diomede, sed etiam cum Charisio ita consentiunt, ut haec omnia ex eodem fönte ducta
esse plane adpareat; vgl. Gramm, lat. 1 p. XLIX*^.
Ueberlieferung der beiden artes. Die massgebende Handschrift für die beiden
artes ist der Leidensis 122 s. X; ausserdem wurden von Keil herangezogen fdr die grössere
ars codex Berolinensis Santenianus 66 s. VIII und der interpolierte Parisinus Sangermanensis
1180 s. IX, fOr die minor ars der im Anfang verstümmelte codex Monacensis Emmeramus
G. 121 s. X; vgl. Keil, Gramm, lat. 4 p. XXXIX.
Commentare zur arsDonati. 1. Der Commentar des Grammatikers und Vergil-
erklärers Servius, vgl. § 835 p. 157 (Gramm, lat. 4 p. 405). 2. Die zwei Bflcher explanationes
in artem Donau, die dem Servius oder Sergius zugeschrieben werden, vgl. § 835 p. 158 (Gramm.
lat. 4 p. 486); über einen verwandten Traktat primae expositiones Sergii de prioribus
Donati grammatici urbis Romae vgl. H. Hagen, Anecdota Helvetica p. 143; p. LXXXIX;
S. Der Commentar des Cledonius (Gramm, lat. 5 p. 9); der ebenfalls beide artes umfasst
imd in sehr trauriger Fassung überliefert ist; vgl. Jeep p. 40 und A. Schellwien, De
Cledonii in Donatum commentario, Königsberg 1894 (Ziel ist: Ausscheidung der Interpola-
tionen). 4. Commentum artis Donati von Pompeius zur grösseren ars (Gramm, lat. 5 p. 95);
▼gl. Jeep p. 43. 5. Der Commentar des Bischofs Julianus von Toledo (680—690); über
den Commentar vgL Jeep p. 55; Exzerpte daraus Gramm, lat. 5 p. 313; Hanow, De Juliane
Toletano. Jena 1891. 6. Commenta Einsidlensia in Donati artem maiorem, minorem, barbaris-
mam s. IX/X (Hagen, Anecdota p. 202; p. CVII). 7, Der Commentar des Remigius von
Anxerre, des Schülers Heirics (vgl. § 420a p. 180), zur ars minor wurde auf Grund des
Monacensis 14763 s. X von W. F o x herausgegeben (Remigii Autissiodorensis in artem Donati
minorem conmientum, Leipz. 1902); verstümmelter Abdruck bei Hagen 1. c; vgl. Heraeus,
Berl. philol. Wochenschr. 1902 Sp. 1372.
Die Commentare zu Terenz und VergiL [Sergii] explanat. Gramm, lat 4 p. 486, 8
kie Donatus F. C. D. Vergilianum Carmen vel Terenti comoedias mirifice commentavit.
a) Der Terenzcommentar. Da wir oben (§ 45, 1' p. 88) diesen Commentar bereits
besprochen haben, kann es sich hier nur darum handeln, Nachträge zu dem Dargelegten
so geben. Auszugehen ist von Sabbadinis Ansicht über die Entstehung des Commentars;
dkse läuft darauf hinaus, dass der Kern des Commentars auf Donat zurückzuführen ist, der
10*
148 AeliiM Doaatiui. (§ 882).
einen fortlaufenden Commentar geschrieben habe. Za diesem Commentar seien Marginal-
noten gefügt worden, sei es zur Bekämpfung, sei es zur Erlftuterung. Dieser Donat-
commentar sei von einem anderen ausgezogen und an den Rand seines Exemplars mit
einem auf Donat hinweisenden Zeichen geschrieben worden; endlich ein Dritter habe diese
beiden Massen vereinigt. Der Redaktor ging darauf aus, alles was er zu einem Vers an-
gemerkt fand, zusammenzustellen, nur im Phormio 2, 8 hat er die beiden Scholienmaasen
nacheinander gegeben, ohne sie auseinander zu reissen. Einwendungen gegen diese An-
sicht hat E. Thomas (Revue critique 1894 p. 203) erhoben. Auch Wessner (Berl. philol.
Wochenschr. 1895 Sp. 428) modifiziert etwas unwesentlich die Sabbadinl'sche H3rpothese. Er
nimmt an, dass auch die erste Scholienmasse dem Compilator am Rande einer Terenzhand-
schrift vorlag, wodurch sich manche Lücken besser erklären. Auch die zweite Scholien-
masse beruhe auf dem Donatcommentar, sei aber durch Zusätze vermehrt worden; sie habe
ebenfalls in einer Terenzhandschrift, vielleicht mit einer auf Donat hinweisenden Bemerkung,
gestanden. Beide Scholienmaasen seien mit Ausnahme des Schlusses (von Phormio 2, 3 an]
in einander verarbeitet worden. Wesentlich ebenso äussert sich Rabbow, De Donati com-
mento in Terentium specimen observationum primum (Fleckeis. Jahrb. 155 (1897) p. 330):
«Commentarium Terentii unum a duobus scimus olim expilatum esse interpretibus, haec autem
duumvirum excerpta gemella in scholüs Donateis congregata haben.* üeber die praefa-
tiones zu Adelphoe und Eunuchus einerseits und zu den der Andria, Hecyra und Phormio
andererseits vgl. Rabbow p. 323; über kritische Zeichen p. 839. Einen weiteren Beitrag zur
Frage liefert Ed. Smutny, De scholiorum Terentianorum quae sub Donati nomine feruntur
auctoribus et fontibus quaest. selectae, Wien 1898 (Diss. philol. Vindob. vol. 6 p. 98); vgl.
dazu Wessner, Berl. philol. Wochenschr. 1900 Sp. 74. Einschneidender ist die Abhandlung
Wessners, Untersuchungen zur lateinischen Scholienlitteratur, Bremerhaven 1899. Hier wird
auch die Euanthiusfrage behandelt; Rufinus citiert aus der Einleitung des Donat (de fabola)
zwei Stellen unter dem Namen des Euanthius. Der Schluss ist unabweisbar, dass die Ka-
pitel 1 — 3 der Einleitung, in der diese Stellen stehen, dem Euanthius angehören. Dagegen
betrachtet Wessner Kap. 4 — 8 der Einleitung als eine bunte Mischung von Notizen, die aus
verschiedenen Zeiten stammen und nichts mit Donat zu thun haben. Die Einleitung des
Euanthius sei von Donat in seinen Commentar herübergenommen worden; es sei auch nicht
ausgeschlossen, dass Euanthius im Commentar benutzt sei, aber ihm von vornherein be-
stimmte Massen zuzuweisen, sei unthunlich. Auch gibt Wessner in dieser Abhandlung
weitere Beiträge zur Ueberliefenmgsgeschichte ; vgl. noch R. BAttner, Zur Ueberlieferung
der vita Terentii in dem Commentar des Donatus (Fleckeis. Jahrb. 149 (1894) p. 73). Ueber
das Verhältnis der Scholien zu der Interpunktion des Joviales im Bembinus vgl. Kauer,
Zu Terenz (Wien. Stud. 22 (1900) p. 56); K. W. Smith, Archaisms of Terence mentioned in
the Commentary of Donatus, Baltimore 1890. Sehr erfreulich ist, dass endlich eine auf kriti-
scher Grundlage ruhende Ausgabe im Erscheinen begriffen ist; der erste Teil dieser Aus-
gabe liegt vor in: Aeli Donati quod fertur commentum Terenti. Accedunt Eugraphi com-
mentum et scholia Bembina rec. P. Wessner, Leipz. 1902. Als die besten Handschriften
erachtet Wessner Pansinus 7920 s. XI (A), Vaticanus Regln. 1595 s. XIII (B), Vaticanus 1496
s. XV (V ^). Da aber der grösste Teil des Commentars in diesen Handschriften nicht erhalten
ist, sind wir auf die Ueberlieferung des verloren gegangenen cod. Maguntinus angewiesen.
Von den uns diese ueberlieferung übermittelnden Zeugen enthalten Vaticanus 2905 s. XV (T)
und Riccardianus 669 s. XV (R) nur einen kleinen Teil des Commentars, während in dem Oxo-
niensis 95 s. XV (C) und Florentinus Marucell. C 224 s. XV (P) der Commentar voUstAudig
überliefert ist; vgl. Wessner, Ausg. p. XLII; Archiv für lat. Lexikographie 12 (1901) p.284.
(Die einleitenden Traktate über die Komödie Kap. 1 — 8 in der Recension Leos bei Raibel,
Comicorum graecorum fragm. 1 (Berl. 1899) p. 62.)
ß) Der Vergilcommentar des Donatus. Von dem Commentar ist erhalten ein
Widmungsbrief und zwar im Parisinus 1011 s. IX mit der üeberschrift Fl. (zu lesen El.)
Donatus L. Munatio suo salutem, veröffentlicht von E. Wölfflin, Philol. 24 (1866) p. 154.
Im Anfang heisst es: Jnspectis fere omnibus ante me qui in Vergilii opere ccUlueruntf bre-
vitati admodum studens quam te amare cognoveram, adeo de muUis pauca decerpsi^ Mi
magis iustam offensionem lectoris exspectem, quod veterum sciens mulfa transierim, quam
quod paginam compleverim super vacuis. Weiter erhalten ist uns die Vergilvita, die im
wesentlichen auf Sueton zurückgeht; über dieselbe vgl. § 218, 2; A. Reifferscheid, Suet
rel., Leipz. 1800, p. 400. Zur üeberiiefening vgl. H. Hagen, De Donatianae Vergilii viUe
codicibus (Scholia Bemensia ad Vergilii Bucolica atque Georgica, Fleckeis. Jahrb. Supple-
mentbd. 4 (1861—1867) p. 676). Daran schliesst sich die Einleitung zu den Bucolica. üeber
die allegorische Deutung der Reihenfolge dieser Gedichte vgl. Comparetti, Vergil im
Mittelalter, Leipz. 1875, p. 53 (übersetzt von Dütschke) und oben § 247 p. 85. Dass der
von Servius und Priscian viel citierte Vergilcommentar noch in der ersten Hälfte des Mittel-
alters existierte, glaubt Thilo (praef. zu Servius 1 p. XVI Anm. 2) annehmen zu dürfen.
Den Text der vita und die Einleitung zu den Bucolica gibt auf Grundlage des BemenaB
Flavina Boaipater Charisins. (§ 838.) 149
172 8. IXfK am besten H. Hagen 1. c. p. 734. Ueber Donat als VergUerklftrer vgl. 0. Rib-
beck, Proleg. crit. ad Verg., Leipz. 1866, p. 178; L. Valmaggi, Rivista di filol. 14 (1885)
p. 1; Sabbadini, Moseo ital. di ant. class. 3 (1890) p. 367; Goetz, Der Liber glossarum
(Abb. der sftcbs. Ges. der Wissenscb. 13 (1891) No. II p. 213). — Ueber den rhetorischen
Commentar des Tiberios Claudias Donatas zur Aeneis, der dem Ende des 4. Jahrhunderts
angehört, vgl. § 248, 2.
Rhetorische Schrift des Donatus. Rufinus de compositione et de metris ora-
tonun (rhetores lat. min. ed. C. Halm p. 583, 24) Donatus de strueturU et pedibus oratoriis
numerarum sie dirit. Vgl. Sabbadini, Studi ital. di filol. class. 3 (1895) p. 339. Anderer
Ansicht ist Keil, Gramm, lat. 4 p. XXXVI.
Fortleben des Donatus. Vgl. H. Keil p. XXXVI: „nullius grammatici frequentior
apnd posteros memoria fuit, quam Donati.' Ueber das Verhältnis des Donat und Diomedes
▼gl. Jeep, Redeteile p. 58; Die jetzige Gestalt der Grammatik des Charisius (Rhein. Mus.
51 (1896) p. 402 u. a.). Ueber Priscian vgl. Keil L c; über Cassiodorius ebenda. Cassiodor,
Gramm, lat. 7 p. 214, 25 nobis tarnen placet in medium DoncUum dedueere, qui et pueris
speeialiter aptus et tiranibus probatur aceammoduSf cuitM gemina commenta reliquimus ut
9upra quod ipse planus est fiat clarior dupliciter explanatus. Donatus igitnr in secunda
parte ita disceptat [de voce articulata, de littera, de sylläba, de pedibus, de accentibus, de
poHturis seu distinctionibus, et Herum de partibus orationis VIII, de sehematibus, de etoemo-
loffiis, de ort?iographia]. p. 216, 1 ceterum qui ea voluerit latius pleniusque cognoscere, cum
praefatione sua codicem legat, quem nostra curiositate formavimus, id est artem Donati,
cui de orthographia librum et alium de etymologiis inseruimus, quartum quoque de Schema^
Uhus Sacerdotis adiunximus. — Gräfenhan, Geschichte der klassischen Philol. 4, Bonn
1850, p. 107. Die über den Terenzconmientar vorhandenen Zeugnisse sind zusammengestellt
von Wessner, Ausg. p. VI.
Ueber Donatus und Lactantius Placidus vgl. 2', I § 313 p. 238.
5. Flavius Sosipater Charisius.
833. Die Orammatik des Charisius. Durch eine alte Neapolitaner
Handschrift ist uns in lückenhafter Gestalt ein grammatisches Werk er-
halten, das an der Spitze den Namen Flavius Sosipater Charisius trägt.
Ueber seine Persönlichkeit zu sprechen, bot der behandelte Stoff keinen
Anlass dar; nur durch die Vorrede schimmern einige individuelle Züge
hindurch. Er nennt sich einen magister und wünscht, seinen Sohn mit
den Regeln der lateinischen Sprache bekannt zu machen, damit er durch
seinen Eifer ersetze, was ihm seine natürliche Heimat versagt habe. Nach
diesen Worten dürfen wir wohl vermuten, dass des Grammatikers Heimat
nicht Italien war. Damit gewinnt aber eine Conjektur sehr an Wahr-
scheinlichkeit, dass in dem Grammatiker Charistus, den Hieronymus im
Jahre 358 als Nachfolger des verstorbenen Grammatikers Euanthius aus
Afinka nach Constantinopel kommen lässt, unser Charisius stecke. Da-
durch wäre auch die Zeit des Sprachmeisters fest gegeben, und in der
That gewinnen wir kein Indicium aus der Quellenanalyse und der Be-
nutzung des Charisius, das gegen diesen Zeitansatz ins Feld geführt werden
könnte. Wie die Vorrede besagt, bestand das Werk aus 5 Büchern. Von
diesen 5 Büchern sind nur das zweite und dritte vollständig auf uns ge-
kommen; vom ersten fehlt der Anfang, das vierte Buch hat noch grössere
Verluste erlitten, vom fünften endlich ist uns lediglich ein Fragment de
idiomatibus erhalten. Gegen den Schluss des Werkes wird die Ueber-
lieferung bezüglich des Eigentums des Charisius unsicher, da fremde Be-
standteile mit denen des Charisius zusammengeflossen sein können und
der letzte Teil des auf die Vorrede folgenden Kapitelverzeichnisses keine
mchere Gewähr bietet. Das Lehrgebäude, das Charisius aufbaut, be-
schränkt sich nicht auf die eigentliche Grammatik, sondern greift auc^
150 Flavina Bosipater Chariaiiui. (§ 888.)
in das Gebiet der Stilistik und Metrik über. Von den drei ersten Büchern,
welche der Grammatik gewidmet sind, behandelt das zweite die 8 Bede-
teile, das dritte gibt einen Anhang zur Lehre vom Verbum. Eigentümlich
gestaltet ist das erste Buch; es beginnt nach hergebrachter Weise mit
der Erörterung der allgemeinen grammatischen Begriffe, die jedoch am
Anfang verstümmelt ist, schreitet aber dann zu einer Darstellung der
Nominalverhältnisse, welche eigentlich im zweiten Buch hätten behandelt
werden sollen. Mit dem vierten Buche beginnen die stilistischen und metri-
schen Erörterungen; von beiden Teilen sind uns Stücke erhalten. Das Werk
des Charisius ist, wie aus der Vorrede hervorgeht, im wesentlichen eine
Compilation aus verschiedenen Grammatiken; um selbständige Durchdringung
des Stoffes ist es ihm so wenig zu thun, dass er seine Auszüge aus ver-
schiedenen Autoren einfach neben einander stellt. Der Wert des Lehr-
gebäudes ruht also in den verlorenen Werken, welche Charisius ausge-
schrieben. Diese aufzudecken, hat sich eine Reihe von Gelehrten bemüht;
selbstverständlich sind diese Untersuchungen mit grossen Schwierigkeiten
verbunden, und die Abtrennung der verschiedenen Bestandteile wird immer
mehr oder weniger Zweifeln unterworfen sein. Charisius selbst nennt als
Quellen Palaemon, Cominianus und Julius Romanus.
Die Vorrede. H. Keil, Gramm, lat 1 p. 1 2^. Sosipater Charisius v.p. magister urhU
Romae filio karissimo salutem dicit. Amore Intini sertnonis obligare te cupiens, fili karissimt^
artem grammaticam (vielleicht war dies auch der Titel seines Werks; vgl. H. Keil 1. c. p. LVIlj
sollertia doctissimorum virorum politam et a me digestam in Ubris quinque dono tun mUi.
qua penitus inspecta cognosces quatenus latinae facundiae licentia regatur aut natura aui
analogia aut ratiane curiosae observationis aut consuetudine, quae multorum consensione
eonvaluit, aut certe auctoritaie, quae prudentissimorum opiniane reeepta est. erit tarn tuat
diligentiae frequenti recitatione studia mea ex variis artibus inrigata memoriae tuisque
sensibus mandare, ut quod originalis patriae natura denegavit virtute animi ctdfectasst
videaris. Zu bemerken ist, dass wir bei der VerstAmmlung der Handschrift zum Teil auf die
editio princeps angewiesen sind, in der die Worte urbis Romae bis dicit fehlen.
Der Name des Grammatikers erscheint vollständig in der Ueberschrift des voraus*
geschickten Briefes und bei Rufinus, Gramm, lat. 6 p. 572, 18; doch bietet die handschrift-
liche UeberUeferung des Rufinus Flu. statt Fl, Sosipatei' Charisius wird der Grammatiker
genannt bei Rufinus, Gramm, lat. 6 p. 565, 4. Gewöhnlich heisst er nur Charisius. H. Keil,
Gramm, lat. 1 p. XLVni: „fuit hie posterioris aetatis mos ut Cominiani nomine libros Ghariaü
nuncuparent* ; vgl. auch noch Hagen, Anecdota Helvet. p. CLVI. Diese Verwechalang riüut
wahrscheinlich daher, dass der verlorene Teil der ars den Namen des Cominianas an der
Spitze trug; vgl. H. Keil p. XLVni: dagegen W. Christ, Philol. 18 (1862) p. 123. Ueber Ex-
cerpta Cominiani, die A. Mai (Classici auctores 5 (1888) p. 150) mitgeteilt hat, vgl. H. Keil
p. XXII und p. 180, 27.
Fla vi an US. Es findet sich eine Reihe von Stellen, wo ein Grammatiker Flavianos
citiert wird; da alle diese Stellen sich auch bei Charisius fast wörtlich finden, sehen
H. Keil (Hermes 1 (1866) p. 383) und Hagen (Anecdota Helvet. p. CLXIII) den Sckloss,
dass ein Grammatiker Flavianus nicht existiert habe und seine Existenz nur einer iirt&m-
lichen Auflösung des Vornamens des Charisius verdanke, während A. Riese (Heidelberger
Jahrb. 1871 p. 585) vielmehr die Schlussfolgerung gezogen wissen will, dass Flavianns dem
Charisius als Vorname beizulegen sei. Im Gegensatz zu dieser Anschauung hält L. M (Li 1er
(Fleckeis. Jahrb. 93 (1866) p. 561) an der Existenz eines in späterer Zeit lebenden Grun-
matikers Flavianus fest. Schwer ist ein Urteil zu gewinnen über Hber I Flaviani de con-
sensu nominum et verborum, der in Katalogen von Bobbio bei Muratori, Ant. ItaLtom. S
p. 820 und von Michelsberg erwähnt wird; vgl. G. Becker, Catalogi bibl. antiqoi, Bonn 188^
Nr. 32, 425 (p. 69); 80, 196 (p. 193). Wohl unrichtig identifiziert Reifferscheid (Miein.
Mus. 16 (1861) p. 23) den Flavianus mit Nicomachus Flavianus, den wir oben als als einen
Anhänger der heidnischen Religion kennen gelernt haben.
Zeit und Heimat des Grammatikers. Da Charisius von Servius citiert wird
(Verg. Aen. 9, 329), kann Charisius nicht nach dem 4. Jahrhundert geschrieben haben.
Der terminus post quem bestimmt sich durch die Benutzung des Julius Romanna, Gomi*
FlaTins Soaipater Charisma. (§ 883.) 151
nianuB und Marcins Salutans. Da der letztere vir peffectisaimus von Gharisius genannt
wird (1 p. 229, 19), scheint derselbe im 4. Jahrhundert gelebt zu haben; doch vgl. A. Eie ss-
lin g, De person. Horatian., Greifswald 1880, p. 6 Anm. 6. Damach müsste man den Gram-
ma&er dem 4. Jahrhundert zuweisen. Viel bestimmter ergibt sich die Zeit des Gharisius,
wenn eine Gonjektur Useners (Rhein. Mus. 23 (1868) p. 492) richtig ist. Wir lesen nämlich
Hieronym. z. J. 2374 = 358 (2 p. 195 Seh.): EmtnUus eruditissimus grammaticarum Con-
»iafUinopoH dient obit. in cuius locum ex Afriea Charistus (so der Bemensis« wfthrend Aman-
dinus chrestus hat; üsener: Charisitis) adducitur. Damit wftre auch die Heimat des Gram-
matikers gegeben. Dagegen spricht nicht 215, 22 hodieque nostri per Campaniam sie lo-
runtur (vgl. Froehde, DeG. Julio Romano Gharisii auctore, Leipz. 1892, p. 672), wohl aber
dafür die Worte der Vorrede: ut quod originalis patriae natura denegavit virtute animi
adfeciasse videaris,
Excerpta Bobiensia. Aus einem cod. Vindob. 16 s. VII/VIII gaben Eichenfeld
und Endlicher in den Anal, gramm., Wien 1837, p. 75 eine grammatische Schrift (de no-
mine, de pronomine, de verbo) heraus, welche, da die Handschrift, aus der sie publiziert
wurde, aus Bobbio stammt, von H. Keil excerpta Bobiensia genannt wurde, jetzt auch
mit Anonymus Bobiensis bezeichnet wird. Massgebende Ausgabe von H. Keil, Gramm.
lat. 1 p. 533. Die excerpta Bobiensia zeigen eine auffallende Verwandtschaft mit Gharisius;
diese Verwandtschaft ist aber nicht so zu deuten, dass die exe. Bob. aus Gharisius geflossen
sind, wie H. Keil früher angenommen (Gramm, lat. 1 p. XVill), sondern so, dass die Ex-
zerpte und Gharisius auf dieselbe Quelle zurückgehen. W. Ghrist, Philol. 18 (1862) p. 136;
H. Keil, Gramm, lat. 7 p. 369; F. Boelte, De artium Script, lat, Bonn 1886, p. 51, p. 17;
H. Nettleship, Journal of philol. 15 (1886) p. 27; L. Jeep, Rhein. Mus. 44 (1889) p. 41.
Ueber die Exzerpte und Gominian vgl. Jeep, Redeteile p. 13. Auch mit Dositheus zeigen
diese Exzerpte enge Verwandtschaft; über diese Verwandtschaft vgl. H. Keil, Gramm, lat. 7
p. 369; Jeep, Redeteile p. 16. Im allgemeinen vgl. noch Goetz, Pauly-Wissowas Real-
encycl. 1 Sp. 2333.
Ueber die Excerpta Parisina des cod. Parisinus 7530 s. VIII vgl. H. Keil, Gramm.
lat. 1 p. XVni. Ueber die Excerpta des cod. Bemensis, Leidensis und Sanctamandinus vgl.
Keil 1. C. p. XIX.
Quellen des Gharisius. Die Quellenuntersuchung hat von den Stellen auszugehen
an denen Gharisius seine Autoren ausführlich nennt; diese Autoren sind folgende: a) Palae-
mon p.225, 5 Palaemon aatem ita definit (de cottiunctione); 231, 1 de praepositionibus PcUaemon
ta definit; 232, 11 apud Palaemanem; 238, 23 Palaemon ita definit {de interiectione); /9) Go-
minianus 147, 18 ablativus casus singutaris, ut ait Cominianue grammcUicus .... terminatur;
175, 29 de caniugationibus, quas nos ordines praediximue, Ckwiinianue diaertiseimus gram-
maticus ita disseruit; 180, 11 CominiantM grammatieus ita de participio breviter refert; 181, 15
ei haec quidem (de adverbio) breviter Cominianus grammatieus disseruit ; 224, 24 de coniunc-
tiane, ut ait Cominianus; 230, 4 de praepositione, ut ait Cominianus; 238, 19 de interiectione ,
ut ait Cominianus; 265, 2 de barbarismo, ut ait Cominianus; 266, 15 de soloecismOy ut ait Co-
minianus, y) Julius Romanus c. 17 (p. 116, 29) de analogia, ut ait Romanus; 190,8
G. Julius Romanus ita refert de adverbio; 229, 3 (de coniunctione); 236, 16 Gaius Julius Ro-
n%anus de praeposi tionibus libro dtpogfuüy ita refert; 239, 1 G. Julit4S Romanus ita refert;
es folgt die Dennition der Interiectio; vgl. H. Keil, Gramm, lat. 1 p. XLV. Es ist aber nicht
sweifelhaft, dass Gharisius auch ungenannte Autoren benutzt hat, z. B. 12, 4 aliis ita de syllaba
ptacuit definire; 14, 10 aliis ita placuit de syllabis eommunibus definire; 114, 30 aliis ita
placuit definire (de comparationibus); vgl. L. Jeep, Zur Gesch. der Lehre von den Redeteilen
bei den lateinischen Grammatikern, Leipz. 1893, p. 7. Bei der Feststellung der Quellen sind
aacb die Autoren heranzuziehen, die aus denselben Quellen schöpften wie Gharisius, so
Dositheus und Marius Victorinus. Ueber die Bedeutung der excerpta Bob., welche hier
besonders in Betracht kommen, vgl. Jeep, Redeteile p. 11; p. 13; p. 2; p.4. Die Quellen des
Gharisius wurden eingehend untersucht, wobei besonders die Kapitel 15 und 17 des 1. Buchs
herangezogen wurden; die gewonnenen Resultate ruhen naturgemäss auf unsicherem Funda-
ment. — A. Schottmüller, De Plinii libris grammaticis, Bonn 1858, p. 7; W. Ghrist,
Gharisius (Jahresber.), Philol. 18 (1862) p. 112; F. Glausen, Ueber einen Abschnitt (vom
Verbum) aus der ars grammatica des Gharisius, Berl. 1873; G. v. Morawski, Quaestionum
Charis. specimen (Hermes 11 (1876) p. 339); H. Kummrow, Symbols ad grammaticos lat..
Greif swald 1880, p. 9; H. Neumann, De Plinii dubii sermonis libris Gharisii et Prisciani
fontibns, Kiel 1881; F. Boelte, De artium scriptoribus lat., Bonn 1886; Die Quellen von
Gharisius 1, 15 u. 17 (Fleckeis. Jahrb. 137 (1888) p. 401); G. Marschall, De Q. Remmü
Palaemonis libris grammaticis, Leipz. 1887; J. W. Beck, Zur Quellenanalyse des Gharisius
(Phüol. 48 (1889) p. 255); 0. Froehde, De G. Julio Romano Gharisii auctore (Fleckeis. Jahrb.
Sopplementbd. 18 (1892) p. 567); L. Jeep, Redeteile p. 1. Auch hat Jeep, Die jetzige
Gestalt der Grammatik des Gharisius (Rhein. Mus. 51 (1896) p. 401) die Quellenfrage be-
152 Diomedea. (§ 834.)
handelt; er stellt dabei die Hypothese auf (p. 424), «daas die AnszQge aus Romanns erst
nach der Benutzung der Grammatik des Charisius durch Diomedes derselben einverleibt
wurden/ Im Anschluss hieran will Jeep beobachtet haben, daas, wenn zwei Quellen
neben einander gereiht wurden, stets der kürzeren Darstellung der ersteren Quelle die lingere
und eingehendere der zweiten folgt (p. 425), und schreitet alsdann zu der neuen, aber un-
wahrscheinlichen Hypothese fort, «dass Charisius sozusagen zwei Kurse neben einander stellte,
einen kürzeren fOr den Anfang und einen höheren und umfassenderen für die Repetition
nach Aneignung des kürzeren, eine Darstellungsweise, die bekanntlich Donat in zwei ganz
getrennten artes gleichfalls anwendete und Diomedes wiederum in einem Werke in an-
derer Form durchzuführen versuchte/
Zum Fortleben des Charisius vgl. oben den Absatz .Quellen*. Oefters wird
Charisius von Priscian citiert (vgl. Gramm, lat. 3 p. 531). Von Charisius ist auch abh&ngig
ars grammatica accepta ex auditorio Danatiani; dieselbe wird gewöhnlich Danatiani frag-
mentum genannt, zuerst herausgegeben von Parrhasius aus einem codex Bobiensis, Miu-
land 1504, jetzt von H. Keil, Gramm, lat. 6 p. 275. Donatianus ist vielleicht identiach mit
Tiberius Claudius Maximus Donatianus, dem Sohn des Vergilcommentators Tib. Claudios
Donatus (§ 248, 2). Ueber das Fragment vgl. L. Spengel, Münchener gel. Ans. 10 (1840)
p. 525; H. Keil, Gramm, lat. 6 p. 254; ebenda 1 p. XXIV; F. Boelte, Fleckeis. Jahrb. 137
(1888) p. 438; 0. Froehde, Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 18 (1892) p. 578; Jeep, Rede-
teile p. 5; Rhein. Mus. 51 (1896) p. 440.
Ueberlieferung. Die einzig vollständige Handschrift des Charisius ist der codex
NeapoUtanus IV A 8 s. yil/VIII; genaue Beschreibung bei H. Keil, Gramm, lat. 1 p. YD.
Sie bildet daher allein das Fundament der Recension. Neben derselben hat das fragmentom
Parisinum 7560 s. XI nur geringen Wert. Von grösserer Wichtigkeit sind die excerpU
Bobiensia, wozu sich noch gesellen die Excerpte aus Charisius; vgl. H. Keil p. XVIU:
Hagen, Anecdota Helvetica p. CLV. Ueber die Unsicherheit der Ueberlieferung gegen Ende
des Werks vgl. H. Keil p. XHl und dazu noch Boelte, Fleckeis. Jahrb. 137 (1888) p. 429
Anm. 76.
Ausg. Von den älteren Ausg. nennen wir die editio princeps des Jo. Pierius.
Neapel 1532; vgl. H. Keil p.XV. Die vonG.Fabricius, Basel 1551; vgl.H. Keil p.XXVIU.
Massgebend ist die von H. Keil, Gramm, lat. 1 p. 1. Separatausgaben des Abschnittes de
versu saturnio von F.W. Schneidewin, Göttingen 1841; H. Keil, Philol. 3 (1848) p. 90;
De idiomatibus generum ist publiziert von H. Keil, Gramm, lat. 4 p. 573; Corpus glossariomm
lat. 2 p. 537 ; de latinitate im Corpus glossariomm lat. 5 p. 660.
Litteratur. M. Hertz, Rhein. Mus. 20 (1865) p. 319; R. Westphal, Griechische
Metrik 1* p. 131; Goetz, Pauly-Wissowas Realencycl. 3 Sp. 2147.
6. Diomedes.
834. Die Grammatik des Diomedes. Neben der Grammatik des
Charisius ist für die Geschichte der Sprachwissenschaft auch die des Dio-
medes von grosser Wichtigkeit. Beide Werke unterscheiden sich aber
nicht unerheblich von einander. Während die Grammatik des Charisius
uns mit grossen Lücken überliefert wurde, ist uns das Werk des Diomedes
vollständig erhalten. Seinen Stoff hat Diomedes gedrängter behandelt
indem er statt der fünf Bücher des Charisius nur drei gibt. Eigentümlich
ist die Art und Weise, in der Diomedes sein Werk aufgebaut hat. In
dem ersten Buch werden die acht Redeteile behandelt, erst im zweiten
Buch beginnt er mit den Elementarbegriffen der Grammatik und schliesst
mit den Mängeln und Vorzügen der Rede, d. h. er erörtert die Stilistik;
das dritte Buch endlich ist der Metrik gewidmet. Durch wissenschaft-
liche Rücksichten ist, wie jedermann sieht, diese Gliederung nicht bestinmit
massgebend erschien hier das Interesse des praktischen Unterrichts. Dieser
ging von den acht Redeteilen aus, um auf dieser Grundlage zur Stilistik
und Metrik überzugehen. Dass auch die grammatischen Grundbegriffe in
das zweite Buch verwiesen wurden, ist eine tadelnswerte Inkonsequenz,
durch welche die Einheit dieses Buchs vollständig zerstört ist. Auch in
Diomedes. (§ 834.) 153
ler Gomposition hebt sich die Grammatik des Diomedes merklich von der
les Charisius ab; bei Diomedes ist die Darstellung eine einheitliche, Chari-
ius dagegen hat sich oft damit begnügt, die Quellen einfach nebeneinander
:u stellen. Die Quellenfrage ist daher bei Diomedes weit komplizierter
Js bei Charisius. Das wichtigste Problem, das hier vorliegt, ist das Ver-
lältnis zwischen Charisius und Diomedes. Dasselbe hat viele Lösungen
;efunden; die verbreitetste wai* die, dass beide Grammatiker da, wo sie
ibereinstimmen, aus derselben Quelle schöpfen und daher von einander
inabhängig sind. Doch scheint bei genauerem Zusehen die Annahme ge-
echtfertigt zu sein, dass Diomedes bereits den Charisius gekannt hat;
it dies richtig, so gewinnen wir für die Zeitbestimmung des Diomedes
as wichtige Moment, dass er nach Charisius gelebt. Sonst ist seine Per-
önlichkeit in tiefes Dunkel gehüllt, nur aus der Vorrede erfahren wir
och, dass Diomedes sein Buch dem Athanasius gewidmet hatte.
Titel der Schrift. Im Parisinus 7494 lantet die Subscriptio zum 2. Buch: feliciter
vpiicit ars Diomedis Crrammatieae; im Paris. 7493 feliciter explicit ara Diomedis Gram-
tatici. Rafinos, Gramm, lat. 6 p. 568, 12 Diomedes sie dicit in II lihro artis aucie. Daraus
rird man wohl auf den Titel ars grammatica schliessen müssen.
Zeit des Diomedes. Hier sind wir noch schlimmer daran als bei Charisius, da
rir lediglich auf Schlussfolgerungen angewiesen sind. Wenn es richtig ist, wie Jeep be-
Aupiet, dass Diomedes den Charisius und Donat benutzt hat, so kann Diomedes nicht vor
er zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts angesetzt werden. In die erste Hälfte des 4. Jahr-
underts rttckt ihn W. Christ (Philol. 18 (1862) p. 131) hinauf, da er von der Anschauung
osgeht, dass Diomedes (und Charisius) vor Donat geschrieben haben; allein diese letzte
ichliissfolgerung scheint doch nicht zwingend zu sein. Dagegen ist es richtig, wenn Christ
L c. p. 130) aus p. 318, 5 schliesst, dass dem Diomedes die Bedeutung des sacerdos als
^enname nicht bekannt war, und er geraume Zeit nach dem Grammatiker Claudius Sa-
erdos gelebt haben muss.
Ziel und Gliederung der Schrift des Diomedes ergibt sich aus der Vorrede (Gramm.
iL 1 p. 299) artem merae Latinitatis purcteque eloquentiae magistram sub incude litteraria
locäiter procudendo formatam humanae sollertiae clarüas expoltvü, hanc cum cognovissem
xceüentem fctcundiam tiMtn {Athanasii) plurimi facere, desiderio tuo Itbenter indulgens
ummo studio, quantum mediocris cidmodum ingenü mei qualitas capere patiebatur, trino
ligestam libello düucideque expeditam censui esse mittendam, quia ipsos aurium meatus
\udita scientia complere absentia denegatum est. sane, ne quid esset incognitum, vitanda
uü nimium constricta brevitas, est enim lucubratianis industria studiique collatio triper'
Ua, ut secundum trina aetatis gradatitn legentium spatia lectio probabiliter ardincUa
rimen prolixittUis evadat taediumque permulceat, quae qmdem in tribus divisiofiibus
uamvis pattUa sit, tarnen in singuUs suam continet brevitatem, quam ob rem, ut mea fert
pinio, spero tibi aliisque legentibus magno usui fore, igitur totius operis prima pars
miversi sermonis membra continet; altera non solum observationes quae arti grammaticae
cddere solent sed etiam structuram pedestris orationis uberrime planeque demonstrat;
ertia pedum quaiäatem, poematum genera metrorumque tractatus plenissime docet. superest
'4 singula recolendo memoriae tenaci mandentur^ ne frustra cum tempore evanescat labor,
MO tanto maxime rudibtis praestare cognoscimur, qui rusticiiatis enormitate incultique
ermonis ordine sauciant, immo deformant examussim normatam orationis integritatem
düumque lumen eius infuscant ex arte prolatum, quanto ipsi a pecudibus differre vide-
tnlur. Femer kommen in Betracht die einleitenden Worte zu dem 2. und 3. Buch; der
Verfasser hat nämlich die Gewohnheit, auf das Abgehandelte hinzuweisen und das Neue
nzakündigen. So heisst es im Eingang von Buch 2 (p. 420): in primo libello sermonis
nicersi membra, quae prima legentibiM artis grammaticae studia praecipua esse vide-
aniur, pro qucUitate ingenii puto me satis exposuisse, nee ullius fugere scientiam arbitror
Ttam loquendi materiam disputandique substantiam partibus orationis administrari ; in
oc vero quid sit grammcUica et quibus aliis adminictUis instruatur explicabimus und in
iCm vom 3. Buch (p. 473): in tibro [quoque] secundo quantum ad officium observationis
vammaticae structuraeve orationis prosae probabilem cognitionem spectat prudentiae tuae
enMus interim explanasse suffidat. in hoc vero tertio libro, qui summam totius operis
mplebit, metra quae sunt tortuosis obscuritatibus implicata ac multarum quaestionum
mmerosa diversit<Ue perplexa, quibus pedum qualitatibus conpositionisve metricae ob'
154 Diomedea. (§834.)
serrationibus reffantur, certis rationtbus edocebo, üeber die Latinitftt des Werks
C. Paucker, Kleinere Stadien (l Die Latinitftt des Diomedes), Berl. 1888.
Quellen desDiomedes. Als Quellenantoren citiert Diomedes folgende: a) Te
tias Sc aar US p. 300, 19 Scauriis sie, oratio est ore missa et per dieticnes ordinaia
nuntiatio; nach Aufzfthlung der Redeteile ffthrt Diom. fort (p. 800, 27): Scauro videt\
tippellatio; 318, 14 ut Scaurtis retulit; 320, 13 sed ex hoc (des Nomen) definüione Sca
dissentit; 403, 20 Scaurtis ita definit (das Adyerbiam); 421, 16 Scaurus sie eam {litte
definit; 444, 29 hypozeuxis est, ut Scaurtm ait etc.; 449, 26 Scaurus ita definit (»ii
logiam); 456, 27 tropus est, ut ait Scaurus etc. ß) Probas 364, 30 ideoque Probus i
recte dici piscem vel aliud tenerum quid manduco, sed potius edo, quod significat it
365, 9 praefoco praefocavi Probus quasi novam vocem miratur. y) Sneton 3K5, 19 3
quillus quoque his adsefitiens in libello suo plenissime edere incohata disseruit; 49
uti adserit Tranquülus (im Abschnitt de poematibus). Vgl. H. Keil p. LI. üeber Si
als Qaelle des Diom. vgl. noch Eörtge, In Saetonii de vir. illastr. libros inqoisiti«
capita tria, Halle 1900; vgl. dazu Wessner, Berl. philol. Wochenschr. 1900 Sp. 877.
bat aber Diomedes seine Qaellen nicht genannt; so f&hrt eine Vergleichung des Dion
mit Priscian auf Probus als ungenannte Quelle einer Partie bei Diomedes; vgl. H.
p. LII. Was Sueton anlangt, so wurde der Abschnitt de jooematibus von O. Jahn (I^
Mus. 9 (1854) p. 629) auf Suetons ludicra historia und von Reif f er scheid (Snetonü
quiae, Leipz. 1860, p. 371) auf die Einleitung zum Abschnitt de poetis in Suetons lit
historischem Werk de viris illustribus zurückgeführt. Allein beide Annahmen führe:
Schwierigkeiten; weder passt der Traktat über die gesamte Poesie zur ludicra hia
noch stimmt die Art und Weise desselben zu einer Einleitung, wie sie sich uns aui
Fragmenten des litterarhistorischen Werkes darbietet. Mit Recht hat daher bereits W. Gl
(Philol. 18 (1862) p. 162) Einwände gegen diese Hypothese erhoben und möchte au
diesem Abschnitt mehrere Quellen annehmen; vgl. auch Steup, De Probis gramnii
Jena 1871, p. 190. Kürzlich hat A. Buchholz, Ueber die Abhandlung de poematibu
Diomedes (Fleckcis. Jahrb. 155 (1897) p. 127) die Frage behandelt und ist dabei zu
Resultat gekommen, dass nur das letzte Stück der genannten Abhandlung Eigentum
tons sei. und dass der Hauptteil dem Valerius Probus angehört, der auch in den zwc
deren Büchern den durch Zusätze bereicherten Grundstock bilde. Gregen die Abh&ngi
von Probus spricht sich mit Recht Wessner (Bursians Jahresber. 113. Bd. 2. Abt (
p. 163) aus. Ueber den gleichen Abschnitt handeln noch Usener, Ein altes Lehrgebäud«
Philologie (Sitzungsber. der M Unebener Akad. 1892 p. 582; bes. p. 614) und Kaibel, Diel
gomena i^qI xtofjup&Ua; (Abb. der Gott. Ges. derWissensch. 2, 1898). Von besonderer Wi(
keit ist für die Quellenfrage noch das Verhältnis zwischen Charisius und Diomedes:
Möglichkeiten wurden hier erschöpft. Bald wurde Charisius zum Ausschreiber des
medes, bald Diomedes zum Ausschreiber des Charisius gemacht, bald wurde — und
ist die verbreitetste Ansicht — für beide Grammatiker eine gemeinsame Quelle angenom
vgl. H. Keil p. XLIX. Die zweite bereits von Georg Fabricius verfochtene Ansichl
in neuester Zeit einen Vertreter in Jeep, Bemerkungen zu den lat. Grammatikern (R
Mus. 44 (1889) p. 51); Redeteile p. 56; Die jetzige Gestalt der Grammatik des Chai
(Rhein. Mus. 51 (1896) p. 401) gefunden; vgl. auch Tolkiehn, Wochenschr. für klass. P
1902 Sp. 1156. Auch Abhängigkeit von Donat wird von Jeep (Redeteile p. 58: R
Mus. 51 (1896) p. 402 u.a.) angenommen. Es lassen sich noch Spuren anderer Qu
verfolgen, z. B. 321. 11 sicut Arrunthis Claudius asserii {de nomine), wobei Celsus statt <
//ms von H. Keil (Gramm, lat. 5 p. 334) conjiciert wird; vgl. Froehde, De C. Julio Roi
Charisii auctoro (Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 18 (1892) p. 637). üeber Terentianus Mj
als Quelle vgl. Lachmann, Zu Terent. Maur. p. Xlll; vgl. H. Keil 1. c. 1 p. LV. l
Caesius Bassus als Quelle vgl. H. Wentzel, Symbolao criticae ad historiam scriptorai
metricae lat, BreBlau 1858, p. (53; W. Christ, Philol. 18 (1862) p. 129. Üeber das
hältnis des Diomedes zu den griechischen Technikern vgl. Christ 1. c; 0. Hense
.luba artigrapho (Acta societatia Lipsiensis 4 (1875) p. 103; p. 121).
Zum Fortleben des Diomedes. Citiert wird Diomedes bei Rufin (vgl. oben
bei Priscian (vgl. den Index in Gramm, lat. 3 p. 584) und bei Cassiodor (Gramm. I
p. 213, 1): Diomedem quoque et Theoctifttutn aliqua de tali arte scripsisse eomperimus.
Ueberlieferung des Diomedes. Alle Handschriften gehen auf einen Archel
des 8. Jahrhunderts zurück; vgl. H. Keil, Gramm, lat. 1 p. XXXVII. Zur Herstellung d
Archetypus zog H. Keil 3 Handschriften heran, Parisinus sive Puteanus 7494, Pari
7493, Monacensis 14467, alle aus s. IX. Ausserdem verwertete Keil noch die Exz
des Parisiuus 7530 s. VIII und die Lesarten eines Fuldaer Codex.
Ausg. des Diomedes. Massgebender Text der Recension bei H. Keil, Gn
lat. 1 p. 299; über ältere Ausg. handelt in sorgfältiger Weise Keil 1. c. p. XLIll;
W. Christ, Philol. 18 (1862) p. 131. Buch 111 caput de poematibus in der Recension 1
bei Kaibel, Comicorum graeconim fragin. 1 (Berl. 1899) p. 53.
Sorriiui. (§ 835.) 155
Litteratnr. G. Schultz, üeber das Kapitel de versuum generibus bei Diomedes
p. 506 ff. E. (Hermes 22 (1887) p. 260); F. Leo, Die beiden metrischen S:f8teme des Alter-
toms (Hermes 24 (1889) p. 281); P. E. Meyer, Qoaest. gramm. ad Scann artem restitnen-
dam, Jena 1885.
7. Servius.
835. Schrifkstellerei des Grammatikers Servius. Neben Donat nahm
unter den römischen Grammatikern Servius, dem vielleicht noch die Bei-
namen Maurus und Honoratus zugehören, eine angesehene Stelle ein.^) Wir
kennen seine Heimat nicht, aber sein Wirken spielte sich in Rom>) ab,
und von einem seiner Schüler Nicaeus wird berichtet, dass er in Rom unter
Leitung des Meisters eine Juvenalhandschrift emendierte. In Vergil fand
Servius den Mittelpunkt seiner Studien; er galt als ein sehr hervorragender
Vergilkenner, und daraus erklärt es sich, dass Macrobius in fingierten,
vor 385 spielenden Tischunterhaltungen, in denen Vergil das Hauptobjekt
der Unterhaltungen bildete, dem Grammatiker auch eine Rolle zuteilte.
Seine Vergilstudien fanden Ausdruck in einem Commentar; er begann mit
dem wichtigsten Gedicht, der Aeneis, um dann zu den Bucolica und Ge-
orgica überzugehen.^) Dieser Commentar ist uns noch erhalten; in dem-
selben ist schon die Idee ausgeprägt, dass Vergil in sich das höchste
Wissen vereinige^) und dass es nur der eingehenden Erklärung bedürfe,
um dieses Wissen dem Leser zum Bewusstsein zu bringen. In der Er-
klärung folgt Servius der damals üblichen Methode des Schulunterrichtes,
welche das Gelehrte möglichst fernhielt und sich besonders auf das Gram-
matische und Rhetorische beschränkte; sein Commentar ist daher mehr
fär die Geschichte des Unterrichts als für die Altertumswissenschaft von
Bedeutung. Von christlichen Anschauungen finden sich in demselben keine
deutlich erkennbaren Spuren. Wir würden ihn wahrscheinlich nicht oft
zur Hand nehmen, wenn nicht ein uns unbekannter Mann höchst wert-
volle Zusätze aus sehr gelehrten Quellen dem Commentar hinzugefügt hätte.
Neben Vergil wendete Servius, wie sich eigentlich von selbst versteht,
auch der Grammatik seine Aufmerksamkeit zu; von dieser Thätigkeit
liegt uns eine Frucht in dem Commentar zur Grammatik des Donat vor;
er umfasst sowohl die ars minor als die ars maior des Grammatikers.
Benutzung und Ausbeutung dieses Werkes zeigen, dass auch diese Arbeit
hoch angesehen war. Sogar eine typische Bedeutung erhielt mit der Zeit
der Name Servius, und, was noch merkürdiger ist, statt des Namens Ser-
vius erscheint auch der Name Sergius. Während über die Autorschaft
des Vergilcommentars und der Erläuterungen zur Ars des Donat kein
ernstlicher Zweifel aufkommen kann, sind wir bezüglich anderer Schriften,
die dem Servius zugeteilt werden, unsicher. Wir ziehen hierher drei
metrische Schriften: den sogenannten Centimeter, eine Aufzählung der
metra und ihrer Zusammenfiigung mit selbstgemachten Beispielen, eine
Abhandlung de finalibus und einen Traktat über die Metrik des Horaz.
*) Nach einer verworrenen Notiz bei 1 •) Vgl. § 248.
Hagen (Anecdota Helvetica p.CXLIX) wäre j *) Vgl. die Eingangsworte zum sechsten
Servins SchQler des Donat gewesen. Buch der Aeneis, welche § 248 p. 88 aus-
*) Vgl. Thilo p. LXXIII. ! geschrieben sind.
156 SerriiM. (§885.)
Es ist schwer zu glauben, dass alle drei Schriften von einem Verfa
herrühren. Am ehesten wird noch der Centimeter unserem Grammat
zuzuschreiben sein. Auch von der unter dem Namen Servius umlaufeii
Glossensammlung ist es fraglich, ob Servius hier nicht im typischen Si
zu nehmen ist.
Die Namen des Servius. 1. Einfach Servius wird unser Grammatiker gei
bei Macrob. Sat. 1, 2, 15. 2. Servius magister wird er genannt im Laurentianua 34, 42
Leidensis 82 s. XI in der Subscriptio: Legi ego Niceus Botnae apud Servium magis
et emendavi (vgl. oben § 420a p. 182). Ebenso Pseudo-Acro zu Horat sat 1,9, 76 sie
rius, magister urbis, exposuit. Weiter heisst es in den Sergii explanationes in Don
(Gramm, lat. 4 p. 496, 26): )Mec magister Servius extrinsecus dictavit; vgl. noch 448
487, 22. Auch Priscian (die Stellen im Index der Gramm, lat. 3 p. 545) nennt den G
matiker bloss Serrius. 3. Servius grammaticus heisst unser Autor in den alten £
Schriften des Vergilcommentars; auch im Centimeter erscheint in der Widmung St
grammaticus. 4. Der Beiname Honoratus findet sich im Frisingensis und Bobiensis-Y
bonensis in der Widmung: Servius Honoratus Aquilino salutem. In der üeberschrifb l
er in den beiden Handschriften Honoratus grammaticus. 5. Das Cognomen Mauru
scheint in Handschriften des Centimeter; vgl. H. Keil, Gramm, lat 4 p. XLVI.
Maurus erscheint aber auch die Variante Marius, 6. Servius Marius Honoratus \
der Grammatiker in der Widmung des Schriftchens de finalibus im codex Monacc
Emmeramus G. 121 s. X. 7. Maurus Servius Honoratus oder Servius Honoratus gib'
Vergilcommentar erst in Handschriften des 15. Jahrhunderts; der Leidensis 5 s. XI
im Vergilcommentar Marius Servius.
■^ ^erviusundSergius. In den Commenta Bemensia zu Lucan wird der Vergilcom
tator Servius unter dem Namen Sergius angeführt (3, 402; 7, 633). Der Donatcommenta
'•• Servius gibt im Parisinus 7530 und zwar in der Ueberschrift als Autor Sergius an, wäl
er in der Unterschrift als solchen magister Servius bezeichnet Auch die älteste Handa<
des Vergilcommentars, Bemensis 363 s. IX, zeigt in der Ueberschrift den Namen Ser
In dem Bobiensis-Vindobonensis und im Frisingensis wird das Schriftchen de littera etc.
..j Auszug aus dem Donatcommentar des Servius, ebenfalls dem Sergius beigelegt.
„!. Servius und Macrobius. Der Grammatiker Servius wird von Macrobius als
nehmer an den Gesprächen bei Vettius Praetextatus eingeführt und mit den Worten chi
terisiert (Sat. 1, 2, 15): Servius inter grammaticos doctorem recens professus, iuxta dock
mirahilis et amabilis verecundia. 6, 6, 1 sed nunc dicat volo Servius quae in Ver
notavcrit .... cotidie enim Eomanae indoU enarrando eundem ratem necesse est hc
huius adnotfitionis scientiam promptiorem. 1, 24, 8 {Se^Tius) priscos, ut mea {Symm
fert opinio, pnieceptores doctrina praestat. 1, 24, 20 modo memineritis a Servio ni
exigendum ut quidquid obscurum videbitur (bei Vergil) quasi litteratorum omnium l
maximus palam faciat.
Zeit des Servius. Auszugehen ist von einer Stelle des Macrobius, wie Audi
Bosius (1026 — 1674), De pontifice maximo Romac veteris, Jena 1656, 4, 4 gesehen hat
lesen nämlich (Macrob. Sat. 7, 11, 2): et Disarius „age Servi non solum adnlescentium
tibi aequaevi sutit sed scnum quoque omnium doctiasime". Also war Servius zur Zei<
Gespräches ein adulescens. Die Zeit des Gespräches musste natürlich vor den Tod
Praetextatus (385) fallen. Da Servius zu den adulescentes gerechnet wird, so moBS ei
885 etwa 25 Jahre alt gewesen sein. Sonach ist er vor 360 geboren. Diese Geh
zeit kann in der That auch von den Genossen des Servius, die am Gespräche t«ilneh
nachgewiesen werden. Noch in anderer Weise kann die Zeit des Servius bestimmt wei
ein terminus post quem ergibt sich daraus, dass Servius den Dichter Avienus citierl
Verg. Aen. 10, 272 und 388). Einen anderen Terminus gewinnen wir aus folgender S
(ad Verg. Aen. 3, 80): hodieque imperaturcs pontificis dirimus. Da dieser Gebrauch, sc
wir sehen, im Jahre 375 aufliörte (Mommsen, Rom. Staatsrecht 2» (Leipz. 1887) p.
Anm. 5), niuss Servius noch vor diesem Jahr gelebt haben. Vielleicht darf aus der
merkung zu Verg. Aen. 7, 604 O dar um fern gms vtiam apud maiores fuit geschlossen w«
dass Servius auch noch den Zug Alarichs nach Rom erlebte; vgl. Thilo, Serviüsausg. i?
(1881) p. LXXI; E. Thomas, Essai sur Servius et son commentaire sur Virgile, Paris 1
p. 13»l: G essner. Servius und Pseudo-Asconius, Zürich 1888. p. 10 (er bemängelt die A
mentation aus der Stelle zu Verg. Aen. 3, 80).
Der Vergilcommentar des Servius. Für die heidnische Religion des Verfai
sprechen Stollen wie Aen. 1. 7<); 4, 58; 4, 556; 1, 297; vgl. Gessner p. 13; E. Thoi
Essai p. 140. Rationalistische Deutungen in Aen. 3. 113; 3, 578; 3, 636; 4, 239; vgl. Ges«
p. 14. Philosophische Bemerkungen finden sich Aen. 2, 255; 2, 646; 2, 689; 3, 241; 4,
SerriQB. (§ 835.) 157
5, 95; 6, 127; 6, 136; 6, 362; 6, 703; 8, 564; 11, 186; vgl. Gessner p. 15. üeber Histo-
riaches vgl. Thomas, Essai p. 257; über das Antiquarische p. 267. Ueber Berührungen mit
dem Terenzcommentar des Donat vgl. Thilo praef. p. XXI; Gessner p. 30. Ueber die Kennt-
nisse des Griechischen vgl. Thomas p. 184 mid Gessner p. 39; vgl. Aen. 11, 243. Ueber
seine Sprache vgl. Thilo p. LXXll. Ueber seine Bekanntschaft mit römischen Autoren vgl.
Thomas p. 186. Ueber grammatische Bemerkungen vgl. Thomas p. 214; Gessner p. 46.
Titel des Gemmen tars. Die älteste Ueberlieferung bietet: Sermi grammatici ex-
positio in bucolicon et in libris geargicon atque aeneadum. Diese Ueberschrift verdient
wenig Glauben, weil es feststeht, dass Servius seinen Conmientar nicht in dieser Ordnung
geschrieben; auch der Plural aeneadum und der Ablativ libris erregen Anstoss. Priscian
citiert sowohl commentum als commentarius; vgl. die Stellen beim , Fortleben*. Der mit
den Zosfttzen versehene Commentar wird mit commenta bezeichnet; vgl. Thilo p. XLVIII.
Quellen des Vergilcommentars. Am häufigsten berücksichtigt Servius den Gram-
matiker Aelius Donatus (§ 247); vgl. Thilo p. LXXV. Auch Urbanus (§ 605 p. 156) ist
hlnfig citiert; vgl. Thilo p. LXXVII. Für das Sachliche war Sueton eine leicht zugäng-
lidie Quelle; vgl. Reifferscheid, Suetoni reliquiae, Leipz. 1860, p. 445 und p. 466. Be-
züglich des Carminius vgl. ad Aen. 5, 233 Carminitis dicity qui de elocutionxbus scripsit;
6,638 %U Varro et Carminius dicit; 6, 861; 8,406. Terentius Scaurus wird angeführt ad
Aen. 8, 484; öfters Asper, vgl. Lftmmerhirt p. 324; M. Valerius Probus, vgl. Lämmer -
hirt p. 321 u. a. Ueber die Citierung des Gellius vgl. M. Hertz, Ed. maior 2 p. XI. Auf
Hebrius stossen wir ad Aen. 7, 6 Hebrus (mit der Variante Hebrius) legit, wozu in Thilos
Ausg. bemerkt ist, dass durch 9 Stellen des Scholiasta Bemensis als wahre Form der Name
J5&rtfM erscheine. Im Grammatischen scheint Caper seine hauptsächliche Quelle gewesen
m sein; vgl. J. Kirchner, Servius und Priscian p. 21, der in seiner Abb. De Servi auc-
toribus gramm. wahrscheinlich zu machen suchte, dass Servius die Schriften des Probus,
Plinius und Asper nur aus den Citaten bei Caper kannte, den er allein in Händen gehabt
hätte; vgl. noch p. 23 und p. 37.
Litteratur zum Commentar des Servius. Suringar, Hist. crit scholl, lat. 2
p. 59; K Teuber, De Mauri Servii Honorati grammatici vita et commentariis, pars 1 (Breslau
1843); Mommsen, Rhein. Mus. 16 (1861) p. 442; G. Thilo, Quaest. Servianae, Halle 1867;
Prolegomena zu seiner Ausgabe ; 0. Ribbeck, Proleg. Verg. p. 189; J. Kirchner, De Servi
anctoribus gnunmaticis, quos ipse laudavit (Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 8 (1876) p. 467);
K Thomas, Essai sur Servius, Paris 1880; H. Nettleship, Thilo's Servius (Lectures and
eosa^s, Oxford 1885, p. 322); R. Halfpap-Klotz, Quaest. Servianae, Greifswald 1882;
J. STirchner, Servius und Priscian, Brieg 1883; P. Rosenstock, De Donato Terentii et
Servio Vergilii explicatore syntaxeos latinae interpretibus, Königsberg 1886; A. Gessner,
Servius und Pseudo-Asconius, Zürich 1888; G. Lämmerhirt, De priscorum scriptorum locis
s Servio allatis, Jena 1890; A. Mo eller, Quaest. Servianae, Kiel 1892 (verfehlt); R. Klotz,
Animadversiones ad veteres Vergilii interpretes, Treptow a. R. 1893; A. Haberda, Mele-
temata Serviana, Brunn 1895 (verfehlt); A. Leuschke, De metamorphoseon in scholiis Ver-
gilianis fabub's, Marb. 1896; W. Heraeus, Zur Kritik und Erklärung der Serviusscholien
(Hermes 34(1899) p. 161); v. Winterfeld, Philol. 58 (1899) p. 301; Steele, Servius and
the scholia of Daniel (Americ. joum. of philol. 20 (1899) p. 272 u. p 361); Notes on Servius
(Ebenda 21 (1900) p. 170).
Fortleben des Commentars. Priscian, Gramm, lat. 2 p. 233, 14 Servius in com-
mtento Virgüii; 515, 22 Servius in commentario Aeneidos; 256, 14 Servius in commen-
tario tertii libri Virgiliani; vgl. p. 532, 22; 259, 22. Ueber die Benutzung des Servius in
Iflidors origines vgl. Thilo p. XXXYIII und dagegen Nettleship, Lectures and essays
p. 329. Unter dem Namen Sergius ist der Commentar berücksichtigt in den commenta des
Locan 8, 402; 7, 633.
Ueberlieferung des Vergilcommentars. Die älteste Quelle ist der codex
Bemensis 363 s. IX. Er enthält den Commentar zu den Bucolica und G«orgica und zur
Aeneis 7, 16 in stark gekürzter Fassung. Die Recensio des Commentars beruht auf fol-
genden Handschriften: Caroliruhensis 186 s. IX; nächst dieser Handschrift sind noch mass-
gebend folgende des 10. Jahrhunderts: Lipsiensis, Caroliruhensis 116, Vaticanus Reginensis
1674, Laurentianus bibl. sanctae crucis plut. XXII, 1, Sangallenses 861 und 862. Aus dem
11. Jahrhundert sind zu verzeichnen: Hamburgenms 52, Monacensis 6394; aus dem 12. der
Monacensis 18059. Ueber andere Handschriften vgl. Thilo p. LXXXVIII; femer J. J. Cor-
nelissen, Codicis Daventriensis vetustissimi Servii commentarios continens brevis descriptio,
Berl. 1871; über den Harleianus 2782 vgl. H. Nettleship, A Harleian Ms. of Servius (Aca-
demj 348 (1879) p. 11). Es kommen noch hinzu die Handschriften des erweiterten Servius;
über diese und den erweiterten Servius überhaupt vgl. § 248 p. 88. (Buc. 1, 38 2, 10 fehlt.)
Ausg. des Vergilcommentars. Vgl. E. Thomas, Essai p. 331. Aelteste Ausg.
von B. Stephanus, Paris 1532. Weiter ist zu erwähnen die öfters wiederholte Ausg. des i
158 Servin». (§835.)
6. Fabricius, Basel 1551. Sehr wichtig ist die Ausg. des Pierre Daniel, Paris 1600, weil
hier zum erstenmal die Scheuen in ausführlicher Fassong gegeben werden. Ea folgten die
Ausg. von P. Masvicius, Leuwarden 1717, die des P. Bnrmann, Amsterdam 1746; H.A.
Lion, Göttingen 1826; massgebend ist jetzt allein die kritische Ausg. Thilos, Leipx. 1881 ff.
Servius und Pseudo-Asconius. Thilo (Ausg. des Senrius, toI. 1 p. XXXI) hatte
den Commentar des Pseudo-Asconius zu Cicero (§ 146, 8) dem des Servius so Ähnlich ge-
funden, „ut si non a Servio ipso, at certe e Servii officina, ut ita dicam, videatnr pfofectns
esse.** Gegen die Identität spricht sich Gessner (Servius und Pseudo-Asconius, Zürich 1888,
p. 63) aus. Wenn Gessner weiter zu zeigen versucht, dass Pseudo-Asconius ein Schfiler
des Servius war, so steht dieser Nachweis auf schwachen Füssen.
Commentarius in artem Donati. Der Commentar ruht auf dem Parisums 7530
s. VIII; vgl. H. Keil p. XLI. Dass er von Servius herrührt, dafür führt Thilo (Servius
Ausg. p. LXXIV) eine Reihe von Uebereinstimmungen zwischen beiden Schriften an, z.B.
Donatcommentar 405, 2 ars dicta est vel ano r^g dget^g, id est a virtute = Vergilcommentv
Aen. 5, 705 [artej id est virtute, ano riyj (iger^g; 407, 29 superlativus vero gradua genäko
tantum 2>lurali adiungitur^ ut „doctissimus illorum*' = Aen. 1, 96 [fortissime gentis] aUiue
in artibus legimus superlativum gradum non nisi genetivo plurali iungi; 411, 20 tÜas
elocutiones, quae sie formantur, quasi casum habeant, ut f,da mM bibere" = Aen. 1, 318
unde „da bibere*^ usus obtinuit Allein viel beweisen die beigebrachten Stellen nicht, di
es sich um Dinge handelt, welche durch die artes zum Gemeingut geworden waren; vgl.
noch Thomas, Essai p. 212. Citiert wird der Commentar von Pnsdan, Gramm, lat 2
p. 8, 15 ostendit Servius in commento quod scribit in Danatum. Ueber Abweichungen vom
Donattext, welche durch Benutzung anderer Grammatiker erklfirt werden, vgl. L. Jeep,
Zur Gesch. der Lehre von den Redeteilen bei den latein. Grammatikern, Leipz. 1898, p. 34.
— Massgebende Ausg. bei H. Keil, Gramm, lat. 4 p. 405.
Explan ation es in artem Donati. Im codex Lavantinus 24 lautet die Ueber-
Schrift: incipit tractaius Servii in Donati Hb. Auch später heisst es: finit felieiter com-
mentatus de octo Servii partib: Grammatici, Es folgt dann die ex^ajiatio litterae, wo
eine andere, aber alte Hand den Namen Sergius überschrieben hat. Der Traktat nm&SBt
2 Bücher; 496, 26 lesen wir: Haec sunt quae Donatus in prima parte arüum tracUnit.
ftaec mag ister Sermis extrinsecus dictavit. Es folgt dann eine Lehre des Servius, die er
in dem Commentar p. 408, 36 als eine ihm eigentümliche darstellt. Diese Stelle zeigt, dass
der Commentar nicht von Servius sein kann. Der Commentar ist entstanden nach Servios
und vor Pompejus, der ihn benutzte; vgl. Jeep, Redeteile p. 35. Jeep erhebt Zweifd
gegen die Identität des Verfassers des zweiten Buchs, das erst mit den Bedeteilen beginnt
mit dem des ersten, jedoch ohne durchschlagende Gründe. Ueber die Schrift urteilt H. Keil
(p. LI) also: „in magna parte rerum tritissimarum, quae ex inümae aetatis disciplina petitae
sunt, tarnen bonis et antiquis auctoribus usum esse scriptorem cum observationes prisci ser-
monis non paucae tum fragmenta quaedam veterum scriptorum adhuc ignota probant* -
Text bei H. Keil p. 486; vgl. § 832 p. 147. Ueber einen ähnlichen Traktat primae ex-
jwsitiones Seigii de prioribus Donati grammatici urbis Romae (Hagen, Anecdota Hel-
vetica p. 143) vgl. denselben p. LXXXIX. Jeep (Lehre von den Redeteilen p. 37) sagt:
„Die Expositiones bestehen aus mit Zusätzen aus andern grammatischen Schriften verbun-
denen Stücken des lib. I Explan. **
Sergii de littera, de syllaba, de pedibus, de accentibus, de distinctlone.
Die Kritik beruht auf dem Bobiensis sive Vindobonensis 16, dem Parisinus 7580 s. YHI und
dem Frisingensis sive Monacensis 81; vgl. H. Keil p. XLVHI; Text bei H. Keil p. 475.
Das Schriftchen stellt sich uns als ein Auszug des Servius aus dem Donatcommentar dar;
vgl. noch Jeep, Redeteile p. 55.
Glossensammlung des Servius. Eine Sammlung von Substantiven, die im La-
teinischen und Griechischen verschiedenen Geschlechtes sind, wii'd auch dem Servius gram-
maticus beigelegt. Verwandtschaft zeigen die Excerpta Charisii (Gramm, lat 1 p. 583), ver-
öffentlicht im Corpus gloss. lat. 2 p. 507; vgl. noch F. Gehler, Glossae Servii granmiatici
(Rhein. Mus. 18 (1863) p. 253); G. Loewe, Prodromus gloss. p. 200.
Der Centimeter. Bezüglich des Titels der Schrift vgl. p. 457, 1 licet audacUr,
non tame^i ineleganter, hunc libeUum qui volet centimetrum nominabit. tot enim metrorum
digessi qnania potni brevitate, rationem omittens, quo quidque fiascoitwr ex genere, qua
scansionum diversitate caedatur, quae res plus confusionis quam uiüitatis luibet. Es wird
also nach diesen Worten das Büchlein Centimeter zu nennen sein; vgl. Lachmann.
Praef. zu Terent. Maurus p. XIV; L. Müller, Fleckeis. Jahrb. 93 (1866) p. 563. H. Keil
hat nach den Handschriften das Werkchen de centimetris betitelt. Die Beispiele hat der
Grammatiker selbst gemacht; dies ergibt sich daraus, dass sich kein einziges bei einem
der vorhandenen Dichter nachweisen lässt. Ja er verändert lieber sogar Verszeilen der
Dichter, um sie dadurch originell erscheinen zu lassen; vgl. L. M filier I.e. Derselbe
DoeÜheaa nnd andere Ghrammatiker. (§ 836.)
159
Gelehrte bestreitet die Aatorscbafk des Servius, indem er sich auf den Vers (p. 465, 27)
mtoriem eontemnunt laudcUo vulnere Getae stützt und daraus folgern will, dass der Ver-
fMser im 6. Jahrhundert znr Zeit der Gothenherrschaft in Italien gelebt habe (p. 565). Er
denkt deshalb bei Albinos an einen Sohn des Albinas, der 493 Konsul im Westen war;
Tgl. auch L. Mflller, Rhein. Mus. 25 (1870) p. 340.
Widmung der Schrift Centimeter. Das Schriftchen wird eingeleitet durch
folgende Widmung: clarissimo Albino Servius grammaticus. tibi hunc libellum, prcietexta-
torum dectts Älbine, devovi. Im Folgenden heisst es vom pater und avtis: quibus maximam
reverentiam lüterae debent. Der genannte Albinus wird identifiziert mit Caecina Decius
Albinus, der praefectus urbi im Jahre 402 war; er ist der Sohn des Publilius Caeionius Cae-
eina Albinos, Gonsularis ^umidiae im Jahre 365 (Seeck, Ausg. des Symmachns p. CLXXV);
T^ Macrob. Sat. 1, 2, 3; 1, 2, 15; vgl. auch Graf, Pauly-Wissowas Realencycl. 1 Sp. 1315.
Ueberlieferung und Ausgaben. Die üeberheferung des Centimeter beruht auf
8 Handschriften, Neapolitanus Borbon. IV A 8, Parisinus 7530 s. VUI, Santenianus nunc Bero-
Inwinms 66; die übrigen Handschriften sind ohne wesentliche Bedeutung für die Recension;
Tgl. H. Keil, Gramm, lat. 4 p. XLV. Ueber die Ausg. der Schrift Centimeter vgl. H. Keil
I. c p. XLVI. Editio princeps (mit der Schrift de finalibus), Mailand 1473. Erste kritische
Ausg. von Putsche. Es folgen die Spezialausg. von Santenius, Leiden 1788 und die von
Fr. Nie. Klein in einem Koblenzer Gymnasialprogramm 1824; massgebende Ausg. von
EL Keil, Gramm, lat. 4 p. 456.
Das Schriftchen de finalibus. Die Widmung lautet: Servius Honoratus Äqui-
Imo scUutem. ültimarum syUabarum naturas, sicut proposueras, breviter lucideque digessi.
in qua re mea audacia tuo defenditur imperio. Ueber seine Quelle sagt der Verfasser
(p. 449, 6): quamquam rationem litterae et syUabae in Donati artibus habeamus, tarnen
breriandi causa aliqtMi ex his decerpsimus, quae ad scientiam metrorum proficere credimus.
Die Schrift spricht L. Malier (Fleckeis. Jahrb. 93 (1866) p. 565) dem Servius ab, da in
derselben Priscian benutzt sei, indem er Granmi. lat. 2 p. 327, 5 vergleicht mit Gramm.
lal 4 p. 453, 7. Für die Recension zog H. Keil (p. XL1II) 4 Handschriften heran: Vindo-
bonensis olim Bobiensis 16, Monacensis olim Frisingensis 81, Leidensis 122, Monacensis-
Enuneramus G. 121, von denen die zwei ersten die reinste Form des Textes darbieten. —
Editio princeps Mailand 1473. Ueber die übrigen Ausg. vgl. H. Keil p. XUY. Massgebend
ist jetzt der Text von H. Keil, Gramm, lat. 4 p. 449. Ueber ein unserem Schriftchen ver-
wandtes, dürres Schulbuch de finalibus metrorum (Gramm, lat. 6 p. 229), das von Heraus-
gebern dem Servius irrtümlich zugeteilt wird (vgl. Keil, Gramm, lat. 6 p. XXII), vgl. unter
Marios Yictorinus (§ 829 p. 141).
De metris Horatii. Das Schriftchen ist allein überliefert durch Parisinus 7530.
Widmung: Servius Fortunatiano dn, Superfluum, amice, fore putavi et post Terentianum
metra diger[ere, cum satis quae mihi lectio poetarumj (ergänzte Lücke) aliud agenti ob-
tulerat exposüa viderentur. quare Horaiium, cum in Campania otiarer, excepi, quem
teparatim mea per singulos cantus servata vei'suum repUcatione tractares. Auch dieses
Schriftchen spricht L. Müller dem Servius ab und sucht weiter nachzuweisen, dass der Ver-
fasser ein anderer ist als der des Centimeter (p. 565). — Text bei H. Keil , Gramm, lat. 4 p. 468;
ohne Einleitung steht der Traktat auch bei Keller, Ps.-Acron. schol. 1 (Leipz. 1902) p. 4.
8. Dositheus und andere Grammatiker.
836. Die (Grammatik des Dositheus. Als die römische und die
griechische Welt zu einem Reich zusammengeflossen waren, lag es nahe,
auch den griechisch Sprechenden die lateinische Sprache zu vermitteln.
Diesem Zwecke dient auch die Grammatik des Dositheus. Dieser Grieche
nahm sich ein grammatisches Handbuch vor und übersetzte dasselbe in
das Griechische, wohl in der Weise, dass er eine Interlinearübersetzung
lieferte, d. h. über jedes lateinische Wort das entsprechende griechische
setzte. Ein späterer Abschreiber schrieb in ungeschickter Weise, wie ver-
mutet werden darf, das Werk in der Art ab, dass er Lateinisch und Griechisch
miteinander in derselben Zeile verband; schliesslich scheint ihm die Arbeit
zu viel geworden zu sein und er Hess in den späteren Partien das Grie-
chische weg.i) Auch sonst wird das Werk in der Ueberlieferung ge-
i)ygl.H.Keil, Gramm. lat. 7 p.366 «post
ezpositionem nominis graeca verha primum
neglegentios latinis interposita, deinde prorsos
omissa sanf
160 DoBithens und andere Grammatiker. ({ 836.)
litten haben. Mit der Ankündigung steht das Ganze nicht im Einkla
auch Zusätze sind in das Werk eingedrungen. Da Dositheus lediglich
Uebersetzer in Frage kommt, handelt es sich f&r uns hier bloss dar
welche Vorlage er seiner Uebersetzung zu Gründe legte. Es war diese
welche auch die sog. Excerpta Bobiensia benutzten. Auch Charisius
Diomedes zeigen Verwandtschaft mit unserer Grammatik; sie ist <
etwas entferntere als die der Excei*pta Bobiensia und wohl dahin zu
stimmen, dass die von Dositheus benutzte Grammatik und die Vor!
des Charisius und Diomedes auf dieselbe Quelle zurückleiten. Unj
Grammatik bildet daher ein Glied in der Kette der Quellenuntersuchuni
Für die Zeit der Vorlage bildet einen Stützpunkt die Erwähnung
Grammatikers Sacerdos; ob die am Schluss des Werkes erfolgte Erwähn
der Grammatik des Donatus auch für die chronologische Fixierung '
wertet werden kann, ist zweifelhaft, da die betreffende Stelle auch fren
Zusatz sein kann.
Mit der Grammatik des Dositheus wurden noch andere Stücke '
bunden, welche ebenfalls als Uebungsstücke zur Erlernung der lateinisc
Sprache dienten. Irrtümlich wurden sie auch dem Dositheus beigelef
Allein eine genauere Betrachtung der Ueberlieferung legt dar, dass
Autorschaft des Dositheus in derselben keinen Stützpunkt hatte. A
stimmt eine in dieser Partie befindliche Datierung nicht mit der spi
anzusetzenden Zeit des Dositheus.^) Für die Kenntnis des sozialen Lei
und für die Geschichte der lateinischen Sprache sind diese Bruchstii
von unschätzbarem Wert. 3)
Inhalt. 7 p. 377, 1 artis ßrammaticae initia ah elementis surgunt, elementa ,
rantur in litteras, litterae coguntur in syllab(Ut, syllahis compreJtenditur dictio, dicti
coguntur in partes orationis, oratio in rirtutes ac vitia descendit. Dieser AnkQndij
entspricht nicht völlig das Darauffolgende. Die Reihenfolge ist nämlich: De ctccent
de distinctioncj de i'oce, de liftera, de syltaba, de communibus syllabis, de dictivne
onitionc; daran reihen sich die einzelnen Redeteile. Ueber die Störung der Redeteile
Jeep, Redeteile, Leipz. 1893, p. 14; über Zusätze bei den Präpositionen und Konjiinkti<
vgl. denselben p. 15.
Quellen des Dositheus. Auszugehen ist von den Worten H. Keils (Gramm. 1
p. 367): „Plurima quae a Dositheo in arte grammatica scripta sunt apud Chariaiam et
niedem et in exccrptis ex Bobiensi codice in primo volumine grammaticonim latinc
editis, non nulla etiam apud alios grammaticos, sicut in adnotatione indicavi, legantnr.
fit ut vix quidquam novi, quod ab aliis scriptoribus traditum non sit, praebeat.* Der 1
bestand wird von Keil im einzelnen dargelegt; eine genauere Untersuchung über das
hältnis der genannten Schriften wurde für einen Abschnitt {de nomine) gegeben von J«
Bemerkungen zu den latcin. Grammatikern (Rhein. Mus. 44 (1889) p. 25). Er komm
dem Resultat (p. 39), „dass der betreffende Abschnitt der Exe. Bob. der Grammatik, we
Dositheus übersetzte, entnommen ist.** Weiter schliesst er (p. 47), ^dass die Ezc. Bob.
Charisius in den fraglichen Teilen nicht direkt aus der Grammatik des Dositheus gescl
haben, sondern aus einem Buche, dessen Autor aus dieser Grammatik und aus einer an
Grammatik jene Partien ohne Rücksicht auf genaue innere Abrundung, vielleicht um p
tischen Bedürfnissen zu dienen, in ein neues grammatisches Buch zusammengefügt ha
Bezüglich des Diomedes wird behauptet (p. 51), dass er den Charisius, aber auch de
* ) Dies geschah bereits von C u i a c i u s ; üebungsstücken aus Hygin ; vgl. auch H. 1
vgl. H. Keil p. 370 ,.8ed ex praescriptione co- p. 374 „denique eum qui artem grammati
dicis Sangall ensis olim Cuiacius, qui primus ' scripsit aliquante inferiorem fuisae eo a
eo codice usus est, illud nomen ad ea omnia ' qui in genealogia Hygini indicatus est, <
quae post artem grammaticam scripta sunt ' libro iam plane apparere puto.*
transtulit.'* | «) Vgl. auch Krumbacher, Gesch
*) Wir meinen die Datierung zu den Byzantin. Litt, München' 1897, p. 561.
Dositlieiui und andere Grammatiker. (§836.) 161
Quelle gekannt habe. Der Grammatiker Sacerdos (§ 604) wird citiert p. 393, 12; 407, 19;
418, 24; vgl. Keil, Gramm, lat 7 p. 368; p. 375; Jeep, Redeteile p. 14 Anm. 1. Auch ans
Dcmat ist eine Stelle am Schluss des Werks {de inieriectiane) citiert: Donat Gramm, lat. 4
p. 891, 27 = Dos. Gramm, lat. 7 p. 424, 9; vgl. Keil p. 375; Jeep, Redeteile p. 16 und
Amn. 2.
Die Ueberlieferung basiert in erster Linie auf dem Sangallensis 902 s. X, der für
H. Keil in seiner ersten Ansg. (Halle 1871) Führer geworden ist Auf Fragmente des Mona-
censis 601 s. IX/X machte Rühl, Textesqnellen des Justin (Fleckeis. Jahrb. Supplementbd.
6 (1872) p. 14) aufinerksam; vgl. auch Loewe, Prodromus corp. gloss. lat., Leipz. 1876, p.207.
Dies sind die Hilfsmittel, auf denen die zweite Ausg. in den Gnunm. lat von Keil beruht.
Dmi Harleianus 5642 s. IX/X fOgte Krumbacher, E^e neue Handschrift der Grammatik des
Doshlieus und der Interpretamenta Leidensia (Sitzungsber. der Münchener Akad. der Wissensch.
1888 p. 193) hinzu; vgl. auch dessen Abhandlung im Rhein. Mus. 39 (1884) p. 348. Harleianus
and Monacensis ergänzen sich; vgl. Krumbacher, Sitzungsber. p. 198. üeber den Be-
stand der drei Handschriften vgl. die Uebersicht bei Krumbacher, Sitzungsber. p. 203.
Auch in Bobbio befand sich eine Handschrift; vgl. G. Becker, Catal. bibl. antiqui, Bonn
1885, Nr. 32, 414 (p. 69) librum L DoHthei de grammatica; vgl. Keil, Gramm, lat 7 p. 370.
Ausg. Massgebend ist jetzt die Ausg. von H. Keil, Gramm, lat. 7 p. 376.
Pseudodositheana. Mit der Grammatik des Dositheus sind in den Handschriften
noch andere Produkte verbunden, die aber mit Dositheus nichts zu thun haben. Die wich-
tigsten sind folgende:
1. Eine Sammlung lateinischer, bemerkenswerter Konstruktionen, Latinismen, Yerbal-
veneichnisse; diese Saznmlung ist abgedruckt bei Keil, Gramm, lat. 7 p. 424.
2. Int^retamenta oder kQurjvevfjiaxa. Dieselben enthalten in drei Büchern: 1. Alpha-
betiBches Wörterverzeichnis, 2. Wörterverzeichnis nach sachlichen Rubriken, 3. Gesprftche. —
ICaaegebende Ausg. von Goetz, Corpus gloss. lat 3 (Leipz. 1892); vgl. Krumbacher, Abb.
W. V. Christ dai^ebracht München 1891, p. 307; Goetz 1. c. p. 637; CoUoquium scholi-
ciim Harleianum (Ind. lect. Jena 1892); J. David, Hermeneumata Vaticana emendata et
iUoBtrata (Comment philol. Jenenses 5 (1894) p. 197).
3. Bmv ^A^Qiavov ttnoq>tta€^g xal imaxoXai == Divi Adriani sententiae et epistolae
abgedruckt in der Ausg. von BOcking, Dosithei magistri interpretamentorum liber tertius,
Bonn 1832, p. 1 und bei Goetz 1. c. p. 30, 14; De divi Hadriani sententiis et epistulis (Ind.
lect Jena 1892/98).
4. 17 (18) äsopische Fabeln. Ausg. von Boecking 1. c. p. 25 und Goetz, Corpus
p. 39, 49; vgl. dazu (Jrusius, De Babrii aetate (Leipz. Stud. 2 (1879) p. 241).
5. Das fragmentum de manumissionibus. Ueber die Ausg. vgl. § 630, 3; jetzt bei
Goetz p. 47, 58.
6. Uebersetzungen aus Hygins mythologischem Handbuch. Hier erhalten wir auch
ein chronologisches Datum; die griechische Uebersetzung wurde gemacht am 11. Sept. 207;
vgl. n, 1 § 347 p. 333. Ausg. von Boecking 1. c. p. 65 und bei Goetz p. 56, 30.
Die ueberlieferung der Pseudodositheana wird behandelt von Boucherie,
Comptes rendus des s^ances de TAcadämie des inscriptions et helles lettres 1868 p. 271;
Noüces et eztraits des manuscrits de la biblioth^que nationale 23, 2 (1872) p. 280; 27, 2
(1879) p. 457; von Krumbacher, De codicibus quibus Interpretamenta Pseudodositheana
Dobia tradita sunt, München 1883, und von Goetz, Corpus gloss. lat. 3 (Leipz. 1892) p. VU.
Za den bei der Ueberlieferung des Dositheus genannten Handschriften kommen noch hinzu
der Leidensis Q. 7 s. X, der Montepessulanus H. 306 s. IX u. a. Ueber die Publizierung ein-
zelner Stücke in älteren Ausg. vgl. Goetz 1. c. p. XVI.
Litteratur zu den Pseudodositheana. Lachmann, Versuch über Dositheus
(1887) in dessen Kl. Sehr. 2 (Berl. 1876) p. 196; M. Haupt, Opusc. 2 (Leipz. 1876) p. 441
imd 508; F. Buecheler, Fleckeis. Jahrb. 111 (1875) p. 310; H. Hagen, De Dosithei
magistri quae feruntur glossis, Bern 1877; Schoenemann, De lexicographis antiqnis qui
renun orcunem secuti sunt, Bonn 1886, p. 3.
Andere Grammatiker dieses Zeitraumes sind:
\. Euanthius. Hieronym. z. J. 2374 = 358 (2 p. 195 Seh.) Euantiua eruditiesimus
grammatiearum Conetaniinopoli diem obit. in cuius locum ex Africa Chorist us adducitur;
S. zu § 838 p. 151. Vgl I § 45 p. 88; § 832 p. 148. Ueber die Euanthiush-age handeln
ener, Vier lat Grammatiker (Rhein. Mus. 23 (1868) p. 490); A. Teuber, De auctori-
tate commentariorum, quae sub Aelii Donati nomine circumferuntur, Eberswalde 1881;
E. Scheidemantel, Quaest Euanthianae, Leipz. 1883; Fr. Leo, Rhein. Mus. 28 (1883)
p. 817; P. Sabbadini, II commento di Donato a Terenzio (Studi italiani di filol. class. 2
(1894) p. 1); R. Rabbow, De Donati commento in Terentium (Fleckeis. Jahrb. 104 (1897)
p. 805); E. Smutny, De scholiorum Terentianorum, quae sub Donati nomine feruntur,
Haodtmeh 6er klMi. AltartnmnriHenachaft. YIU. 4. 11
162 Aqnila Bomaniis. (§ 887.)
anctoribus et fontibus (Dias, philol. Yindob. 6 (1898) p. 93); P. Wessner, Untersachni
zar lat. Scholienlitterabir, Bremerhaven 1899 und dessen flbersichtb'ches Referat in
sians Jabresber. 113. Bd. 2. Abt (1902) p. 182; G. Eaibel, Die Prolegomena nsQt xta/Aw
(Abb. der Gott. Ges. der Wissensch. 1898 p. 44).
2. Tib. Claudias Donatus. Ueber denselben haben wir schon eingehend 11 1 § 2^
gehandelt, so dass hier nur noch einige Ergänzungen notwendig erscheinen. Uebei
Ueberlieferung vgl. Thilo, Rhein. Mus. 15 (1860) p. 149; Mommsen ebenda 16 (1861) p.
Als Haupthandschriften sind zu verzeichnen Vaticanns 1512 s. IX, Laurentianus 45, 15 c
Zur Litteratur kann noch hinzugefügt werden Ribbeck, Prolegomena Verg. p. 185; 1^
Hoeven, Epist. ad Suring. de Don. comm. in Verg. Aen., Leeuwarden 1846.
8. Claudius. Ein Grammatiker dieses Namens wird öfters in der Ars anon
Bemensis citiert; vgl. Hagen, Anecdota Helvetica p. 107, 24; 107, 26; 120, 3; 130,
133, 5; 134, 29. Diesen Claudius identifiziert Hagen (L c. p. LXXXYH) mit Claudius Si
dos; Steup (Rhein. Mus. 26 (1871) p. 320) sucht diesen Grammatiker zu individoaliaiere
4. Arruntius Claudius. Diom. Gramm, lat. 1 p. 821, 11 sicut Arruntius Gau
asserit. Vielleicht ist dieser Arruntius Claudius mit Arruntius Celsus (§ 605) zu id
fizieren.
Hier möge auch der Catalogus grammaticorum des cod. Bemensis 243,
P. Daniel einer älteren Quelle entnommen, folgen: De Borna de Sieüia de It€Uia de Ä]
d^ Hispania t^enei'unt ad tw8 libri grammaiici: De Borna quatuar libri Donati, de Si
IUI discipulorum eius idesi Honorati et Sergii et Maximi et Metrorii, de Ttalia duo
Consentii de nomine et verbo et de harbaristno et libri Priadani XX et EutUii dv
Sergii novem de littera et de barbarismo et Äsperi et Flaviani libri IUI, de Africa
Cominiani et Pompei, de Hispania l8id<iri et Capri et Agroecii et analogia Päppi
et Victorini. Dem Katalog wurde später noch von Daniel beigef>: Veliutn Lan^m
orthographia et Adamantium Martyrium de v et b integres repperit Venetiis Gl. PiUea
Noch später trat von anderer Hand hinzu: Adamantium sive Martyrium de B muta
vocali. Damit stimmt üborein der Katalog des cod. Bononiensis s. Xl; über denselben
H. Keil, De grammaticis inferioris aetatis. Erlangen 1868, p. 27. Ueber beide Kati
handelt Hagen, Anecdota Helvetica p. CXLIX. Ueber Sergius novem {librt) de lütef
de barbarismo vgl. Hagen 1. c. p. CL „et quod ad alterum, qui vocatur hoc loco, D<
discipulum attinet Sergium, de littera de syllaba de pedibus etc. librum dici optime Ke
vidit p. 27. Alterius vero Sergii libros novem „de littera et de barbarismo' ad D<
commentarios referendos esse patet, quamquam, quid de novenario librorum numero di<
non satis constat, nisi quod inde efficitur, sub Sergii nomine multo plures comment
medii aevi temponbus circumlatos fuisse, quam nobis adhuc innotuerunt. Itaque
dubito, quin et iile Sergii tractatus, quem huius libri p. 143—158 primum edidi, atqu
cuiuB fragmenta ex codicis 123 arte petita infra capit« VI propositurus sum, ad novena
istum numerum pertinuerint. **
5. Carminius. Seine Schriften sind: 1) De elocutionibus; vgl. Sorv. zu^
Aen. 5, 233 Carminius tarnen dicit, qui de elocutionibus scripsit. 2) Vielleicht
Commentar zuVergil; vgl. Serv. zu Verg. Aen. 6, 638 ut Varro et Carminius doi
6, 861 tria sunt secundum Carminium: pulchritudo, aetas, virtus; 8, 406 Probus vet
Carminius propter sensum cacenphaton „infusum" legunt, ut sü sensus. 3) De Itfl
vgl. Macrob. Sat. 5, 19, 13 Carmini curiosissimi et docti verba ponam, qui in libro de 1
secundo sie ait.
6. Statins Tullianus. Macrob. Sat. 3, 8, 6 Statius Tullianus de vocabulis n
libro primo ait; vgl. auch Serv. zu Verg. Aen. 11, 543.
2. Die Rhetoren.
1. Aquila Komanus.
837. Die Figurenlehre des Aquila Bomanus.O Ein strebsamer jui
Mann, dessen Name nicht genannt wird, hatte den Khetor Aquila Romani
angegangen, für ihn ein Lehrbuch der Rhetorik zu verfassen. Der Rh
hatte damals nicht die nötige Müsse hierfür; er grilBF daher vorläufig
einen Teil aus der Rhetorik heraus und zwar den, welchen er als
*) Der Beiname „ Romanus ** ist offenbar des dritten Jahrhunderte gesetzt. Wir h
gewählt, um ihn von griechischen Autoren ihn mit Julius Rufinianus verbunden, der
zu scheiden. Lehrbuch an das Aquilas angeschloasen
2) Seine Blüte wird in die zweite Hälfte
Aqnila BomAnaa. (§ 837.) 163
nichtigsten für die rednerische Kunst erachtete. Er schrieb ein Hand-
)üchlein über die Sinn- und Wortfiguren. Demgeroäss gliedert sich das
iVerkchen in zwei Teile. Die Methode der Darstellung ist die, dass die ein-
selnen Figuren aufgezalilt, definiert und durch Beispiele erläutert werden.
Die Beispiele werden in der Regel aus Cicero entnommen, wobei er auch
ius dem Gedächtnis citiert; auch finden sich darunter selbstgemachte. In
lieser Beispielssammlung wird die Hauptthätigkeit des Rhetors bestanden
liaben; die Figuren, ihre Definitionen konnten ihm die griechischen Meister
liefern. Ausser Aristoteles nennt er keine Quellen, sondern begnügt sich
mit allgemeinen Angaben; allein in Wahrheit schöpfte er den theoretischen
Feil seines Buches aus dem Griechen Alexander Numenius, und dies hatte
[>ereits Julius Rufinianus, der sich an ihn anschloss, erkannt. Seine Arbeit
stellt sich daher als ein Auszug aus der Schrift Alexanders negl %&v rf^g
fiavoiag xal Ttjg Xä^ecog (TxrjfiäToav dar, die wir auch in der griechischen
Passung nur in einer Epitome besitzen. Die Darstellung Aquilas ist nicht
t>esonders gewandt und bietet manche Anstösse dar; das Ganze ist ein
lürres Compendium. Wie Aquila den Alexander Numenius ausgeschrieben,
lo widerfuhr ihm dasselbe von Seiten des Martianus Capella, der in seiner
Rhetorik den römischen Rhetor für die Figurenlehre ausbeutete und manche
Lücken unserer Ueberlieferung ausfüllt, i)
Anlass der Schrift. Aqaila Romanos schickt seine Schrift, welche de figuria
9eHteniiarum et eloeutionis betitelt ist, an einen unbekannten; sie beginnt also (p. 22 H.):
Eketaricos petis longiaris morae ac düigetUiae quam pro angustiis iemparis, quod me
profeeto urget, ideoque postea plenum hoc tibi munus reddemtis. In praesenti autem nomina
ip8arum figurarum cum exemplis percurrisse sufficicU, tantum praelocutiSf quo maxime
orator ab oratore differat, unum hoc aut certe esse praeeipuum, figuras sententiarum atque
elocutionum. p. 27, 2 nennt er den Unbekannten adulescens acerrimo ingenio.
Zur Gliederung der Schrift. Im Prooemium (p. 23, 6) heisst es: percurramas
igitur sententiarum figuras; natura est enim prius sentire quam eloqui. p. 27, 1 hae fere sunt
ab elegantissimis eUctae figurae sententiarum nunc ad figuras eloeutionis transeamus.
Quellen, p. 31, 25 {Aristoteles) qua de re in tertio Rhetoricorum libro disserit,
Abgesehen von dieser SteUe begnügt sich der Autor mit unbestimmten Angaben z. B. 2S; 25
quippe cum ipse Isocrates in hoc genere a quibusdam improbetur. 28, 15 etsi nonnulli
ex uno menAro ambitum putant posse compleri, 23, 18 quod si hoc ipsum esse aliqui
äiatyposiny hoc est descriptionem, volunt. 26, 23 fASTteffTaaiy, trän emotionem, quidam inter
figuras nominavit. Dies führt auf Alexander Numenius; vgl. Rhet. graeci Bd. 3 p. 26, 23
Bpengel. Dass dies die HauptqueUe war, erkannte schon Julius Rufinianus, der seine £r-
ginznng zu Aquila mit den Worten einleitet (p. 38, 1 H.): hactenus Aquila Romanus ex
Alexandra Numenio, Das Verhältnis des Alezander und Aquila ist untersucht von Steus-
loff , Quibus de causis Alezandri Numenii Tiegi rtuy rijg d^ayoiag xat ifjq Xe^stog axflfAaxuiv
Über .... sit spurius et quae epitomae ex deperdito Alexandri libro excerptae supersint
demonstratur, Bresl. 1861. Ueber Alexander Numenius oder Numenii, der wahrscheinlich
in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. lebte, vgl. Brzoska, Pauly- Wisse was
Eealen^cl. Bd. 1 Sp. 1456; J. Graeven, Comuti artis rhetoricae epitome, Berl. 1891, p. LXIX.
Fortleben des Aquila. An Aquila knüpft Julius Rufinianus an; vgl. § 838.
Martianus CapeUa (bei Halm p. 478) benutzte den Aquila stark in der Figurenlehre seiner
Ethetorik.
ueberlieferung. Die Recensio ist über Ruhnken noch nicht wesentlich hinaus-
gekommen. Bei Halm ist die Grundlage der cod. Vindobonensis 179 (218 bei Endlicher).
Ueber eine Lücke hinter der ersten Gedankenfigur ngodiog&oHJi^ vgl. Wilamowitz bei
Müller, De figuris quaest crit. I, Greifswald 1880, 3, 2. Üeber den verlorenen cod. Spi-
rensis vgl. Halm p. VI.
Ausg. In den Antiqui rhet. lat. von Capperonnier, Strassburg 1756, p. 15. Mit
EUitilius Lupus verbunden in der Ausg. von Ruhnken, Leiden 1768, p. 139, die neu be-
^) Auch Julius Victor benutzte den Aquila, wenn die Verbesserung Mais (vgl. unten
p. 168) Aquüae statt Aquili richtig ist.
11*
164 Julias Bufinianus. (§888.) AniBianiui Kessiiis. (§839.)
arbeitet wurde von C. H. Frotscher, Leipz. (1881) 1841, p. 184. In den Rhet lat. min.
von Halm, Leipz. 1863, p. 22; vgl. dazu Mähly, Philol. 16 (1860) p. 172; W. Wonach,
De Aqnila Romano, Wittenberg 1861, p. 5; Fröhlich, Fleckeis. Jahrb. 89 (1864) p. 208.
Der Grammatiker und Orthograph Aqnila. Zweifelhaft ist mir, ob folgende
zwei Stellen sich auf unsem Aqoila beziehen: Probns = Sacerdos, Gramm, lat. 4 p. 19, 82
hie et haec et hoc pubes huius puberis, sie AquHa rettuIU Tullium dixisse. Cassiodor, Gramm,
lat. 7 p. 209, 17 possem Äquüam et Quintilianum, sed et Avüum, quoa nan nuüi in ortho-
graphiae peritia laudandaa esse putaverunt .... addere; vgL auch Brzoska (Paoly-Wia-
sowas Realenc^rcl. Bd. 2 Sp. 817), der an die Möglichkeit denkt, dass derselbe identisch
ist mit dem bei Suidas genannten 'AxvXag ygafifiauKog xal fiovaixof.
2. Julius Rufinianus.
838. Des Julius Bufinianus Handbüchlein über die Satzflguren.
Julius Rufinianus, auf dessen Sohn sich wahrscheinlich eine in die nach-
constantinische Zeit weisende Inschrift bezieht, gibt uns einen Abriss der
Satzfiguren, der uns lediglich durch die Basler Ausgabe des Jahres 1521
erhalten ist. Er knüpft an Aquila Romanus an, dessen Hauptquelle er
richtig erkannt hat, und gibt zu dessen Werkchen Ergänzungen aus an-
deren Autoren. Wie aus dem jetzigen Bestand noch hervorgeht, waren
die Figuren alphabetisch angelegt; zu den griechischen Termini werden
auch hie und da die lateinischen hinzugefügt. Die meisten Beispiele sind
aus Cicero genommen, alsdann aus Vergil; vereinzelt sind die aus Plautus,
Terenz, Caecilius, Ennius, Lucilius, Horaz, ferner aus Cato und Caesar.
Den Namen Julius Rufinianus trägt in der üeberlieferung auch der sich
anschliessende Traktat de schematis lexeos und de schematis dianoeas.
Diese Üeberlieferung ist aber zu beanstanden. Schon das wäre ungereimt,
dass der Schriftsteller denselben Gegenstand zweimal behandelt hätte. Auch
finden sich Differenzen innerlicher und äusserlicher Art; so stimmen die
Definitionen der beiden Schriften gemeinsamen Satzfiguren nicht vOllig
überein, auch ist für die Beispielsammlung der zweiten Schrift Vergil zu
Grunde gelegt, während in der ersten Schrift Cicero der Hauptautor ist
Rufinianus orator. CIL 10, 1125; Dessau, Inscr. lat. sei. No. 2942 wird eine
Statue gesetzt C. Julio Rufiniano Ahltibio Tatiano c. v., Rufiniani arataris fUio, wozu Mommsen
bemerkt: «Pater Tatiani Rufinianus orator est opinor is qui scripsit libmm qni extal de
figuris sententiarum et elocutionis/
Julius Rufinianus und Aquila. Die Schrift des Julius RnfinianiiB begimit mit
den Worten (p. 38, 1 Halm): Hactenus Aquila Rwnanus ex Alexandra Numenio: exinde ek
eo praeteritas, aliis quidem proditas, subtexuimus.
Julius Rufinianus und de schematis lexeos, de schematis dianoets
eines Anonymus. Ruhnken, Ausg. p. 227: ,Hic yalde ieiunus et exilis libeUns, quo
orationis Schemata unius fere Yirgilii exemplis explicantur, non videtur esse BnfiniaiiL Nim
cur idem argumentum bis sibi tractandum sumsisset? Videntur librarü, cum auctoris nomen
non adiectum reperissent, Julii Rufiniani nomen ad hoc quoque opusculum tradoxiaBe.*
Üeberlieferung. Für Julius Rufinianus kennen wir nur eine Qaelle, den cod.
Spirensis, der aber jetzt verschollen ist. Aus ihm hat Beatus Rhenanus fOr sone Aing^
Veterum aliquot de arte rhetorica traditiones, Basel 1521, den Text des Bufinianus eot-
nommen; vgl. Halm p. VI.
Ausg. in den Rhet. lat. min. von C. Halm, Leipz. 1868, p. 38.
3. Arusianus Messius.
839. Die Sammlimg von grammatischen Eonstruktionen des Am*
sianus Messius. Im rhetorischen Unterricht war die richtige Anwendung
der Phraseologie ein Hauptziel; diesem Ziele kommt eine Sammlung ent-
gegen, die in einem verlorenen Codex des Klosters Bobbio stand, jetzt
Amsianns KasBiiui. (§ 839.) 165
aber nur durch eine Abschrift des Humanisten Parrhasius erhalten ist.
Dieselbe ist alphabetisch angelegt und will Mie verschiedenen Konstruk-
tionen von Substantiven, Adjektiven, Verben und Präpositionen darlegen
and durch Beispiele belegen ; diese Beispiele werden aus vier Schriftsteilem
entnommen, wie auch die üeberschrift besagt, aus Yergil, Sallust, Terenz
und Cicero.^) Am Schluss fehlt Einiges. Der Verfasser dieser Beispiel-
Sammlung ist Arusianus Messius. Er war ein vornehmer Mann; denn er
gehörte zur ersten Rangklasse der comites Augusti und f&hrte den Ehren-
namen eines Orator. Seine Schrift widmete er dem Brüderpaar Olybrius
und Probinus, welche im Jahre 395 im jugendlichen Alter das Konsulat
bekleideten. Damit ist auch die Zeit unseres Autors gegeben; er gehörte
dem vierten Jahrhundert an und war ein Zeitgenosse des Symmachus,
dem er auch einige Beispiele entlehnt hat. Benutzt wurde die Sammlung
von Ambrosius und Cassiodor. Der Wert des Buches ruht in den Bei-
spielen ; besonders wertvoll sind die aus den verlorenen Historien des Sallust
entnommenen.
Der Autor und sein Werk. Im Codex des Parrhasius heisst die Üeberschrift:
IneipU Arusiani Messt v. e, or. comiiis primi ordinis exempla eloctäionum, ex Vergilio
Sallustio, Terentio, Cicerone digesta per litteras. Von derselben Hand stehen über Arusic^
nus die Worte Cornelii frontonis; vor Comelii scheint noch der Bachstabe a gestanden zn
haben, üeber comes primi ordinis vgl. Mommsen, Mem. d. inst. arch. 2 (1865) p. 307;
Hermes 4 (1870) p. 127; Seeck, Pauly-Wissowas Realencycl. 4. Bd. Sp. 685. Ueber den
Titel orator yg^ Ruhnken, Ausg. des Ratilias Lupus p. XXVI. In einem Bibliotheks-
katalog einer Berliner Handschrift Santen. 66 s. IX ist das Werk also betitelt: incipit
Messt oratoris de eloeutionibus Olybrio et Probino Messius; vgl. G. Becker, Catal. bibl.
anttqoi, Bonn 1885, 20, 12 (p. 42); M. Haupt, Opusc. 3 p. 425. Die Brttder Olybrius und
Probinus waren Konsuln im Jahre 395. Zunächst Iftge es, anzunehmen, dass dieses Kon-
sulat Anlass war, die Schrift dem Brttderpaar zu widmen, und dies ist die Ansicht M. Haupts.
Weiter zurück kommen wir aber, wenn wir eine Beobachtung Buechelers (Rhein. Mus. 43
(1888) p. 293) zu Rate ziehen, nach der Ambrosius de fnga saeculi 3, 16 (2 p. 176, 14 Seh.)
bereits den Arusianus Messius (p. 465, 2) gekannt hat; doch vgl. Stiglmayr, Zeitschr. für
kath. Theol. 23 (1899) p. 315. Die Schrift des Ambrosius wird ums Jalur 387 angesetzt,
aber von M. Ihm, Stndia Ambrosiana Jockeis. Jahrb. Supplementbd. 17 (1890) P- 19) nicht
Tor 389/90 gerückt. Noch weiter hinab geht C. Schenk!, Ambrosii opera 2 (Wien 1897)
p. Xn. (üeber das damals noch sehr junge Brüderpaar vgl. auch Zarncke, Gommenta-
tiones in honorem Guil. Studemundi, Strassb. 1889, p. 203; Seeck. Ausg. des Sjmmach.
p. CV.) Dass der Autor dem 4. Jahrhundert angehört, geht daraus hervor, dass er bereits
Symmachus anführt (p. 458, 1 1 ; 489, 28).
Die Quellenschriftsteller. Schindler, Observ. crit. et bist, in Terent., Halle
1881 (über die Terenzstellen) ; Nitzschner, De locis Sallustiams, qui apud sciiptores et
nammaticoe veteres leguntur, Göttingen 1884, p. 75 (über die Salluststellen); Ribbeck,
Prolegomena p. 208 (über VergilsteUen); H. Karbaum, De origine exemplorum, quae ex
(Sceronis scriptis a Charisio, Diomede, Arusiano Messio, Prisciano Caeeariensi, aliis gram-
malicis Latinis allata sunt, Wernigerode 1889, p. 13 (über das Verhältnis zwischen Priscian
und Arusianus).
Fortleben des Arusianus Messius. Gelegentlich einer Anführung aus dem
Hebrfterbrief 7, 26 ^talis enim'^ inquit ^nobis decebaf^ bemerkt Ambrosius de foga saeculi
8, 16 (2 p. 176, 14 Seh.): recta elocuiio, siquidem et apud eos qui verborum et eJocutionum
diUctum habuerunt, huiusmodi invenitur dicente aliquo y,locum editiorem quam victoribus
decebat^, quod ideo non praeterii, ut seiamus quia apostolus naturalibus magis quam
vulgatis axU seeundum artem utitur verbis. Cassiodor. de inst. div. 25 = Gramm, lat. 7
p. 211, 3 regtUas el4>eutionum latinarum, id est quadrigam Messiif omnimodis non sequaris,
ubi tarnen priscorum eodicum auetoritate convinceris. Dagegen zweifelt Karbaum (p. 14),
ob Priscian den Arusianus eingesehen; er nimmt vielmehr eine gemeinsame Quelle an;
vgl. Goetz, Quaest. miscell. pars 2 (Ind. lect. Jena 1888/89 p. V); Keil, Gramm, lat. 7 p. 448.
Die Ueberlieferung beruht idlein (vgl. Keil p. 446) auf dem Codex des Parrnasius
(1470—1584), Neapolitanus IV A 11, der eine Abschrift des verloren gegangenen cod.
») Vgl. Weyman, Phüol. 55 (1896) p. 472.
166 0. ChixiiiB Fortonatiaiiiis. (§ 840.)
Bobiensis ist; vgl. den Catalog der Bobbio'Bchen Handschriften bei Peyron, Cic. oral
Scauro et in Glod. fragm. inedita, Stattgart 1824, p. 30. Die Schrift scmiesst mit Volut
Einiges ist verloren gegangen.
Ansg. Amsianns Messias wnrde anter dem Namen Frontos zuerst von A. ^
Mailand 1815, mit vermehrtem handschriftlichen Material, Rom 1828, herausgegeben
Keil p. 444); in Lindemanns Gramm, lat. 1 (1830) p. 209, endlich bei Keil, 6ra
lat. 7 p. 449.
Litteratar. Saringar, Historia crit. scholiastarom lat. 2 (Leiden 1834) p. !
F. Osann, Beitr. zar griech. u. röm. Litteratargesch. 2 (Leipz. 1839) p. 349; Van
Hoeven, De nonnollis locis veteram scriptor. cum append. de Arosiani Meaaii exea
elocutionum, Amsterdam 1845; Goetz, Paoly-Wissowas Realencycl. 2. Bd. Sp. 1492.
4. C. Chirius Fortunatianus.
840. Der rhetorische Eatechismus des Fortunatianus. Dem vier
Jahrhundert wird auch ein rhetorisches Lehrbuch angehören, das uns ui
dem Namen C. Chirius Fortunatianus erhalten ist. Es verrät eine gewi
Selbständigkeit des Urteils und Kenntnis der Materien ; der Verfasser ht
seinen Quintilian und Cicero fleissig gelesen. Ein unglücklicher Gtedai
von ihm war, die katechetische Form zu wählen; sie dient bei ihm ni
der Gedankenentwicklung, sondern ist rein äusserlich in Anwendung
kommen. Wie unbeholfen der Verfasser ist, möge ein Beispiel dartb
In dem Kapitel über das Gedächtnis lautet eine Frage, wer die Gedacht]
kunst erfunden, und die Antwort darauf: Simonides. Die sich dar
schliessende Frage heisst aber: Was entnehmen wir aus der Benutzt
des Gastmahles von Seiten des Simonides? Sein Werk eröffnet der V
fasser mit drei Hexametern, welche eine Einladung an den wissbegieri;
Leser enthalten. Es folgen dann drei Bücher; im dritten Buch ist
Stoif durch üeberschriften gegliedert, ea sind folgende: Ueber die .
Ordnung des Stoffes, über den Ausdruck, über das Gedächtnis, über
Vortrag. Die Schrift fand ihre Leser; Cassiodor zieht sie gerne hei
Uober die Quellen vgl. J. Simon, Kritische Beiträge zur Rhetorik des C. Cfa
Fortunatianus, Schweinfurt 1872: Julius Victor (p. 3), Cicero de inventione (p. 4), (J
tili an (p. 5).
Fortleben des Fortunatianus. Cassiodor. de rhetor. p. 498, 17 (Halm) Fü
naiianum doctorem novellum, qui tribus roluminibus de hac re suhtilUer minuteque i
tarif, in pttgillari codice apte forsitan congruenterque redegimus. C. p. 495, 10 ciriies q
stiones sunt secundum Fortunatianum artigraphum novellum =■• Fortnnat. p. 81, 9 (Hi
C. p. 498, 29 sicut Fortunatianus dicü = F. p. 118, 33. C. p. 500, 24 memoratus Fort
tianus in tertio lihro meminit.
Die Ueberlieferung des Chirius Fortunatianus basiertauf den Handschr
Durmstadicnsis 166, olini Colonieusis s. VII, der bekanntlich den Censorinus enthält
§ 632 1, Parisinus 7530 s. VIII und Bemcnsis 363 Ende s. IX, der die dialogische I
öfters fallen Hess. Ueber diese letzte Handschrift vgl. A. Reuter (Hermes 24 (1889) p. 1
der zugleich (p. 167) Ergänzungen zu der Kollation Halms liefert und das Verh&lhiia
drei Handschriften zu einander untersucht. Vgl. noch C. Halm, Beitr. zur Berichtigimg
Ergänzung der ciceronischen Fragmente (Sitzungsber. der Münchener Akad. 1862, Bd. 2, p.
Ausg. von C. Halm, Rhetores lat. min., Leipz. 1863, p. 81.
Ars rhetorica Clodiani de statibus. So lautet die Ueberschrift eines Tral
im cod. Bemensis 363; über den Traktat vgl. C. Halm, Rhet. lat. min. p. XIV: ,nec ta
ea hübet, quae ex hac pracscriptione exspectes. Nam de statibus ipsis perpauca tn
sunt; niaiorem libelli partem conücit expositio de loco in Aristotelis praedicameutis
sequitur deuique in opusculo Bemensi brevis disputatio moralis. Quas partes diversi
respexcris, varia esse excerpta ex diversis scriptoribus facile conicias iisque oh eam cav
Clodiani nomen praepositum, quod prima particula ex Clodiani, quisquis ille fnit, de stal
libro desumta erat." Zu bemerken ist noch, dass im cod. Bemensis die Sub8cripti(
Buch 1 des Chirius Fortunatianus lautet: Clodiani Chirii Fortunatiani artis rhetaricae
expL Ausg. des Traktat« bei Halm p. 590.
SolpiüUB Yiotor. (§ 841.) G. Jalins Yiotor. (§ 842.) 167
5. Sulpitius Victor.
841. Das rhetorische Handbuch des Snlpitins Victor. In einem
verlorenen codex Spirensis standen unter anderen rhetorischen Schriften
auch die institutiones oratoriae des Sulpitius Victor. Durch die Baseler
Ausgabe des Jahres 1521 sind uns auch diese erhalten worden. Dem
Handbuch geht ein Brief voraus, der uns über die Entstehungsgeschichte
und C!omposition des Werkchens Aufschluss erteilt. Der Schwiegersohn
des Autors, M. Silo, hatte öfters das Verlangen geäussert, sein Schwieger-
vater möge ein Compendium der Rhetorik verfassen; diesem Wunsche
kam Sulpitius Victor nach. Er legte eine Anleitung seines Lehrers Zeno
zu Grunde, der gegenüber er jedoch mit Freiheit verfuhr; er Hess man-
ches weg, änderte die Anordnung und machte auch Zusätze. Der Gang
des Büchleins ist der, dass es zuerst das Wesen der Rhetorik, den
bürgerlichen Streitfall, seine Teile, die Aufgaben des Redners, die in der
Erkenntnis, Auffindung und Anordnung bestehen, dann die Teile der Rede,
endlich sehr ausführlich die Lehre von den Status behandelt. Die Sprache
ist korrekt und gefällig.
Zar Gliederuug der Schrift, p. 321, 23 reliquutn est etiam, ut incipiamus
tarn de sttUibus di^mtare, qtiando quidem, ut breviter admoneam, executi aumtis, quid esset
rhetorieOf quid civilis quaestio, quae partes civilis quaestionis, quae oratoris officia, quae in
intelUctu et in inventione et in dispositione servanda.
Zur Charakteristik der inBtitationes oratoriae des Sulpitius Vic-
tor. Der der Schrift vorausgehende Brief lautet: Quod frequenter a me postulabas, videar
expedisse. Contuli in ordinem ea, quae fere de oratoria arte traduntur, secundum in^
stUutum magistrarum meorum, Zenonis praecepta maxime persecutus, ita tarnen^ ut ex
arbiirio meo aliqua praeterirem, pleraque ordine immutato referreni, nonnuUa ex aliis quae
neeessaria videbantur insererem. Rede an perperam fecerim, tu iudicahis; nee enim volo
haee in multorum manus pervenire, p. 315, 13 sed nos a Graecis tradita, ut coepimus,
perse^uxmur eamusque per singula. p. 321, 29 hie erat ordo re vera, ut de statüms pro-
tinus traderemus, si non esset a Zenonis vestigiis recedendum: sed professi sumus usuros
nos nostro esse iudicio, si videbitur res exigere aliquid inserendum esse de meo. p. 338, 28
hoe etsi apud Zenonem positum est, mihi tarnen thema huius eontroversiae non placet.
p. 841, 26 haec, quae ad praescriptionem pertinent, quamquam ab instituto Zenonis remota,
non tarnen alienum fuit persequi ex his quae tradidit Marcomannus, ex cuius commentariis
kaec prope ad verbum translaia sunt. lam sequitur ut videamus quae attinent ad staium
gualitatis et ut ad Zenonem revertamur; vgl. noch p. 838, 85; 339, 1.
Die Ueberlieferung hängt von der Basler Ausg. des Jahres 1521 ab, der ein ver-
loren gegangener cod. Spirensis zu Grunde liegt; vgl. § 837; 838.
Ausg. in Halms Rhet lat. min. p. 313.
6. C. Julius Victor.
842. Das rhetorische Lehrbuch des G. Julius Victor. Im Jahre
1828 gab Angelo Mai aus einer Handschrift der Vaticana ein rhetorisches
Lehrbuch heraus, das von einem C. Julius Victor verfasst wurde. Neues
wollte der Rhetor nicht geben; er war sogar so ehrlich, im Titel seiner
Schrift seine Quellen zu nennen. Unter den sechs Namen erweckt unser
besonderes Interesse Marcomannus, weil hier zum erstenmal ein Deutscher
in der Litteratur auftritt. Von diesen sechs Quellen hat er besonders den
Quintilian ausgeschrieben, und zwar in so starkem Masse, dass das Lehr-
buch fast die Stelle einer Quintilianhandschrift vertreten kann. Neues
lernen wir so gut wie nichts aus der Schrift; allein sie verdient doch in-
sofern Berücksichtigung, als sie uns den rhetorischen Schulbetrieb des
168 I>i« Inriftten. (§ 843.)
vierten Jahrhunderts, dem der Verfasser noch angehören wird, kennen
lehrt und das eine oder andere aus verloren gegangenen Autoren durch
ihn erhalten ist. Das Lehrbuch des Julius Victor lebte wieder auf in der
Zeit Karls des Orossen, in der es Alcuin ausser der Schrift Ciceros de
inventione seinem rhetorischen Lehrgang zu Grunde gelegt hat.
Quellen. Der Titel der Schriffc lautet: C. Julii Victoris ars rhetmriea Hermagorae,
Ciceronis, Quintüiani, Aquili, Marcomanni, Tatiani. Ff!ücA(iuüi vermutet A. Mai Aquüae,
Orelli Äquilii, Marcomannus wird dtiert von Chirius FortnnatianuB p. 98, 26 Halm, dann
von Q. Fabius Laurentins Yictorinus (p. 173, 25) Mareomannu8 erravü, qui dixit finem ora-
toris officii non esse persuadere, nee finem medicinalis oflieii sanare (vgL p. 299, 15), Ton
Sulpitius Victor p. 341, 27; vgl. § 841. Ffir Tatiani lesen TUiani Mai und Bergk, Rhein.
Mus. 4 (1845) p. 129. Bei TcUiani kann man an den Sohn des Orator Julius Rnfinianns
denken; vgl. § 838. Wird Titiani gelesen, so hat man wohl den bei Hieronym. i. J. 2361
= 344 n. Chr. (2 p. 193 Seh.) Titianus vir eloquens praefecturam praetorio aput Gaüia$
administrat genannten Titianus anzunehmen. Er wird identisch sein mit dem Konsul des
Jahres 337 Tl. Fabius Titianus. Ueber den Wert des Julius Victor fOr die Quintfliankritik
vgl. § 486 a und F. Meister, Quaest. Quintilianae, liegnitz 1860, p. 19; C. Halm, Ueber den
Redner Julius Victor als Quelle der Verbesserung des Quintilianischen Textes (Sitzungsber.
der MOnchener Akad. 1863 p. 389).
Fortleben des Julius Victor. In der disputatio de rhetorica et de virtutibm
sapientissimi regis Karli et Albini (d. h. Alcuini) magistri (p. 525 Halm) ist Julius Victor
als hervorragende Quelle benutzt; vgl. Halm p. XIH: .non nititur Albini compilatio nisi
dnobus veterum scriptis, Ciceronis libris de inventione et Julii Victoris rhetorica aut eins
rhetoris arte, ex quo Victor, qui m'hil proprii habet, capita de reliquis oratoris officii parti-
bus descripeif
üeberlieferung. C. Julius Victor ist uns nur erhalten im cod. Vaticanus Otto-'
bonianus s. XII.
Ausg. Editio princeps von A. Mai, Rom 1823; in C. Orellis Cicero Bd. 5 p. 195;
Halm, Rhet. lat. min. p. 373.
Litteratur. A. Damien, De C. Juli Victoris arte rhetorica, Paris 1852; C. Halm.
Rhet. lat. min. p. X.
Andere Rhetoren sind: 1. Patera und Delphidius. Hieronym. z. J. 2352 =
335 n. Chr. (2 p. 192 Seh.) Patera rhetor Romae gloriosissime docet, Epist. 120 (ad Hedi-
biam; 1, 812 Vall.) maiores tui Patera atque Delphidius, quorum alter antequam ego nascerer
rhetoricam Romae docuit, alter me iam adulescentulo omnes GaVias prosa versuque suo
illustravit ingenio. Vgl. das an ihn bei Ausonius (Prof. Burdigal. 5 p. 58 Seh.) gerichtete
Gedicht. 2. Attius Tiro Delphidius, der Sohn des genannten Delpnidius; Ober ihn TgL
Ausonius ibid. 6 p. 59 Seh. Als Knabe schrieb er einen Hymnus auf Juppiter, später be-
thätigte er sich als Epiker, Rhetor und Gerichtsredner. Unter Magnentius (350 — 353) trat
er in den Hofdienst, was ihn in grosse Gefahr brachte; doch erlangte er die Begnadigimg
von Constantius. Er wirkte alsdann als Rhetor in Burdigala. Vor Julian klagte er den
Numerius an; vgl. Amm. Marc. 18, 1, 4 (z. J. 359) Numerium Narbonensis paulo ante ree-
torem accusatum ut furem inusitato censorio vigore pro tribunali palam admissis vd(entibu$
audiebat, qui cum infitiatione defenderet obiecta, nee posset in quoquam confutari, Delphi-
dius orator acerrimus vehementer eum inpugnans. Ueber seinen Tod vgl. Ausonius ioid. 6, 36
(medio aeri rapius es). Ueber seine Witwe Euchrotia und seine Tochter Procula vgL Sol-
picius Sevenis, Chron. 2, 48. der uns berichtet, dass beide mit dem Sectierer PriaciUian in
Verbindung traten. Vgl. Seeck, Pauly- Wieso was Realencycl. 4 Sp. 2503.
Nicht nötig dürfte es sein, die einzelnen professores Burdigalenses, welche Ausonius
verherrlicht, hier aufzuzählen.
3. Die Juristen.
843. Die vaticanischen Fragmente. In sinkenden Perioden der
Kultur werden die reichen Geistesschätze, welche die Vorzeit aufgespeichert,
drückend, und es erwacht das Bedürfnis, dieselben zu kürzen und forden
handlichen Gebrauch zuzurichten. In der Historiographie legt die Epitome
Zeugnis von diesem engherzigen Standpunkt ab. Auch in der Jurisprudenz
drängt die Richtung der Zeit dazu, an Stelle der ausgebreiteten Litteratur
Dia Juristen. (§ 843.) 169
die Sammlung ausgewählter Stellen treten zu lassen; eine solche Samm-
lung liegt uns in den vaticanischen Fragmenten vor. Gegen Ende des
vierten Jahrhunderts stellte nämlich ein uns unbekannter Mann,^) der im
Westen des Reiches lebte, aus juristischen Schriften und aus kaiserlichen
Constitutionen für die Praxis ein Rechtsbuch zusammen. Von den Juristen
benutzt er Papinian, Ulpian, Paulus und einen uns nicht bekannten Autor
über die Interdikte; aus den kaiserlichen Constitutionen, die den Zeitraum
von 205 — 372 umspannen, aber grösstenteils aus der Regierung Diocietians
stammen, berücksichtigt er in erster Linie die Rescripte; beide Rechts-
quellen sind nicht voneinander geschieden, sondern neben einander auf-
gefi^hrt. Seinen Stoff verteilt er unter bestimmte Titel, die aber ebenso-
wenig wie die ausgehobenen Stellen numeriert werden; es sind uns deren
sieben erhalten. Auch von Bucheinteilung findet sich keine Spur; ein be-
stimmtes System der Anordnung lässt sich aus den Fragmenten nicht ge-
winnen. Der hohe Wert der Sammlung ruht darin, dass der Urheber der-
selben seine Quellen unverändert wiedergibt; dieselben werden auch namhaft
gemacht, und zwar in der Weise, dass die Schrift des excerpierten Autors
da erscheint, wo mit dem ersten Excerpt eingesetzt wird und solange in
Geltung bleibt, bis eine neue Schrift herangezogen wird. Dass der Re-
daktor bei der Auswahl der Constitutionen die Bedürfhisse des Westens
im Auge behält und griechische Quellen ausser Acht lässt, ist durch den
Entstehungsort bedingt. Von dieser Sammlung sind uns in einem Palimpsest
des Klosters Bobbio nur Bruchstücke erhalten, welche, da sich der Codex
jetzt in der Vaticana befindet und ein Titel der Schrift aus dem Fragment
nicht ersichtlich ist, den Namen Fragmenta vaticana führen. Aus den
den Blätterlagen beigeschriebenen Ziffern lässt sich noch erkennen, dass
das Rechtsbuch einen bedeutenden Umfang hatte. Die hie und da bei-
gefügten Schollen gestatten die Vermutung, dass dasselbe auch beim juri-
stischen Unterricht gebraucht wurde. Die Sachkenntnis und Gewissen-
haftigkeit des Sammlers lässt manches zu wünschen übrig.
Die Zeit der Sammlung. Dieselbe moBs vor der Abfassung des cod. Theo-
dosianus (438) entstanden sein, denn sie gibt § 35, 37, 249 nicht den verkürzten Text des
cod. Tbeodos., sondern den durch denselben ausser Kraft gesetzten vollständigeren. Die
Sammlung muss nach 372 entstanden sein, denn § 37 findet sich eine Verordnung aus
dem Jahre 372; die Sammlung fftUt sonach zwischen 372 und 438, aber sie liegt natur-
gemfiss dem eristen Zeitpunkt näher als dem zweiten. Mommsen will dagegen die Samm-
lung noch zu Lebzeiten Gonstantins entstanden wissen. Er fOhrt als GrrOnde dafür an,
erstens dass Constantin genannt werde: dominus Constaniinus et Caesares oder Constanti-
nus et Caesarea oder Äugtiatus et Caesares; zweitens dass diö zunächst verstorbenen Kaiser
Diocletianus und Gonstantins als divi bezeichnet werden; drittens dass schon die Tilgung
der Kaiser, deren Andenken verflucht wurde, des Maximianus Herculius, des Galerius Maxi-
mianus und des läcinius stattgefunden. Allein das Missliche ist, dass Mommsen dadurch
gezwungen ist, die Verordnung vom Jahre 372 als Interpolation zu erklären. Vgl. auch
noch Huschke p. 713; Kariowa 1 p. 971.
Entstehungsort der Sammlung. Ausser der Berücksichtigung des Westens
durch Anführung der Verordnungen Maximians deutet auch der Fundort der Handschrift
auf den Westen hin. Auch dass der Autor das griechisch geschriebene Werk Modestins
de excusationibus nicht benutzt, ist bezeichnend, wie die Nichtbenutzung der Sammlung in
dem justinianischen Gesetzgebungswerk; vgl. Mommsen, Abb. p. 403.
Erhaltene Titel: de empto et vendito; de usu fructu; de re uxaria ac dotihus;
^) Mehrere Autoren anzunehmen, wie Huschke (p. 712) thut, liegt kein Gm««^ *"^**
170 Palladins RatiliiiB Tanms Aemiliuiiui. (§ 844.)
de excusatione; quando danator intellegatur revoeasse vohmtatem; ad legem Oineiam de do-
nattonibus; de cognitorihus et proeuratorüms,
Quellen. §90 Ubro I de interdictis sub iittdo „in eutn qui legatorum nomine non
voluntate eius cui bonorum possessio data erit possidebU** \ vgl. Mommsen (Abh. p. 396),
der an Venolejus SaturninnB als Verfasser der Schrift denkt. Ueber Papinian als Quelle vgl
§ 2; § 64a; § 81; Aber Ulpian § 44; § 59; § 89; über Paulus § 108; § 172; § 231. Die
eingestreuten kaiserlichen Constitutionen bestehen mit Ausnahme von § 35, 37, 248, 249 aus
Rescripta. Ueber die Benutzung des cod. Gregorianus und Hermogenianus vgl. Mommsen,
Abh. p. 397. Ueber die Benutzung der notae Ulpians zu Papinian vgl. Earlowa p. 971.
Ueberlieferung. Die Fragmenta vaticana sind herausgegeben aus einem Vati-
canus 5766 s. IV/V. Dieser gehörte frOher dem Kloster Bobbio; einige Blfttter desselben
Codex gelangten nach Turin. Der vaticanische Codex enthält in der älteren Schrift drei
Sammlungen von Rechtsquellen: 1. Fragmente des codex Theodosianus; 2. Reste der lex
Romana Burgundionum; 3. Reste der hier behandelten Sammlung; in der neueren Schrift
enthält er Cassians collationes Aegypti anachoretarum ; vgl. Mommsen, Abh. p. 381. Für
das übergeschriebene Werk wurde die Handschrift so hergerichtet, dass aus einem Doppel-
blatt der alten für die neue drei Blätter gemacht wurden. Durch die Quatemionenbezeich-
nung (VI; XV; XXVII; XXVUII) können wir oft den Umfang des Verlorenen feststellen;
die Verluste sind ganz bedeutend. Auch Schollen sind von anderer Hand hinzugefQgt; vgl.
Mommsen 1. c. p. 265.
Ausg. von Angelo Mai: Juris civilis anteiustinianei reliquiae ineditae ex codice
rescripto bibliothecae pontificiae Vaticanae, Rom 1823 (Paris und Bert. 1824). Später wurden
die Fragmente herausgegeben von Buchholtz, Königsberg 1828 (mit Commentar), von
Bethmann-Holl weg, Bonn 1833 (Corpus iuris civ. anteiust. 1 p.229), von Th.Mommsen
auf Grund einer neuen Collation von Detlefsen und des oeigegebenen Apographon:
Codicis Vaticani N. 5766, in quo insunt iuris anteiust. fragmenta quae dicuntnr vaticana,
exemplum etc. (Abh. der Berl. Akad. 1859 p. 265). Abgedruckt sind die Fragmente auch
bei Huschke, Jurisprud. anteiust.^ p. 718 und in der Collectio librorum iuris anteiust 3
(Berl. 1890) p. 20.
Litteratur. Borghesi, Sul digesto antegiustiniano di Monsignor Mai (Oeuvres 3
p. 99); G. Bruns, Quid conferant vaticana fragmenta ad melius cognoscendum ins Roma-
num, Tübingen 1838; 0. Kariowa, Rom. Rechtsgesch. 1 (Leipz. 1885) p. 969; F. Erflger,
Gesch. der Quellen und Litt, des röm. Rechts (Systematisches Handbuch der deutschen
Rechtswissenschaft von K. Bind in g, 1. Abt. 2. Teil (Leipz. 1888) p. 298).
Die Schriften des Aurelius Arcadius Charisius sind: 1. De officio praefecti
praetorio; Dig. 1, 11, 1 Aurelius Arcadius Charisius, magister libellorum, lti}ro singulari
de officio praefecti praetorio. In dieser Schrift wird das Verbot Constantins vom Jahre 331
erwähnt, als praefectus praetorio an den Kaiser zu appellieren. Auch bei Lydus de magistr.
1, 14 finden wir mit der Einführung AvQtjXXios 6 yofiixog ein auf die Amtefgewalt des prae-
fectus praet. bezügliches Citat, das aber wahrscheinlich durch die Schuld des Lydus nicht
ganz mit den Pandekten übereinstimmt; vgl. Kariowa 1 p. 754. 2. De testibns; Dig.
22, 5, 1 und 21 und 25 Arcadius, qui et CharisiuSf Ubro singulari de testibus; 48, 18, 10
Arcadius Charisius Ubro singulari de testibus. 3. De muneribus civilibus; Dig. 50,
4, 18 Arcadius Charisius Ubro singulari de muneribus civilibus,
Litteratur. Chr. Rau, De Charisio iurisconsulto, Leipz. 1773; 0. Kariowa, Rom.
Rechtsgesch. 1 p. 754; P. Krüger, Gesch. der Quellen und Litt des röm. Rechts p. 228;
Schulin, Ad Pand. tit. de orig. iur., Basel 1876, p. 3; Jörs, Pauly-Wisaowas Realencycl.
3. Bd. Sp. 2146. — Die Fragmente sind gesammelt bei Lenel, Paungenesia 1 p. 57.
4. Die Schriftsteller der realen Ffioher.
1. Palladius Rutilius Taurus Aemilianus.
844. Das Wirtschaftsbuch des Palladius. Dem vierten Jahrhundert
wird auch der landwirtschaftliche Schriftsteller Palladius Rutilius Taurus
Aemilianus angehören. In seiner Schrift bezeichnet er sich als vir in-
lustris; allein es will nicht gelingen, weitere Notizen aus anderen Quellen
über diesen vir illustris zu gewinnen.^) Sein Werk, in der ueberlieferung
als opus agriculturae bezeichnet, bedeutet einen entschiedenen Niedergang
\) Der Name Palladius ist nicht selten; vgl. Wachsmnth Rhein. Mus. 28 (1878)
p. 581; Haenel, Ind. leg. p. 123.
Palla^QS BniUliiB Tanms Aemiliuiiw. (§ 844.) 171
des landwirtschaftlichen Faches in der Litteratur. Vom Wirtschafts- und
Hausbuch ausgehend hatte die Darstellung der Landwirtschaft mit der Zeit
ein wissenschaftliches Gepräge angenommen und den Charakter einer
Receptsammlung verloren. Ja mit Columella war die Rhetorik selbst in
dieses Fach eingedrungen. Das war nun allerdings von Uebel, und Pal-
ladius hat Recht daran gethan, den rhetorischen Flitter abzustreifen und
sich auf eine einfache und nüchterne Darstellung^) zu beschränken. Er
selbst aber wich vom rechten Pfade dadurch ab, dass er das wissenschaft-
liche Gerüste der Disciplin, wie es sich im Laufe der Zeit erhoben hatte,
aufgab und zum Wirtschaftsbuch wie zur Receptsammlung zurückkehrte.^)
Er exponiert nämlich den Stoff in der Weise, dass er nach einem Ein-
leitungsbuch in weiteren 12 Büchern die ländlichen und häuslichen Arbeiten
dem Leser vorführt, welche in den 12 Monaten zu verrichten sind. Der
Charakter der Vorschriftensammlung tritt auch darin zu Tage, dass die
einzelnen Bücher die Materie nach Titeln geordnet entwickeln. Die Dar-
stellung erfolgt in kleinen, abgerissenen Sätzen. In der landwirtschaft-
lichen Litteratur hatte sich Palladius umgesehen;^) er benutzte die Grie-
chen und die Römer, von den letzteren werden häufig Columella und
Gargilius Martialis, einmal auch Apuleius angeführt. Aber auch die eigene
Erfahrung spielt in dem Werk mit, und es ist kein Zweifel, dass Palladius
selbst ein praktischer Landwirt gewesen ist. Auch den landwirtschaft-
lichen Bauten wendet der Schriftsteller seine Aufmerksamkeit zu; sein
Führer ist ihm hierbei ein Auszug aus Vitruv. So hatte der Autor
13 Bücher zusammengebracht, welche für den Fachmann nicht wenige
interessante Notizen in sich schliessen. Aber auch der Laie findet Vieles
in der Schrift, was zur Kenntnis des römischen Lebens förderlich ist. Die
allgemeinen landwirtschaftlichen Regeln, welche das erste Buch bietet,
enthalten manches Treffliche.^) Luft, Wasser, Boden und Fleiss bilden
nach ihm die Elemente der Agrikultur.
Nachdem Palladius in 13 Büchern sein Thema erschöpft hatte, reizte
es ihn, sich auch als Dichter zu versuchen. Columella hatte, um eine
Lücke der Georgica auszufüllen, im zehnten Buch seines landwirtschaft-
lichen Werkes den Gartenbau poetisch dargestellt. Diesem Beispiele Colu-
mellas folgte Palladius und fügte seinen 13 Büchern ein poetisches über
die Veredelung der Bäume hinzu. Allein der Gegenstand bot der poetischen
Behandlung viel grössere Schwierigkeit als der Gartenbau. Wie der Ver-
fasser nicht glücklich in der Wahl des Stoffes war, so war er auch nicht
glücklich in der Wahl des Metrums, da er statt des Hexameters das
Distichon wählte; die Arbeit mag dem Landwirt sauer genug geworden
sein. Als das Buch fertig war, schickte er dasselbe wie die früheren
Bücher mit einer Vorrede und einem Widmungsgedicht an den vir doc-
^) Nor Weniges erinnert an die späte | Oraeci sua fide media de condiendi vini
Zeh, wie 9, 8, 1 taUier; 11, 4 tUiUime, femer
das hftofige aliqui.
*) Beispiele finden sich allenthalben, so
6, 12 de lateribtu faeiendis; 9,8 de aqua
invenitnda.
*) II, 14, 1 ne lecta praeteream, quae
genere disputarunt, demonstrare curavi,
^) 1, 6, 3 in rebus agrestibus maxime
officio iuvenum eongruunt, imperia seniorum,
1, 6, 8 fecundior est aäta exiguUas quam
magnitudo neglecta.
172 PalUdioa Butilias Tanrns Aemilianns. (&8i4.)
tissimus Pasipliilus. Leider vermögen wir auch diesen Mann nicht
zu identifizieren, dass wir damit die Zeit des Palladius bestimmt fixiei
können.
Die praktische Anlage des Werks führte dem Palladius im Mittelal
viele Leser zu; es hat daher auch eine reiche handschriftliche Yerbreitc
gefunden.
Titel des Werks. Der Titel lautet nach der besten Ueberliefemng: PaUi
Rutilii Tauri Aetniliani viri inlustris opus agricuUurae liber primus.
Zur Entstehung des Werks. Praef. zu 1. 14 p. 261 Schm. quod volumina /
ruri8 colendi serius, quam iusseras, scripta sunt, Ubrarii manus segniar effecit, euius
tarditatem numquam maligne aestimo diu tarnen apud te pudorem meum disttäi,
hoc quasi bonus famulus feci. verum nescio, si tuum ad has modo minutiös inelinetur
genium. Im Gedichte seihst sagt er nach der Anrede Ys. 8: bis Septem parvos, opus a^
colare, libeUos, \ quos manus haec scripsit, parte silente pedum, \ nee strietos numeris
Apollinis amne fluentes | sed pura tantum rusticitate rüdes \ eommendas, dignaris, ama
vilia dicta \ adfectu socii sollieUante colis.
Die Zeit des Palladius kann nicht genau hestimmt werden. Den tenninus i
quem giht Cassiodor (de inst. div. litt. 28; 70 Sp. 1143 Migne): Aemilianus facundissimus
planator duodecim (wenn man von dem ersten und dem metrischen Buch absieht) librit
hortis, vel pecoribus aliisque rebus plenissima lucidatione disseruit Den tenninus post qi
giht der öfters citierte Gargüius Martialis an die Hand, der 260 umkam; dadurch bekonu
wir ein Intervallum, das you 260 his circa 540 reicht Um dieses Intervallum einzueoj
haben die Forscher ihre Blicke auf Pasiphilus gerichtet, dem das Werk gewidmet ist
können drei Pasiphili in dem gedachten Zeitraum in Betracht konmien: 1. FahiuB Felix I
philus Paulinus, der praef ectus urbi vom Jahre 355 (CIL 6, 1656); 2. der Philosoph l
philus, von dem Ammian zum Jahre 371 sagt (29, 1, 36): Pasiphilo eximente philosopho,
ut eum (Eutropium) mendacio iniusto perverteret, crudeliter tortus de statu robustat mentis
potuit deturbari; 3. ein Pasiphilus, der im Jahre 395 im cod. Theodos. 2, 1,8 erscheint. Borgt
(Oeuvres 3 p. 487) identifiziert den Pasiphilus mit dem zuerst genannten {nnefectas urbi
unsem vir ill. genannten Palladius mit einem Taurus, einem Zeitgenossen des Stadtprftfeli
der 357 Präfekt von Italien, 361 Consul war; vgl. Borghesi 1. c. p. 515. So acharfsii
diese Combination Borghesis ist, so führt sie doch auf Schwierigkeiten; besonders
Identifizierung des Palladius mit Taurus ist bedenklich. Die Bezeichnung des Pasipl
als vir doctissimns passt weniger auf den Stadtpräfekten als auf den in der Ammiansi
genannten Philosophen. Auch zwei andere Wege führen zu keiner sicheren Bestimm
der Lebenszeit des Palladius; so wollte Barth unseren landwirtschaftlichen Schriftstelle
dem von Rutilius Namatianus 1, 207 gefeierten Palladius erkennen; hier heisst es: !
discessurus studiia urbique remitto \ PaUadium, generis spemque decusque mei. Faeuf
invenis Gnllorum nuper ab arris i Misstis, Romani discere iura fori. Allein von
facundia bemerken wir nichts in dem Schriftchen. Wenn Harris (American joums
philol. 3 (1882) p. 417) zur Unterstützung dieser Ansicht anführt, dass aus den Schat
längen der Sonnenuhr bei Palladius sich als dessen Heimat Gallien ergebe, so ist dag<
zu bemerken, dass solche Angaben auch in einer Quelle des Palladius gestanden hi
können. Ein drittes Kriterium suchte man aus der Gliederung des Werks nach Tit
zu gewinnen. Man will darin eine Nachahmung des codex Theodosianus, der nach
Jahre 438 bekannt gemacht wurde, erblicken; vgl. Ernst H. F. Meyer, G^esch. der Bot
2 (Königsberg 1855) p. 332. Allein es lässt sich nicht beweisen, dass die Gliederung
Stoifs nach Titeln zuerst im cod. Theodos. zur Anwendung kam.
ZurComposition. 1, 1, 1 neque formator agricolae debet artibus et eloquentia
tores aemularif quod a plerisque factum est: qui dum diserte loquuntur rustieis, adsi
sunt, ut eorum doctrina nee a disertissimis possH inteUegi.
Quellen des Palladius. n) Dass Palladius den Auszug des M. Cetius Favent
aus Vitruv benutzt hat, ist § 355 p. 355 dargelegt worden; vgl. auch Oder, Quellensu
im Altertum (Philol. Supplementbd. 7 (1898) p. 239). ß) Seine griechischen Quellen
zeichnet der Verfasser in der Regel fast immer unbestimmt mit Oraeci; in zwei Kapi
wird die griechische Quelle schon mit dem Titel aufgeführt, so 11, 14 quae Graeci vel
super vina condienda curandaque dixerunt und 12, 17 de oleo facienda secundum Gra
et emendando. Häufig werden die Graeci im Texte citiert, so 3,33; 4, 11,6; 7,9; i
11, 9; 12, 1, 3; 12, 7, 3; 12, 10; 12, 12, 1; 12, 12, 2; 12, 18; 12, 20, 3; 12, 21. Die mei
Stellen fallen also auf das zwölfte Buch; die Einführungsformel ist entweder Graeci
seruntf iubent, praecipiunt oder adfirmantibus Graecis, Graecis adserentibus, docenti
Genannt wird Dcmocritus 1,35,7; Aristoteles 8, 4, 4. Das Verhältnis des Palladius
Der Yeterininiiedixiner Pelagoniiis. (§€45.)
173
seineii griechischen QueUen bedarf noch einer genaueren üntersnchnng; von Wichtigkeit
ist hiei^ei, die Compilation des Anatolins avyaytoyij yemgyixtoy inirrjaevfAdrctty zum Ver-
gleiche heraniQziehen (Aber Anatolins vgl. W. G-emoIl, Untersuchungen über die Quellen,
den Verfasser und die Abfassungszeit der Greoponica, Berl. 1883, p. 218 und p. 222; Oder,
Beiträge zur Gesch. der Landwirtschaft bei den Griechen (Rhein. Mus. 45 (1890) p. 98),
der ihn (p. 222) dem vierten oder fünften Jahrhundert zuweist). Ueber Sotion vgl. E. H.
F. Meyer, Gesch. der Botanik 2 (Königsberg 1855) p. 261. y) Von den römischen land-
wirtschaftlichen Schriftstellern wird selu- h^fig Ck>lumella citiert, am meisten im dritten
Buch, so 1, 19, 3; 1, 28, 5; 2, 16; 3, 9, 14; 3, 10, 4; 3, 15, 1; 3, 16, 1; 3, 16, 2; 3, 17, 6;
8, 18, 6; 8, 19, 3; 3, 24, 7; 3, 24, 11; 3, 26, 4; 4, 8, 1; 4, 9, 9; 8, 4, 1; 8, 4, 2; 10, 1, 2; 11, 3;
11, 5, 2; 11, 8, 2 (bis); 12, 1, 2; 12, 3. Nach ihm erscheint auch nicht selten Gargilius Mar-
tialis, so 4, 9, 9; 4, 10, 5; 4, 10, 16; 4, 10, 34; 5, 3, 4; 6, 6; 7, 5, 2; 11, 12, 5 (bis); 11, 12,
7; 13, 4, 1. Apuleius (§ 569) wird citiert 1, 35, 9 adversus mures äffrestes Apuleitu cidserit
semina InUnäo feUe maceranda, antequam apargOs. Ausserdem erscheint aucn Mago 6, 7, 1
sieut Mago (§ 81) dicit. Vergil wird citiert 3, 25, 7. (f) Auch in ganz unbestimmter Weise
werden die Quellen bezeichnet; dies geschieht besonders mit aJiqui, so z. B. 8, 25, 30 tüiqui
iradiderunt; 4, 10, 25 äliqui müUum prodesse confirmant; 11, 7 aliqui consuerunt; 12, 1, 2
aliqui dieunt; v^. noch 12, 7, 11; 12, 7, 12 aliqui adaerunt; 3, 25, 20 plerimie dixerunt
H&afig werden auch bestimmte landwirtschaftliche Handlungen mit aliqui verbunden, was
natürlich auch auf Quellenschriftsteller hinweisen kann, z. B. 3, 28, 2 aliqui infundunt; 3, 31
aliqui ealcant vel exprimunt; 4, 10^ 28 aliqui aerunt; vgl. auch 4, 12, 3; 5, 2, 3; 11, 12, 9;
8, 4y 5 quidam pertnittutU; 8, 6, 2 quidam auspendunt; 9, 6 plerique inaerutU. b) Auch auf
eigene und fremde Erfahrungen recurriert Palladius, so 3, 25, 27 ut ego expertu8 sum; 3, 26, 5
mihi vero utilius prolxUur experto; 4, 10, 16 quod ego in Sardinia territorio Neapolitano
in fundis meia eomperi; 4, 10, 24 ego mense fehruario uUimo vel martio in Italia plant€is
grandes fieorum per paJstinatum 8olum disposui; 11, 12, 5 ego 8ie huius arhoria facUiUUem
probavi; 12, 7, 1 ego vtro usque ad serendi tempus sine uUa eura saepe aervavi; 12, 7, 12
quod expertus eum; 12, 7, 22 sieut probavi ipse. — 3, 17, 6 mihi adseruit diligens agricola;
3, 16, 2 ut agrieolae adeer unt; 3, 17, 8 Hispanue quidam mihi hoe genua novae insitianis
ostendii. ex peraico ae adaerehat expertum.
Das metrische Buch (De insitione) wird durch einen Brief ad PaWpA»/um rtrum
doctiaaimum eingeleitet, wo es heisst: pro uaura temporia hoc opua de arte inaitionia adieci.
Im Gedichte selbst sagt er Vs. 9: nunc ideo modicum creacena fidueia carmen\ obtulit
arbiirio laetificanda tuo. \ et noatrae atudium non condemnahile Muaae \ urbanum fari ruati-
eitaiia y^»
Ueberlieferung. Die besten Handschriften sind der Parisinus 6842 B s. X; der
Parisinus 6830 D s. X; Laudunensis 426 s. IX. Eine gesonderte üeberUeferung hat das
metrische Buch, das nur in jüngeren Handschriften erscheint z. B. im Vindobonensis 3198
s. XV und cod. Vaticanus 5245 s. XV; vgl. H. J. Moule, A ms. of the metrical translation
of F. (Athenaeum N. 3186 (1888) p. 664). Es fehlt noch an einer methodischen Sichtung
der handschriftlichen ueberlieferung.
Ausg. in den Script, rei rast. vet. lat von P.Victorius, Leiden 1541; J. M. Gesner,
Leipc.* 1773/74; J. G. Schneider, Tom. 3, Leipz. 1795. Sonderausg. J. C. Schmitt,
LeiM. 1898; vgl dazu Ut Centralbl. 1898 Sp. 877; Hb. I ed. J. C. Schmitt, Würzburg
1876; de insitione liber ed. J. C. Schmitt, Münnerstadt 1877; das metrische Buch steht
auch bei Wernsdorf, Poet. lat. min. 6 p. 135.
Uebersetzungen: M. Lideil, The Middle-English translation of Palladius de re
rustica. Edited with critical and ezplanatory notes. Part. I. Berl. 1896; vgl. M. FOrster,
Arch. für das Stud. der neueren Sprachen u. Litt 100 (1898) p. 156. La cultura e Tuso
dei fiori in Palladio secondo il volgarizzamento di Andrea Lancia, Firenze 1897.
2. Der Yeterinärmediziner Pelagonius.
845. Die Veterinftrmedizin des Pelagonius. Auch eine veterinär-
ärztliche Schrift, die im wesentlichen eine Receptsammlung darstellt, ist
uns aus dem vierten Jahrhundert^) erhalten. Als ihren Verfasser lernen
wir einen Pelagonius kennen. Einem griechischen Vorgang folgend hatte
er in Briefen, die an verschiedene Persönlichkeiten gerichtet waren, sich
*) So auch Baecheler (1. c. p. 381):
«equorum curas et medicinas Gratiano aut
Theodosio regnante amicis inlustribus con-
scriptas tradidit Pelagonius.* Ihm praef.
p. 16 : «quae omnia generatim Pelagonii aeta-
tem confirmant, scripsisse eum post medium
saeculum IV, neque tamen certiorem temporis
definitionem permittunt.*
174 ^^ yeterinArmediziner PeUgoniiis. (§ 845.)
über einzelne Krankheiten der Pferde ausgesprochen nnd seine Ratsehl
daran geknüpft. Später vereinigte er diese verschiedenen Briefe zu eii
Buche, das er mit einem Dedikationsschreiben dem Arzygius überreicl
Dieser Arzygius war wahrscheinlich der Eonsular von Tuscien und Umbr
dem (nach 366) die Provinzialen wegen seiner Verdienste eine Sti
setzten. Nach der Dedikationsepistel war Arzygius ein grosser Pfei
liebhaber, der, wenn nicht alles trügt, auch litterarisch dem edlen T
sein Lob spendete. Auf die Composition hatte Pelagonius keine gr<
Sorgfalt verwendet, da er nicht einmal die ursprüngliche Briefform ^
wischen wollte. Ueber den fachwissenschaftlichen Wert der Schrift sl
uns kein Urteil zu. Indessen beruft er sich auf seine Erfahrung,^) a
hatte er griechische und lateinische Fachschriftsteller zu Rate gezo{
Merkwürdig ist der krasse Aberglaube, der in diesem Büchlein sein S
treibt. Benutzt wurde das Werkchen von Vegetius in seiner Mulomedic
Der Adressat Arzygius. Ueber Betitius PeipetuuB Aizygiiis vgl. Borgh
Oeuvres 6 p. 805; p. 343; Hnelseo, Notizie degli scavi 1888 p. 495. Von den zwei An
die zu unterscheiden sind, kommt der in CIL 6, 1702 genannte in Betracht: Betitio
petuo Arzygio v. c. consulari Tuseiae et Umhriae oh singularia eiu8 erga prarine
beneficia et ob moderationemf pro documento etiam posteris relinquendam aetemum tttc
monumentum Tuftci et Umbri patrono praestantissimo collocaverunt. Konanlare von Tue
und Umbrien gab es nicht vor 366. In der Vorrede heisst es (p. 29 Ihm): cum freq
tissime te equos laudare, amare semper vehementer admirarer — nee immerito rem
nobilem, rem omnihus gratam amare non desinis — imitarer quidem te ei ipse, i
ipRorum laudibus aliquid scriberem, »i digna proferrem: nunc pauperem linguam m
iiut modicus t^ermo protelat, qui tarnen tunc proferendus est, cum curas aut medii
ipsorum loqui coepero. Daraus schliesst Buecheler 1. c. p. 883: ,hunc virom e
littcrarum antiquarum historiae inserendum censeo, ut qui faudes equorum non modo li
iactASse vidcatur sed etiam litteris mandasse sive poeticis, ut per opigrammata vel c
^etica (Nemesianus cultusque mihi dicendus equorum)^ sive Libanii rhetorumque more dei
strativis."
Adressaten der Briefe sind: Fostianus (I; Vll; VIII; X; XUI; XIV; XV; XX
Falerius (IV; V; XX), Papianus (XVII), Lucilius (XXI), Astyrius (IX). Bezüglich der
gezählten Persönlichkeiten kann die Identifizierung nur bei einer versucht werden; e
Wahrscheinlichkeit hat nämlich, dass in Astyrius L. Turcius Apronianus Aste
steckt, der im Jahre 363 praefectus urbis Romae war (Amm. Marc. 23, 1,4; 23, 8, 8; 2
27, 3, 3): vgl. Ihm praef. p. 16.
Quellen. Von griechischen Autoren benutzte er besonders Apsyrtos (151; 173:
376; 377), aber auch Eumelus ist herangezogen; vgl. Ihm praef. p. 16; p. 9. Von lai
sehen Schriftstellern werden erwähnt Cornelius Celsus (22; 31; 185; 287), Columella
32; 108; 162; 307) und andere unbekannte; vgl. Ihm praef. p. 17.
Zur Charakteristik. 129 si equi intestina doluerint <et> fuerit toriumatus
medium incredibile quod per se f ostendere: nomen domini eiusdem animalis in cc
pedis dextri grnphio persrribito. 278 hoc Carmen in aurem dextram equo dices: „,
tintus, semel remediatu}<** et spuis in aurem. 283 sed et rerba religiosa n(m desint.
Sol peridiariter dominus equorum invocatus ad medelam adest. quem hoc modo, cum te\
talpnrum coeperis tollere^ invocabis: ictu, Sol divine calide et frigide, tantum mihi al
uasti. hoc dices et suprascnptam medelam faucibus infunde. 121 manu uncta oleo ven
j}etfrtcato cum hac pruecantatione: ires scrofae de caelo ceciderunt, invenit eas pastor
cidit eas sine ferro, coxit eaa sine dentibus: bene coxisti, bene cooristi, hene caristi;
dazu Buecheler 1. c. p. 332. Vgl. noch die praecantatio ad equos hordiatoa sive ad
iionem, Apsijrti apopiras ait (278).
Fortleben des Pelagonius. Benutzt wurde Pelagonius besonders von Veg
<vgl. § 846). Bezüglich der Hippiatrica vgl. noch Ihm praef. p. 11: ,(is qui hippiatr
scripta compilaNnt) Pelagonium haud ita eleganter Graece reddidit neque peccatis gravioi
abstinuit, quae fortasse non tam intei-preti quam exemplari ab illo adhibito non omni
carcnti dnnda sunt crimini.**
*) 4 (juibus remedia haec a maioribus profuisse accepimus et facientes nosme
experti sumus.
Fl. Vagetiiw Banatiis. (§846.) 175
Die üeberlieferang. Die Grundlage des Textes ist der Riccardianus 1179, die
Abschrift eines alten, vielleicht aus dem 7./8. Jahrhundert stammenden Codex, welche
AngelusPolitianns herstellen liess und selbst einer Revision unterzog. Die Handschrift
trftgt die Subscriptio: CommetUum artis medieinae seu veterinariae explicU Felagoniorum
Salaniniarum (Ihm koir.: Saloninarum). Man konnte mit Osann (Quaedam de Pelagonio
Hippiatricomm scriptore, Giessen 1843, p. 17) an zwei Pelagonii als Verfasser des Werks
deuxen; ihre Heimat wäre nach der Subscriptio die dalmatische Stadt Salonia. Ihm schlägt
eine andere Erklärung vor, indem er meint, dass der Plural Pelagonii gewählt wurde, weil
der Archetypus mit Benützung von zwei Handschriften zu Stande gekommen sei. Fragmente
finden sich in dem Palimpsest codex Vindobonensis 16 s. V/VI, aus dem Eichenfeld, Jahrb.
der Litt 26 (Wien 1824) Anzeigeblatt p. 20 Mitteilungen machte. Femer sind für die Re-
cension heranzuziehen ^e'lnntaxQMtty die in der Baseler Ausg. des Simon Grynaeus aus
dem Jahre 1537 vorliegen und für welche die beste Üeberlieferang in dem cod. Berolinensis
Philipp. 1538 s. X/XI gegeben ist. Der Hauptautor ist hier Apsyrtus (vgl. Suidas s. v.),
der auch sein Buch aus verschiedenen, an Freunde gerichteten Briefen zusammensetzte,
üeber die Lücken vgL Ihm praef. p. 18.
Ausg. Pelagonii Veterinaria ex Richardiano codice exscripta et a mendis expurgata
ab Josepho Sarchianio, nunc primum edita cura C. Cionii. Accedit Sarchianü versio Itah'ca,
Florenz 1826. Sarchianius starb vor der Herausgabe des Werkes, welche dann Cionius
zu Ende fühi-te. Massgebende Ausg. von M. Ihm, Leipz. 1892 (mit 5 Indices).
Litteratur. Molini, Sopra la veterinaria di Pelagonio, Padua 1828; 0. Günther
in Genethl. Gotting. 1887 p. 12; F. Buecheler, Rhein. Mus. 45 (1890) p. 881.
3. Fl. Vegetius Renatus.
846. Das militftrische Handbuch des Vegetius. In der Zeit von
383 — 450 schrieb ein vornehmer Mann, der vir illustris und comes ge-
nannt wu'd, eine Monographie über die Aushebung und die Ausbildung
der Rekruten und überreichte sie einem Kaiser, den er leider nicht mit
Namen nennt, der aber wahrscheinlich Theodosius der Grosse war. Der
kaiserliche Hof fand an dem Schriftchen Gefallen, denn der Autor wurde
bestimmt, auch die anderen Teile der Eriegswissenschaft zu behandeln.
Vegetius kam dem Auftrag, wenn auch nach längerer Zeit, nach und be-
handelte in drei folgenden Büchern die militärische Organisation, die
Taktik, die Lehre von der Belagerung und im Anhang selbst den Seekrieg.
Patriotismus war es, was unseren Autor bestimmte, den Griffel zu er-
greifen. Er erkannte, dass das Militärwesen darniederlag und dass die
Wehrkraft des römischen Reiches den von allen Seiten drohenden Stürmen
nicht gewachsen sei; unwillkürlich stellten sich seinem Geiste Bilder aus
der grossen, ruhmreichen Zeit dar. Er lebte des Glaubens, dass man diese
alten Einrichtungen wieder zurückführen und damit dem Vaterlande auf-
helfen könne. Die Absicht war gut, aber zur Ausführung derselben fehlte
dem Autor alle Sachkenntnis, da er niemals als Militär gedient hatte. Er
glaubte, seine Aufgabe dadurch zu lösen, dass er einige ältere kriegs-
wissenschaftliche Werke vornahm und daraus ein Büchlein kompilierte.
Als seine Autoren nennt er den alten Cato, Celsus, Frontinus und den
Militär-Juristen Patemus. Vegetius ist ehrlich genug, den Leser über sein
Verfahren vollständig aufzuklären; Ordnung und Sichtung des Stoffes ist
es, was er als einziges Verdienst in Anspruch nimmt. Für die Entwick-
lung des Kriegswesens fehlt ihm aller Sinn, er hält die einzelnen Perioden
nicht auseinander und gibt uns daher keine genügende Grundlage für eine
geschichtliche Darstellung des römischen Kriegswesens. Seine Sprache ist
ziemlich rein, nur einzelne Ausdrücke verraten die spätere Zeit. Obwohl
176 Fl. Vageüiui Benatiui. (§ 846.)
wir das Christentum bei ihm voraussetzen müssen, so verleugnet er (
nicht einen starken nationalen Zug.
Das Büchlein wurde viel gelesen und drang selbst nach dem {
chischen Osten. Der Konsul des Jahres 450, Eutropius, unterzog
Werkchen einer kritischen Revision. Auch im Mittelalter war die Sei
stark verbreitet, wie die grosse Anzahl von Handschriften beweist, we
von ihr existieren.
Die Persönlichkeit des Verfassers, a) Der Name. Ueberschrift in der 1
schriftlichen Ueberlieferung ist Flavi Vegeti Renati. Priscian, Gramm, lat 2 p. 9'
Vegetius Renatus rei militaris lihro primo. In den Exzerpten des Vaticanas Regina
s. VII finden wir PMi Vegeti Renati, 'PBvdxog heisst er bei Lydos, De magistntibus 1
ß) Der Stand. Auf denselben deuten die Worte der Ueberschiift viri inlustris cot
wozu im Palatinus 909 saerum hinzutritt. Dies saerum wird von Schoener (p. 9'
sacrarum largitionum gedeutet; sonach wftre Vegetius Reichsfinanzminister gewesen.
Heere hat er nicht gedient, wie man aus der Unkenntnis mancher militärischer Einrichta
schliessen kann; vgl. 1, 20 und Schoener, Stud. zu Vegetius, Erlangen 1888, p. 12; ]
Er schöpft daher nicht aus Erfahrung, sondern aus Büchern. ;') Religion. 2, 5 iuran
Deum et Otristum et sanctum Spiritum et per tnaieatatem imperataris, quae aeeundum 1
generi humano diligenda est et colenda; vgl. auch die unten ausgescnriebene Stelle ^
DieZeitdesVegefcius. Es hängt alles davon ab, den ungenannten Kaiser,
die Schrift gewidmet ist, zu bestimmen. Auszugehen ist von folgender Stelle (1, 20j:
in hac parte antiqua penitus consuetudo deleta est; nam licet exemplo Gothorum et
norum Hunnorumque cquitum arma profecerint, pedites eonstat esse nudatos. Ah urhe
eondita usqtte ad tempus diri Gratiani et eatafractis et galeis muniebatur pedesiris
citiM, Sed cum campestris exercitatio interveniente negligentia desidiaque cessaret, g\
videri arma coeperunt, quae raro milites induebant; itaque ab imperatore poatuiant p
catafractaSf deinde cassides se debere refundere. Sic detectis pectoribus et eapUibus
gressi contra Gothas milites nostri multitudine sagittariorum saepe deleti sunt; nee po\
clades, quae usque ad tantarum urbium excidia perrenerunt, cuiquam curae fuU rel
fracias rel galeas pedestribus r edder e. Aus dem Worte divus geht hervor, daas Gn
als Vegetius diese Worte schrieb, bereits gestorben war; also fällt die Schrift nach
Im Jahre 450 wurde Vegetius in Constantinopel bereits einer Recension unterworfen,
muss sein Workchen schon geraume Zeit im Umlauf gewesen sein. Die laxe Handha
der Ausrüstung fällt nach den obigen Worten in die Zeit Gratians; vgl. F. Rühl, Flec
Jahrb. 137 (1888) p. 338. Seiner Regierung oder möglicherweise auch einer vorhergehe
wird der Vom-urf der Nachlässigkeit gemacht. Damit sind die auf Gratian folgt
Herrsclier von Schuld im wesentlichen freigesprochen. Kein zu unterschätzendes Mo
ist, dass in einem Teil der Ueberlieferung in dem Titel des Werks ad Theodoaium im^
torem hinzugefügt ist; dies ist z. B. geschehen im Palatinus 909 s. X und Vaticanna
8. Xn. Da nun der Rückgang in der militärischen Bewaffnung nach der Zeitlage nicht \
anhalten konnte und Theodosius der Grosse (379—395) das gesunkene Militärwesen n
aufrichtet« (vgl. Jordanis c. 27 (p. 94 Mommsen) sed Theodosio ab Spania Gratiantu
perator electo et in orientali principatu loco Valentis patrui subrogato, militaremque <
plinam mox in meliori statu reposita ignavia priorum principum et desidia exclusa G
ut aensitj pertimuit), wird man zunächst an ihn zu denken haben. Und in der That 1
sich die oinzelnen Berichte der Züge und Ereignisse gut mit ihm und seiner Regierung ii
klang bringen; vgl. Schoener p. 39. Selbst die Worte (3, 26) peritia sagittandi, equi
licientia rel decoVy currendi celocitaSy nrmaturae exercitatio können auf Tlieodosius oe:
werden. An Valentinian III (425-455) denken Gibbon, The history of the declim
fall of the Roman empiro 5 (Edinburgh 1811) p. 90 Anm. und (in ausführlicher Darle]
Secck, Die Zeit des Vegetius (Hermes 11 (1876) p. 82), an Theodosius II (408—450) Ten
Schwabe. A. v. Gutschmid macht bei Teuffel-Schwabe noch darauf aufmerl
dass in der ebenfalls von unserem Vegetius herrührenden Mulomedicina (6, 6 p. 259 S
der Name Toringi erscheint, welcher sonst erst mit dem Jahre 451 bezeugt ist.
Die einzelnen Bücher. Uebcr den Inhalt der drei ersten Bücher gibt 3, 1
schluss: primus Über tironum dilectum exercitiumque deprompsit, sequens Ugionis
tutionem discipUnarnque edocuit militarem, hie tertius classicum sonat, Ueber dei
halt des vierton Buches vgl. 4 praef. ad complcmenium igitur operis maiestatis n
praeceptione auscepti rationes, quibus rel nostrae civitates defendendae sint vel hoi
subruendae. Ueber den Anhang vgl. 4, 31 praecepto maiestatis tuae, imperatar in
terrestris proelii rationibus absolutis, navalis belli residua, ut opinor, est partio; de (
Fl. Vegeüos Bonatfui. (§ 846.) 177
iurtibus ideo pauciara dicenda aunL quia tarn dudum pacato mari cum barbaris nationibus
agüur terrutre certamen. Ueber die rabricae vgl. Lang, Ausg.' p. XlHl.
Ziel der Schrift. 2, 8 cum easdem expensas faciat ei düigenter et neglegenter
exereUus ordinatus, non solum prc^seniibtis, sed etiam futuris aaectdia proficit, si provisione
maitftatis tuae, imperator Auguste, et fortissima dispositio reparetur armorum et emendetur
dissimulatio praecedentum, 1, 28 congessi, ut in dilectu atque exereitatione iironum si quis
dUigtns velit existere, ad antiquae virtutis imitcUUmem faeile conrobarare possU exercUum
.... semper ergo legendi et exereendi sunt iuniares. Vilius enim eonstai erudire armis suoa
quam aiienos mereede conducere.
Das Verhältnis der Schrift zum Kaiser. 1 praef. antiquis temporibus mos fuit
bonorum artium studia mandare litteris atque in libros redacta offerre principibus, quia
mque rede aliquid inchoatur, nisi post Deum faverit imperator, neque queniquam magis
deeet vel meliora scire vel plura quam principem, cuius doctrinä omntbus polest prodesse
»ubiectis .... hac ego imitatione conpulsus dum considero clementiam vestram auAlms lit-
terarum magis ignascere passe quam eeleros, tanto inferiorem me antiquis scriptoribus esse
rix sensi, 2 praef. instituta maiarum partis armatae plenissime clementiam vestram perl-
tissimtque retinere continuis declaratur victoriis ac triumphis, siquidem induhitata adpro-
baiio artis sit rerum semper effectus. Verum tranquWilas tua, imperator invicte, aUiori
eonsilio, quam mens poterat terrena concipere, ex libris antiqua desiderat, cum ipsam anti-
quUatem factis reeentibus antecedat. Igitur cum haec litteris breviter conprehendere maie-
statt vestrae non tam discenda quam recognoscenda praeciperer, certavit saepius devotio cum
pudore .... libellum de dilectu atque exereitatione tironum dudum tamquam famulus obtuli.
Quellen, a) Militftrwissenschaftliche Quellen. 1,28 Jiaec fidei ac devotionis
\niuiiUf imperator invicte, de universis auctoribus, qui rei militaris disciplinam litteris
nandaverurU, in hunc libellum enucleata congessi, 3, 26 digesta sunt, imperator invicte,
f%tae nobilissimi auctores diversis probata temporibus per experimentorum ftdem memoriae
frodiderunt. Die Hauptatelle ist 1, 8 haec necessUas conpulit evolutis auctoribus ea me in
\oc opusculo fidelissime dicere, quae CkUo ille Censorius (§ 66 und § 67) de disciplina mili-
ari scripsit, quae Cornelius Celsus (§ 473), quae Frontinus (§ 500 a, 2) perstringenda du-
cerunt, quae Patemus (§ 619 p. 179) diligentissimus iuris militaris adsertor in libros
'edegit, quae Äugusti et Traiani Hadrianique constitutionibus cauta sunt, 1 , 27 praeterea
*€ vetus eonsuetudo permansit et divi Augusti atque Hadriani constitutionibus praecavetur.
S, 3 CUxto Hie Maior (§ 66 und § 67), cum et armis invictus esset et constd exercitus saepe
luacissei, plus se reipublicae credidit profuturum, si disciplinam militarem conferret in lit-
efos .... idem fecerunt alii complures, sed praecipue Frontinus, divo Traiano ab eins-
nodi eonprobatus industria, ^Horum instituta, horum praecepta, in qtMntum valeo, strictim
%deliterqu€ signabo, 1, 18 sicut ait Cato, 1, 15 Ckito in libris de disciplina militari evi-
ienter ostendit. ß) Andere Quellen. Gelegentlich der Wetterzeichen fOr die Schiffe
miiTt er 4, 41 aus: aliqttanta ab avibus, aliquanta significantur apiscibus, quae VergUius in
QeeMrgids divino paene conprehendit ingenio et Varro in libris navalibus düigenter excoluit,
1, 4 adulescentes legendi sunt, sicut ait Sallustius, l, 9 de exercitio Gnei Pompei Magni
SiUiustius memorat. 2, 1 res igitur militaris, sicut Latinorum egregius auctor carminis
sui tesiatur exordio, armis constat et viris. Foerster, De fide Vegetii Renati, Bonn 1879;
L. Lange, EUstoria mutationum rei militaris Romanorum inde ab interitu rei publicae usque
ad Gonstantinum Magnum, Göttingen 1846, p. 85; Marquardt, Rom. Staatsverw. 2' (Leipz.
1884) p. 606; vgl. auch Bruncke, Quaest. Yeget., Leipz. 1875; derselbe untersucht im
ersten Kapitel die Frage, num Flavius Vegetius Renatus Catonis, Celsi, Frontini, Patemi
libros de re militari in usum suum converterit und spricht (p. 16) den Satz aus: ,Haec
omnia me movent, ut, quamquam non facio cum Barthio qui epitomam epitomae Vegetianae
hodie superesse statuit — tamen id contendam Vegetianam epitomam ex epitomis diver-
Bonim scriptorum congestam esse". Als zweite Quaestio (p. 17) erscheint: de acie se-
candum Flavii Vegetii Renati praecepta instruenda, die in dem Resultat gipfelt (p. 33):
.acies igitur Vegetiana III 14 non ante Diocletianum nee post Gonstantinum instructa est,
annis ergo tantom viginti ab 286 usque ad 306 post Chr. natum in usu fuit.** Vgl. auch
Foerster p. 9; 11; 83; M. Schanz, Zu den Quellen des Vegetius (Hermes 16 (1881) p. 137).
Ich habe in diesem Aufsatz wahrscheinlich zu machen gesucht, dass Vegetius die Constitu-
tionen der Kaiser Augustus, Trajan und Hadrian nur aus Patemus gekannt hat, und einige
neue Fragmente dem Patemus aus Vegetius vindiziert.
Charakter des Werks. 1 praef. licet in hoc opusculo nee verborum concinnitas
sit necessaria nee (Uiumen ingenii, sed labor diligens ac fidelis, ut, quae apud diversos histo-
ricos vel armorum disciplinam docentes dispersa et involuta celantur, pro utilitate Romana
proferantur in medium, 3 praef. quae per diversos auctores librosque dispersa, imperator
invicte, mediocritatem meam abbreviare iussisti, ne vel fastidium nasceretur ex plurimis vel
plenitudo fidei deesset in parvis, 3, 22 digestis omnibus, quae ratio militaris experimenlis
HAndbnGh der Usm. AltertnmiwiMBeiMcluift. Vm. 4. 12
178 n« VegetioB B«iatiui. (§ 847.)
et arte aervavit, 4 praef. ex diveraU auetoribus in ordine dtgeram, 4, 80 quae ad c
nandas vel defendendas urbe» auctarea bellicarum artium prodiderunt vel quae reee
necesaitatum uaua invenit, pro publica, ut arbiträr, täilüate digesai. 1, 8 nihil mih\
torüatia adaumo aed horum, quaa aupra rettuli, quae diaperaa aunt, velut in ordinn
tomata conacribo. 2, 4 quae deacriptio ai obaeurior aut inpolitior videbiiur, non mi
difficultati ipaiua rei conrenit inputari. Adtento itaque animo aaepiua relegenda aui
memoria intelligentiaque vdleant conprehendi. 8, 6 qui rem militarem atudioaiua didit
adaerunt plura in itineribua quam in ipaa aeie pericula aolere contingere. — M. Pli
Der Verfall des röm. Kriegswesens am Ende des vierten Jahrh. n. Chr. Eine 1
geschichtl. Studie nach Vegetius (Festschr. zur 4. Sfiknlarfeier d. UniveiB. Tübingen,
gart 1877, p. 54).
Ueberlieferung. Die zahlreichen Handschriften (circa 140) zerfallen in
Klassen, von denen die erste die Subscriptio, welche durch Versehen in der zweiten J
in Wegfall kam, trägt: FL Euiropiua emendavi aine exemplario Canatantinopolim t
Valentiniano Auguato VII. et Ävieno (codd.: Abieni und Abieno; vgl. auch O.Jahn,
Sitzungsbcr. 1851 p. 344); sie ist durch zwei Lücken entstellt; auch liegt hier ein
lässiger geschriebenes Werk zu Grunde als bei der zweiten Klasse. Die wichtigstei
treter der ersten Klasse sind: Parisinus 7230 s. X, Bemensis 208 und Parisinus 6b0t
Die wichtigsten Vertreter der zweiten Klasse sind : Palatinus 909 s. X und Vaticanni
s. XII. Die älteste Ueberlieferung liegt uns in den Exzerpten des Palimnsestes Vaticanns
nensis 2077 vor, dessen zweite Schrift in das siebente Jahrhundert gehört; vgl. Momi
Hermes 1 (1866) p. 130; C. Lang, Ausg.* p. XVI; J. W. Foerster, De fide Vegetü,
1879, p. 59. Ein Auszug des Hrabanus Maurus wnrde aus einer Trierer Handschrift
von E. Dum ml er (Zeitschr. f. deutsches Altertum, N. F. 8 (1872) p. 443) heraosge
Ausg. Von den älteren sind zu nennen die von Modius, Cüln 1580, die von
wechius, Leiden 1592, die Sammelausg. von Scrlverius (cum notis Stewechii, J
Antwerpen 1607; Wesel 1670, die von Schwebel, Nürnberg 1767, als Sammelansg. Sl
1806. Massgebende kritische Ausg. ist die von C. Lang, Leipz. 1869, 2. Aufl. Leipz.
Der sog. Modestus de vocabulis rei militaris ad Tacitnm Aug. ist ein m
nutzung des Vegetius von Pomponius Laetus oder einem seiner Schüler hergestelltes
fikat Ausg. z. B. bei Stewechius p. 289.
847. Die Yeterinftmiedizin des Vegetius (ars veterinaria
mulomedicina). Unter dem Namen Vegetius Renatus ist uns auch
Veterinärmedizin erhalten, deren Bestand in der handschriftlichen U(
lieferung ein schwankender ist und deren kritische Grundlage noch
zustellen ist. Doch scheint sicher zu sein, dass sie in vier Bücher zerfäll
das militärische Compendium; auch ähneln sich beide Gompilationen d
dass ihre Fortsetzung nach Angabe des Autors auf fremden Einfluss
erfolgte. Wie der Abriss der Kriegskunde, so ist auch unser Werk
dem Einfall der Hunnen, also nach 375, geschrieben.^) Es steht alsc
Annahme nichts entgegen, dass die beiden Schriften in die gleiche
fallen. Diese Annahme erhält noch eine Stütze durch die Oleichheii
Namens. Es drängt sich sonach von selbst die Vermutung auf,
der Kriegsschriftsteller und der Veterinärschriftsteller dieselbe Person
und in der That zeigt uns eine Vergleichung der beiden Schriften
selbe Individualität. Trotz der Verschiedenheit des Stoffes und der
schiedenheit des Publikums, an das sich die beiden Schriften wei
linden wir doch eine Reihe gleicher Spracheigentümlichkeiten. Aucl
schriftstellerische Composition ist in beiden Werkchen dieselbe; sie
angeblich kein anderes Ziel, als den bei verschiedenen lateinischen')
toren oder an verschiedenen Stellen 8) zerstreuten Stoff zu sammeln
*) Mulom. 3 praef. (p. 88 Sehn.) exemplo Apsyrtus sagt er (praof. 4): praeterea
IIuHnorum nive gentium aliarum. Epit, 1, 20 | geata tt confusa aunt omnia, tu partei
exemplo Gothorum et Alanorumllxmnorumque. ' quam curationia quaeretiii necesae ait <
*) Vgl. Sclioener p. 26. per tiinloa, cum de eiadem pasaionibu
•) ITeber das Werk des Cliiron und remedia in capite alia inreniantur i^
Fl.
Banfttfui. (§847.)
179
kurzer, aber vollständiger Fassung und in lichtvoller Ordnung dem
^r vorzuführen. Selbst der gleiche Charakterzug des Aberglaubens
faritt uns in beiden Schriften entgegen.^) Des Autors Bildung steht in
der tierärztlichen Schrift auf keinem anderen Niveau als in der kriegs-
^RrissenschafUichen; sie scheint sich zumeist auf die Lektüre von Fach-
schriftstellem beschränkt zu haben. In der Veterinärmedizin erquickt uns
die Begeisterung, mit welcher der Autor seinen Stoff behandelt; mit warmen
MTorten schildert er die Bedeutung der Haustiere für das Menschen-
geechlecht.^) Auch der tierärztlichen Kunst sucht er die ihr gebührende
Stellung zu sichern,') preist ihren Wert und klagt über ihren Verfall.^)
Tue Menschen, welche die Tierheilkunde nicht zu Rate ziehen, werden
scharf getadelt;^) auch findet keine Gnade vor seinen Augen, dass die
2«eitgenos8en für ihre ganz anders gearteten Tiere das naturwüchsige Ver-
&hren der Hunnen befolgen.^) Grosse Anerkennung verdient es, dass er
das grösste Gewicht auf die Diagnose legt,^) also für ein rationelles Yer-
&liren eintritt. Wie weit er sich fachmännische Kenntnisse errungen,
kann der Laie nicht beurteilen; doch so viel mag gesagt werden, dass
er für die Pferdezucht das grösste Interesse hegte, auf ausgedehnten Reisen
steh Kenntnis der verschiedenen Pferderacen verschafft hatte ^) und wahr-
scheinlich als wohlhabender Gutsbesitzer einen grossen Marstall unterhielt.
Der Stil war dem Schriftsteller selbst bei diesem Stoff nicht gleichgültig;
er strebte eine Darstellung an, welche den Gebildeten nicht abstiess und
dem Ungebildeten das Verständnis nicht verschloss.
üeber seine Quellen gibt die Vorrede Aufschluss; der Schriftsteller
nennt zuerst Coluroella und Pelagonius, die aber sofort wieder beiseite
geschoben werden. Als seine eigentlichen Quellen erscheinen Chiron und
Apsyrtus, an denen er aber die ins Niedrige gehende Darstellung und den
Mangel an Ordnung tadelt. Auch die teueren Medikamente sind dem
Autor anstössig. Um diesen verschiedenen Uebelständen, an denen die
Veterinärmedizin leidet, abzuhelfen, will er die gesamte lateinische Lit-
teratur über Veterinärmedizin durchgearbeitet haben; allein diese Worte
sind Humbug. In der Münchener Staatsbibliothek wurde eine um 400 ent-
standene lateinische Veterinärmedizin entdeckt,^) welche aus griechischen
Autoren, besonders Chiron und Apsyrtus, ausgezogen und ins Vulgäriatein
übertragen wurde. Diese lateinische Compilation lag dem Vegetius vor,
^) Epit. 4, 35 observandum praecipue, ut a
quintadecima luna usque ad vicesimam se-
eundam arbares praecidantur .... quod ara
ip9a et omnium arehitectarum coiidianus
usus edocuit et contemplatione ipsius religio-
nis agnaseimus, quam pro aeternitate his
tanium dielma placuit eelebrari, Mulom. 4, 3
(p. 151) radieulam .... ainUtra manu ante
ortum 8oIm coUige,
*) 4 praef. (p. 142).
•) 1 praef. (p. 5).
*) 3 praef. (p. 88).
») 6 praef. (p. 254).
•) 3 praef. (p. 88).
') 6 praef. (p. 255) neque enim curare
rationabilüer polest j qui qualitatem rei, quam
curat, ignorat.
^) 6» 6 (P- 259) ad bellum Hunniscorum
longe primo docetur utilitas patientiae, la^
boris, frigoriSf famis, Toringos deinde et
Burgundtones iniuriae tolerantes, Tertio loco
Frigiscos, non minus velocUate quam conti-
nuatUme cursus inpictos. Postea Epirotas etc.
2, 28 (p. 81) sed ipsos equos, quos tmlgo Tre-
pidarios, militari verbo Tottonarios vocant.
•) Ueber eine verschollene Handschrift
vgl. Oder p. VII Anm. J.
12
180 Fl. Vegetins Bonfttos. (§ 847.)
und sein ganzes Verdienst ist lediglich darin zu suchen, dass er die rohe
Sprache seiner Vorlage in die gebildete Umgangssprache umsetzte.
Die Identität des Verfassers der epitome rei militsris und der mulo-
medicina. Zuerst hat Schwabe in der 4. Aim. der Teufferschen Litterataigesch. die
Identität der beiden Yegetii behauptet und dafür besonders auf die Aehnlichkeit sprach-
licher Wendungen in beiden Schriften hingewiesen. Das Material ist vermehrt worden tob
Schoener p. 18. Es seien folgende Beispiele angeführt: mulom. 2, 28 (p. 77 Sehn.) Quorum
si non auppetU copia || epit. r. m. 1, 2 quibus et copia sanguinis suppetat; \,1 si copia
suppetat. 2t 28 (p. 80) nisi neeessUas passianis exegerit \\ 1, 5 si ergo neeessitas exigit.
2f 86 (p. 86) habere oportet in promtu || 1, 24 habere eonvenit semper in promptu; 4, 8 ckuxts
ferreos esse oportet in promptu. 2, 25 (p. 70) inter .... distantia est, quod || 3, 13 iUa
distantia est, quod. 2, 28 (p. 81) sed ipsos equos . . . . ita edomant ad levitatem \\ 2, 14 sed
etiam ipsos equos adsiduo labore eonvenit edomari. 2, 8 (p. 53) ad cibi instar .... infundes
II 4, 83 ad earundem instar classem Bomani prineipes texuerunt. 4 praef. 2 (p. 142) er
diversis auctoribus enucleata eoUegi \\ 1, 28 ?uiec .... de universis auetoribus .... in hunc
libellum enucleata congessi. 8 praef. 1 (p. 88) artis usus intercidit \\ 3, 10 diseipUna, euius
usus intercidit. 1, 23 (p. 41) sciendum estpraeterea .... oportere || 1, 20 sciendum praeterea
.... debere. 8 praef. 1 (p. 88) exemplo Hunnorum sive gentium aliarum jj 1, 20 exemph
Gothorum et Alanorum Hunnorumque. 1 praef. 6 (p. 4) mediocritas ingenii \\ 3 praef. me-
diocritas mea. Ueber die Vorliebe fisa das Wort medicina in der Eriegsschrift vgl. Schoener
p. 18; über den gleichförmigen Schluss der Epitome und der Mulomedicina vgL den-
selben p. 25. Dass die Mulomedicina nach dem zweiten und vor dem dritten Buch der
Epitome geschrieben ist, sucht Schoener (p. 26) nachzuweisen, aber die Gründe reichen
doch nicht aus.
Zur Charakteristik der Veterinftrschrift. 1 praef. 6 (p. 4 Sehn.) His et taU-
bus rationibus invitatus, cum ab initio aetatis alendorum equorum studio ftagrarem, kerne
operam non invitus arripui, ut conduetis in unum latinis dumtaxat auctoribus universis,
adhibitis etiam mulomedicis, et medicis non omissis (nam mulomedicinas doctrina ab arte
medicinae non adeo multis discrepat sed in plerisque consentit) in quantum mediocritas in-
genii patitur, plene ac breviter omnia epitomae digererem, et signa morbarum omnium .
declararem. 4 praef. 1 (p. 142) mulomedicinae me commentarios ordinante, eivium atqw |
amicorum frequens querela accepti operis continuationem suspendit, defientium aegritudine$
mortesque clamosissimas boum, cum magnopere peterent publicandum, si quid pro salute tarn
commodorum animalium scriptum reperiretur in libris. Cedens itaque famüiarium honestis-
simae voluntati ex diversis auctoribus enucleata coUegi, pedestrique sermone in ItbeUum eon-
tuli; cuius erit praecipua felicitas, si eum nee scholasticus fasHdiat, et bubUleus inteüigat.
6, 6 (p. 259) quae res nos compulit, qui per tarn diversas et hnginquas peregrimatUma
equorum genera universa cognovimus, et in nostris Stabulis saepe nutrivimus. 5, 69 (p. 239)
studiose, quae experimentis nostris vel aJiorum probata cognovimus, intimamus.
Quellen. 1 praef. (p. 3) minus splendidis exercitata (mulomedicina), minusque do-
quentibus collata docetur in libros. Licet proxima aetate et Pelagonio non defuerit et ColU'
mellae abundaverit dicendi facultas. Verum alter eorum cum rusticae praecepia eonscribertty
curas animalium levi admonitione perstrinxit : alter omissis signis causisque morborum tarn
magnae rei fundamenia neglexit. Chiron vero et Apsyrtus diligentius euncta HtnaH eh'
quentiae inopia ac sermonis ipsius vilitate sordescunt. Ueber die angebliche Herbeisiehmig
einer reichen Litteratur von Seiten des Vegetius vgl. die in der ,, Charakteristik* ausge-
schriebene Stelle. Ueber die Quellenfrage des Vegetius wurde Licht durch eine Sot-
deckung Wilhelm Meyers verbreitet. Derselbe fand in dem cod. Monacensis 248 8.XT
ein antikes Werk über Tiermedizin, über welches er sich also äussert (Sitzongsber. da
Münchener Akad. 1885 p. 395): „Der grösste Teil dieses umfangreichen und haapMchlich
dem Chiron Centaurus und Apsyrtus zugeschriebenen Werkes sei eine um 400 n. Chr. ge-
fertigte Uebei-setzung eines griechischen Textes. Diese lateinische Uebersetrang habe ve-
getius gekannt und der grösste Teil seines Werkes sei nur eine Umarbeitung dieaesjetit
an das Licht gebrachten Werkes." Jetzt, da die Veterinärmedizin der Münchener äand-
schrift in der Od ersehen Ausg. publiziert vorliegt, erkennt man klar, dass Meyer das
Verhältnis des Vegetius zu der genannten Veterinärmedizin richtig bestimmt liai; vgl
Oder p. X. «Mulomedicina detecta cognoscitur eum, Pelagoniana si detrahas, aua inde
fere omnia impudenter deprompsisse. sane retractavit Mulomedicinam ita, at squalorea
sermonis diligenter abstergeret et prae Chirone latino velut alter Cicero ease videator:
materiam vero uberrimam et ordinem rerum a Chirone olim constitutum aut mordicuB tenidt
aut in peius mutavit. quae cum ita sint, Vegetium compilatorem vilissimom iure appellare
licet" (Oder p. XI). Vergil wird citiert 1 praef. (p. 4) Mantuanus poeta. 2, 28 (p. 81) lautlat
Vergilius.
i
D«r Compilaior d«r Madioina Plinü. (g 848.) 181
Die Mulomedicina Monacensis latina. Sie erscheint in der Handschrift in
10 Bachern; von diesen 10 Büchern tragen Snhscriptionen 1, 2, 9 nnd 10. Die Subscriptio zum
ersten Buch lantet: Chiranis Ceniauri Über primus explicit IncipU Über 2^, Am Schlnss
des zweiten Buches lesen wir: Chironis centauri veteriniani (sie) de permixtis passionibus
liber $ecundu8 explicit incipit Über tertius. Am Schlnss des neunten Buches heisst es:
Explieit liber nanus Chiron eentaurus et Absyrtiis feliciter Incipit liber decimus. Am
Schlnss des zehnten Buches endlich steht die Subscriptio: Claudius Hermero» veterinarius
liber decimu8 explicit feliciter. Apsyrtus war ein Tierarzt, der unter Constantin dem Grossen
an dem Feldzug gegen die Sarmaten (832 — 884) teilgenommen hatte; vgl. Suidas s. t. Seine
zwei Schriften Ober Tierheilkunde wurden u. a. von Pelagonius benutzt, am meisten von
Hierokles; aus ihm und Hierokles haben vorzugsweise die Hippiatrica geschöpft; vgl. Well-
mann, Pauly-Wissowas Realencvcl. Bd. 2 Sp. 286; Erumbacher, Qesch. der Byzantin.
Litt, Mfinchen< 1897, p. 268. Ueber die Hippiatrica vgl. M. Ihm, Rhein. Mus. 47 (1892)
p. 315. Bezüglich des Chiron statuiert Oder (p. XV), dass derselbe auch ein Veterinär-
schriftsteller war, dem der Beiname Centaurus verkehrt beigelegt worden sei; vgl. Qber
ihn den Artikel bei Suidas s. v. Xcigaty; auch Columella praef. 32 nennt ihn. Ich glaube,
dass der Name eine Fiktion ist. Ausser diesen Autoren erscheinen noch Sotio, Polyclet
und Famax. üeber das Vorkommen dieser fünf Persönlichkeiten gibt Oder (p. XIV Anm. 1)
folgende Statistik: „Chiron apparet quinquies: § 146, 148 (= 152), 164, 344; in margine
autem eins nomen additur quinquies: 239, 243, 244, 245, 256. Apsyrtus quater: 157, 161,
266, 303. Sotio octies: 132, 134, 187, 188, 270, 284, 290, 292; semel in margine 269.
Polycletos octies: 125, 126, 127, 129, 181, 274, 288, 806. Phamax vel ut in codice legitur
Famaz, id est ^a^ydxfjs (an scribendum est ^äg/Äa^y a fpdgfÄaxoy derivatum?) sezies: 122,
124, 160, 268, 273, 275." Den am Schluss genannten Claudius Hermeros hftlt Oder fOr
den Uebersetzer und Redaktor der mulomedicina und bestimmt darnach den Titel, welcher
in der am Anfang verstümmelten Handschrift verloren ging. Allein das Fundament dieser
Hypothese ist, wie Oder selbst (p. XVIII) zugibt, ein schwankendes. Was die Abfassungs-
zeit der Compilation betrifft, ergibt sich der terminus post quem dadurch, dass Apsyrtus,
der nach 334 schrieb, bereits benutzt ist, und dass Pelagonius, der um die Mitte des 4. Jahr-
honderts schrieb, sie noch nicht kannte. Den terminus ante quem ^bt uns Vegetius an
die Hand, der zwischen 388—450 anzusetzen ist Wir kommen damit in das Ende des
4. oder in den Anfang des 5. Jahrhunderts. Ueber die ZusAtze am Schluss (§ 977 — 999)
vgL Oder p. VHI; über die spftter erfolgte Buch- nnd Kapiteleinteilung vgl. p. XVIII; über
Verluste p. X. Die lateinische Veterinftrmedizin liegt sonach nicht in der ursprünglichen
Fassung m der Mfinchener Handschrift vor; dies geht auch aus einigen zusammenhängenden
Partien (c. 115 ff., 266 ff.) hervor, welche in Lemmata die Namen der benutzten Autoren
vorftlhren. Wichtig ist die Schrift für das Vulgärlatein und zwar das eines bestimmten
Standes; die ausgezeichneten Indices der Od ersehen Ausg. liefern reiches Material. Proben
bei £. Wulff lin, Arch. für lat. Lex. 10 (1898) p. 413. Editio princeps: Claudii Hermeri
mulomedicina Chironis ed. £. Oder, Leipz. 1901; vgl. dazu Helmreich, BerL philol.
Wochenschr. 1902 Sp. 617; besonders aber E. Lommatzsch, Archiv für lat. Lezikogr. 12
(1901) p. 401.
Die Ueberlieferung des Vegetius geht auf einen alten, aber verstümmelten, in
üncialbnchstaben geschriebenen cod. Corbeiensis zurück. Derselbe befand sich später in Köln
apud S. Pantaleonis; zwei Collationen, von denen eine in Leiden aufbewahrt wird und von
P. Scriverius herrührt, beziehen sich auf denselben; vgl. Schneider, Commentar p. 3.
In dem cod. Corbeiensis fehlte der Name des Autors in dem Titel, der also lautete: Dt-
g€$torum artis muhmedicinae Hbri III \ vgl. Schneider, Commentar p. 5. Ueber den Be-
stand des Codex vgl. denselben p. 5. Ueber Fragmente im Sangallensis 908 s. VI vgl.
Seh error, Verzeichnis der Handschriften der ^tiftsbibl. von St. Gfdien, Halle 1875, p. 328.
Der Zusatz am Schluss des Werkes. 6, 27, 9 (p. 280) heisst es: verum ne
lonffior liber amfusionem magis legentibuSf quam instructionem videretur afferre, modum
pUnum credimus faciendum etc. Diese Worte deuten auf den Abschluss des Werkes hin,
so dasB sich das Darauffolgende als Zusatz von fremder Hand verrät; vgl. Schneider,
Commentar p. 7.
Ueber die Bucheinteilung vgL Schneider, Commentar p. 8, der statt 4 Bücher
der Ynlgata unrichtig 6 statuiert.
Ausg. von Sambucus, Basel 1528. 1574; in J. M. Gesners Script, rei nisticae 2
p. 178 nnd bei J. G. Schneider, Script, rei rusticae 4 p. 8.
4. Der Compilator der Medicina Plinü.
848. Die Medicina Plinü. In seiner Naturgeschichte bat Plinius
bei der Beschreibung der Pflanzen, Tiere und Mineralien auch deren Heil-
182
Der Compilator dar Medioina Pliaü. (§ 848.)
zwecke in den Kreis seiner Betrachtung gezogen. Es lag nahe, diese
Partien herauszuheben und zu einem Ganzen zu vereinigen. Dieser Auf-
gabe hat sich ein uns unbekannter, von Marcellus ebenfalls Plinius ge-
nannter^) Mann unterzogen, der höchst wahrscheinlich zwischen 300 und
350 lebte. Auf Reisen hatte er die Habsucht der Aerzte, auf die er sehr
schlecht zu sprechen ist, kennen gelernt. Die kostspieligen und oft nutz-
losen Arzneien, die sie verordneten, erregten seinen Aerger; auch hatte er
in Erfahrung gebracht, dass manche Aerzte sogar die Krankheiten absicht-
lich in die Länge ziehen, um sich ihre Geldquellen nicht zu verschütten.
Er fasste daher den Entschluss, selbst eine Receptsammlung zusammen-
zustellen, um auf seinen Reisen sich von den Aerzten unabhängig zu machen.
Mühe brauchte er sich nicht viel zu geben, Plinius bot ihm den nötigen
Stoff, so dass es als eine Ruhmredigkeit erscheint, wenn er sagt, er habe
seine Recepte von allen Seiten zusammengetragen. Sein Breviarium, wie
er es nennt, ist in drei Bücher geteilt; die zwei ersten enthalten die Krank-
heiten der einzelnen Organe von Kopf bis zu Fuss, das dritte Buch die
Krankheiten des ganzen Körpers ohne rechte Ordnung; den Schluss des
dritten Buches bildet ein mit einer eigenen Einleitung versehener Abschnitt
über die Gifte. ^) Das Ganze ist, wie gesagt, nichts als ein Auszug aus
Plinius; eigene Zuthaten des Compilators sind sehr spärlich. Die Theorie
ist fast gänzlich ausser Betracht geblieben;') von den Medikamenten sind
die teueren und ausländischen weggelassen. Dem Zweck des Buches ge-
mäss, das für die Reisen der Männer bestimmt ist, sind Frauen- und
Kinderkrankheiten ausgeschlossen. Der Compilator liebt das Asyndeton
und stellt seine Sätze gern unverbunden neben einander; die Participial-
konstruktionen seiner Vorlage löst er oft auf. Auch Missverständnisse
seines Originals sind ihm untergelaufen.
Die Medicina Plinii erfreute sich eines reichen Fortlebens. Beceptr
Sammler griffen mit Vorliebe zu dem praktisch angelegten Breviarium aus
Plinius; wir können diese Benutzung nachweisen zuerst in der Compilation
des Marcellus. Auch die Einleitung des sog. Pseudo-Apuleius folgt in ihrem
Gedankengang unserem Handbuch. Aber noch eine andere Seite des Fort-
lebens tritt bei der Medicina Plinii zu Tage: sie wurde der Grundstock
für neue Compilationen. So ist sie ganz aufgegangen in eine im Jahre
1509 zu Rom erschienene, den Namen des Plinius tragende Compilation
von fünf Büchern, der irrtümlich auch der Name Plinius Valerianus
zugeteilt wurde. In dieser Compilation steckt die Medicina Plinii voll-
ständig, wenn auch aus einander gerissen und zerstückelt.
Zeit des Verfassers. Derselbe mnss zwischen Plinius dem Aelteren imd Mar-
cellus gelebt haben, der ihn zuerst benutzte. Marcellus schrieb aber c. 408; v^. Meyer,
Gesch. der Botanik 2 p. 300. Der Sprache nach ist er jünger als Gargüius Martialis, der
c. 240 lebte; vgl. Meyer 1. c. p. 236. Rose setzt ihn zwischen 800 und 350 an (p.85).
*) In seiner Vorrede spricht er von uter-
que Plinius; auch in der handschriftlichen
Ueberlieferung heisst er Plinius iunior.
*) 3, 33 cum adversus omnes morhorum
incursua fuerimus diligentissimi, höh ideo
tarnen hahebimua spem certam salutis, cum
ex improviso serpentes saeviant^ mures aranei,
phalangia, et his omnUms nocenüara mV ,
renefici hominis morsus. adversus h<tee Uaqm \
convertendus est animtis imiru4nd9$ remt- i
diis ut appareat benignitatem naturae ethm p
ea mortifera esse nciuMse,
*) üeber die einfache Gliederang das
Stoffes {titiUi und remedk^ TgL Rose p. 83.
D«r Compilator der Mediöina PlinU. (§ 848.) ] 83
Der Zweck der Compilation ergibt sich aus folgenden Worten der Vorrede:
Frequenter mihi in peregrinatUmüms aceidit ut aut propter meam aut propter mearum in-
firmUatem varias fraudem medieorum experiseerer, quibusdam inlissima remedia ingentibua
pretiis vendentüms, aliis ea quae curare neaciebant cupiditatis causa suscipientibus. quos-
dam vero camperi hoc genere graasari ut Janguores qui paucissimis diehus vel etiam horis
poMsent repeili, in longum tempus extraherent, ut et aegros suas diu in reditu hdberent sae-
tioresque ipsia marbis existerent. quapropter neceasarium mihi piaum eat ut undique ixüitu-
dinis auxilia cantraherem et velut breviario coUigerem, ut quocumque veniaaem poaaem
eiusmodi inaidias vitare et hac fiducia ex hoc tempore <iter> ingredi ut aciam, ai quia
mihi languor ineiderit, non faciuroa Uloa ex me reditum nee taxaturoa occaaionem. vgl.
audi 1, 25.
Das Medizinische bei Plinius. In der Natargeschichte des Plinius behandeln
die Bftcher 20^27 incl. die Heilmittel aus dem Pflanzenreich und die BQcher 28—82 incl.
die Heilmittel ans dem Tierreich. Auch in den folgenden Büchern ist Medizinisches ein-
gestreut; vgl. ind. zu B. 88 de caendeo; medicinae ex eo. ind. zu B. 84 de cadmia; medi-
cinae ex ea, ind. zu B. 85 de ainopide; medicinae ex ea. ind. zu B. 86 Ämiantua; medi-
cinae ex eo, ind. zu B. 37 natura cryatalli; medicina ex ea.
Plinius und der Compilator. Ueber das Verhältnis vgl. Rose p. 22. Eigene
compoaitiones des Verfassers sind: 1, 8; 1, 25; 2, 4; 2, 7; 2, 8; 2, 26^; 3, 15; 8, 80; 3, 35;
▼gl. Rose p. 23; p. 84. Ueber die Verwertung der Compilation zur Tezteskritik des Plinius
▼g^. Rose p. 26; über die sprachlichen Aenderungen, die der Compilator an dem Text 4e8
Plinius yomimmi^ vgl. denselben p. 28; über Missverständnisse vgl. p. 29.
Zur Charakteristik. Einigemal gibt der Verfasser kulturhistorische Auslassungen
z. B. Aber das Haarfärben (1, 5): poteat videri aupervacuum inter remedia corporia ponere
ea quae ad decorem pertinent, aed quoadam pudet atU ipaoa rubeoa eaae, aut in tantum lu-
xuHae indulgent ut ddiciae eorum inter ae diaaentiant volentium in pueria rufoa eapilloa, in
piria recuaantium .... qperae pretium eat ia qui erubeacunt aenea videri auccurrere et ai
canoa auoa inficere volunt, tamquam annoa detracturi aint hoc nomine aetati. 3, 82 avint
qui vel auia pilia vel aervorum auorum in halneo offendantur, aine uÜa quidem ratione. Eine
interessante magische Formel bietet 8, 15.
Ueberlieferung der Medicina Plinii. Der Text ist von Rose nach drei Hand-
schriften SangaUensis 752 s. X, Lugd. Voss. Oct. 92 s. X mutilus, Dresdensis 185 s. XII heraus-
gegeben worden. Ueber die Lücke nach 2^ 18 vgl. Rose p. 84. Ein Fragment (p. 7, 1—88,^2
Rose) befindet sich im Vaticanus Reginensis 1004 s. X/XI; vgl. A. Köhler (Hermes 18
(1883) p. 882), der (p. 891) ein Handschriften-Stemma gibt.
Ausg. Plinii Secundi quae fertur una cum Gargilii Martialis medicina nunc primum
edita a V. Rose, Lemz. 1875. Ergänzend dazu ist seine grundlegende Abhandlung: Ueber
die Medicina Plinü (Hermes 8 (1874) p. 18).
Marcellus und die Medicina Plinii. Ueber die Benutzung der zwei ersten
Bücher vgl. Rose, Hermes 8 (1874) p. 85. Die Entlehnungen sind zusammengestellt von
Helmreich in seiner Ausg. des Marcellus, Leipz. 1889, p. 410. Vgl. auch Rose, Anec-
dota Graeca et Graecolatina 2 (Berl. 1870) p. 106.
Ps.-Apuleius und die Medicina Plinii. Ueber die Receptsammlung des Ps.-
ApnleiuB vgl. § 572. In der Vorrede hat Ps.-Apuleius sehr stark aus der Medicina Plinii
geschöpft; vgl. Rose p. 86. „Ausser der Vorrede scheint nur geringe Benutzung statt-
gefunden zu haben* (Rose p. 37).
Der sog. Plinius Valerianus. 1509 gab Thomas Pighinuccius in Rom unter
dem Namen C. Plinii Secundi medicina eine medizinische CompUation heraus. «Aus einer
alten mit dem römischen Druck in eins vermischten Handschriff* wurde sie publiziert zu
Basel 1528; ein Abdruck des Baseler Textes findet sich in den Medici antiqui, Ven. Aid. 1547.
Paulus Jovius (De piscibus Romanis, Rom 1524, cap. 85) nannte den Autor des Buches irr-
tümlich Plinius Valerianus. Darüber, dass das Werk in den Handschriften unter dem
Namen Fliniua umlief, vgl. Rose, Hermes 8 p. 44. Es sind im Drucke fünf Bücher, Von
denen die drei ersten mit dem Namen Plinius m Verbindung gebracht werden können; denn
die Medicina Plinii ist, wenn auch zerrissen, vollständig darin aufgenommen; vgl. Rose 1. c.
p. 39. Ueber die Benutzung anderer Quellen vgl. denselben 1. c. Ueber Auszüge aus den
drei ersten Büchern vgl. Rose, Anecdota 2 p. 106; über Zusätze zu denselben vgl. Rose,
Hermes 8 p. 42. Die in den Ausgaben mit IV und V bezeichneten Bücher haben weder
unter sich noch mit den drei ersten Büchern etwas gemein; es sind ursprünglich selbständige
Auszüge, die erst später mit den drei ersten vereinigt wurden. Das fünfte Buch erscheint
auch unter dem Titel Liber dietarum diveraorum medieorum hoc eat Alexandra et aliorum
isoliert (.Im Druck hat c. 22 die Ueberschrift Sorani dieta de peripleumonicia und c. 87
bis 38 Dieta CMeni in febribua et ephemera.'^ .In dem Texte der S. Galler Handschrift
752 steht auch über c. 14 (in der Hdschr. 13) Sorani ad pleuriain''; vgl. Rose, Anecdota
184 Der Arzt Yrndioianas. (§ 849.)
2 p. 108.) Dieses Buch ist , weiter nichts als eine wörtliche ZusammensteUiing von diaetae
aus der im Anfang des Mittelalters sehr verbreiteten auszttglichen lateinischen Bearbeitung
des Alezander Trallianus* (lebte unter Justinian 527 — 565); vgl. Rose I. c. p. 108. Auch
das vierte Buch kommt isoliert vor; es ist .ein alter und wörtlich ausschreibender Auszug
der medicinae aus dem bekannten und durch Cassiodors Empfehlung noch weiter ver-
breiteten, wenn auch vor dem Untergänge nicht geschützten grossen Werke des Gargilius
Martialis (§ G25) über die Landwirtschaft.** .Der Auszug besteht aus zwei Teilen, deren
einer de oleribus c. 1 — 38, der andere de pomis c. 89 — 58 handelt* (Rose p. 109^. Der Gom-
pilator war ein Christ, lebte wahrscheinlich zwischen dem sechsten und sieoenten Jahr-
hundert und war der Nation nach ein Deutscher; denn er gebraucht 'Möhre' fttr siser und
'Ente' für anas. Die Sprache zeigt schon romanische Färbung; vgl. z. B. focua für ignis,
gelare für refrigerare; vgl. Rose, Hermes 8 p. 48. Vgl. auch £. Meyer, Gesch. der
Botanik 2 p. 898; Rose, Anecdota Graeca et Graecolatina 2 (Berl. 1870) p. 105; Hermes
8 (1874) p. 39; Detlefsen, Jenaer Litteraturzeitung 1876 p. 104; Paucker, Emendationes
in. Plin. Valeriano (M^luiges gr.-rom. 3 (1878) p. 589).
5. Der Arzt Vindicianus.
849. Die ärztlichen Fragmente des Vindicianus. Bei Augustin
wird ein Arzt mit Namen Vindicianus rühmend erwähnt; er nennt ihn
einen scharfsinnigen Mann. Dessen Schüler war Theodorus Priscianus.
Von Vindicianus sind uns einige Ueberreste seiner schriftstellerischen
Thätigkeit erhalten. So haben wir einen Brief, den er als comes archia-
trorum an Valentinian richtete; der Brief bildete die Widmung eines
Werkes über bewährte Heilmittel, das er dem Kaiser dedizierte. In dem-
selben entwickelt er die Grundsätze seiner Therapie und legt einen Fall
in dem er abweichend von den anderen Aerzten eingegrififen, ausführlich
dar. Das Werk selbst ist uns verloren gegangen. Noch ein zweiter Brief
des Vindicianus an seinen Enkel Pentadius ist uns erhalten; er gibt darin
eine Darstellung der vier „humores'^ des menschlichen Körpers. Wichtiger
ist ein doxographisches Fragment; der erste Teil behandelt die Ansichten
über die Natur des menschlichen Samens, im zweiten Teil erscheint eine
Reihe von embryologisch-gynäkologischen, physiologischen und ätiologischen
Theorien.
Zeagnisse über Vindicianns. Aagustin. confess. 4, 3, 5 (p. 66 En&U) vir tagax;
7, 6, 8 (p. 148) acutus senex; epist. 138, 3 (33 Sp. 526 Migne) tnagnus iUe nostrorum tem-
porutn medicus Vindicianus, Tneod. Priscian p. 251, 15 Rose magister meua quo me usum
esse praemiseraniy dum viveret heUus hahebatur, qui nunc orbis toHus Vindicianus eeMtratur;
vgl. anch 238, 7. MarceUus p. 168, 16 Helmreich ad tussem Vindieiani mediei rtmedium
singulare. Cassios Felix p. 64 ad vomitum constringendum. de Vindieiani Afri; vgL aoch
p. 105. Vgl. Rose, Anecdota 2 p. 177 Anm.; Hermes 8 p. 42.
Der Brief des comes archiatrorum Vindicianus an Valentinisn Imp. warde
zuerst herausgegeben von J. Ruellius im Anhang zu seiner Ausg. des Scriboniiia» Paris
1529; zuletzt von 6. Helmreich in seiner Ausg. des Marcellus, LeipK. 1889, p. 21. Der
Brief beginnt: Cum saepe, sacratissime imperator, humani generis fragilitas faUo denaturu
sua queratuTj aliquando tarnen potuimus redditis causis ostensisque remedii» vana ei in-
numera querimonia refrenare. Am Schluss heisst es: Quare, imperator, fidem naairis auc-
toribus adhibentes non credamus quibuscumque medicinis nee vulneri vulntu superpanendum
putemuSf sed ita aegris remedium porrigendum esse credamus, ut neque gravibua tomuntis
neque intolerabiH medicinae curatione crucientur. Plura ergo de obsertxUiane medicinae
pietati tuae ac posteris tuis digna memoria tradidi, quae homines docti de expertig remedüf
prodiderunty quae tua divina serenitas oro suscipiat et ad memoriam eeteris relinauaL VgL
Cod. Theodos. 13, 3, 12; 10, 19, 9.
Der Brief des Vindicianus an Pentadius. Dieser Brief findet sich limttf der
Naturalis historia des Plinius im Wiener Codex 10 = 234 Endlicher s. XI; er wurde dams
publiziert von R. Peiper, Philol. 88 (1874) p. 562. Ueber andere Handschriften vgl. Rose,
Ausg. des Theodorus Priscianus, Leipz. 1894, p. 484, wo der Brief ebenfalls pabliaeit ist
Wir teilen aus dem Briefe Anfang und Schluss mit: Vindicianus Pentadio nepcH buo sahtUm,
BtiokbUok. (§850.) 185
lAeei sciam ie, carissime nepos, graeeis liUeris erudiium ad hanc diaciplinam posse per-
venire, tamen ne quid tibi poscenti cid memariam denegarem, ex lihris medicinalihus Hippe-
craiis intima latinavi, qwu quia dignus es, fideliter trado daturus tibi avi tui patria mei
libras, ex quibus tatius m^ndi rationem eognoacas, uti nasse possis quanta fuerit generis
MOttri sapientia, per hune vero librum tibi corporis uniuscuiusque naturam et ordinationem
adgrediar explicare .... h€iec tibi pro nostri memoria religiöse, nepos, dedi, maiora postea
noscihtro.
Andere medizinische üeberreste des Vindicianus sind publiziert von Rose
in seiner Ansg. des Theodorus Priscianos p. 426 anter dem Titel: Vindiciani Afri expo-
sUionis membrorum quae reliqua sunt ex codicibus mstis. ad litteram descripta. I. Gynaecia
quae voeantur, Ü. Epitoma uberior altera; vgl. praef. p. XIX.
Das dozograpbiscbe Fragment Ober alte Medizin. Durch die Brüsseler
Handschrift des Theodorus Priscianus (Nr. 1342—50 s. XII) ist ein wertvolles Bruchstück
über alte Medizin erhalten, üeber die Autorschaft des Vindicianus vgl. Wellmann, Die
Fragmente der Sikelischen Aerzte Akren, Philistion und des Diokles von Karystos (Frag-
mentsammlung der griech. Aerzte I (Berl. 1901) p. 4). Ueber die enge Verwandtschaft des
Fragments mit dem von R. Fuchs (Rhein. Mus. 49 (1894) p. 538) edierten Anonymus vgl.
Well mann 1. c. Darüber, dass die Vorlage, welche über das Aerztliche hinausging, so-
wohl für Vindicianus als für den von Fuchs edierten Anonymus Soranos von Ephesos war,
vgl. Wellmann p. 6 und H. Diels, Sitznngsber. der Berl. Akad. 9 (1899) p. 102 Anm. 2.
Well mann vermutet (p. 8), dass von den Schriften des Soranos benutzt wurden negl aniQ-
fiarof, (pvatxd negi ^t^oyoyias und tisqI airitoy na&tav rcsp. ßloi, iatQcSy xai al^iaeig xal
avrtdyfiftia, Ueber Diokles von Karystos als Urquelle vgl. Wellmann p. 8.
860. Bfickblick. Ein Rückblick auf die behandelte Periode der
nationalen Litteratur bringt uns wenig Erfreuliches in Erinnerung. Am
meisten zu beklagen ist, dass an dem Baum der Poesie keine Frucht
mehr reifen will. Die Versifikation ist an die Stelle der aus dem inneren
Leben hervorspriessenden Poesie getreten. Griechische Dichtungen werden
ins Lateinische übertragen, ja selbst lateinische Prosaiker werden in
lateinische Verse umgesetzt. Da die Form alles ist und der Inhalt ganz
beiseite geschoben wird, machen sich die dichterischen Spielereien geltend,
welche sich sogar soweit verirren, dass sie die Dichtkunst zur Herstellung
von räumlichen Figuren verwenden. Wenden wir uns zu den einzelnen
Fächern der Prosa, so bieten sich uns auch hier viele trübe Bilder dar.
In der Geschichtschreibung fängt die Produktion an zu erlöschen oder
auf Abwege zu geraten. Die reichen Schätze der Vergangenheit werden
jetzt in knappe Auszüge gebracht, um dem lesemüden Publikum zu Hilfe
zu kommen. Auch das historische Handbuch und das historische Corpus
werden durch die Bedürfnisse des Lebens hervorgerufen. In Original-
compositionen tritt das Biographische verbunden mit Klatschsucht und
völliger Gleichgültigkeit gegen die Wahrheit und gegen das grosse Ganze
höchst unangenehm hervor. Weiterhin verbindet sich die Geschicht-
schreibung mit romanhafter Darstellung; das Wunderbuch stellt sich an
die Seite der Geschichtserzählung. Doch hat auch diese sinkende Zeit
nochmals eine wahrhaft bedeutende Leistung in dem Geschichtswerk des
Ammianus Marcellinus hervorgebracht. Was die Geographie anlangt,
so ist bekannt, dass die wissenschaftliche Erdkunde eine Schöpfung des
griechischen Geistes ist; allein die praktische Geographie erfuhr immerhin
Förderung durch die Römer; das weitverzweigte römische Reich verlangte
Stationskarten und Kursbücher, und diesem Bedürfnis entsprachen die
Itinerarien unserer Epoche. Die Beredsamkeit, die in der Kaiserzeit
innerlich gebrochen war, fand noch einige Nahrung in dem Panegyricus,
186 BtiokbUck. (§ 860.)
in dem hohles Pathos und Schmeichelei sich gegenseitig die Wage halten.
Für das stilistische Können bot sich aber jetzt eine andere Arena dar, der
Brief, der auf einen bedeutsamen Inh^t gänzlich verzichtete und die
Zierlichkeit der Diktion als wesentliches Erfordernis ansah. Nur selten
dringt die Stimme des Herzens in diese kalte, gedankenarme Welt.
Nennenswerte Arbeiten auf dem Gebiete der Philosophie kennt unser
Zeitraum nicht; die Spekulation wurde stark synkretistisch und nahm
einen religiösen Charakter an. Wir gehen zu den Fachgelehrten über:
an ihrer Spitze stehen die Grammatiker und die Metriker. Allein die
Fortbildung ihrer Wissenschaft liegt diesen Leuten gänzlich fern; sie
leben von dem Ertrage der Vergangenheit, und ihre grosse Bedeutung
ruht darin, dass sie die verlorenen grammatischen Werke, die auf origi-
nalem Schaffen beruhen, uns einigermassen ersetzen. Die Grammatik wird
in ihrer Form durch die Bedürfnisse der Schule bestimmt und erhalt
ein schablonenhaftes Gepräge. Neben der Granmiatik erscheinen auch das
Lexikon, das ebenfalls aus den reichlich fliessenden Quellen der Vorzeit
schöpft, und der Gommentar, der sich besonders an Vergil anlehnt. Auf
keiner höheren Stufe als die grammatischen Werke stehen die rhetori-
schen Compendien dieser Zeit. Die epitomierende Thätigkeit, die sich
in der Historiographie bemerkbar machte, drang sogar in die Juris-
prudenz ein; auch der aufgespeicherte Rechtsstoff sollte in handliche
Bücher zusammengezogen werden. Einen wissenschaftlichen Niedergang
erfährt die landwirtschaftliche Disziplin, indem sie zum Wirtschafts-
buch zurückkehrt. Aehnlich steht es mit der Veterinärmedizin, die
im wesenÜichen auf eine Receptsammlung hinausläuft. Nicht minder
macht sich in der menschlichen Medizin das Becept breit, wenn auch
hier die Spekulation noch nicht ganz erloschen ist. Das einzige militfir-
wissenschaftliche Werk, das wir zu verzeichnen hatten, will die ge-
sunkene Wehrmacht heben; allein die Kräfte des Verfassers versagen
gänzlich.
II.
Die christliche Litteratur.
a) Die Poesie.
1. Anonyme Dichter.
851. Landes domini. Im Aeduerland hatte sich ein Wunder er-
eignet. Einem Manne, der neben seiner Frau ins Grab gebettet werden
sollte, streckte die Gestorbene die linke Hand, die ursprünglich an den
Körper gebunden war, entgegen. Die überschwengliche Phantasie des Dich-
ters, der natürlich an der Thatsache des Wunders keinen Zweifel hegt,
erblickt darin ein Anzeichen für das Nahen des letzten Gerichts. Von der
einfachen Erzählung geht er zu einem Panegyrikus auf Christus über, den
er in zweifacher Weise feiert, als Weltschöpfer und als Welterlöser. Mit
einem Gebet auf Constantin, dem Sieg und Heil*) gewünscht wird, wobei
auch die Kinder nicht vergessen sind, schliest das aus 148 Hexametern
bestehende Gedicht. Wer der Dichter war, wissen wir nicht; es wird ein
Bewohner des Aeduerlandes gewesen sein, da er das Wunder allem An-
schein nach als ein miterlebtes kennzeichnet. Die Zeit seines Gedichtes
ist durch die Erwähnung Constantins gegeben, unter dem natürlich nur
Constantin der Grosse verstanden werden kann. Das Gedicht, das wahr-
scheinlich als Flugblatt in die Welt ging, ist, wenn wir die Umstände des
Epilogs näher ins Auge fassen, in die Jahre 316—326 zu verlegen. Von
Commodian abgesehen ist es möglicherweise das älteste, ausgesprochen
rein christliche Gedicht, das auf uns gekommen ist. In der Prosodie lässt
der Autor von der Laxheit seiner Zeit nichts verspüren. Echte Dichter-
begabung tritt aber in dem Gedicht nicht hervor; die Ordnung der Gedanken
ist hier und da nicht strenge gewahrt. Dass der Poet sich an Yergil ge-
bildet hat, ist nicht zweifelhaft. Das Flugblatt scheint auch dem Juvencus
zu Gesicht gekommen zu sein;*) sein Epilog gleicht merkwürdigerweise
sehr dem der laudes domini, vielleicht ist er eine Nachahmung.
Der Titel des Gedichtes ist: Laudes domini cum miraculo quod accidit in Aeduico,
Die Zeit des Gedichts. Hauptstelle ist Ys. 143: at nunc tu dominum meritis,
pietate parentem, \ imperio facilem^ vivendi lege magistrum \ edictisque parem, quae lex tibi
condita aancU, \ victarem laetumque pares mthi Constantinumf \ hoc melitts fetu terris nU
*) Vs. 146 victarem Uuiumque pares,
>) Vgl. Manitius, Wochenschr. für klass. Philol. 1888 Sp. 18.
188 Anonyme Dichter. (§ 852.)
ante dedisii \ nee dabis (nach Horat. carm. 4, 2, 37 f.): exaequetU tUinam 9ua pigncra pa.
trem ! Diese Charakteristik passt nur auf ConstantiD den Grossen. Der Wunsch am Schlius
zwingt nns, das Gedicht vor 826 zu legen, in welchem Jahre Consiantin gegen seine Fa-
milie wütete. Die Geburt der SOhne, die hier yorausgesetzt werden, f&hrt uns nicht Ober
316 zurück; vgl. Brandes p. 18.
Heimat des Dichters. Dass er Aeduer war, scheint daraas hervorzugehen, dt»
er Vs. 9 {qua fratema Bemo progignüur Äedua pubes) ein Lob auf den Volksstamm eis-
flicht. Auch die in der Erzählung des Wunders vorkommenden Worte (Vs^lO) eaniugium
memini deuten auf einen Aeduer, der das Ehepaar kannte; vgl. Brandes p. 22. Wenn
Brand 69 (p. 25) noch weiter geht und meint, dass der Verfasser des Werks ein «Rhetor
oder Rhetorenzögling der durch Constantins Haus neubegründeten Schale von Flavia Aedno-
mm'* (Autun) war, so bewegt er sich auf unsicherem Boden.
Zur Gliederung des Gedichtes. Es zerfällt in drei Teile. Der Kern des ersten
Teils, der von Vs. 1—35 reicht, ist die ErzlÜilung des Wunders. Der zweite Teil, die Haapt-
masse des Gedichts, von 36 — 142 reichend, enthält die laudes domini; er zerfkllt in zwei 1
Abschnitte: a) Christus als Weltschöpfer neben dem Vater (Vs. 36—88), ß) Christas als
Welterlöser vom Vater gesandt (Vs. 89-142). Der dritte Teil ist der Epilog (143—148),
aus einem Gebet für Constantin und sein Haus bestehend; vgL Brandes p. 15.
Die Ueberlieferung beruht lediglich auf dem Parisinas 7558 s. IX.
Ausg. Editio princeps in Gl. Marii Victoris oratoris Massiliensis j4AU9EIAS etc^
Paris 1560 (apud Morelium). Abgedruckt wiederum mit Coniectoren von Fabricios,
Poetarum veterum ecclesiast. opera christiana etc., Basel 1564, p. 765; Migne, Patrol. lat
Bd. 61 Sp. 1001; femer bei A. Rivinus, De Christo Jesu, beneficiis et landibas eias, ali-
quot Christianae reliquiae vot. poet. ecclesiast. etc., Leipz. 1652 und bei Arevalus als
zweite Appendix der Juvencusausg., Rom 1792, p. 448. Msssgebende Aosg. ist jetzt die von
W. Brandes, Ueber das frühchristl. Gedicht «Landes Domini*, Braunschweig 1887, p. 5;
vgl. dazu R. Peiper, Bemerkungen zu dem frühchristl. Gedichte Landes domini (Zeitschr.
für österr. Gymn. 41 (1890) p. 106).
Litteratur. Ausser Brandes handeln über das Gedicht Ebert, Allgem. Gesch.
der Litt, des Mittelalters 1' (Leipz. 1889) p. 118 Anm. 3; Manitius, Gesch. der christl.-lat
Poesie, Stuttgart 1891, p. 42.
852. Sodoma. In Handschriften werden zwei kleine Gedichte unter
dem Namen des Tertullian oder Cyprian überliefert; das eine umfasat 166,
das andere 105 Hexameter. Das grössere erzählt uns die Zerstörung
Sodomas. Im Eingang wird dieses zweite Strafgericht dem ersten, welches
in der Sintflut in Erscheinung tritt, gegenübergestellt. Nachdem der
Dichter in Kürze den Frevel der Stadt dargelegt, schreitet er zur Er-
zählung des über sie hereinbrechenden Verderbens. Es kommen zwei
Engel zum Vollzug der Strafe; sie werden von Lot in sein Haus auf-
genommen und freundlichst bewirtet. Es folgt die lebhafte Schilderung
der Scene vor dem Hause Lots, seine Mahnworte an das versammelte
Volk, dessen heftige Gegenrede, endlich der Sturm der Menge auf Lot,
welche ihn sich als Opfer erkoren hat. Schon beginnt Lot in seinem
Widerstand zu wanken, was der Dichter durch das Gleichnis eines von
einem reissenden Strom unterwühlten Baumes schön veranschaulicht, da
greifen die göttlichen Boten ein und ziehen Lot ins Haus hinein. Sie
eröffnen nun ihm den Zweck ihrer Sendung, künden ihm und seinen An-
gehörigen aber zugleich die Rettung an. Am andern Morgen führen sie
Lot und seine Familie von der Stätte des Unheils weg; dann malt der
Dichter die Zerstörung Sodomas durch Feuersglut. Hierbei kommt ihm
eine heidnische Reminiscenz in den Sinn, nämlich die Sage von dem
Sonnenbrand infolge des Phaethonschen Wagnisses; er steht nicht an,
diese Sage aus dem Strafgericht, das über Sodoma ergangen, abzuleiten.
Auch bei der Erzählung des Schicksals, das die Frau Lots infolge ihres
Ungehorsams gegen die himmlische Weisung betroffen, schöpft der Ver-
Anonym« Dichter. (S§ 853, 854.)
189
fasser aus der Sage; die Salzsäule, in welche die Frau Lots verwandelt
wurde, steht heute noch da ; jede Verstümmelung, die sie erleidet, gleicht
sie durch eigene Kraft aus. ^) Doch sein grösstes Können zeigt der
Dichter in der Schilderung des toten Meeres, wozu er den Stoff aus Solinus
nimmt.
853. De Jona. Das zweite kürzere Gedicht erzählt uns die Ge-
schichte des Jonas. Der Eingang knüpft an das Strafgericht Sodomas an
und berichtet dann, dass Jonas von dem Herrn ausgeschickt worden, Ninive
zu warnen, dass aber dieser, in der Voraussicht, Gott werde mit der Stadt
doch Erbarmen haben und so seine Warnung zu Schande machen, dem
Auftrag aus dem Wege ging und sich auf ein Schiff begab. Allein der
Ungehorsame «fand den Herrn, den er auf dem Lande floh, in dem Meere ''.
In der nun folgenden Schilderung des Seesturmes zeigt sich die Originalität
des Dichters und seine blühende Phantasie. In packender Weise versteht
er, die entscheidenden Züge hervorzuheben, ohne in den Fehler der
rhetorischen Mache zu fallen. Die weitere Erzählung schliesst sich an
den biblischen Bericht an. Jonas schläft während des Sturmes unten im
Schiff, der Schiffisherr weckt ihn und fordert ihn zum Gebet in der schweren
Not auf. Dann wird gelost, um die Ursache des Unglücks zu ermitteln.
Das Los trifft Jonas. Jetzt herrschen die Schiffer ihn an und vernehmen
mit Entsetzen seinen Ungehorsam gegen Gott. Obwohl sie sich alle Mühe
geben, den Hafen zu erreichen, gelingt es ihnen nicht. Sie sind daher
gezwungen, den Jonas über Bord zu werfen. Sofort kommt das Meer-
ungeheuer und verschlingt den Jonas. Mit einer kurzen Schilderung der
unglücklichen Lage des Jonas im Leib des Fisches und mit einer sym-
bolischen Hindeutung auf die Auferstehung Christi schliesst die Erzählung.
Allein es dürfte keinem Zweifel unterworfen sein, dass das Gedicht nicht
vollendet ist. Zum mindesten erwarten wir noch die Erzählung von der
Errettung des Jonas, da ja sonst die symbolische Bezeichnung in der Luft
schwebt. Der Eingang weist aber noch auf weiteres hin. Der Gedanke,
dass der Herr mit dem bussfertigen Sünder Erbarmen habe, deutet darauf
hin, dass von dem Dichter auch noch die Darstellung der Reue Ninives
beabsichtigt war. Unser Gedicht ist also Fragment; ob es unvollendet
geblieben oder ob ein Schreiber absichtlich abgebrochen, ist nicht zu ent-
scheiden.
854. Das Verhältnis der beiden Gedichte zu einander. Wir haben
bereits bemerkt, dass das Gedicht über Jonas an das von Sodoma anknüpft ;
denn es heisst im Eingang jenes Gedichts, dass nach Sodoma und Gomorra
beinahe auch Ninive von demselben Geschick betroffen worden sei. Der
Grund, warum Ninive verschont blieb, lag darin, dass die Stadt den
Warnungen des Herrn, die ihr durch den Propheten Jonas zugingen, Gehör
schenkte, also Busse that. Dem verhärteten Sodoma tritt das bussfertige
Ninive gegenüber. Man sieht, dass die zwei Gedichte zusammengehören,
das zweite bildet die Kehrseite des ersten. Schon dieser Zusammenhang
läset auf einen Dichter der beiden Stücke schliessen. Und dafür spricht
*) Die Volkssage weiss ooch mehr
(Yb. 125): dicUur et vivtns, alio tarn corpoi-e,
sexua I munifieos solUo dinpungere sanguine
menses.
190 C- Vetüns Aquiliniui Jutwioml (§ 855.)
auch die Gleichheit der Sprache und der Metrik und die Oleichartigkeit
der Gomposition. Allein davon kann keine Rede sein, dass Tertullian oder
Gyprian der handschriftlichen Ueberlieferung gemäss der Verfasser sei,
denn nirgends tritt die Individualität dieser Autoren in unseren Gedichten
hervor. Aber andererseits ist die Annahme kaum abzuweisen, dass die
Entstehungszeit dieser Gedichte eine frühe ist. Der Dichter macht auf
uns den besten Eindruck; er besitzt eine unleugbare Gewandtheit, er
weiss etwas aus dem überlieferten Stoff zu machen und verbindet Treue
gegen den biblischen Bericht mit dichterischer Phantasie. Besonders sind
es die Schilderungen, im ersten Gedicht die des toten Meeres, im zweiten
die des Seesturmes, welche ihm Gelegenheit geben, den Leser zu fesseln.
Seine christliche Gesinnung zeigen besonders die eingeflochtenen Deutungen;
einerseits führt er die heidnische Sage von Phaethon auf ein biblisches
Ereignis zurück, andererseits findet er in seinen biblischen Stoffen Hin-
deutungen auf christliche Wahrheiten; in der Strafe Ninives erblickt er
einen Hinweis auf das künftige Gericht (13) und auf das Los, das die
verstockten Heiden erwartet (164); das Schicksal des Jonas ist ihm ein
Bild Christi, der in der Auferstehung den Tod überwindet.
Ueber den Inhalt der Gedichte vgl. A. Puech, Pradence, Paris 1888, p. 18;
Ebert, Allgem. Gesch. der Litt, des Mittelalters 1' (Leinz. 1889) p. 122; Manitios, Geacb.
der christl.-lat. Poesie, Stuttgart 1891, p. 51. Vgl. noch L. Müller, Rhein. Mos. 22 (1867)
p. 829; p. 467; ebenda 27 (1872) p. 486; St Gamber, Le livre de la 'Gen^ise' dans b
po^sie latine au V""« si^cle, Paris 1899, p. 29.
Ueberlieferung der beiden Gedichte. Im Laudunensia 279 8. IX lautet die
Ueberschrift: Incipit versus Cipriani de Sodoma; im wesentlichen ebenso im Parisinus 14758
s. XIII. Im Parisinus 2772 s. X lautet die Ueberschrift: Opusetdum TerttUiani de excidio
Sodome et Ninive. Statt de Ninive finden wir auch in der Ueberlieferung de Jona; so ist
z. B. im Vossianus Leid. Q 86 s. IX das erste Gedicht betitelt de ineendio Sodomorumj
das zweite de Jona. Ueber die Ueberlieferungsgeschichte beider Gedichte vgL Juretus
in der Bibl. patrum von Eigne, tom. 8.
Ausg. Beide Gedichte zusammen ediert von 0 eh 1er, Ausg. Tertullians, Leipz. 1854,
p. 1178-1182; von Harte 1, Ausg. Cyprians (Corpus Script, eccies. lat. 3 (1871) p. 289):
von Peiper, Cypriani heptateuchos (ebenda 23 (Wien 1891) p. 213; p. 221). Sonderausg.
Sodomas von Morelius, Paris 1560; von G. Fabricius, Veterum poetarum eccies. opera
Christ., Basel 1546, p. 289; Sonderausg. de Jona von Juretus, Bibl. patr. tom. 8.
2. C. Vettius Aquilinus Juvencus.
855. Das Evangelienbuch des Juvencus (evangeliomm libri lY).
Noch wurzelte Vergil tief in den Herzen der Gebildeten, auch nachdem
das Christentum bei ihnen Eingang gefunden. Dem erstarkten christlichen
Geiste musste das anstössig sein und den Gedanken wecken, das berühmte
Nationalepos durch ein solches von christlichem Gepräge zu ersetzen. So-
weit wir sehen können, brachte diesen Gedanken zuerst C. Vettius Aquilinus
Juvencus um 330 unter der Regierung Constantins zur Ausführung. Er
war ein spanischer Presbyter von vornehmer Abstammung, der gewiss die
Bildung seiner Zeit in sich aufgenommen hatte. Ihm erschienen die Thaten
Christi, wie sie in den Evangelien vorliegen, geeignet, die Grundlage eines
Epos in grossem Stil zu werden. Merkwürdigerweise war er bei der Ab-
fassung des Werkes von der Hoffnung auf ein langes Fortleben im Ge-
dächtnis der Menschen erfüllt. Zu dem Ruhme Homers und Vergils blickte
er sehnsüchtig empor und meint, wenn das Lügengewebe der heidnischen
0. y«itiiis Aqniliniui JuTOieas. (§ 855.)
191
Dichter ihnen die Unsterblichkeit gesichert, so werde das noch mehr bei
der festen Wahrheit des Christentums der Fall sein; und als er das
Werk vollendet, schwellte daher das Bewusstsein sein Herz, dass seine
Schöpfung den Weltbrand überdauern werde. Aber der Christ hoffte noch
mehr ; er erwartete, dass sein Werk ihn von der Strafe beim letzten Ge-
richt befreien werde. In diesem Wunsche macht sich die Kluft bemerkbar,
welche das Christentum auch in Bezug auf den Nachruhm von dem Heiden-
tum trennt.
Als Vorlage erkor sich Juvencus das Matthaeusevangelium, aber auch
die übrigen drei Evangelien b'eferten ihm Ergänzungen. Die Bibel benutzte
er in der altlateinischen Uebersetzung, der sog. Itala, aber mitunter zog
er auch das griechische Original zum Vergleich herbei. Der Gang der
Handlung war durch den evangelischen Bericht vorgezeichnet, ein künst-
lerischer Aufbau sonach ausgeschlossen. Der Dichter teilte zwar sein
Werk in vier Bücher, von denen jedes im Durchschnitt 800 Verse um-
fasst; allein dieselben beruhen nur auf einer äusseren, nicht inneren
Gliederung.^) Die Aufgabe, die Juvencus zu erfüllen hatte, lag daher
lediglich in der poetischen Formgebung; auch diese Aufgabe war noch
immer eine hohe. Der antike dichterische Wortschatz hatte sich dem
Ideenkreis, von dem er Ausdruck geben sollte, eng angeschlossen und war
durch die Arbeit von Jahrhunderten in feste konventionelle Formen ge-
bracht. Dem christlichen Dichter lag dagegen eine ganz neue Welt mit
eigenem Gedankengehalt vor. Auch für diese neuen Anschauungen sollte
jetzt die poetische Sprache zurecht gerichtet werden. Im ganzen hat
Juvencus diese Aufgabe glücklich gelöst, und sein Wortschatz wurde für
die nachfolgenden christlichen Dichter Vorbild. Reiches Material lieferte
ihm der Meister Vergil, und man sieht, dass er dessen Werke völlig in
sich aufgenommen hatte; aber auch anderen Dichtern entnahm er manche
treffende Wendung. Neuschöpfungen in Wort und Phrasen waren un-
vermeidlich. Durch Einstreuung von altertümlichen Formeln^) suchte
er seiner Darstellung einen gewissen feierlichen Anstrich zu geben. Als
Versmass war von selbst der Hexameter gegeben; manche Eigentüm-
lichkeiten der Prosodie und des Metrums deuten auf die spätere Zeit.
Die Darstellung ist gewandt und fliessend, und man staunt nicht selten,
wie anmutig der Dichter sein sprödes Material in leichte Verse umsetzt.
Ausser der Kunst der Versifikation kann Juvencus kein höheres Verdienst
in Anspruch nehmen; er ist nichts als Former eines gegebenen Stoffs,
denn der Zusätze, bei denen er auf eigenen Füssen steht, sind verhältnis-
mässig nur wenige. Gegenüber dem Original macht das Nachbild doch
einen viel weniger günstigen Eindruck. Die in Verse umgesetzten Reden
Christi, die in der evangelischen Fassung in ihrer Schlichtheit uns er-
greifen, erzielen in ihrer metrischen Form oft nahezu eine komisehe
Wirkung. Der Dichter hatte sich ein unlösbares Problem gestellt; er
wollte einerseits nicht von der biblischen Erzählung abweichen, anderer-
1) Vgl.Marold, Zeitschr. für wiss. Theol.
33 p. 330.
') So wendet er z. 6. die Formen ast
(2, 232) und olU (2, 252) an.
192 CJ* ▼•Hiiw Aqniliniui Jmrwieiis. ($ 855.)
seits einen Eunstgenuss hervorrufen. Allein ein Werk, das nicht als
Dichtung entstanden ist, wird durch die Versifizierung noch keine Dichtung;
um eine solche zu werden, ist das Eingreifen der dichterischen Phantasie
notwendig. Trotzdem wurde das Gedicht durch Jahrhunderte hindurch
gelesen und bewundert, besonders zu den Zeiten Karls des Grossen und
Petrarcas stand der Dichter in hohem Ansehen. Heute wird es ausser
dem Litterarhistoriker niemand mehr in die Hand nehmen.
Ausser dem Evangelienbuch hatte er nach dem Zeugnis des Hiero-
nymus noch anderes in Hexametern geschrieben, das aber nicht auf die
Nachwelt kam. Auch unechte Produkte wurden dem Juvencas zuge-
schrieben. ^
Zeugnisse über Juvencas. Hieronym. de vir. ill. 84 JMveneus nabilissimi gemrü
HispantiSfpresbyter, quattuor evangelia hexametris versilms paene (vgl. Marold, ZeHaclir.
fOr wiss. Tlieol. 33 p. 332) ad verhum transferens quattuor libroa eomposuit, et nonntüU
eodeni metro ad sacramentorum ordinem pertinentia, Fhruit 8%ib Canstantino principe.
Z. J. 2845 = 329 n. Chr. (2 p. 192 Seh.) Juvencus presbyier natiane Hispanus evangelia heroicit
versibus explicat. Epist. ad Magnom 70, 5 (1 Sp. 428 Vall.) Juvencus presbffier sub Qm-
stantino historiam Domini Salvatoris versibus explicavit nee pertimuit evangelii maiestaiem
sub metri leges mitter e. Vgl. noch Comment. in Matth. 1, 2, 11 (7 Sp. 14 Vall.). Der volle
Name Gaios Vettias Aquilinus Juvencas ergibt sich aus den Handschriften; vgl. Marold,
Aasg. p. y und Huemer, Ausg. p. V Anm. 1.
Titel des Gedichts. Die Ueberlieferung fahrt auf den Titel evangeliorum lihri^
auch versibus tritt zu dem Titel noch hinzu; vgl. die Uebersicht bei Marold, Ausg. p. VI
und Huemer, Ausg. p. V Anm. 1. Der Titel «Historia evangelica*, der wahrBcheinlich von
Aldus eingeftOirt wurde, hat keine handschriftliche Gewähr.
Zeitbestimmung des Gedichtes. 4, 806 haec mihi pax Christi tribuÜ, pax haee
mihi saecli, | quam fovet indulgens terrae regnator apertae | Constantinus, adest eui gratia
digna merenti, \ qui sölus regnum sacri sibi Hominis horret \ inponi pondus, quo iustis digniar
actis I aeternam capiat divina in saecula vitam \ per dominum lueis Christum, qui in saeeula
regnat. Zur Interpretation der Verse vgl. W. Brandes, Ueber das frühchristl. Gedicht
„Landes Domini", Braunschweig 1887, p. 21.
VerhältniszurBibel. Grundlage ist das Matthaeusevangelium, doch hat er auch die
übrigen Evangelien nicht ausser Acht gelassen; vgl. Gebser p. 32; C. Marold, Ueber das
Evangelienbuch des Juvencus in seinem Verhältnis zum Bibeltext (Zeitschr. für wissenschafU.
Theol. 33 (1890) p. 331). Ueber die Zusätze und Erweiterungen des Juvencus vgl. Gebser
p. 43; Marold 1. c. p. 334. Ueber die itala als Vorlage vgl. Marold p. 337, der weiterhin
nachzuweisen sucht, dass seine Vorlage unter den Italatexten dem Vercellensis, dem Cor-
beiensis und dem Claromontanus am nächsten steht (p. 341). Auf Benutzung eines alle-
gorischen Commentars zur Bibel schliesst Weyman (Rhein. Mus. 51 (1896) p. 327) aas
der bildlichen Auffassung von aures (2, 754) bei Matth. 13, 9 mit Vergleichung von Gregor
M. hom. in evang. 15, 2 und meint, dass aus diesem Commentar die später so verbreitete
Deutung der Magiergeschenke geschöpft sei.
Vorbilder. Vgl. das Capitel V «Juvencus as an Imitator* in der Diasertation von
Hatfield p. 40. Am stärksten wirkt das Vorbild Vergils; vgl. Hatfield 1. c. Aber auch
die Spuren anderer Dichter, des Lucrez, des Properz, des Horaz, des Ovid, des Lucan, des
Silius und des Statius, finden sich; vgl. Hatfield p. 45 — 47. Ueber Lucrez und Ovid als
Vorbilder vgl. auch Gebser p. 23; über Vergil vgl. denselben p. 26. Die Vorbilder siod
in der Ausg. Huemers angemerkt.
Ueber die Sprache vgl. Hatfield p. 8; M. Petschenig, Zur Latinität des Ja-
veneus (Arch. für lat. Lex. 6 (1889) p. 267).
Prosodisches und Metrisches. Abweichungen von der klassischen Prosodie
sind zusammengestellt im Index von Marolds Ausg. s. v. metrica p. 114; vgl. auch Hae-
mer, Ausg. p. 163; Hatfield p. 36. Merkwtlrdig ist, dass h Position bildet z. B. 1,801
Inhabitare, — Ueber Hiatus und Elision vgl. Hatfield p. 35. Ueber die Caesar vgl. deo-
*) Wie z. B. der versifizierte Heptateuch,
der jetzt einem jüngeren Cyprian zugeteilt
wird; vgl. P ei per, Cypriani Heptateuchus,
Wien 1891; C. Becker, De metris in Hepta-
teuchum, Bonn 1889, p. 41; H. Best, De
Cypriani quae feruntur metris in Hepta-
teuchum, Marb. 1892, p. 10.
Damasiis. (§856.) 193
selben 1. c. Ueber die allitterierenden Hexameterschlflsse vgl. O. Keller, Zui* lat Sprach-
Seech. 2. Teil: Grammatische Aufsätze, Leipz. 1895.
Fortleben des Jovencus. Bei vielen Autoren zeigen sich die Nachwirkungen der
Lektüre unseres Dichters; vgl. die Nachweise bei Huemer, Ausg. p.VIII. Ueber die Nach-
•hiniiiig des Juvencus durch Prudentius vgl. Manitius, Rhein. Mus. 45 (1890) p. 486. Venan-
ttiis Fortnnat. vita S. Martini 1, 14 (p. 295 Leo) primua enim doeili distinguens ordine carmen \
maiegtatis opus metri canU arte Juvencus. \ hinc quoque conspicui radiatnt linguaSeduU. Auch
in gramma^Bchen Schriften ist er berücksichtigt; vgl. Huemer p.XIV. Ueber die grosse Ver-
breitung des Juvencus zur Zeit Karls des Grossen vgl. Huemer 1. c. Die Verehrung des
Dichters hftlt durch das ganze Mittelalter an. Ueber Juvencus in alten Bibliothekskatalogen
▼gl. G. Becker, Catalogi bibliothecarum antiqui, Bonn 1885 passim. Althochdeutsche Glossen
ans Juvencushandschriften bei Steinmeyer und Sievers, Die althochdeutschen Glossen 2
(Berl. 1882) p. 349 und bei Marold in Germania 32 (1887) p. 351. Ueber Otfrieds Beziehungen
Eo den biblischen Dichtungen des Juvencus etc. vgl. Marold ebenda p. 385.
Ueberlieferung. Die ftlteste und beste Handschrift ist der Codex des Coli, cor-
poris Christi von Cambridge 304 s. VII. Ihm schliessen sich an der Codex des britischen
Mnseums 15 A XVI s. VIU, der Monacensis 6402 s. VIII, der Karlsruher 112 s. VIII; vgl.
über diese Gruppe Huemer p. XXXIX. Dem neunten Jahrhundert gehören an der Karls-
ruher 217, der Laudunensis 101. B. 2. 17, der Montepessulanus 362, der Parisinus 9347 und
der Turicensis C 68; dem neunten oder zehnten Jahrhundert der Bemensis 534, der Am-
broflianus C 74 sup., der Vaticanus Reginensis 333 und der Vaticanus Ottobonianus 35. Auch
die späteren Jahrhunderte weisen Handschriften des Juvencus auf; vgl. die Aufzählung bei
Huemer p. XXFV. Ueber die Doppellesarten des Cantabrigiensis vgl. Huemer p. XXXVIÜ.
üeber die Zusatzverse vgl. Marold, Berl. philol. Wochenschr. 1892 Sp. 844. — 0. Korn,
Beitr. zur Kritik der bist, evang. des Juvencus (I. Die Handschriften der bist, evang. in
Danzig, Rom u. Wolfenbflttel), Danzig 1870. 1, 590 — 603 stehen im codex Leidradi (vgl.
Delisle, Notices et extraits 35 (1897) p. 831), 1, 590—600 im codex LI. 1. 10 der Cam-
bridger Univ.-Bibl. (Kuypers, The Book of Cerne, Cambridge 1902, p. 83).
Ausg. Ausgezeichnete Ausg. von Poelmann (Pulmann), Basel 1528. Wir nennen
noch die Ausg. von Reusch, Frankfurt und Leipz. 1710, die von Arevalus, Rom 1792
(abgedruckt auch bei Migne, Patrol. lat. Bd. 19 Sp. 9). VgL auch Gebser p. 46. Neue
Aosg. sind die von Marold, Leipz. 1886 und die von Huemer, Corpus Script, ecclesiast.
lat. vol. 24, Wien 1891; vgl. dazu denselben, Wien. Stud. 2 (1880) p. 81; Petschenig,
Beri. philol. Wochenschr. 1891 Sp. 137 und Marold ebenda 1892 Sp. 843.
Litteratur. Gebser, De C. Vettii Aquilini Juvenci presbyteri Hispani vita et scriptis,
Jena 1827 (mit dem ersten Buch); Hatfield, A study of Juvencus, Bonn 1890 (grammatische
nnd metrische Studien). Ueber Sprachliches und Prosodisches vgl. Manitius, Zu Juvencus
nnd Prudentius (Rhein. Mus. 45 (1890) p. 486); M. Petschenig, Zur Latinität des Juvencus
(Archiv für lat Lex. 6 (1889) p. 267); Vivona, De Juvenci poetae amplificationibus, Palermo
1902. Im allgemeinen vgl. Ebert, Allgem. Gesch. der Litt, des Mittelalters 1' (Leipz. 1889)
p. 114; Manitius, Gesch. der christl.-lat Poesie, Stuttgart 1891, p. 55.
3. Damasus.
856. Die Epigramme des Damasus. Auch die christliche Epigraphik
findet in unserem Zeitraum ihre Pflege. Die Eultusstätten und die Gräber
der Märtyrer legten die Aufschrift, das Epigramm, nahe. Soweit wir
sehen können, versuchte sich zuerst auf diesem Gebiete der Papst Da-
masus, der den römischen Bischofsstuhl von 366 — 384 inne hatte, wahr-
scheinlich ein Spanier von Geburt, i) Obwohl in die kirchlichen Wirren
seiner Zeit tief verstrickt, *) zeigte er doch auch ein Interesse für littera-
rische Bestrebungen, soweit sie mit dem katholischen Kultus in Beziehung
standen. Er war es, der Hieronymus zu einer authentischen Uebersetzung
der heiligen Schrift aufforderte, da die im Umlauf befindlichen Exem-
plare so vpneinander abwichen, dass ein gemeinsamer Gebrauch ausge-
schlossen war. Auf die Epigraphik fährten ihn seine grossen Restaurations-
^) Vgl. aber diese Frage ein kurzes Re- finden wir auch die eines exceptOTf d. h. eines
ferat bei Eayser p. 89; über seinen Vater
gibt No. 57 der Epigramme ed. Ihm Auf-
schloas; onter seinen kirchlichen Würden
Schnellschreibers.
•) Vgl. Amm. Marc. 27, 3, 12; Hieronym.
z. J. 2382 = 365 n. Chr. (2 p. 197 Seh.).
Handbuch der Ums. Altertumtwissenachaft. Ym, 4. 13
*) Vgl. No. 27, 11 quaeritur, inventus
colitur.
') üeber eine Trockenlegung vgl. No. 4.
end p. 15. So wird die Zeit derVerfolgnng»
wiederholt bezeichnet mit den Worten: tem-
pore quo gladius seeuU pia inaeera maim.
MercuriuB, der im letzten Vers levita fidelis I ^) Z. B. No. 32; 55.
genannt wird, scheint seine technische Bei- ^) „Nicht weniger als 35mal nennt Di-
hilfe gewesen zu sein. masus seinen eigenen Namen* (Ihm, Bheio.
') Nicht bloss auf Rom, sondern auch Mus. 50 p. 193).
auf andere Orte erstreckte sich seine Thätig- *) Es sei auch das Oedicht No. S «r-
keit; vgl. De Rossi, Bull, ciist. 4, 3 p. 24. wähnt, welches ad quendam fratrem corri-
*) No. 18 nennt sich Filocalus einen /^teftc/um geschrieben ist; vgl. De Rossi, Bnl-
eultor atque amator Damast papae; vgl. lettino di archaeol. crist. 4, 3 p. 9 Anm. 1. Dm
De Rossi, Inscr. christ. 1 p. LVl; Bullettino Autorschaft des Damasus, der in dem Angflli*
crist. 4, 3 p. 21. canus V 3, 22 s. X als Autor genannt wird,
^) Dem Damasus stand das kirchliche ist wohl mit Unrecht von Ihm (Praef.p. XXII)
Archiv zur VerfQgung; No. 57 Vs. 5 sagt er: in Frage gestellt Abgedruckt andi Anthol.
CMTchivU, fateoTf volui nova condere tecta. lat. ed. Riese No. 765.
*) Vgl. die Zusammenstellungen bei Am- ^^) lieber des Damasna Verdienste nsd
194 Damaans. (§ 856.)
arbeiten in den Katakomben; gewaltige Verheerungen waren über die- i
selben gekommen, und es war keine geringe Energie erforderlich, um diese )
für den Christen heilige Stätten zu erschliessen;^) es mussten Zugänge
geschaffen, Neubauten gemacht, Verfallenes wiederhergestellt werden.')
Im besonderen galt es, die Gräber der Märtyrer und der römischen Bischöfe
bloszulegen. ^) Die Aufschrift war notwendig, um die Lokalitäten und die \
Gräber zu fixieren und den Pilgerscharen kenntlich zu machen; eine Reihe j
dieser Aufschriften ist uns noch auf Stein erhalten; mit Bewunderung
erfüllt uns die künstlerische Schrift, in der sie eingegraben sind. Der
Kalligraph Furius Dionysius Filocalus, ein Verehrer des Papstes,*) der-
selbe, der das chronologische Handbuch vom Jahre 354 geschrieben, hatte
seine erspriesslichen Dienste geleistet. Andere Epigramme des Damasus
sind uns durch handschriftliche Sammlungen erhalten, welche auf die
Pilger zurückgehen, die die Katakomben besuchten. Für die christliche
Archäologie sind des Damasus Epigramme von grösster Bedeutung, sie
sind unsere Wegweiser in den Katakomben.*) Der litterarische Wert der-
selben ist dagegen gering: Damasus war kein Dichter, seine Verse fiiessen
nicht aus dem Born einer reichen Phantasie, der Gedankenvorrat ist gering,
der Stil leidet an Einförmigkeit und Wiederholungen.^) Damasas hatte,
wie jeder Gebildete, seinen Vergil gelesen, und Spuren des Meisters zeigen
sich allenthalben; allein die Technik hat er ihm nicht abgelauscht: von
prosodischen und metrischen Inkorrektheiten sind die Epigramme, die in
Hexametern, selten in Distichen 7) abgefasst sind, nicht frei. Merkwürdig
ist es, dass Damasus das Epigramm benutzte, um auch für das Fortleben
seines Namens Sorge zu tragen; er nennt sich daher sehr oft in diesen
Steininschriften. ®) Die einzelnen Epigramme hier aufzuführen, ist unmög-
lich; nur die Grabschrift, die sich Damasus selbst gesetzt (No. 9), die auf
seine Schwester Irene (No. 10) und die auf Hippolytus (No. 37), mögen hier
erwähnt werden. Es lag nahe, vom Epigramm als Aufschrift zum Epi-
gramm als kurzem Gedicht überzugehen; auch diesen Schritt hat Damasos
gethan. Es sind uns zwei Gedichte überliefert,^) das eine auf den könig-
lichen Sänger David (No. 1), das andere auf den Apostel Paulus (No. 2),
welche naturgemäss nicht zu Aufschriften bestimmt waren; das erste sollte
dem Psalter ^0) vorgesetzt werden, das andere diente gewissermassen als
DamMiu. (§856.) 195
inleitung zu den Briefen des Paulus; an ihrer Echtheit zu zweifeln ist
3m Grund. Dagegen lässt sich diese mit guten Gründen bestreiten bei
vei gereimten Hymnen auf den Apostel Andreas und die beilige Agatha,
eiche ohne handschriftliche Qewähr Damasus beigelegt werden, jedoch
ner späteren Periode angehören. Mit den Epigrammen war indessen die
tterarische Thätigkeit des Papstes nicht abgeschlossen: wir hören, dass
r über das in den ersten christlichen Zeiten so beliebte Thema der Jung-
-äulichkeit sowohl in gebundener als in ungebundener Rede geschrieben
abe; wir hören weiter, dass er ein Buch über die Laster verfasste; von
eiden Werken ist nichts auf die Nachwelt gekommen.
So geringhaltig auch die Poesie des Damasus war, so erzielte sie
och eine grosse Wirkung: Tausende von Pilgern, welche die heiligen
tätten aufsuchten, erbauten sich an den Aufschriften, die schon durch
en päpstlichen Verfasser das Interesse erregen mussten, und kopierten
ich dieselben; dadurch traten sie auch in die Litteratur ein, und das
ufmerksame Auge entdeckt ihre Spuren selbst bei späteren Schriftstellern.
iber noch wichtiger wurden sie für die Litteratur selbst dadurch, dass
ie den Anstoss zu einem ganzen Litteraturzweig gaben, den Martyrer-
:e8chichten; ein belehrendes Beispiel ist das Gedicht des Prudentius auf
en heiligen Hippolytus, das seine Grundlage in einem Epigramm des
)amasus hat.^
ZeugniBse über Damasas. Hieronym. de vir. Ul. 103 Damasus, Romanae urhis
tnscopus, elegans in versihus componendis ingenium ?MbuU multaque et brevia opuscula
eraico metro edidit et prope octogenarius sub Theodosio principe mortuus est. Was Suidas
. V. Ober Damasus hat, ist aagenschemlich von Hieronymos abhängig, und kann daher
icht den Wert eines Zeugnisses beanspruchen.
Damasus und die Bibelllbersetzung des Hieronymus. In einem Brief an
damasus sagt Hieronymus (Ausg. der Vulgata von Loch V p. XXXVII): Navum opus me
%eere eogis ex veteri: ut post exemplaria Scripturarum toto arbe dispersa quasi quidam
rhiter sedeam, et quia inter se variant, quae sint illa quae cum Graeca eonsentiant veri-
Ue, decernam .... adver sus quam invidiam duplex causa me consolatur: quod et tu qui
ummus sacerdos es, fieri iubes: et verum nan esse quod variat, etiam maledicorum testi-
umio comprobatur .... de novo nunc loquor testamento.
Die Echtheit der Damasusepigramme wurde zuerst von De Rossi (Bull, crist.
884—85 p. 15) methodisch untersucht; er legt drei Kriterien zu Qrund: das eigene Zeugnis
es Damasus, den Stil, endlich den Schriftcharakter. Ihm ^. 200) fügt noch die Prosodie
nd Metrik hinzu; v^. auch die Praef. zu seiner Ausg. p. aüI. Bei Ihm ist eine Schei-
ang der unechten und echten Gedichte durchgeführt; Pseudo-Damasiana bei Buecheler,
armina epigr. No. 913, 911, 917 und 915. Wir erwähnen hier das Gedicht De salvatore
in. 68), das von Niebuhr dem Merobaudes, von neueren Gelehrten dem Claudian zuge-
abrieben ist, aber sicher nichts mit Damasus zu thun hat. Ebensowenig ist das Gedicht 67
on Damasus. Dasselbe wird im cod. Turicensis 78 s. IX einem Silvius, in einem cod.
porinianus einem Severus beigelegt; vgl. Anthol. lat. ed. Riese No. 689^; L. Müller,
kein. Mus. 22 (1867) p. 500; Ihm, Praef. p. XXIV. Ein Silvius wird genannt: Vita S.
jlarii Arel. (50 Sp. 1219 Migne) ut eiusdem praeclari auctores temporis, qui suis scriptis
\erito clarueruntf Silvius, Eusebius, Domnulus admiratione succensi in haec verba proru-
frint etc.
Zur Composition vgl. Le Blaut, Inscriptions chrötiennes de la Gaule 1 (Paris
356) p. CXXXni Anm. 3; Stornaiolo, Studi e documenti di storia e diritto 7 (1886) p. 27;
L Amend, Stud. zu den Gedichten des Papstes Damasus, Wttrzburg 1894, p. 15; Ihm, Die
pigramme des Damasus (Rhein. Mus. 50 (1895) p. 194).
Vorbilder und Nachahmer. Ueber Vergil und Damasus vgl. Manitius, Rhein.
erwertnng des Psalters fOr die Liturgie Untersuchungen N. F. 1,4 (Leipz. 1897) p. 43);
gl. Kayserp. 91. Funk, Eirchengeschichtl. Abhandlungen und
^) Achelis, Hippolytstndien (Texte und | Untersuchungen 2 (Paderborn 1899) p. 188.
13»
196 DamMUB. (§ 856.)
Mas. 45 (1890) p. 316; Stornaiolo p. 23; M. Amend p. 6; Ihm, Rhein. Mob. 50 (1895
p. 194. Eine Nachahmung des Horaz liegt so gat wie nicht vor; vgl. M. Hertz, AnalecU
ad carminum Horat. hist 4 (Ind. lect BresL 1880 p. 19 Anm. 1). Dagegen finden sich
einige Ovidreminiscenzen; vgL Amend p. 10 und gelegentlich Weyman. Auch eine Be-
nutzung des Cento der Proba durch Damasus wird von Ihm (p. 195) angenommen. Aus-
führlich geht Weyman, De carminibus Damaaianis et Pseudodamasianis observationes (Revue
d'histoire et de utt^rature religieuses 1 (1896) p. 58) den Parallelen nach und kommt zu
folgendem Ergebnis (p. 73): »Elucet ni fallor ex eis quae congessi poetis quos Damasus
imitatus est Lucretinm, poetis qui Damasiana (et Pseudodamasiana) in suum osum con-
verterunt Dracontium (vgl. Amend p. 10 und dagegen Ihm, Rhein. Mus. 53 (1898) p. 165:,
Aratorem, Eugenium Toletanum, Aldhelmum, Vualtherum Sinrensem esse adnnmerandos.'
Ueber Damasus und Prudentius vgl. Puech p. 121; Couret p. 61; über das Hippoljtus-
epigramm (No. 37) als Quelle des Hymnus des Prudentius auf Hippolytus vgL De Rossi.
Bullettino crist. 3, 6 p. 34. Ueber Beziehungen zwischen dem jOngeren Amobius, Paulinus
von P^rigueux und Damasus vgl. Weyman, Notes de litt^rature chrötienne 5. Diffosioo
des po^ies Damasiennes (Revue d'histoire et de litt^rature religieuses 3 (1898) p. 564).
Prosodie und Metrik des Damasus. Ueber metrische und prosodische Ver-
stösse vgl. Manitius, Rhein. Mus. 45 (1890) p. 316; Birt, Praef. semer ClaudianauBg.
p. LXVIl; Amend p. 18; Ihm (Rhein. Mus. 50 (1895) p. 200) sucht diese Verstösse mög-
lichst einzuschränken.
Zur Erläuterung einzelner Epigramme. Zu No. 1 Mercati, Note di lette-
ratura biblica e crist. ant., Rom 1901, p. 113 (Studi e Testi 5); zu No. 18 und 48 A. Har-
nack, Zeitschr. fOr Theol. und Kirche 1 (1891) p. 129; zu No. 26 €. Erbes, Die Todes-
tage der Apostel Paulus und Petrus und ihre röm. Denkmäler (Texte und Unters. N. F. 4, 1
(Leipz. 1899) p. 71); H. Grisar, Analecta Romana, Rom 1899, p. 259; G. Ficker, Bemer
kungen zu einer Inschr. des Papstes Damasus (Zeitschr. fOr Eirchengesch. 22 (1901) p. 338);
zu No. 29 P. Crostarosa, Nuovo Bullettino di arch. crist. 3 (1897) p. 117; O. Marucchi,
Ebenda 4 (1898) p. 137; zu No. 40 Pio Franchi de' Cavalieri, Röm. Quartalschr. Sapple-
mentheft 10 (1899) p. 10; zu No. 49 und 96 M. Armellini, Nuovo Bullet<uio di arch. crist. 1
(1895) p. 14; G. Bonavenia ebenda 4 (1898) p. 77; Stock, Katholik 79 (1899) p. 312;
zu No. 58 u. 59 P. Allard, iStudes d'histoire et d'arch^ologie, Paris 1899, p. 159; zu No. 6S
L. Delisle, Notice sur un manuscrit de Töglise de Lyon du temps de Charlemagne (Notic^s
et extraits 35 (1897) p. 831); zu No. 77, 10 Analecta BoUandiana 16 (1897) p. 17; p. 239.
Die Hymnen auf den Apostel Andreas und die hl. Agatha. B. Hölscher,
De Damasi papae et Hilarii episc. Pictav. qui fenmtur hymnis sacris, Mflnster 185>i;
J. Kays er, Beitr. zur Gesch. und Erklärung der ältesten Kirchenhynmen, Paderborn' 1881.
p. 103; Ihm, Praef. p. XXVI. Ediert bei Ihm No. 70 (p. 73) und 71 (p. 75). Der erste
Hymnus ist in iambischen Dimetem, der zweite in katalektischen, daktylischen Tetrapodien
abgefasst. Ein handschriftliches Zeugnis für die Autorschaft des Damasus fehlt. Die Lesart
in Vs. 22 des zweiten Gedichtes pro misero rogila Damaso statt pro muteris »upHcei df>-
mino beruht auf Interpolation. Auch der Stil spricht gegen Damasus, sowie der Reim, der
in beiden Gedichten zur Anwendung gekommen ist, und eine Reihe Verstösse gegen die
Prosodie. Die Hymnen gehören in die Zeit nach Ambrosius; jedoch lässt sich dieselbe nicht
genauer fixieren. Der Agathah3rmnu8 ist übersetzt und trefQich erläutert von Kay s er p. 115.
Die Schrift de virginitate. Hieronym. epist. 22, 22 (1 Sp. 104 Vall.) Uga* Ter-
tulUanum ad amicum Philosophum, et de virginitate alios Uhellos, et beati Cypriani rolumen
egregium, et papae Damasi super hac re versu prosaque composita.
Der liber de vitiis. Diese ebenfalls verlorene Schrift wurde von L. Delisle
(Les manuscrits du comte d'Ashbumham, Paris 1883, p. 87) aufgedeckt Der einzige Codex,
der dieses Werk enthielt, ist leider verloren gegangen.
Ueber die Briefe des Damasus vgl. Rade p. 97; p. 58; p: 124; p. 136; Eavser
p. 100; Jaffö, Regesta Pontificum Romanorum V (Leipz. 1885) p. 37, No. 232—254. Ueber-
Setzung von L. Wenzlowsky, Die Briefe der Päpste (Bibl. der Kirchenväter 2 (Kempten
1876) p. 265).
Sammlungen der Epigramme des Damasus wurden gemacht von Fabricius,
Poet. vet. eccles. rel., Basel 1562, p. 771, von Sarazani, Rom 1638, Rivinus, Leipz. 1652,
von Merenda, Rom 1754, abgedruckt bei Migne, PatroL lat. 13; vgL über diese Aus-
gaben De Rossi, Bull, di archeol. crist. Serie 4, Anno 3 (Rom 1884 — 85) p. 10 u. 31; Rade
p. 2. Neueste Ausg. von Ihm, Damasi epigrammata (Anthol. lat. supplementa 1, Leipt
1895); vgl. dazu Weyman, Wochenschr. für klass. PhiloL 1895 Sp. 789 (besonders
Parallelen) und L. Traube, Berl. philol. Wochenschr. 1896 Sp. 78 (Ergänzung des hand-
schriftl. Materials). Wir citierten nach Ihm. — Ihm, Zu lat. Dichtem. III. Sn verschol-
lenes Gedicht des Damasus? (Rhein. Mus. 52 (1897) p. 212) (vgl. dagegen Weyman, Hist
Jahrb. der Görresges. 19 (189ö) p. 89); R. Kanzler, Restituzione architettonica della cripu
V
Die Diohieriii Proba nnd «nd«r« ohriatlioh« Centodlohier. (§ 857.) 197
dei SS. Felidflsimo ed Agapito nel cimetero di Pretestato (Nnovo Bullettino di arch. crist. 1
(1895) p. 172); De RobbI, Inscripi christ. 1, Rom 1861. Vgl. auch F. Baecheler, Car-
mina lat. epigr. No. 304—10; No. 670-73; No. 759; 761; 852.
Litteratur: Eine Uebersicht der Litterator bis 1895 gibt Ihm, Praef. zu seiner
Ausg. p. XLIX. ff) R.Geillier, Histoire g^n^rale des auteurs sacr^s et ecclesiastiques 6
(1787) p. 454; M. Rade, Damasus, Bischof von Rom, Freib. u. Tabiugen 1882; Ihm, Der
Dichter der Katakomben (Rom. Eulturbilder, Leipz. 1898, p. 140); Jfllicher, Pauly-Wis-
sowas Realencycl. 4 Sp. 2048; J. Wittig, Papst Damasus I. Quellenkrit Stud. zu seiner
Gesch. und Charakteristik (Rom. Quartalschr. Supplementbd. 14, 1902); F. X. Kraus, Roma
sotteranea, Freib. 1873, p. 23; p. 99; A. Puech, Prudence, Paris 1888, p. 113; Ebert,
Allgem. Gesch. der Litt, des Mittelalters 1', Leipz. 1889, p. 127; Manitius, Gesch. der
chnstl.-lat. Poesie, Stuttgart 1891, p. 119. /9) A. Cour et, De sancti Damasi summi apud
Chiistianos pontificis carminibus (Thdse), Paris 1869; G. B. De Rossi (t 1894), I carmi di
s. Damaso (Bullettino di archeol. crist., Serie quarta. Anno terzo (Rom 1884 — 85) p. 7 ; Elogio
Damaeiano del celebre Ippolito martire (sepolto presse la via Tiburtina), ebenda S. 8, A. 6
(Rom 1881) p. 26; Iscrizione storica dei tempi di Damaso papa nel cimeterio di s. Ippolito
(ebenda S. 4, A. 2 (Rom 1883) p. 60); C. Stornaiolo, Osservazioni letterarie e filologiche
sugli epigrammi Damasiani (Studi di storia e diritto 7 (1886) p. 13); M. Amend, Studien
zu den Gedichten des Papstes Damasus, Würzburg 1894. y) 0. Marucchi, Difesa del
pontificato di S. Damaso contro un nuovo attacco dei protestanti. Discorso letto nell' acca-
demia di religione cattolica. Estratto dal periodico «La Rassegna Italiana*, Rom 1883;
G. B. Storti, S. Damaso e la biblia, Rom 1887; H. Grisar, Zeitschr. für kathol. Theol. 8
(1884) p. 190; Gesch. Roms und der Pftpste im Mittelalter 1 (Freib. i. Br. 1901) p. 257.
Das Papstelogium des codex Corbeiensis. F. Buecheler, Carmina epigr.
No. 787. Zuerst veröffentlicht von De Rossi, Inscr. christ. Rom. 2, 83, 26; 85, 31, der die
Inschrift auf Papst liberius (352 — 366) beziehen wollte; vgl. noch denselben, Dell' Elogio
metrico attribuito al Papa Liberio (Bullettino di arch. crist. Serie 5, Anno 1 (1890) p. 123).
Auf Seite De Rossi s stehen G. Caesar, Observationes ad aetatem titulorum lat. christ. defi-
niendam spectantes, Bonn 1896, p. 9; F. X. Kraus, Repertorium der Kunstwiss. 21 (1898)
p. 135; vgl. dagegen Funk, Bist. Jahrb. der Görresges. 5 (1884) p. 424; J. Friedrich,
Üeber das angebliche Elogium Liberi! papae des cod. Corbeiensis (Sitzungsber. der Mfin-
chener Akad. 1891 p. 87); Funk, Bist. Jahrb. der Görresges. 12 (1891) p. 757; Ebenda
13 (1892) p. 489; G. Pfeilschifter, Der Ostgotenkönig Theoderich der Grosse und die
kathol. Kirche, Mttnster 1896, p. 192; Th. Mommsen, Die röm. Bischöfe Liberius und
und Felix ü. (Deutsche Zeitschr. fOr Geschichtswiss. N. F. 1 (1897) p. 176); Funk, Kirchen-
geschichtl. Abhandlungen und Untersuchungen 1 (Paderborn 1897) Abh. 18 p. 391. Eine
Uebersicht der Streitfrage gibt 0. Marucchi, Nuovo Bullettino di arch. crist 3 (1897) p. 132.
4. Die Dichterin Proba und andere christliche Centodichter.
857. Der Vergilcento der heiligen Geschichte. Der grosse Ein-
fluss Vergils auf das gesamte Altertum ist bekannt; er war der Dichter
der Dichter, und seine Werke lebten so in aller Gedächtnis, dass aus
Versen und Verstellen von ihm neue Gedichte mit ganz anderem Inhalt
zusammengesetzt wurden, die sog. Centonen. ^) Auch als das Christentum
in die römische Welt seinen Einzug gehalten hatte, blieb die Stellung
Vergils unerschüttert. Jetzt musste es grossen Reiz gewähren, sogar Ge-
dichte christlichen Inhalts aus ihm zusammenzufügen. Unter den Werken
dieser Art nimmt ein Cento der Proba unser besonderes Interesse in
Anspruch. Die Dichterin war eine vornehme Frau, ihr Gemahl war Stadt-
präfekt im Jahre 351. Zuerst mass sie ihre Kräfte an einem natio-
nalen Epos; sie schilderte den denkwürdigen Kampf zwischen Constantius
und Magnentius, in dem das Germanentum dem Römertum gegenüber-
stand. Als aber das Christentum in ihrem Herzen feste Wurzeln ge-
schlagen hatte, fasste sie den kühnen Entschluss, die heilige Geschichte
^) Vgl. z. B. den Cento Yergilianns, die Tragoedie Medea des Hosidius Oeta § 527.
!■'
198 I>^o Diohierin Proba und «ndera ohristliohe Coitodiolitar. (§ 857.)
des alten und neuen Testamentes mit vergilischen Worten darzust
Den ganzen Stoff vermochte die Dichterin nicht zu bewältigen ; vom
Testament führt sie die Schöpfungsgeschichte, den Sündenfall, den
Abels und die Sündflut vor, die weitere Erzählung will sie andern
lassen. Auch die Geschichte des Erlösers wird von seiner Oeburt bi
Himmelfahrt behandelt, jedoch so, dass nur einzelne Momente h(
gehoben werden. So sehr sich auch Proba abgemüht hatte, stand sie
am Schluss vor einem verfehlten Werk. Der biblische Stoff stellte i
Bemühen zu grosse Hindernisse entgegen, sie war gezwungen, die 1
namen fortzulassen, und das vergilische Material gestattete ihr nicht ü
eine klare Schilderung, sie musste sich mit vagen Andeutungen zufi
geben. Sie rechnete sicherlich auf Leser, denen der darzustellende
bereits bekannt war. Aber auch der ästhetische Sinn wird nicht i
verletzt, die biblischen Dinge erhalten ein Gewand, das nicht zu
passt. Viele Wendungen machen geradezu einen komischen Eine
i Trotzdem fand der Cento seine Bewunderer; der Kaiser Arcadius
sich von demselben eine schöne Abschrift herstellen. Die Kirche j
.1. verhielt sich kühl gegen das Werk, sie erkannte mit scharfem Blick,
das göttliche Wort in dieser Behandlung zu Schaden komme. Das deci
Gelasianum verwies deshalb das Flickwerk unter die apokryphei
dichte. Der modernen Zeit erscheint dieser Cento als ein absurdes
dukt, und wir begreifen es leicht, wenn der Humanist Geltes die I
von Gandersheim der Römerin vorzog. ')
Zeugnisse über Proba. Montfaacon, Diar. ital. p. 36 las in einer jetx
mehr auffindbaren Handscimft s. X folgende Subscriptio: Proha^ uxor Adelphi, mati
brii et Aliepiif cum Constantini (ConstatUii richtig Secck, Ausg. des Symmachns p
heUum adrersus Magnentium conscripsisaetf conseripsit et hunc librum (d. h. den
Der Gatte hiess mit vollem Namen Clodius Celsinus Adelphius und war praefecti
i. J. 351. Die Söhne hiessen Q. Clodius Hcrmogenianus Olybrios (cos. i. J. 379) und Fa
Probus Alypius (pracfectus urbi i. J. 391). CIL 6, 1712 Clodius Adelfiu» v. c. ex pn
urbis Hxori inconparabUi et sibi fecit. Im Vaticanus 1753 s. IX,OC wird Proba be»
als mater Aniriorum, dann uxor Adelphij vxpraefecto urbis. Unrichtig ist mater Anir
unsere Proba ist die Urgrossmutter und es liegt eine Verwechslung mit Anicia F
Proba, Gemahlin des Sex. Petronius Probus (cos. 371), vor. Ueber die Familie dei
vgl. Seeck, Ausg. des Symmachus p. XC; De Rossi, Inscript. christ. urb. Romae 1
Traube, Sitzungsber. der Münchener Akad. 1891 H. 3 p. 428. Zusammenfaasii
Schenkl, Ausg. p. 514. Ein Zeugnis kommt noch hinzu aus Pitra, Analecta «
classica 1888 p. 127; vgl. jetzt Moysi expositio ed. F. Gustafsson, Helsingfors 1897
öocietatis scient. Fennicae tom. 22 No. 3) p. 17.
Das Epos ttber den Kampf des Constantius gegen Magnentius ist
bloss durch die eben erwUhnte Handschrift, die Montfaucon gelesen, bezeugt, sonder
diu Dichterin selbst legt ein Zeugnis für dieses Gedicht ab (Vs. 1): Jam dudum te»
ducetf pia foedera paciSy \ regnaudi miseros tenuit quos dira cupido, \ diverstisque
regum crudelia bella \ cognatasque acies, poUutos caede parentum \ insignis clipeas n
ex hoste tropaea .... confiteor scrlpsi: satis est meminisse malorum. üeber diesen
vgl. Ranke, Weltgesch. 4 p. 15.
Der Cento. Nachdem Proba in dem Eingang des Gedichtes das weltlich«
für abgcthan erklärt hatte, fährt sie fort (Vs. 9): nunc, deus omnipotens, sacrutn, ■
accipe cartnen .... arcana ut possiin rafis Proba cuncta referre. Die Dichterin neni
selbst Vs. 12 Proba, auch die handschriftliche üeberlieferung spricht fQr die Verfasse
der Proba. Isidor. orig. 1, 39, 20 (ö2 Sp. 121 Migne) Proba, uxor Adelphi, centonem e
gilio de fabrica mundi et evangeliis plenissime expressit. Zur Composition vgl. Vs. 23
gilium cecinisse loquar pia munera Christi. Die Dichterin sagt, als sie bei der S'
*) Vgl. Aschbach p. 427.
Die Inve«ti¥endioliter nnd die Polemiker. (§ 858.) 199
abbricht (Vb. 881): cetera facta patrum pHgnataque in ardine heüa \ praeter eo ätque aliie
post me memoranda relinquo. Die Oesdiichte des N. T. leitet sie feierlich ein (Ys. 834):
maius opus moveo: vatum praedicta pHarum \ adgredior, lieber die Technik des Gento
▼gL Schenkl p. 554.
Zur Charakteristik der Proba vgl. Ebert, Allgem. Gesch. der Litt, des Mittel-
alters 1' (Leipz. 1889) p. 125 and Manitius, Gesch. der christl.-lat Poesie, Stuttgart 1891,
p. 124; Aschbach, Die Anicier und die römische Dichterin Proba (Sitzungsber. der Wiener
Akad. 64 (1870) p. 420).
Fortleben des Gento. In der Earlsroher und Züricher Handschrift wird mit dem
Gento ein Epigramm verbunden, in dem ein Kaiser angeredet wird, auf dessen Befehl der Gento
f&r ihn abgeschrieben wurde. Der Schreiber nennt sich famulus (Vs. 5). Traube (p. 424)
hAlt es f&r wahrscheinlich, dass dieser Schreiber aus der Familie der Probi stanmite. Dass
es der Kaiser Arcadins (383—408) war, geht hervor aus Vs. 13: tradas minori Arcadio,
Das Dekret des Papstes Gelasius (492—496) fOhrt auf centimetrum de Christo Vergilianis
eompaginatum versibtts apocrifphum (Migne 59, 162). Isidor. de vir. ill. 22 Proba uxor
Adelphi proconsulis femina idcirco inier tiros ecclesiasticos posita sola pro eo quod in laude
Christi versata est, componens centonem de Christo Vergilianis coaptatum versiculis. Cuii*s
quidem non miramur Studium sed laudamus ingenium, Quod tarnen opusculum legitur inter
apocryphas Script uras insertutn. Vgl. auch Huelsen in Ghronica minora ed. Mommsen 3
(1896) p. 425; H. Best, De Gypriani quae feruntur metris in Heptateuchum, Marb. 1892, p. 55.
iFeberlieferung. Die ftlteste Handschrift ist Parisinus 13048 s. VHI/IX. Weiter
sind zu nennen der Parisinus 7701 s. IX; Laudunensis 279 und 273 s. IX; Parisinus 14758
8. Xni; Palatinus 1753 s. IX/X; Garoliruhensis s. IX/X und Turicensis s. X. Hierzu kommen
jOngere Handschriften; auch in filteren Bibliothekskatalogen erscheint der Gento.
Ausg. Editio princeps von Bartholomaeus Girardinus, Venedig 1472; von
Meibom, Helmstadt 1597; von Kromayer, Halle 1719; Migne, Patrol. lat. 19 Sp. 803;
G. Schenkl, Poet, christiani minores (Gorpus Script, ecclesiast. lat. 16, pars 1 (Wien 1888) p. 568),
daraus auch ein Separatabdr. der Proba; vgl. aber die Ausg. Aschbach 1. c. p. 426 Anm. 4.
Kleinere christliche Vergilcentonen sind folgende: 1) Der von G. Bursian
(Sitzungsber. der Mfinchener Akad. 1878 Bd. 2 p. 29) herausgegebene Tityrus des Pom-
ponius; vgl. Isidor. orig. 1, 39, 26 (Sp. 121 M.) sie (wie die Proba) quoque et quidam Pom-
ponius ex eodem poeta inter cetera stili sui otia Tityrum in Christi honorem composuit,
similiter et de Äeneide; fragmentarisch erhalten im Vaticanus Palatinus 1753 s. EX/X, ediert
von Schenkl p. 609. Der Gentonar legt die erste Ecloge Vergils zu Grunde und gibt einen
Dialog des Tityrns und Meliboeus über christliche Dinge. Bursian (p. 30) hält diese Ecloge
ftbr eine Einleitung zum folgenden Gento. lieber das Verhältnis des Gento zum Gento der Proba
vgl. Manitius p. 128. 2) De verbi incarnatione, erhalten im Parisinus 13047 s. IX, zu-
erst veröffentlicht von Martine und Durand, Gollectio ampl. 9 p. 125, von Arevalo in
seiner Ausg. des Sedulius p. 384 (Migne 19 Sp. 773), von Biese, Anthol. lat. No. 719, von
Huemer in seiner Ausg. des Sedulius p. 310 und Schenkl, Poet. lat. min. p. 615. Der
Titel de verbi incarnatione rtthrt von Martine her; irrtümlich wird der Gento dem Sedu-
lius zugeteilt. Ueber denselben vgl. Schenkl p. 564 und Manitius p. 128. 3) De ec-
clesia, überliefert durch den Parisinus Salmasianus 10318 s. VlI/VIll, zuerst herausgegeben
von W. H. D. Suringar, Utrecht 1867, dann von Riese, Anthol. lat. No. 16, von Baehrens,
Poet. lat. min. 4 p. 214, von Schenkl p. 621. Auf unsicherem Fundament ruht die Zu-
teilung des Gento an Mavortius, die Jure tus vorgenommen, weil sie sich auf das korrupte
abortio (Vs. 111) stützt. Der Gento führt uns einen Gottesdienst mit einer eingelegten
Predigt vor. Aus einem Zusatz zu dem Gedicht geht hervor, dass der Gentonar seinen
Cento öffentlich recitierte und damit grosses Lob erntete.
Allgemeine Litteratur über Vergilcentonen. B. Borgen, De centonibus
Hom. et Vergil., Kopenhagen 1828; F. Hasenbalg, De centon. Vergil., Putbus 1846;
D. Gomparetti, Vergil im Mittelalter, übers, von H. Dütschke, Leipz. 1875.
5. Die Invectivendichter und die Polemiker.
858. Invective gegen Nicomachus. Im Jahre 1867 publizierte der
französische Philologe Delisle ein Gedicht, von dem sich zwar die eine
oder die andere Spur in der Litteratur nachweisen Hess, ^) das aber doch
der gelehrten Welt im ganzen unbekannt geblieben war. Das Schrift-
stück, das aus 122 Hexametern besteht und keine Ueberschrift trägt, ^)
*)ygl. Morel p. 451; Baehrens, Rhein. I ') Vgl. Krüger beiMommsen p. 853.
Mus. 32 p. 212. i
200 ^^^ lüTeotiTendichter nnd die Polemiker. (§ 858.)
konnte auf einige Beachtung Anspruch erheben; denn es stammt aus
Zeit, in der das Heidentum zum letztenmale mit dem Christentum um
Herrschaft rang. In unserem Gedichte erhebt ein fanatischer Geist 8
Stimme gegen den alten Kultus; es geschah dies, als den Kaisert!
Eugen inne hatte, auf den, obwohl er Christ war, die nationale Partei
grösste Hoffnung gesetzt hatte. An der Spitze derselben stand V
Nicomachus Flavianus (§ 806). Als dieser an dem alten Römertun
zähe festhaltende Mann im Kampf gegen Theodosius noch vor Eugen
Tod gefunden hatte, machte sich der Dichter daran, über die gesti
Grösse und Qber das Heidentum herzufallen. Da Eugens Tod in
Gedicht« nicht erwähnt wird, dürfen wir vermuten, dass derselbe
auf dem Throne sass. Das Gedicht ist also in der kurzen Zeit geschri^
welche zwischen dem Tod des Nicomachus und des Eugenius liegt,
nannt ist Nicomachus in dem Gedichte nicht, allein er ist so genau
zeichnet, dass ein Zweifel über die Persönlichkeit nicht aufkommen k
^ Das Verfahren des Fanatikers ist einfach: aus allen Winkeln such
heidnische Kultusgebräuche und Anschauungen, welche der christli
Gottesidee widerstreiten, zusammen und knüpft daran die Frage, wie
solche Götter verehren und wie man von ihnen in der Not Hilfe erwa
könne. Dasselbe Spiel wiederholt sich, nachdem der Verfasser zu >
machus übergegangen war; ihm wird sein Sündenregister vorgeha
wobei ausser seiner öffentlichen Wirksamkeit namentlich sein religi
Leben in allen Verzweigungen geschildert wird. Hier ist der Dichte
der Lage, sein Triumphgeschrei mit besonders starker Stimme ertönei
lassen, da er auf das tragische Ende des frommen Heiden hinweisen k
Der Ton des Produkts ist aufgeregt, der Relativsatz wird zu Tode geh<
auch die Frageform drängt sich im Einklang mit dem exaltierten W
in den Vordergrund. Die Prosodie ist mangelhaft, doch finden mai
Verstösse in dem Gebrauche gleichzeitiger Dichter ihre Entschuldig
Der Eindruck, den das ganze Machwerk auf den Leser macht, ist ein
befriedigender. Seinen Vergil hatte übrigens auch dieser Mann studie
Die Zeit des Gedichts und die Persönlichkeit des Verspotteten h
sich aus dem Gedicht sicher ermitteln. Es wurde im J. 394 oder spätestens 395 ge8<
ben, und der Vorspottete ist Virius Nicomachus Flavianus. Die Judicien sind zosam
gestellt bei Mommson p. 360; es sind folgende: Vs. 25 erscheint der Verspottete als ,
fectus] Vs. 112 heisst er consuL Vs. 26 ist der Unbekannte drei Monate hindurch in i
Krieg vorwickelt und dabei ums Leben gekommen; auch das kleine Grab des Mannes
Vs. 111 erwähnt. 114 wird allem Anscheine nach als sein heres Symmachus bezeic
Aus Vs. 32 und 33 ergibt sich die Anspielung auf eine gefahrvolle Zeit, in der der tum
proklamiert wurde. Dass das Gedicht ^noch vor der Katastrophe Eugens" geschriebei
macht Sehen kl ip. 73) wahrscheinlich.
Zur Charakteristik des Gedichts. Mommsen nennt das Gedicht (p. 850)
minus pium et Christianum quam ineptum et barbarum." Den Dichter charakterisiei
ip. 35 Ij also: «poeta ipse sensus imperfecto et implicate expressit saepissimeque ad res a!
quotidianis suae aetatis sermonibus magis quam rerum notitia celebratas hodieque |
obscuratas. " Weiter nennt er den Dichter ^ineptum sententiis, sermone rudern, ver
faciendorum syllabarumque metiendarum imperitum." Vgl. A. Ebert, Allgem. Gescfa
Litt, des Mittelalters P (Leipz. 1889) p. 312; M. Manitius, Gesch. der christl.-lat. P<
*) Vgl. Dobbelstein p. 21 und beson- \ z. B. des Petron, des Nemesianus. F
ders M. llim, Das Carmen contra Flavianum | scheint der Dichter einige Epigramme
(Rhein. Mus. 52 il8J)7) p. 208). Auch Spuren i Damasus gelesen zu haben,
von anderen Autoren hat Ihm nachgewiesen, i
Die InveotiTiiidiohter nnd die Polemiker, (§ 859.) 201
uttgart 1891, p. 146; V. Schnitze, Gesch. des Untergangs des griech.-röm. Heidentoms 1
ena 1887)p. 288.
Zur ProBodie und Metrik vgl. Baehrens, Rhein. Mus. 32 (1877) p. 212. Wir
wähnen einige Verstösse: Endsilben werden in der Arsis verlängert z. B. Vs. 44 membrä;
) culiör Etruseis, Schlusssilben mit 8 werden so gemessen, dass s nicht gerechnet wird,
B. Vs. 111 danatus sepulcro. Vs. 41 wird däret gemessen, 44 coHäribus, Schlnss-t wird
»rkürzt, z. 6. 52 nocendi. Bei Eigennamen wird die Prosodie besondere lax behandelt.
Die Ueberlieferung des Gedichts beruht lediglich auf dem cod. Parisinus 8084
VI, der Gedichte des Prudentius enthält. Eine Beschreibung der Handschrift gibt Krüger
d Mommsen p. 352. Eine Abschrift des Gedichts liegt vor im Parisinus 17904; vgl.
aehrens, Rhein. Mus. 32 p. 212.
Ausg. Das Gedicht wurde zueret herausgegeben von L. Delisle, Biblioth^ue de
^cole des chartes, S^rie 6, tom. 3 (1867) p. 297; dann von C. Morel, Revue ardi^ologique
^68, 1 p. 453; 2 p. 44 = Recherches sur un po^me latin du quatri^me si^cle, Paris 1868;
;1. dazu Revue critique d'histoire et de litt^rature 1869 p. 800. Abgedruckt auch in
nthol. lat. ed. Riese No. 4 und bei Baehrens, Poet. lat. min. 8 p. 287; vgl. auch Rhein.
US. 32 p. 222 (mit vorhergehenden Erläuterungen). Beste Ausg. ist die von M. Haupt
ä Mommsen, Hermes 4 (1870) p. 354.
Zur Erläuterung. Trefflicher Commentar von Morel I.e.; De Rossi, Bull, di
eh. crist. 1868 p. 49; p. 61; R. Ellis, Journal of philol. 2 (1869) p. 66; Th. Mommsen,
ermes 4 (1870) p. 350; J. Mähly, Zeitschr. fttr österr. Gymn. 22 (1871) p. 584 (Kritisches);
. Schenkl, Wien. Stud. 1 (1879) p. 72; G. Dobbelstein, De carmine Christiane cod.
uris. 8084, Löwen 1879 (p. 49 französ. Uebers.); Seefelder, Ueber das carm. adv. Flav.,
münd 1901.
859. Invective gegen einen abgefallenen Senator. Ein Senator,
er früher das Konsulat bekleidet hatte, war auch dem Christentum näher
atreten, aber dann, als ihn dasselbe nicht befriedigte, wieder zu den Kulten
3r Magna Mater und der Isis übergegangen. Der Senator gehörte also zu
3n Männern, bei denen der Synkretismus verschiedener Religionen Platz
3griflFen. In der christlichen Welt scheint der Rückfall der vornehmen
ersönlichkeit grossen Anstoss erregt zu haben; ein Christ richtet daher
n Mahnwort an ihn und zwar, da der Abtrünnige ein Freund der Poesie
ar, in gebundener Rede; das Gedicht besteht aus 85 Hexametern. Der
ichter setzt erst mit dem Spott ein, indem er das Ungeheuerliche der heid-
schen Kulte, denen der Senator jetzt zugethan ist, mit lebhaften Farben
hildert; besonders die Priester der grossen Mutter werden scharf gegeisselt.
BF Autor findet es sonderbar, dass der ehemalige Konsul es mit der Ehre
Ines Hauses vereinbar finde, sich durch die geschilderten Kulthandlungen
cherlich zu machen. Doch auch dem Synkretismus des Abtrünnigen
ickt er zu Leibe: er meint, dass, wer alles verehre, im Grunde genommen
chts verehre, und dass das Allzuviel in jeder Beziehung verwerflich sei.
Dch den Hauptschlag führt er gegen Ende des Gedichts, indem er ihn
if den Lohn und die Strafe im anderen Leben aufmerksam macht; hierbei
iterlässt er es nicht, mit anzuführen, dass das Vergehen des Senators
n 80 schwerer in die Wagschale falle, weil ihm die Wahrheit bekannt
^worden sei.
In die Tiefe geht, wie man sieht, das Gedicht nicht; es ist ein leicht
ingeworfenes Produkt, das aber durch die Lebhaftigkeit des Tones ein
3wi8se8 Interesse erregt. In der Ueberlieferung wird die Invective mit
jrprian in Verbindung gebracht; allein sie passt nicht zu dessen Indivi-
lalität. Geschrieben wurde das Gedicht allem Anschein nach in Rom;^)
^) Dies kann wohl erschlossen werden, da er Vorgänge schUdert, die in der urba
zh zugetragen; vgl. Vs. 11.
202 ^^ lüTeeiandiehter und die Polsmikmr. (§ 860.)
Zeitanspielungen enthält es keine, doch spricht nichts dagegen, es dem
vierten Jahrhundert zuzuteilen, in dem auch die Philosophie, zu der sich
der Senator ausdrücklich bekennt (Ys. 48), die religiösen Bedürfhisse zu
befriedigen suchte.
Der Titel des Gedichts lautet in der Ueberlieferong: Ad quendam senatorem tx
christiana religume ad idolorum servitutem eanversum. Es wird dem Gyprian, der martyr
und episeoptM genannt wird, beigelegt.
Ziel des Gedichts. Vs. 3 quia earmina semper amasti, \ eartnine respandent
properavi scribere ütrsus, | ut te corriperem tenehras praepanere luei.
Die üeberlieferung basiert auf drei Handschriften: Parisinns 2772 s. X, Parisinns
2832 s. IX, Vaticanus Regin. 116 s. IX/X; vgl. P ei per, Prooem. p. XIX.
Ausg. Cypriani opera ed. Hartel 3 p. 302. Neueste Ausg. ist die von R. Peiper.
Gypriani heptateuchus (Corpus Script, ecclesiast lat 23 (Wien 1891) p. 227).
Litteratur. V. Schnitze, Gesch. des Untergangs des griechisch-römischen Heiden-
tums 1 (Jena 1887) p. 290; A. Ebert, Allgem. Gesch. der Litt des Mittelalters 1> (Leipc
1889) p. 313; M. Manitius, Gesch. der chri8tl.-lat. Poesie, Stuttgart 1891, p. 130.
860. Das pseudotertuUianische Gedicht gegen Harcion. Im Jahre
1564 gab Georg Fabricius ein Carmen adversus Mareionem heraus.^) Der
Buchhändler Oporinus hatte ihm eine Handschrift, welche dieses Gedicht
enthielt, aus dem Besitz des Heroldus überlassen. Wahrscheinlich stammt«
die Handschrift aus der Lorscher Klosterbibliothek oder war eine Abschrift
derselben;^) die Handschrift, die sehr fehlerhaft geschrieben war, ist seitdem
verschollen. Nach den Andeutungen, die sich im Gommentar des Fabricius
vorfinden, muss man annehmen, dass in dem Codex das Gedicht dem
Tertullian beigelegt war. Sein dichterisches in Hexametern abgefasstes
Werk hat der Verfasser in fünf Bücher geteilt;^) allein diese Gliederung
ist nicht von innen heraus erwachsen, sondern eine rein äusserliche. *) Im
ersten Buch geht der Verfasser von der Sünde aus und meint, dass dem
Erlösungswerk der Satan durch die Ketzereien entgegengearbeitet habe:
eine solche Ketzerei sei die Marcions, der einen guten und bösen Gott
angenommen und jenen dem alten, diesen dem neuen Testament zugewiesen
habe. Im zweiten Buch beweist er die Einheit in den Grundlehren
des alten und neuen Testaments. Im dritten Buch bespricht er die Väter,
die auf den neuen Bund hinweisen, und legt die Uebereinstimmung der
Lehren der römischen Kirche mit den Lehren Christi und der Apostel
dar. Im vierten Buch geht der Verfasser zur Widerlegung der ein-
zelnen Lehren Marcions über, bleibt aber im wesentlichen bei einem Punkt
stehen. Im fünften Buch werden die Antithesen Marcions zurückge-
wiesen.^) Die Zeit und die Autorschaft bilden ein Problem, das verschie-
dene Lösungen fand. Von Tertullian kann das Gedicht nicht herrühren; dies
darf als eine ausgemachte Wahrheit gelten. Was die Zeit der Entstehung
anlangt, hatte sich bislang ziemlich die Meinung festgesetzt, dass das Ge-
dicht in das vierte Jahrhundert und zwar in die zweite Hälfte desselben
gehöre. Neuerdings ist aber die Ansicht verfochten worden, dass das
Carmen noch dem dritten Jahrhundert angehöre; der Beweis hierfür liegt
in der noch mangelhaften Theologie, welche mit dem im vierten Jahr-
>)JetztbeiOehler,Tertull. Bd.2p. 781. ' aus 236, das fünfte endlich ans 258 Hexa-
») Vgl. Waitz p. 76. meiern.
») Das erste Buch besteht aus 242, das *) Vgl. Hückstädt p. 12.
zweite aus 269, das dritte aus 302, das vierte *} Vgl. § 695.
Die Inveetmidiohter und Oie Polemiker. (§ 860.) 203
ndert erzielten Fortschritt dieser Disciplin nicht in Einklang zu bringen
. Dieses Resultat darf auch der den theologischen Fragen fernstehende
bterarhistoriker als ein zureichend gesichertes aufnehmen; dagegen darf
den Behauptungen, dass unser Werk in Afrika entstanden sei und den
mmodian zum Verfasser habe, noch keinen Einfluss auf seine Darstellung
iräumen. Das Gedicht bietet überhaupt weniger aesthetisches als kirchen-
itorisches Interesse dar.
Quellen und Beziehungen zu anderen Autoren. Die hauptaftchlichsten Quellen
ren eine römische antihäretische Schrift mit einem römischen Bischofskatalog, aus dem
Tohl Irenaeus als Epiphanius^geschöpft haben (vgl. Waitz p. 55 und dagegen A. Har-
ck. Die Chronologie der altchristl. Litt, bis Eusebius 1 (Leipz. 1897) p. 190), und eine
irift des Theophilus xaiti Magxitjyosy die auch Tertullian und Irenaeus benutzten (p. 69).
ber die Beziehungen des carmen zu den Testimonien Gyrorians vgl. Waitz p. 69. —
ber Commodian und das carmen vgl. 0x6 p. 40; über Benützung Vergils vgl. 0x6
32 Anm. 2; über das Yerhftltnis des Jnvencus und des carmen vgl. 0x6 p. 33; Waitz
11; über das des Ausonius und des carmen vgl. Manitius, Gesch. der chnsÜ.-lat. Poesie
L52 Anm. 3; über Sedulins und das carmen vgl. Manitius, Beitr. zur Gesch. frühchristl.
:hter (Sitzungsber. der Wiener Akad. 117 (1889) p. 22); über Dracontius und das carmen
[.Manitius 1. c. Das Yerhftltnis des carmen zu diesen Autoren kann nur dann richtig
vürdigt werden, wenn zuvor die Abfassungszeit bestimmt ist, -- Ueber Benutzung des
nochbuches vgl. H. J. Lawlor, Early citations from the book of Enoch (Journal of
Hol. 25 (1897) p. 164); über die Benutzung des Bamabas vgl. 0x6 p. 12 Anm. 9, über
des Hirten des Hermas Waitz p. 31.
Abfassungszeit. Bisher war ziemlich die Ansicht verbreitet, dass das Gedicht
' zweiten Hftlfte des 4. Jahrhunderts angehöre; diese Ansicht wurde besonders von 0x6
t>legomena p. 37) und Hückst&dt vertreten; der letztere (p. 51) nimmt als Abfassungs-
b das Jahr 362 oder 363 an. Diesem Ansatz gegenüber hat zuerst Hilgenfeld (Zeitschr.
wissenschaftl. Theol. 19 (1876) p. 159) das Gedicht dem 3. Jahrhundert zugewiesen,
ch Waitz kommt in ausführlicher Darlegung zu dem Satz, dass das Gedicht nicht über
I 3. Jahriiundert hinabverlegt werden dürfe (vgl. p. 18 und p. 32); diesem Ansätze stimmen
Jülicher p. 632, Pfeilschifter Sp. 1289 und Grützmacher Sp. 499. (Für eine spätere
Setzung als das 4. Jahrh. spricht sich Brandes (p. 313) aus.)
Die Heimat des Verfassers. Rom als Abfassungsort statuiert Hückstftdt p. 39;
l. auch Harnack, Beitr. zur Gesch. der marcionitischen Kirchen (Zeitschr. für wissen-
laftl. Theol. 19 (1876) p. 113); dagegen hat Ox^ Afrika als Heimat des Dichters hin-
stellt und darin bei Waitz (p. 5) Zustimmung gefunden. Doch sind die Ermittelungen
iz unsicher. Gegen Rom als Abfassungsort vgl. 0x4 p. 38. Aber auch AMka als Ur-
ungsort kann aus der Sprache nicht mit Sicherheit bestimmt werden; vgl. Waitz p. 85.
Der Verfasser, n) In der üeberlieferung wird das Gedicht dem Tertullian
geschrieben, und die meisten älteren Gelehrten halten an ihm als Autor fest. Allein die
torschaft Tertullians ist eine unmögliche. Schon die Widersprüche zwischen dem Gedicht
1 dem echten Werke Tertullians legen hiergegen Protest ein. ß) Ausser der Üeberlieferung
rden auch folgende Worte eines Anonymus (J. A. Fabricius, Bibl. ecci., Hamb. 1718,
69) herangezogen: Victorinus epiacopus composuit et ipse versibus dtw opuscula admodum
*v%a, unum adveraus Manichaeos, reprobrantes veteris testamenti deum, veramque Christi
^arnationem contradicentes; alium autem adversus MarcionitctSf qui duo principia id est
08 deas fingunt, unum malum, iustuntf creaturarum conditorem et retributorem factorum,
erutn bonum, animarum susceptorem et indultorem criminum. Hückstftdt (p. 55) stellt
mach die Hypothese auf, dass der Verfasser des pseudotertullianischen Gedichts der
etor C. Mari US Victorinus Afer (§ 828) sei. Doch schon der Unterschied in der
eologie Iftsst diese Hypothese als unwahrscheinlich erscheinen; vgl. G. Koffmane, De
irio Victorino philosopho Christiane, Bresl. 1880, p. 35. Auch anderes spricht dagegen,
B Waitz (p. 84) zeigt; vgl. zur Frage noch A. Harnack, Beitr. zur Gesch. der marcio-
ischen Kirchen (Zeitschr. für wiss. Theol. 19 (1876) p. 113). y) Haussleiter, Die Com-
tntare des Victorinus, Tichonius und Hieronymus zur Apokalypse (Zeitschr. für kirchl.
issensch. und kirchl. Leben 7 (1886) p. 254) glaubt nach dem Vorgang Tillemonts,
38 der Verfasser unseres Gedichts Victorinus von Pettau (§ 748) sei; vgl. auch
Krüger, Herzogs Realencvcl. 6 (1899) p. 407. Das Hauptargument besteht darin, dass
ischen dem Gedicht und dem Commentar des Victorinus zur Apokalypse Beziehungen
stehen; allein diese Beziehungen nötigen uns nicht, die Autorschaft des Victorinus für
s Gedicht anzunehmen; vgl. Waitz p. 89. d) Endlich Waitz selbst (p. 112) tritt für
204 Hilarins ▼on Poition. (§ 861.)
Commodian als Verfasser des Gedichts ein; doch sind die Beweise methodisch
einwandfrei. Die Verskonst des Commodian ist eine andere als die des Gedichts.
Ueberlieferung. Nach einem Gatalog der Klosterbibliothek von Lorsch (G. B e <
Catalogi biblioÜiecamm antiqui, Bonn 1885, 37, 446 p. 111) standen in einer Handschri
Werke: metrum Tertulliani de resurrectione. eiusdem lib. V adversuB Mareionem. Di
sammenstellong der libri V adveraus Mareionem mit einem Gedicht des Pseadotert
läset darauf schliessen, dass auch die Bttcher adversus Mareionem nicht die echte 1
Schrift Tertullians, sondern das pseudotertnllianische Gedicht bezeichneten. Da nun C
bricius mit dem antimarcionischen Gedicht auch das andere im Gatalog stehende
zielte, 80 wird seine Handschrift entweder der Lorscher Codex selbst oder eine Abi
desselben gewesen sein; vgl. Waitz p. 76. Dieser Codex ist leider verloren gegi
und wir waren daher bis in die neueste Zeit hinein nur auf die editio princeps angeit
welche den Text, um ihn der klassischen Rede zu nähern, äusserst willkürlich gest
Allein jetzt hat sich noch eine neue Textesquelle erschlossen: A. Mai (Classici anct
p. 382) hat aus dem Vaticanus Regin. 582 s. IX/X ein Carmen Victorini de nativitate
sione et resurrectione Domini publiziert; dem von Mai veröffentlichten Gedicht ginj
in der Handschrift noch ein anderes auf das alte Testament bezügliches und dah<
ihm wohl eine Einheit bildendes Gedicht voraus mit dem Titel versus Vietorini c
Domini. Die Mehrzahl der Verse dieses zweiten, von Mai nicht publizierten Gedicl
aus unserem pseudotertullianischen Gedicht adversus Mareionem entnommen; auch ii
von Mai veröffentlichten finden sich Entlehnungen aus unserem Gedicht; vgl. Bra
Zwei Vietoringedichte des Vatic. Regin. 582 und das Carmen adversus Marcionitas l
Stud. 12 (1890) p. 810), der zuerst den Wert der neuen Textesquelle dargelegt, li
schluss an ihn erörtert den Cento A. Oxö, Victorini versus de lege Domini. Ein nne<
Cento aus dem carmen adversus Marcionitas, Crefeld 1894.
Litteratur. E. Hückstädt, lieber das pseudotertulllanische Gedicht adversuf
cionem, lieipz. 1875; vgl. dazu A. Harnack, Theol. Litteraturzeitung 1876 Sp. 265; A. Hi
feld, Zeitschr. für wissenschaftl. Theol. 19 (1876) p. 154; A. Ox^, Prolegomena d<
mine adversus Marcionitas, Lcipz. 1888; vgl. dazu A. Harnack, TheoL Litteraturz«
1888 Sp. 520; A. Ebert, Allgem. Gesch. der Litt, des Mittelalters 1* (Leipz. 1889)
Anm. 1; M. Manitius, Gesch. der christl.-lat. Poesie, Stuttgart 1891, p. 148; H. W
Das pseudotertnllianische Gedicht adversus Mareionem, Darmstadt 1901; vgl. dazu A
lieber, Gott. gel. Anz. 1901 p. 628; G. Pfeilschifter, Wochenschr. für klaas. 1
1901 Sp. 1287; Grützmacher, Theol. Litteraturzeitung 1901 Sp. 498. — G. Koffn
Entstehung und Entwicklung des Kirchenlateins, Bresl. 1879, p. 155; vgl. auch § 831; Zi<
Zur Gesch. der Lehrdichtung in der spätröm. Litt. (Neue Jahrb. für das klass. Alter
(1898) p. 409); G. Krüger, Gesch. der altchristl. Litt., Freib. 1898, p. 409.
6. Hilarius von Poitiers.
861. Das Hymnenbuch des Hilarius. Dass Hilarius der äl
Hymnendichter der lateinischen Kirche sei, stand seit langem fest; H
nymus kannte einen liber hymnorum von Hilarius; auch liefen Hyi
unter dem Namen desselben um, allein bei keinem einzigen war eine sie
historische Beglaubigung gegeben. Es fehlte daher der Beurteilung
Hilarius als Hymnendichter aller Boden; subjektiven Vermutungen
reicher Spielraum gegeben. Die Sachlage schien sich zu ändern,
Qamurrini in einer Handschrift von Arezzo ausser dem Mysterientn
auch verstümmelte Hymnen fand, für welche die Autorschaft des Hil
handschriftlich bezeugt war. Es sind drei Hymnen, von denen k<
unversehrt geblieben ist; dem ersten fehlen die vier letzten Strophen,
zweiten die fünf ersten, von dem letzten ging der Schluss verloren, d<
Länge natürlich unbestimmbar ist. Der erste und der zweite Hyi
sind Abecedarien. Was das Metrum der drei Hymnen betrifft, ist
zweite Hymnus in jambischen Senaren, der dritte in trochäischen Tr
metern geschrieben. Der erste Hymnus ist in dem zweiten Asklepiac
gedichtet, d. h. dem glykoneischen Verse folgt eine Zeile im Asklepis
minor, die Strophe besteht aus vier Zeilen. In dem zweiten und dr
HUarius Ton PoiUers. (§ 861.) 205
Hymnus f&llt Versictus und der Accent fast immer zusammen. Der erste
Hymnus befolgt ein anderes Prinzip, das der Quantität, allein mit grossen
Licenzen, denn kurze Silben werden in der Hebung lang und lange Silben
in der Senkung kurz. ^) Der erste Hymnus bezieht sich auf die Trinitäts-
lehre, d. h. auf das Verhältnis des Sohnes zum Vater. In dem zweiten
Hymnus spricht eine Jungfrau, welche vom Heidentum zum Christentum
sich bekehrt und die Taufe empfangen hat. Der dritte Hymnus hat den
Teufel zum Gegenstand. Alle drei Produkte sind dichterisch betrachtet
sehr unvollkommen; es fragt sich demnach, wie es mit der Echtheit steht.
Handschriftlich bezeugt ist streng genommen nur der erste Hymnus; denn
da zwischen dem ersten und zweiten Hymnus eine Lücke von sechs Seiten
eingetreten ist, ') so ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass in dieser
Lücke ein neues Hymnenbuch beginnt. Allein in diesem Fall würden wir
ein sehr kleines Hymnenbuch des Hilarius erhalten; viel wahrscheinlicher
ist die Annahme, dass Hilarius in sein Hymnenbuch auch Produkte anderer
ihm nahestehender Personen aufgenommen hat. Es ist übrigens auch nicht
ausgeschlossen, dass eine dritte Person Hymnen des Hilarius mit anderen
vereinigt und sie unter dem berühmten Namen publiziert hat. ^) Ein
solcher fremder Hymnus ist der zweite ; denn es ist kaum glaublich, dass
hier Hilarius im Namen einer Jungfrau spricht, wir glauben vielmehr, die
weibliche Stimme selbst zu vernehmen. Rührt aber der zweite Hymnus
nicht von Hilarius selbst her, so ist klar, dass auch durch den neu auf-
gefundenen Schatz kein festes Fundament für die Hymnendichtung des
Hilarius gewonnen ist. Es ist daher auch nicht möglich, über die unter
dem Namen des Hilarius umlaufenden Hymnen eine sichere Entscheidung
zu treffen. Aber dass Hilarius Hymnen verfasst hat, dürfte nicht zweifel-
haft sein.
Den Anstoss zur Hymnendichtung erhielt Hilarius sicher im Orient
während seines Exils. Hier mochte er erkannt haben, welch wichtiges
Element der Hymnengesang in dem Gottesdienst bildet und wie sehr der-
selbe auch geeignet sei, das Volk im Glauben gegen die arianische Häresie
zu stärken. Wir hören in der That auch von Versuchen des Hilarius, den
liturgischen Gesang in Gallien einzuführen, zugleich aber auch, dass er
hierbei auf grosse Schwierigkeiten stiess.
Hilarius als Hymnendichter. Isid. Hispal. Off. eccl. 1. I, c. 6: Hilarius Gallus
episcopu8 Pictaviensis hymnorum carmine floruit primus. Conc. Tolet. IV (im Jahre 633)
can. 13: NonnuUi hymni humano studio in laudem Dei atque apostolorum et martyrum trium-
phas eompositi esse noscuntur, sicut hi, quos beatissimi doctores Hilarius atque Ämbrosius
ediderunt.
üeber die Yersuche, den Hymnengesang in Gallien einzuführen, vgl.
das Zeugnis des Hieronymus ad 6al. lib. 2: Hilarius^ latinae eloquentiae RhodanuSy Gallus
ipse et Pictavis genitus, eos {Gallos) in hymnorum carmine indociles vocat; dann die Stelle
aus dem Psalmencommentar des Hilarius 65, 4 (p. 251 Z.): audiat orantis populi consisiens
quis extra ecclesiam vocem, spectet celebres hymnorum sonitus et inter divinorum quoque
saeramentorum offieiä responsionem devotae confessionis accipiat. necesse est terreri omnem
adpersantem et hellari adversus diabolum vincique resurrectionis fide mortem tali exultantis
poeis nostrae, ut dictum est, iubilo.
üeber die dem Hilarius gewöhnlich noch zugeschriebenen Hymnen vgl.
*) VgL darüber Dreves, Das Hymnen- , *) Gamurrini p. XVI.
buch des hl. Hilarius p. 367. j ') Vgl. auch Eayser p. 63.
206 Ambroains. (§ 862.)
Kayser, Beiträge etc. Es sind in Daniels Thesauros hymnologicas folgende i
1. Lucis Jargitor aplendide, 2. Deus pater ingenite, 3. In matutinis surgimus, 4 Jan
noctis transiit, 5. Jesus refulsit omnium, 6. Jesu quadragenariae, 7. Deata nobis g
Das mozarabische Brevier schreibt 2, 3, 4 dem Hilarius aoBdrtlcklich zu. Auch Reii
hält aus inneren Gründen 2 und 3 für hilarianisch. Die Hymnen 5, 6, 7 entbehren
äusseren Zeugnisses für die Autorschaft des Hilarius und sind nach Kayser (p. 67]
späteren Zeit zuzuweisen. Ausser diesen wird auch noch ein Abendhymnus: Ad caeii
non sum dignus sidera dem Hilarius beigeschrieben. Dieser Hymnus wurde heranagi
von Pitra, Analecta sacra et classica 1 (Paris 1888) p. 138; abgedruckt auch in Ze
für kathol. Theol. 13 (1889) p. 787 und bei Duemmler, Poet kt. aevi Carol. 1 i
Es existiert nämlich ein unechter Brief, den Hilarius an seine Tochter Abra gesdi
haben soll. Demselben sind zwei Hymnen beigeschlossen, der oben unter No. 1 angc
Morgenhymnus und der erwähnte Abendhymnus. Der Brief ist entschieden apokryph
den beiden Hymnen will Kayser (p. 70) den Morgenhymnus dem Hilarius zuweise
gegen spricht er den Abendhymnus demselben aus inneren Gründen entschieden ab.
sieht, dass hier alles schwankend und unsicher ist
Litteratur. B. Hoelscher, De ss. Damasi Papae et Hilarii episc. Picta^
qui feruntur hymnis sacns (Münster 1858); Kayser, Beiträge zur Geschichte und EIrk
der ältesten Kirchenhymnen, Paderborn' 1881, p. 52; G. Gamurrini, 8. Hilarii tn
de mysteriis et hymni et S. Silviae Aquitanae peregrinatio ad loca sancta; accedil
diaconi liber de locis sanctis, Rom 1887; über das Hymnenbuch handeln die Proleg
p. XVI. M. Dreves, Das Hymnenbuch des hl. Hilarius (Zeitschr. für kathol. Theol. 12
p. 358; Weyman, Burs. Jahresber. 84. Bd. 2. Abt (1895) p. 288 (Echtheitsfrage);
';; Watson, St. Hilary of Poitiers, select works translated, New- York 1899, p. XLVl.
Allgemein orientierende Schriften über die christlichen Hyn
Kayser, Beitr. etc.; S. W. Duffield, The latin hymn writers and their hymns, London
• f-\ Unechte Gedichte des Hilarius: 1. In Genesin. Im Laudunensis 273
die Ueberschrift also: In nomine domini nostri Jesu Christi incipit metrum sancti I
Pictavensis (sie) episcopi in Genesin ad l^eonem papam. Dem Gedicht gehen drei Dia
■ •*•_ voraus, in welchen der Dichter sagt, dass er sein Werk auf Anregung des Adressat
■} , schrieben, obschon er die Fähigkeit dazu nicht besessen. Das Gedicht ist dämm sehr
''^ würdig, well sich der Dichter dem in der Genesis überlieferten Stoff gegenüber volle
heit bewahrt; er folgt daher nicht sklavisch dem hl. Texte, sondern gestaltet ih
dichterischer Phantasie, wobei er selbst aus Ovids Metamorphosen Züge einmischt,
hobener Sprache erzählt er die Entstehung der Welt, die Erschaffung des Menscher
Sündenfall und die Sündflut. Damit schliesst das Gedicht, das aus 198 Hexametern b<
ab. Dem Hihirius von Foiiiers gehört das Gedicht nicht an; zweifelhaft ist auch,
dem Hilurius von Arles zuzuweisen. Wir werden uns bescheiden müssen zu sagen, dai
Verfasser irgend ein Hilarius ist Uebcr das Gedicht vgl. Ebert, Allgem. Gesch. de
des Mittelalters 1^ (Leipz. 1889) p. 368; Manitius, Gesch. der christl.-lat Poesie, Stu
1891, p. 189; St Gamber, Le livre de la 'Genese' dans la po^ie latine au V"*
Paris 1899, p. 17. Ausg. von R. Peiper, Cypriani Heptateuchos (Corpus Script, eccl
lat 23 (Wien 1891) p 231).
2. Carmen de evangelio. Aus dem Sangallensis 48 s. VUI hat Pitra, Sp
Solesm. 1 p. 166 ein Gedicht von 114 Hexametern herausgegeben, das in der Handi
betitelt ist: Carmen Hilarii Pictariensis epi»copi de erangeUo. Dasselbe beginnt m
Geburt Christi und schliesst daran die Anbetung Christi durch die Weisen ans dem M<
lande. Wir erhalten indess keine Erzählungen; der Dichter gibt kurz die beiden Thatsi
um daran eine enthusiastische Lobpreisung zu knüpfen. Dann verliert sich der Au
wunderbar mystische Bilder. Das Gedicht ist ein Fragment. Weder dem Hilariui
Poitiers noch dem Hilarius von Arles können wir mit guten Gründen das Gedicht d
prosodischen Gebrechen leidet, zuteilen; warum Peiper (p. XXIX) für unser Gedichl
selben Autor annehmen will, wie für das vorausgehende, ist nicht recht ersichtlich,
in Cypriani heptateuchos ed. R. Peiper p. 270. Besprochen ist das Gedicht von Ä
tius p. 102.
7. Ambrosius.
863. Die Hymnendichtung des Ambrosius. Wenn auch der Kirc
gesang, wie wir sahen, auf Hilarius zurückgeführt werden muss, so h
wir doch den Ambrosius als den eigentlichen Schöpfer des Kirchenl
anzusehen; denn abgesehen davon, dass wir bei Hilarius keinen f<
Boden gewinnen, scheint auch dessen Thätigkeit auf diesem Gebiet 1
AmbroBins. (§863.) 207
mittragende Bedeutung erlangt zu haben. Erst durch Ambrosius wurde
r lateinische Hymnengesang ein wesentlicher Bestandteil der Liturgie;
mit hebt aber ein neuer Zweig der christlichen Dichtung, die lyrische,
und bringt es zu einer reichen Entfaltung. Praktische Zwecke waren
, welche den Mailänder Bischof auf diese Bahn drängten. Die Arianer
tten für ihre Sache grosse Propaganda dadurch gemacht, dass sie die
ierlichkeit des Gottesdienstes durch den Gesang der Gemeinde erhöhten,
[gleich gab das vom Volk gesungene Lied ihnen erwünschten Anlass,
*e dogmatischen Lehren zu popularisieren und zu verbreiten. Um den
ianem entgegenzuwirken, stattete Ambrosius seinen Gottesdienst noch
icher aus und liess Hymnen durch das Volk singen. In den Wirren
8 Jahres 386, welche durch die arianische Justina, die Mutter des
klentinian, hervorgerufen wurden, erwies sich dieser Eirchengesang,
dcher um jene Zeit eingeführt wurde, als eine mächtige Schutzwaffe
8 orthodoxen Bekenntnisses. Als Vers für seine Hymnen wählte Am-
osius den akatalektischen Dimeter. Derselbe ruht auf der Quantität
d ist nach festen Regeln gebaut. Statt des Jambus erscheint nur an
n ungeraden Stellen ein Spondeus oder ein Anapäst. Die Zulässigkeit
8 Hiatus ist zweifelhaft. Längung einer auslautenden kurzen Silbe kann
der Hebung stattfinden. Widerstreit zwischen Wortaccent und Vers-
us ist durchaus nicht vermieden. Der Reim wird nicht gesucht und
, wenn er vorkommt, zufällig. Auch der Aufbau der Gedichte folgt
iten Gesetzen; vier Zeilen sind zu einer Strophe zusammengeschlossen,
las Gedicht besteht aus acht Strophen. Offenbar hing diese Gomposition
r Hymnen mit der antiphonischen Vortragsweise zusammen. Aus dem
sagten ergibt sich, dass die lyrische Dichtung des Ambrosius auf dem
iden der nationalen Dichtung erwachsen ist. Selbst in der Wahl des
^trums scheint Ambrosius von nationalen Rücksichten beeinflusst worden
sein ; er wählte den Vers, der damals so beliebt war, dass sogar Epen
demselben gedichtet wurden.^) Auch die Gedankenwelt der ambro-
.nischen Hymnen hat klassischen Anstrich; die ruhige objektive lyrische
twegung erinnert vielfach an die Oden des Horaz. Ambrosius war aber
;ht bloss Dichter, sondern auch Komponist, denn seine Gedichte waren
nicht zum Lesen, sondern zum Singen bestimmt. In Bezug auf die
)lodien war er auf den Orient angewiesen. Dort hatte sich besonders
Syrien die griechische Musik in der Kirche zu grosser Blüte entfaltet,
igustin bezeugt auch ausdrücklich die Abhängigkeit des Ambrosius in
isikalischer Einsicht vom Orient. Dass sich seine Musik dem Metrum
r Hymnen anschmiegte, ist kaum zweifelhaft.
863. Die einzelnen Hjrnmen. Die Hymnendichtung des Ambrosius
izte, wie alles Neue von Bedeutsamkeit, zur Nachahmung. Es trat eine
dhe von Dichtern auf, welche ebenfalls Hymnen im Versmass und im
il des Ambrosius zu schreiben versuchten und ihrem Vorbild mehr oder
)niger gleichkamen. So bildete sich eine Gruppe von Gedichten, welche
ter dem Sammelnamen , Ambrosianische Hymnen" sich zusammen-
>) Vgl. Ebert, Allgem. Gesch. der Litt, des Mittelalters 1> (Leipz. 1889) p. 181.
■ K
■ r
208 AmbroBins. (§ 863.)
fanden. Da diese Lieder für die Liturgie bestimmt waren und nur in
selben ihr Leben hatten, war der Name des Dichters gleichgültig;
ambrosianische Hymnus wurde also zum Gattungsbegriff. Dadurcl
uns natürlich sehr erschwert, das Eigentum des Ambrosius festzust<
Zum Glück kommt uns Augustinus zu Hülfe. Dieser, ein in jeder
sieht einwandfreier Zeuge, gibt uns vier Hymnen ausdrücklich als
brosianische an. Es sind dies: 1. Dens creator omnium, 2. Aeterne r
conditor, 3. Jam surgit hora tertia, 4. Yeni redemptor gentium. I
dieses wertvolle Zeugnis Augustins bekommen wir eine feste Gruni
für die Erkenntnis der ambrosianischen Hymnendichtung ; die von Aug
genannten vier Hymnen müssen den Ausgangspunkt für den Erfor
der ambrosianischen Hymnen bilden; auch wir haben oben dieselbe)
unsere allgemeinen Betrachtungen zur Grundlage genommen. An
Hand der vier Hymnen wurden im Lauf der Zeit verschiedene Yen
gemacht, das Corpus der ambrosianischen Hymnen wieder zu gewii
So haben die Benediktiner noch acht unseren vier Hymnen hinzugefi
Eine methodischere Betrachtung wurde in neuerer Zeit durch BL
und Dreves angebahnt. Besonders erwies sich die Heranziehung der
länder Liturgie^) fruchtbringend. Mit Benutzung aller einschlägigen
terien kann man noch mindestens zehn den bei Augustin genannten
zufügen. 8)
Die Hymnen des Ambrosius sind schlicht und einfach, aber ede
halten. Die Gedanken strömen reichlich in denselben; diese Geda
aber fliessen aus dem Born eines lebendigen Glaubens. In den
Formen thut sich eine neue Welt vor unseren Augen auf; die nich
Schemen sind verschwunden, das von Worten lebende hohle Patho
ausgemerzt, wir hören jetzt den Pulsschlag eines von christlichen ]
erfüllten Herzens, und selbst die Natur wird in den Dienst Gottes ges
Erst mit dieser Dichtungsgattung ist eine wahrhaft christliche Poesie
standen. Dem Epiker legte der biblische Bericht zu grosse Fesseli
dem Lyriker dagegen stand das weite christliche Gemütsleben offen.
konnte der Diclitergenius sich frei emporschwingen.
Der Hymnus Ambrosianus. Beda« De arte mctr. c. 11: Hymnos vero, quof i
itUerftantihns canere oportet j necesse est singulis versibus ad purum esse distinctos, ui
omnes Amhrosiani. Sicher bezeugt sind folgende Hymnen von Ambrosius:
1. Dcus Creator omnium. Diesen H3rmnus citiert Augustin confess. 9, 12: :
datus sum reridkos versus Amhrosii tui: tu es enim deuSy creator omnium etc.
noch de vita beata c. 35. Der Hymnus ist ein Abendhymnus von acht Strophen. E
fallt naturgemäss in zwei Teile, in einen Dank für den verlebten Tag and in eine ]
um Bewahrung vor der Sünde in der Nacht. Mit der Anrufung des dreieinigen (
bchliesst der Hymnus.
2. Aeterno rorum conditor. Den Hymnus bezeugt Augnstin retract. 1, 21:
cantatur ore midtorum versibus beatissimi Ambrosii, ubi de gallo gallinaceo ait: Hoc
petra ecclesiae caneute culpam diluit. Dieselben Gedanken, die der Hymnus anssf
finden sich im Hexat'raer. 5, 24. Der Hymnus ist ein Morgenhymnus; es wird zaen
^) Vgl. das Verzeiclmis von Dreves. nica medii aevi 27 (1897) p. 35).
*) M. Magistrctti, Monumenta veteris ^) Gegen diese Versuche verhält
liturgiae Ambrosianae, Mailand 1898. Ueber ablehnend Th. Förster, Ambrosius vor
die Verwertung ambrosianischer Hymnen in , land, Halle 1884, p. 264; Ambrosius i
der mozarabischen Liturgie vgl. C. Blume, encycl. für protestantische Theol. und!
Hymnodia Gotica. Die mozarabischen Hym- 1* (1896) p. 447).
nen des altspanischen Ritus (Analecta hym-
Ambrosins. (§ 868.) 209
Sanunbrechen des Morgens mit dem Hahnemnf und seine Wirkung geschildert Der Sänger
nAi dem neuen Tag yertrauensvoll entgegen und geht zum Morgengebet über.
8. Jam surgit horatertia. Auch dieser Hymnus wird von Augustin bezeugt.
fbt sagt de natura et gratia c. Pelagianos c. 63: (AmbroHtui) in hymno suo dicit: Votisque
praestai sedulis, sanetum mereri spiritum. Die dritte Stunde bezeichnet nach un-
lerer Zeitrechnung die Morgenzeit von 8—9. Es war die Stunde, in der der Heiland ge-
kranzigt wurde. Der Hymnus schildert den Kreuzestod und seine Wirkung.
4. Yeni redemptor gentium. Der Hymnus wird mehrfach bezeugt: Augustinus
lenno 872: Hüne nottri gigantU excursum breviaaime cu: pulcherrime cecinit B. AmbroHus
Km hymno quem paulo ante cant(uti8. Da die Echtheit des sermo nicht ganz feststeht, ist
nt beachten, dass Weyman (Misz. zu lat Dicht, p. 10) den Hvnmus (Vs. 19) durch tract.
m er. Joann. 59, 3 geschützt glaubt. Weiterhin citiert ihn der Papst Gaelestinus 422—432;
rgl. Efttstolae Romanorum Pontificum ed. Coustant T. 1 (Paris 1721) p. 1098. Faustus
ima 455) erwfthnt den Hymnus in der epistola ad Gratum diaconum (Monum. Germ. Auct. antiq.
vIH p. 286 ed. Kruse h); endlich erwähnt ihn noch Gassiodor in psalm. 8 und in psalm. 71.
[>er Hymnus bezieht sich auf die Menschwerdung des Erlösers und ist ein Weihnachtslied
ron sUrk dogmatischem Charakter. Von dem Hymnus ist auch noch eine andere Anfangs-
Itcophe Überliefert: Intende qui regis Israel, | super cherubim qui sedes, \ appare Ephrem
PTgm exeita \ potentiam tuam et veni. Die Meinungen fiber die Echtheit der Strophe sind
nteilt. Mono (Die lateinischen Hymnen des Mittelalters 1 p. 43), Förster (Ambrosius,
Balle a. 8. 1884, p. 329 Anm. 115) und Dreves, Ambrosius, der Vater des Kirchengesanges
pBn^bisnngsheft 58 zu den Stimmen aus Maria-Laach, Freiburg i. B. 1893, p. 63) sind für
ne Echtheit; Kays er (Beitr. zur Gesch. und Erklärung der ältesten Kirchenhymnen, Pader-
born' 1881, p. 172 Anm. 1) ist dagegen. Da die Strophe im Cistercienserbrevier und in sämt-
Bdien Quellen der Mailänder Liturgie steht, auch Gründe sich auffinden lassen, die zur
Btraichung der Strophe führten, wird an der Echtheit festzuhalten sein, aber dann muss die
eine Dozologie enthaltende letzte Strophe gestrichen werden, um die gesetzmässige Zahl
▼on acht Strophen zu erhalten.
Das Zeugnis Augustins wiegt so schwer, dass ein Zweifel an der Echtheit dieser
Tier Hymnen nicht aufkommen kann. Dieses Zeugnis erhält Übrigens noch eine Bestätigung
diirdi den einheitlichen Charakter, der den 4 Hymnen in Bezug auf Form und Inhalt inne-
wohnt Diese Hymnen ermöglichen uns, ein klares Bild von der ambrosianischen Hymnen-
dichtiiiig zu gewinnen und auf dieser Grundlage auch andere Hymnen dem Ambrosius zu-
saweieen. Hierzu gesellt sich noch ein äusseres Kriterium : das Vorkommen eines Hymnus
in der Alt-Mailänder Liturgie spricht auch fOr dessen Abfassung durch Ambrosius. Auf
Qmnd dieses äusseren und inneren Kriteriums teilen Biraghi, Inni sinceri e carmi di
Smnf Ambrogio, vescovo di Milano, Mailand 1862 und Dreves 1. c. (s. auch Colombo, Gli
inni del breviario Ambrosiano, Mailand 1897) noch folgende 14 Hymnen dem Ambrosius zu:
1. Splendor patemae gloriae (vgl. Hexaem. 1, 6. Victor, Nabor, Felix pii.
5, 19 p. 15, 19 Seh. est enim splendor 7. Grates tibi, Jesu novas.
gloriae patemae)^ 8. Apostolorum passio.
2. Amore Christi nobilis. 9. Apostolorum supparem.
8. ninminans altissimus (doch vgl. Ihm, 10. Aetema Christi munera.
Stadia Ajnbrosiana p. 60). 11. Jesu corona virginum.
4. Agnes beatae yirginia (fOr unecht erklärt 12. Nunc sancte nobis Spiritus.
von Pio de'Cavalieri, Röm.Quartalschr. 13. Rector potens, verax Dens.
Supplementheft 10 (1898) p. 8). 14. Rerum Dens, tenax vigor.
&. Hie est dies verus Dei.
Bezfiglich der vier letztgenannten No. 11, 12, 13, 14 statuiert Dreves'nur die Wahr-
■eheinüchkeit der Autorschaft des Ambrosius.
Die Einführung des Hymnengesangs durch Ambrosius. Sermo contra
Aoxeniium 34 (gehalten im Jahre 386): Hymnorum quoque meorum carminibus decepium
populum ferunt, Plane nee hoc ahnuo, Orande carmen istud est, quo nihil potentius. Quid
emim potentius quam eonfessio Trinitatis, quae qtwtidie totius populi ort ceUbratur? Cer-
tat im omnes Student fidem fitteri, Patrem et Filium et Spiritum sanctum norunt persibus
fraedicare. Facti sunt igitur omnes magistri, qui vix poierant esse discipuli. Paulinus
▼üa Ambroaii 13: Hoc in tempore (Ostern 886) primum antiphonae, hymni ac Hgiliae in
eeefesia Mediolanensi celebrari coeperunt, Cuius celebritatis devotio usque in hodiernum
diem non solum in eadem ecclesia, verum per omnes paene oceidentis provincias manet, Au-
gustinus Confess. 9, 7 gelegentlich seiner Taufe (25. April 387): Non longe coeperat Me-
dioianensis ecclesia genus hoc consolationis et exhortationis (Hymnengesang) celebrare magno
studio fratrum concinentium vocibus et cordibus, Nimirum annus erat aut non multo am-
pHus, cum Jutiina, Valentiniani regis pueri mater, hominem tuum Ambrosium persequeretur
kaeresis suae causa, qua fuerat seducta ah Arianis. Excubahai pia plebs in ecclesia mov\
BMMidbaeh der klam, AltMinBuiwtmenaeh§n, Vm, 4. W
210 Ambrosins. (§868.)
parata cum episcapo tmo, nervo tuo. Ibi mater mea, anciUa tua, sollieitudinis e\
primas tenens, orationibua vivebat. Nos adhue frigidi a calore Spiritus tut i
tarnen civUate attonita atque turbata, Tunc hymni et psalmi ut canerent
dum morem orientalium partium, ne papulus maeroris taedio contabeseeretf
est; ex illo in hodiernum retentum muüi» iam ae paene omnibus greyibus tuis ei
orbis imitantibus.
Ueber Metrik und Versbau vgl. Förster, Ambrosius p. 266; Dr<
brosius p. 46; Wilhelm Meyer, Ueber die Beobachtung des Wortaccentes
lateinischen Poesie (Abh. der Mflnchener Akad. 17. Bd. 1. Abt, München 1886,
Ueber die ambrosianischen Melodien vgl. Dreves, Ambrosius
Thierfelder, De Christianorum psalmis et hymnis usque ad Ambrosii tempo
1868, p. 34, welcher besonders ausfELhrt, dass die ambrosianischen Melodien im
Takte geschrieben waren und, abgesehen von einigen Variationen, mit dem Mett
klang standen. Peter Wagner, Hist Jahrb. der Görresges. 15 (1894) p. 12i
Dreves, Zeitschr. f&r kath. Theol. 18 (1894) p. 575.
Erläuterung und Uebersetzung einzelner Hymnen. Kayser,
Gesch. und Erklärung der ältesten Kirchenhymnen, Paderborn' 1881, hat folgen(
erläutert: 1. Dens creator omnium (p. 133); 2. Aeterno rerum conditor (p. 15<
redemptor gentium (p. 172); 4. Jam surgithora tertia (p. 186); 5. Splendor patei
(p. 199); 6. Aeterna Christi munera (p. 222); Dreves folgende: 1. Aeterno rer
(Stimmen aus Maria-Laach 51 (1896) p. 86); 2. Splendor patemae gloriae (ebend
p. 241); 3. Agnes bcaUe virginis (Zeitschr. für kathol. Theol. 25 (1901) p. 356). 1
'Jam surgit hora tertia' übersetzt und erläutert bei Dreves, Stimmen aas Mar
(1898) p. 273. Englische Uebersetzung des Weihnachtshymnus 'Veni redempt
von Nealc bei F. E. Gilliat Smith, Two mediaeval cristmas offices (The Du
116 (1895) p. 48). Der Hymnus 'Aeterno rerum conditor' auch übersetzt b€
"\f*'' \ hörn. Aus den Quellen der Kirchengesch. 2. Heft, Berl. 1899, p. 49.
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■ • • *
Unter dem Namen des Ambrosius werden noch aufgeführt:
1. Die tituli. Im Jahre 1589 hat Juretus im 8. Bd. der Bibl. patrum
21 Distichen, aus je zwei Hexametern bestehend, unter folgendem Titel neransg
ripiunt distieha sancti Ambrosii de diversis rebus quae in basilica Ambrosiana f
Der Codex, dem er diese Sammlung entnahm, ist verschollen. Doch hat L. Trau
brosii titulis (Hermes 27 (1892) p. 158) die schöne Beobachtung gemacht dass
Heiric von Auxerrc in der Vita des hl. Germanus, welche er 876 Karl dem Kohl
zu 5, 4, um die Prosodie von pra est olata zu erläutern, am Rande beischrieb: Prud*
Atolatur ovans sponsam de yenlihus Isaar. Nun lesen wir bei Juretus als 4
Praestolatur ovans sponsae de gentihus Isaac, \ Kcce Rebecca venit sublimi recta t
selbe Kundvers findet sich auch im cod. Parisinus 12949 s. IX auf einem eingele
am Schluss ist noch Prudentii beigesetzt. Diese zwei Zeugnisse sind aber walirsc
eines. Da der citicrte Vers nicht von Prudentius ist, so ist es sehr wahrsclu
die tituli in den Handschriften anonym überliefert waren und die Zuteilung
Prudentius als auch an Ambrosius auf Conjcctur beruht. Es kommt noch hinz
vom Standpunkt der Ikonographie Bedenken gegen die Autorschaft des Ai\
heben; vgl. F. X. Kraus, Gesch. der christl. Kunst 1 (Freib. 1896) p. 386; Rep<
Kunstwiss. 19 (1896) p. 457; E. Dobbert, Das Abendmahl Christi in der bild<
(Repertorium für Kunstwiss. 14 (1891) p. 181). Trotz der eingehenden Verte
Echtheit von Biraghi (Inni sinccri e Carmi di Sant' Ambrogio. vescovo di Milfi
1862) und Merklc, Die ambrosianischen Tituli (Rom. Quartalschr. 10 (1896) p.
die tituli verdächtig. Ausg. der tituli mit Noten bei Merkle p. 214: V.
E. Seletti, Iscrizioni cristiune in Milano, Cordogno 1897, p. 224.
2. Epigramme. Cannina epigr. ed. Buecheler No. 906 condidit Ami
plum dominoqne sarrarit etc.; es ist Vs. 5 einer für die Kirche des Nazarius
Inschrift, die allgemein dem Bischof Ambrosius zugeschrieben wird. No. 908 au
Hteriuni der Theclukirche in Mailand. Buecheler bemerkt: „Nee dubitat Rossius
dicere auctorem*. No. 1421 Urauio Satijro supremum frater honorem \ martyri
dctulit Ambrosius etc., wozu Buecheler: ,,Ambrosius suum fratrem Satyrum moi
iuxta s. martyrem Victoren! scpclivit et epitaphium hoc dictavit tetrasticho Du
a. 848, neque est quod de Ambrosio dubitemus auctore."
3. De ternarii numeri excellentia. Alcuin epist. 187 (Monnmenti
EjMst. tom. IV) teilt Verse aus dem genannten Gedicht dem Ambrosius zu; eben
4. De nuturis rerum (über die Allmacht und Weisheit Gottes in
Pitra (Analecta sacra et classica 1 (Paris IXHR) p. 121) gab nach einer Oxforder
AureliuB PrndentiuB Clemens. (§864.) 211
mit dem bezeiehneten Titel nnter dem Namen des Ambrosius heraas; die Aator-
ist natOrlich zweifelhaft.
5. Der sog. ambrosianische Lobgesang «Te Deum landarnns". Morin,
iQr du Te Deum' (Revue B^nödictine 7 (1890) p. 151); Nouvelles recherches sur Fauteur
Denm* (ebenda 11 (1894) p. 49); Notes additionnelles ä l'^tude snr l'autenr du 'Te
* (ebenda 11 (1894) p. 337; 15 (1898) p. 99). Morin betrachtet als Verfasser oder
des Te Deum laudamns' den Bischof Niceta von Remesiana, fQr den Paulinus
N<da ein Propempticon gedichtet hat; vgl. Th. Zahn, Neuere Beitr. zur Gesch. des
»lischen Symbolums (Neue kirchl. Zeitschr. 7 (1896) p. 106); F. Eattenbusch, Theol.
Dizeitnng 1896 Sp. 308; Das apostolische Symbol 1 (Leipz. 1894) p. 404; Loofs,
. für Eirchengesch. 18 (1897) p. 466; Weyman, Bors. Jahresber. 93. Bd. 2. Abt.
p. 170; A. £. Burn, An introduction to the Creeds and to the Te Deum, London
; dagegen £. Hümpel, Nicetas, Bischof von Remesiana, Erlanger Diss. 1895, P* 51
2 = Neue Jahrb. fOr deutsche Theol. 4 p. 325. Zur Textesgeschichte vgl. F. E.
rren, The Antiphonary of Bangor 2 (London 1895) p. 98; W. Meyer, Nachr. der Gott.
der Wiss. 1908 p. 200; Weyman (Berl. philol. Wochenschr. 1896 Sp. 1107) vergleicht
Ys. 17 mit Pacianus sermo de bapt. 4 p. 136 Peyrot (13 Sp. 1092 Migne). Ueber ältere
he üebersetzungen vgl. Eayser, Beitr. zur Gesch. und Erklärung der iQtesten Kirchen-
Paderborn* 1881, p. 443, der den Hymnus (p. 448) auch erläutert hat.
8. Aurelius Prudentius Clemens.
864. Sein Leben. Aurelius Prudentius Clemens, der grösste antike
iche Dichter, ist ein Sohn Spaniens, und zwar werden wir im tarra-
ischen Spanien seine Heimat zu suchen haben; seine Geburtsstadt mit
ler Sicherheit zu ermittehi, ist uns nicht mehr möglich. Die Zeitgenossen
igen nahezu gänzlich über den Dichter, und das Wenige, das wir
#on ihm wissen, verdanken wir fast nur ihm selbst. Als Prudentius das
^^p, Lebensjahr zurückgelegt hatte — es war dies im Jahre 405 — , ver-
"^^^Ni^to^ ®^ ^^^^ Sammlung seiner Gedichte und gab ihr ein Vorwort
aaf den Weg. Hier legte er sich die Frage vor, was er denn Nütz-
in seinem Leben geschaffen habe. Zu dem Zwecke gab er in einigen
»hen seine Biographie. Seine Schulzeit war eine harte, und er seufzte
»r der Zuchtrute. Wie die Söhne aller gebildeten Familien studierte
er die Rhetorik mit ihrem Trug. Der Schulzeit folgte ein sinnlicher
gewidmetes Jugendleben, das ihm noch in seinen alten Tagen tiefen
LOmmer bereitet. Als Beruf hatte sich Prudentius die Advokatur erwählt ;
ich sie brachte ihm manche schlimme Erfahrungen. Doch eröffnete sie
die höhere Beamtenlaufbahn; zweimal will er eine amtliche Thätig-
it ausgeübt haben, deren Mittelpunkt die Rechtsprechung in Civil- und
ihen war. Wir werden darnach vermuten dürfen, dass er zweimal
Statthalterschaft einer Provinz bekleidete ; diese zwei Provinzen werden
in Spanien zu suchen haben, da uns keine Spuren auf ein anderes
Luid führen. Aber Prudentius stieg noch höher; er erhielt eine Stellung,
welche ihn in unmittelbare Nähe des Kaisers brachte. Mittlerweile war
IJft alt geworden, da ergriff ihn ein Ekel über die abgelaufenen Jahre;
rMine Gedanken wandten sich zu dem künftigen Leben. Er fasste den
"IntBchlass, mit seiner Vergangenheit vollständig zu brechen und seine
ganze Kraft der christlichen Dichtung zu widmen. In der Vorrede führt
der Dichter uns den Moment vor, in dem er nach seinem Rücktritt aus
r dem öffentlichen Leben sich selbst zuruft, die Thorheit abzulegen und den
f gßttlichen Sang zu pflegen. Er unterscheidet auch in seiner Aufforderung
/ die verschiedenen Arten des Gesanges; es sind die Gedichte, die er dem
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212 Anrelins Pradenüns Giemen«. ({ 864.)
Leser bietet, als er die Vorrede schrieb. Sonach deutet die
Rede an, dass der Dichter die vorliegende Sammlung nicht als
seiner Thätigkeit erachtet, sondern sie noch fortsetzen will, i
rend Prudentius jene Worte niederschrieb, ergriff ihn eine
nach dem Tode, und es gewinnt den Anschein, dass er bald
Herausgabe seiner gesammelten Werke, also nach dem Jahre 40i
Leben schied; denn sichere Spuren gehen über dieses Jahr nie
Wir sehen also, dass das Leben des Prudentius in zwe
zerfällt, von denen die frühere der Ausbildung und dem öffentlic
die spätere der christlichen Dichtung gewidmet ist. Nur durch
nach Rom, die im Jahre 402 oder 403 stattfand, ist die letzte Pen
brechen. Die von ihm veranstaltete Gesamtausgabe seiner Werl
nach der Vorrede das Cathemerinon, ein Tagzeitenbuch, die Ap<
der die Trinitätslehre in katholischem Sinne verfochten wird, di<
genie, in der der Ursprung der Sünde erörtert wird, und wob
Psychomachie, Kampf um die Seele, dann die zwei Bücher g<
machus, welche das Heidentum bekämpfen, endlich das Peristep
die Apostel und die ersten christlichen Blutzeugen feiert. Nicl
ist das Dittochaeon, eine Sammlung von Epigrammen auf christli
wahrscheinlich, weil die Arbeit zu unbedeutend erschien.
Biographisches, a) Der volle Name Aurelias Prudentius Cle
sich aus der handschriftlichen Ueherlieferung, z. 6. aus dem Puteanus. /?) S e i
jähr ist das Jahr 348; denn aus praef. 24 geht hervor, dass er Salia cot
ist. y) Seine Heimat ist Spanien; vgl. Peristeph. 6, 145 exultare tribus lii
qtwrum praesidio fovemur omnea | terrarum populi Pyrenearum. 2, 537 nos l
dividit I bin 18 remotos Alpibns \ trans Cottianorum h4ga, \ irana et Pyrem
1, 116 deutet Pr. auf Calagurris als oppidum nosfrmn; vgl. 4. 31 nostra Calag
Caesaraugusta bezeichnet er (Peristeph. 4, 1) mit nostra^ ebenso Tarraco (6, 143
bedeutet hier entweder den Aufenthaltsort oder die Zugehörigkeit zu der engere
Dichters, welche die terra Hibera war; vgl. Schmitz. Die Gedichte des Pnidei
Entstehungszeit, Aachen 1889, p. 1 Anm. 2; Sixt, Die lyrischen Gedichte de
dentius Clemens, Stuttgart 1889, p. 3 Anm. 1. Für Caesaraugusta als Geburtsor
plädiert Sixt 1. c; aber auch seine Beweisführung ist nicht durchschlage
Todesjahr des Dichters ist unbekannt; wir wissen nur, dass er 405, als er
war, sich noch am Leben befand. e)Ueber sein Leben vgl. die Praefatio.
harte Schulzeit vgl. Vs. 7. Seine rhetorische Ausbildung berühren die Verse 8 und
haftes Jugendleben 10 — 12. Seine Thätigkeit als Advokat schildert er mit den \V<
exin iurgia turbidos \ armarunt animos et male pertinax \ vincendi Studium subi
asperis. Seine amtliche lliätigkeit wird durch folgende Worte bezeichnet
leyum moderamine \ frenos nobilium reximus urbiumj \ ius civile bonis reddidim
reo8. Allgemein werden die Worte so gedeutet, dass Prudentius zweimal Sta
Provinz war. Schwieriger sind dagegen die folgenden ein anderes Amt andeu
(19 — 21): (andern militiae gradu \ evectum pietas principis extulit \ adsumptum
iuhens ordine proxitno. Da Prudentius 348 geboren, war er, als Theodosiu;
bestieg (379), 31 Jahre alt. Prudentius kann sonach kaum vor diesem Kaisei
gezogen worden sein. Schwierigkeit macht hier die Deutung des Wortes mili
sich, ob es von bürgerlicher oder militärischer Stellung zu verstehen ist. Wo
sieht auf unsere Stelle folgert Gennadius (de vir. ill. 13): <'.r quorum lectiof
Falaiinus miles fuisse. Für die eigentliche Bedeutung von militia treten h
Kayser, Beitr. zur Gesch. und Erklärung der ältesten Kirchenhymnen, Pad€
p. 254 Anm. 4 und Sixt p. 5 Anm. 2. Schmitz (1. c. p. 5) meint, Prudentius
Protectores aufgenommen worden. Da der Dichter durch ordine proxinw au
stufe und zwar auf einen primus ordo hinzuweisen scheint und militia auch v
verstanden werden kann, wird man doch vielleicht besser anzunehmen habe
dentius comes primi ordinis gewesen; vgl. Puech, Prudence p. 49. Eine R
in den Hymnen 9, 11, 12 des Peristephanon angedeutet; dieselbe fand kurz vor
gäbe der Bücher gegen Symmachus im Jahre 402 oder 403 statt; vgl. Roeslei
Anrelius Pradentius Olemens. (§ 864.) 213
»0» die Jahre 403 oder 404 verlegt die Reise Puech p. 61). ÜDrichtig setzt sie Merkle
M. Quartalschr. 76 (1894) p. 115) in das Jahr 889. Die Zeit der Romreise kann fol-
Aennassen bestimmt werden. Vor 405 fallen die Gedichte des Pnidentius; Peristeph. XII
H die Romreise voraus, also f&llt sie vor 405. Die Basilika des Paulus wird in dem*
MBB Hymnus des Peristeph. Ys. 45 — 54 als vollendet vorausgesetzt; ihre Vollendung fällt
iuk Anfang des 5. Jahrn. Also ist der terminus post quem 400 und der terminus ante
IB 405. Ueber den terminus ante quem 405 .kommen wir zurQck, wenn es richtig ist,
i die Bficher gegen Symmachus in Rom abgefasst wurden; ihre Abfassung fällt aber
Im Jahr 402 oder 408.
Die Werke des Prudentius. In der Einleitung bezeichnet Prudentius folgende
■ke: 1. Ys. 87 (anirna) hymnis continuet dies, \ nee nox ulla ixicet, quin Dominum canat.
ie Worte deuten auf das Cathemerinon, das , Tagesliederbuch ". 2. Ys.Sd pugnet
kr» hereses, catholicam discutiat fidem. Hier wird angespielt auf die Gedichte Apo-
lOsis und die Hamartigenie; dagegen ist es etwas schwieriger, die Psychomachie
r angedeutet zu sehen; vgl. auch Bergman, Ausg. der Psych, p. XXYIII. Doch da
h in diesem Gedicht die Häresie personifiaert erscheint, wird man sie nicht ausschliessen
fen. Jedenfalls irrt Höfer (De Prudentii poetae Psychomachia et carminum chronologia,
tb. 1895), wenn er (p. 49) bloss die Apotheosis hier berücksichtigt findet und nicht nur
Pftychomachie, sondern auch die Hamartigenie ausgeschlossen wissen will. 3. Ys. 40
ctUeei Sacra gentium \ Idbem, Roma^ tuis inferat idoUs. Hier werden die zwei Bficher
(en Symmachus poetisch umschrieben. 4. Ys. 42 Carmen martyribus devaveat, laudet
Hoias. Hier ist der Liederkranz Peristephanon gekennzeichnet. Ffir die Interpretation
Stelle ist von Wichtigkeit, sich gegenwärtig zu halten, dass Prudentius in der Yorrede
I 80 stellt, als ob er die bezeichneten Werke erst in Zukunft schreibe; allein es ist
lern Zweifel unterworfen, dass hier eine Fiktion vorliegt; darauf deutet ja auch schon,
B Prudentius die Gedankenbewegung, die ihn aus dem öffentlichen Leben heraus zur
Lese und zur christlichen Dichtung drängte, nochmals bei der Herausgabe der Werke
1 vollziehen lässt. Ffir uns steht daher fest, dass Prudentius erst nach seiner Aus-
eidnng aus der amtlichen Thätigkeit, also in vorgerfickten Jahren, sich der christlichen
sie widmete und dass seine Werke in verhältnismässig kurzer Zeit auf einander folgten.
der AufE&hlung der Gedichte scheint er der chronologischen Ordnung gefolgt zu sein,
»ei nicht ausser Acht zu lassen ist, dass beim Peristephanon, das aus einer jfingeren
1 Alteren Schicht besteht, nur die jfingere in Betracht zu ziehen ist. Ygl. noch Gennadius
vir. ill. 13): Prudentius^ vir saeculari litteratura eruditus, composuit Tropaeum (wofür
chrieben wird: ^ittoxaioy) de toto veteri et novo testamento personis excerptis, Commen-
is est et in morem Graecorum Hexemeron (nur hier) de mundi fabrica usque ad condi-
lemprimi hominis et praevaricationem eins, Composuit et libelloSf quos graeca appeUatione
\siiiulavit *Ano9iio0iq, ^v^ofiaxity 'AfÄaQuyiysiaj id est: de divinitaie, de compugnantia
mi, de origine peccatorum, Fecit et in laudem martyrum suh aliquorum nominibus in-
Barium ad martyrium librum unum et hymnorum aUerum^ speciali tarnen intentione
trsus Symmachum idololatriam defendentem, ex quorum lectione agnoseitur Palatinus
ts fuisse (unzuverlässiger Bericht; vgl. Gzapla, Gennadius p. 31).
Separatausgaben der Werke des Prudentius. Es fragt sich, ob Prudentius
it schon vor der Gesamtausgabe seiner Gedichte im Jahre 405 die einzelnen Werke dem
>likum fibergab. Schon von vornherein ist diese Ansicht sehr wahrscheinlich. Eine
risse Begrfindung erhält dieselbe durch Weyman, Prudentius und Sulpicius Severus
st. Jahrb. der Görres-Ges. 15 (1894) p. 370), der die Beobachtung machte, dass Sulpicius
ems in seiner Chronik, die nach J. Bernays im Jahre 400 fertiggestellt war und im
re 403 durch einzelne Zusätze erweitert wurde, ffir seine Erzählung der Geschicke des
las schon Gath. 7 vor Augen hatte; was Merkle, Neue Prudentius -Studien (Theol.
irtalschr. 78 (1896) p. 266) dagegen einwendet, ist nicht ausreichend, da die Totalität der
cheinungen in die Wagschale zu werfen ist.
Litteratur. Eine Beurteilung bei Puech p. 70. «) Allgemeine Schriften:
}. Brys, De vita et scriptis Aur. Clem. Prud., Loewen 1855; P. Stern, Aurelius Pru-
tiuB, ein chrisU. Dichter des vierten Jahrhunderts, Gran 1859; L. Paul, Etudes sur
dence, Strassb. 1862; GL Brockhaus, Aur. Prud. Glemens in seiner Bedeutung ffir
Kirche seiner Zeit, Leipz. 1872; J. Eayser, Beitr. zur Gesch. und Erklärung der ältesten
chenhymnen, Paderborn* 1881, p. 249; A. Roesler (Redemptorist), Der katholische
hter Aur. Prud. Clemens, Freib. i. Br. 1886 (vom katholischen Gesichtspunkt aus be-
delt; der Zusammenhang der Dichtungen des Prudentius mit der spanischen Liturgie
k betont); vgl. Deutsche Litteraturzeitung 1887 Sp. 961 ; Weyman, Hist. Jahrb. der Görres-
. 10(1889) p. 116; vgl. jetzt auch Roeslers Artikel ^Prudentius" in Wetzer und Weites
chenlexikon 10* (1896) Sp. 578—581; femer A. Puech, Prudence; 6tude sur la po^sie
ne dur^tienne au lY® si^cle, FanB 1888 (hier ist besonderB der \\^«x«ix\l^&WA^^ ^«svöcXa-
214 Aurelins Prndentins demens. (§865.)
punkt enU'ickelt); Journal des Savants 1891 p. 810; Paul Löon, £tode aar Pni
8tras8b. 1862; De laVinftza, Aurelio Pradencio demente, estadio biogrAfico-crÜMi, i
gossa 1888; vgl. Sixt, Correspondenzblatt für die Gelehrten- und Realschulen Wh
bergs 38 (1891) p. 218; Matthias Schmitz, Die Gedichte des Pradentios und ikn
stehungszeit 1. Teil, Aachen 1889; A. Zaniol, Aur. Pradenzio Gl. poeta cristiano, \m
1890 (ohne Bedeutung); A. Ebert, AUgem. Gesch. der Litt des Mittelalters 1* (LeipL:
p. 251; M. Manitius, Gesch. der christl.-lat Poesie, Stattgart 1891, p. 61; Garns, Sir
gesch. von Spanien 2. Bd. 1. Abt (Regensb. 1864) p. 337; J. Thackeray, VnAmA
sketsch (Macmillans Magazine, Jnliheft 1889); vgl. auch dessen Einleitung in Trmhj
London 1890; G. Boissier, Stades d'histoire religieuse. Le po^te Prudence (Ben
deux mondes 91 (1889) p. 357); jetzt ersetzt durch das entsprechende Kapitel des Bi
La fin du paganisme 2 (Paris 1891) p. 123; Baumgartner, Gesch. der Weltlitt 4(1
i. Br. 1900) p. 152; Glover, Life and letters in the fourth Century, Cambridge 1901, f
ß) Spezielle Schriften: H. Middeldorpf, De Prudentio et theologia Prudentiani, 1
1828; 1826 = Ilgens Zeitschr. fOr hist.TheoL2 (1832) p. 127; P. Allard, Pradencelä
(Revue historique 35 (1884) p. 345); Rome au quatridme siöcle d'aprte les Do^mes di
dence (ebenda 36, 1885); Symbolisme d'apres Prudence (Revue de Tart cnr^tien, S
avr. 1885); S. Merkle, Neue Prudentiusstndien. III. Prudentius und das Filioqoe f!
Quartalschr. 78 (1896) p. 271); P. Chavanne, Le Patriotisme de Prudence (Revue d'bi
de litt relig. 4 (1899) p. 332; p. 385). — F. Delavigne, De lyrica apud Prudentiiim
Toulouse 1848; £. Faguet, De Aur. Prudentü Glem. carminibus lyricis, Paria 1883; G.
Die lyrischen Gedichte des Aur. Prudentius Clemens, Stuttgart 1889; vgl. dazuWey
Hist Jahrb. der Görresges. 11 (1890) p. 406; 0. Höf er, De Prudentü poetae Psvcboi
et carminum chronologia, Marb. 1895; dazu Wey man, Berl. philol. Wochenschr. 1897 S
865. Gathemerinon liber (Tagzeitenbuch). Unter diesem Titel
eine Sammlung von zwölf Liedern verzeichnet. Aber der Name pasg
auf einen Teil der Sammlung,^) nämlich auf die sechs ersten Qei
von denen zwei Morgenlieder, zwei Tischlieder und zwei Abendlieder
hierzu kann man noch das neunte Gedicht rechnen, das für jede £
des Tages passen soll. Die übrigen Stücke der Sammlung sind
Fastenlieder, zwei Festlieder auf Weihnachten und Epiphanie ui
Totenlied. Das erste Gedicht, überschrieben ,,Beim Hahnenruf*,
sich in symbolischen Deutungen:*) der Schlaf erscheint als ein Bi
Todes, die Nacht als ein Bild der Sünde; auch ist es die Nacht,
die bösen Geister ihr Spiel treiben. Christus ruft uns aber zum
Der Hahnenschrei erinnert den Dichter an Petrus und seine Verleu
Christi und an den Glauben, dass Christus beim Hahnenschrei ai
Hölle zurückgekehrt sei. Die Faränese drängt sich von selbst au
wacht vom Sündenschlaf zum neuen Leben. Das zweite Stück i
Morgengebet. Auch dieser Hymnus wird von dem Gedanken durchdr
dass die Sünde die wahre Finsternis und Christus das wahre Licl
geistige Sonne ist. Von den zwei Tischgebeten ist das »Vor dem ]
(No. HI) ungemein breit angelegt. Naturgemäss hebt der Dichter n
Bitte an Christus an, das Mahl zu segnen, denn nur da, wo Christus
sei alles wohlbestellt. Der Phantasie des Dichters stellt sich dei
dar, der uns alles spendet; er knüpft daran eine Schilderung, wie d
schiedenen Nahrungsmittel gewonnen werden. Interessant ist, das
dentius für den Vegetarianismus in die Schranken tritt und die Pfl
nahrung als die für die Christen passende erachtet. Die Gedankenbe^
geht zum Lobe des Herrn über, der den Menschen nach seinem B:
^) Birt (Antikes Buchwesen, Berl. 1882, *) lieber die symbolische Bedeiii
p. .305) vermutet, dass das Gathemerinon eigen t- Hahnes vgl. Kayser p. 276 und
lieh aus zwei Büchern zusammengeflossen sei. ; demselben (p. 283) mitgeteüte Gedic
Aurelins Pradeniius Clemens. (§865.) 215
Sen ; daran reiht sich der Sündenfall. Von da aus schweift der Dichter
Preis der Massigkeit und schliesst mit dem Hinweis auf die Un-
ichkeit. Das Gebet »Nach dem Tische" (No. IV) beginnt mit einem
des himmlischen Vaters. Die Speisung des Daniel in der Löwen-
durch Habakuk gibt wieder zu Ausdeutungen Anlass ; nahe lag der
e, der Speisung Daniels durch Habakuk die Speisung der Christen
dem himmlischen Worte gegenüberzustellen. Der fünfte Hymnus^)
P bestimmt, beim Anzünden des Lichtes gesprochen zn werden. Manche
IfdBrer wollten denselben auf die Ostervigil beziehen, allein schon seine
pUDang in der Reihe der Hymnen, welche die Tageszeiten zum Qegen-
■od haben, lässt die allegorische Deutung als unannehmbar erscheinen.
peh in diesem Gedicht spielt wieder der Gedanke, dass Christus das
0kte Licht sei. Nach einer schönen Schilderung der Lichtflamme kommt
0 Autor auf die Feuererscheinungen im alten Testament. Auch der Zug
■r Israeliten durch das rote Meer und der Untergang Pharaos tritt vor
Sne Seele; der Einzug der Israeliten in das gelobte Land erinnert an
in das himmlische Vaterland. Zuletzt kehrt die Rede doch wieder
Spender alles Lichtes zurück. Das zweite Abendlied (No. VI) be-
indelt nach Anrufung der Dreieinigkeit das Leben der Seele, welche
ich in der Nacht nicht rastet. Dem Bösen folgen böse Schreckbilder,
HD Frommen werden liebliche Visionen zu teil, wie dem Patriarchen
Nseph und dem Apostel Johannes. Der Dichter empfiehlt das Kreuzes-
lichen, um die schlimmen Geister fernzuhalten. Mit den Fastenhymnen
iht Prudentius über die Tageszeiten hinaus und wendet sich zu den
Tochenfasttagen. ') Im siebenten Gedicht stellt er den Nutzen des
ftfitens vor Augen; daran schliessen sich Beispiele vom Fasten aus der
L Schrift: Elias, Johannes der Täufer, die Niniviten und Christus. Den
.usgang des Gedichtes bilden die Segnungen des Fastens, mit dem die
Qldthätigkeit Hand in Hand gehen muss. Durch die ausführliche Er-
Ihlong der Geschichte von Ninive, in die auch die Schicksale des Jonas
ineingeflochten werden, nimmt der Gesang eine grosse Ausdehnung an;
r ist der längste Hymnus unserer Sammlung. Für die neunte Stunde,
1 der das Fasten aufhört, ist der achte Hymnus gedichtet. Das neunte
t&ck, das für jede Tageszeit bestimmt ist, enthält ein Lob Christi und
^iner wunderbaren Thätigkeit, welches, da der Erlöser der Mittelpunkt
Qseres gesamten Lebens sein soll, zu jeder Stunde berechtigt ist. Es
(t ein Hymnus von hohem Schwung, zu dem das Metrum vortrefflich
asst. Als das gelungenste Gedicht wird der anapaestische Totengesang
^o. X) angesehen. Er geht aus von der Betrachtung des Verhältnisses
ansehen Leib und Seele. Die Sorgfalt, die den Gräbern zu teil wird, hat
') üeber die Bedehang zwischen Ys. { der Hölle. Ein Beitr. znr Prudentius -Er-
S5 ff. und der Apokalypse des Paulus (Har- klärung und zur Geschichte der Apokryphen
ack, Gesch. der altduistl. Litt. 1 (Leipz. i (Rom. Quartalschr. 9 (1895) p. 489). Ein Ex-
)93) p. 788; James, Apocrypha anecdota, ' kurs hei Puech p. 301.
exts and Studios 2 (Oxford 1893) Nr. 3)
^. J. L^vi, Revue des ^tudes Juives 25
892) p. 1; dazu ein Nachtrag 26 (1893)
181; Weyman, Theol. Quartalschr. 76
894) p. 699; Merkle, Die Sabhatruhe in
*) Vgl. Brockhaus p. 93. Anders
Roesler (p. 102), der die beiden Fasten-
h3rmnen auch auf die Quadragesimalfasten
beziehen will.
216 Aurelins Prndenttns Clemens. (§866.)
darin ihre Berechtigung, dass auch der Leib zur Auferstehung auser
ist. Die Auferstehungsfreude durchzieht den ganzen Hymnus und
in dem schönen Satz: Wir sterben, um zu leben, ^) einen erha
Ausdruck. In unserer Sammlung folgen jetzt zwei Festlieder; da«
(No. XI) feiert Weihnachten, die Menschwerdung Christi und ihre gi
Folgen; hierbei wird auch der ungläubigen Juden gedacht; der c
Hymnus (No. XII) gilt dem Epiphanienfeste und zwar in der Auffs
des Occidents, der die Anbetung des Kindes durch die drei Weise
Morgenlandes als Grundlage des Festes ansieht Der Stern der V
leitet über zur Vergleichung Christi mit einem alles überstrahlenden
Auch hier findet der Dichter Anlass zu Abschweifungen: die Geburü
des Herrn, Bethlehem, bringt ihn auf den bethlehemitischen Kinder
mit der Errettung Christi stellt er in Parallele die Errettung des 1
Mit einem Preise Christi schliesst Prudentius.
lieber die Gomposition des Cathemerinon vgl. Sizt, Die lyr. Ged. des P;
Der metrische Bau der Hymnen. Der Dimeter iambicns acatalecticu
den Hymnen 1, 2, 11 und 12 in der Weise zur Anwendung gekommen, dass im
vier Zeilen zu einer Strophe verbunden sind. Der Dimeter iambicus catalecticus ei
in Nr. 6; der Strophenbau ist vierzeilig. Der jambische Senar findet sich im Hy
mit fünfzeiligen Strophen. Der Tetrameter trochaicus catalecticus ist das Mi
9. Hymnus; die Strophen sind dreizeUig. Der Trimeter dactylicus hypercatalecticus
Metrum des Hymnus 3 ; die Strophen sind fünfzeilig. Den Dimeter anapaesticus cata
haben wir in Hymnus 10 mit vierzeiligen Strophen. An künstlichen Massen c
braucht: a) der phalaecische Hendecasyllabus in Hymnus 4 (dreizeilige Strophen);
kleinere asklepiadeische Vers in No. 5 (vierzeilige Strophen); y) die sapphische
in No. 8.
Uebersetzungen. Die Uebersetzung S i 1 b e r t s ( Aurelius Prudentius Clemens.
gesänge, heilige Kampf- und Siegeskronen, Wien 1820) ist unbrauchbar; vgl. Broc
p. 12. Gereimte Uebersetzung einzelner Hymnen bei Schlosser, Die Kirche ii
Liedern 1 (Mainz 1851) p. 72; von Hymnus 1 bei Brockfaaus p. 82 Anm. 1; von Hy
bei Baumgartner, Gesch. der Wcltlitt. 4 (Freib. 1900) p. 157. — Sixt, Eine Pni<
übers. A. Reissners (1471—1563), Blätter für Hymnologie 7 (1889) p. 170. Vo;
1 an di sehen Uebersetzungen erwähnen wir A. Bayle, Hitude sur Pnidence, su
Cathemerinon traduit et annot^, Paris 1860; Thackeray, Translations from Pm<
London 1890; vgL Sixt, Korrospondenzblatt 1891 p. 216; Smith, Songs from Pru«
London 1897; J. Berg man, Fomkristna Hymner dicter af Prudentius, Göteborg U
866. Charakteristik des Cathemerinon. Den Weg für die <
liehe lyrische Dichtung hat Ambrosius gewiesen; zu ihm als dem M
blickt auch Prudentius empor, ») allein er wandelt doch andere Bj
Die Hymnen des Ambrosius waren für den Gottesdienst bestimmt ui
hielten dadurch ihr Mass und ihre Form; von den Hymnen des Prud
konnte kein einziger so, wie er vorliegt, in die Liturgie aufgeno
werden, sondern er musste zu diesem Zwecke gekürzt oder soga
gearbeitet werden. Bei Ambrosius finden wir ein bestimmtes ein
Metrum für seine Hymnendichtung ausgewählt; Prudentius hat sie
dasselbe nicht beschränkt, sondern auch andere Masse zur Anwe
gebracht. Der Zweck des ambrosianischen Hymnus erfordert eine k
und durchsichtige Darstellung; Prudentius braucht seiner Phantasie
Zügel anzulegen, er kann seine Empfindungen voll ausklingen lasse
ist in der Ausdehnung seiner Gesänge durch keine äusseren Rucks
*) Vs. 120 mors haec reparat io vitae est.
^) Vgl. Sixt, Die lyrischen Ged. des Pr. p. 21.
Aorelins Pmdentins Olemeiui. (§ 867.)
217
beengt. Der eine gibt uns im wesentlichen Volksdichtung, der andere im
wesentlichen Eunstdichtung;^) der eine bietet Gesangpoesie, der andere
Lesepoesie. Prudentius ist erfüllt von den christlichen Ideen, und sie sind es,
die ihn zur Dichtung drängen, üeberall fühlt man daher in seinen Liedern
den warmen Pulsschlag des christlichen Denkens und Lebens. Aber auch
ein mystischer Hauch lässt sich in unserer Sammlung verspüren; überall
erblickt sein Geist Sinnbilder und Vorbedeutungen für das Christentum.
Die Composition seiner Lieder ist keine straff gespannte und lässt sich
daher mit der tibullischen Poesie vergleichen ; man sieht, wie die Gedanken
des Dichters abbiegen, um alsdann wieder zum eigentlichen Thema zurück-
zukehren. Gern sucht er seine lyrische Stimmung durch eine biblische
Erzählung zu erläutern; mit besonderer Vorliebe greift er nach dem Alten
Testament, da es ihm zugleich den Vorteil bietet, typologische Gedanken
zu entwickeln. Hierbei versagt er sich nicht, einzelne Scenen malerisch
durchzuführen, so dass der organische Aufbau des Ganzen mitunter geradezu
gestört wird. Die Hymnen des Prudentius sind also nicht rein lyrische
Produkte, sondern enthalten auch einen starken epischen und paränetisch-
didaktischen Bestandteil. In das Gefühlsleben drängt sich die Rhetorik
ein, und wir erhalten nicht selten statt des Brotes Steine. Aber wir
dürfen deshalb den Dichter nicht zu hart anklagen; er steht unter dem
Banne seiner Zeit; auch die damalige nationale Poesie ist von der Rhe-
torik schwer gedrückt. Immerhin findet sich bei Prudentius des Zarten,
Schönen und wahrhaft Poetischen genug, um die Bewunderung, die dem
Dichter Jahrhunderte hindurch zu teil wurde, zu rechtfertigen. Be-
sonders ist sein feiner Sinn für die metrische Gestaltung bemerkens-
wert; auch der Glanz der Darstellung, die nicht selten zum Dramati-
schen sich steigert, wirkt oft berückend auf den Leser. In der christ-
lichen Poesie wird Prudentius stets zu den bahnbrechenden Persönlich-
keiten gezählt werden müssen.
867. Peristephanon (Ueber die Hartyrerkronen). In unserer Epoche
traten auch die Martyrien in das Reich der Poesie ein. An offiziellen und
nicht offiziellen Berichten über die Vorgänge bei dem Martyrertod fehlte
es nicht; die Kritik liess allerdings bei nicht wenigen viel zu wünschen
übrig. Auch die bildliche Kunst fand hier reiche Anregung, und in dem
öffentlichen Gottesdienst war das Leben der Heiligen ein fester Bestand-
teil geworden; da die Martyrien schon geraume Zeit hinter der Gegen-
wart lagen, konnte auch die Legende ihr Werk beginnen. Die erste
Stufe dieser Dichtung fanden wir bei Damasus; sein Streben, die Gräber
der Märtyrer den Pilgern kenntlich zu machen, führte ihn zu dem Epi-
gramm; allein dasselbe musste sich mit wenigen Zügen begnügen, der
breitere Strom der Erzählung war ihm versagt. Auf eine höhere Stufe
brachte diese Dichtungsgattung Prudentius in einer Sammlung von vier-
zehn Gedichten, die er Peristephanon oder „Ueber die Martyrerkronen*
betitelt. Zwar findet sich auch hier ein Epigramm nach Art des Da-
^) Die EmteUnng £ b ert s ( Allgem. Gesch.
der Litt des Mittelalters V (Leipz. 1889)
p. 261) in kunstvolle nnd volkstümliche Hym-
nen, welche Pnech (p. 86 ff.) weiter durch-
führt, ist eine unrichtige; sie gehören alle
der Kunstpoesie an; vgl. auch Sixt p. 18.
i
218 Anrelius Prudenüns CiemeiiB. (§867.)
masus, es stellt eine Aufschrift auf eine Oertlichkeit in Calagurris^) d
wo Märtyrer den Tod erlitten, jetzt aber ein Baptisterium sich befim
(No. YIII) ; allein dieses Stück steht völlig isoliert da, und es ist nii
unmöglich, dass dasselbe ursprünglich gar nicht zu unserer Sammlung j
hörte. Die übrigen Stücke schildern uns in breiter Ausführlichkeit, ni<
selten mit dramatischer Lebendigkeit, die Leidensgeschichten verscfa
dener Heiligen; das standhafte Bekenntnis, das Martyrium und die sich i
schliessenden Wunder bilden den Rahmen dieser Gedichte. Nicht willkürl
hat der Dichter die Märtyrer aus der grossen Masse herausgegriffen, s<
dem er hat nur solche sich auserkoren, deren Gräber er auf seiner Re
nach Rom kennen gelernt oder die in seiner spanischen Heimat hoch v
ehrt wurden.*) Besonders deutlich treten die persönlichen Anregung
die er auf seiner Reise nach Rom und in Rom selbst empfangen, zu Tai
Auf dem Wege machte er im Forum Gomelii oder Imola Station; h
kniete er am Grabe des hl. Cassian, der Lehrer gewesen war, nied
Er sah das Bild des Heiligen, in dem derselbe dargestellt war, wie
von den Knaben mit spitzen Griffeln beschrieben, d. h. zerstochen wi
Der Kirchner erzählte ihm ausführlich die Geschichte des Martyriums, u
Prudentius folgt dieser Erzählung in seinem Gedichte; die Schilderung g<
besonders auf die Bosheit der Knaben ein, die Cassian höhnisch zurief
dass sie ja nur dem Lehrer das anthäten, was er sie gelehrt. Der Kirchi
fordert am Schluss den Fremden auf, seine Hoffnung auf Cassian zu setz<
dies that auch Prudentius, und seine Wünsche fanden Erhörung (No. II
In Rom selbst besuchte Prudentius eifrig die Katakomben, in denen <
Epigramme des Damasus einen Führer abgaben. Er fand auch das Gr
des hl. Hippolytus, der früher schismatisch, später ein treuer Anhang
der katholischen Lehre war; auch sein Martyrium war bildlich dargeste
besonders das Moment herausgegriffen, wie die Freunde die zerstreut
Glieder und Gebeine des von Pferden zerrissenen*) Heiligen sanmielt^
Das Gedicht (No. XI), in dem die Passion des Hippolytus erzählt wird
richtet sich an den spanischen Bischof Valerian und bittet ihn, den Tod<
tag desselben in seine kirchlichen Feste aufzunehmen. Eine Frucht seir
Besuchs der Katakomben ist auch das Gedicht auf die hl. Agnes, der
Grab mit einem Epigramm des Damasus ^) geschmückt war; dieses E]
gramm regte unseren Dichter zu seiner Schöpfung an, in welcher der v(
>) Ebert (p. 259 Anm. 2) bezweifelt
allerdings die Aufschrift; vgl. dagegen Sixt,
Dittochaeon, Correspondenzbl. fir die gel.
Portus vgl. H. A che Hb, Hippolytstadi
(Texte und Untersuch. N. F. 1, 4 (Leipz. 18:
p. 48). Ueber die Hippolytusfrage mit Rfi<
Schulen Württemb. 37 (1890), Saparatabdr. ' sieht auf Gedicht XI vgl. Funk, Kirch
p. 9 Anm. J. geschichtl. Abhandl. und Untersuchungen
-^) Die sog. spanischen Hymnen gedenken , (Paderborn 1899) p. 183; p. 195.
der Romreise mit keinem Wort und werden ; *) Gesondert herausgegeben nebst eii
daher vor derselben geschrieben sein; vgl. i italienischen Uebersetzung von Fr. Fei
Roesler p. 145; auch Puech (besonders ' Viterbo 1881.
wegen des zweiten Hymnus) p. 62 und p. 122. ' *) No. 84 p. 87 Ihm. Ueber das V
*) Hier liegt die Mischung des antiken i hältnis des Gedichtes No. XI Y zu Ambrod
Mythus und der christlichen Legende deut- > und Damasus vgl. Pio Franchi de* C
lieh zu Tage; vgl. Dö Hing er, Hippolytus valieri, S. Agnese nella tradizione e ne
und Callistus, Regensb. 1853, p. 02. Ueber legenda (Rom. Quartalschr. Supplementheft
die Beziehung der Hippolytuslegende zu . (1899) p. 21).
Anrelins Pmdentias Clemens. (§ 867.)
219
Martyrium gekrönte Sieg der Keuschheit verherrlicht wird. Schön ist das
Motiv, dass der zum Himmel auffahrende Geist der Martyrin nochmals
seinen Blick auf die Erde mit ihren Leiden richtet (No. XIV). ^) Ein Bild
des römischen Festlebens tritt uns aus dem zwölften Stück entgegen.
Es ist der Jahrestag der beiden Apostel Petrus und Paulus, welche in
zwei aufeinander folgenden Jahren an demselben Tag den Tod erlitten
haben. Das Wogen einer Menschenmenge auf den Strassen veranlasst den
Dichter, einen Freund nach dem Grund zu fragen; damit erhält er die
Einkleidung seines Gedichts. In der Beschreibung der beiden Gräber, von
denen das eine am rechten, das andere am linken Tiberstrand sich be-
fand, ruht der Nerv seines dichterischen Produkts.') Einem römischen
Heiligen gilt ferner das zweite Gedicht, welches anschaulich und fast
volksmässig die Passion des Laurentius schildert. Der Stadtpräfekt,
der von den Schätzen der römischen Kirche gehört hatte, befiehlt dem
Laurentius, der Diakon dieser Kirche war, ihm dieselben auszuliefern;
der führt ihm aber die Armen und Gebrechlichen vor. Erzürnt lässt ihn
der Präfekt auf einem Roste braten. Interessant sind die zwei ein-
geschobenen Gebete: das Gebet des Laurentius für das christliche Rom
und das des Prudentius um die Fürsprache des Heiligen. Nach Pannonien
führt uns No. YII. Gefeiert wird in derselben der Bischof von Siscia
(Sissek in Kroatien), Quirinus; er wurde mit einem Mühlstein am Hals
in die Sau hinabgestürzt, allein er tauchte erst unter, nachdem er sich
die Gnade des Martyriums erbeten hatte. ') Anknüpfungspunkte für seine
Gedichte fand Prudentius auch in seiner spanischen Heimat. Die Feste
gewisser Heiligen hatten im kirchlichen Leben einen weiten Spielraum
gewonnen, und die Festesfreude äusserte sich gern in einem dichterischen
Erguss. Das erste Gedicht der Sammlung beschäftigt sich mit dem
Martyrium zweier spanischer Brüder, welche im kaiserUchen Heere
dienten. Vor die Wahl gestellt, ob sie den Dienst Christi dem des Kai-
sers vorzögen, waren sie nicht schwankend und besiegelten durch den
Martyrertod ihr christliches Bekenntnis. An ihren Gräbern vollzogen
sich zahlreiche Wunder; von ihrem Martyrium hatte sich das Faktum
in der Volkslegende festgesetzt, dass bei der Hinrichtung der Ring
des einen, das Orarium des andern in den Himmel hinaufgetragen wur-
den. Ein vornehmes spanisches Mädchen, die Eulalia, führt uns No. III
vor. Sie drängt sich selbst zum Martyrium, indem sie sich als Christin
bekennt und die Götter schmäht. Der Feuertod wird ihr zu teil; ihr
Geist fliegt in Gestalt einer weissen Taube zum Himmel, während ihr
Leib mit Schnee eingehüllt wird. Der Gedenktag des Märtyrers Vin-
centius, der Diakon von Saragossa war, bildete den Anlass zu dem
*) Das Gedicht ist in Rom eniatanden;
vgl. den Anfang desselben, and Ebert p. 267.
^) Uebersetzt von Baumgartner, Welt-
litterator 4 p. 177. Wahrscheinlich ist der
Hymnus noch in Rom geschrieben; vgl. den
Schlnss desselben and Ebert p. 266.
>) Roesler (p. 152) vermutet, dass Pru-
dentius in seinen weltlichen Jahren die Ver-
herrlichung des Heiligen an Ort und Stelle
gesehen. Nach den Acta wurde der Leich-
nam des Quirinus, als die Barbaren in Pan-
nonien einfielen, nach Rom gebracht und in
der Ealixtkatakombe beigesetzt. Zur Zeit,
als Prudentius seinen Hymnus schrieb, war
das noch nicht geschehen; vgl. Sixt, Die
lyriBchen 0«d. d«& '^x. ^.^^.
220 Anrelins Prudentins Clemens. (§ 868.)
fünften Gedicht. Die Standhaftigkeit spottet der ausgesuchtesten Qualen,
die hier in ihren kleinsten Einzelheiten zum Entsetzen des Lesers dar-
gelegt werden; selbst der Leichnam des Heiligen ist vor dem Hass seiner
Verfolger nicht sicher. Seinen Preis erhält Tarraco durch das Lob seiner
berühmten drei Märtyrer, des Bischofs Fructuosus und seiner beiden
Diakone (No. VI). Ein Heiliger des Orients ist Romanus; aber da sein
Todestag in Spanien ebenfalls festlich begangen wurde, ^) konnte auch ihm
ein Hymnus (No. X) gewidmet werden;') mit seinen 1140 Versen ist er
der längste der Sammlung, welche er zu sprengen droht; er hat daher
eine eigene Ueberlieferung erfahren. Auch Saragossa wird wegen seiner
Märtyrer gepriesen, welche ihm unstreitig Glück bringen werden (No. IV).
Mit Spanien stand in engen kirchlichen Beziehungen Afrika; es ist daher
nicht zu verwundem, wenn auch der grosse Kirchenlehrer Gyprian seinen
Lobgesang erhalten hat (No. XHI).
Ueber die Composition des Peristephanon vgl. Sixt, Die lynschen Ged. des
Fr. p. 28. Er unterscheidet drei Klassen: 1. lyrisch-epische, 2. rein epische, 3. episch-
didaktische; zur ersten Klasse rechnet er No. I, III, XIV, VI, VII, XIII, IV; zur zweiten
No. IX, XI, XII; zur dritten No. II, Y, X. Ein Sonderstellung nimmt No. VIII ein; es ist
ein Epigramm. — Plaine, ^claircissements sur un po^me hagiographique de Prndence
(Extr. de la Revue des sciences eccl^s.), Amiens 1889 hat mir nicht vorgelegen.
Ueber die Chronologie der Gedichte vgl. Sixt p. 26. «Die Hauptscheidung
zwischen den Hymnen wird durch die römische Reise des Prudentins gebildet: die ersten
sieben fallen vor dieselbe, die anderen sieben nach ihr oder in dieselbe. Letzteres ist bei
IX, XI, XII, XIY ohne weiteres klar* (p. 27). Höf er (De Prudentii Psychomachia p. 56)
statuiert: ,Quibus omnibus perpensis Peristephanon carmina IX, X, XII, U (XIV ?) Romae,
Peristephanon XI post iter vel in Hispania scriptum esse percipitnr.'
Die Metra des Peristephanon. No. 1 ist abgefasst in catal. troch. Tetrametem
und in dreizeiligen StrQphen; No. 2 in acatal. iambischen Dimetem und in vierzeiligen
Strophen; No. 3 in hypercatal. daktylischen Trimetem und in ftinfzeiligen Strophen; No. 4
in sapphischen Strophen ; No. 5 in acatal. jambischen Dimetem und in vierzeiligen Strophen ;
No. 6 in phalaecischen Hendecasyllaben und in dreizeiligen Strophen; No. 7 in Glykoneen
und in fünfzeiligen Strophen; No. 8 in elegischen Distichen; N. 9 in daktylischen Hexa-
metern und iambischen Trimetem, die zu Distichen vereinigt sind; No. 10 in jambischen
Trimetem und in fdnfzeiligen Strophen; No. 11 in elegischen Distichen; No. 12 im 4. archi-
lochischen Metmm; No. 13 im archilochischen Vers (vgl. W. Christ, Metrik, Leipz.* 1879,
p. 566); No. 14 in alcAischen Hendecasyllaben.
Uebersetzungen. J. G. Dölling, Die erste und vierte Hymne aus den Sieges-
kronen des Pradentius, Plauen 1846. Vgl. noch p. 218 Anm. 4; 219 Anm. 2.
868. Charakteristik des Peristephanon. Schon aus dieser flüch-
tigen Skizze des Peristephanon wird jedermann die Ueberzeugung ge-
winnen, dass Martyrergeschichten sich zu einer lebensfähigen christlichen
Poesie eigneten; der Dichter hatte hier freiere Hand als bei den bibli-
schen Berichten, und seine Phantasie konnte aus den wenigen überlieferten
Zügen ein farbenreiches Bild herausgestalten. Auch bei Prudentins hat
ohne Zweifel diese freischaffende Phantasie gewaltet. Die Umrisse lieferten
ihm die Volkstradition, ») die Liturgie der Kirche*) und die Martyrer-
») Vgl. Roesler p. 164. i ut refert antiquitas; 7, 9 fertur; 14, 10 aiunt;
^) Ueber die Verse 481—495 vgl. Wey- vgl. noch 1, 73; Sixt, Die lyrischen Ge-
man, Miscellanea zu lat. Dichtem, Freib. dichte des Pr. p. 23; Roesler p. 180.
i. d. Schweiz 1898, p. 9 (Gompte rendu du *) Der Zusammenhang des Peristephanon
quatridme congr^s scientifique international ' mit der spanischen Liturgie wird besonderB
des catholiques, Section 6 p. 148). > stark von Roesler betont (p. 164; p. 239);
») Vgl. 13, 76 fama refert; 13, 80 nie- i vgl. aber dazu F. Probst, Die abendlindi-
morant; 14, 57 sunt qui rogatam rettulerint , sehe Messe vom 5. bis zum 8. Jahrb., Mfinster
prece8\ b.Ml ut fert vetustas conscia; 10,32 , 1896, p. 368.
▲nrelias Pmdentiiis Olemens. (§869.) 221
gräber, denen nicht selten bildliche Darstellungen ^) ihrer Leiden und Epi-
gramme beigegeben waren.') Um kritische Sichtung der Nachrichten ist es
natürlich dem Dichter nicht zu thun; so hat er in seinem Hymnus auf Cyprian
sogar Züge eines anderen gleichnamigen Heiligen miteingewoben und dafür
andere Eigenschaften des karthagischen Bischofs übergangen. ^) Sein Ziel
ist vielmehr, durch ein poetisches Gemälde den Leser zu fesseln. Schon
in der Wahl des Metrums zeigt sich ein gutes Stück seines Kunstsinnes,
und mancher Treffer ist hier zu verzeichnen: so dürfte es nicht zu-
fällig sein, dass er in seinem Hymnus auf die beiden spanischen Soldaten
als Mass den trochäischen Tetrameter gewählt hat, den die römischen
Soldaten in ihren Triumphliedern anzuwenden pflegten; sehr passend ist
auch der jambische Dimeter verwertet; er erinnert mitunter an unsere
volkstümlichen Lieder. Ueberhaupt ist die metrische Gestaltung sehr
reich, vielleicht zu reich. Auch in der Einkleidung seiner Gedichte strebt
Prudentius nach Wechsel und Mannigfaltigkeit; die Stoffe, die er aus-
gewählt hat, bieten die verschiedensten Situationen dar und lassen sein
Können in immer neuen Formen erscheinen. Aber er geht in seinem
Bestreben, anschauliche Schilderungen zu liefern, zu weit; statt einige
Striche zu geben und das Uebrige der Phantasie des Lesers zu über-
lassen, führt er seine Zeichnungen bis ins kleinste Detail durch; be-
sonders das Grässliche schildert er nach Art der späteren römischen Dichter
mit einem Behagen, das uns nicht selten ein wahres Entsetzen einflösst.
Die Rhetorik, dieser Fluch der römischen Poesie, lastet auch schwer auf
diesen Gedichten; die Reden, die er seinen Märtyrern in den Mund legt,
stören oft sehr den ästhetischen Eindruck. Mitunter vergisst der Dichter
ganz den Charakter seiner Dichtung und springt in das Lehrgedicht über ;
ein belehrendes Beispiel ist der zehnte Hymnus auf Romanus, wo eine
Polemik gegen das Heidentum und eine Apologie des Christentums ein-
gewoben sind. Wären diese rhetorischen Auswüchse und diese allzu de-
taillierte Schilderung weggeblieben, so würden wir eine Kunstform erhalten
haben, die wir unserer Ballade an die Seite stellen könnten. Den Volks-
ton hat der Dichter mitunter wunderbar getroffen, auch dem Volkshumor
manche Perle abgerungen und sich als einen Kenner des menschlichen
Herzens erwiesen. So hat denn unser Dichter in seinen Martyrerkronen
Vortreffliches geleistet, aber die höchste Ruhmespalme ist ihm doch ver-
sagt geblieben.
869. Die Apotheosis. Für die didaktische Poesie lieferte die Be-
kämpfung der H&resien und die Darstellung der orthodoxen Lehre reich-
lichen Stoff. Die Prosa hatte diesen Litteraturzweig schon längst gepflegt,
es galt, denselben auch in die Poesie einzuführen. In künstlerischer Weise
hat dies Prudentius in mehreren Gedichten gethan. Als erstes derselben
bezeichnen wir die Apotheosis, welche in 1084 Hexametern die in der
Trinitätslehre aufgetauchten Häresien bekämpft und ihnen die wahre Lehre
der katholischen Kirche gegenüberstellt. Da der Nachweis der Göttlichkeit
») Vgl. 8. B. 9, 19 histariam pictura
refert, quae tradita libris \ veram vetusti
temparia manstrat fidem.
*) Puech p. 302.
') BrockhauB p. 152.
-*t
222 Anreliiui Fmdentins Clemmis. (| 869.)
Christi ein Hauptziel des Gedichtes ist, konnte er demselben den 1
„Apotheosis*" d. h. Vergöttlichung Christi geben. Seinem Werke lässt
Dichter zwei Einleitungen vorausgehen: in einer hexametrischen wird
Dogma der Dreieinigkeit nach orthodoxer Lehre kurz und bündig i
gelegt; in einem i^Praefatio*" betitelten Gedicht, das distichisch aus j
bischen Trimetern und Dimetern zusammengesetzt ist, werden die Ittä
und die Gefahren der Häresien gegenübergestellt. Also trägt das Ged
an der Stime gleichsam eine doppelte Aufschrift: Wahrheit und Irrt
dasselbe will dadurch, dass es den Irrtum auflöst, der Wahrheit F
schaffen. Zwei Probleme sind es, die in der Trinitätslehre auftaue!
das Verhältnis des Vaters zum Sohne und die Göttlichkeit Christi.
Dichter lässt die verschiedenen Häresien an unseren Augen vorüberziel
zuerst bekämpft er die Patripassianer, welche den Vater den Kreuze
erleiden lassen und dadurch den Sohn eliminieren; sein Hauptargun
gegen diese Anschauung ist, dass der Vater niemals sichtbar ist und <
er nur durch den Sohn in die Sichtbarkeit eingetreten ist, sonach i
nicht leiden kann. Es folgen die Sabellianer, welche den Vater bald
Vater, bald als Sohn erscheinen lassen; hier wird geltend gemacht, <
man dem Vater etwas entziehe, wenn man ihm den Sohn nehme.
Betrachtung geht jetzt zu den Juden über und geisselt deren Versto
heit. Das kaiserliche Wohlwollen, das den Juden damals zu teil wu
wird mancher Leser dieser Partie in Parallele gesetzt haben. ^) Na
gemäss schliessen sich an die Juden die Ebioniten oder die von
ironisch bezeichneten Homuncionitae, welche Christus zwar nicht leugi
aber ihn bloss für einen tugendhaften Menschen halten; ihre Irrlehre i
durch die Wunder Christi widerlegt. Die letzte Sekte, gegen die zu F
gezogen wird, sind die Manichäer, welche die menschliche Gestalt Ch
als eine Scheingestalt hinstellen und dadurch die Wahrhaftigkeit Go
aufheben. In seiner Darlegung hat der Dichter auch einen Exkurs i
das Wesen der menschlichen Seele eingeflochten und in demselben gez<
dass die menschliche Seele zwar von Gott geschaffen, aber nicht ein
des göttlichen Wesens sei; damit rechtfertigt sich die Höllenstrafe,
höchste Anziehungskraft bietet eine andere Episode, welche einen Vo:
aus dem Leben des Kaisers Julian enthält. Der erzählte Vorfall bei
die auffallende Störung eines Opfers, bei dem der Kaiser selbst anwes
war. Die Untersuchung ergab, dass ein blondhaariger Soldat der L
wache das Kreuzeszeichen an sich trug. Entsetzt verlässt der Kaiser
Tempel, die ganze Leibgarde aber bekennt sich zu Christus. Sehr w
thuend berührt es uns, dass der Dichter nicht in das Geschrei der Kircl
Väter gegen den Kaiser Julian, den er als Knabe noch gesehen, einstin
sondern seiner militärischen und staatsmännischen Tüchtigkeit alle A
kennung widerfahren lässt.
Das Gedicht ist zwar polemisch, allein man kann nicht sagen, i
es sich direkt gegen eine bestimmte Zeitströmung richtet. Prüder
wird bei der Abfassung seines Gedichtes auch an die Irrlehren dei
») Vgl. Kay sei- p. 259.
▲nrelins Prndmitiiis Clemens. (| 870.) 228
Spanien weit verbeiteten Priscillianisten gedacht haben ; aber der Gedanke
hat nicht bestimmend auf seine Composition gewirkt; denn weder Pris*
cillian noch seine Sekte werden in dem Gedichte erwähnt. Auch um voll-
ständige Darlegung aller Irrlehren war es dem Dichter nicht zu thun; so
wird z. B. Arius niemals herangezogen. Dem Autor genügte eine Aus-
wahl der Irrlehren; vielleicht waren hier auch die Quellen, zu denen
Tertullian zu zählen ist, nicht ohne Einfluss. Sein Hauptziel ist, das Ge-
heimnis der Trinität, das Bollwerk des Glaubens, zu verkünden. Die didak-
tische Poesie leuchtet in der Apotheosis in hellem Lichte.
Die Apotheosis und Priscillian. Die Hypothese, dass die Apotheosis sich gegen
die Piiscillianisten richtet, ist von Roesler (p. 221) mit nnzareichenden Gründen aufgestellt;
auch Ehert (p. 270 Amn. 1) spricht sich gegen diese Hypothese aus; vgl. auch Puech p. 173.
Separatausg. von Hurter, S. patr. opusc. sei. tom. 33.
Uebersetzung des Gedichtes (ausgenommen die hexametrische Einleitung) von
Brockhaus als Anhang zu seiner Monographie p. 309.
870. Die Hamartigenia. Viel bedeutender als die Apotheosis ist
die Hamartigenie. Sie behandelt das interessante Problem, welches der
Ursprung des Bösen sei. Marcion hatte die Quelle der Sünde in die Gott-
heit selbst verlegt, indem er einen bösen und einen guten Gott statuierte,
von denen der erste im alten, der zweite im neuen Testament erscheint.
Tertullian hatte gegen diese Irrlehre fünf Bücher geschrieben (§ 696) ; im
Anschluss an dieses Werk erörtert auch Prudentius in geistreicher Weise
dieses Thema in einem aus 966 Hexametern bestehenden Gedichte, das
er Hamartigenia, d. h. Ursprung der Sünde, betitelt. Vorausgeschickt
wird eine Einleitung von 63 Trimetern, in der die Geschichte von Eain
und Abel erzählt und Marcion mit Kain in Parallele gestellt wird. Sofort
eröflEnet Prudentius den Kampf gegen den Dualismus Marcions und postu-
liert die Einheit Gottes. Die Trinität Verstösse nicht gegen dieselbe, und
der Schöpfer selbst habe durch die Sonne, die, obwohl nur eine, doch
in Licht, Wärme und Zeugungskraft sich manifestiere, selbst den richtigen
Weg gezeigt. Gebe man die Einheit Gottes auf, so komme man unwill-
kürlich zu der Vielheit der heidnischen Götter. Der Vater des Uebels
sei nicht ein Gott, sondern ein gefallener Engel, der Satan; dieser bringe
das Verderben über den Menschen, ja selbst über die Natur. Mit leb-
haften Farben malt der Dichter die Natur und den Menschen in diesem
Zustand aus; im letzten Fall gewinnt er ein Zeitbild, das niemand ohne
Interesse betrachten wird. Dann geht die Darstellung wieder zum eigent-
lichen Thema zurück; Prudentius führt aus, dass der Mensch an dem
Uebel eine Hauptschuld trage, indem er die Sünde auf sich eindringen
lasse. Der Mensch könne aber die Sünde von sich weisen, wenn der Geist
die Herrschaft über den Körper behalte; dies sei aber möglich und ein
Dualismus im Menschen eigentlich ausgeschlossen. Die wichtigste Frage
bleibt aber immer, warum Gott das Böse, das er nicht wolle, trotzdem
zulasse. Der Dichter hält dem entgegen, dass dem Menschen von Gott
die Freiheit geschenkt sei; wenn der Mensch das Böse thue, so thue er
es aus freiem Willen; mit demselben freien Willen könne er aber auch
das Gute wählen. Im Anschluss hieran rollt der Autor die Bilder von
Himmel und Hölle auf. Ein Gebet, in dem Prudentius sich als sündigen
224 Anreliiis Prndentiiui Oiemeiuu (| 871.)
Menschen bekennt und eine milde Strafe von der Gnade Gottes erwartet,
macht den Schluss des Gedichtes.
Das Produkt ist reich an poetischen Schönheiten, und mit Recht hat
ein grosser Kenner des Prudentius darauf aufmerksam gemacht, dass wir
bei der Lektüre an Milton^) und Dante erinnert werden. >) Seine Schil-
derung der Hölle und des Paradieses ist die erste farbenreiche, die uns
in der Geschichte der Kirche entgegentritt. >)
Litteratur. J. Goldner, Der Sündenqiiell, ein Gedicht des AoreL Fnidentiiis,
Freysing 1851.
871. Die Psychomachia. Das eigentümlichste Gedicht des Prudentius
ist die Psychomachia, der Kampf um die Seele. ^) Hier tritt uns zum
erstenmal in der abendländischen Litteratur eine rein allegorische Dichtung
entgegen.^) Keime zu dieser Dichtungsart lagen übrigens schon in der
nationalen Litteratur vor: Apuleius in seinem Märchen «Amor und Psyche'
und Claudian^) wiesen durch Personifizierungen abstrakter Begriffe den
Weg zur Allegorie.^) Die Grundlage des Gedichtes ist der Gegensatz
zwischen heidnischer und christlicher Weltanschauung, die Idee, die der
Dichter auf dieser Grundlage verfolgt, die Ueberwindung des Heidentums
durch das Christentum. Auf diese Ueberwindung deutet auch Abrahams
Kampf mit den heidnischen Königen, welcher als Einleitung in 68 Tri-
metern dem Gedichte vorausgeht; in diesem 915 Hexameter umfassenden
Werk führt uns der Dichter die christlichen Tugenden im Kampfe mit
den heidnischen Lastern vor. Sieben Paare treten auf den Kampfplatz.
Anschaulich werden die Kämpfenden nach Aussehen und Tracht geschil-
dert; dramatisch und Wechsel voll erscheinen die einzelnen Kampfesbilder;
an feinen psychologischen Charakterzeichnungen fehlt es nicht. In be-
zeichnender Weise lässt der Dichter zuerst den Glauben und den Götzen-
dienst miteinander kämpfen; er gibt damit gewissermassen das Programm
des Gedichtes: der Götzendienst ist die Quelle aller Laster, der Glaube die
Quelle aller Tugenden. Das zweite Streiterpaar ist die Keuschheit und
die Unzucht; durch die Geburt Christi aus jungfräulichem Leibe ist das
Fleisch veredelt und die Grundlage für die Keuschheit geschaffen worden.
Auf der Kampf esarena treten sich dann gegenüber die Geduld und der
Zorn; auch die Geduld ist eine echt christliche Tugend und als solche
bereits von Tertullian hingestellt worden (g 673). Als neue Kämpfer folgen
die Demut und die Hoffart, ferner die Massigkeit und die Ueppig-
*) Man vgl. die Schilderung der Ver- 1 ") Hoefer p. 13. Vgl. Claudian.mRnfin.
derbnis der Natur (Vs. 213), übersetzt von i 1, 30—38; de consulatu Stihchonia 2, 100.
Baumgartner p. 162. ?) Engelhard, De personificatioiubos
^) Brockhaus p. 30; p. 35 Anm. j quae in poesi atque arte Romanomm io-
') Aus dem Schluss des Gedichtes machte j veniuntur,GöttmgerDiB8.1881 ; C.Praechter,
einen Cento der spanische Bischof Ascaricus | Cebetis tabula quanam aetate conscripta eaae
(Buecheler, Carmina lat. epigr. No. 727); i videatur, Marb. 1885, p. 83. Vgl.anchHoefer
vgl. Weyman, Rhein. Mus. 50 (1895) p. 154. I p. 9, der das Gedicht Claudians gegen Rnfin
*) So erklärt richtig Weyman (Berl. ' als VorbDd für Prudentius hinateUt (p. 17)
philol. Wochensclir. 1897 Sp. 984) nach dem ' und auch sonst noch die Abhängigkeit des
Muster von reix^l^^X^^y weniger richtig ' Prudentius von Claudianus zeigen will. Aber
Hoefer p. 10: pugnae in anima gestae. ' alle diese Ausführungen nmen auf sehr
') Ebert p. 280. schwachem Fundament
Avelins Fmdentins Clemens. (§ 872.) 225
eit. Zur prächtigen Schilderung gibt das sechste Paar dem Dichter
nlass; es tritt nämlich der Geiz^) auf, die Ursache so vieler Leiden im
enschlichen Leben; er wird besonders gefährlich, wenn er sich unter der
ügerischen Form der Sparsamkeit einschleicht. Allein auch er findet
;hliesslich seine Ueberwinderin in der Barmherzigkeit. Nach der
iederwerfung des Geizes und seiner schrecklichen Genossen ist fUr die
intracht Raum zur Entfaltung gegeben. Schon sollte unter ihrer
Qhrung der Einzug in die himmlische Burg erfolgen, da taucht die
wietracht auf und versetzt der Eintracht eine Wunde. Ergriffen be-
3nnt sie, wer sie sei; charakteristisch ist, dass sie angibt, ihr Beiname
)i die Häresie,') und dass sie ein aus Häresien zusammengesetztes
laubensbekenntnis ablegt. Doch auch die Zwietracht wird von dem
lauben und seiner Schar niedergeschmettert. Eintracht und Glaube haben
mach das Schlachtfeld behauptet. Die Concordia mahnt zur Einheit im
lauben und preist den Frieden und die Liebe ; nach der Eintracht spricht
3r Glaube, der einen Tempel errichtet wissen will, in dem Christus
ohne; die Beschreibung des Tempels folgt der Offenbarung 21, 11 — 21.
as Gedicht klingt aus mit einem Hinweis auf die Zeit, wo es keinen Seelen-
unpf mehr geben werde.
Dies ist, kurz gefasst, der Inhalt ') des merkwürdigen Werks. Keinem
edicht des Prudentius war ein so tief eingreifendes Fortleben beschieden
ie der Psychomachie. Die allegorische Poesie des Mittelalters fand hier
äche Anregung, und die Psychomachie gehörte zu den beliebtesten
Qchem jener Zeit. Mit der Dichtung verband sich auch die Kunst, indem
e typischen Erzählungen, die allegorischen Figuren und die Einzelkämpfe
ustriert wurden; diese Kunstgebilde wurzelten noch vielfach in antiken
otiven und gelangten im Mittelalter zu einer mächtigen Entwicklung.
Ueber die Bilder der Psychomachie und ihre antiken Motive handelt sehr ein-
hend Stettin er, Die iUustrierten Prudentiushandschriften (Strassb. Diss.), Berl. 1895,
151; vgl. S(amiiel) B(erger), BnU. crit. 1895 p. 541.
Spezialausg. von Bergman, Upsala 1897 (nach den cod. Casin. 374 und Vatic.
>g. 2078); vgl. dazu J. Tolkiehn, Wochenschr. ffir klass. Philol. 1899 Sp. 926.
Litte ratur. Hoefer, De Prudentii poetae Psychomachia et carminum chronologia,
irb. 1895.
872. Die beiden Bttcher gegen Symmachus. Im Jahre 884 hatte
'-mmachus seine berühmte Schutzrede fUr den Altar der Victoria und
m heidnischen Kultus abgefasst. Wir haben schon mehrfach dargelegt,
Bichen mächtigen Eindruck sie auf die christliche und die heidnische
''elt machte. Ambrosius hatte gegen sie geschrieben, aber die nationale
irtei blickte wohl stets mit Bewunderung auf dieselbe. Es ist gewiss
■
erkwürdig, dass Prudentius nach fast 20 Jahren nochmals auf diese
slatio zurückgriff, um gegen das Heidentum vorzugehen. Durch Theo-
^) Der Greiz erscheint mit einem Gefolge ;
nlich erscheint mit einem solchen Gefolge
) castitas auch bei Ambrosius in der
hiift de Abraham 2, 4, 17; vgl. Weyman
c. Sp. 984.
^) Es durfte nicht unpassend erscheinen,
rauf aufmerksam zu machen, dass ein Zeit-
genosse und Landsmann des Prudentius, Pa-
cianus von Barcelona (epist. 1, 4; 13 Sp. 1055
Migne) von sich sagte: christianus mihi no-
men est, catholieus vero cognomen; vgl. Wey-
man 1. c. Sp. 979.
') Eine Disposition siehe bei Hoefer
p.8 und Beti^m&xi, k\SÄ%.^«t^vJO«JL.^.^i>^^i^ .
Maoäbacb der JUm*. AltertamMWlmeDMchMtt, ym, 4. ^-^^
226 Anrelins Prndentiiia Clemens. (§ 873.)
dosius war die christliche Kirche so fest begründet worden, dass für sie
kaum mehr eine Erisis zu befürchten war; mochten auch noch in den
gebildeten Kreisen die Sympathien für den nationalen Kultus nicht ganz
erloschen sein, so lässt sich doch schwer an einen aktuellen Vorgang
denken, durch den Prudentius zur Abfassung seiner Apologie veranlasst
worden wäre. Das Gedicht ist nicht ein Produkt des Lebens, sondern ein
Produkt der Studierstube. Das Material schöpfte der Dichter aus der
Relatio, aus der Widerlegung des Ambrosius und aus den apologetischen
Schriften; er geht so zu Werk, dass er im ersten Buch das Heidentum
im allgemeinen bekämpft, im zweiten die Relatio des Symmachus zu wider-
legen sucht. Der Gang des Gedichtes lässt sich also skizzieren. Mit einer
Einleitung von 89 asklepiadeischen Versen hebt der Dichter an ; er setzt
den von einer Natter, aber ohne Schaden gebissenen Paulus mit dem von
Symmachus verfolgten Christentum in Parallele. Es folgen dann 657
Hexameter, welche das erste Buch ausmachen. Der Autor wundert sieb
darüber, dass, obwohl Theodosius dem Christentum freie Bahn geschaffen,
doch das Unkraut des Heidentums noch fortwuchere. Um die Verwerf-
lichkeit desselben zu zeigen, charakterisiert er die einzelnen Odtter mit
ihren menschlichen Schwächen ; er geisselt die Vergöttlichung der Elemente
und ist erzQrnt darüber, dass auch die Schatten der Unterwelt in die
Reihe der Götter eintreten. Nachdem er die Nichtigkeit der Idololatrie
ausführlich dargethan, legt er dem Theodosius eine Rede in den Mund,
in der Rom aufgefordert wird, sich dem Kreuze zu unterwerfen. Auf
solche Rede hin habe das römische Volk in seiner grossen Mehrheit und
in seinen berühmtesten Geschlechtern den heidnischen Irrtum abgelegt,
nur eine kleine Minderheit verharre noch in dem alten Wahne. Am
Schlüsse gelangt die Darstellung zu Symmachus, den er zwar be-
wundert, aber im Interesse des Glaubens zu bekämpfen sich verpflichtet
fühlt. Auch das zweite alis 1132 Hexametern bestehende Buch beginnt
mit einem Vorwort.^) Wieder ist es ein Vorgang aus der Bibel, der eine
Parallele abgeben muss ; es wird geschildert, wie Petrus auf dem See von
Tiberias Schiffbruch erleidet, und wie der über die Wellen schreitende
Christus ihm die rettende Hand darbietet ; so fürchtet der Dichter, durch
die Redefertigkeit seines Gegners Schiffbruch zu leiden, wenn Christus ihm
nicht beistehe. Nach dieser Einleitung wird das Thema selbst in Angriff
genommen. Zuerst trägt Symmachus die Victoriafrage den beiden Kaisern
vor, worauf diese ihm selbst die gebührende Anwort erteilen (Vs. 18);
alsdann werden die Punkte, welche Symmachus in seiner Relatio zum
Schutze des Heidentums vorgebracht hat, einzeln vorgenommen und wider-
legt. Ein Eunstmittel ist, dass die Roma selbst redend eingeführt wird,
wie dies bereits Symmachus gethan. Hervorzuheben ist, dass Prudentius
in seiner Schutzrede für das Christentum, worin besonders die Unsterb-
lichkeit betont wird, vom Monotheismus ausgeht und speziell christliche
Gedanken soviel als möglich ausscheidet. Die bekannten Argumente der
^) Zu 2, 416—435 vgl. Weyman, Mis- gr^s scientifique international des catholiqaes,
cellanea zu lat. Dichtern, Freib. i. d. Schweiz Section 6 p. 144).
1898, p. 9 (Compte rendu du quatrieme con- |
▲urelins Prndentias Ciemeiis. (§ 873.) 227
Gegner, dass man an dem Alten festhalten, dass Rom seinem Genius treu
bleiben müsse, dass Rom seine Siege den Göttern verdanke, werden auf
dem schon durch die Apologeten vorgezeichneten Wege zurückgewiesen.
Die Vereinigung aller Völker zum römischen Reiche wird als ein Werk
der göttlichen Providenz hingestellt, um dem Christentum freie Entfaltung
seines Friedenswerks zu verschaffen. Zuletzt kommt noch der Einwand
zur Besprechung, dass die Entziehung der Kornspende, durch welche die
Vestalinnen betroffen wurden, Misswachs und Hungersnot im Gefolge ge-
habt habe; hierbei werden auch die Gladiatorenspiele gerügt, deren Be-
seitigung vom Kaiser gefordert wird.
üeber den princeps des Verses 1, 410 cum princeps geniini bis victor caede
tyranni, Brockhaas (^. 56) versteht unter dem j»Hiic^« Constanün ; di&t princepa \^i aber
'Hieodosios. Als die besiegten Tyrannen werden bald Maximus (388) und Eugenius (394)»
bald Eugenius und Arbogastes (394) angenommen; diejenigen, welche den Gonstantin hier
bezeichnet glauben, mftssen unter aen beiden besiegten Tyrannen Maxentius und Licinius
verstehen. Aus Ys. 1, 467 — 468 ergibt sich aber mit Sicherheit, dass Gonstantin nicht der
princep8 ist, da dort in der Rede von Gonstantin als einer fremden Person gesprochen
wird. Es bleibt sonach nur Theodosius übrig, der gleich im Anfang des Gedichtes in den
Vordergrund gerückt wird; die besiegten Tyrannen müssen aber Eugenius und Arbogast
sein, weil die Tyrannen Vs. 1, 468 ids eng verbunden erscheinen; vgl. Roesler p. 224;
Ebert, AUgem. Gresch. der Litt, des Mittelalters p. 278 Anm. 1.
Ueber den angeredeten Kaiser des zweiten Buches. Schon Ys. 6 f. werden
anter den daees.armatarum damini, inter castra pairU geniti mit ziemlicher Deutlichkeit
die Sohne des Theodosius, Arkadius und Honorius, bezeichnet. Ys. 726 wird fortissime
prineeps auf Honorius zu beziehen sein. Hier werden der Sieg bei Pollentia und der Einzug
des Honorius in Rom deutlich gekennzeichnet; vgl. Brockhaus p. 73 Anm. 3. Auch der
Schluss des Gedichtes, wo ein Kaiser um Abschaffung der Gladiatorenspiele gebeten wird,
weist auf Honorius; vgl. Brockhaus p. 80 Anm. 2.
Abfassungszeit. Matthias Schmitz, Die Gedichte des Prudentius und ihre
Entstehnngszeit 1 (Aachen 1889) p. 13; Th. Birt, Ausg. des Glaudian p. LYII; Hoefer
p. 51. Aus 2, 696 f. ergibt sich, dass die Schrift nach der Schlacht bei Pollentia (402) ge-
schrieben wurde, in welcher StiUcho Alarich zum Rückzuge zwang. Haben wir damit einen
terminns post quem gefunden, gilt es jetzt auch einen terminus ante quem aufzuspüren.
IVudentius bat den Honorius (2, 1125) um Abschaffung der Gladiatorenkämpfe; diese er-
folgte im Jahre 404 (Theodoret. h. e. 5, 26); vgl. Roesler p. 8. Allein wir Kommen noch
weiter zurück, wenn wir bedenken, dass er die Schlacht bei Verona (Hochsommer 403) noch
nicht kennt. Da die Schlacht bei Pollentia Frühjahr 402 stattgefunden, fällt die Schrift
zwischen Frühjahr 402 und Hochsommer 403, wahrscheinlich noch ins Jahr 402; vgl.
Schmitz p. 26; p. 34. Obwohl die Zeitindicien nur aus dem zweiten Buch gewonnen werden
können, so müssen sie doch wegen des engen Zusammenhangs der beiden Bücher auch auf
das erste mitbezogen werden.
Symmachus und Prudentius. Das Gedicht des Prudentius setzt Symmachus
als lebend voraus. Wenn nun Seeck (Ausg. des Symmachus p. LXXIU Anm. 337) bemerkt:
,Qaod Prudentius Symmachum ut vivum adloquitur, nihil aliud demonstrat, quam nuntium
mortis eins sero in Gallias pervectum esse. Symmachi vita codici fiorilegii Parisina 8559
inserta, cui Morin, £tude8 p. 77 tantam vim tiibuit, semidocto aUcui saeculi quinti decimi
debeinr, et cum onmi genere errorum apertissimorum abundet, nullam plane fidem meretur',
so ist, wie ich glaube, eine unnötige Schwierigkeit geschaffen; denn dass Symmachus zur
Zeit der Abfassung des Gedichtes nicht mehr leben konnte (§ 816), lässt sich in keiner
Weise darthun.
Litteratur. J. G. Dabas, Sur une question soulev^e pour le po^me de Prudence
contre Symmachus, Paris 1866; Y. Both, Des christlichen Dichters Prudentius Schrift gegen
Shmunachus, Rastatt 1882; P. Allard, La pol^mique contre le paganisme au quatri^me
aiöcle d*apr4s les poömes de Prudence (Le Gontemporain 15 avr. 1883).
873. Das DittochaeoD. Ein merkwürdiges dichterisches Produkt des
Prudentius ist das Dittochaeon. Es besteht aus einer Sammlung von 49
hexametrischen Tetrasticha, von denen 24 Darstellungen aus der Qeschichte
des alten und 25 solche aus der Geschichte des neuen Testaments enthalten ;
grosse Verschiedenheit derselben hin; vgl.
yixt, Separatabdr. p. 3.
*) Vgl. die Tetrastichen zu den Monats-
bildern im Chronographen v. J. 354 (§ 796
p. 57) und das Tetrastichon authenticum de Reihen; vgl. Sixt p. 10.
singulis mensibus (§ 788 p. 28 Anm. 1). *) Vgl. Roesler p. 125.
») Aus Paulinus (carm. 27, 511 Hartel) j *j Wir meinen Roesler p. 132.
solche Bilder durch Epigramme zu erlftuteni.
Mit Unrecht denkt A. Springer (GnmdzOge
der Kunstgesch. 2> (Leipz. 1888) p. 120) an
Bilderbibeln ; dagegen sprechen die parallelen
228 Anreliiis Prudentiiis ClemMis. ({ 878.)
aus der doppelten Quelle ist auch der sonderbare Name zu erklären, der
„doppelte Erquickung'' oder „doppelte Speise" bedeutet. Der Dichter folgt |
in dieser Epigrammensammlung der chronologischen Ordnung; allein die
Auslassungen wichtiger Scenen und Begebenheiten beweisen klar und deat-
lich, dass der Autor nicht eine Uebersicht der biblischen Geschichte geben
wollte. Sehen wir uns diese Tetrasticha genauer an, so müssen wir
aus der sprachlichen Form die Schlussfolgerung ziehen, dass dieselben be-
stimmt waren, als Erläuterungen von Bildwerken zu dienen,^) dass ae
daher den Bildern als Unterschriften beigegeben waren. Auch die damalige
nationale Litteratur bietet solche Epigramme zu Bildern dar, und scheint
die metrische Form derselben gewöhnlich das Tetrastichon gewesen zu
sein.') Nimmt man weiter hinzu, dass den 24 alttestamentlichen Dar-
stellungen 25 neutestamentliche gegenüberstehen, so wird man leicht zur
Vermutung gedrängt, dass es sich um zwei parallele Reihen von je 24 Bä-
dern handelt, zu denen noch das abseits stehende Schlusstetrastichon über
die Offenbarung des Johannes sich hinzugesellt. Da die Sujets der Bilder
über den Vorstellungskreis der Eatakombenbilder hinausgehen, stellt sich
uns eine christliche Basilika als geeigneter Ort für diese Malereien dar;')
die Verteilung der 49 Stücke wäre dann in der Weise erfolgt, dass die
eine Seitenwand 24 alttestamentliche Darstellungen, die gegenüberliegende
24 neutestamentliche enthalten hätte, während No. 25 der neutestament-
liehen Reihe in der Apsis ihre Stelle gefunden haben würde. Die Basilika
werden wir in der spanischen Heimat des Dichters, vielleicht in seinem
Wohnort selbst, zu suchen haben. ^) Eine andere naheliegende Frage ist,
ob die einzelnen Nummern der beiden Reihen in der Art in Beziehung
gesetzt waren, dass das Bild des alten Testaments typologisch auf das
gegenüberliegende Bild des neuen Testaments hindeutete. Allein wenn
sich auch hie und da ein typologischer Zusammenhang zweier Parallel-
bilder konstruieren lässt, so ist es doch ein vergebliches Bemühen, einen
solchen Zusammenhang durch die beiden Parallelreihen aufzudecken. ^) Die
Entstehungsart dieser Epigramme gibt uns zugleich Aufschluss über ihre
Composition; da der Dichter von dem Maler abhängt, ist er in seinem
Schaffen sehr gehindert und findet wenig Gelegenheit zur Entfaltung seiner
poetischen Kraft. Die Epigramme sind ganz realistisch gehalten nnd be-
fleissen sich einer knappen Darstellung. Manchen kam der Ton dieser
Produkte, zusammengehalten mit den übrigen Werken des Prudentius, 80
trocken vor, dass sie dieselben für unecht hielten ; allein nichts ist irriger,
als diese Annahme. Wie die Ueberlieferung sich klar für Prudentius aus-
spricht, bieten auch Sprache und Composition manche Anklänge an die
^) Ist dies richtig, so können die band- erfahren wir, dass damahs die Sitte aufkam,
schriftlichen Ueberschriften nicht von Pru- | die Kirchen mit Bildern zu schmücken; auch
dentius herrühren; darauf weist auch die i lässt sich aus ihm die Sitte konstatieren,
Anrelins Fmdeniins Clemens. (§ 874.) 229
3hten Schöpfungen des Spaniers dar. Während also diese Tetrasticha
em Litterarhistoriker nur ein geringes Interesse einflössen können, wird
urch dieselben umsomehr der Archaeologe gefesselt. Die Epigramme
nd eine hervorragende Quelle für die christliche Kunstgeschichte.^)
Das Wort Dittochaeon wird abgeleitet von cf^rrdc und oxfj. Ueber den Namen
;1. Ebert p. 291 Anm. 2; Roesler p. 29 Anm. 1. Von geistiger Nahrang (pastua) spricht
rndentius auch Cath. 4, 3; vgl. auch 4, 94. Sixt vergleicht noch CaÜi. 4, 34 sed noa tu
imino fovens paratu \ artus atque animaa utroque pastu \ confirmas Pater ac vigore
mples. Brandes (Wien. Stud. 12 (1890) p. 287 Anm. 5) und Weyman (Comment. Woelff-
oianae p. 287 Anm. 3) halten die überlieferte Form Dittoehctean fttr verderbt; jener ver-
utet DUeiehion oder Ditoechion (Doppelwand), dieser diaroixatoy oder diTTaix«^oy, Ueber
e Verderbnisse des unge^öhnlicnen Titels in Handschriften vgl. Sixt p. 3; über andere
Itel denselben 1. c. Das in Handschriften des 16. Jahrhunderts vorkommende , Diptychon*
t eine Humanistenconjektur.
Die Echtheit der Tetrasticha. Vgl. Ebert p. 289 Anm. 1 ; Sixt, Separatabdr. p. 10.
lerst hat Johannes Sichard in seiner Ausg. des Dichters (Basel 1527) die Echtheit be-
ritten. Ausser den Handschriften spricht auch Gennadius (c. 13) für Prudentius: Prudentius^
r saeculari lUteratura eruditus, composuit Trapcteum (dafür wird geschrieben: diTioxaTof)
i toto veteri et novo testamento personis excerptis, Ebert (1. c.) fügt noch hinzu, ,dass
einem Schreiben des Bischofs von Ostia, Georgius an Papst Hadrian vom Jahre 786
n Vers des Dittochaeon (I, 8) mit dem Zusatz dicente Prudentio angeführt wird.' Der
Distand, dass Prudentius von der Sanmdung schweigt, ist keineswegs entscheidend gegen
e EchÜieit, da der Dichter selbst nicht viel von dem Werke halten mochte. Eben-
»wenig darf in die Wagschale geworfen werden, wenn der Dichter dieselben Begeben-
siten anderswo etwas anders erzöüt als hier, da ja der Dichter von dem Maler abhängig
t; vgl. Sixt p. 8. Bei genauerem Zusehen erkennen wir in dem Verfasser des Dittochaeon
ieselbe geistige Individualitftt wie in Prudentius; wir erinnern nur an die Vorliebe für das
jrmbolische und Typologische im Dittochaeon; auch sprachliche Verwandtschaft besteht
iv^ischen diesem und den anderen Werken des Prudentius; vgl. Sixt p. 10. Nach F. X.
raus (Gesch. der christl. Kunst 1 (1896) p. 386), der nochmals die Echtheit bezweifelte,
t für die Echtheit zuletzt eingetreten S. Merkle, Prudentius* Dittochaeon (Festschr. zum
lOOjfthrigen Jubilftum des deutschen Campo Santo in Rom, Freib. i. Br. 1897, p. 33).
Die Tetrasticha als Erläuterung von Bildwerken. Die Bestimmung der
etrasticha ergibt sich deutlich aus ihrer sprachlichen Fassung; man vgl. apparet in No. 38,
>c und ista in No. 4, eece in No. 40; vgl. Sixt p. 5. Der Charakter der Tetrasticha drückt
ch besonders aus, wenn sie sich auf Oertlichkeiten beziehen. — Th. Hach, Die Darstel-
ngen der Verkündigung Maria im christl. Altertum (Zeitschr. für kirchl. Wissen und kirchl.
)ben 1885 p. 384).
874. Bttckblick. Soweit wir sehen können, hat die Poesie unseren
rudentius nicht durch das ganze Leben geleitet; erst als er, alt geworden,
ch entschlossen hatte, der Welt Lebewohl zu sagen, um ganz für Christus
1 leben, pflegte er die Dichtkunst. Nicht Ruhmesbegierde war es, die
m zum Dichten trieb, sondern, wie er in dem Epilog zu seinen Werken
igt, das Verlangen, sich im Hause Gottes nützlich zu erweisen.') Er
ollte Christus durch seine Gedichte verherrlichen. Die christlichen Ideen
ätten den Gedankenkreis des Dichters vollständig erfüllt, und in denselben
ät sein dichterisches Schaffen eine feste Wurzel. Eine neue Ideenwelt,
n neues tiefes Gemütsleben strahlt uns also aus den Gedichten des Pru-
3ntius entgegen. Wie sehr stach von dieser christlichen Dichtung die
Bidnische ab, welche sich in abgelebten Mythen und in einer verbrauchten
echnik bewegte! Die Begeisterung, die Prudentius für das Christentum
egte, bestimmte auch das Ziel seiner Poesie : er will einerseits die heid-
^) Diesen Gesichtspunkt hat Brock- ' in Cath. IX vorzuliegen scheint; vgl. Brock -
ins in scharfsinniger Weise zur Geltung haus p. 270.
(bracht (Kap. IX und X). Vielleicht darf *) Epilog. Vs. 33 quidquid illud aecidii,
»ch angeführt werden, dass ein Einfluss iuvabit ore personasse Christum,
iristlicher Kunstwerke auf Prudentius auch
230 AnreliQB Fmdentins Olemens. (| 874.)
iiischen Anschauungen, die sich noch in einzelnen vornehmen römischen
Familien erhalten hatten, aus dem Wege räumen, andererseits vrill er
durch die Bekämpfung der Irrlehren die Einheit der Kirche auf Grund
des nicänischen Bekenntnisses befestigen. Weder die Streitschrift gegen
die Heiden noch die Streitschriften gegen die christlichen Irrlehren sind auf
dem Boden des Kampfplatzes erwachsen, und es war ein verkehrtes unter-
nehmen, dieselben mit dem Priscillianismus in Verbindung zu bringen;^)
sie sind vielmehr eine Frucht der Studierstube und des Enthusiasmus, den
der Dichter fUr das Christentum hegt. Selbst seine Hymnen nehmen gern
die Gelegenheit wahr, auf die christlichen Dogmen hinzuweisen, und er-
halten dadurch einen didaktischen Zug. Es ist kein Zweifel, Pnidentius
wendet sich in seinen Produktionen an die gebildeten Kreise sowohl in
der christlichen als in der nationalen Welt. In der Lösung seiner Auf-
gabe springt seine Originalität mehrfach in die Augen. In seinen Lehr-
gedichten ist das freie poetische Schaffen niemals zu kurz gekommen; wie
Lucrez weiss auch er dem sprödesten Stoffe dichterischen Oeist ein-
zuhauchen. Aber auch ganz neue Kunstformen sind von ihm geschaffen
worden. Mit der Psychomachie wurde das allegorische Epos inauguriert,
welches dann im Mittelalter so reiche Blüten treiben sollte. Aus den
trockenen Epigrammen des Damasus auf die Gräber der Märtyrer wusste
er eine episch-lyrische Dichtungsart herauszugestalten, welche in der mo-
dernen Zeit wahre Triumphe feiert. Den ambrosianischen Hymnus bildete
er in der Weise fort, dass er ihn von der Liturgie loslöste und in den
Dienst des aesthetischen Genusses der Leser stellte. Auch in seinen Lehr-
gedichten will Prudentius nicht Theologe, sondern Dichter sein. Man kann
daher auch nicht von einer Theologie des Prudentius in dem Sinne sprechen,
dass von ihm eine ihm eigentümliche Auffassung der christlichen Wahr-
heiten zu verzeichnen wäre;*) er ist in seinem theologischen Wissen von
den Meistern seiner Zeit, besonders von Tertullian und Ambrosius, ab-
hängig. Nicht die Spekulation war ein treibender Faktor in dem dichte-
rischen Schaffen des Prudentius. Seine Produktion zeigt aber als charak-
teristische Eigenschaft die grosse Formgewandtheit. Dass des Dichters
Composition eine leichtflüssige war, erhellt schon daraus, dass er in ver-
hältnismässig sehr kurzer Zeit seine Werke schrieb. Es liegt klar zu
Tage, dass Prudentius aus der Rhetorschule reiche Früchte davongetragen
hatte; wie aber diese Rhetorschule ihm die Eleganz des Ausdruckes an
die Hand gab, so verleitete sie ihn leider oft auch dazu, an die Stelle der
Gefühlswelt eine Welt von Worten zu setzen. Er zeigt sich eben als Kind
*) Es ist ein Hauptgedanke des Roesl er-
sehen Buches, dass die drei Lehrgedichte
Apotheosis, Hamartigenie und Psychomacliie
ist. Dass die Prosodie des Namens dem
Dichter keine unübersteigbaren Hindemisse
bereiteten, ist mit Recht bemerkt worden;
gegen die Priscillianisten gerichtet sind. Allein > vgl. Puech, Journal des Savants 1891 p.310
jeder, der unbefangen diese Gedichte liest, I Anm. 1; Merkle p. 90 Anm. 1. Auch sind
wird eine solche Tendenz bei ihnen nicht ' charakteristische Lehren und Eigenschaften
finden; vgl. Merkle, Prudentius und Pris- | der Priscillianisten nicht erwähnt, z. B. ihre
cillian (Theol. Quartalschr. 76 (1894) p. 77). apokryphe Litteratur (Merkle p. 99), ihre
Schon die eine Thatsache genügt, dass in Allegorese (p. 102) und anderes (p. 110).
keinem dieser drei Werke Priscillian genannt *) Vgl. Brockhaus p. 204.
oder in sonst einer Weise deutlich bezeichnet >
Anrelins Pmdentins Clemens. (§ 874.)
231
einer Zeit, die von der Rhetorik lebte. Es ist weiterhin klar, dass auch
inser Dichter sich dem Einfluss der nationalen Litteratur, die von jeher
tark mit Rhetorik versetzt war, nicht entziehen konnte. In den gräss-
ichen Schilderungen, die jetzt den Leser so sehr stören, in den langen
Beschreibungen, die uns so oft ermüden, erkennen wir deutlich die Ein-
rirkungen der nationalen Poesie. In der Form steht Prudentius auf natio-
lalem Boden; er hatte die Meisterwerke des römischen Volkes eifrig stu-
liert und von ihnen die Yerstechnik sowie die Anpassung des Metrums
ji den Inhalt gelernt. Selbst in der allegorischen Gestaltung i) fand er
Anregungen genug in der profanen Litteratur. So haben wir denn bei
^rudentius zum erstenmale eine Poesie, in der sich die klassische Form
lit dem christlichen Oeiste zu schöner Harmonie vereinigt. Charakteri-
tisch ist, dass Prudentius für die ewige Roma begeistert war wie die
ationalen Dichter, aber sein Rom ist ein durch das Christentum verjüngtes,
erufen, dem Christentum den Erdkreis zu unterwerfen.
Vorbilder. a)Horaz; über die Nachbildung horazischer Versmasse vgl. Faguet,
>e Pmd. carm. lyr., Bordeanx 1883; Erenkel^DeA. Prud. Gl. re metrica, Königsberger Diss.
884; über Nachahmong in Bezug auf Sprache und Gedanken vgl. M. Hertz, Analecta ad
anninum Horat. bist. 4 (Ind. lect. Bresl. 1880 p. 26); Breidt, De A. Prud. Ol. Horatii
nitatore, Heidelberg 1887; besonders die lyrischen Gedichte des Horaz sind ihm Muster
ewesen. Dass in der Parallelisierung Breidt oft unkritisch verfährt, zeigt Weyman,
»erL philo]. Wochenschr. 1888 Sp. 1113. Interessant ist dagegen die Beobachtung Breidts
). 22), dass Prudentius in seiner Polemik gegen die Heiden sich auch nicht selten hora-
ische Wendungen zu Nutzen macht, also die Heiden sozusagen mit ihren eigenen Waffen
ekämpft ß) Senecas Tragoedien; vgl. Wevman, Seneca und Prudentius (Gomment.
Voelfflinianae, Leipz. 1891, P- 283). Seneca Herc. rar. 610 noctis aeternae ch<w8 = Cath. 9, 81 ;
ndere Beispiele bei Sixt, Des Prudentius Abhängigkeit von Seneca und Lucan (Philol. 51
1892) p. 504). Dass aber Prudentius nicht bloss in einzelnen Wendungen, sondern in
anzen Scenen von Seneca abhängig ist, zeigt Sixt p. 501 und vergleicht den Untergang
es Hippolytus in Phaedra 1073 mit Peristeph. 11, 85; Hercules für. 1011 mit dem beth-
»hemitischen Kindermord in Cath. 12, 118; Hercules für. 46 mit Christi Höllenfahrt in Cath.
,70 u. 8. w. Vgl. noch G. Ficker, Stud. zur Hippolytfrage, Leipz. 1893, p. 35 Anm. 3.
) Lucan. Dieser Epiker konnte dem christlichen Dichter besonders für schreckliche
cenen ein Modell abgeben; vgl. Sixt (1. c. p. 505), der namentlich auf Pharsalia 3, 572 ff.,
57—658, 4, 541 ff., 8, 671 ff., 6, 540 und 9, 767 hinweist. Ein belehrendes Beispiel ist
hars. 9, 4 ff. = Peristeph. 14, 91 ff. Ueber einzelne Wendungen vgl. denselben 1. c. cf) S tat i us ;
. Lafaye, Quelques notes sur les silvae de Stace premier Uvre, Paris 1896, p. 27; vgl.
eristeph. 11, 227 f. u. silv. I 2, 236. e) Ueber Vergil, Ovid, Juvenal vgl. Lease p. 66.
haedrus 4, 6, 11 || Cath. 7, 115. C) Tertullian. Die Abhängigkeit des Prudentius von
ertullian in seinen theologischen Anschauungen legt am ausfCÜu'lichsten Brockhaus im
. £[apitel seines Buches dar; vgL auch Ebert p. 269 und p. 276. Was Roesler (p. 246)
ßgen die Benutzung des Häretikers Tertullian vorbringt, ist völlig hinfällig; dies geht schon
irauB hervor, dass er gezwungen ist, zuzugestehen, dass Prudentius die Schriften Ter-
illians gekannt und gelesen habe (p. 247) und dass er zu einer Mittelquelle, der verlorenen
chrift des Olympius, seine Zuflucht nehmen muss; vgl. auch P. Schanz, Deutsche Lit-
traturzeitung 1887 Sp. 963; Puech p. 174. Ueber die Benutzung der Bücher Tertullians
3gen Marcion in der Hamartigenie vgl. Ebert p. 276. Vgl. noch A. Harnack, Tertullian
der Litt, der alten ELrche (Sitzungsber. der Berl. Akad. 1895 p. 573). tj) Cyprian. Das
iteresse des Prudentius für Cyprian wird erwiesen durch den Hynmus 13 im Peristephanon ;
;L besonders die bezeichnenden Worte (Vs. 6) te leget amnis amans Christum, tua, Cy-
Hane, discet. Ebert (p. 287) macht darauf auhnerksam, dass das Bild von der Berennung
)r Seele durch die Laster auf einer Anschauung ruht, die sich schon bei Cyprian findet;
;;1. auch Roesler p. 243. ^) Lac tanz. Dass Rndentius besonders in den Büchern gegen
^mmachus und in der Hamartigenie den Lactanz benutzte, zeigt S. Brandt, De Lact.
md Prud. vestigüs, Heidelberg 1894; Ausg. des Lactanz pars 2 fasc. 2 (1897) p. 274.
^) Sogar in christlichen Vorstellungen,
B. in denen über das Jenseits, lässt sich
ie Entwicklungsreihe bis tief in das Alter-
tum hinein feststellen; vgl. Dieter ich, Ne-
kyia, Leipz. 1893.
232 Anrelins Prndentiiis demens. ({875.)
i) JuvencuB. Manitius, Zu JuvencuB und Prudentias (Rhein. Mus. 45 (1890) p. 485)
statuiert, daas Juvencua in Sprache und Yershau auf die kommenden chriaÜidien Dichter,
darunter auch auf Prudentiua, der wie Juvencus ein Spanier war, seinen Einfluss ansgeflbi
x) Ambrosius. Brockhaus p. 204: «Ausserdem dürften des Prudentins nfthere Zeit-
genossen, Ambrosius und vielleicht Hieronymus, namentlich in ethischen und praktiscli
kirchlichen Fragen, so in der Verherrlichung der Märtyrer, der Jungfrftulichkeit, wie der
Ascese überhaupt, namentlich auch der Benutzung biblischer Gestalten und Vorgänge zn
ethischen Zwecken, wie es Ambrosius liebt, auf seine Anschauungsweise nicht (Mhne Ein-
fluss gewesen sein. Hat doch der letztere z. B. der von Prudentius besungenen heiligen
Agnes ebenfalls seine Aufoierksamkeit gewidmet." Hieran anknüpfend lehnt Roesler
(p. 242) eine Beeinflussung des Prudentius durch Ambrosius in ascetischen Dingen ab, be-
hauptet aber, ,dass Prudentius in der Darlegung der Glaubenswahiheiten mit keinem Kirchen-
vater oder Schriftsteller grössere Aehnlichkeit hat als mit Ambrosius, und daas der Grund
hiervon beim Dichter in der Lektüre der ambrosianischen Schriften zu suchen sei.* Ueber
die ambrosianischen Hymnen als Vorbilder für die des Prudentius vgl. Eayser, Kirchen-
hymnen p. 266. Ueber Ambrosius als Quelle der Bücher gegen Symmachus v^ Ebert p.276.
A) Das Verhältnis von Prudentius und Glaudian, dieser zwei gleichzeitigen Dichter, näher
zu bestimmen, ist von Interesse, aber nicht ganz leicht. Richtig wird die Annahme Birts
(Ausg. des Glaudian p. LVll) sein, dass Prudentius in den Büchern gegen Symmachus Gbn-
dians Gedicht de hello Pollentino vor Augen gehabt hat Viel weiter geht der Schiller
Birts, Hoefer, der in seiner Diss. de Prud. Psychomachia eine ausgedehnte Benutzung
claudianischer Gedichte durch Prudentius annimmt und auf derselben sogar die Chronologie
der Werke des Prudentius basiert wissen will. Noch immer wird zu wenig beachtet, d^
sich in einer litterarisch entwickelten Dichtungsart ein gemeinsamer Phrasen- und W<»t-
schatz bilden muss; Weyman, Berl. philol. Wochenschr. 1897 Sp. 977.
Die metrische Composition. F. Krenkel, De Aurelii Prudentii Gl. re metrica,
Königsberger Diss. 1884; W. Mever, Ueber die Beobachtung des Wortaccentes in alÜai
Poesie, Abb. der Münchener Akad. 16 (1886) p. 116 (über die Jamben); Puech, Pmdence,
Paris 1888, p. 269; Th. Reichardt, De metrorum lyricorum Horatianomm artificioea elo-
cutione, Marb. 1889, p. 57 (über die lyrischen Masse); Lease, A syntactic, stylistic and
metrical study of Prudentius, Baltimore 1895, p. 54. Die Haupterscheinungen der Phwodie
fasst Manitius (Rhein. Mus. 45 (1890) p. 491) zusammen; es sind folgende: 1. Häufige
Verletzung der Prosodie bei den griechichen Namen und Wörtern (z. B. idölum), 2. Ver-
längerung kurzer Silben in der Arsis und Verkürzung langer Silben in der Thesis. 3. Ver
längerung einer auslautenden kurzen Silbe durch anlautendes cl. er, fl, fr. gl, pl. pr, 9e. tp.
spl. sq. 8t. ftr.
Die Sprache. A. E. Kantecki, De Aureli Prud. Gl. genere dicendi qoaest., Man-
ster 1874; Puech, Prudence p. 257; Lease, A S3mtactic, stylistic and metrical stady of
Prudentius; vgl. dazu Sixt, Berl. philol. Wochenschr. 1895 Sp. 1579. Manitius (Rhein.
Mus. 45 (1890) p. 487) sagt: „Prudentius ist ein Neubildner ersten Ranges. Eine grosse
Anzahl von substantivischen und adjectivischen Weiterbildungen gehört ihm an ond ist
durch die weite Verbreitung seiner Werke (cf. hierzu Wiener Sitzungsber. Bd, CXVH, Xfl
S. 26 ff.) Gemeingut der christlichen Poesie geworden.'
876. Fortleben des Dichters. Zu seinen Lebzeiten scheint Pru-
dentius nicht zu besonderem Ruhme gelangt zu sein; die ruhmreichen
kirchlichen Schriftsteller seiner Zeit schweigen über ihn gänzlich; doch
lassen sich bei Augustinus wenigstens Beziehungen zu Prudentias wahr-
scheinlich machen. Dass Hieronymus in seinem Buch über die kirchliche
Litteratur dem spanischen Poeten keinen Platz eingeräumt hat, hängt
offenbar damit zusammen, dass damals (392) Prudentius noch nicht die
Dichterlaufbahn betreten hatte; erst der Nachfolger des EQeronymos,
Gennadius, hat ihn unter die kirchlichen Autoren eingereiht. Die ersten
Spuren seiner Nachwirkungen finden wir bei den Dichtem; ApoUinaris
Sidonius schätzt den christlichen Sänger sehr hoch und eifert ihm aach
nach. Ein Lob der Psychomachie finden wir bei Alcimus Avitos.*) Wir
sehen, dass Prudentius gegen Ende des fünften Jahrhunderts als lebendiger
*) Ueber die Psychomachie bei späteren Autoren vgl. B er gm an, Ansg. der Psycho-
machie p. XXX.
Anrelins PrndentiaB Clemens. (§ 875.)
233
Paktor in das geistige Leben der Christenheit eindringt. Obwohl Pru-
ientius seine Hymnen nicht zum praktischen Gebrauch der Kirche be-
stimmt hatte, gewannen sie doch einen grossen Einfluss auf die christ-
liche Hymnodie; aus den Liedern, die wegen ihrer grossen Ausdehnung
nch zunächst nur für die Lektüre eigneten, hob man einzelne Strophen
sius, um sie für bestimmte kirchliche Gebetszeiten geeignet zu machen;
selbst vor kleinen Aenderungen ^) und Zusammenarbeitungen von Versen
Eius verschiedenen Strophen ') scheute man sich hierbei nicht. So wurden
FBr das römische Brevier sieben Stücke aus des Prudentius Gathemerinon
herausgestaltet; selbst das Peristephanon musste Beiträge für die kirch-
liche Liturgie liefern. >) Die Zeit, in welcher Prudentius der christlichen
Hymnodie dienstbar gemacht wurde, lässt sich leider nicht genauer be-
stimmen.^) Auf Kunst und Dichtung der kommenden Epoche, die dem
Allegorischen und Mystischen zugeneigt waren, wirkte mächtig die Psycho-
machie des Prudentius ein. Schon öfter ist gesagt worden, dass dieses
Gedicht zu den beliebtesten Dichtungen des Mittelalters gehörte, und dass
wir auf unzählige Spuren desselben stossen. Um nur ein gewichtiges
Beispiel anzuführen, der bekannte lateinische Dichter der Angeln, Ald-
helm (t 709) schloss sich in seinem Gedichte de laude virginum an die
Psychomachie an, indem er die Virginitas einen Kampf mit den acht
Hauptlastern bestehen liess. Ein Beweis für das wachsende Ansehen des
Prudentius liegt darin, dass er in den Schulunterricht eingeführt wurde;
schon Beda Venerabilis (672—735) nahm in einem Schulbuch über die
Metrik auf Prudentius Bezug. ^) Es ist nahezu selbstverständlich, dass,
als in der karolingischen Zeit die antike Litteratur wieder auflebte, der
christliche Geist neben die Klassiker den Prudentius stellte; in der Biblio-
thek des Alkuin befand sich der Spanier.^) Der Schüler Alkuins, Hra-
banus Maurus, nahm sich in seinem Hymnus auf die unschuldigen Kinder
das Gedicht des Prudentius auf Eulalia zum Muster. Auch dessen Schüler
Walahfrid Strabo ist in seinem Hymnus auf die Märtyrer von Agaunum
Nachahmer des römischen Dichters. 7) Von da an ist das Ansehen des
Prudentius in fortwährendem Steigen begriffen; er findet Eingang in alle
christlichen Länder, und neben der hl. Schrift gehörte Prudentius zu den
gelesensten Autoren.^) Der Erzbischof von Köln, Bruno, der Bruder
Ottos I., las beständig den Prudentius und hegte so grosse Begeisterung
f&r ihn, dass er ihm durch Schenkung desselben an alle Kirchen die grösste
Verbreitung zu sichern suchte. Zeugnis davon legen die zahlreichen Hand-
schriften ab, die wir von ihm besitzen, ferner die vielen Glossen, mit
denen er versehen wurde. ^) Die allegorischen Gedichte des Mittelalters zogen
von dem spanischen Dichter ihre Nahrung, die Heiligenlegenden schlössen
») Vgl. Kayaer p. 290.
«) Vgl. Kayser p. 285.
•) Vgl. Kayser p. 272.
«) Vgl. Kayser p. 273; Roesler p. 255.
*) Vgl. Roesler p. 256.
•) Vgl Obbarius, Auag.p. XXIII Anm. 2.
^) Vgl. Ebert 2 p. 162.
") R. von Raumer, Die Einwirkung des
Christentoms auf die althochdeutsche Sprache,
Stuttgui 1845, p. 222; vgl. auch Brock-
haus p. 11.
*) Vgl. Steinmeyer und Sievers, Die
althochdeutschen Glossen 2 (Berl. 1 882) p. 382 ;
J. Berg, Die althochdeuiBchen Prudentius-
glossen der Godd. Paris. (Nouv. acquis. 241)
und Monac. 14395 u. 475, Halle a. S. 1889.
234 AureliiiB Prndentiiui Clmmmnm. (§ 875.)
sich in Form und Composition an ihn an und führten in langer Entwick-
lungsreihe zur modernen Ballade. ^) Die Mirakelspiele hatten in den stark
realistischen Schilderungen der Martyrerleiden einen Anknüpfungspunkt
Nicht bloss in der lateinischen Sprache, sondern auch in den nationalen
Idiomen leuchtete der Geist des Prudentius auf; so spiegelt das älteste
nordfranzösische Epos uns den Hymnus von Enlaliä wieder. ') Aber aoeh
die Kunst rankte sich an Prudentius empor; wie er in seiner Dichtung viel-
fach von bildlichen Darstellungen beeinflusst wurde, so reizten auch wie-
derum seine anschaulichen Erzählungen und Schilderungen zur Umsetzung
in das Bild ; besonders die Psychomachie bot hier die reichsten Anregungen
dar. In den vielen Bilderhandschriften, die von Prudentius erhalten sind,
sehen wir noch heute das rege Schaffen auf diesem Gebiete.^)
Solange der Glaube sich ungeteilt erhielt, war Prudentius der christ-
liche Dichter des Abendlandes; mit der Kirchenspaltung verschob sich
auch die Stellung desselben; aus dem christlichen Dichter wurde jetzt
der katholische. Die protestantischen und zum Teil auch die katholischen
Völker wählten für den geistlichen Sang die Volkssprache und schufen so
einen neuen Litteraturzweig, mit dem der lateinische Hymnus des Pru-
dentius nicht konkurrieren konnte. Die Autorität des Prudentius bewegte
sich von nun an auf abschüssigen Bahnen, und der Dichter gehört jetzt
nicht mehr ganzen Nationen, sondern nur einzelnen Kreisen an.
Zeugnisse über das Fortleben. Roesler behandelt das Fortleben des Dicbtets
in seinem 5. Kapitel «Das Leben des Pradentias in der Geschichte*. Material ftlr daa Fori-
leben liefert Manitius, Beitr. zur Gesch. frtthchristl. Dichter im Mittelalter (SitKongsber.
der Wiener Akad. der Wissensch. 117 (1888) XII p. 26), der hier auch eine Reihe von seinen
Aufsätzen, die sich auf das Fortleben des Prudentius beziehen, citiert Kurze Uebersicht
auch bei Puech p. 289. Apollin. Sid. 2, 9, 4 (p. 42 Mohr) hinc Augustinus, hine Varro,
hinc Horatius, hinc Prudentius leciitabantur. Alcimus Avitus poemat. lib. 6, 370 (p. 285
Peiper) has virtutis opes, haec sie solacia belli, \ descrihens mentis varias cum corpore pugnas,
j)rudenti quondam cecinit Prudentius arte. Gregor von Tours de gloria martyrum 1, 4
sicut Prudentius noster in libro contra Judaeos (i. e. Apoth. 321 — 551); 1, 162 iuxta Pru-
dentium crux peUit omne crimen (Cath. 6, 133); de cursibus ecclesiasticis § 59 PrudetUiu*
cum prudenter d isser er et; vgl. noch 0. Zöckler, Das Lehrstück von den 7 Hanptsfindeo,
München 1893, p. 43; Venant. Fortunat. de vita S. Martini 1, 18 (p. 296 Leo) martyri-
busque piis sacra haec donaria mittens \ prudens prudenter Prudentius immclat actus.
Ucber den Einfluss des Prudentius auf die kirchliche Hymnodie vgl. Kays er, Beitr. zur
Gesch. und Erklärung der ältesten Kirchenhymnen, Paderborn* 1881, p. 271; Roesler
p. 108; p. 43. Ueber Prudentiushymnen in der mozarabischen Liturgie handelt C. Blume,
Hymnodia Gotica. Die mozarabischen Hymnen des altspan. Ritus (Analecta hymnica medii
acvi 27 (Leipz. 1897) p. 35). Ueber Petrus Chrysologus vgl. Weyman, PhiloL 55 (1896)
p. 4G7. Ucbcr die Beziehungen zur Vita Dalmatii episcopi Ruteni vgl. denselben, Litt.
Centralblatt 1897 Sp. 807. lieber Beziehungen zu carm. lat. epigr. 330 vgl. denselben, Stud.
zu den Carmina lat. epigr. (Blätter für das bayr. Gymnasialschulw. 31 (1895) p. 535). Ueber
Dracontius vgl. B. Barwinski, Quaest. ad Dracontium et Orestis tragoediam pertinentes.
1. De genere dicendi, Göttingen 1887, p. 104; über Corippus vgl. R. Amann, De Corippo,
priorum poetarum lat. imitatore, pars 2 (Oldenb. 1888) p. 17. Ueber Ruricius vgl. Wey-
man, Krit.-sprachl. Analecten VI (Wien. Stud. 20 (1898) p. 158). Ueber das Portleben des
Prudentius im Mittelalter vgl. Roesler p. 255; P. v. Winterfeld, Zu karolingischen Dich-
tern. 1. Prudentiusreminiscenzen bei Walahfrid und Hrotsuit (Neues Archiv der Ges. far
ältere deutsche Geschichtsk. 22 (1897) p. 755). üeber Anklänge des liber miraculomin
S. Fidis (s. XI) an Prudentius vgl. Weyman, Hist. Jahrb. der Görresges. 20 (1899) p. 6S.
Ueber den Einfluss des Prud. auf die Mirakelspiele vgl. Ebert p. 264; Puech, Prudence
p. 134. Ueber den Gebrauch des Prudentius in den Klosterschulen vgl. F. A. Specht,
>) Vgl. Manitius p. 96. | ») Vgl. R. Stettiner, Die illustrierten
^) Vgl. Ebert p. 263. i Prüden tiushandschriften, BerL 1895.
MeropiuB Pontins PaalinuB. (§ 876.) 285
Gresch. des Unterrichtswesens in Deatschland, Stattgart 1885, p. 101; p. 108. Dass in dem
▼on M. Manitius, Leipz. 1889 herausgegebenen Gedicht des Sextus Amarcius aus dem
11. Jahrhundert die Apotheosis stark ausgebeutet ist, bemerkt Weyman, Hist. Jahrb. der
Gtoresges. 10 (1889) p. 122 Anm. 2. Ueber die Beziehungen zu den miracula S. Clementis
vgl. denselben, Aualecta IV. Zu den neuedierten Texten Über Clemens von Metz (ebenda 18
(1897) p. 360; p. 362). Ueber Duoda vgl. Ph. Aug. Becker, Duodas Handbuch (Zcitschr.
Hbr roman. Philol. 21 (1897) p. 91). Ueber die Occupatio des Odo von Glugny vgl. Wey-
man, Litt Centralbl. 1901 Sp. 1063.
Augustin und Prudentius. Beziehungen zwischen Augustin und Prudentius leugnet
Roesler p. 250 (vgl. auch Brockhaus p. 204); im Gegensatz dazu zeigt Merkle, Neue
Pnidentins-Stadien (TheoL Quartalschr. 78 (1896) p. 254), dass Augustin den Prudentius
kannte. Die Abhängigkeit des Augustin vom spanischen Dichter erblickt er in der Be-
urteilung der Sabbatruhe (Enchir. c. 112; 40 Sp. 285 Migne), die sich auf Cath. 5, 125 stütze
und in dem Preis des Friedens, welcher sich in der Psvchomachie findet und, wie bereits
Ibert (p. 285) bemerkte, unverkennbar an das 19. Buch der Civitas Dei anklingt.
Die Ueberlieferung des Prudentius lässt sich nach brieflicher Mitteilung des
Prof. Bergman in Stockholm also charakterisieren: Die Handschriften des Prudentius sind
sdir zahlreich; sie belaufen sich auf etwa 320 und reichen vom 6. bis zum 15. Jahrh. Alle
Werke des Dichters enthalten etwa nur 27 Handschriften, von denen die meisten dem
10. Jahrh. angehören. Bergman unterscheidet zwei Familien: a) eine bessere Hauptfamilie
A, in der die Werke also geordnet sind: Cathemerinon, Apotheosis, Hamartigenia etc. und
die das Cathemerinon vollständig gibt; ß) eine geringere Familie B, in der die Ordnung
der Werke ist: Cathemerinon, Peristephanon, Apotheosis, Hamartigenia etc. und die von
dem Cathemerinon nm' die zehn ersten Hymnen darbietet, während sie die zwei letzten an
das Peristephanon anhängt. Der älteste und massgebende Codex ist der Puteanus sive Pari-
anms 8084 s. VI in Kapitalschrift; vgl. U. Robert, Notice palöographique sur le manu-
scrit de Pmdence No. 8084 du fonds latin de la Bibliothöque Nationale (M^langes Graux,
Paris 1884, p. 405); ein Facsimile befindet sich im Album palöographique, Paris 1887, pl. I;
Zangemeister-Wattenbach, Exempla cod. lat. tab. 15. Eine Beschreibung der Hand-
schrift gibt auch Krüger bei Mommsen, Hermes 4 (1870) p. 352; vgl. noch Deiisle,
Monatsber. der Berl. Akad. 1867 p. 526. Der Codex ist unvollständig. Auf folio 45 '^ trägt er
die Subscriptio: VeUius Agorius Basilius; derselbe ist identisch mit dem Horazrecensenten
Vettios AgoriuB Basilius Mavortius; vgl. oben § 264. Unser Codex enthält auch die Fn-
yective gegen Nicomachus; vgl oben § 858. Weiterhin gehören zur Familie A: Vatic. Reg.
321, Parisinus 8087, 8305, Oxoniensis Bodl. F. 3. 6, Dresseid. F. 1. Die Hauptrepräsen-
tanten der Familie B sind: Ambrosianus D 36 sup.VlI, Parisinus 8085, 8086, nouv. acq. 241,
Vatic. 3859, 3860, Laud. 34248, Oxoniensis T. 2. 22, Leidensis-Burm. Q. 3, Bemensis 394.
Eine Sonderetellung nehmen ein Colon. 81 und Cas. 374. Vgl. noch Bergman in den Pro-
legomena seines Lexicon Pmdentianum p. V; Berl. philol. Wochenschr. 1896 Sp. 862; Ausg.
der Psych, p. VI; Eranos. Acta philol. suecana edenda curavit Lundström, Vol. 1, fasc. 2
SJpeala 1896) p. 111. Ueber die Interpolationen vgl. denselben, Lexicon Prud. p. XXY.
^xtproben und althochdeutsche Glossen aus Yaticanus Palatinus 1715 s. X und yaticanus
Reg. 321 8. X teilt mit J. M. Burnam, American Journal of archaeology 4 (1900) No. 3 p. 293.
Ueber den Yaticanus Reg. 339 vgl. Stowasser, Wien. Stud. 7 (1885) p. 343.
Ausg. Eine Geschichte derselben gibt Drossel, Ausg. p. XXY; vgl. auch Roesler
p. 268; Puech p. 67; Bergman, Lexicon Prud. p. YIII. Yon den älteren Ausg. machen
wir namhaft die von Giselin, Antwerpen 1564, von J. Weitz, Hanau 1613, von N. Hein-
8 ins, Amsterdam 1667 (eine ausgezeichnete kritische Leistung), von Chr. Cellarius, Halle
1703, von F. Arevalus, Rom 1788/89 (2 Bde.; wegen des reichen aufgespeicherten Ma-
terials noch heute nicht zu entbehren); abgedruckt ist diese Ausg. bei Migne, Patrol. lat.
Bd. 59 — 60. Neuere Ausg. sind die von Th. Obbarius, Tübingen 1845 und Dressel,
LeipdE. 1860. Eine neue kritische Ausg. ist dringendes Bedürfnis; eine solche wird vor-
bereitet von dem Schweden Bergman. Inzwischen hat derselbe ein Lexicon zu Pruden-
tius begonnen: Lexicon Prudentianum, fasc. 1 (Prolegomena. A — Adscendo), Upsala 1894;
vgl dazu Sixt, Berl. philol. Wochenschr. 1895 Sp. 1058.
9. Meropius Pontius Paulinus. ^)
876. BiographiBches. Meropius Pontius Paulinus wurde zu Bordeaux
geboren, und zwar wahrscheinlich im Jahre 353. Es war eine vornehme
^) Ohwohl die dichterische Th&tigkeit des
Paulinus vorwiegend dem 5. Jahrhundert an-
gehört, haben wir ihn doch hier behandelt.
weil er nicht gut von Ausonius getrennt
werden kann.
236 VeropiuB Pontius PanlinnB. (§ 876.)
Familie, der Paulinus entsprosste; auch GlQcksgüter standen ihr
lieh zu Gebote. Für die Ausbildung des Paulinus bot Bordeaux mit
vielen Professoren Hilfsmittel in Hülle und Fülle dar. Der beruh
Lehrer war aber ohne Zweifel Ausonius, der später als Prinzenerzie
den kaiserlichen Hof berufen wurde; er war auch der Lehrer de
linus, und zwischen Lehrer und Schüler bildete sich ein inniges Ver
heraus. Dem jungen talentvollen Manne eröfiFhete sich eine gla
Laufbahn im Staatsdienst; hierbei kam ihm auch noch die Gunst <
Hofe einflussreichen Ausonius zu statten; die Senatorenwürde wur
zu teil; das Consulat erlangte er sogar vor seinem Meister Ausonii
dieses Amt im Jahre 379 bekleidete; alsdann scheint er Consular ii
panien gewesen zu sein. Aber Reichtum und Ehrenstellen konnte
vornehmen Manne für die Länge der Zeit keine wahre Befriedigu
währen. Das Christentum gewann in jener wundergläubigen Zeit
wirksamen Einfluss auf ihn ; er Hess sich taufen, beschloss der Well
wohl zu sagen und ein zurückgezogenes mönchartiges Leben zu 1
In seinem Vorhaben fand er in seiner Gemahlin Therasia eine ml
Stütze. Zu diesem Zwecke begab er sich nach Spanien und begann
seine Güter zu verkaufen und den Erlös den Armen zu schenken. Die
von dieser Lebensänderung drang nach Gallien und erregte dort das j
Aufsehen ; am schmerzlichsten wurde von derselben der alte Auson:
troffen. Er hatte alles darangesetzt, seinem Zögling die weltmäi
Bildung der vornehmen Gesellschaft zu geben; jetzt musste er zu
bitteren Schmerze hören, dass Paulinus ihn in seinen hochfliegend
Wartungen betrogen und in eine ihm unverständliche LebensfÜhru
raten sei. Ausonius schrieb die berühmt gewordenen Briefe an P£
in denen er eindringlich seinen ehemaligen Zögling mahnte, von
thörichtcn Beginnen abzulassen. Das warme Herz des alten I
spricht eine Sprache, die von jeher das Gemüt eines jeden
wunderbar packte. Die ausonischen Briefe strahlen wirklich ein i
Leben aus und stehen in merkwürdigem Gegensatz zu den anderen
sehen Spielereien des Dichters. Eine nicht minder eindringliche, vi(
noch eindringlichere Sprache spricht auch Paulinus in den beiden Ai
schreiben, die sich von ihm erhalten haben. Das Christentum hati
feste Macht über sein Inneres gewonnen, und damit hatte er einen si
Stützpunkt, von dem aus er dem Weltmann Ausonius entgegei
konnte; dabei lodert die Liebe des Schülers zum Lehrer in hellen Fh
empor. Der Streit endete ohne Versöhnung; er zeigte, dass damal
Welten im Kampfe miteinander lagen. Paulinus blieb in Spanie
lebte weiter seinen christlichen Idealen; er nahm sogar 393 die Pr
weihe. Doch auch der spanische Aufenthalt befriedigte ihn nicht
der Zug seines Herzens ging nach Nola in Campanien; hier ruht
Gebeine dos hl. Felix, den er sich schon seit längerer Zeit zum '.
erwählt hatte. Am Grabe des Heiligen wollte er den Rest seines 1
verbringen. Im Jahre 394 reiste er von Spanien, wo er sich vier
aufgehalten, nach Nola. Hier nahm sein Mönchsleben noch festere F
an, und der Kultus des hl. Felix gestaltete sich ihm zu einer ¥
MeropiuB PontiuB PaalinuB. (§ 876.) 237
liebensaufgabe ; den Todestag des Heiligen feierte er regelmässig durch
Mn Gedicht, und an dem Grabe desselben liess er glänzende Bauten auf-
fthren. Das Ansehen, das Paulinus in Nola genoss, war ein so grosses,
dass er 409 zum Bischof erwählt wurde. Aber auch die übrige christ-
liche Welt blickte mit Bewunderung auf den frommen Einsiedler in Cam-
IMUiien und suchte durch Besuche oder Briefe mit ihm in Verbindung zu
treten; in seinem Briefwechsel finden wir die glänzendsten Namen der
damaligen christlichen Welt vertreten. Paulinus erreichte ein hohes Alter
und starb am 22. Juni 431.
Zengnisse über das Leben des Paulinus. Bezüglich des Namens vgl. epist. 40,
iro er sich Meropius Paulinus nennt In Briefen des Ausonius (z. B. 19 p. 179 Schenkl;
^S p. 186 Seh.; 24 p. 187 Seh.) wird er Pontius Paulinus genannt Bezüglich des Gentil-
vamens Anicius vgl. Muratori Sp. I: , Gardinalis Baronius ad Aniciam illustrem familiam
Ptonlinum nostrum pertinere existimat, quia duobus Paulinis sub Constantio consulibus fuit
Anieii cognomen.* Seinen Geburtsort bezeugt Uranius, De obitu Paulini 1 (p. CXXVII
Jfuratori; Migne Bd. 53 Sp. 860) Sanctus Paulinus ^iseopus Burdegala oppido Oalliarum
inrimndus fuit. Auf irriger Schlussfolgerung beruht die Ansetzung des Geburtsorts Hebro-
magom aus epist. 11, 14. Die Geburt wird von manchen Gelehrten in das Jahr 353, von
mandien in das Jahr 354 verlegt; vgl. Muratori p. III; Buse 1 p. 39. Ueber seine
Bedehnngen zu Ausonius gibt der Briefwechsel Aufschluss. Ueber seine Senatoren-
Würde berichtet er 21, 458 quid aimile hia habui, cum dicerer esse Senator? Ueber
■em Consulat vgl. Muratori Sp. 815; Buse 1 p. 359. 21, 374 te (Feliee) duce fasci-
gerum gessi primaevus honorem \ teque meam moderante manum, servante salutem, \ purus
mb humani sanguis diserimine mansi, 21, 395 ergo ubi bis terno dicUmis fasce levatus \
d^pasui nuUa maeulatem eaede securim. In einem Brief an Paulinus (epist. 20 p. 181
Soieiikl) sagt Ausonius (Vs. 3): quamquam et fastorum titulo prior et tua Romae \ prae-
eea^U nostrum seüa cunUis ehur. Da das Consulat des Ausonius ins Jahr 379 fällt, war
PiAiilinus vor diesem Jahre Gonsul. Gewöhnlich wird das Jahr 378 angenommen, ohne dass
OB sich streng erweisen lässt. Dass er Cos. suff. war, ergibt sich wohl daraus, dass sein
Name in den Fasten fehlt. Aus 21, 379 iam tunc praemisso per honorem pignore sedis \
Campanis metanda locis hahitacula fixi, \ te fundante tui Ventura cubilia servi will Mu-
ratori (Sp. 817) folgern, dass Paulinus Consular von Campanien war. Ueber seine Yer-
lieiratang vgl. 21, 400 iUic (in Spanien) me ihalamis Humana lege iugari \ passus es (Felix);
•dne Frau hiess Therasia, wie sich aus den Briefüberschriften und aus vielen anderen
Stellen ergibt; vgl. z. B. epist. 3; 6. Ueber die Taufe vgl. epist. 3, 4 ego a Delphino Bur-
digalae baptizatus; sie erfolgte, noch ehe sich Paulinus nach Spanien zurückzog und dort
ien Briefwechsel mit Ausonius führte; vgl. Muratori cap. Y p. X; Buse 1 p. 140 Anm. 13.
Ueber die Geburt seines Sohnes zu Complutum, der aber gleich starb, vgl. 31, 601; 604.
Ueber den Verdacht des Brudermords vgl. 21, 416 cumque laborarem germani sanguine
eaesi \ et consanguineum pareret fraterna periclum | causa mihi censumque meum iam
sedor adisset, \ tu (Felix) mea coUa, pater, gladio, patrimonia fisco \ eximis, Ueber seinen
antritt ins MOnchtnm, der im Jahre 892 oder 393 stottfand, vgl. Buse 1 p. 160. Ueber die
Yerschenkung seine» Vermögens an die Armen vgl. Augustin. de civitate dei 1, 10 Pau-
Umu noster, Nolensis episcopus, ex opülentissimo divite voluntate pauperrimus, Sulpicius
SeveruB vita Martini 25, 4 qui (Paulinus) summis opibus abiectis Christum secutus solus paene
lu» tempofibus evangelica praecepta conplesset, Ueber seine Weihe zum Priester Weih-
nachten 393 (vgl. Buse 1 p. 192; Lagrange p. 116) spricht er sich epist. 3, 4 aus: a Lampio
e^NMl Barcüonem in Hispania per vim inflammatae subito plebis sacratus sum. Die Ankunft
dee Paulinus in Nola f&llt unbestreitbar in das Jahr 394 (vgl. Muratori p. 772), und zwar
erfolgte die Abreise im Frühjahr dieses Jahres; vgl. Lagrange p. 155. Ueber die Dauer
seines Aufenthaltes vgl. Muratori p. X: , Primus Paulini secessus in Hispania contigisse
videtor, ubi quatuor saltem annos transegit usque ad vemum tempus anni 394 sicque illuc
aeeesaisse anno 889 aut 390." Diesen Ansätzen stellt G. Rauschen, Jahrb. der christl.
Kirche unter dem Kaiser Theodosius d. Gr., Freib. i. Br. 1897 (Excurs 23: Paulinus' v. Nola
antritt in den Mönchs- und Priesterstand p. 547) andere gegenüber; indem er den Eintritt
des Paulinus in das Mönchtum nicht vor Mitte des Jahres 894 ansetzt, ihn Priester am Weih-
naehtsfeste 395 (oder 394?) werden ISsst und statuiert, dass der vienfthrige Aufenthalt in
Spanien spätestens 391 begann. Bezüglich seiner Ordination zum Bischof im Jahre 409
YgL Muratori p. LXXXVIl; Buse 2 p. 831. Ueber den Tod des Paulinus ist die Haupt-
quelle ein Brief seines Schülers Uranius, den er an Pacatus richtete, der, wie aus der Vor-
rode des Briefes erhellt, das Leben des Paulinus in Versen darstellen wollte. Ob dieser
238 Mmropins Pontius Panlinns. (§ 877.)
Pacatus identisch ist mit dem Redner Latinius Pacatos Drepanius (§ 815), ISsst sich nicht
sicher ermitteln. Der Titel lautet: Uranii presbyteri ^istola ad Pacatum de obitu
S, PauJini episcopi Nolani. Das Zeugnis des Uranius 12 (p. CXXXTT Moraiori; Migne
Bd. 53 Sp. 866) über den Tod des Paulinus lautet: Obiit sanctus Patdinus episcapus decimo
Kdlendas Jtäii, Basso et Äntiocho vv, cc, constdtbua (seil. 22. Joni 431).
Die Schriftstellerei des Paulinus. Gennadins de vir. illustr. c. 49 Paulinua
Nolae Campaniae epiacopus composuit versu brevia^ sed tnulta, et ad Celsum quendam epi-
taphii pice consolatorium libellum 'super morte christiani et baptizati infantis' spe ehrittiana
munitum, et ad Severum plurea epistulaa et ad Theodosium imperatorem atUe epUeopatum
prosa panegyricum 'super victoria tyrannorum* eo nuixime, quod fide et oratione plus quam
annis vicerit. Fecit et sacramentorum [opus] et hymnorum (beide nur hier genannt). Äd
sarorem quoque epistulas mulia^ *de contemptu mundi* dedit et de diversis eausis diversa
disputatiane tractatus edidit, Praecipuus tarnen omnium opuseulorum eius est liber 'de paeni-
tentia* et 'de laude generali omnium martyrum*, Claruit temporibus Hanorii et Vaieniiniam
non solum eruditione et sanetitate vitae, sed et potentia adversum daemanes. Wenn Genna-
dius von Briefen des Paulinus an seine Schwester spricht, so ist zu bemerken, dass Paiüinos
nirgends eine solche erwähnt, also wahrscheinlich gar keine hatte. Liegt kein Intom des
Gennadius vor, so muss man an Briefe denken, die Paulinus an eine geisÜiche Schwester ge-
schrieben; vgl. Buse 1 p. 41. Ueber die ganze Stelle Czapla, Grennadius, Mfinster 1898, p. 105.
Verlorene Gedichte. Ueber das in Verse gebrachte Buch Suetons de regibns
vgl. oben p. 32. Eine Probe daraus bei Ausonius epist. 19 p. 180 Seh.; vgl. Säet. rel. ed.
Reifferscheid p. 315; Hartel unter No. 3 (2 p. 2).
Verlorene Prosawerke. Eine Reihe von Prosaschriften ist verloren gegangen; es
sind folgende: 1. Ein Panegyricus auf Theodosius. Epist. 28, 6 (1 p. 247 H.) is (£W-
delechius) mihi auctor huius in domino opusculi fuit, sicut ipsius epistola, quae libeüo nuo
pro themate praescribitur, docet. fateor autem idcirco me libenter hune ab amieo l€tborem
reeepisse, ut in Theodosio non tarn imperatorem quam Christi servum, non dominandi »»-
perbia sed humilitate famulandi potentem, nee regno sed fide principem praedicarem, Hieionyin.
epist. 58, 8 (1 Sp. 323 Vall.) librum tuum, quem pro Theodosio principe prudenter amai^que
compositum transmisisti, libenter legi et praeeipue mihi in eo subdivisio phtcuit. QuumqMt
in primis partibus vincas alios, in penultimis te ipsum superas. Sed et ipsum genus ^
quii pressum est et nitidum: et quum Tulliana luceat puritcUe, crebrum eM in sententiis ....
praeierea magna est rerum consequentia, et alterum pendet ex altera .... Felix Tluod<h
sius, qui a tali Christi oratore defenditur. Auch Gennadius erwähnt diesen Panegyricoft.
Augustin. in Faust. 22, c. 76 führt einen Satz daraus an. Vgl. Gassiod. de div. inst. c. 21
(70 Sp. 1136 Migne); Muratori, Ausg. p. XLV. Da die Rede den Sieg des Theodosiiu
Über Eugen (September 394) voraussetzt, und Theodosius, zu dessen Lebzeiten sie gehalten
wurde, im Januar 395 starb, fällt sie in dieses Intervallum; vgl. Buse 1 p. 267. 2. De
poenitentia. Diese Schrift bezeugt Gennadius, der sie als eines der vorzüglichsten Werke i
des Paulinus bezeichnet. 3. De laude generali omnium martyrum. Auch diese Schrift
wird von Gennadius unter die besten des Paulinus gerechnet. Aus den Hymnen auf deo
hl. Felix lässt sich übrigens abnehmen, in welcher Weise das Thema behandelt war.
Unechtes. Irrig teilt Mir aus (Bibl. eccles. Antw. 1629) zwei tractatus de imiis
quadragesimae unserem Paulinus zu. Allein der neueste Herausgeber A.Mai (Spicileg.Rom.4
(Rom 1840) p. 309) zeigt (praef. p. 306), dass dieselben mit unserem Paulmas nichts zs thm
haben. Sie gehören einem Paulinus an, von dem Gennadius (de vir. illnstr. c. 69) schreibi:
Paulinus composuit tractatus 'de initio quadragesimae* , ex quibus ego duos legi, 'de dieDmnimeo
paschae', 'de oboedientia* , 'de paenitentia% 'de neophylis\ Der Paulinus wird identifiiiert mil
dem Paulinus von Burdigala, von dem sich ein Schreiben an Faustus vorfindet; vgl. Engel-
brechts Ausg. des Faustus p. 181—183 und Bardenhewer, Patrol. p. 531*.
Allgemeine Litteratur über Paulinus. Grundlegend sind noch inuner die
reichen Prolegomena der Muratorischen Ausgabe. J. Fr. Rabanis, Saint Paulin deNok
(Thdse), Bordeaux 1840; Souiry, ^tudes histor. sur la vie et les Berits de Saint Fanliii,
^v^que de Nole, 2 Bde., Bordeaux 1853, 1856; A. Buse, Paulin, Bischof von NoU, mid
seine Zeit (350—450), 2 Bde., Regensb. 1856; G. Fahre, ^tudes sur Paulin de Nole (Thdae]l
Strassb. 1862; F. Lagrange, Histoire de Saint Paulin de Nole, Paris 1877; 2. Aufl. 188&
2 Bde.; in deutscher Uebersetzung, Mainz 1882; M. Lafon, Paulin de Nole 353—431. Sani
sur sa vie et sa pensöe (Th^se), Montauban 1885; A. Ebert, AUgem. Gesch. der Litt des
Mittelalters V (Leipz. 1889) p. 293; M. Manitius, Gesch. der chrisÜ.-lat. Poesie, Stattgvi
1891, p. 261; G. Boissier, La fin du paganisme 2 (Paris 1891) p. 57; 0. Bardenhewer,
Paulinus, der hl. Bischof von Nola (Freib. Eirchenlexikon 9^ (1895) Sp. 1652); A. Baam-
gartner, Gesch. der Weltlitteratur 4 (Freib. i. Br. 1900) p. 143.
877. Das Gebet des Paulinus. Wir haben oben (p. 33) das Morgen-
gebet des Ausonius kennen gelernt; auch Paulinus hat ein Gebet verfasst
Meropins Fontins Panliniui. (§ 878.)
239
(No. 4). Merkwürdig ist das Stück, weil es uns den Paulinus noch fast ganz
unberührt von dem Einfluss des Christentums erscheinen lässt. Wir finden
hier eine Durchschnittsmoral, wie sie sich auch ohne das Christentum
herausbilden kann. Der Betende will nicht die Kraft, Böses zu wollen,
besitzen, sondern nur die, Gutes zu thun; er verlangt zufriedenen Sinn und
verabscheut schnöde Gewinnsucht; er erfleht sich ein keusches Leben ; er will
frei von Neid sein und von Lüge. Aber auf der anderen Seite wünscht sich
der Betende einen fröhlichen Tag und eine friedliche Nacht, ein gutes Mahl,
eine schmiegsame Frau und liebe Kinder. Christentum und Heidentum er-
heben zugleich ihre Stimme, jenes, indem auf das ewige Leben hingewiesen,
dieses, indem die Macht der Magie, zu schaden, berührt wird. ^) Wir er-
kennen klar und deutlich: als Paulinus dieses Gebet schrieb, teilte er noch die
Weltanschauung des Ausonius und anderer gebildeter Männer, die sich zwar
äusserlich zum Christentum bekannten, aber keinen Hauch desselben ver-
spürten. Ausonius wird sicherlich eine helle Freude an derLeistung des Schü-
lers gehabt haben, der dem Meister überdies noch das Kompliment machte,
dass er einen Gedanken aus dessen oratio matutina fast wörtlich herübernahm.
Die Nachahmung des Ausonius bei Paulinus. Auson. erat matutina Vs. 64/65
[p. 6 Schenkl; p. 6 Hartel) male posse factdtaa | nulla ait et bene posse adsit tranquilla
paUstas II Paulin. Ys. 6/7 (p. 3 Hartel) male velle facultas \ nulla sit ac bette posse adsit trän-
quiUa potestas. Vgl. Buse 1 p. 100.
878. Die poetischen Briefe. Indem wir uns zur Besprechung der
übrigen Gedichte des Paulinus wenden, führen wir dieselben in einzelnen
Gruppen vor. Wir richten unsere Blicke zunächst auf die poetischen
Briefe, weil sie mehr als irgend eine andere Gattung geeignet sind, uns in
die innere Welt des Dichters zu versetzen. Unter den Briefen nehmen aber
diejenigen die erste Stelle ein, welche Paulinus mit Ausonius gewechselt
hat und deren wir bereits ausführlich bei Ausonius gedachten. >) Aus dem
Briefwechsel sind von Paulinus zwei Stücke erhalten, No. 10 und 11, beide
polymetrisch gestaltet. Diese Produkte sind von jeher Gegenstand der Be-
virunderung gewesen, weil sie uns den Kampf der nationalen und der christ-
lichen Kultur und den Kampf zweier Persönlichkeiten, des Ausonius und
Paulinus, wiederspiegeln. Ein Stück der inneren Lebensgeschichte, welche
mit der treuen Hingabe an das Christentum abschliesst, liegt auch in dem
Gedicht No. 32 vor. In demselben führt PauUnus einem Antonius gegen-
über die Gründe an, die ihn bewogen haben, der heidnischen Welt-
anschauung den Rücken zu kehren; er geisselt daher die Thorheiten des
heidnischen Kultus und stellt ihnen die christlichen Wahrheiten in ihrem
Qlanze entgegen. Das Gedicht, welches in die nächsten Jahre nach seiner
Bekehrung fällt, spendet für die Religionsgeschichte manchen wertvollen
Beitrag. In den Kampf der christlichen und heidnischen Weltanschauung
spielt auch das Gedicht No. 22 hinein. Noch immer fühlten sich die Ge-
>ildeten, selbst wenn sie Christen waren, zu der nationalen Litteratur
ungezogen; damit waren aber auch die heidnischen Vorstellungen ein
1) Vgl. Ys. 5 nvXlusque habeat mihi vota
\ocendi \ aut habeat nocitura nihil; vgl. auch
Ts. 18.
*) A. Puech, DePaulini Nolaoi Ansonii-
que epistularum commercio et communibus
stadiis (Thdse), Paris 1887; LagraDge p. 121;
Baumgartner, Stimmen aus Maria-Laach
56 (1899) p. 70.
240 MmropiiiB Pontias PanliniiB. (| 878.)
Teil der allgemeinen Bildung geworden. Die christlichen Kreise erkannten, )
dass die Zeit gekommen sei, auch die schöne Litteratur in die Bahnen
des Christentums überzufahren und in die alten Schläuche neuen Wein zu
giessen. Auch Paulinus trat in der eben genannten Epistel für diese Ue%
ein. Eine äussere Veranlassung legte ihm das Wort in den Mund; ein
Schiff, das Geld von Paulinus und seinem Verwandten Jovius an Bord
hatte, strandete; allein das Geld der beiden Verwandten wurde gerettet
Während Jovius nach heidnischer Anschauung in diesem Vorfall nur ein
Spiel des Zufalls erblickte, erkannte Paulinus vielmehr in demselben das
Walten der göttlichen Vorsehung. Es galt nun, den Verwandten von
dieser Vorstellung und anderen, die ihm die Philosophie eingeflösst hatte,
zu befreien und denselben mit christlichem Geiste zu erfüllen. Von diesen
Gedanken beseelt schrieb Paulinus seine Epistel an Jovius. Der Adressat,
ein gebildeter Mann,^) der in der Poesie dilettierte, wird ermahnt, sich
jetzt seine Stoffe zur Dichtung aus dem Christentum zu nehmen; Ge-
dichte wie das Urteil des Paris, die Gigantenschlacht seien als Jugend-
spielereien zu ertragen gewesen, allein jetzt stehe dem Jovius an, Wich-
tigeres zu besingen; er verweist ihn auf die grossartigen Stoffe, welche
das Christentum darbietet: auf die Erschaffung der Welt, auf die Er-
schaffung des Menschen, auf die Erlösung Christi, auf die göttliche Vor-
sehung. Der Veranlassung gemäss behandelt er den zuletzt genannten
Gegenstand in besonders eindringlicher Weise. Mit einem prosaischen
Briefe (No. 16), in dem dieselben Ideen ausgeführt werden, schickt er das
Gedicht an Jovius. Die übrigen noch vorhandenen Episteln können auf
besondere Beachtung keinen Anspruch erheben; es sind dies No. 24, No. 1,
No. 2. In No. 24 hatte Cytherius dem Martinianus einen Empfehlungs-
brief an Paulinus übergeben; derselbe erlitt aber auf seiner Reise einen
Schiffbruch, den Paulinus dem Cytherius erzählt.^) Alsdann beschäftigt
sich das Gedicht mit dem Sohne des Cytherius, sich über dessen christ-
liche Erziehung verbreitend und Segenswünsche anreihend.') Das lang-
atmige Gedicht, das aus 942 Versen, abwechselnd jambischen Trimetem
und Dimetern, besteht, ist ein misslungenes Produkt. Es bleiben noch
Übrig No. 1 und No. 2, welche Begleitgedichte zu Geschenken sind, die
Paulinus an Gestidius geschickt; das erste ist auch mit einem prosai-
schen Brief verbunden. Diese zwei Episteln gehören in die voraaketische
Zeit des Paulinus.
Das Gedicht No. 32 an ÄDtonius. Hartel, Ausg. 2 p. XXn: «Carmen 82, quod
ex numero dispersorum est et, si Paulini est, inter prima eins tentamina nomerari debet,
extremis codicum A (Ambrosianus C. 74 s. IX) et D (Monacensis 6412 s. X) folns recep-
tum aetatem tulit/ Das Gedicht gab zuerst mit drei frOher unbekannten €Mieliten
Muratori heraus (Anecdota, Mailand 1697, p. 113), sodann in seiner Gesamtansg. desPan*
linus, Verona 1736, col. 693. Dasselbe beginnt mit den Worten: Diseuasi, fateor, uOoi,
Antonius, otnnes. Daraus hat Muratori geschlossen, dass das carmen an einen Antonius,
der uns nicht näher bekannt ist, gerichtet ist, während er als Autor des Gedichtes Pau-
linus betrachtet und die Stelle Augustin. epist. ad. Paulin. 31, 8 (33 Sp. 125 Migne) advenu»
pagano8 te scribere didici ex fratribus (Ende 395 oder Anfang 396) auf dieses Gedicht be-
zieht. Unrichtig wird das Gedicht als Antonii carmen adver sus gentes von Galland i (Bibl.
vet. patr. 3 p. 653) bezeichnet; als Äntoni carmen adversua gentes figuriert es anch bei
>) Vgl. Buse 1 - ^-^ft; 2 p. 24. «) Vgl. Buse 2 p. 22.
«) Vgl. Bu
MmropiiiB Pontins Panliniui. (§ 879.) 241
üigne 5 Sp. 261. Gesondert wurde das Gedicht noch herausgegeben von Fr. Oehler in
MMDer Ausg. des Minucius Felix und Firmicus Matemus (Bibl. patr. eccles. lat. sei. curante
3. Oersdorf, vol. 13 (Leipz. 1847) p. 121) und von G. Bursian, Sitzungsber. der MOn-
tkener Akad. der Wissensch. 1880 p. 3. Ueber den Adoniskultus vgl. Vs. 140; über die
^inquennea epulae, welche die vestaiischen Jungfrauen einem draco zubringen, vgl. Vs. 144;
Über den Gült der Isis und des Serapis Vs. 117; zur Erklärung des pannis in Vs. 126 vgl.
W. Drexler, Fleckeis. Jahrb. 145 (1892) p. 357; über die Philosophenschulen Vs. 32 und
Ittni Bursian p. 22. Ueber G. Julius Hyginus als Quelle vgl. denselben p. 14. Im all-
BBmeinen vgl. noch Buse 1 p. 267. Die entscheidenden Momente fOr die Echtheit des
iedicJites stellt Ebert, AUgem. Gesch. der Litt, des Mittelalters 1* (Leipz. 1889) p. 307
^nin. 3 zusammen.
Das Gedicht No. 22 an Jovius. Epist. 16, 1 suaseram, ne caaibus dei munus
wdseriberes et forte magis quam numine arbitrareris argentum illud sancti eommercii inter
kibemos turbines et nautas avaros amisso eustode aervatum, in illud potissimum litus eiecta
mavi, in quo familiäre nobis oppidum, tibi Patrimonium tutissimia rem nostram sinibus ex-
90perat. 16, 6 omnium poetarum floribua spiras, omnium oratorum fiuminibus exundas,
philosaphiae quoque fontibus inrigaris, peregrinis etiam dives litteris Romanum os Atticis
fimvia inples. quaeso ie^ ubi tune tributa sunt, cum Tullium et Demosthenem perlegis f vel iam
uMatiorum de aaturitate fastidiens lectionum Xenophontem, Platonem, Catonem Varronemque
perlectos revolvis muUosque praeterea, quorum nos forte nee nomina, tu etiam volumina
Une$? c. 22, 149 eane grandia eoepta tonantis, \ acribe creatarum verbo primordia rerum |
H chaoa ante diem primaeque crepuscula lucis, \ quaeque dehinc variis elementa per omnia
mmc/m I dicta vel acta deo per sancta volumina disees, \ quae docuit tabulis legalU)U8 indita
Moy9e$ I aut evangeliei quae lex nova teatamenti \ signat, operta priu$ retegens mysteria Christi,
879. Epithalamium, Propempticon und Consolatio. Zu einer Gruppe
vereinigen wir das Epithalamium, das Propempticon und die Ck)nsoIatio des
Paulinus. Das Interessante dieser Gedichte ist, dass sie uns zeigen, wie
die Gattungen der nationalen Poesie christianisiert wurden. Ein Epi-
thalamium erhalten wir in Nr. 25, welches aus 119 Distichen und drei
Pentametern besteht. Es ist bestimmt für die Vermählung Julians, des Sohnes
des Bischofs Memor von Capua, und der la (Titia). Julian war damals
Lector und hat sich später als Anhänger des Pelagianismus einen Namen
gemacht Der Reiz dieses Epithalamium beruht darauf, dass es die christ-
liche Ehe in Gegensatz zu der heidnischen stellt; dieser Gegensatz wirkt
auch insofern auf die Form ein, als oft in einem Distichon dem heidnischen
Bild das christliche gegenübergestellt wird. Das Gedicht ist reich an
zarten Empfindungen; in formaler Beziehung ist merkwürdig, dass dasselbe
in drei überschüssigen Pentametern ausklingt. Das Propempticon (No. 17)
ist in 85 sapphischen Strophen abgefasst. Im Jahre 898 war der Bischof
voB Dacien, Niceta, ^) nach Rom gekommen und hatte bei dieser Gelegen-
heit auch Paulinus in Nola besucht. Als der Bischof die Rückreise an-
trat, schrieb ihm Paulinus ein Geleitgedicht. In demselben vernehmen
wir die Stimme zarter Freundschaft und eine packende Schilderung der
Wiiksamkeit des Bischofs unter den barbarischen Völkern; femer ist die
Reiseroute, die der Bischof bei der Rückkehr einschlägt, in das Gedicht
miteingeflochten. Auch die christliche Consolatio hat Paulinus gepflegt.
Dem Pneumatius und der Fidelis war ein Knabe, Gelsus, im Alter von acht
Jahren gestorben; um sie zu trösten, schrieb er das Gedicht 31, das 316
Distichen umfasst. Dasselbe ist breit angelegt und führt den Gedanken weit
aus, dass wir, seit Christus der Welt die Erlösung gebracht, den Tod
nicht zu fürchten haben, wenn wir die Sünde meiden. Bilder von der
^) Der hier genannte Niceta wird jetzt \ sprochenen Niceas, was zu korrigieren ist,
allgemein mit dem bei Gennadias c. 22 be- ; identifiziert; vgl. unten unter «Niceta*.
Handbuch der IdiM. AltertumswiMeDschaft. VIII, 4. 16
242 MeropioB Pontins Panlinns. (§ 880.)
Hölle und vom Himmel werden dem Leser vorgefQhrt. Den Höhepunkt
erreicht das Gedicht am Schlüsse, wo der Dichter auch seines eigenen
verstorbenen Söhnleins gedenkt, das ebenfalls Celsus hiess, und zu einer
rührenden Apostrophe an die beiden Celsi übergeht.
Epithalamium (No. 25) auf Julianas und la (Titia). Das Gedicht wurde znerst
von Schott publiziert; die von ihm benutzte Handschrift ist aber verschollen. DieHartel*
sehen Codices Parisinus 8094 s. X und Brit. Bibl. Reg. 15 B XV IUI s. IX enthalten nur 1
die Verse 1 — 65. Die Ueberschrift lautet in beiden (bei NichtberficksichtiguDg von tu- ]
wesentlichen Discrepanzen) : Incipit epithalamium a sancto Paulino dictum in Jtdiamum
fdium episcopi Memoris et Titiam clarissimam feminam uxorem eiua, Ueber die PerBönlicli-
keiten» die mit dem Gedichte zusammenhängen, vgl. Buse 1 p. 345. Ueber Julian als
Lector vgl. Vs. 144. Ueber das Lob des Aemilius, Bischofs von Benevent, vgl. Ys. 203. Dt
Augustin in einer ca. 399 geschriebenen Epistel (101) den Julian als Diakon bezeichnet
während er im Gedichte noch Lector ist, muss das Gredicht vor 399 geschrieben sein. lo
das Jahr 408 setzt dasselbe A. Brückner, Julian von Ek^lanum, sein Leben and seine Lehre
(Texte und Untersuchungen Bd. 15 Heft 3 (1897) p. 18); vgl. dagegen Muratori Sp. 811. -
— Ueber die Epithalamicn im allgemeinen vgl. J. Fries, R5m. Hochzeitslieder 1 (KaisetB-
lautern 1898).
Propempticon für Niceta, Bischof von Dacien (No. 17). Dass Nic«ta zum
ersten Male 398 den Paulinus besuchte, zeigt Buse in einem Ezcurs 1 p. 367.
Consolatio an die Eltern des verstorbenen Knaben Celsas (No. 31). Die
Eltern hiesscn Pneumatius und Fidelis; vgl. Vs. 625. Ueber die Ueberliefemng vgl. Hartel
2 p. XXII. Der Knabe Celsus starb im Alter von 8 Jahren; vgl. Ys. 23. Ueber seinen ver-
storbenen Sohn, der ebenfalls Celsus hiess, sagt Paulinus (Vs. 607): quem Conphtten^i man-
davimus urbe propinquis \ coniunctum tumuli foedere martyribus,
880. Biblische Stoffe. Von weittragender Bedeutung wurden die
Psalmenparaphrasen des Paulinus.^) Mit feinem Sinn hatte der Dichter
erkannt, dass in den Psalmen eine reiche Quelle der Poesie fliesse, und
dass diese Stücke die uns gewohnte metrische Form verlangen, um von
uns als volle Dichtung empfunden zu werden. Das Beispiel des PauUnus
hat befruchtend auf Jahrhundertc hinaus gewirkt, und die modernen Li-
teraturen sind reich an Ueberführung der Psalmen in die den verschiedenen
Völkern eigentümlichen metrischen Formen. Drei Psalmen sind von Paulinus
dichterisch bearbeitet worden. Der erste Psalm ist in 51 jambischen Tri-
metern mit Anlehnung an den Anfang der zweiten horazischen Epode be-
bearbeitet. Sehr schön paraphrasiert der Dichter anfangs die Worte des
Psalms, fügt dann aber Erweiterungen hinzu, die weniger gelungen er-
scheinen (No. 7). Die Bearbeitung des zweiten Psalms in 32 Hexametern
zeigt zwar auch Erweiterungen, allein im wesentlichen folgt der Dichter
dem Gedankengang des Originals (No. 8). Der ergreifende Klagegesang
der Juden, welcher im 137. Psalme vorliegt, gibt dem christlichen Sänger
das Thema, das er in 71 Hexametern weiter ausspinnt (No. 9). Alle drei
Paraphrasen lassen den poetischen Geschmack und die formale Gewandtheit
des Paulinus in hellem Lichte erscheinen. Auch aus dem neuen Testament
griff sich Paulinus eine Figur zur Bearbeitung heraus; es ist Johannes der
Täufer, 2) der als Vermittler zwischen dem alten und neuen Bund an-
gesehen wird (No. 6). Die Evangelien, besonders Lukas, lieferten ihm den
Steif, der in der Bearbeitung einen weiten Umfang (330 Hexameter) an-
nimmt. Das Gedicht dürfte zu den frühesten gehören. In demselben hat
Paulinus sich zuerst in das Reich der panegyrischen Dichtung begeben,
welche späterhin ausschliesslich dem heiligen Felix gewidmet wurde.
»J Vgl. Buse 1 p. 149. | ^) Vgl. Buse 1. c.
Meropins Pontius PanlinuB. (§881.) 248
881. Die Gedichte auf den heiligen Felix. Den Kern der dichte-
rischen Thätigkeit des Paulinus bildet ein Cyklus von Gedichten auf den
hl. Felix, dessen Gebeine in Nola ruhen; es sind carmina natalitia, d. h.
sie sind f&r den Todestag des Heiligen (14. Januar) bestimmt, der ja nach
christlicher Anschauung der Geburtstag für ein neues Leben ist.^ Im
ersten dieser Gedichte (No. 12) kündigt Paulinus, der sich noch in Spanien
befindet, dem Heiligen an, dass er von Sehnsucht getrieben seinen Wohn-
sitz an dessen Grabe aufschlagen werde, und bittet, ihm zu diesem Zwecke
eine glückliche Reise zu gewähren.') Der Heilige hatte ihn erhört (No. 13);
er war glücklich nach Nola gekommen und konnte zum erstenmal den
Todestag des Felix an dessen Grabe feiern. Er preist Nola glücklich
wegen des Schatzes, den es in dem Grabe des Heiligen hat, er selbst
blickt zu ihm als dem Anker seines Lebens freudig empor. Das fol-
gende Gedicht (No. 14) entwirft ein Festesbild am Todestag des Felix
und schildert, wie von ganz Italien die Pilger zu seinem Grabe ström-
ten, s) Man sieht, welch grossen Umfang schon damals die Heiligen-
verehrung genommen hatte. Ein Lebensbild des Felix tritt uns aus dem
fünfzehnten Gedicht entgegen. Zuerst spendet er dem Bekenner sein
Lob. Wie dem TibuU einst seine Geliebte als Leuchte in finsterer Nacht
und als Leben am einsamen Ort erschien, so ist Felix dem Paulinus Vater,
Vaterland und die Grundlage seines Seins. ^) Bemerkenswert ist, wie der
Dichter die Lebensgeschichte einleitet; nicht von den Musen und von
Phoebus, sondern von Christus schöpft er seine Begeisterung. Anmutig
erzählt er dann die Schicksale seines Patrons. Der Leser erfreut sich der
poetischen Züge, welche die Legende geschaffen hat; um nur einen zu
erwähnen, auf das Gebet des Felix hin spross aus einem Dombusch eine
Traube hervor, mit der er seinen zusammengebrochenen alten Bischof
wieder zum Leben aufrichtete. Eine Fortsetzung der Lebensgeschichte
des Felix bietet das folgende Stück (No. 16), das ausdrücklich vom Dichter
mit dem vorhergehenden verknüpft wird.^) Auch hier ist die Legende
mit wunderbaren Zügen ausgeschmückt; so wurde z. B. Felix vor seinen
Verfolgern dadurch gerettet, dass eine Spinne ihr Netz über den Zugang
spann; auch die Ernährung des Bekenners mit Himmelstau ist ein schöner
Schmuck der Erzählung. Nachdem das Leben des Heiligen erzählt war,
blieb dem Dichter noch die Aufgabe, die Wunderthaten seines Helden,
welche ja nur ein nach dem Tode fortgesetztes Leben desselben be-
deuten, dem Leser vorzuführen (Vs. 83); er thut dies in dem Stück No. 18.
Ergötzlich ist das Wunder, durch das 0in Bauer, dem seine zwei Rinder
gestohlen wurden, mit Hilfe des Felix wieder in den Besitz derselben
gelangte. Nachdem das Leben und die Wunder des Felix behandelt
waren, hatte sich der Dichter in seinen Motiven erschöpft; allein er hatte
sich nun einmal vorgenommen, den Todestag des Heiligen ohne ein Ge-
dicht nicht vorübergehen zu lassen; da die Wunder nicht aufhörten, gab
*) 14, 2 qua corpore ierris \ occidit et
Christo superis est natus in astris,
') Das Gedicht fällt ins Jahr 394; vgl.
Base 1 p. 230.
») Vgl. Buse 1 p. 229.
*) 15, 15; bezüglich TibuU vgl. Litt.-
Gesch. 2, 1* § 281. Vgl. auch 29, 8. Aehn-
Üche Worte richtet Pauliuus an Severus in
epist. 32, 1.
*) Vgl. 16, 17.
16*
244
Meropins Pontiiu Panlinna. (§ 881.)
es noch immer Stoff für neue poetische Ergüsse. Im 23. Gedicht erzählt er, '
wie sein Freund Theridius bei einer Verletzung seines Auges die Hilfe des '
Heiligen erlangte. Die Schrecknisse der Zeit spiegeln sich in dem 26. Stück
der Sammlung. Die Gothen waren 401 in Italien eingefallen;^) in dieser
schweren Zeit hiess es, Vertrauen zu der Fürbitte des Heiligen zu haben
und von ihm Rettung aus der Not zu erhoffen. In der folgenden Nummer 27
freut sich der Dichter auf das Fest des Jahres 402, weil der Bischof Niceti
dasselbe mitfeiern will. ^) Die interessanteste Partie dieses Gedichtes ist
die Beschreibung der von Paulinus teils restaurierten, teils neuerbaaten
Basilika des Heiligen und des Bilderschmucks, der als etwas Neues ') hi»
aufgeführt wird und den Zweck haben soll, die Pilgerschar von den Zech-
gelagen fernzuhalten und in ihnen religiöse Stimmungen zu erweckea^)
Als eine Fortsetzung ist No. 28 zu betrachten, welches nochmals die i
Baulichkeiten und den Bilderschmuck behandelt, auch wieder ein Wunder
erzählt. Die Heiligen Verehrung ist das Thema des 19. Gedichtes, in dem
die Verdienste des Felix um Nola gepriesen und wiederum Wunder von
ihm angeschlossen werden.^) Auch das 20. Gedicht^) ist mit Mirakeln
angefüllt, die diesmal einen unerfreulichen Eindruck machen.^) Das längste
und wichtigste Gedicht ist No. 21. Dasselbe erregt auch dadurch unsere
Aufmerksamkeit, dass es die Form der Polymetrie aufweist.^) Auch in
dieses Gedicht spielen die Zeitereignisse hinein; durch die Besiegung des
Radagais ^) im voraufgehenden Jahre 405 ist jetzt wieder Friede im Lande.
Der fromme Dichter zweifelt keinen Augenblick, dass die Fürbitte der
Heiligen, besonders des Felix, hier wirksam gewesen ist. Die interessan-
teste Partie des Gedichtes ist aber diejenige, in der Paulinus, um dar-
zulegen, was er persönlich dem Heiligen verdanke, seine Lebensschicksale
einflicht. Paulinus ist so für seinen Patron begeistert, dass er überall
dessen Einfluss gewahrt, selbst die Herstellung der alten Wasserleitung,
von welcher der Dichter eine ausführliche Schilderung entwirft, wird auf
Rechnung desselben gesetzt. Es ist noch ein fragmentarisches Gedicht
(No. 29) erhalten, ^ö) das uns keine neue Seiten der dichterischen Thätig-
keit des Paulinus darbietet, aber Beachtung verdient, weil es einen Vers
des Ausonius fast wörtlich übernommen hat.^^)
>) Vgl. Buse 2 p. 62.
*) Niceta kam 398 und 402 nach Italien;
vgl. Buse 1 p. 367.
'j Vs. 544 raro more.
*) Vs. 405 ; 5 11 . Die Bilder waren mit tituli
versehen ; vgl. Vs. 584. Zur kunstgeschicht-
lichen Interpretation vgl. Brockhaus, Aurel.
Prudentius Clemens, Leipz. 1872, p. 274; Buse
2 p. 08; Holtzinger, Die Basilika des Pau-
linus von Nola (Lützows Zeitschr. für bil-
dende Kunst 20 (1885) p. 135); Die altchristl.
Architektur, Stuttgart 1889, p. 58 etpassim;
E. V. D ob schütz, Christusbilder (Texte und
Untersuchungen N. F. 3 (Leipz. 1899) p. 111).
^) Zu beachten ist der Ausfall, den der
Dichter gegen den Isiskult macht (Vs. 111).
®) Zu den Versen 608 ff. über das Kreuz
von Nola vgl. Ilartel, Patrist. Stud. 6 p. 71
und A. Franz, Das Kreaz von Nola (Zeitschr.
für Christi. Kunst 8 (1895) p. 197).
^) Interessant ist die Stelle über die
ärztliche Kunst (Vs. 257).
^) Der Dichter nennt seine c^thara in
unum Carmen diversis composüa fidibuf
(Vs. 328). Das Gedicht besteht aus 858 Ver-
sen; davon sind 104 Hexameter, 167 jam-
bische Trimeter, 36 Distichen und ab Schloss
515 Hexameter.
») Vgl. Buse 2 p. 146.
^^) Es wird von Buse (2 p. 195) ins Jahr
407 verlegt ohne Angabe von Gründen.
**) Paulin. c. 29, 16 quae nee mens hu-
mana copit nee lingtta profari = Anson.
oratio matuUna Vs. 5 (p. 5 Schenkl) nee mens
complecti poterit nee lingua profari. Vgl.
auch oben p. 33.
MeropiuB PontioB Panliniu. (§ 882.)
245
Der Anlass des Liedercyclus. 14, 116 hunc, precor, aeterna ncbis cum pace
^erenutn \ posce diem, hoc Uerum liceai gaudere reverso \ annuague hie et vota tuis et car-
MtfMB festis I reddere placati tranquillo numine Christi. 16, 12 hunc etiam oris | obsequio
9eW>rare per annua earmina sanetum \ fas mihi, Ueber die Gedichte vgl. Base 1 p. 230.
Zam christlichen Charakter der Dichtung. 15,30 nan ego Castalidas, vatum
pkantasmata, Musas \ nee surdum Aonia Phoebum de rupe eiebo; \ carminis incentor Chri-
tiUM mihi, munere Christi \ audeo peccatar sanetum et eaelestia fori. 16, 3 omnia prae-
^ereutUy sanetorum glaria durat \ in Christo, qui euncta novat, dum permanet ipse. 18, 25
CSkriHe deus Felicis, ades, da nunc mihi verbum, \ sermo deus, da ptrspicuam, sapientia,
wumtem. 20, 28 non adficta canam, licet arte poematis utar, \ historica narrabo fide sine
firaude poetae; \ absU enim famulo Christi mentita profari,
882. Epigrammatische Dichtungen. Durch Damasus war auch dem
Epigramm seine Verwendung zu christlichen Zwecken zu teil geworden;
seitdem fand dasselbe unter den christlichen Dichtem eifrige Pflege. Die
Qräber der Heiligen verlangten eine Aufschrift, bildlichen Darstellungen
konnten durch Epigramme Erläuterungen hinzugefügt werden. Auch an
den Eingängen der Kirche, an der Apsis, an den Altären konnten gut
A.uf8chriften angebracht werden. Als daher Paulinus seine grossartigen
Bauten zu Ehren des hl. Felix aufführte, dichtete er auch eine Anzahl
iron Epigrammen, die dort Verwendung fanden.^) Dieselben scheinen be-
rfihmt geworden zu sein; als Sulpicius Severus eine Reihe von Bauten,
besonders zu Ehren des hl. Martin, darunter auch ein Baptisterium er-
richtete, erbat er sich ausser einem Bildnis des Paulinus, das er neben dem
des Martinus aufmalen lassen wollte, auch Epigramme. In einem ausführ-
lichen Schreiben (epist. 32) verbreitet sich Paulinus über diese Angelegen-
heit;^) er stellt in dem Brief dem Severus eine Anzahl Epigramme zur
Verfügung und gibt ihm auch eine Kollektion der für seine eigenen Bauten
gedichteten. ') Wie das Dittochaeon des Prudentius, so erheben sich auch
die Epigramme des Paulinus nicht zu einer bemerkenswerten Höhe. Mehr
[nteresse kann beanspruchen ein Gedicht No. 33, das zwar namenlos über-
liefert ist, aber doch mit guten Gründen dem Paulinus zugeteilt wird.
Dasselbe ist schon wegen der Form beachtenswert, indem es polymetrisch
gestaltet ist. Es handelt sich um einen Baebi an us, der zuerst nur dem
Namen nach Christ war, dann aber sich in einer Krankheit zu einem
begeisterten Christen bekehrte. Mit den Sakramenten versehen verfallt
Br in einen todesähnlichen Schlaf, während dessen seine Seele zum Himmel
aufsteigt; aus dem Todesschlaf wieder erwacht, erzählt er seine Erlebnisse
und stirbt dann eines wirklichen Todes. Das Gedicht war bestimmt, zur
Erläuterung eines Wandgemäldes im Hause der Witwe zu dienen. Es ist
beachtenswert, dass damit die christliche Kunst aus der Kirche auch in
das Privathaus eindringt.
De obituBaebiani (No. 33) ist im Parisinus 7558 s. IX überliefert unter der Ueber-
ichrift: Incipit Bebiani obitus diverso modo et metro dictus. Das Gedicht ist polymetrisch
und besteht aus fünf Teilen: der erste Teil umfasst 20Jambische Tiimeter, der zweite 20 Hexa-
meter, der dritte 20 Asklepiadeen, der vierte 40 Hexameter (die aber wieder gegliedert
lind als zweimal 20), der f&nfte 15 bezw. 16 elegische Distichen. Bezüglich des Baebianus
weist L. Havet, Revue de philol. 24 (1900) p. 144 auf die Worte in Symmach. epist. 3, 41
^) F. X. Kraus, Gesch. der christl. Kunst
l (1896) p. 390.
s) Zur Erklärung des Epigramms hie
oeus etc. (p. 291, 7), aus dem falsche Fol-
(enmgen gezogen wurden, vgl.G.Wejman,
Eist. Jahrb. der Görresges. 18 (1897) p. 600.
«) Vgl. epist. 82, 9 voluU (Victor), ut
nostrarum tibi basilicarum versus simtd pic-
turasque portaret.
246 Meropins Pontiiis PanlinuB. (§ 883.)
Baebiani viri clarisiimi hin. Ueber die Bestimmimg des Gedichts vgl. Vb. 4 en itUy eAt
quem suh auro etdminis \ pictura veris exprimit miraeulis, wozu Brandes, Stadieav
christl.-lat. Poesie. I. Obitus Baebiani, ein anerkanntes Gedicht des Panlinos von Nola (Wio.
Stad. 12 (1890) p. 286) bemerkt: «Es ist der erklärende Text zn einem Wandgemllde, vi
ches einige Zeit nach dem Tode des Baebianus — denn inzwischen war ihm bereiU cii
Sohn nachgestorben (Vs. 103 f.) — im Hanse der Witwe, und zwar als Fries wahrschcn&d
einer Längswand des Atriums angebracht wurde.* Brandes hat den Nachweis gelieCat
dass das Gedicht so viele Berührungspunkte mit Gedanken und dichterischen Eigeote-
lichkeiten des Paulinus hat, dass wir dasselbe ihm «zuteilen müssen, da ffir eine Nad-
ahmung die dichterische Individualität zu stark hervortritt Weiterhin bemerkt Braodu
(p. 297): «Der Zeit nach wird unser Gedicht der Uebergangsperiode des Dichten, ni
zwar der ersten Hälfte derselben, die er noch in Aquitanien verlebte, angehören. Bn
stimmt aufs beste die Frische und realistische Lebendigkeit der Erzählong, die poetivk
ungleich hoher steht als die endlosen doktrinären Ausführungen der meisten ^liteRi
Gedichte." Vgl. auch Manitius, Gesch. der christl.-lat. Poesie, Stattgart 1891, p. 296.
Die Appendix. Mit den Gredichten des Paulinus werden noch vier Gedichte ■
eiuer Appendix vereinigt, deren Echtheit jedoch bestritten ist. Es sind folgende:
1. Carmen ad coniugem. Für dieses Gedicht benutzte Hartel den Regioenii
230 8. X und den Casinensis 226 s. XL Im Reginensis lautet die Ueberschrift: Verm
Prosperi ad coniugem suam, im Casinensis dagegen: incipü tetrametron. Rosweyd y
zuerst das Gedicht, das in den Ausg. Prospers stand, unter die Werke des Paulinus es-
gereiht. Das frisch geschriebene Gedicht, das aus 16 anakreontischen Versen und ai
53 Distichen besteht, enthält eine Aufforderung an seine Frau, mit ihm ein chrisUicki
Leben zu führen, zu dem die Nichtigkeit alles Irdischen dränge. Die Situation würde td
Paulinus passen; allein die Vs. 27 f. geschilderte Zeitlage lässt sich mit der Zeit, in ikt
Paulinus der Welt Lebewohl sagte, nicht vereinigen; auch sticht der Ton merklich ib
von den Poesien des Paulinus. Ueber das Gedicht handeln Muratori Sp. 792; Buse 1
p. 165; Manitius p. 211.
2. Carmen de nomine Jesu. Dieses Gedicht wurde von G. Barth aus eisca
verschollenen Codex herausgegeben und dem Paulinus vindiziert. Es enthält ein Lob Christi
3. Carmen ad Deum post conversionem et baptismum suum. Das Gedicbt,
das aus 120 Distichen besteht, ist im cod. Urbinas 533 s. XV überliefert, aus dem es
A. Mai mit der angegebenen Ueberschrift, die im Codex fehlt, herausgegeben und den
Paulinus zugeteilt hat (S. episcoporum Nicetae et Paulini scripta ex Vatic. codicibus ediU,
Rom 1827, p. 63; wiederholt in Classici auctoies 5 p. 369). Hier spricht ein Dichter, der
einerseits von der gewaltigen Macht Gottes, andererseits von seiner Sündhaftigkeit Qber
zeugt ist und der sich zu einem gottgefälligen Leben entschlossen hat. Vs. 37 finden wir
eine Anspielung auf die unruhigen kriegerischen Zeiten zu Anfang des 5. Jahrhunderts.
Ferner lehnt sich das Gedicht an das Commonitorium des Orientius an; vgl. Vs. 45 (i Comm.
1, 41 (p. 206 Ellis). Vgl. Manitius p. 300. Buse (1 p. 141 Anm. 19) will das Gedicht
dem Paulinus zuschreiben; vgl. dagegen Ebert p. 307 Aimi. 2.
4. De domesticis suis calamitatibus. Auch dieses Gedicht in 14 Distichen ist
ohne Ueberschrift in demselben Urbinas überliefert und daraus von A. Mai mit dem an-
gegebenen Titel veröffentlicht und ebenfalls dem Paulinus zugeteilt worden. Der Verfasser
spricht von seinem häuslichen Elend, von seinem in der Gefangenschaft weilenden Bmder
und dessen Gattin, von einer sich über ihr Elend die Augen fast ausweinenden Schwester
und von seinem Unvermögen, ihnen zu helfen. Dieses Familiendrama passt nicht zu den
Verhältnissen des Paulinus; vgl. Buse 1 p. 157 Anm. 25. Dass das Gedicht hiemach nicht
von Paulinus sein kann, steht fest. Ueber die Autorschaft bestehen verschiedene Meinungen:
Buse sagt: „Gewiss ist es, dass der Enkel des Ausonius, Paulin, der Verfasser des Eu-
charisticon de poenitentia, das Gedicht angefertigt hat"; vgl. auch 1 p. 73. Nach Beth-
mann, Pertz' Archiv 10 p. 295 (vgl. auch Ebert p. 307 Anm. 2) ist das Gedicht dem
Paulus Diaconus zuzuteilen; vgl. auch E. D(uemmler), Neues Archiv 21 (1895) p. 594.
883. Die prosaischen Briefe des Paulinus. Das Ansehen des Pau-
linus reicht über die Mauern Noias hinaus ; in der ganzen abendländischen
Christenheit war der hl. Mann bekannt. Die Pilger, die nach Rom wall-
fahrten, machten gern einen Abstecher nach Nola, um dort PauUnus von
Angesicht kennen zu lernen. Auch führte das Fest des hl. Felix, das stets
mit grossem Prunk gefeiert wurde, viele Gläubige nach Nola; es kamen
noch hinzu die Freunde, deren Bekanntschaft Paulinus noch in seiner
Meropins Poniiiui PanlinuB. (§ 883.)
247
Heimat gemacht hatte. Ein umfangreicher Briefwechsel war die notwendige
Folge dieser ausgedehnten Beziehungen und der grossen Berühmtheit, deren
sich die Person des Paulinus erfreute. Es ist uns eine Briefsammlung er-
halten; sie umfasst etwa ein halbes Hundert Briefe. Auch eine Predigt hat
sich merkwürdigerweise in die Sammlung eingeschlichen; sie führt den
Titel «üeber den Opferkasten "" und behandelt das Thema der Wohlthätig-
keit. Die Briefsammlung bietet ein grosses Interesse dar. Wenn wir die
Adressaten durchmustern, stossen wir auf manchen glänzenden Namen,
z. B. auf Augustin, auf den Bischof Delphinus von Bordeaux, auf den Bio-
graphen des hl. Martin, Sulpicius Severus u. a.^) Noch mehr erregt der
Inhalt unsere Aufmerksamkeit; das religiöse Leben und Empfinden, wie
es sich in jener merkwürdigen Zeit abspielt, stellt sich uns in lebhaften
Farben dar: bald ist es ein Kirchenbau, über welchen sich der Brief-
schreiber Rat von Paulinus erholt,^) bald wird eine dogmatische Frage
aufgegriffen, z. B. die leibliche Auferstehung,') bald ist es eine Stelle oder
ein Abschnitt der Bibel, über welche man Auskunft verlangt,^) bald ist
es eine litterarische Novität, 0) über welche die briefliche Unterhaltung
sich ergeht. Selbstverständlich spielt auch Persönliches in den Briefwechsel
hinein, und manche Individualität ^) wird so gezeichnet, dass uns ihr Cha-
rakter lebhaft vor Augen tritt. Merkwürdig ist die Sprache der Briefe;
es ist ein Latein, das ganz von der Bibel durchtränkt ist, schwungvoll,
geziert^) und geschraubt.') In der Demut ^) und der Verleugnung der
eigenen Persönlichkeit, womit eine unnatürliche Emporhebung des Adres-
saten^^) Hand in Hand geht, leisten die Briefe das Unglaublichste. Der,
welcher das Wehen des Zeitgeistes an der Grenzscheide des vierten und
fünften Jahrhunderts fühlen will, wird in diesen Briefen die reichste Be-
lehrung finden.
^) Vgl. den Index alphabeticus bei Mu-
ratori Sp. CXXXVÜ.
') Vgl. den Brief 32 an Severus.
*) Epist. 45, 4 (an Augnstinus) quae vero
post resurrectionem carnis in illo saeculo
beatorum futura ait actiOf tu me interrogare
dignatus es. Ueber die Erlösung vgl. epist 12.
^) Epist. 10, 1 (an Delphinus) accepimus
lUteraa sanctae affectionis tuae, quibus iubea
no8 in epistolis, quaa ad te faeimua^ aliquem
praeter officii de Script uris adieere sermonem.
Vgl. epist. 21; 43,3.
^) Epist. 11, 11 (an Severus) benedictus
tu homo dominOy qui tanti aacerdotis (aancti
Martini) et manifeatiaaimi confesaoria histo-
riam tarn digno aermone quam iuato affectu
percenauiati. In epist. 5, 6 (an Severus) spielt
Paulinus mit den Worten verua factor legis et
evangelii non surdua auditar auf die vita Mar-
tini c. 2, 8 p. 112, 26 iam tum evangelii non
surdua auditor de craatino non cogitabat an,
d. h. er macht ihm mit dem Citat ein feines
Compliment; vgl. C. Weyman, Rhein. Mus.
53 (1898) p. 317.
^) Wir erinnern an Cardamas, den Brief-
träger zwischen Delphinus und Paulinus; vgl.
Buse 2 p. 44.
^) Vgl. epist. 20, 7 (an Delphinus) donet
orationibtia tuia dominus, ut monetae tuae
nummus, ut hami tut piseis, ut vitis tuae
aarmentum, ut uteri caatitafis tuae filiua sim.
*) Vgl. epist. 19, 1 (an Delphinus) ex-
pectabamua ut area aitiens refrigeria Uttera-
rum tuarum, et anima nostra aicut terra
aine aqua sitientibus in tua verba praecor-
diis anheldbat.
^) Eine erträgliche Wendung ist es noch,
wenn es z. B. heisst (epist. 12, 1): sed bono-
rum meorum non indigea, et me aequiua eat
a te locupletari, quia divea pauperi conferrc
debety ut fiat aequalitaa. Schon stärker sind
die Worte (epist. 12, 2): aolvat linguam meam
in verbum bonumy qui et aainae oa in aer-
monem laxavit humanum etc. Vgl. auch
epist. 43, 3 ei ideo malitiae meae conacius
non potui divinae revelationia habere fidu-
ciam, cum prudentiae lucem tenebroso corde
non eaperem,
^^) Epist. 5, 2 (an Severus) quid ab in-
aipiente aapiena, rectus a pravo, beatus a
misero, ab infirmo fortis, ab inopi dives in
domino capere potuittif
248 MmropiiiB Pontius Puiliniui. (§ 884.)
Der Bestand der Briefe. Neu hinzugekommen ist epist 25*, der mit 25 in innigem
Zusammenhang steht. Er ist an Crispinianus gerichtet und bezweckt, diesen, der Militär ist,
für die Fahne Christi zu gewinnen. Bardenhewer fand denselben im cod. Monacenas
6299 s. VIIl/IX (vgl G. P. Gaspari, Briefe, Abhandlungen und Predigten, Christiania 1890,
p. 223) und verö£fentlichte ihn in der Zeitschr. »Katholik" 57 (1877), 1 p. 498. Spftter wurde
derselbe als vermeintlich unediert von Gaspari (Tidskr. f. d. evang. luth. Kirke 10 (1885
fasc. 2 p. 225) publiziert. Beide Gelehrte erwiesen den Brief als Eigentom des Paulinus. Spiter
wurde der Brief auch im cod. a Yll 5 des Benediktinerstifts St. Peter in Salzburg a. IX^l
aufgefunden; vgl. Gaspari, Briefe etc. p. 224. Nach beiden Handschriften wurde dann der
Brief herausgegeben von G. Weyman, Hist. Jahrb. 1895 p. 92; vgl. auch denselben, Zeitschr
fttr österr. Gymn. 40 (1889) p. 107. Das Fragment des Briefes 48 ist aus Gregor von Toon
übernommen. Weggelassen sind in der Hartelschen Ausg. die von Muratori eingeschal-
teten Briefe des Augustinus an Paulinus (nach epist. 4 Sp. 16; nach epist. 6 Sp. 32; nach epist
45 Sp. 269; nach epist. 50 Sp. 297) und ein Brief des Severus an Paulinus (nach epist 2S
Sp. 116) mit der Aufschrift: Severus Patdino mittit eoguum ad praeparandos monachomm
cihos aptum. Endlich findet sich noch eine Predigt in der Sammlung, epist. 34 de gaztt
phi/lacio. Nach den Briefen findet sich in der Hartelschen Ausg. noch die passio S, Gt-
neaii Arelatensis, welche zuerst von Rosweyd unter die Schriften des Paulinus zwar aufge-
nommen, aber in ihrer Echtheit bestritten und einem Paulinus, Bischof von Beziers (Bit«-
renais), zugeschrieben wurde; vgl. Muratori Sp. 927; Buse 2 p. 117 Anm. 14. Für die
Herausgabe ist neu herangezogen Parisinus 5271 s. XUI.
Unechte Briefe. Auch zu den Briefen werden in den Ausg. unechte Stücke hin-
zugefügt. Es sind folgende:
1. Ad Marcellam. Da Marcella in Rom lebte und Paulinus in Nola (an die spa-
nische Zeit des Paulinus wird nicht zu denken sein), machen schon die Worte talis —
fama processit, ut ad nos quoqtie in longinquo posUos penetraverU Schwierigkeiten; über
andere Bedenken vgl. Muratori Sp. 791.
2. Ad Gelanciam. Muratori Sp. 792: ^Inest in hac stili suavitate gravitas quae-
dam nimis a Paulini alacritate et volubilitate in dicendo aliena et locorum S. Scripturae
diversa expressio, quam ut ei possit adiudicari isthaec epistola.* Eine methodische Unter-
suchung der Echtheitsfrage mit Rücksichtnahme auf Hieronymus wftre erwünscht
Excerpta Bobiensia. Aus dem Ambrosianus F. 60 sup. s. VIU/IX hat Mura-
tori Fragmente verlorener Schriften des Paulinus herausgegeben unter dem Titel: Ex
operibus S. Paulini deperditis excerpta (Sp. 867); abgedruckt auch bei Hartcl
1 p. 459.
884. Charakteristik. Prudcntius und Paulinus sind unstreitig die
grössten Dichter nicht bloss unserer Epoche, sondern auch des christlichen
Altertums überhaupt. Beider Bildung wurzelt ganz im nationalen Boden:
von Paulinus ist bekannt, dass er aus der Schule des Ausonius hervor-
gegangen ist. Beide haben erst nach einem weltlichen Leben das Christen-
tum voll auf sich wirken lassen, Paulinus schon ziemlich früh, Pnidentius
erst in späteren Jahren. So sehr auch beide den christlichen Geist in
ihren Werken erkennen lassen, so ist doch ihre Stellung zum Christentum
eine verschiedene. Prudentius ist ein spekulativer Kopf; sein Inneres
drängt ihn daher, sich in die Grundlehren des Christentums zu vertiefen.
Paulinus ist eine praktische Natur und infolgedessen fühlt er sich zur
praktischen Bethätigung des Christentums hingezogen, er ist ein Mann
der Askese. Von einem Eingreifen des Prudentius in das kirchliche Leben
hören wir nichts, während Paulinus der christlichen Gemeinde in Nola her-
vorragende Dienste geleistet hat. Die Christianisierung der nationalen Lit-
teratur wird von beiden angestrebt; Paulinus entwirft sogar ein Progranun
für die christlichen Dichter; klar und unumwunden spricht er sich gegen
die weitere Behandlung der verbrauchten mythologischen Stoffe aus und
verweist die Dichter auf die gi'ossen Probleme, welche mit den Lehren
des Christentums gegeben sind, mit anderen Worten, er verlangt das christ^
MeropioB PontiaB PanliniiB. (§ 884.) 249
liebe Lehrgedicht, dessen negative Seite die Zurückweisung des Heiden-
tumB ist. Dieses Programm ist aber von Prudentius in genialer Weise
durchgeführt worden; er hat einerseits Grunddogmen des Christentums in
ihrer Reinheit darzustellen gesucht, andererseits den nationalen Kultus
mit allen Waffen der Dialektik niedergeworfen. Bei Paulinus ist das christ-
liche Lehrgedicht nicht vertreten ; in verlorenen prosaischen Schriften hatte
er zwar auch theologische Probleme erörtert, allein die Titel „üeber die
Busse* und „Ueber das Lob der Märtyrer* zeigen genugsam, dass es sich
auch hier nicht um spekulatives, sondern um praktisches Christentum
handelte. Aber nicht bloss das wahre christliche Lehrgedicht hat Pru-
dentius geschaffen, sondern noch andere neue Bahnen der christlichen
Dichtung erschlossen: er hat das kirchliche Lied zum Lesegedicht um-
gestaltet; er hat mit seinen Martyrergesängen das christliche Epyllion,
die christliche Legende geschaffen; er hat mit kühnem Geiste ein christ-
liches allegorisches Epos gewagt. Wenn wir damit die Leistungen des
Paulinus vergleichen, so tritt der gallische Dichter dem spanischen gegen-
über sehr in Schatten. Gewiss war auch er bestrebt, die verschiedenen Gat-
tungen der nationalen Poesie dem christlichen Geiste dienstbar zu machen :
er hat das Epithalamium, das Propempticon, die Consolatio zu christlichen
Litteraturgattungen erhoben, er hat mit der Versifizierung der Psalmen
einen sehr glücklichen Griff gethan, der für die Entwicklung der christ-
lichen Litteratur von Bedeutung wurde; allein den Leistungen des Pru-
dentius gegenüber wollen diese Versuche doch nicht viel besagen. Nach
einer Seite hin verengert sich sogar die christliche Poesie bei Paulinus;
der reiche Eronenkranz des Prudentius zieht sich zu einem Kranz auf den
hl. Felix zusammen und vermindert damit das Interesse der Leser. Fassen
wir dagegen die formale Seite der Dichtungen beider ins Auge, so senkt
sich die Wagschale zu Gunsten des Galliers. Bei Prudentius wird oft die
Klarheit durch den Hang des Verfassers getrübt, überall Symbole und
Typen zu finden; Paulinus dagegen verirrt sich nur selten in mystische An-
deutungen und Spielereien. Während also bei Prudentius die Gedanken-
welt oft mit dichtem Nebel überzogen ist, lagert auf den Gedichten des Pau-
linus überall heller Sonnenschein. Die Klarheit der Gedanken wird durch
die Leichtigkeit' der Darstellung gehoben; die Schule des Ausonius hatte
bei Paulinus reiche Früchte getragen ; die Worte fliessen unserem Dichter
glatt und mühelos dahin, nur verleitet die Formgewandtheit mitunter den
Gallier, seine Gedanken zu verflachen und ins Breite verfiiessen zu lassen.
Diese elegante Formgebung des Paulinus ist um so anerkennenswerter, als
sie im Gegensatz zum Prosastil desselben steht, der wegen seiner Gelehr-
samkeit und Gesuchtheit die Geduld stark herausfordert. Allein auch die
Kehrseite ist nicht ausser Acht zu lassen; steht der Stil des Prudentius
an leichtem Fluss dem des Paulinus nach, so entschädigt auf der anderen
Seite die Kühnheit des Ausdrucks und die produktive Kraft, die sich in der
Handhabung der Sprache zeigt. Diese produktive Kraft gewahren wir auch
bei Prudentius in der metrischen Composition; der Gallier schreibt gewiss
einen leicht dahinfliessenden Vers, aber Prudentius ist viel reicher in seinen
metrischen Bildungen und versteht besonders, das Metrum in Einklang
250 Meropias PoniiiiB PanliniiB. (§ 884.)
mit dem Stoffe zu setzen. Von der Polymetrie aber, die Paulinus in der
Schule des Ausonius sich angeeignet, hält er sich fem. Geschmacksver- 1
irrungen, wie sie sich Prudentius bei der Schilderung der Folterqualen zu
Schulden kommen liess, geht Paulinus aus dem Weg, und man wird nicht
leicht etwas geradezu Anstössiges und den Geschmack Verletzendes bei
ihm finden. Durch zwei Thatsachen erklärt sich der Gegensatz, in den
die beiden Männer zu einander stehen: Prudentius. ist ein Genie, Paulinus
ein Talent; Prudentius ist ein Spanier, Paulinus ein Gallier.
Das Fortleben des Prudentius ist ein ungleich reicheres als dag
des Paulinus; doch ward auch Paulinus nicht vergessen. Der Verzicht des
Nolaners auf sein grosses Vermögen und seine glänzende Stellung, sein
asketisches Leben hatten so tiefen Eindruck gemacht, dass auch noch
spätere Schriftsteller den merkwürdigen Fall anführten. Für das Leben des
hl. Felix wurde natürlich der Liedercyclus des Paulinus ein Hauptfundori
Gregor von Tours und Beda berufen sich in ihren Geschichten des hl. Felii
ausdrücklich auf diese Quelle. ^ Gennadius nahm unseren Paulinus in seinen
Katalog der kirchlichen Schriftsteller auf. Auch die Sage hat sich seiner
Person bemächtigt; wir lesen bei Gregor von Tours eine anmutige Er-
zählung von der vandalischen Gefangenschaft des Paulinus;') diese Er-
zählung lässt sich mit der Geschichte nicht in Einklang bringen, zeigt
aber, dass der Heilige auch im Volke fortlebte.
Vorbilder. Aus der classischen Litteratur treten am meisten Aehnüchkeiten mit
Horaz und Vergil hervor. Bezüglich des Horaz vgl. A. Zingerle» Zu spftteren lat. Dich-
tem 2. Heft (Innsbruck 1879) p. 56; M. Hertz, Analecta ad carminum Horat. hist 5 (Ind.
lect. Bresl. 1882 p. 12). Bezüglich des Vergil vgl. Zingerle p. 60. Weiterhin bemerkt
Zingerlc (p. 67): „ Bestimmtere Anklänge an noch andere Dichter treten nicht stark hervor,
und es ist jedenfalls zu betonen, dass so Paulins Dichtungen doch nicht den Eindruck eines
Gemisches der verschiedensten Reminiscenzen machen, wie z. B. so vielfach die seines
Lehrers Ausonius/
lieber Sprache und Metrik gibt einige feine Beobachtungen Zingerle L c. p. 47;
z. B. über Adjectivbildungen p. 56; Beobachtung über den Ausgang des Hexameter p. 49, 1
über den Pentameter p. 69. Eine Eigentümlichkeit des Paulinus sind die polymetrischen Ge-
dichte; merkwürdig sind ferner die aus überschüssigen Pentametern bestehenden Gedichte.
Fortleben des Paulinus. Prudentius c. Symmach. 1, 558 non Patdinorum^ höh
Bassorum duhitavit \ prompta fides dare se Christo siirpemque superbam \ gentis patrieiae
venturo attoUere seclo. Ueber das Verhältnis des Prudentius und PaulimiB vgl. Roesler,
Der kathol. Dichter Aurel. Prudentius Clemens, Freib. i. Br. 1886, p. 252; vgl. dagegen
Buse 1 p. 183. Eucherius in paraenetica epist. ad Valerianum (50 Sp. 718 (Migne) PauUntu
quoquej Nolanus eplscopuSy pectdiare et beatum GalUae noslrae ea:emplum, ingenti quonäam
divitiarum censu uberrimo eloquentiae fönte; ifa in sententiam nostram proposUumque mi-
grämt, ut etiam cunctas admodtim mundi partes eloquio operibusque resperserit. Salvian.
de gubernatione dei 7, 3, 14 p. 159, 14 P. = Paulin. epist. 32, 3 p. 278 H.; vgl. Wey-
man, Hist. Jahrb. 15 (1894) p. 372. Apollin. Sid. epist. 4, 3 (p. 75 Mohr) iam si ad faero-
sanctos patres pro comparatione reniattir .... ut Eu^ebius narrat ut Eucherius soflicUat,
ut Paulinus prorocat ut Ambrosius perseverat. Carm. 9, 302 (p. 304 Mohr) sed ne tu mihi
comparare tempfes, \ quos multo minor ipse plus adoro, \ Paülinum Ampeliumque Sym-
inachumque, \ Messalam ingenii satis profundi \ et nuUi modo Martium seeundum; zur
Stelle vgl. auch Manitius p. 236. Paulinus Petricord. de vita Martini IIb. 2, 690 (Poet.
Christ, min. ed. Petschenig 1 (1888) p. 61) quin et Paiilino similis medicina salutem
reddidif, insignis fidei quem gloria Jäte ' extuUt .... Gregor von Tours in gloria c^nfes-
sorum 108 (Monumenta Germ. hist. Script, rer. Meroving. tom. 1 p. 817 ed. W. Arndt nnd
B. Krusch). Ein vollständiges Exemplar der carmina natalicia hatte Dungalus, der ans
demselben grössere Stücke in sein Ludwig dem Frommen und Lothar gewidmetes und in
einem gleichaltrigen Ambrosianus B 102 s. IX erhaltenes Werk Dungali reaponsa adttrtu^
») Vgl. Buse 1 p. 215. | ») Vgl Buse 2 p. 196.
BttokbUck. (§ 885.) 251
perrersas Claudii Taurinensis sententias aufgenommen hat (vgl. Hartel p. 48). Bezüglich
der EjHsteln vgl. Hartel, Ausg. 1 p. XII.
üeberliefernng. Methodisch ist die üeberlieferung dargelegt von Hartel in den
Prolegomena seiner Ausgabe, üeber die Üeberlieferung im allgemeinen spricht sich
Hartel (1 p. V) also aus: «Integra epistularum carminumque Paulmi Nolani collectio num
qaando exsisterit maxime dubium est. hodie certe neque ullus codex utriusque generis opera
omnia vel pleraque continet et qui maiorem epistularum partem complectantur pauci adsunt.
epistulae tamen mox post Paulini mortem ab amicis collectae fuisse videntur, dum car-
mioa, si quae in honorem S. Felicia conscripta sunt exceperis, partim Ausonii syllogis partim
dispersa traduntur.**
a) Die üeberlieferung der Briefe. Wir haben zu scheiden zwischen den Hand-
Schriften, welche eine alte Sammlung der Briefe repräsentieren, und denen, aus welchen ein-
zelne Stücke neu hinzukommen. Bezüglich der ersten Quelle fasst Hartel, Patristische
Studien V (S.-A. aus: Sitzungsber. der Wien. Akad. der Wissensch. 132 (1895) p. 2) das Er-
gebnis seiner Untersuchungen zusammen: «Jene alte Sammlung wird uns heute durch drei
6rum>en von Handschriften: 1. durch 0 = Parisinus 2122 s. X, 2. F = Laurentianus 23, 20
8. XV, P = Paris. 9548 s. XV und U = Urbinas 45 s.XV, 3. L = Lugdunensis 535 s.XII/XlIl
und M = Monacensis 26303 s. XIII repräsentiert, welche selbständig neben einander stehen,
wie ihre Lücken und Lesarten zeigen. Unter diesen Verhältnissen können weder L M, ob-
wohl diese alle Kennzeichen einer willkürb'chen und kühnen Revision an sich tragen, noch
die jüngsten FPU, deren Text weniger durch absichtliches Eingreifen, aber viel durch
Flüchtigkeit der Abschreiber gelitten hat und um mehrere Jahrhunderte länger gelegent-
lichen Interpolationen ausgesetzt geblieben war, beiseite geschoben werden, indem bald
die eine, bald die andere Gruppe die Zeugnisse des Paris. 0 bestätigt oder dort, wo dieser
lückenhaft oder verderbt ist, Richtiges bietet. Die Güte des Parisinus ist dabei aber eine
so hervorstehende, dass man seiner Führung ohne die zwingendsten Gründe nicht miss-
trauen darf. An zahlreichen Stellen bewahrt er allein die wahre Lesart oder verderbte Züge
des Archetypus in solcher Ursprünglichkeit, dass daraus sich ebenso leicht die richtigen
Worte finden, wie die stärker entstellten der anderen Gruppen erklären lassen.*^ Der Brief
No.8 auch bei Goldbacher, Augustini epist. pars 2 (Corpus Script eccles. lat. 34 (1898) p. 8).
ß) Die Üeberlieferung der Gedichte. Auch bei den Gedichten haben wir zwei
Quellen zu unterscheiden; die eine geht auf eine alte Sammlung zurück, welche die car-
mina natalicia ad S. Felicem umfasste; dieser Sammlung stehen die zerstreuten Gedichte
gegenüber, die aus den verschiedensten Quellen, besonders aus der Ausoniusüberlieferung,
m schöpfen sind. Was die erste Quelle anlangt, fasst Hartel, Patristische Studien VI
(S.-A. aus: Sitzungsber. der Wien. Akad. 132 (1895) p. 48) seine Ansicht also zusammen:
.Die Handschriften treten in zwei Gruppen auseinander, 1. eine mit reinem Text; zu dieser
gehören: A = Ambrosianus G. 74 s. IX, D = Monacensis lat. 6412 s. X, Q = Parisinus
13026 s. IX, von welchen A D sämtliche uns erhaltenen Gedichte vereinigen, 2) eine stark
und mannigfach interpolierte, welche in zwei Klassen zerfällt: a) B = Bruxellensis 10615
— 10729 s. Xn, E = Bononiensis 2671 s. XIV, T = Urbinas 533 s. XV, b) G = Petro-
politanus Q XIIII 1 s. VHI, R = Palatinus 235 s. IX. Die zweite Gruppe enthält nur einen
TeiL* Ueber die Handschriften der zweiten Gruppe vgl. Hartel 1. c. p. 1. Ueber die
Discrepanz der Handschriften V und 0 in der Ausoniusüberlieferung vgl. oben p. 32. —
E. Chatelain, Notice sur les manuscrits des po^sies de S. Paulin de Nole, suivie d'ob-
eervations sur le texte, Paris 1880.
Ausg. VgL Hartel, Ausg. 1 p. XXII; 2 p. XXXVII. Editio princeps, Paris 1515.
Von den älteren Ausg. erw^nen wir noch folgende: von den Jesuiten Fronton du Duc
und H. Rosweyd, Antwerpen 1622; nicht vollendet ist die von Ghifflet mit quaest. Pau-
linianae, Dijon 1662; J. B. Le Brun, 2 Bde., Paris 1685 (besonders von Ghifflet abhängig,
wenig Eigenes). Diese Ausg. Le Bruns ist oft wiederholt worden, auch abgedruckt bei
Migne, Patrol. lat tom. 61 (in der Muratorischen Fassung). Durch neue Funde be-
reichert wurde die Le Brunsche Ausg. von Muratori, Verona 1736, neu aufgelegt. Eine
neue Ausg. hatte Zechmeister vorbereitet (vgl. Wien. Stud. 1 (1879) p. 98), allein da er
1880 starb, führte Hartel (Corpus Script, eccles. lat. vol. 29 und 30, Wien 1894) seine
Ausg. zu Ende.
886. Rttckblick. Die Formen, welche in der nationalen Poesie im
Laufe von Jahrhunderten sich entwickelt hatten, lagen den christlichen
Dichtem vor; es galt jetzt, in die alten Schläuche neuen Wein zu giessen,
d. h. die Formen mit neuem Geiste zu erfüllen. Die christlichen Dichter
waren sich dieser Mission wohl bewusst; sie tadelten die abgelebten mytho-
252 BftekbUok. (§885.)
logischen Stoffe der Epen und meinten, dass die Bibel der Poesie lohnendes
Material genug darbiete. Allein in der Ausführung zeigten sich doch
Schwierigkeiten; wollte der Dichter das göttliche Wort unverändert bei-
behalten, so wurde er zum blossen Versifikator, fOr die Entfaltung seiner
Phantasie blieb dann kein Spielraum übrig; wollte er aber mit dem g^
gebenen Stoff frei schalten und walten, so konnte ihm mit Recht der
Vorwurf gemacht werden, dass er mit dem Bibelwort ein freventliches
Spiel treibe. Aus diesen Schwierigkeiten führte kein Ausweg; die einzige
Rettung war, sich anderen als biblischen Stoffen zuzuwenden. Und in iet
That in den Martyrien eröffnete sich eine brauchbare und ergiebige Quelle
für die christliche epische Poesie. Hier war der Dichter an keine Schranken
gebunden, sondern konnte seiner Phantasie freien Lauf lassen. Das Mar-
tyrium lag meistens zeitlich weit zurück, so dass sich bereits die Sage
um dasselbe emporranken konnte. Spannende dramatische Momente und
feine psychologische Züge vermochte der Dichter leicht beizusteuern; so
bildete sich das christliche Epyllion heraus, dem ein reiches Fortleben
beschieden war. Das Martyrergrab führte zu dem Epigramm, in den
kurz und prägnant die Leidensgeschichte erzählt war. Neben der Ma^
tyrerlegende errang sich das Lehrgedicht in der christlichen Litteratnr
einen hervorragenden Platz; als die Irrlehren aufgekommen waren, lag es
nahe, die orthodoxen Doktrinen in lehrhafter Form zur Darstellung zo
bringen und so für die Reinheit des Glaubens in die Schranken zu treten.
Der Kampf gegen das Heidentum führte leicht zur Satire und zur In-
vective. Selbst dia Epistel fand bei den vielseitigen Beziehungen, in
denen die christliche Welt zu einander stand, Beachtung und Pflege. Die
veränderten Anschauungen über die Ehe gaben dem Epithalamium einen
anderen Inhalt, und für die Consolatio lieferte das Christentum wirk-
samere Trostgründe als das Heidentum. Doch den Culminationspunkt er-
reichte die christliche Poesie in dem Liede, weil hier der christliche Geist
sich am schönsten entfalten konnte. Aus dem praktischen Bedürfnis heraus
entwickelte sich das Lied; es sollte den Gottesdienst heben und verschö-
nern; es lebte lediglich in dem Gesänge, musste daher in einfachen Formen
gedichtet werden. Allein an Stelle des gesungenen Liedes trat mit der
Zeit das für die Lektüre bestimmte, welches die höchsten Anforderungen
der Kunst zu befriedigen vermochte. Die tiefe christliche Gefühlswelt
konnte jetzt nach allen Seiten hin ausstrahlen und auch durch typische
Andeutungen in ein geheimnisvolles Dunkel gehüllt werden.
In der metrischen Gestaltung schlössen sich die christlichen Dichter
ebenfalls an die nationalen an; allein die häufige Verletzung der Prosodie
lässt doch ahnen, dass bereits eine andere sprachliche Kraft im Anzug
begriffen ist. Auch in dem oft nur gelegentlich auftretenden Reim lag
ein neues Kunstmittel vor, das einer weiteren Entwicklung harrte.
Allgemeine Litteratur über die christliche Poesie. Manitius, Gesch. der
christl.-lat. Poesie, Stuttgart 1891; A. Poizat, Les poctes chrötiens. Scönes de la vie lit-
teraire du IV»^ au VII« siöcle, Lyon 1902.
Ueber die Prosodie vgl. F. Ramorino, La pronunzia popolare dei versi qaanti-
tativi Latini nei bassi tompi ed origine della verseggiatura ritmica (Memorie della Reale
Accademia delle Science di Torino. Serie 2, tom. 43 (1893) p. 169).
Die ooUeotio Avellana. (§ 886.) Hilarins von Poitiera. (§ 887.) 253
b) Die Prosa.
886. Die collectio Avellana. Der Litterarhistoriker kann keinen
Abriss der Kirchengeschichte in seine Darstellung aufnehmen. Dagegen
darf er nicht eine wichtige Quellensammlung übergehen, welche mit Akten-
stQcken beginnt, die unserer Periode angehören. Wir haben die collectio
Avellana im Auge. Sie ist eine Sammlung von Briefen, Edikten u. a.
römischer Kaiser, römischer und byzantinischer Magistrate, römischer
Päpste und anderer kirchlicher Behörden, welche von 367—553 reichen.
Der Name «Avellana'' wurde der Sammlung von den Brüdern Ballerini
(1757) beigelegt, weil sie in der Handschrift des umbrischen Klosters
S. Crucis in fönte Avellana (Vaticanus 4961) die älteste und massgebende
Ueberlieferung erblickten. Jetzt da man erkannt hat, dass alle unsere
Handschriften der Sammlung auf den Vaticanus 3787 s. XI zurückgehen,
sollte man die Sammlung eigentlich „Collectio Vaticana'* nennen, allein
die Bezeichnung « Avellana" hat sich so eingebürgert, dass es thöricht
wäre, dieselbe durch eine neue zu ersetzen. Ueber Entstehung und Zweck
der Sammlung glauben wir am besten zu belehren, wenn wir die Worte
des verdienten Herausgebers M uns zu eigen machen, die also lauten: „Die
Avellana ist keine Sammlung, die, wie etwa die Decretalensammlung des
Dionysius Exiguus, zu Nutz und Frommen der Allgemeinheit abgefasst
und zur Veröffentlichung und Vervielfältigung bestimmt war, wenigstens
nicht in der Form, wie sie uns vorliegt. Die Avellana ist vielmehr nichts
als eine Materialsammlung, die wir dem Sammeleifer eines Gelehrten ver-
danken, der um die Zeit des Vigilius in Rom lebte, dort die Register des
päpstlichen Archivs benutzte und aus diesen und anderen Quellen die
Sammlung zusammenschrieb, die uns heute vorliegt.^ Da der Sammler
vorzugsweise auf noch unbekannte Dokumente sein Augenmerk richtete,
kommt es, dass uns mehr als 200 Aktenstücke nur durch diese Sammlung
dberliefert sind.')
Litteratnr. Maassen, Sitzongsber. der philol.-hist Classe der Wiener Akad. der
Wiasensch. 85 (1877) p. 239; Gesch. der Qaellen des canon. Rechts l (1870) p. 787; Ewald,
Sybels histor. Zeitschr. N. F. 4 (1878) p. 154; Zeitschr. der SavignyStiftuDg 5 (1884) Ger-
man. AbteUong p. 238; Wilhelm Mever, Epistolae imperatorum rom. ex coli. can. Avell.
editae (Ind. lect G^ttingen 1888; 1888/89); H. Bresslau, Die (yommentarii der röm. Kaiser
und die Registerbücher der Päpste (Zeitschr. der Sayigny-Stiftong 6 (1885) Roman. Ab-
teflnng p. 242); 0. Günther, Beitr. zur Chronologie der Briefe des Papstes Hormisda
(Satsongsber. der phil.-hist Classe der Wiener Akad. der Wissensch. 126 (1892) Abb. 11);
Ballerini, Append. ad 8. Leonis opera p. CLVIII; Amelli, Spicilegiom Casinense 1 (1888)
L XXXIV (Die Avellanasammlung ein Werk des Dionysius Exigaus); 0. Günther, Avel-
a-Stndien (Sitzongsber. der phil.-hist. Classe der Wiener Akad. der Wissensch. 134 (1896)
Abh. 5).
Massgebende Ausg. von 0. Günther, Corpus Script, eccles. lat. 35 (Wien 1895/98).
1. Hilarius von Poitiers.
887. Biographisches. Hilarius entstammte einer vornehmen heid-
nischen Familie in Pictavi (Poitiers), einer Stadt Aquitaniens. Er erhielt
die volle heidnische Bildung der Zeit; allein er fand hier nicht, was er
^) Günther, Avellana-Studien p. 66. No. 244, die nur zufällig mit der Sammlung
') Ueber den anfertigen Zustand der yereinigt wurde, vgl. denselben p. 68.
Sammlung vgl. Günther 1. c. p. 67. Ueber i
254 HilarioB von Poitiera. (§ 887.)
suchte, nämlich Aufschluss über die wichtigen Fragen unseres Seins; da-
gegen beantwortete ihm die heilige Schrift die Fragen, die sein Inneres
bewegten. Er trat daher zum Christentum über und that sich in der
christlichen Gemeinde seiner Heimat so hervor, dass er zum Bischof er-
wählt wurde. Auch als Bischof fand er ein reiches Feld für seine amt-
liche Thätigkeit. Der Kampf zwischen Arianismus und nicaenischem Glau-
bensbekenntnis war wie in anderen Ländern, so auch in Gallien seit der
Absetzung des Athanasius auf der Synode zu Mailand (355) aufs heftigste
entbrannt. Der Metropolit von Arles, Saturninus, war Arianer und that
alles, um Gallien dem Arianismus zu unterwerfen. Da griflf Hilarius mit
Energie in den Streit ein ; es gelang ihm, die orthodoxen Bischöfe von der
Kirchengemeinschaft mit den Arianern loszulösen. Es erfolgte ein Gegen-
schlag von Saturninus, indem derselbe eine Synode in Biterrae (Beziers) im
J. 356 veranstaltete. Unter der Leitung des Saturninus nahm die Synode
eine scharfe Stellung gegen Hilarius ein, verdächtigte seine politische Gesin-
nung beim Hofe und erlangte dadurch seine Verbannung. Als Verbannungs-
ort wurde ihm Asien angewiesen. Dort scheint er sich meistens in Phry-
gien aufgehalten zu haben. Dieses Exil war für den Bischof eine Zeit
reicher Ernte; er lernte die Verhältnisse der orientalischen Kirche kennen,
gewann einen tiefen Einblick in die griechische Dialektik, wie sie sich
in dem Glaubensstreit entwickelt hatte, und versenkte sich noch mehr in
die griechische, christliche Litteratur. Eine Frucht dieser mannigfaltigen
Anregungen ist das Hauptwerk seines Lebens, die Schrift über die Trinität
In die Zeit des Exils fiel die Doppelsynode zu Seleucia und Rimini, welche
im Jahre 359 abgehalten wurde. Hilarius nahm an der Synode zu Seleucia
teil, ein Beweis, welchen Einfluss der occidentalische Bischof auch auf die
Orientalen gewonnen hatte. Ein weiterer Beweis dafür ist, dass Hilarius
sich der Deputation der Synode von Seleucia, welche nach Constantinopel
ging, um dem Kaiser Bericht über die Verhandlungen zu erstatten, an-
schloss. Auch in der Hauptstadt entfaltete Hilarius eine ungemein viel-
seitige Thätigkeit zum Schutz der Orthodoxie. Er sammelte die Mate-
rialien zu einer historischen Darstellung des Glaubensstreites und erbat
sich sogar eine Audienz bei dem Kaiser Constantius, um denselben von
der Richtigkeit des nicaenischen Symbols zu überzeugen. Aber auch die
Gegner blieben nicht unthätig; ihre Verdächtigungen des Hilarius be-
wirkten, dass derselbe in seine Heimat zurückverwiesen wurde. Im Jahre
360 trat Hilarius die Heimreise über Italien nach Gallien an. Bald nach
seiner Ankunft in der Heimat holte er zum letzten Schlage gegen seinen
alten Gegner Saturninus und damit gegen den Arianismus in Gallien aus:
durch Provinzialsynoden wurden die Geister vorbereitet. Die Frucht war
reif. Im Jahre 361 wurde die Absetzung des Saturninus auf dem General-
konzil von Paris durchgesetzt. So war denn fast ganz Gallien wieder dem
orthodoxen Glauben gewonnen. Nicht zufrieden mit diesem Erfolg richtete
der streitbare Bischof jetzt seine Augen nach Italien, wo noch der ari-
anische Bischof Auxentius von Mailand seines Amtes waltete. Auch diesen
Kampf führte Hilarius in so unversöhnlicher Weise, dass nochmals der
weltliche Arm eingreifen musste. Der Kaiser Valentinian befahl dem
Hilarias von Poitiers. (§ 888.) 255
Hilarius, in seine Diözese zurückzukehren. Hier waren ihm nur noch
wenige Jahre seines Lebens vergönnt; er starb im Jahre 366.
Die Biographie des Vonaiitius Fortanatus. Es ist uns eine schwülstig ge-
schriebene vita des Hilarius durch den Dichter Venantius Fortunatus, der im 6. Jahrhundert
lebte, erhalten. Diese vita ist in der Regel in zwei Bücher geteilt, allein mit Unrecht;
denn es sind zwei verschiedene Schriften. Das zweite Buch stellt uns ein Schriftchen dar,
in dem die Wunderthaten, die am Grabe des Heiligen erfolgten, beschrieben werden; das
erste ist dagegen eine vita. Das Wunderbüchlein ist allem Anschein nach zuerst ge-
schrieben. Beide Schriftchen dem Venantius Fortunatus abzusprechen, besteht durchaus kein
Grand; vgl. Reinkens, Hilarius von Poitiers p. XVI und Krusch in seiner Ausgabe p. I.
Andere biographische Zeugnisse. Von den biographischen Arbeiten über Hi-
larius handelt Reinkens 1. c. in dem Abschnitt: „Quellen und Litteratur** p. XIII; besonders
hervorzuheben ist die im Jahre 1698 von dem Mauriner Peter Coustant aus den Schriften
des Hilarius und den antiken Quellen zusammengestellte vita. (Vgl. Migne 9 Sp. 126.)
Ueber die Heimat des Hilarius vgl. Hieronymus' Zeugnis im folgenden Paragraph, lieber
seine Taufe vgl. de synodis § 91 (10 Sp. 545 M.) regeneraius pridenty et in episcopatu
aliquantisper manena, fidem Nicaenam numquam nisi exsulatunis atidivL Ueber die Sy-
node von Biterrae und sein Exil vgl. contra Gonstant. § 2 (Sp. 579 M.) postea per fac-
tionem earum pseudaapostolorum ad BUerrensem aynodum compulstis, cognitionem demon-
9trandae huius haereaeos ohttdi; vgl. auch ad Gonstant. 2, 2—3 (Sp. 564 ^L); de synodis § 2
(Sp. 481 M.); contra Auxentium 7 (Sp. 613 M.). Ueber seine Verbannung nach Phrygien
▼^. Hieronymus; s. auch z. J. 2372 = 355 n. Ghr. (2 p. 195 Seh.). Ueber die Abfassung
der Bücher de trinitate im Exil vgl. unten § 897. Ueoer seine Teilnahme am Gonzil zu
Seleucia vgl. Sulpidus Severus Ghron. 2, 42, 1 intetHm in Oriente exemplo Occidentalium
impenUor iubet cunctoa fere epiacopoa apud Seleuciam laauriae oppldum congregari, qua
tempesiate Hilarius, quartum iam exilii annum in Phrygia agens, inter reliquos epiacopoa,
per piearium ac praesidem data evectionia copia, adeaae compellitur .... ia uhi Seleuciam
V€nU, magno cum favore exceptua omnium in ae animoa et atudia converterat. Ueber seine
Teilnahme an der zum Kaiser nach Gonstantinopel abgeordneten Gesandtschaft der Synode
▼on Seleucia vgl. Sulpicius Severus Ghron. 2, 45, 3 aderat ihi (in Gonstantinopel) tum Hi-
larius, a Seleucia legatoa aecutua. Ueber die Entstehung eines historischen Werks in Gon-
stantinopel vgl. unten § 896. Ueber die nachgesuchte Audienz bei dem Kaiser vgl. unten
§ 892. Ueber die Verweisung nach Gallien vgl. Sulpicius Severus Ghron. 2, 45, 4 poatremo
(Hilarius) quasi diacordiae aeminarium et perturbator Orientia redire ad Galliaa iubetur
absque ^eilii indulgentia. Ueber seine Reise durch Italien vgl. Sulpicius Severus vita Mar-
tini 6, 5. Ueber das Jahr der Heimkehr vgl. Hieronym. z. J. 2375 = 358 n. Ghr. (2 p. 195
Seh.); Migne 9 Sp. 163. Ueber die Absetzung des Satuminus vgl. Sulpicius Severus Öhron.
2, 45, 6. lieber den Streit mit Auxentius vgl. unten § 895. Ueber seinen Tod vgl. Sul-
pidus Severus Ghron. 2, 45, 9 Hilariua aexto anno, poaiquam redierat, in patria obiit ; über
abweichende Ansichten vgl. die Benediktiner bei Migne 9 Sp. 177 und Reinkens p. 320.
Hieronym. z. J. 2384 == 367 n. Ghr. (2 p. 197 Seh.).
Litteratnr. Viehhauser, Hilarius Pictaviensis geschildert in seinem Kampfe gegen
den Arianismus, Klagenfurt 1860 (beurteilt von Reinkens 1. c. p. XXXII); Rein kons,
Hilarius von Poitiers, Sehaffhausen 1864; vgl. dazu Wagenmann, Gott. gel. Anz. 1865
p. 1641; Dormagen, St. Hilaire de Poitiers et rArianisme (Thdse), Paris 1864; V. Hansen,
vie de St. Hilaire, ^vdque de Poitiers et docteur de T^glise, Luxemburg 1875; J. G. Gaze-
nove, St Hilary of Poitiers and St. Martin of Tours, London 1883; P. Barbier, Vie de
St Hilaire, ^v^ue de Poitiers, docteur et p^re de l'öglise, Tours 1887; Ebert, Allgem.
Creach. der Litt, des Mittelalters 1^ (Leipz. 1889) p. 134; R. P. Largent, Saint Hilaire,
Paris 1902.
888. üebersicht der Schriftstellerei des Hilarius. Hieronymus hat
uns ein, wie es scheint, nahezu vollständiges Verzeichnis von den Schriften
des Hilarius überliefert. Wenn wir dieselben überblicken, so ergibt
sich, dass sie sich auf drei Gebieten bewegten. Wir finden exegetische
Schriften; von diesen sind erhalten der Gommentar zum Matthaeus-Evan-
gelinm und der Traktat über die Psalmen. Nicht mehr erhalten sind die
von Hieronymus erwähnten Traktate über Job. Ob Hilarius auch einen
Gommentar über das hohe Lied verfasst, lässt sich nicht mit Sicherheit
feststellen. Zu diesen exegetischen Werken ist im Jahre 1887 der bei
Hieronymus genannte liber mysteriorum gekommen, den Qamurrini aus
256 Hilarias von Poitiera. (§ 889.)
einem Codex von Arezzo s. XI veröffentlichte. Der Schwerpunkt
terarischen Wirksamkeit liegt jedoch in den Schriften, welche er i
mischer Absicht, besonders zur Bekämpfung der arianischen Häres
fasst hat. Von diesen sind uns erhalten: zwei Denkschriften an den
Gonstantius, ein gegen den Kaiser gerichtetes Pamphlet, und dai
schreiben über die Synoden. Da Lucifer von Calaris gegen die in
Sendschreiben entwickelten milden Grundsatze Widerspruch erho
teidigte sie Hilarius in einer Apologie, welche Hieronymus nicht ei
von der sich aber Bruchstücke zu uns herübergerettet haben. Fer
hört hierher die Schrift gegen Auxentius, einen arianischen Bis<
Mailand. Auch eine Schrift gegen die arianischen Bischöfe Vale
Ursacius erwähnt Hieronymus; von diesem Werk sind uns noch
mente erhalten. Nicht bloss in Flugschriften, auch in einem sys
sehen Werk sucht er den Arianismus zu widerlegen. Es geschi
in den zwölf Büchern de trinitate. Auch der Reaktionsversuch d<
sers Julian fand in Hilarius einen litterarischen Gegner; das zu
Zweck geschriebene Schriftchen gegen Dioskorus ist leider verlorei
dritte Gebiet, auf dem Hilarius thätig war, sind die Hymnen; er
erste Hymnendichter von Bedeutung. Leider sind nur drei Hymnei
seinem Namen überliefert und selbst diese in lückenhafter und v<
melter Gestalt. Da wir die Hymnenpoesie des Hilarius bereits bes]
haben (§ 861), sind nur die den zwei anderen Gebieten zufallenden S(
einer genauen Betrachtung zu unterwerfen.
Zeugnis des Hieronymus über die Schriftstellerei des Hilarius.
111. c. 100 Hilarius, urhis Pictaviorum Aquitanicae episcopus, f actione Saturnini Ä\
episcopi, de synodo Bitcrrensi Phnjgiam relegatusy duodecim Adversum Arianos
libros et alitim lihrum De synodis^ quem ad GalUarum episcopo8 seripsitf et In
commentarioSf primum videlicet et secundum et a quinquagesimo primo usque <
yesimum secundum et a centesimo octavo decimo usque ad extremum, in quo oj
fatus Origenem nonnidla etiam de suo addidii (vgl. epist. 61, 2; 1 Sp. 346 Vall.).
et Ad Constantium lihellus, quem virenti ConstantinopoUm porrexerat, et aUus
ütantium quem post mortem eius scripsit^ et Über Adversus Valentem et Ursaciu
riam Ariminensis et Seleuciensis synodi contifiens, et Ad praefectum Sallustium ^ii
Dioscorum, et Über hymnorum et mysteriorum aliiis, et Commentarii in Matthaeumy
tat US in Job, quos de graeco On'genis ad sensum transtulif, et alius elegans libellut
Auxentium, et nonnuUae ad diver sos epist ulae. Aiunt quidam scripsisse eum In (
Canticorumy sed a nobis hoc opus ignoratur. Mortuus est Fictaris Vdlentiniano ei
regnantibus. Einige Inkorrektheiten dieses Berichtes werden bei den einzelnen •
rektifizieii werden. Vgl. übrigens Sychowski, Hieronymus als Litterarhistoriker (
geschichtl. Stud. 2. Bd. 2. Heft (Münster 1894) p. 181).
tt) Exegetische Schriften.
889. Gommentar zu Matthaeus. Durch das Studium der hl.
wurde Hilarius für das Christentum gewonnen, und der hl. Schri
sein erster schriftstellerischer Versuch; es ist dies der Commen
Matthaeus. Dass dieses Werk das früheste von allen Werken des 1
ist, geht daraus hervor, dass in demselben nicht ein einziger Hinw
die arianischen Streitigkeiten sich findet; man sieht deutlich, da
Verfasser noch unberührt von jenen Kämpfen geblieben ist; währ
in dem späteren Commentar zu den Psalmen die Schriftstellen geg
Arianismus ausnutzt, thut er dies in dem vorliegenden Werk ni<
Hilarias von Poitiers. (§ 889.) 257
; einziges Mal.^) Der Commentar erstreckt sich zwar auf das ganze Mat-
.ttiaeus-Evangelium, allein er ist nicht eine fortlaufende Erklärung der
^einzelnen Worte,*) die Erklärung folgt vielmehr 30 Titeln, welche in den
! Handschriften dem Werk vorausgeschickt sind.') Es scheint, dass schon
nr Zeit des Hilarius zu den Evangelien Sammlungen von Titeln exi-
stierten, und dass Hilarius eine solche Titelsammlung für seinen Com-
mentar zu Grunde legte. Nur daraus ist zu erklären, dass manche Titel
mit den Ausführungen nicht völlig harmonieren.^) Es ist möglich und
flogar wahrscheinlich, dass Hilarius auch in seinen Predigten das Matthaeus-
'Svangelium in ähnlicher Weise erklärte. Aber das vorliegende Werk ist
%eine Homiliensammlung, sondern eine wissenschaftliche Leistung. Es
nennt sich selbst „liber'^) und verweist seine Leser bei einer Materie
auf TertuUian und Gyprian.^)
In dem Commentar befolgt Hilarius die allegorische Erklärungs-
methode, wie sie durch die alexandrinische Exegetenschule für die hl. Schrift
■begründet worden war. Das Wesen dieser Erklärungsweise besteht darin,
dass neben dem einfachen, leicht zugänglichen Wortsinn noch ein höherer
versteckter sogenannt typischer aufgedeckt werden soll. Dieser verborgene
fiinn, welcher charakteristisch «coelestis significantia'^ 7) heisst, dient be-
sonders dazu, uns die Zukunft zu enthüllen. Wenn dieser höhere Sinn
auch nicht klar ausgesprochen ist, so liegt er nach der Ansicht des Hi-
larius doch in den Worten und wird keineswegs willkürlich hinein-
gelegt. Wir geben zum Zweck der Anschaulichkeit einige Beispiele.
Der Herr wählt seine Jünger aus dem Stand der Fischer; sofort ist der
Brklärer bei der Hand, diesen Vorgang als einen bedeutungsvollen aus-
sndeuten und einen Hinweis auf den zukünftigen Beruf der Apostel zu er-
blicken, welche bestimmt wurden, die Menschen aus dem irdischen Leben
mm Lichte der himmlischen Wohnung hinaufzuziehen, wie sie bisher ge-
wohnt waren, die Fische aus der Tiefe des Meeres an die Oberfläche zu
liehen.^) Darin, dass der Herr sich zuerst vier Jünger auserkor, erblickt
er eine Hindeutung auf die vier Evangelisten.^) Auch die Thatsache, dass
die Jünger das Ihrige im Stich Hessen und dem Herrn nachfolgten, schliesst
wiederum einen typischen Sinn in sich; wir werden dadurch ermahnt,
nicht an dem irdischen Leben zu haften, sondern unseren Blick auf Christus
zn richten. ^<^) Wenn Christus seinen Jüngern befiehlt, mit ihm das Schiff
zn besteigen, so ist das unserem Erklärer eine Aufforderung an die Men-
schen, in die Kirche Gottes einzutreten; wie das Schiff von den Stürmen,
^) Vgl. besonders die Stellen: c. 2, 6 und i tnonuimus.
c 16, 6, wo er Gelegenheit gehabt hätte, die | ') c. 5, 1 de orationis autem sacramento
Göttlichkeit Christi zu betonen. I necessitate noa commentandi Cyprianus etc.
*) Vgl. Benediktinerausgabe T. 1 (1749) | '') c. 5, 13. Andere Ausdrücke sind in-
^ 511: «Qnamqnain enim in totum Matthaei i terior significantia c. 7, 8; tj/pica significantia
Avangeliiim ezcurrit, non singula tarnen illius i c. 7, 9.
▼erba, sed selectos dumtazat ex singulis capi- ^) Vgl. c. 3, 6.
tilms titaloB enarrai." i ^) Es geschieht dies mit den charak-
') Ueber diese Titel vgl. die eingehende teristischen Worten c. 3, 6 : praeter rerum
JErOitenmg 1. c. der Benedüctinerausg. i fidenty quia et ita gestum est, futurorum Emn-
*) Vgl. c. 15 und c. 18. gelistarum numerus praefiguratur.
») c. 19, 11 in pHmardio libri . . . . ad- \ ><>) Vgl. c. 3, 6.
Hsodbncli dtr Um«, AltertumiwiMenschaft. vm, 4. 17
258 HUariiiB von Poitien. (§ 890.)
so wird auch die Kirche von den AngrifiFen der Welt und der unreinen
Geister beunruhigt. ^ In dieser Weise wird das ganze Evangelium des ^
Matthaeus durchgenommen. Ueberall sieht der Verfasser Typisches und .
Allegorisches und entdeckt überall in den schlichten Worten tiefe Lehren. '
Man erkennt, eine solche Erklärung erfordert eine reiche Phantasie, welche |
Aehnlichkeiten herausfindet, wo der Scharfsinn nichts als eine einfache
Handlung entdeckt. Der Schriftsteller wird in dieser Weise nicht inter- j
pretiert, sondern eher verdunkelt. Diese allegorische Erklärungsweise ist.
im Grund genommen, nichts als ein mehr oder weniger geistreiches Spiel.
Wie bereits oben bemerkt, fand Hilarius diese typische Interpretations-
weise der hl. Schrift bereits in der Kirche vor. Es ist also kein neuer
Weg, den er uns in diesem Buche zeigt, aber im einzelnen scheint er
selbständig vorgegangen zu sein. Die Meinung, er habe den Commentar
des Origenes zum Matthaeus bearbeitet, ist eine völlig irrige, wie eine
Vergleichung der beiden Arbeiten darthun kann. Als Nachahmer des
Origenes erscheint Hilarius nach dem Zeugnis des Hieronymus') in dem
Psalmencommentar und in dem Buch über Job.
Die fehlende Einleitung. Die Schrift beginnt ohne jede Einleitung und Vor-
wort. Doch scheint früher eine solche vorhanden gewesen zu sein; denn Cassianus, der
zu Anfang des 5. Jahrhunderts lehte, citiert de incamatione 7, 25 ein Prooemion unseres
Werks und eine Stelle daraus. Auch weist unser Commentar c. 2, 1 auf einen voraus-
gegangenen Defekt; vgl. Benediktinerausgabe T. 1 (1749) p. 511.
Zur Charakteristik des Werks, c. 2, 2 meminerimus gestorum veritaUm non
idcirco corrumpi, si gerendis rebus interioris intelligetUiae ratio subiecta sit. c. 7, 8 non not
inteUigentiam fingimuSf sed gesta ipsa inteUigentiam nohis impertiuntur, Neque enim rei^
intelligentiae, sed rei intelligentia aübsecundat. c. 19, 4 admonuimus ea, quae sub Deo agt-
bantur, praesentinm effectibus consequentium formam praetulisse: aique ita semper in .Spri/>-
turis coelestibus sermonem omnem temperatum fuisse, ut non minus his quae gerebantur.
quam eorum quae gerenda essent similitudini conveniref. c. 21, 13 mentinisse nos oportet,
rationi rerum praesentium aliquid interdum ea conditione deesse, ut fuiurorum speeies sine
damno aliquo praefigurafae efficientiae expleatur,
Ausg. von Migne 9 Sp. 917.
8{K). Tractatus super Psalmos. Als Hilarius aus der Verbannung
zurückgekehrt war und die arianischen Kämpfe durchgefochten waren,
schrieb er einen zweiten Commentar, eine Erklärung der Psalmen. Ueber-
liefert sind uns die Erläuterungen zu den Psalmen 1, 2, 9, 13, 14, 51—69.
91, 118—150. Dem Werk geht eine Einleitung voraus. Es ist jedoch
nicht zweifelhaft, dass der Commentar ursprünglich sämtliche Psalmen
umfasste. Nirgends, weder in der Einleitung noch am Schluss (150), spricht
er von einer Auswahl. Im Gegenteil, er spricht so wie einer, der ein
vollständiges Werk geliefert. Auch finden sich in den vorhandenen Teilen
Hinweise auf die verlorenen. Eine dürftige Kunde von einer vollständigen
Handschrift des Psalmencommentars hat sich übrigens noch erhalten. Die
von dem Benediktiner Martine aufgefundenen und der Migneschen Aus-
gabe angehängten Commentare zu den Psalmen 15, 31 und 41 sind aber
allem Ansehein nach unecht. Da Hilarius des Hebräischen nicht kundig
war, konnte er nicht das Original für seinen Commentar zu Grund legen,
sondern musste zu einer Uebersetzung greifen; massgebend war für ihn
die Uebersetzung der Septuaginta. Daneben benutzte er auch den latei-
M c. 7, 9.
'^) epist. 75 adv. Vigüantium und Initium Apologiae adv. Rufinum.
HUarias von Poitiers. (§ 890.) 259
nischen Text.^) Wie der Eingang der Schrift bekundet, hat er sich in
den verschiedenen Psalmencommentaren fleissig umgesehen;^) besonders
Origenes konnte ihm Vorbild sein. Allein Hilarius wahrte sich doch seine
volle Selbständigkeit. Das Werk beginnt mit einer allgemeinen Ein-
leitung; in derselben verwirft er zuerst die Einteilung der Psalmen in
fOnf Bücher, er nimmt nur ein einziges Buch an, welches „liber Psalmorum"
zu nennen sei. Dann geht er zur Verfasserfrage über und entscheidet
sich für mehrere Autoren. Dieselben können aber für die einzelnen Psalmen
dadurch bestimmt werden, dass der in einem Psalm genannte Verfasser
auch für die folgenden anonymen Psalmen anzunehmen ist, bis ein neuer
Verfassemame erscheint. Es folgt die Darlegung des Prinzips für die
Psalmenerklärung, das darin besteht, dass alles, was in den Psalmen ge-
sagt ist, im Zusammenhang mit dem Evangelium zu erfassen sei. Als-
dann betrachtet er die Anordnung der Psalmen, die ihm eine ideale, von
den 70 hergestellte ist. Hier stossen wir nun auf eine wunderliche Zahlen-
mystik. Er geht über zur Darlegung der Bedeutung, welche die Ueber-
schriften der Psalmen haben und schliesst mit dem Qedanken, dass jeder
Psakn seines eigenen Schlüssels zum Verständnisse bedürfe.
Zeit des CommentarB. 67, 15 plures etiam in corpus atque ex se protenaum per-
manantemque patrem loquantur, ut adsumptio illa carnis ex virgine filii nomen acceperity
non qui antea erat dei -filius, idem hominis filius sit natus in corpore, et quiäem omnia
haec ad speciem humanae prudentiae coaptantur, postquam rationem caelestis sapientiae
non coiiprehenderunt ; quihus, ut spero, aJiis locis uherius copiosiusque respon-
9 um est. Die letzten Worte enthalten einen Hinweis auf die Bücher ,de trinitate*; da
diese in den Jahren 356—359 geschrieben sind, fällt der Commentar nach dieser Zeit.
Die Unvollstftndigkeit des jetzigen Psalmencommentars erhellt erstens
daranSy dass auf Psalmen hingewiesen wird, welche sich nicht in unserer Sammlung finden.
So wird in 142, 2 anf 3 Rücksicht genommen, in 69, 1 auf 37; in 59, 2 auf 44; in 149, 2 auf
95 und 97; in 150, 1 auf 50 und 100; zweitens daraus, dass auf behandelte Materien hinge-
deutet wird, welche in unserem Commentar gar nicht oder nicht dem Hinweise entsprechend
vorkommen; dies geschieht 52, 18; 54, 2; 57, 4; 60, 4; 62, 7; drittens daraus, dass Hilarius
in der Einleitung (17) yerspricht, er wolle die Aufschriften aller Psalmen erörtern: ad con-
pendium studiosae intellegentiae in brevem sermunculum virtutem superscriptionum omni um
coartamus; Ygl. noch den Schluss von § 23 und 24 des Prologs. Auch aus dem Anfang der
Schluflserklärung merkt man, dass alle Psalmen behandelt waren.
Zur Charakteristik des Werks. Instr. Ps. 5 non est rero amhigendum^ ea, quae
in psalmis dicta sunt, secundum evangelicam praedicationem intellegi oportere, ut ex qua-
cumque licet persona prophetiae spiritus sit locutus, tamen totum illud ad cognitionem ad-
ventus domini nostri Jesu Christi et corporationis et passionis et regni, et resurrectionis
nostrae gloriam virtutemque referatur sunt universa allegoricis et typicis contexta vlr-
tutibus: per quae omnia unigeniti dei filii in corpore et gignendi et patiendi et moriendi et
resurgendi et in aeternum cum conglorificatis sihi, qui in eum crediderint, regnandi et
eeteros iudicandi sacramenta panduntur. Ebenda 6 ipse (David) haec Septem quaedam signa-
cufa, quae de corporalitate eius et passione et morte et resurrectione et gloria et regno et
iudieio David de eo in psalmis prophetat, absolvit. Ebenda 24 est autem diligens perpen-
sumque iudicium expositioni psalmi uniuscuiusque praestandum, ut cognoscatur, qua unus-
quisque eorum clave inteUegentiae aperiendus sit.
üeber die Ueberlieferung vgl. p. 274.
Ausg. von Migne 9 Sp. 231; von A. Zingerle im Corpus Script, eccles. lat. 22.
Litteratur. A. Zingerle, Die lat. Bibelcitate bei S. Hilarius von Poitiers (Kl.
Ehilol. Abb. 4 (Innsbruck 1887) p. 75) ; Kleine Beitr. zu griech.-lat. Worterklärungen aus dem
ilariam'schen Psalmencommentar (Comment. Woelfflinianae, Leipz. 1891, p. 215); Rationem
*) Instructio Psalmorum 2 in plurimis \ *) Instr. Ps. 1 diversas esse plurimorum
latinis et graeeis codicibus sine horum no-
minibus simpUces tantum psalmorum tituli
praeferantur.
in psalmorum lihro opiniones, ex libris ij)8is,
quos scriptos reliquerunt, compertum habenius.
17
260 HilarinB von Poitiers. (§ 891.)
afferendi locos litteraram divinarum, quam in tractaübus super pealmos sequi yidetor S. Ui-
larius, illustravit Fr. Schellauf, Graz 1898.
891. De mysteriis. Aus Hieronymus wusste man, dass Hilarius einen
über mysteriorum geschrieben habe. Solange man über dieses Werk nur
das Zeugnis dieses Schriftstellers hatte, war man in Bezug afif den In-
halt nur auf Vermutungen angewiesen. Die Benediktiner^) erblickten in
dem Werk eine Darlegung der Liturgie und der hl. Riten.*) Dieser Ver-
mutung wurde ein Ende gemacht durch eine Entdeckung Gamurrinis;
dieser fand in einer Handschrift zu Arezzo sowohl den von Hieronymus
erwähnten über mysteriorum als den über hymnorum, freiüch in sehr ver-
stümmeltem Zustande. Aus den Fragmenten erkannte man, dass Hilarius
in dem Werk de mysteriis die Vorbilder des alten Testaments für das neue
behandelt. Es liegt also kein liturgisches Werk vor, sondern ein Werk der
allegorischen Exegese. Dass derselben aber Hilarius ganz besonders
zugethan war, wissen wir aus seinen Commentaren zu Matthaeus und zu
dem Psalter zur Genüge. Die gegen die Echtheit vorgetragenen Bedenken^)
sind nicht stichhaltig; besonders ist dem umstände, dass Hieronymus von
einem über mysteriorum spricht, während wir in der Handschrift zwei
Bücher haben, nicht der geringste Wert beizumessen,^) da seine Nach-
lässigkeit in litterarischen Angaben hinreichend bekannt ist.
Der Bestand des Werks. Die Subscriptio lautet: FinU traetatuM myateriornm
S. Hilarii episcopi ab Adam usque ad Noe, deinde Abraae, Isaae, Jacob, Moysis et (hit
prophetae et Heliae. Von dem '!^ktat fehlt der Anfang. Im Innern finden sich zwei be-
trächtliche Lttcken; p. 12 notiert Gamurrini einen Ansffdl von 20 Seiten; die zweite grössere
Lücke findet sich kurz vor dem Schluss. Das zweite Buch beginnt mit De Osee (p. 22«.
Zur Methode, p. 26 admonuimus frequenter eam lectioni divinarum acripturarum
m entern adhiheri oportere, quae soUlcito examine et iudicio non inani passet discernere,
quando rerum gestarum commemoratio vel simpliciter esset intelligenda vel tjfpice; er findet
es nicht entsprechend, si out simpHciuni cognitio inani praefigurationum assertione cor-
rumperetiiTy aut virtus praefigurationum sub simplicium opinione ignoraretur^ doch fügt er
bei: quamquam Ha se divinae scriptnrae sermo haheat^ ut nihil illic inane, nihilque extm
causam alicuius necessitatiSy nihil non sub discrimine consectandae a nobis intelligtntiae
ediium reperiatur.
Zur Charakteristik des Werks, p. 3 omne opus, quod sacris roluminihus^
continetur, adventum domini nostri Jesu Christi, qui missus a patre, a palre ex rirgine
per spiritum homo natus est, et dictis nuntiat et factis exprimit et confirmat exemplis:
namque hie per omne constituti huius saeculi tempus, reris atque absolutis praefigurationibus,
in patriarchis ecdesiam aut generat aut abluit aut sanctificat aut eiicit aut diseemit aut
redimit. Somno Adae, Noe diluvio, benedictione Melchisedech, Äbrähae tustificatione, ortu
Isahac, Jacob Servitute; per omne denique tempus universa prophetia, sacramenti molitio,
Cognition! adsumendae ab eo carnis indülta est. Et quia hoc libeUo üisum est ostendert
omnem in singulis quibusque et viris et temporibus et rebus adventus sui, et praedicationii,
et passioniSj et resurrectionis, et nostrae congregationis, tamquam imaginem in speeuio prae-
ferrl; non trascursim memorabo aliqua, sed suis quibusque temporibus universa traetabo
ab Adam, ex quo humani (ge)neris scientia permittitur, inehoaturus: ut, quod in Domino
(con)summatum est, iam ab initio mundi in plurimis rebus praefiguratum esse nascatur.
*) Vgl. die vita der Benediktinerausgabe [ Trinität behandelten, vielleicht war auch die
§ 111 (T. 1 (1749) p. XCV). , Sammlung mit einer liturgischen Einleitung
'-) Ebert (Allgem. Gesch. der Litt, des i versehen, wie man auch das mysteriorum
Mittelalters 1'^ (Leipz. 1889) p. 142 Anm.) i erklärt hat.'*
fasst den liber mysteriorum als ein einziges ! ') Ebert p. 142. Allerdings wäre eine
Buch: „Höchst wahrscheinlich versteht aber , Prüfung des Traktats in Bezug auf Sprache
Hieronymus unter diesem Titel nur eine ] und Methode auf Grund einer Vergleichung
Sammlung von Hymnen, deren Charakter mit den echten Schriften des Hilarius sehr
und Inhalt durch das mysteriorum angezeigt ' erwünscht,
wird, indem sie wohl die Geheimnisse der | *) Was Ebert 1. c. thut.
Hilarias von Poitiers. (§ 892.) 261
Die UeberlieferuDg. Der Codex, aus dem Gamurrini drei Inedita publizierte,
befindet sich auf der Bibliothek der Fratemitas S. Mariae zu Arezzo. Derselbe ist in
langobardischer Schrift geschrieben und zwar auf Befehl des Abtes Desiderius (des späteren
Papstes Victor III.); vgl. Dreves, Zeitschr. für kathol. Theol. 12 (1888) p. 859 (einen Irrtum
Gamnrrinis berichtigend); sonach ist die Handschrift in die Mitte des 11. Jahrhunderts
zu setzen. Später finden wir sie in der Abtei der hl. Flora und Lucilla zu Arezzo. Bei Auf-
hebung der Abtei kam sie dann in die Bibliothek der IVatemitas S. Mariae. — C. Köhler,
Note snr un manuscrit de la bibliothdque d'Are2zo (Bibliotheque de T^cole des Chartes,
ann^e 1884, p. 141); F. Cabrol, Le manuscrit d' Arezzo. Berits inödits de Saint-Hilaire,
et P^lerinage d'une dame gauloise du IV® sidcle aux lieux saints, Paris 1888 (Extr. de la
Revue du monde catholique).
Ausg. Publiziert wurden die aufgefundenen Stücke des Hilaiius von J. F. Gamur-
rini, S. Hilarii Tractatus de Mysteriis et Hymni et S. Silviae Aquitanae peregrinatio ad
loca sancta; accedit Petri Diaconi liber de locis sanctis, Rom 1887 (Biblioteca dell' Acca-
demia storico-giuridica, volume quarto). Vgl. noch Gamurrini, I misteri e gl* inni di
S. Ilario vescovo di Poitiers ed una peregrinazione ai luoghi santi nel IV. secolo, scoperti
in nn antichissimo codice (Studi e documenti di storia e diritto, anno 1884, p. 81); Della
inedita peregrinazione ai luoghi santi nel IV. secolo (ebenda, anno 1885, p. 145).
Tractatus in Job war nach Hieronymus nur eine lateinische Bearbeitung des Ori-
genes; von ihm sind nur zwei Fragmente erhalten (Migne Bd. 10 Sp. 723).
Verlorene Commentare zu neutestamentlichen Briefen. Augustin. contra
dnas epist Pelagianorum (verfasst 420) 4, 4, 7 nam et sie sanctus Hilarius intellexit, quod
scriptum est^ in quo omnes peccaverunt; ait enim: In quo, id est in Adam, omnes pecca-
verunt. Deinde addidit: Manifestum in Adam omnes peccasse, quasi in massa, Ipse enim
per peccatum corruptus, omnes quos genuit, nati sunt sub peccato. Haec scribens sancfus
Hilarius sine anibiguitate commonuit, quomodo intelligendum esset, in quo otnnes peccaverunt.
Diese Worte deuten auf einen Commentar zum Rj)merbrief ; denn sie beziehen sich auf c. 5
Vs. 12 desselben. Dass hier an keinen anderen Hilarius als an den von Poitiers zu denken
ist, scheint schon der Beisatz sanctus anzudeuten. Allein da sich die entscheidenden Worte
auch in dem sog. Ambrosiaster finden, ist vielmehr zu folgern, dass Augustin den Am-
brosiaster unter dem Namen des Hilarius vor sich hatte. Die Stelle scheidet daher aus,
and es bleiben nur noch folgende Andeutungen übrig. Es führen nämlich auch Biblio-
thekskataloge auf verlorene Commentare des Hilarius zu neutestamentlichen Briefen; ein
Commentar des Hilarius zum Römerbriefe stand in einem Catalog des E^losters Bobbio
(Muratori, Antiquitates 3 p. 818). In einer jetzt im Vatican befindlichen Handschrift von
Monte Casino (A. Mai, Nova Patrum BibUotheca 1 p. 472) verzeichnet ein Catalog einen
Commentar von Hilarius in epistolas Septem catholicas. Das zweite Concil von Hispalis
erwähnt eine expositio epistolae ad Timotheum, Vgl. Pitra, Spicilegium Solesmense 1
p. XXVI.
Ob Hilarius einen Commentar zum hohen Lied geschrieben, wie Hieronymus
hOrte, lässt sich nicht mehr entscheiden.
ß) Polemische Schriften.
892. Die Denkschriften an Constantius. Der Kaiser Gonstantius
stand auf Seite der Arianer und reichte daher den arianischen Bischöfen
den weitliehen Arm. Die Lage der orthodoxen Katholiken war infolge-
dessen eine sehr gedrückte. In Gallien und in anderen Provinzen waren
zahlreiche Kleriker in die Verbannung geschickt worden. Die Arianer in
Gallien hatten ihre Gegner auch politisch zu verdächtigen gesucht, um
den Kaiser gegen sie aufzuhetzen. In dieser schweren Notlage richtete
der Bischof Hilarius im Jahre; 355 eine Bittschrift an den Kaiser, welche
leider nicht ganz unversehrt erhalten ist. Besonders am Schluss scheint
manches ausgefallen zu sein. In dieser Denkschrift tritt der Bischof von
Poitiere mutig für die verbannten Kleriker ein und bittet um ihre Zurück-
berufung; er schildert das Treiben der Arianer, deren Lehre eine neue
sei, und weist (c. 3) die gegen die Rechtgläubigen ausgestreuten politi-
schen Verdächtigungen energisch zurück; er redet der Gewissensfreiheit
262 HilariM von Poitiers. (§ 893,)
das Wort und verwirft die Einmischung der weltlichen Behörde in kirch-
liche Angelegenheiten.
Eine zweite Gelegenheit, sich mit einer Denkschrift an Constantius
zu wenden, ergab sich für Hilarius in der Zeit seiner Verbannung. Als
Exilierter hatte er, der einzige occidentalische Bischof, der Synode von
Seleucia im Jahre 359 beigewohnt. Nach Schluss derselben wurde eioe
Deputation an den kaiserlichen Hof in Gonstantinopel abgeschickt, um
über die Verhandlungen Bericht zu erstatten; dieser Deputation schloss
sich auch Hilarius an. In Gonstantinopel angekommen, erkannte Hilariüs
bald, dass die Arianer das Ohr des Kaisers hatten; auch sein heftiger
Gegner, der Metropolit Saturninus von Arles, dem er sein Exil ver-
dankte, befand sich in der Hauptstadt. Angesichts dieser fär die Ortho-
doxie höchst bedenklichen Situation fasste der verbannte Bischof den
kühnen Entschluss, schriftlich um eine Audienz bei dem Kaiser nachzu-
suchen. Diese Denkschrift ist uns glücklicherweise erhalten und legt
rühmendes Zeugnis ab nicht bloss von der Glaubensstärke ihres Verfassers,
sondern auch von der diplomatischen Gewandtheit. Er kommt zuerst auf
seine persönlichen Angelegenheiten, erwähnt sein Exil als eine unverdiente
Strafe, er streift seine Gegner, die nicht bloss ihm, sondern auch Julian
Böses zugefügt hätten, er gedenkt auch seines erbittertsten Feindes, des
Saturninus, und wünscht, denselben vor dem Kaiser seiner schlimmen
Thaten zu überführen. Nach diesen persönlichen Angelegenheiten geht
er zum eigentlichen Zweck der erbetenen Audienz über, den Kaiser an
der Hand der hl. Schrift von der Richtigkeit seines Glaubensbekenntnisses
zu überzeugen; er legt in kurzen Zügen den Kern desselben dar, betont,
dass es in dem einfachen schlichten Verständnis der Schriftworte seinen
festen Grund habe, und tadelt die von Tag zu Tag auftretenden, schrift-
lich fixierten Glaubensbekenntnisse. Mit einer flehentlichen Bitte an den
Kaiser und mit der Vorführung der wesentlichsten Punkte seines Glaubens
scbliesst das Gesuch.
In der Ueberlieferung werden die beiden Denkschriften an Constan-
tius willkürlich zu zwei Büchern vereinigt, indem das der Zeit nach frühere
als erstes, das spätere als zweites Buch gezählt wird.
Die erste Denkschrift fällt in das Jahr 355; denn c. 8 wird die Verbannung des
Eusebius als ein recens Faktum bezeichnet.
Die Zeit der zweiten Denkschrift ergibt sich ebenfalls aus c. 8, wo es heisst:
sed unum hoc ego per hanc dignationis tuae sinceram audientiam rogo, ut praesente synodo,
guae nunc de fide litigat, pauca me de Scripturis evangelicis digneris audire. Es ist damit
die Synode, welche im Januar 360 in Gonstantinopel tagte, gemeint.
Ausg. von Migne 10 Sp. 557.
893. Das Pamphlet gegen Gonstantius. Von einer Qewährung der
von Hilarius erbetenen Audienz bei dem Kaiser vernehmen wir nichts;
es ist kein Zweifel, dass sie nicht gewährt wurde. Infolgedessen wurde
das Gemüt des Aquitaners ungemein verbittert. Ende 359 oder Anfang 360
griff er wieder zur Feder, um sich in einem leidenschaftlichen Schreiben
an die Fratres zu wenden. Er fordert auf zum Kampfe, denn die Zeit
des Schweigens sei vorüber und die Zeit des Redens gekommen. Er sei
immer, soweit es nur die Sache zuliess, in dem grossen Streite versöhn-
lich gewesen, allein er spreche jetzt, um für die Sache Christi Zeugnis
von Poitien. (§ 894.) 263
abzulegen. In seiner Glaubensfreudigkeit wünscht er in der Zeit des Nero
oder Decius gelebt zu haben, um des Martyriums teilhaftig zu werden.
Den früheren Ghristenverfolgungen stellt er in scharfer Antithese die
schlaue, aber nicht minder gefährliche Verfolgung des Constantius gegen-
über. Die Darstellung erhebt sich jetzt zu einer Apostrophe an den Kaiser
selbst, dem ein langes, fast ermüdendes Sündenregister vorgehalten wird.
Alsdann erscheint der Kaiser als ein Wolf im Schafspelze; es wird seine
Gewaltthätigkeit gegen Athanasius, Paulinus, Liberius und ihre Kirchen
scharf gerügt. Es folgt die interessante Geschichte der Erlebnisse unseres
Bischofs auf der Synode von Seleucia; endlich wird der Gegenstand des
Streites berührt. Es galt, den Kaiser aus der hl. Schrift zu widerlegen ;
da auch die Arianer sich auf Schriftstellen stützten, wird hervorgehoben,
dass alles vom richtigen Verständnis der hl. Schrift abhänge. An die
dogmatische Erörterung schliessen sich wieder Angriffe gegen Constantius
an. Die fort und fort wechselnden Glaubensbekenntnisse bieten dem Ver-
fasser besonders reichlichen Stoff dar; nochmals wird dem Kaiser sein
Sündenregister gelesen. Mit einer eindrucksvollen Aufforderung, in sich
zu gehen, schliesst die leidenschaftliche Schrift.
Hieronymus berichtet, dass diese Broschüre nach dem Tode des Con-
stantius (5. Oktober 361) geschrieben worden sei. Wenn diese Ansicht
auch nach den in der Schrift enthaltenen Zeitindicien unrichtig ist, so
scheint derselben doch die Thatsache zu Grunde zu liegen, dass das
Produkt zwar zu Lebzeiten des Constantius geschrieben, aber erst nach
seinem Tode veröffentlicht wurde. Da Hilarius bald nach Abfassung der
Schrift in seine Heimat zurückkehren durfte, konnte das Ziel derselben
auch in anderer Weise erreicht werden.
Die Broschüre besteht aus 27 Kapiteln. Von fremder Hand wurden
ihr noch 6 Kapitel hinzugefügt, welche sich, genau besehen, als ein Auszug
aus dem Werk des Hilarius de trinitate darstellen.
Abfassungszeit. Die Schrift wurde geschrieben nach der Synode von Selencia
und zwar im Winter, als occidentalische Bischöfe in einer Stadt festgehalten wurden (c. 7).
Dies geschah in Rimini, Dezember 359, also ist die Schrift Ende 359 oder Anfang 360 ge-
schrieben. Damit steht im Einklang, dass seit der Verbannung der Bischöfe Paulinus, Eu-
sebius, Lucifer, Dionysius das f&nfte Jahr angetreten ist: c. 2 post sanctorum virorum exsiUa
Paulini, Etisebii, Luciferi, Dionysii, quinto abhinc anno, a Saturnini et Ursacii et Valentts
communione me cum Gallicanis episcapis separavi.
Der Ort, an dem die Broschüre geschrieben wiurde, bestimmt sich dadurch, dass
Hilarius noch im Exil verweilt (c. 2). Also schrieb er sie während seines Aufenthaltes in
Constantinopel.
Ausg. von Migne 10 Sp. 577.
894. De synodis. In manchen Handschriften wird ein Sendschreiben
des Hilarius über die Synoden dem Werk de trinitate als 13. Buch hinzu-
gefügt. Es ist dies zwar mit Unrecht geschehen, denn unsere Schrift
steht unabhängig von dem genannten Werke da, allein in dieser Hinzu-
fügung liegt doch der richtige Gedanke, dass die Schrift eine Ergänzung
zu jenem Hauptwerk des Hilarius bildet, da hier das Geschichtliche
in der Streitfrage über die Person Christi in den Vordergrund tritt. Die
Veranlassung der Schrift war folgende: Gallische Bischöfe hatten gegen
Ende des Jahres 358 ^) in Sachen des Glaubensstreites an den verbannten
^j Reinkens, Hilarius p. 174 Anm.
264 Hilarius Ton Poitieni. (§ 895.)
Hilarius geschrieben und ihn gebeten, sie über die Glaubensbekenntnisse
der Orientalen näher zu unterrichten. Dieser Aufforderung kam Uilariiis ^
mit Freuden nach; es handelte sich ja angesichts der vom Kaiser aus- j
geschriebenen Doppelsynode, welche für die Orientalen in Seleucia und f&r
die Occidentalen in Bimini stattfinden sollte, darum, den gallischen Bi-
schöfen, die unentwegt auf Seite der Orthodoxie standen, ihren Kampf
gegen den Arianismus zu erleichtem. Er richtet daher ein Schreiben an
die Bischöfe Galliens, der beiden Germanien und Britanniens, allein that-
sächlich ist der Brief für alle kirchlichen Kreise bestimmt. Nach emer
Einleitung folgt der historische Teil, welcher die cc. 10 — 63 umfasst. In
demselben werden die zweite sirmische Glaubensformel vom Jahre 357.
die zwölf Anathematismen von Ancyra (358), die antiochenische Formel
vom Jahre 341, das Bekenntnis des orientalischen Teils der Synode von
Sardica, welches zu Philippopel festgestellt wurde (343 — 344), endlich die
im Jahre 351 gegen Photinus verfasste erste sirmische Formel behandelt
Obwohl die griechisch abgefassten Glaubensformeln bereits ins Lateinische
übertragen waren, so fertigte sich doch Hilarius eigene Uebersetzungen
derselben an, da die vorhandenen in ihrer wörtlichen Fassung unbrauchbar
erschienen.^) Auf den historischen Teil folgt nach einigen allgemeinen
Betrachtungen das Spekulative. Hilarius stellt selbst (c. 64) sein Glaubens-
bekenntnis auf und erörtert die dogmatische Frage.
Auch diese Schrift lässt, wie das Hauptwerk, die eigentümliche spe-
kulative Begabung des Hilarius erkennen und hat hohes dogmengeschicht-
liches Interesse. Das Sendschreiben entbehrte eines sachlichen Titels, und in
der That kennen die guten Handschriften bloss die Uebersobrift „epistula^.
Gewöhnlich aber wird der Brief unter dem Titel „de synodis", welchen
Worten die Benediktiner noch „seu de fide Orientalium* hinzufügten, an-
geführt.
Anlass der Schrift, c. 5 quod nonnuUi ex vobis, quorum ad me patuerunt scripta
deferriy quae exhide Orientales in fidei profesaionibiis gerant et gesserunt, significari rof*is
huniilitatis meae litter Is desiderastis.
Zeit der Schrift. Aus c. 8 ergibt sich, dass Hilarius bereits Kunde von der Doppel-
s}niode, die abgehalten werden sollte, erhalten hatte, und zwar sollte diese Doppels^-node in
Ancyra und Rimini gehalten werden. An Stelle von Ancyra trat aber bald Seleucia. Die
Synode fand im Sommer 359 statt. Die Schrift wird daher in den Anfang des Jahres 350
oder Ende 358 fallen.
Ziel der Schrift, c. 7 omnes fides, quae post sanctam synodum Nicaenam direr:*h
t empor ibus et locis editae sunt, cum sententiarum omnium atque etiam^ verborum additis
per me expositionibus destitiavi.
Ausg. von Migne 10 Sp. 479.
Apologctica. Gegen das Sendschreiben de synodis hatte Lucifer von Calaris Oppo-
sition erhoben. Hilarius verteidigte sich gegen diese Vorwürfe in einer eigenen Sclirift, von
der sich aber nur Fragmente erhalten haben, bei Migne Bd. 10 Sp. 545 anter dem Titel:
Apologetica ad reprehensores libri de synodis responsa.
895. Die Schrift gegen Auxentius (Liber contra Auzentium).
Der letzte Kampf, den Hilarius gegen den Arianismus durchfocht, richtete
sich gegen den Mailänder Bischof Auxentius. Derselbe war Arianer, hatte
aber dem Kaiser Valentinian I. ein Glaubensbekenntnis übergeben, das
*) c. 9 ex yraeco in latinum ad verbum dem absoUUianem non potest ad intellegentiae
expressa translatio affert plerumque ohscuri- simplicitatem conservare,
fatem, dum ciistodita verborum coUatio eam-
Hilarius von Poitiers. (§ 896.) 265
t der orthodoxen Lehre übereinzustimmen schien. Der Kaiser schützte
her den Bischof und wies fremde Einmischung in die Angelegenheiten
r Mailänder Diözese durch ein Dekret zurück. Allein Hilarius liess sich
durch nicht von seinem Vorgehen gegen den arianischen Bischof ab-
irecken; er setzte bei dem Kaiser durch, dass in Mailand eine Synode
gehalten wurde, um die Rechtgläubigkeit des Auxentius zu untersuchen.
1 der Synode nahm auch Hilarius teil. Auxentius gab eine mündliche
klärung ab, über die ein schriftlicher Bericht an den Kaiser erstattet
irde. Späterhin formulierte Auxentius noch selbst ein schriftliches Glau-
(isbekenntnis. Dem Kaiser genügten diese Erklärungen, nicht aber dem
larius. Als er fortfuhr, den Auxentius zu bekämpfen, riss dem Kaiser
r Faden der Geduld, er wies den hartnäckigen Gegner aus Mailand
g. Hilarius gehorchte, aber er liess nicht vom Kampfe ab; er griff
* Feder und schrieb eine Broschüre, die sich allgemein an die Kirche
htet, besonders aber die Bischöfe von Italien im Auge hat. In dieser
irift erzählt der Bischof die Vorgänge, welche sich in dem Streit gegen
xentius abspielten, und sucht durch eine Kritik des von Auxentius ab-
^ebenen schriftlichen Glaubensbekenntnisses nachzuweisen, dass Auxen-
s im Herzen noch Arianer sei. Dieses Glaubensbekenntnis ist als An-
ng unserer Schrift beigegeben, und es ist interessant, die Stimme des
gners urkundlich zu vernehmen. Auch die schriftliche Fixierung des
siubensbekenntnisses, wie es Auxentius in der Mailänder Synode münd-
h abgegeben hatte, war von Hilarius nach c. 7 seiner Denkschrift bei-
geben worden. Allein dasselbe findet sich nicht mehr in unserem Texte;
enso fehlt das Dokument über die Verbaiidlijingen der Synode zu Ri-
ni, welches Auxentius seinem schriftlichen Glaubepsbekenntnis nach c. 15
igeschlossen hatte.
Die Broschüre fordert unser Interesse heraus, w^il sie über historische
)rgänge aus der Regierungszeit des Valentinian I. einen sachkundigen Be-
iht liefert; sie ist aber auch theologisch interessant, weil sie den Arianis-
is in ebenso klarer wie bündiger Weise charakterisiert; sie ist endlich
ch interessant, weil wir sehen, wie diese erbitterten Streitigkeiten in
ortklauberei auslaufen.
Die Abfassung der Schrift wird in das Jahr 364 oder 365 fallen.
Die Zeit der Schrift bestimmt sich dadurch, dass dieselbe in die Regierungszeit
lentinians I. (364 — 375) fällt. Die Verhandlmigen gegen Auxentius erfolgten femer in
Wesenheit des Valentinian in Mailand. Valentinian entfernte sich aber im November 365
a Mailand und begab sich nach Paris. Auch auf die folgenden Jahre erstreckte sich
se Abwesenheit. Die Vorgänge wie unsere Schrift müssen d^naach in die Jahre 364
3r 365 fallen. Die Angabe des Auxentius c. 13 ab ahiectis antt ann09 decem ist eine
ndzahl.
Ausg. von Migne 10 Sp. 609.
896. Die historischen Fragmente. Im Jahre 1590 fand P. Pithoeus
einer jungen Handschrift zu Paris Fragmente eines historischen Werks,
5lches dem Hilarius zugeschrieben wurde. Da er hoffte, noch auf eine
;ere Handschrift zu stossen, zögerte er mit der Herausgabe derselben
d starb, ehe er seine Absicht ausführen konnte. Die Herausgabe der
agniente übernahm Nie. Faber; er liess dieselben im Jahre 1598 er-
leinen. Später fand der Jesuit Sirmond zu Rheims ein bei weitem
266 Hilarins Ton Poitien. (§ 896.)
älteres Exemplar dieser Fragmente. Dasselbe konnten die Benediktiner
nicht mehr fiir ihre Ausgabe auffinden. Doch waren die Varianten der ]
Handschrift durch Baluze bekannt.
Im ganzen sind es 15 Fragmente, die jedoch in der üeberlieferung
in zwei Gruppen geschieden sind. Die eine Qruppe, welche die Fragmente
XI, XIII, III, Vin, IX, V, VII nach der jetzigen Ordnung umfasst, ist
anonym; dagegen die andere Gruppe, bestehend aus den Fragmenten 1,
II, IV, XII, XIV, XV, VI, X wird ausdrücklich mit Hilarius in Verbindung
gebracht, indem sowohl am Anfange als am Ende die Autorschaft des-
selben hervorgehoben wird. Die Bruchstücke sind in ungeordnetem Zu-
stand überliefert; die jetzige Ordnung rührt von den Benediktinern her.
Unter den Fragmenten befindet sich eines (No. I), welches sich deutlich
als Einleitung zu einem historischen Werke gibt. Aus demselben geht
hervor, dass der Verfasser die Geschichte der arianischen Häresie dar-
stellen will und zwar, um des genaueren darzulegen, dass es sich in der
ganzen Bewegung nicht um persönliche Angelegenheiten, sondern um eine
Fälschung des wahren Glaubens handle. Der Verfasser kündigt also ein
historisches Werk mit dogmatischer Grundlage an. Dass diese Einleitung
von Hilarius geschrieben, dafür spricht nicht bloss das äussere Kriterium
der üeberlieferung, sondern auch innere Kriterien. Sowohl der Stil ab
die angedeuteten Lebensverhältnisse passen auf keinen anderen als auf
Hilarius. Auch auf die Zeit, in der das Werk begonnen wurde, weist die
Einleitung deutlich hin; es ist dies die Zeit, in der Hilarius in Con-
stantinopel verweilte, also 359 — 360. Die übrigen 14 Fragmente tragen
einen anderen Charakter; es sind Aktenstücke, welche sich auf die Ge-
schichte des Arianismus beziehen. Dazwischen vernehmen wir aber öfters
die Stimme des Autors, der die in den Dokumenten dargestellten Ereig-
nisse miteinander verbindet oder dieselben verurteilt. Soweit diese Zu-
that des Autors einen grösseren Zusammenhang darstellt, wie z. B. in
Fragment No. H, tritt auch hier die Eigentümlichkeit des Hilarius zutage
oder spricht wenigstens nichts gegen seine Autorschaft. Wir müssen sonach
annehmen, dass alle Fragmente, welche Zwischenausführungen enthalten,
diesem historischen Werk, von dem uns die Einleitung erhalten ist, an-
gehören. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob solche Fragmente aus
der einen oder der anderen Gruppe der üeberlieferung stammen, denn
die Zusammengehörigkeit beider Gruppen ist zweifellos, i) Die Fragmente
ohne Autorzusätze müssen vorläufig als irrelevant ausser Acht bleiben.
Es fragt sich, wie die Trümmerhaftigkeit des Werks zu deuten ist. Es
bieten sich zwei Wege der Erklärung dar, entweder liegen uns Excerpte
aus einer ehemals vollständigen Schrift vor oder wir haben die Concepte
eines nicht fertig gewordenen Werks. Den ersten Weg der Erklärung
glauben wir nicht betreten zu können, denn in der ganzen Sammlung fehlt
ein sichtliches Prinzip, das der Excerptor befolgt hätte. Wollte er z. B. die
MVgl.dieBenediktinerausgabeT.2(17oO) initium ducitur, rescriptum est litt«ris Orien-
p. 475: ,est primae partis initium manifest« talium, quae in iisdem mss. partem posire-
continiiatio post^rioris: Synodi enim Pari- mam claudunt.**
eiensis epistola, a qua in mss. primae partis i
HUarias Ton Poitiers. (§ 896.) 267
Aktenstücke ausheben, so war die Aufnahme der Zwischenbemerkungen
unnötig; auch ist bei dieser Annahme verwunderlich, warum die ganze
Einleitung unverkürzt erscheint. Wir entscheiden uns daher für die zweite
Annahme und behaupten, es liegt ein unvollendetes Werk des Hi-
larius vor. Wenn man sich erinnert, dass dasselbe in Constantinopel be-
gonnen wurde, so findet man auch leicht den Qrund der Nichtvollendung
* auf; da Hilarius 360 in seine Heimat verwiesen wurde , er also den
Schauplatz der arianischen Kämpfe verliess, mochte er keinen rechten
Zweck des Buches mehr abgesehen haben. Wenn sich die Gelehrten
' darauf stützen, dass doch Hieronymus ein Werk, aus dem unsere Frag-
mente stammen, gekannt habe, so befinden sie sich in einem Irrtum; denn
gerade die unbestimmte weitschweifige Art, wie Hieronymus dieses Werk
' eitiert, weist darauf hin, dass er auch nichts anderes kannte, als die
Sammlung der Fragmente, die wir kennen. Ist diese Ansicht richtig, so
ergibt sich mit Notwendigkeit, dass nur die Fragmente, welche Zwischen-
bemerkungen enthalten, bestimmt waren, in das Werk aufgenommen zu
. werden. Von den Fragmenten dagegen, die der Zwischenbemerkungen
: entbehren, kann man nur behaupten, dass sie zu der Materialsammlung
' des Hilarius gehörten. Ob sie Hilarius wirklich auch aufgenommen hätte,
entzieht sich natürlich aller Berechnung. Eine ganz andere Frage, als
die der Zugehörigkeit der Fragmente zu dem unfertigen Werk, ist die
' nach der Echtheit der in den Fragmenten enthaltenen Aktenstücke. Diese
Frage ist eine Frage für sich. An Hilarius als Fälscher zu denken, liegt
durchaus kein Anlass vor; dagegen ist es wohl sehr leicht möglich, ja auch
sogar wahrscheinlich, dass schon zur Zeit des Hilarius von den streitenden
Parteien gefälschte Aktenstücke in Umlauf gesetzt wurden. So wird jetzt
allgemein angenommen, dass vier Briefe des Papstes Liberius auf einer
Fälschung beruhen.
Aber selbst in seiner unvollendeten Gestalt ist das historische Werk
des Hilarius von sehr grosser Bedeutung für die Qeschichte des Arianismus.
Manche Nachrichten und manche Aktenstücke verdanken wir allein diesen
Fragmenten. Es ist daher zu bedauern, dass diese Geschichte der ariani-
schen Kämpfe ein Torso geblieben.
Handschriftliches Zeugnis. Das Fragment No. I wird eingeleitet: Incipit
liber Saneti Hilarii Pictavensis provinciae Aquitaniae, in quo sunt omnia, quae ostendunt,
9€l quomodo, quibusnam causis, quibus instantibus sub Imp. Canstantio factum est Arimi-
nense ConcUium contra formellam Nicaeni tractatus, qua universae haereses comprehensae
eranU Am Schloss von Fragment No. X steht: Explicit saneti Hilarii liber ex opere
historico. Duchesne (Akten des 5. intemat. Kongresses kathol. Gelehrten, München 1901,
p. 58) fasst das Werk als eine Art , Blaubach'' auf.
Zeugnis des Hieronymus. Hieronym. de vir. ill. c. 100 liber Adversus Valentem
tt Ursctcium historiam Ariminensis et Seleuciensis synodi continens.
Methode. Fragm. 1, 7 Omnia enim sunt et separanda temporibus et distinguenda
iudiciis et secemenda personis et verborum diiudicanda virtutibus, ne forte tot epistolis,
tot synodis tune frequenter iniectis, pernicioso ante finem fastidio expleatur.
Ausgangspunkt der Schrift. Fragm. 1, 6 (Sp. 631) Incipiam ab his quae proxime
gesta sunt, id est, eo tempore quo primum in Arelatensi oppido frater et comminister meua
Paulinus ecclesiae Trevirorum episcopus eorum se perditioni simulationique non miaewUr
Charakter der Schrift Fragment 1, 4 (Sp. 630) Proferre in eomeieiUiam tf*
cam opus tento grave et multiplex, diabolica fraude perplexum^ haereticorum parU '
dissimulatione mültorum ac metu praeiudicatum, locorum, in quibua g$tia r§$ ««^
agimus, desperatione peregrinum, tempore antiquum, silentio notum^ pridim Hmt^
I
268 Hilarins Ton Poitiers. (§ 897.)
pace praeteritum, proonme impia faUacisaimarum hominum eaUiditaU renovatum; hocqtu
quo etiam in Romani imperii negotiis quiea earpitur^ rex angitur, palatium ferret, epUatfi \
circumcursant f officiales magistri volitant, adversus aposiwicos viros offieiorum omnium "
festinatione turbatur,
Ausg. von Migne 10 Sp. 627.
897. De trinitate (de fide). Im Exile schrieb Hilarius sein ans
zwölf Büchern bestehendes Hauptwerk, in dem er die Ansichten der Ari-
aner zu widerlegen sucht. Wie dasselbe betitelt war, kann nicht sicher
gesagt werden, denn die Ueberlieferung ist in diesem Punkt schwankend
und etwas unsicher. Die grösste Wahrscheinlichkeit hat der Tit^l ,de
fide" für sich; der herkömmliche Titel „de trinitate'' dagegen drückt nicht
genau den Inhalt des Werks aus; denn die Lehre vom hl. Geist ist nur
ganz rudimentär und nebenbei behandelt, der Schwerpunkt der ganzen
Untersuchung liegt vielmehr in dem Nachweis der Göttlichkeit Christi
Die Abfassungszeit der Bücher bestimmt sich durch die Dauer des Exik
welches von Anfang 356 bis Anfang 360 währte; das Werk wird also in
die Zeit von 356 — 359 fallen. Die drei ersten Bücher sind durch einen
längeren Zwischenraum von den folgenden getrennt. Auf die Gliederung
des Werks legt der Verfasser den grössten Wert; in einem Einleitungs-
buch gibt er eine ausführliche Uebersicht über die behandelte Materie
und legt genau den Inhalt der einzelnen Bücher dar. Demgemäss han-
deln die Bücher 2 und 3 im allgemeinen über die göttliche Zeugung des
Sohnes und seine Wesensgleichheit mit dem Vater. Mit dem vierten Buch
beginnt der polemische Teil, der alle Irrlehren der Arianer, soweit sie sick
auf die Gottheit Christi beziehen, aufdeckt und zu widerlegen sucht. Die
zwölf Bücher sind der Reihe nach geschrieben worden. Der sich zu-
nächst aufdrängende Gedanke, das erste Buch sei nach Vollendung der
elf anderen hinzugefügt worden, erweist sich bei genauerer Betrachtung
als unhaltbar. Hilarius hat sich von Anfang an ein bis ins einzelnste
gehende Schema der weitläufigen Untersuchung entworfen und dasselbe
genau nach der Anlage durchgeführt.
Es kann nicht unsere Aufgabe sein, das theologische System des
Hilarius im einzelnen zu entwickeln; hier können nur einige allgemeine
Andeutungen gegeben werden, welche die Stellung des Buches in der
Litteratur kennzeichnen. Vor allem ist festzuhalten, dass das Problenn,
das in der Schrift behandelt wird, für Hilarius nicht bloss eine theo-
logische Streitfrage, sondern eine Lebensfrage, eine Frage der ewigen
Seligkeit ist. Daher rührt der hohe sittliche Ernst und die Wärme, welche
das Oanze durchdringt und in dem schönen Schlussgebet einen wirksamen
Ausdruck findet. Bei dieser Stellung des Verfassers zur Frage ist ea ent-
schuldbar, wenn er in den Gegnern nicht bloss dissentierende, aondeni
auch gottlose und böse Menschen erblickt. Die von ihm entwickelte Theo-
logie ist abhängig von dem griechischen Geiste, welcher ja bekanntüdi
das spekulative Element in das Christentum eingeführt hat, allein es ge-
bricht dem Hilarius durchaus nicht an Originalität. Eine spekulative Be-
gabung ist unleugbar vorhanden. In der Benutzung der hl. Schrift schlägt
er ganz andere Wege ein, als fiiiher in der Erklärung des Evangelium
Matthaei und später in der Psalmenerklärung; das wilde Allegorisieren
miarhiB Ton Poitiers. (§ 897.) 269
*t auf, und eine mehr nüchterne Exegese tritt an seinen Platz. So hat
in die christologische Frage in selbständiger Haltung eingegriffen und
11t uns ein Glied in der Entwicklung der Lehre von der Göttlichkeit
risti dar. Es kann ihm nicht verargt werden, dass es ihm nicht ge-
gen ist, das Problem der Trinität in seiner ganzen Tiefe zu umfassen.
) Behandlung des hl. Geistes ist ja, wie schon gesagt, über einen ersten
satz nicht hinausgekommen. Die Erörterung der Trinität in ihrem vollen
ifang musste einer späteren Zeit vorbehalten bleiben. Aber auch von
i christologischen Partien zeigen manche, dass er der Schwierigkeiten
ht völlig Herr geworden, i) Auch darf nicht verschwiegen werden, dass
Darstellung nicht überall zur vollen Klarheit durchgedrungen ist und
;h das Ringen des Gedankens mit dem Ausdrucke erkennen lässt. Aber
darf auch nicht übersehen werden, dass Hilarius die grossen Schwierig-
ten der Latinisierung der griechischen Terminologie zu überwinden
te. Trotz dieser Mängel bildet das Werk eine der glänzendsten Er-
einungen in der Litteratur des arianischen Kampfes.
Der Titel der Schrift. In den ftlteren Handschriften ist der Schrift kein Titel
;egeben, in jOngeren dagegen wird dieselbe verschieden betitelt: de fide, de trinitate
de fide sanctae trinitatis adveraua Ariano», Aach die Schriftsteller variieren. Hiero-
los citiert das Werk duodecim adversum Arianos Ubri; Rnfin, Cassian und andere
-en es nnter dem Titel de fide an. Gassiodor und Fortunatus eitleren de trinitate. Die
ediktiner ziehen den Titel de trinitate vor, allein derselbe dürfte kaom anzunehmen
, da das Buch keine spekulative Begründung der ganzen Trinität enthält. Am wahr-
^inlichsten ist der Titel ^de fide", da durch denselben für die damalige Zeit genugsam
Thema, nämlich die GötÜichkeit Christi, bezeichnet wird. Auch im Gontexte 1, 16 wird
9 so gebraucht. Es kommt hinzu, dass auch Ambrosius seine Schrift gegen die Aiianer,
LTScheinlich in Nachahmung des Hilarius, ,de fide* betitelt hat. Auf das Zeugnis des
ronymus ist dagegen nicht viel zu geben, da er in der Anführung der Titel bekanntlieh
r nachlässig verfiüiren ist.
Ort und Zeit der Abfassung. 10, 4 Loquemur exsules per ho8 lihros, et
no Dei, qui vinciri non potest, liher excurret. Dass die drei ersten Bücher durch einen
;eren Zeitraum von den folgenden getrennt sind, erhellt ans 4, 1 : anteriaribua libellis,
8 tarn pridem canscripaimus Da das Kzil von 356—360 währte, ist die Mög-
keit einer längeren Unterbrechung des Werks gegeben. Die Ansicht, dass die drei ersten
;her vor dem Exil geschrieben wurden und die Unterbrechung des Werks durch die
bannung hervorgerufen wurde, ist eine Irrige, denn sie steht in Widerstreit mit der
«n Stelle; auch würde man dann eine ganz andere Fassung der zweiten, in der die
tsetzung des Werks angekündigt wird, erwarten. Wenn Erasmus die allerdings auf
ersten Anschein sehr probable Meinung aufstellt, dass das erste Buch nach den 11
hem geschrieben worden sei, so ist diese Ansicht eine irrige, denn 4, 2 und 9, 10 wird
das erste Buch hingewiesen. Auch ist nur bei dem Vorausgehen des ersten Buches
;lich, dass sich Hilarius in einer dort (1, 26) angekündigten Materie korrigiert; denn
ersetzt die Häresie Hebions durch die des Photinus (7, 3 und 7, 7).
Die Gomposition des Werks. 1, 20 Ac primum ita totius operis modum tem-
avimus, ut aptissimua legentium profectibtia eonnexarum aibi libellorum ordo succederet,
U enim ineomposUum indigestumque placuit afferre: ne operis inordinata congeries
ticum quemdam tumultum perturbata vodferatiane praeheret. Der Inhalt der einzelnen
:her ist folgender (1, 21): Post hunc primi huius sermonis libellum, sequens ita sacra-
»tum edoeet divinae generationis, ut baptizandiin Fatre et Filio et Spiritu sancto
ignorent nominum veritatem etc. 1, 22 Post hunc itaque lenem ac brevem demon-
Uae Trinitatis sermonem tertius liher, etsi sensim, tarnen jam proficienter incedit Natu
quod ultra humani sensus intelligentiam Dominiks de se professus est, quantis potest
>) Förster, Zur Theologie des Hilarius < Ghristologie hinterlässt zweifellos den Ein-
eologische Studien und Kritiken 1888 i druck eines nicht überwundenen doketischen
52): „An der Klippe des Doketismus segelt | Zugs, trotz aller Bemühungen, die vollkom-
nriua ziemlich nart vorüber, und seine 1 men menschliche Beschaffenheit festzuhalten.*
270 HilariM Ton PoiUen. (§ 898.)
potentiae exempUa ad inteUigentiae fidem coaptat, dieena: Ego inFatre, et Pater in mt:
ut quod ab homine per naturam hebetem non capUur, id fides jam rationabHi» ttcieniitt
consequatur: quia neque non credendum de se Deo est, neque opinandum est, extra ratumtm
fidei esse inteUigentiam potestatis. Mit dem vierten Bach beginnt der Kampf mit den Hitvth
kern, der fortläuft bis zum siebten Buch, und zwar werden hier die Angriffe der Hiretiket
gegen die Gottheit Christi abgewiesen. 1, 28 Oetavus liber .... tottu in unius Dei demtm-
stratione detentus est; non auferens filio Dei nativitatem, sed neque per eam duum deonm
divinitatem introducens, 1, 29 Nontts liber totus in repellendis iis, qjiMe ad infirmaniam
unigeniti Dei nativitatem ab impiis ursurpaniur, intentus est etc. Das zehnte Bach be-
zieht sich auf die richtige Deutang der Schmerzensäosserangen Christi (Matth. 26, 38; 26, 39;
27, 46; Lucas 23, 46). Es heisst (1, 31): quia expassionis genere et professiane quaedam per
stultae intelligentiae sensum ad contumeliam divinae in Domino Jesu Christo naturae ririu-
tisque rapuerunt; ea ipsa demonstranda fuerunt, et ab his impiissime intellecta esse, et t
Domino ad protestationem rerae et perfeetae in se maiestatis esse memorata. Das elfte
Buch bezieht sich auf die Interpretation der Stellen: Joann. 20, 17 and 1 Corinth.lö.27
und 28, wo von einer Unterordnung Christi anter Gott die Rede ist. Das zwölfte Bock
bezeichnet der Verfasser als die Krone des Ganzen; es handelt sich hier nftmlich dämm,
die ewige Geburt des Sohnes gegen Missdeatangen sicher zu stellen and anch den hl. Geist
in die Trinität aufzunehmen; vgl. 1, 34 ad aeternae nativitatis eomplectendam intelUgentism.
Das zweite Buch. Ein Wiener Papyrus 8. IV oder V, der mehrfach die Subscriptio:
Dulcitiiis (Freund Augustins) Aquini legebam trägt, enthält umfangreiche BruchstQcke der
ersten sechs Bücher de fide. Mit Ausnahme des zweiten Baches stimmt dieser Papjr«
mit den ältesten Handscbriften des Werks überein. In dem genannten Bach bieten die
späteren Handschriften einen überarbeiteten Text dar. Ob Hilarius selbst diese Ueber-
arbeitung vorgenommen, wie Sedlmayer, Das zweite Buch von Hilarius de trinitate in
Wiener Papyrus (Serta Harteliana, Wien 1896, p. 180) will, ist mir zweifelhaft.
Ausg. von Migne 10 Sp. 25.
Der Tractat contra Arianes. Die letzten Blätter des Wiener Papyrus enthalte«
IiVagmente eines Traktates contra Arianes. „Das Bruchstück beginnt auf Fol. 97'* mit dei
Worten tandum est, ut cum nobis inde eonvenerit .... and schliesst auf Fol. 101^ mit
.... cide, quam aequanimiter ferre debeam** (Sedlmayer p. 179). Eine Probe daraus wiw
mitgeteilt. Sedlmayer möchte den Traktat dem Hilarius selbst beilegen. , Vielleicht
war es der Entwurf zu einem grösseren Werke, das dann unausgeführt blieb, oder eine
Vorarbeit zu de trinitate, oder eine selbständige kleinere Schrift verwandten Inhalte«», dif
der Heilige um des grossen Werkes willen unterdrückte* (p. 180).
Von den polemischen Schriften ist verloren gegangen:
Ad praefectum Sallustium sive contra Dioscorum. Hieronym. epist. 70. '• i
(1 Sp. 428 Vall.) hrerl libello, quem scrlpsit contra Dioscorum medicum, quid in UtterU '
possit, ostendit. Die Schrift ist abgefasst, nachdem Julian den Sallust zum Präfekten er-
hoben hatte; vgl. Amm. Marc. 21, 8, 1 discedens inier haec Julianus a Bauracis, peracfh,
quae dociiimus dudum, SaUnsfium praefectum promotum remisif in Gallias. Weiteres über
Sallust, den Julian sich im Jahre 863 zum Collegen im Consulat erkor, bei Reinkens,
Hilarius p. 266.
898. Charakteristik des Hilarius. Jeder Kampf wirft grosse Männer
an die Oberfläche, indem er die schlummernden Kräfte erweckt. Die Wahr-
heit dieses Satzes wird uns auch bestätigt durch den heftigen arianischen
Streit, welcher gar lange Zeit die ganze Welt in Aufregung erhielt. Im
Orient taucht die hehre Gestalt des Athanasius auf, im Oecident befindet
sich in den ersten ileihen der Streitenden der Bischof von Poitiers, Hi-
larius, den man nicht mit Unrecht den Athanasius des Abendlandes ge-
nannt hat. Wie von Athanasius, so strömt auch von Hilarius die Macht
der Persönlichkeit aus. Wo er auftritt, gewinnt er einen dominierenden
Einfluss auf die Geister seiner Zeit. Mit dem Feuereifer der Ueberzeugung
tritt er für das nicaenische Glaubensbekenntnis ein, nicht aus Rechthaberei,
sondern weil er glaubte, dass die Kirche mit dem Symbolum Nicaenum
stehe oder falle. Es war kein geringer Kampf, den er durchzuführen hatte,
denn der Hof war arianisch gesinnt und sein eigener Metropolit Saturninus
Hilariofl Ton Poitiers. (§ 898.) 271
sron Arles hielt zur Häresie; aber er verzagte nicht. Seiner mächtigen
A^utorität gelang es, die gallischen Bischöfe aus den Banden des Arianis-
mus zu befreien, selbst als er durch die Intriguen seiner Qegner in die Ver-
bannung wandern musste, wurde der starke Mann nicht gebrochen. Sein
beweglicher Geist wusste auch aus dem Unglück Nutzen zu ziehen, er
vertiefte sich in die weiten Gänge der griechischen Spekulation und schuf
das glänzendste Werk seines Lebens, die zwölf Bücher über die Trinität,
in denen er den Arianismus ebenso wirksam bekämpfte, wie früher durch
seine Worte und seine Thaten. Auch im Orient wurde Hilarius eine ge-
feierte, hochangesehene Persönlichkeit. Die Bischöfe des Ostens beugten
sich unter dem Einfluss des bedeutenden Mannes. Als einziger occidenta-
lischer Bischof nahm er an der Synode zu Seleucia teil, und als eine
Deputation von dem Conzil an den Kaiser nach Constantinopel abgeschickt
¥urde, finden wir auch Hilarius in ihrem Gefolge, und sofort merken auch
iie Gegner die Anwesenheit des gefürchteten Mannes in der Hauptstadt.
3en Bemühungen der Feinde gelang es, den Hilarius aus Constantinopel
;u entfernen. Er kehrte in seine Heimat zurück; sofort entsteht wieder
leues Leben in dem Kampfe. Mit der Absetzung des Saturninus, welche
luf der Synode zu Paris beschlossen wurde, hatte Hilarius den Kampf
;egen den Arianismus siegreich beendet. Die Geschichte erkennt ihm
svillig das Verdienst zu, Frankreich für das orthodoxe Bekenntnis ge-
wronnen zu haben. Aber der Geist des Hilarius strebte über sein Vater-
land hinaus; die Idee der grossen allgemeinen Kirche hatte gewiss auch
sein Herz erfüllt, er trug den Kampf jetzt nach Italien. Mit seinem Er-
scheinen in Mailand ist er wieder Mittelpunkt der Bewegung, und wiederum
erblickten die Gegner in seiner Entfernung aus Mailand die beste Schutz-
waflfe für ihre Sache. Wir sehen, dass Hilarius eine wahre Herrscher-
natur war; diese Herrscher natur zeigt sich auch darin, dass er bei aller
Prinzipientreue sich von unfruchtbarem Starrsinn ferne hielt und den Geg-
nern gerne goldene Brücken baute. Der grosse Kirchenfürst war im Be-
sitze der gesamten Bildung seiner Zeit. Von der heidnischen Welt führte
ihn das Studium der hl. Schrift zu dem Christentum ; diese beantwortete
ihm die Frage, die ihm seine heidnischen Autoren nicht beantworten
konnten. Es gewährt hohes Interesse, diesen Entwicklungsgang, den er
uns selbst in den Büchern über die Trinität schildert, zu verfolgen.
In der Schriftauslegung steht Hilarius unter dem Banne seiner Zeit,
unter dem Druck der Allegorie. Allein diese allegorische Erklärungsweise
gibt dem Bischof Gelegenheit, die Gaben seiner reichen Phantasie zu ent-
falten. Was aber besonders merkwürdig ist, der Mann weiss auch seine
Phantasie zu zügeln und in den verschlungensten Pfaden der Dialektik
sich zurechtzufinden, üeber seine Theologie urteilen die Fachmänner in
der anerkennendsten Weise. Er weiss den Griffel zu führen und schreibt
einen originellen Stil. Das Bestreben, den Gedanken zu vertiefen, erzeugt
nicht selten Schwere und Dunkelheit des Ausdrucks, die Darstellung hat
keinen flüssigen Charakter, das Ringen des Schriftstellers mit dem Ge-
danken prägt sich deutlich aus. Sein Stil schmiegt sich aber dem Gegen-
stande an, der dargestellt werden soll; seine an den Hof gerichteten
272 HiUrins Ton Poiüers. (§ 899.)
Schreiben tragen ein anderes Colorit als sein spekulatives Werk. Nicbt
immer hält sich seine Darstellung in einer gewissen Vornehmheit; er kann,
wie die Schrift gegen den Kaiser Constantius darthut, auch im Tone eines
Pamphletisten reden. Hier und da, doch verhältnismässig selten, zeigt
der Autor, dass er auch eine Rhetorenschule besucht hat und brennt ein
Antithesenfeuerwerk ab. Doch niemals hat in seinen Schriften die Phrase
ihren Thron aufgeschlagen. Hieronymus will beobachtet haben, dass sieh
Hilarius den Quintilian zum Muster erkoren habe, allein es dürfte schwer
sein, zwischen den beiden Schriftstellern engere Beziehungen herauszu-
finden. Dagegen erinnern wir uns leicht, wenn wir die weithergeholten
und zum Teil geschraubten Einleitungen, die jeder Schrift vorausgehen,
uns ins Gedächtnis zurückrufen, an den römischen Historiker Sallust.
Hilarius als Theologe. Die fachm&niUBchen UrteUe, deren wir einige anführa.
lauten sehr günstig. Dorn er, Entwicklungsgeschichte der Lehre von der Person Christi
von den ältesten Zeiten bis auf die neueste 1 (Stuttgart 1845) p. 1037 sagt: «Hilariu
gehört zu den am schwersten verständlichen, aber auch originellsten und tiefsinnigste!
Kirchenlehrern. Seine Christologie ist eine der interessantesten ans dem christlichen Alter-
tum.'* Nitzsch, Die patristische Periode (Grundriss der christl. Dogmengeschichte, BerL
1870, p. 170): „Dieser Athanasius des Abendlandes ist nach Tertullian und tv
Augustin der originellste tiefsinnigste, am meisten spekulativ begabte and an bibliadur
Mystik genährte Dogmatiker der lateinischen Kirche. Auf dem Grande onmittelbarei
fleissigen Bibelstudiums und aufrichtig katholischer Gesinnung zeigt er sich der Traditia!
und der Hierarchie gegenüber ebenso selbständig, wie der Caesaropapie and der entschie-
denen Ketzerei gegenüber unerbittlich. Aber Anregung, Richtung und Form haben and
seinen Gedanken griechische Kirchenlehrer gegeben, vor allem Irenaeaa, Origenes xaÄ
Athanasius." Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte 2' (Freiburg 1894) p. 243 Anm. 2:
„Hilarius ist der erste Theologe des Abendlandes, der in die Geheinmisse oes Nicaemuns
eindringt, bei aller Abhängigkeit von Athanasius ein eigentümlicher Denker, der den alexan-
drinischen Bischof als Theologe übortroffen hat.*^ Ueber seine Theologie handeln Dorner
in seinem Werke „Entwicklungsgeschichte etc." (p. 1037), eine bahnbrechende rnter-
suchung; Möhler, Athanasius der Grosse und die Kirche seinerzeit, Mainz' 1844, p. 441^;
Förster, Zur Theologie des Hilarius (Theologische Studien und Kritiken 61 (1888) p. 645.<:
Baltzer, Die Theologie des hl. Hilarius von Poitiers (Progr.), Rottweil 1879; Die Christo^
logie des hl. Hilarius von Poitiers, ebenda 1889; Wirthmüller, Die Lehre des hl. Hi-
larius von Poitiers über die Selbstentäusserung Christi, Regensburg 1865; A. Beck, Die
Lehre des hl. Hilarius von Poitiers (und Tertullians) über die Entstehung der Seelen (Philos.
Jahrb. 13 (1900) p. 37). Loofs, Realencycl. für Protestant. Theol. 8» (1900) p. 57.
Ueber den Stil. De trinit. 1,38 Trihue ergo nobis verbarum significaiionem, in-
teUigentiae himefty dictorum honorem j veritatis fidem. Tract. super psalm. 13, 1 sed loquen-
tibus nobis ea quae didicimus et legimus, per sollicUudinem sermocinandi honor est red-
dendus auctori. Et ejcemplum nobis caelestis doctrinae j)raestat humani officii eomwetudo.
Si enim quis rerba regis interpreians et praecepta eixis in aurem popuH deducens curat
diligenter et caute per officii reverentiam regis satisfacere dignitati, tU cum honore ae reii-
gione omnia et relegantur et audiantur: quanto magis convenit dei eloquia ad cognitionem
humanam reiractantes dignos nos hoc officio praestare? Hieronym. epist. 58, 10 (1 Sp. 324
Vall.) Hilarius gallicano cothurno aitolUtur et cum Graeciae floribus adometur langis inter-
dum 2}eriodis involmtur et a lectione simpUciorum fratrum procül est. J. Stix, Zorn Sprach-
gebrauch des hl. Hilarius von Poitiers in seiner Schrift de trinitate, Rottweil 1891.
899. Das Fortleben des Hilarius. Die Wirksamkeit des Hilarius
war eine so tiefgehende, dass sich das Andenken an sie bis in die spä-
testen Zeiten wach erhalten hat. Wie man aus Sulpicius Severus sieht,
verknüpfte sich mit dem Namen des Hilarius der Ruhm, das ortho-
doxe Bekenntnis in Gallien wieder hergestellt zu haben, i) Bald lagerte
sich auch der Heiligenschein um die Person des Bischofs, und jetzt tritt
M Sulpicius Sev. Chron. 2, 45, 7 (p. 99 larii beneficio GalHas nostras piaculo haeresuf
Halm) illud apud omnes constitit unius Hi- \ liberatas.
miariofl Ton Pottiers. (§ 899.) 273
er in das Reich der Legende ein; das Mirakelbüchlein des Yenantius
Fortanatus belehrt uns, wie sehr auch in dieser Beziehung sein Ruhm
gestiegen war.^) Auch in seinen litterarischen Produkten hatte sich Hila-
riu8 sein Fortleben gesichert. Zwar die Gelegenheitsschriften, die er in
seinem Kampfe gegen den Aiianismus verfasste, mussten naturgemäss in
späterer Zeit in den Hintergrund treten, allein seine Bibelcommentare und
sein spekulatives Werk über die Trinität gewannen eine einschneidende
' Bedeutung für die Folgezeit. Durch die Bibelcommentare war zum ersten-
mal die allegorische Erklärung der alexandrinischen Schule in bedeut-
^ samer Weise dem Abendland vorgeführt worden. Die Allegorie blieb dann
durch das ganze Mittelalter in Uebung, beherrschte die Predigt und durch-
^ drang auch die Kunst. Das tiefsinnige Werk über die Trinität kann das
* Verdienst für sich beanspruchen, den Occident mit dem Wesen der grie-
(duschen theologischen Spekulation in glänzender Weise bekannt gemacht
^m haben; wir können nachweisen, dass es von den nachkommenden
^kirchlichen Schriftstellern gelesen wurde ;^) der Behandlung der christo-
i logischen Probleme hat es stets Fermente geliefert.') Auch das erscheint
1^ ab bedeutungsvoll, dass Hilarius zum ersten Male den Grundsatz verficht,
; dass hl. Qegenstände an und ffir sich eine würdige Form der Darstellung
* erheischen.^) Wie bei allen bedeutenden Persönlichkeiten der Glanz des
;! Namens leicht dazu verführt, ihnen fremde Produkte zuzuschieben, so ist
^es auch bei Hilarius geschehen, doch in geringem Masse; die Originalität
I» seines Stiles trat als Hindernis entgegen. Die Neuzeit urteilt, wie gesagt,
'^ Uist durchweg anerkennend über die theologische Bedeutung des Hilarius.
» Unechte Produkte siod folgende:
i 1. Abhandlangen über Matth. 1, Job. 1 and Matth.Q, 2 f.; sie warden pabliziert aas
- Vaticanns 4222 von A.Mai, Nova Patram Bibl. 1 (Rom 1852) pars 1 p. 477. Schon die
, Benediktiner (Ansg. 1 p. YII) haben aaf Grund von zwei Stellen die Autorschaft des Hilarius
. bestritten, weil die Sprache hier eine andere sei als die des Hilarius, und selbst Mai (p. 475)
> Tormag nicht die Bedenken ob der Echtheit zu unterdrücken.
b 2. Der Commentar zu den Briefen des Paulus. Pitra hat den im cod. Cor-
' beienais s. IX (jetzt in der Stadtbibliothek zu Amiens No. 88) enthaltenen Conunentar zu
f den 13 paulinischen Briefen dem Hilarius von Poitiers zugeschrieben; allein der Commentar
j irt gar kein einheitliches Werk; denn der Commentar zu den drei ersten paulinischen
f Briefen ist mit dem sog. Ambrosiaster identisch (§ 945), der zu den übrigen Briefen ist da-
, gegen die Uebersetznng eines Commentars Theodors, der Bischof von Mopsuestia 392/3—428/9
^ war; vgl. über diesen Eihn, Theodor von Mopsuestia und Junilius Afncanus als Exegeten,
f IVeib. i. Br. 1880. (Gegen die Abfassung des Ambrosiaster durch Hilarius vgl. Marold,
^ Der Ambroeiaster nach Inhalt und Ursprung, Zeitschr. für wisa. Theol. 27 (1884) p. 454.)
AIb Pitra (Spicilegium Solesmense 1 (Paris 1852) p. 49 f.) Teile dieses Commentars und
, Collationen desselben veröffentlicht hatte, erkannte J. L. Jacobi (Deutsche Zeitschr. für
^ diriatl. Wissenschaft u. christl. Leben, Augustnummer 1854), dass wir hier eine Uebersetzung
; Theodors vor ans haben, und unabhängig von ihm machte auch F. J. A. Hort (Journal of
elasaical and sacred philology 4 (1859) p. 302) die gleiche Entdeckung. Hort fand über-
[ üea eine zweite Handschrift des durch den Corbeiensis überlieferten Commentars, den Har-
; leianos 30d3 s. IX. Wie die vorhandenen Fragmente des griechischen Originals zeigen,
' acMiesst sich die Uebersetzung treu an dasselbe an (vgl. Swete p. XXXVI, p. XLl); die
t Laiinität weist auf Afrika hin (vgl. dens. p. XLI); der Verfasser scheint juristisch gebildet
m sein (vgl. ebenda) und im 6. Jahrhunderi; gelebt zu haben (vgl. p. LVUI). üeber den Wort-
^) Ueber das Gedicht des Venant. For-
tanat. 2, 15 vgl. Leo in seiner Ausg. p. 43.
*) Vgl. Migne 10 Sp. 9 no. 2. Centonen
ans demselben bei Migne 10 Sp. 883; Sp. 887.
') Förster, Theologische Studien und
Kritiken 61 (1888) p. 656: 3eine Lehre ist
für die zukünftige Entwicklung der christo-
logischen Frage nicht ohne Bedeutung ge-
blieben."
*) Vgl. oben p. 264 Anm. 1.
Haadtraoh der kltM. AltertmatwImeiiaeliAft. vm. 4. 18
274 Lueifer Ton Calaris. (§ 900.)
schätz Tgl. p. XXXVII. Die lateinische Uebersetcung kannte aach Hrabamis; aber meik-
wOrdig ist, dass in seiner Vorlage der lateinische Theodor von Mopsuestia später begina, ih
in den genannten Handschriften; vgl. Swete p. XLIX: «It is certain that in ihis Ms. the woA
of Ambrosiaster was carried on to Üie end of Uphesians, bis place being usurped hj T1ieo4«n
only in the eight foUowing epistles.'^ — Ausg. Nach den partieUen VeröffenUiehaa^
Pitras im Spicil. Solesmense und Jacobis in den Haller Programmen 1855, 1856, 1858.
1860, 1866, 1872 erschien die erste vollständige Ausgabe von H. B. Swete, TheoM
episcopi Mopsnesteni in epistolas B. Pauli commentarii; the latin Version with the greek
fragments with an introduction, notes and indices. 2 Bde., Cambridge 1880/82.
3. Eine Homilie; sie findet sich bei Fr. Liverani, Spicileginm Liberianom, FIorb
1863, p. 113.
4. Ein Brief bei Migne (Bd. 10 Sp. 783); vgl. G. Morin, Revue B^^ctme U
(1898) p. 97.
Andere unechte Produkte siehe bei Migne 10 Sp. 519; Sp. 879.
Die Ueberlieferung liegt klar gesichtet zunächst nur in dem von A. Zingerl«
beai'beiteten Psalmencommentar vor. Derselbe zog folgende Handschriften heran: eoda
rescriptus Sangallensis 722 s. VI/VIT; Veronensis XIII 11 s. VI; Vaticanus Regin. 95aX;
Parisinns 1691 s. IX/X; Turonensis s. X/XI; Coloniensis XXIX (Darmst 2025) s. IX; Panaiini
1693, olim Mazarin. s. XI; von den jüngeren: cod. Vaticanus 251 s. XIII; Vaticanus 249, 2tt
s. XV; Duacenus 220 s. XII; hinzugekommen ist noch eine Handschrift von Lyon s. VI (vgl
Zingerle in den Sitzungsberichten der Wiener Akad. Bd. 128 (1898) Abb. 10). Eine Hui
Schrift der Eapitelbibliotibek von St. Peter in Rom s. VI trägt die Subscriptio: eontuli ....
apud Casulas conatittitus anno XIV Thransamund regia (509 f.); Schriftprobe bei ZsDgt-
meister u. Wattenbach, Exempla cod. lat. Tab. 52.
Ausg. des Hilarius. Die editio princeps stammt aus dem Jahre 1510 und erscliici
zu Paris. Von den älteren Ausgaben nennen wir die Basler aus dem Jahre 1535, welclt
Er asm US besorgte; die Pariser Ausgabe des Jahres 1572 von Gillot. Epochemachcii
war die sogenannte Benediktinerausgabe, welche von Peter Consta nt (Paris 1693) k»
rflhrt Eine wertvolle Neubearbeitung dieser Benediktinerausgabe ist die Veroneser des Jalini
1730, welche dem berühmten Gelehrten Scipio Maffei verdankt wird. Ein sehr fehl»
hafter Abdruck der Veroneser Ausgabe ist die Venetianer Ausg. 1749—1750. Auf der Vcn-
noser Ausgabe ruht auch die letzte an Druckfehlem reiche Gesamtausgabe der Wnb
des Hilarius bei Migno, Patrol. lat. 9 und 10. Eine neue Ausgabe mit Benutzung aller
kritischen Hilfsmittel hat A. Zingerle in Angriff genommen; erschienen ist bis jetzt:
S. Hilarii episcopi Pietavicnsis tractatus super psalmos (Corpus Script, eccles. lat. 22. Wia
1891); vgl. dazu Wien. Stud. 8 (1886) p. 331; 11 (1889) p. 314; Kleine philol. Abb. 4 i\im
brück 1887) p. 55.
2. Lueifer von Calaris.
900. Biographisches. Zu den Männern, welche in dem Kirchen-
streite unter Constantius eine Rolle spielten, gehörte auch Lueifer, Bischof
von Calaris (Cagliari auf Sardinien). Er befand sich bei der Gesandtschaft,
welche sich im Auftrag des Papstes Liberius im Jahre 354 zum Kaiser
nach Arles begab, um die Berufung einer neuen Synode zu betreiben.
Diese Synode wurde im Jahre 355 in Mailand abgehalten. Als Legat des
Papstes erschien auch Lueifer mit dem Presbyter Pancratius und den
Diakon Hilarius. Da Lueifer sieh standhaft weigerte, Athanasius un-
gehört zu verdammen, wurde er in die Verbannung geschickt. Er hielt
sich an mehreren Orten auf; wir hören von Germanicia in Commagene
und Eleutheropolis in Palästina.^) Als das Edikt Julians erschien, welches
allen verbannten Bisehöfen die Rückkehr in ihre Diözesen gestattet«, b^
fand sieh Lueifer in der Thebais. Der sardinisehe Bischof verliess jetzt
sein Exil; auch Athanasius kehrte zurück und berief ein Conzil nacl
Alexandrien, um die kirchlichen Parteien zu einigen. Der grosse Mann
hatte wohl erkannt, dass im langen Lauf des Streites die Parteigegen-
*) Krüger p. 21.
Laoifer Ton Calaris. (§ 901.) 275
Use sich so abgemildert hatten, dass eine versöhnende und vermittelnde
»^i^a:u i^jjj Platze war. An dieser Synode nahm Lucifer nicht teil, son-
liess sich vertreten. Er selbst begab sich nach Antiochien, um die
ort bestehenden kirchlichen Wirren in seinem intransigenten Sinne zu
rdnen.^) Als die versöhnlichen Beschlüsse des Conzils zur Kenntnis Lu-
ifers kamen, brach der verbissene Zelot mit seinen bisherigen Freunden.
■r blieb nicht isoliert; es tauchte das Schisma der Luciferianer auf, welche
Ue froheren Arianer für unfähig erachtet wissen wollten, ein Kirchenamt
a bekleiden, üeber die letzten Lebensjahre, die Lucifer wiederum in
ardinien zubrachte, wissen wir nichts. Sein Tod fallt in das Jahr 370
der 371.
Zeugnisse. Hieronyin. de vir. ill. 95 lAicifer, Caralitanus episcopus cum Pancratio
\ Büario Romanae eccUsiae clericis ad Conatantium imperatorem a Liberio episcopo pro
tfe iegatus missus, cum nollet suh nomine AthancLsii Nicaenam damnare fidem, in Palae-
fimam rdegatus, mirae canstantiae et praeparati animi ad martyrium, contra Canstantium
mpmratarem Bcripsit Hbrum, eique legendum misit ae non muUo post sub Juliano principe
wwersus CaraJis, Valentiniano regnante, obiit, Hieronyin. z. J. 2386 = 370 n. Chr. (2
• 197 Seh.) Lucifer Caralitanus episcopua moritur, qui cum Gregorio epiacopo Hispaniarum
t J^iUme Libgae numquam se Arrianae miscuit pravitati; vgl. jedoch Krüger p. 56 Anm. 5.
^g). anch den Index bei Qaenther, CoUectio Avellana 2 p. 837 s. v. Lucifer.
901. Die Schriften Lucifers. Zum Verständnis der Schriftstellerei
!jncifers ist von der Thatsache auszugehen, dass seine litterarischen
Produkte sämtlich im Exil geschrieben und an den Kaiser Con-
(tantius gerichtet sind. Dadurch bestimmt sich Anlass und Ziel der
ichriften. Lucifer greift zur Feder, weil ihm durch die Verbannung
{Tosses unrecht geschehen. Er wendet sich an Constantius, weil er in
hm den Urheber des ihm widerfahrenen Unrechts sieht, und er bezweckt
ngleich, den Kaiser in der Qlaubenssache auf die rechte Bahn zu bringen.
^ir zählen die Schriften in der Ordnung auf, in der sie wahrscheinlich
kbgefasst sind.
1. De non conveniendo cum haereticis. Die Schrift, die allem
Lnscheine nach unter dem frischen Eindruck des Conzils in Mailand ver-
aast ist, wendet sich gegen den Ausgleich mit den Arianern, die als
, Söhne der Finsternis" bezeichnet werden,^) und verurteilt die Politik des
Ilaisers, der im Interesse des Friedens die Einigung der kirchlichen Par-
aien herbeif&hren wollte.^)
2. De regibus apostaticis. Constantius hatte, um sein Verfahren
n der Qlaubenssache zu rechtfertigen und dasselbe als ein gottgefälliges
^erk hinzustellen, darauf hingewiesen, dass seine Regierung doch sicht-
tch von oben gesegnet sei. Diesem Ausspruch des Kaisers tritt Lucifer
mtgegen, weist auf das Schicksal verschiedener Könige im alten Testa-
nent hin, hebt hervor, dass die Strafe nur aufgeschoben sei,^) und dringt
n Constantius, von dem Arianismus zur wahren Kirche zurückzukehren,
lamit ihm die Verzeihung Gottes zu teil werde.
Zar Entstehangsgeschichte der Schrift. Als der Ansspruch des Kaisers wird
■k Eingang angegeben (p. 85, 7): nisi catholica esset fides Arriif hoc est mea, nisi plaeitum
«) Vgl. Krüger p. 50.
«) Vgl. p. 20, 4.
') Vgl. p. 13, 18 nobis dicebas: pacem
volo fieri und p. 14, 1.
*) Vgl. p. 49, 29.
U
276 Luoifer Ton Galarüi. (§ 901.)
es»et deo quod illam persequar fidem quam contra no$ aeripserint apud Kiciam, numpmm
profecto adhuc in imperio florerem. In etwas anderer Fassnng wird der Ansspra«^ lock
mehrmals wiederholt; ygl. p. 57, 15; 59, 8; 59, 24; 61, 6; 61, 21.
Ueber das Ziel der Schrift geben Aufschluss die Worte 35, 5: paucorum VAi
in apostaaia atque crudelitate aequalium regum facta desiderati reaerare .... non iUonm
regutn facio mentionem qui a dei notUia fuerunt alieni; de his aolis tracto qui in Jud/m
noscuntur regnasse.
3. De sancto Athanasio. Der Kaiser Constantias hatte auf dem
Conzil von Mailand verlangt, Athanasius ungehört zu verurteilen. Dies
sah Lucifer als eine schreiende Ungerechtigkeit an. Um den Nachweis
dafür zu liefern, schrieb er zwei Bücher «de sancto Athanasio*. In der
massgebenden Ueberlieferung aber lautet die Ueberschrift des Werks:
„Quia absentem nemo debet iudicare nee damnare", und in der That wird
damit der Richtpunkt der ganzen, ungeheuer weitschweifigen Darstellung
bezeichnet. Viel Material liefern wieder die Bücher des alten TestameDts.
Zur Entstehungsgeschichte der Schrift Der Eingang der Schrift laata
(p. 66, 4): Cogis nos, Constanti, absentem damnare consacerdotem nostrum religiasum AÜn^
nasium; sed divina id facere prohibemur lege,
4. De non parcendo in deum delinquentibus. Wie in der
zweiten Schrift, so ist es auch hier ein Ausspruch des Constantius, der
dem Lucifer Anlass zu einem Pamphlete gibt. Der Kaiser hatte sich über
das unverschämte Verhalten des Lucifer und seine Arroganz gegen flu
misshebig ausgesprochen. Dieser wohlbegründete Tadel versetzte dei
fanatischen Bischof in die höchste Aufregung; er hielt dem Kaiser dai
Wort entgegen, dass er als Priester das Recht habe, dem Häretiker die
Wahrheit zu sagen. Er sei wahrhaftig und fürchte niemand als 6ott>)
Zur Entstehungsgeschichte der Schrift. Die Aeusserung des Kaisers gibt
Lucifer p. 212, 2 also wieder: „ego te argiw cur insolens sis, cur coniumeliasus imperaton
extiteris; et tu fidei causam retexis.^
5. Moriendum esse pro dei filio. Der Grundgedanke der Schrift
ist: wir halten fest an dem Glauben an den einzigen Sohn Gottes, auch
wenn die grössten Martern und der Tod uns treffen, denn unser wartet ein
ewiger Thron im Himmel. Wir betrachten es sogar als ein Glück, för
Christus den Tod zu erleiden. Die Grausamkeit des Constantius gegen
die orthodoxen Christen wird bis zum Ueberdruss erwähnt und ihm das
Strafgericht Gottes in Aussicht gestellt. Der Traktat ist etwas lesbarer
als die übrigen; der Grund liegt darin, dass die Bibelstellen nicht in so
erdrückendem Masse herangezogen sind. Auch darf nicht übersehen wer-
den, dass der Autor in dieser Schrift nicht selbständig ist, denn er schreibt
den pseudocyprianischen Traktat „de laude martyrii" und einige Briefe
Cyprians aus.
Quellen. Harnnck (Texte und Untersuchungen Bd. 13 Heft 4 p. 4) gibt eine
üebersicht der von Lucifer ausgeschriebenen Stellen. Aus denselben geht hervor, da»
Lucifer ein Exemplar benutzt hat, in dem der Traktat „de laude martyrii'' mitten unt^
den Briefen 6, 10, 37, 55 (vielleicht auch 58) gestanden hat, d. h. dass er ein Gypnan*
Exemplar benutzt hat, in dem die Schriften wesentlich ebenso geordnet waren, wie in den
Mo mm senschen Verzeichnis. In der Schrift kommt auch der Satz vor p. 310, 11: quou^qw
tandem ahuteris dei patientia, Constanti? Allein es wäre zuviel geschlossen, wenn nui
nach diesem Satz eine Bekanntschaft Lucifors mit den ciceronischen Schriften annehmfn
würde, da ja der zu Grunde liegende Satz Ciceros ein geflügeltes Wort darstellt.
Die Abfassungszeit der Schriften. Da das Exil Lucifers von 356-361 währt«'.
') p. 261, 16.
Luoifer Ton CalariB. (§ 902.) 277
kk der Zeitrahmen fttr dessen Schriften gegeben. Die Bestimmung der Abfassangszeit jeder
Miselnen Schrift ist mehr oder weniger hypothetisch, im Grunde genommen auch nicht
widxtig. Hartel (Archiv für lat. Lex. 3 (1886) p. 3) bestimmt die einzelnen Schriften chrono-
logiBch. Vgl. jedoch Krüger p. 102.
Acht Briefe sind der Ausg. Harteis beigegeben; von denselben stehen No. 3 — 8
im Yaticanus. Darunter sind mehrere Briefe von Lucifer.
Exhortatio ad neophytos. Ueber die von Gaspari dem Lucifer zugeschriebene
Schrift: Exhortatio S. Ambrosii episc. ad neophytos de symbolo vgl. § 906 p. 283.
903. Charakteristik. Lucifer war ein Mann von Charakter, aber
kein Mann von Geist. Er war ganz unfähig, den spitzfindigen Spekula-
tionen über das Horoousion zu folgen; was er in sich aufgenommen hatte,
war der Satz, dass Christus der eingeborene Sohn Gottes und gleichen
Wesens mit dem Vater sei. Dieser Satz bildete für ihn das Element
•eines Lebens, und wer ihn nicht teilte, galt ihm als verworfener Mensch.
Die Häresie erscheint ihm schrecklicher als das grösste Verbrechen.
Starrer Eigensinn und wilder Hass gegen anders Denkende machen das
Wesen dieses Mannes aus. Er war der Kirche nützlich, solange es galt,
der kaiserlichen Eirchenpolitik Trotz zu bieten; er erwies sich schädlich
und unnütz, als es sich darum handelte, durch weise Mässigung dem
nicaenischen Glaubensbekenntnisse zum Sieg zu verhelfen. Es ist eine
eigentümliche Lronie des Schicksals, dass der Mann, der die Häresie mit
dem grössten Abscheu verfolgte, selbst zum Schismatiker wurde. Die Eng-
herzigkeit dieses Bischofs zeigt sich auch in der ablehnenden Haltung,
welche er gegenüber der weltlichen Bildung einnimmt. Die hl. Schrift
ersetzt ihm alle Bücher; er ist sogar stolz auf seine Unkenntnis der pro-
fimen Litteratur. Auch auf die Darstellung legt er keinen Wert. Er
nimmt aus dem Volksidiom, was ihm gerade passt, mag es das gebildete
Ohr noch so beleidigen. Ein Gefühl für Schönheit und Ebenmass der
Form ist ihm gänzlich versagt. Ein solcher Mann ist nicht zum Schrift-
steller geboren; er greift nur zur Feder, wenn die Umstände ihn dazu
drängen. Lucifer ist im wesentlichen nichts anderes als ein Pamphletist.
Der Hass gegen den arianisch gesinnten Kaiser Constantius ist der Lebens-
odem seiner Schriften. Man staunt, wie es möglich war, den Herrscher
eines grossen Reiches mit solchen Schimpfworten zu belegen; man staunt
noch mehr, wenn man hört, dass der Fanatiker Sorge dafür trug, dass
seine Schmähschriften auch dem Kaiser zu Händen kamen. Wahrlich,
unsere hohe Bewunderung nimmt der Kaiser in Anspruch, der nichts an-
deres that, als dass er bei dem Bischof anfi-agen Hess, ob denn diese
Schriften wirklich ihn zum Verfasser hätten. i) Die rohe Natur Lucifers
liess sich nicht zur Umkehr bestimmen; er antwortete mit hochmütigem
Trotze.^) Die Pamphlete sind eine höchst unerfreuliche und sehr ermü-
dende Lektüre. Der Autor ist gar nicht im Stande, ein Thema zu ent-
wickeln; er stellt einen Satz hin und schleppt dann von allen Seiten aus
der Bibel Stellen herbei, welche nach seiner Ansicht zur Begründung des
aufgestellten Satzes dienen können. Dieses Heranziehen von ^
geschieht in einem Masse, dass der Leser fast erdrückt wi
') Vgl. den Brief p. 321 der Hartel- ') Vgl das 8d*
sehen Ausg. HarteL
278 ^^ Luoiferianw. (§ 903.)
das Gute, dass uns ein reicher Born der vorhieronymianischen Bibelüber^
Setzung erschlossen wird. Dass die willkürlichste Exegese mltonteriiaft,
ist leicht begreiflich. Seine Unfähigkeit, einen Qedanken auszospinnen,
nötigt ihn zu schablonenhafter Anwendung stilistischer Formen; so wird
z. B. in dem ersten Traktate die Frageform zu Tode gehetzt. Kunst-
voller Periodenbau ist diesen Produkten ganz fremd. Für den Theologen
haben diese Pamphlete nur geringes Interesse, denn ihr Autor ist in der
Theologie ein Ignorant.^) Sie konnten auch nicht in die Bewegung der
damaligen Zeit eingreifen, sie blieben eine vereinzelte Stimme in den
wogenden Kampfe. Für die Jetztzeit haben sie nur psychologisches Inter-
esse; wie in einem Spiegel geben sie uns den Charakter Lueifers, rdn
und unverfälscht.
Lacifers feindselige Stimmung gegen die weltliche Bildung, p. 306, U
nos vero, quibua ad loquehdwn natura sufficit, alieni ab omni seientia ethnicalium litten-
runtf ad omnem desiruendam haeresem valemus, quia res ipsa et veritas loqttantur, p. 306, 23
nos sumus tantum sacras scientes liiteras. noster sermo est communis, contra tester pdUttu
ornatuSf qui etiam dici mereatur disertus, p. 256, 6 probant epistolae mtae mediocrUalu
et libri rustico licet sermone descripti. p. 294, 23 quae dignus es a rusticis licet tamtn
Christianis audis. Vgl. aber Weyman, Zeitschr. für österr. Gymn. 43 (1892) p. 110.
Die Ueb erlief erung beraibt auf einem einzigen Codex, dem Vaticanas 133 8. IX^l;
von demselben besitzen aber nur die Lesarten erster Hand urkundlichen Wert.
Ausg. Die erste Ausgabe rührte von Tilius her und erschien im Jahre 1568 ib
Paris; derselben liegt der genannte Codex zu Grund; vgl. Hart eis Prolegomena p. IL
Weiter sind zu erwähnen die Ausgabe in Maxima Bibliotheca veterum pafcmm tom. 4 (Ljod
1677) p. 181 und die Ausgabe des Andreas Gallandi in dem 6. Band der Bibliotiüei
veterum patrum aus dem Jahre 1770. Es folgte im Jahre 1778 zu Venedig die Ausgabe der
Brüder Dominions und Jacob Coleti. Aus der Ausgabe der Coleti floss die Migne»
13 Sp. 692. Massgebend ist jetzt die Ausgabe von Hartel, Luciferi Calaritani opascnU
(vol. 14 des Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinonim, Wien 1886).
Litteratur. G. Krüger, Lucifer, Bischof von Calaris, u. das Schisma der Laci-
ferianer, Leipz. 1886 (das erste Kapitel erschien auch als Dissertation, Giessen 1886);
Hartel, Lucifer von Cagliari und sein Latein (Archiv für lat. Lexikographie 3 (1886) p. 1).
3. Die Luciferianer.
903. Die Schriften der Luciferianer. Nachdem das Concil von
Nicaea im Jahre 325 die rechtgläubige Formel über die Trinität fest-
gestellt hatte, wollte man denjenigen, welche sich derselben unterwerfen
und ihre Häresie abschwören würden, die Aufnahme in die allgemeine
Kirche gewähren. Bezüglich der Laien erhoben sich keine Schwierigkeiten:
dagegen war den Rigorosen die Aufnahme der ehedem häretischen Bischöfe
ein Greuel, weil ihr Abfall vom wahren Glauben nicht verziehen werden
könne. Die Bewegung knüpft sich an den Namen Lueifers, und obwohl
man nicht erweisen kann, dass dem Schisma von ihm eine greifbare Ge-
stalt gegeben worden sei, atmete die Opposition der Luciferianer doch
seinen Geist. Ueber das Schisma unterrichtet uns besonders eine Bitt-
schrift der Presbyter Faustinus und Marcellinus, in der sie im Jahre
383 oder 384 die Kaiser Valentinian, Theodosius und Arcadius um Schutz
gegen die zahlreichen Bedrückungen anflehten. Ein noch vorhandenes
^) Doch kennt er Tertulllan; vgl. Har- ' lianisches Gut henutzt, sondern auch bei der
nack, Tertullian in der Litt, der alten Kirche
(Sitzungsber. der Berl. Akad. der Wissensch.
1895 p. 551): „Lucifer hat nicht nur tertul-
Wiedergabe der orthodoxen TrinitAisIehr«
tertullianische Formeln eingemischt, ja sogar
mit dem Wortlaut des Nicaenums verbunden.*
Die Lnoiferianer. (§ 903.)
279
kaiserliches Rescript an den praefectus pra^torio Cynegius gibt den beiden
Piresbytern Recht. Der Verfasser der Bittschrift ist Faustinus, dessen
lehriftstellerische Eigentümlichkeit wir noch durch zwei Schriften kon-
trollieren können. Wahrscheinlich nachdem durch das kaiserliche Schreiben
die Rechtgläubigkeit des Faustinus anerkannt war, wandte sich die Kai-
serin Flaccilla, die, wie es scheint, arianische Neigungen hatte, an den
Presbyter, um über die Trinität authentische Belehrung zu erhalten. Wir
besitzen noch eine dritte Schrift von Faustinus; es ist ein Glaubens-
bekenntnis an den Kaiser erstattet, um sich vom Verdachte des Sabellianis-
niiis zu reinigen. Vermutlich lag dieses Qlaubensbekenntnis zeitlich vor den
beiden anderen Schriften. Aus der Bittschrift lernen wir noch den Bischof
Qregor vonElvira (bei Granada) als Luciferianer kennen ;9 allein diese
Persönlichkeit ist schwer zu fassen und die Feststellung ihrer Schriftstellerei
wehr problematisch. Am wahrscheinlichsten ist noch Gregors Autorschaft
der Schrift de trinitate sive de fide ad versus Arianes. Auch der Diakon
Hilarius von Rom, der den Lucifer zu Constantius begleitete,^) gehörte
der luciferianischen Richtung an und zwar in der extremsten Form; denn
er wollte nicht einmal die arianische Taufe gelten lassen und verfasste
zu diesem Zweck eine Schrift über die Wiedertaufe der Häretiker, welche
sich indessen nicht erhalten hat. Allein er gewann mit seiner Ansicht
keinen tieferen Boden, und mit seinem Tode war auch sie zu Grabe ge-
tragen.
Der sog. libellas precum. Derselbe steht in der collectio Avellana unter No. 2
L5 Günther) und ist durch eine Zwischenbemerkung des Redaktors irrig mit No. 1 Ver-
den; vgl. 0. Günther, Avellana-Studien (Sitzungsber. der Wiener Akad. 134 (1896) p. 9)
und dagegen Wittig, Papst Damasus I. (Rom. Quartalschr. Supplemenibd. 14 (1902) p. 55).
Aüflser der Avellana fliesst aber noch ein anderer Kanal der Ueberlieferung in anderen
Sammlungen; vgl. Günther p. 10. Hier lautet die Ueberschrift: De confeasione verae fidei
et Oittentatiane saerae communionis et persecutione adveraantium veritati. Ueber das Yer-
hUtnis der beiden Quellen handelt eingehend Günther p. 69. Zuerst publizierte die
Schrift Jacob Sirmond unter dem Titel: Marcellini et Faustini presbyterorum libellus
precum ad imperatores, nunc primum in lucem editus . . . ., Paris 1650; seit dieser Ausg.
wM das Schnftchen unter dem Titel libellus precum angeführt; vgl. auch Migne, Patrol.
Iftt. 13 Sp. 83. Gennadius de vir. ill. c. 16 scripsit (Faustinus) et librum quem Valentiniano,
TTkeodasio et Ärcadio imperataribus pro defensione suorum cum MarceUino quodam pres-
h^tero obtülit, Ueber die Zeit der Schrift (383 oder 384) vgl. Krüger, Lucifer von Calaris,
Leipz. 1886, p. 62 Anm. 2. Ueber die Ueberreichung der Schrift in Constantinopel vgl. § 6
p. 8 G. in hoc Constantinopolitana urbe. § 1 p. 5 G. deprecamur mansuetudinem vestram,
fiissimi imperatores Valentiniane Theodosi et Ar codi. § 4 p. 6 6. ostendimus non nos esse
hatreticos et tarnen quasi haereticos vehementer ädfligi, § 86 p. 30 G. et hoc ipsum neces-
farium est, ut falsi cognomenti discuiiamus invidiam, qua nos iactant esse Luciferianos.
Ueber das Schisma der Luciferianer vgL G. Krüger p. 58.
Des Faustinus Tractat de trinitate sive de fide contra Arianes. Genua-
dina de vir. ill. c. 16 Faustinus presbtfter scripsit ad personam Flaccillae reginae (f 386)
Ädversum Ärianos et Macedonianos libros Septem (Kapitel), his eos maxime Scripturarum
tesiimoHiis arguens et convincens, quibus Uli pravo sensu tUuntur ad blasphemiam. Irr-
Utaüich ist in einigen Handschriften und Ausgaben die Adressatin Galla Placidia genannt.
Die Worte et Macedonianos finden ihre Rechtfertigung durch das 7. Kapitel, in dem die
Lehre vom hL Geist gegen ketzerische Ansicht verteidigt wird. Uebor die Veranlassung
VgL die Vorrede (Sp. 37 Migne): sollicita interrogatione perquiris, quomodo capitula illa
wlvantur, quae ab Ärianis adversus Catholicos saerae legis interpretationibus opponuntur.
1) § 88 (p. 15 Günther) ad sanetum Qre-
^finriutn EHberitanae civitatis constantissimum
tpUeopum fidelis nuntius dettUit impiam Osii
praevaricationem .
') Vgl. Hieronym. de vir. ill. c. 95.
280 I>ie Iiiioiferian«r. (§ 908.)
Ueber den Inhalt des Briefes der Kaiserin vgl. ebenda (Sp. 38 M.): sed quia in his qmt
scribere dignata es ex persona h<ureticorum, vidi plurima esse confusa, ut ridereris mihi
non plenius nosse quae asserant Arianü Der Text bei Migne, Patrol. lat. 13 Sp. 37
stammt aus Gallandi, Bibl. vet. Patr. 7 p. 439. — Gegen die Ansicht Langena (De Com-
mentariorum in epistolas Paolinas qui Ambrosii et Qnaestionam biblicaram quae Augustin
nomine feruntur scriptore, Bonn 1880; G^sch. der röm. Kirche, Bonn 1881, p. 599), dai«
Faustinus der Verfasser des Ambrosiaster (und der dem Augustin beigelegten Qaaeai ex
vet. et nov. Testam.) sei, vgl. Marold, Der Ambrosiaster nach Inhalt imd Ursprung (Zeitsdir.
für wiss. Theol. 27 (1884) p. 462) und unten § 945.
Des Faustinus fides Theodosio imp. oblata. Im Eingang (13 Sp. 79 Mipei
wendet sich Faustinus gegen die nobis invidiam facientes, quad veltUi haeresim Sabeüii
tueamur. Das Schriftchen wird in die 2ieit von 379—381 gesetzt, «quo tempore Elentfaefo-
poli versabatur Faustinus, ubi et exagitatum se queiitur a Turbone illius nrbis episcopo^
(Migne Sp. 34).
Gregor von Eliberis in Bfttika. Hieronym. de vir. iU. c. 105 Gregorius, Baetkm
EHberi episcopus, usque ad extremam senectuiem diversos mediocri sermone tractatus am-
posuit et de fide elegantem Ubrum, hodieque superesse dicitur, Z. J. 2386 = 370 n. dir.
(2 p. 197 Seh.) Lucifer Caralitanus episcopus moritur, qui cum Qregorio episc. Hispaniarum
et Fiione Libyae numquam se Arrianae miscuit pravitati, üeber Gregorius vgl. G. Krfiger.
Lucifer etc. p. 76 und Garns, Die Kirchengesch. von Spanien 2, 1 (Regensb. 1864) p. 310.
der indessen mit Vorsicht zu benutzen ist. Man suchte zunfichst nach der schon dem
Hieronymus unbekannten Schrift de fide, und man glaubte, sie in der Broschüre de fide
orthodoxa contra Arianes aus dem Jahre 359 gefunden zu haben. Die Broschüre erscheint
jetzt unter den Schriften des Phoebadius (Migne, Patrol. lai 20 Sp. 81), des Vigüiu
von Thapsus (Migne 1. c. 62 Sp. 466) und des Ambrosius (Migne 17 Sp. 549). Ffir Gregor
von Eliberis sprechen sich aus Fr. Florio, De sancto Gregorio lUiberitano libelli de fide
auctore, nee non de sanctis Hilario et Hieronymo Origenis interpretibua, Bologna 1789;
Duchesne, Bulletin crit. 15 (1894) p. 181 (dagegen Krüger p. 80; Ficker, Studien si
Vigilius von Thapsus, Leipz. 1897, p. 8). Für Gregor ist auch geltend zu machen, daas
Augustin epist. 148 den Traktat unter dem Namen des Gregor von Nazianz kennt; diese
Autorschaft ist natürlich unmöglich, aber sie erklärt sich, wenn in der Ueberlieferung eis
Gregorius episcopus als Autor genannt wird, und es Ifisst sich diese handschriftliche Ueber
lieferung auch nachweisen; vgl. Morin, Revue d'histoire et de litt^rature religieuses 5 (19O0i
p. 153. Derselbe (p|tl45) will ausser de fide orthodoxa noch folgende zwei Schriften dem
Gregor zuteilen: «) Tractatus Origenis de libris ss. scripturarum; diese 20 Homi
lien stehen in zwei Handschriften, einer von Orlöans s. X und einer von St. Omer s. XII, uod
sind von P. Batiffol (Paris 1900) veröffentlicht worden. Batiffol hält sie der Ueber
lieferung entsprechend für ein Produkt des Origenes, welches von Victorinus von PetUu
lateinisch bearbeitet worden sei. Mit Recht wird diese Ansicht sowohl von Morin (p. 146
als von Weyman (Archiv für lat. Lexikographie 11 (1898—1900) p. 467; p. 545) bestritten.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass wir ein lateinisches Original vor uns haben. Weyman
will es dem Novatian zuteilen, allein der Standpunkt, den der Verfasser in der Trinitäto-
lehre einnimmt, weist auf das 4. Jalu-hundert; vgl. Morin p. 160; vgl. auch Batiffol.
Bulletin de litti^rature ecclesiast. 1900 p. 283; gegen Morin vgl. denselben p. 190. Zor
Frage vgl. noch Funk, Theol. Quartalschr. 82 (1900) p. 534; Jordan, Die Theologie der
neuentdeckten Predigten Novatians, Leipz. 1902. ß) Septem libri de trinitate. Unter
den gedruckten Werken des Vigilius von Thapsus befinden sich 12 Bücher de trinitate:
allein nur die sieben ersten bilden für sich ein abgeschlossenes Ganze, das mit den fol-
genden Büchern nichts zu thun hat; es fehlen dalier auch die charakteristischen Redens
arten der sieben ersten Bücher in den fünf letzten. In der Ueberlieferung sind sie meist
dem Athanasius zugeschrieben; auch der Name des Augustinus, des Ambrosius und des £a
sebius werden mit den Büchern in Zusammenhang gebracht.
Für die Zuteilung der drei Schriften an einen Autor führt Morin eine besonders
charakteristische Phrase an, die sich in allen drei Schriften gleichmässig findet: Tractatus
Origenis p. 96, 19 Ilieremias receptissimus prophetarum; ebenso de trinitate lib. 1 (62 Sp.242C
Migne) und de fide orthodoxa c. 7 (17 Sp. 561 D Migne). Es ergeben sich übrigens nocb
andere Aehnlichkeiten sowohl in Bezug auf die Sprache als auf den Inhalt.
Der Diakon Hilarius von Rom. Hieronym. dial. ad v.Lucif. c. 21 (23 Sp. 175 Migne)
qui (Hilarius) ne baptizatos quidein recipiat ab Arianis .... et cum iam homo mortuus sit,
cum homine pariter interiit et secta. c. 27 (Sp. 181 M.) legat et ipsius Hilarii libeJfos, quos
adversus nos de haereticis rebaptizandla edidit. Vgl. G. Krüger, Lucifer von Calaris etc.
p. 88. Gegen die Abfassung des Ambrosiaster durch unsem Hilarius, welche zuerst Bellar-
min behauptete, vgl. Marold, Der Ambrosiaster nach Inhalt und Ursprung (Zeitschr. ftir
wiss. Theol. 27 (1884) p. 461) und unten § 945.
Andere Bekämpf er des Arianiemne. (§ 904.) 281
4. Andere Bekämpfer des Arianismus.
904. Die Schrift des Phoebadius. Als Hilarius durch Constantius
nach dem Morgenland verbannt wurde, war die rechtgläubige Kirche in
Gallien ohne geistiges Haupt. Ein solches war aber um so mehr nötig,
als durch die sog. zweite sirmische Glaubensformel der Arianismus einen
starken Verstoss gemacht hatte. Da stellte sich zur rechten Zeit als Vor-
kämpfer Bischof Phoebadius von Agennum in Aquitanien ein und ver-
anstaltete eine Synode, in der die sirmische Lehre verdammt wurde. Auch
mit einer schneidigen Schrift griff er im Jahre 357 in die Bewegung ein.
Zeagnisse über Phoebadius. Hieronym. de vir. iU. 108 Phoebadius, Agenni GaU
liarum episcopus^ edidit Contra Arianes librum. Dieuntur eius et alia esse opuscula, quae
needum legi. Vivit usque hodie (892) decrepita senectuie, Salpicius Severus Chron. 2, 44,
Ip. 97 Halm constantissimus inter eos habebatur nosterFoegadius{Phoehh^uB). — J. DräsekOi
Fboebadius von Agennum und seine Schrift gegen die Arianer (Zeitschr. ftlr kirchl. Wissensch.
und kirchl. Leben 10 (1889) p. 335; p. 391).
Abfassungszeit des liber contra Arianes. Da die Schrift eine Widerlegung
der zweiten sirmischen Qlaubensformel ist, kann sie nicht lange nach dem Erlass der-
selben geschrieben sein; dies wird bestätigt durch die Worte c. 19 (Sp. 27 Migne) qui nuper
ad no8 hänc fidem egregiam miserunt; vgl. auch den Anfang der Schrift.
Unechte Schriften. Bei Migne (Patrol. lat. 20 Sp. 31) findet sich unter den
Schriften des Phoebadius ein Traktat de fide orthodoxa contra Arianos und ein libellus fidei
(Migne I.e. Sp. 49). Der erste Traktat gehört aber höchst wahrscheinlich dem Gregor
von Eliberis an; v^. § 908.
Ausg. Editio princeps von Th. Beza, Athanasii dialogi etc., Genf 1570. Andere
Ausg. sind die von Pithoeus, Paris 1586; von G. Barth, Frankfurt 1623 (ungünstig be-
urteilt von Drftseke, Zeitschr. fOr wiss. Theol. 38 (1890) p. 87); von Gallandi, Bibl.
vet. Patr. 5 (1769) p. 250; von Migne, Pairol. lat. 20 Sp. 18.
Litteratur. Hist. lit. de la France 1, 2 p. 266; J. H. Reinkens, Hilarius von
Poitiers, Scha£fhausen 1864, p. 166.
905. Altercatio Heracliani laici cum Qerminio, episcopo Sirmiensi.
Ein ungemein interessantes Denkmal aus der Zeit der arianischen Kämpfe
ist ein von Gaspari aufgefundener und publizierter Dialog, der zwischen
dem arianischen Bischof von Sirmium, Qerminius, und einem Laien, Namens
Heraclianus, in Sirmium öffentlich stattgefunden hat. Es waren nämlich
Heraclianus, Firmianus und Aurelianus wegen ihres nicaenischen Glaubens
ins Gefängnis geworfen worden. Der Bischof Germinius Hess die Ge-
fangenen zu einem öffentlichen Verhör sich vorführen; von den Gefangenen
war aber Heraclianus, obwohl Laie, in der Glaubensstreitfrage wohl be-
wandert; er trat dem Bischof kühn entgegen und brachte ihm eine Nieder-
lage bei. Diese Disputation zwischen dem Bischof und Heraclianus bat
ein Zuhörer nicaenischen Bekenntnisses wohl unmittelbar, nachdem die-
selbe stattgefunden, aufgezeichnet. Der Streit dreht sich um die Trinität
und wird auf Grund von Bibelstellen geführt. In den Streit mischen sich
aoch anwesende Kleriker ein, nämlich Theodorus und Agrippinus. Der
Verlauf des Gespräches ist hoch dramatisch; nicht bloss mit Gründen,
sondern auch mit Schlägen wird operiert. Germinius gerät gleich im
Anfang des Gespräches in Wut, und auf einen Befehl von ihm prügeln
ein Diakon und ein Lektor den Heraclianus durch; am Schlüsse wurden
die drei Nicaener sogar gezwungen, ein arianisches Glaubensbekenntnis
zu unterschreiben. Doch weiss Germinius auch mildere Seiten anzuschlggei
er erinnert den Heraclianus daran, dass er von ihm, dem Bischof,
Taufe empfangen habe, er lobt sein gutes Herz, seine gute Famil*''
282 Andere Bekftmpfer dee Arianlmiiui. (§ 906.)
als am Schlüsse der Unterredung ein Geschrei sich erhebt, die Oefangenen
dem kaiserlichen Provinzialstatthalter auszuliefern, wehrt GernuBias mit
den Worten ab: Sie wissen nicht, was sie thun! und entschuldigt sie durch
das Vorgehen der gleichgesinnten Bischöfe. 0 In der Disputation zeigt
sich der Laie den ihm gegenübertretenden Klerikern weit überlegen; ^
gerät niemals in Verlegenheit, stets schlagfertig pariert er die Einwände
der Opponenten und bringt sie zum Verstummen.
Das Schriftchen spricht die Sprache des Volkes und lässt uns einen
Blick in die damaligen Regungen des Volksgeistes thun; alles ist lebendig
und aus unmittelbarer Empfindung hervorgegangen. Interessant ist, wie die
Trinität durch das Bild vom Sonnenstrahl begreiflich gemacht werden soll.')
Das Glaubensbekenntnis des Heraclianus «ist lediglich eine wSrtb'che Re-
prodaction der christologischen Ausf&hrang Tertollians Apolog. c. 21, die hier wie eine
autoritative regula fidei produciert ist!'' (Harnack, Tertollian in der Litt der alten EircJie,
Sitzungsber. der Berl. Akad. der Wissensch. 1895 p. 551.)
U eberlief erung. Das Gespräch ist ttberliefert in einer Stuttgarter (Zwiefaltener
8. XII) und in einer Carlsruher (Reichenauer s. X) Handschrift Die Ueberachnft im Cazla-
ruher Codex lautet: AUercatio UeracUani laici cum Oertninio, episcopo Sirmiensi, de fidt
Synodi Nicaenae et Ariminensis Arianorum. Quod gestum est in civUate Sirmiana coram
omni pqpulo, Idus Janxiariae, VI feria, Gratiano et Dagälaifo consulibus = 866; v^
Clinton, Fasti Romani 1 p. 4M; im Stuttgarter lautet die Ueberschrift einfach: Altercaiü
Germinii Ariani et Heracliani cathoHci. Aufgefunden und veröffentlicht wurde die altercatio
von Caspari, Eirchenhistorische Anecdota 1 (Christiania 1883) p. 133.
90Jß. Die Schrifbstellerei des Eusebius von Vercellae. Unter die
vom Kaiser Constantius ihrer Rechtgläubigkeit wegen verfolgten Bischöfe
gehört auch der Bischof Eusebius von Vercellae, der in den Orient ver-
bannt wurde. Unter Julian konnte er aus dem Exil zurückkehren, und es
ist selbstverständlich, dass er seine Kräfte gegen den Arianismus ins Feld
stellte. Er bearbeitete den Psalmencommentar des Eusebius von Caesarea
in lateinischer Sprache; das Werk, das dem Hieronymus noch vorlag, ist
uns aber verloren gegangen. Dagegen sind zu uns herübergerettet worden
drei Briefe des Bischofs, welche sich auch auf den Glaubenskampf beziehen.
Man wollte ihm noch Anderes zuteilen, allein diese Versuche sind fehl-
geschlagen. In dem Domschatz zu Vercellae befindet sich aber eine Evan-
gelienhandschrift, welche von Eusebius' eigener Hand geschrieben sein
soll und ein wertvoller Zeuge für den vorhieronymianischen Bibeltext ist
(§ 773). Eusebius starb im Jahre 371.
Zeugnisse über Eusebius. Hieronym. de vir. ill. 96 Eusebius, natione Sardur
et ex lectore urbis Bomae Vercellensis episcopus, ob confessionem fidei a Constantio principt
Scythopolim et indc Capj)adociam relegatus, sub Juliano imperatore ad eeclesiam rerersui
edidit In Pmhnos commenfarios Eusebii CaesariensiSy quos de Graeco in Latinum vertent,
et mortmis est Valentiniano et Valente regnantibus. Epist. 61, 2 (1 Sp. 346 Vall.) sit in
culpa eiusdem confessionis Vercellensis Eusebius, qui omnium psalmorum commentarios haero
tici hominis vertu in nostrum eloquium.
Die drei Briefe des Eusebius. 1. An Constantius (Migne 12 Sp. 947). 2. Ad
presbyteros et plebem Italiae (Migne 1. c). 3. Ad Gregorium episcopom Spanensem (Migne
10 Sp. 713).
Eine Tauf rede ist veröffentlicht von C. P. Caspari, Quellen zur Gesch. des Tauf-
*) Gleich im Eingang sagt Germinius I quia solis est radius, nee separatur suh-
(p. 134): hoc Eusebius iUeexiliaticius te do- I stanfia, sed extenditur, ut lumen de lumint
cuit, et HilariuSf qui nunc ipse de exilio venit, I accensum, Manet integra, indefecta matem,
wo das ttunc sehr ungenau ist. ' etsi plures inde traduces qualitatum mutueru.
*) p. 143 cum radius ex sole porrigitur, | Ita et quod de deo profectum est, deus ett
portio ex summa est; sed sol erit i» radio, \ et dei filius, et unum ambo.
Arianer. (§907.) 288
Symbols and der GUubensregel 2 (Christiania 1869) p. 132 und wiederam in den Alten
und neaen Quellen etc., Ghristiania 1879, d. 186. Gaspari wollte die Taufrede dem Lucifer
beüegen. Allein dass sie demselben nicht gehört, kann begründet werden. Andererseits
ist es aber auch haltlos, wenn sie G. Krüger (Lucifer, Bischof von Galaris, Leipz. 1886,
p. 118) dem Eusebius zuerkennt; vgl. oben p. 277. Ein Glaubensbekenntnis de sancta trini-
tate confessio (Migne 12 Sp. 959) wurde ebenfalls aus unzureichenden Gründen dem Eu-
sebius zugeschrieben.
Der Evangeliencodex von Vercellae ist herausgegeben von J. Belsheim, Codex
Yercellensis. Quattuor evangelia ante Hieronymum latine translata ex reliquiis codicis Ver-
cellensis saeculo ut videtur IV. scripü et ex editione Iriciana principe denuo ed. J. B.,
Ghristiania 1894.
Hosius, Bischof von Corduba (f 357). Er war einer der grössten Vorkämpfer
gegen die Arianer im Abendlande; ein griechisch geschriebener Brief steht bei Athanasius
Hifltoria Arianomm c. 44 (Migne, Patrol. gr. 25 Sp. 744; Patrol. lat. 8 Sp. 1827). Ais Schriften
des Hosius lernen wir kennen: 1. De laude virginitatis, ein Brief an seine Schwester,
2. De interpretatione vestium sacerdotalium, quae suntin veteri testamento;
vgl. Isidor de vir. iU. 5 (G. v. Dziafowski, Isidor und lldefons als Litterarhistoriker,
Kirchengeschichtl. Stud. 4. Bd. 2. Heft (Münster 1898) p. 10) Ositis Corduhenais ecclesiae
HvUcUis Hispaniarum episcapua, eloquentiae inribus exercU<Uu8, acripsU ad sororem auam
de laude virginitatis epiatolam pulchro ac diaerto comptam eloquio: composuitque et aliud
op%A8 de interpretatione veatium sacerdotalium, quae sunt in veteri testamento, egregio quidem
sensu et ingenio elaboratum. Die Worte composuitque — elaboratum erachtet M. Ihm,
Beiträge zur alten Gesch. und griech.-rCm. Altertumsk., Festschr. für 0. Hirschfeld, Berl.
1903, p. 343 für interpoliert. 3. Doctrina Hosii episc. de observatione disciplinae
Dominicae. Pitra (Analecta sacra et classica pars 1 (Paris 1888) p. 117) hat aus zwei
cod. Parisini 1454 und 3842 eine Sammlung von 49 kurzen Sentenzen veröffentlicht, die
eingeleitet werden mit incipit doctrina Hosii episcopi de observatione disciplinae Dominicae
und geschlossen werden mit eocpliciunt sententiae Hosii episcopi. Es sind gewöhnliche
Lebenaregeln: Valetudinem cura, Litibus parce, Necessaria eme; sie nehmen nur selten
einen religiösen Charakter an, z. B. Modice in s<ucularibus labora. Ueber die sog. Canon es
desConcils vonSardica vgl. Isidor 1. c. in Sardicensi etiam concilio quamplurimas edidit
ipee (Hosius) sententitis; Hefele, Conciliengesch. 1' (Freib. 1878) p. 556; J. Friedrich,
Die Unechtheit der Canones von Sardica. II (Sitzungsber. der Münchener Akad. der Wissensch.
1902 p. 383).
5. Arianer.
907. Arianische Schrifbstellerei. Den Schriften der Häretiker war
ein hartes Los beschieden; nur schwer konnten sie zu den nachfolgenden
Oeschlechtern gelangen; denn da die Häresie als ein Verbrechen betrachtet
wurde, waren auch die häretischen Bücher verfehmt. In der Regel ist
68 nur ein Zufall, wenn uns häretische Schriften erhalten blieben. Auch
bei den arianischen Werken ist dies der Fall; sie sind in der christ-
lichen Litteratur nur spärlich vertreten. Der später zum Christentum
übergetretene Marius Victorinus suchte zwei in Briefform gehaltene Trak-
tate des Arianers Gandidus zu widerlegen; zum besseren Verständnis
schickt er sie seiner Widerlegung voraus, und so sind sie uns erhalten ge-
blieben. Von dem Arianer Potamius, Bischof von Lissabon, der in den
Olaubenskämpfen eine hervorragende Rolle spielte, hat sich ein schwül-
stiger Brief an Athanasius zu uns herübergerettet, in dem der Brief-
schreiber sich ganz auf den Standpunkt des Athanasius, d. h. des ortho-
doxen Bekenntnisses, stellt. Ausserdem haben wir von ihm noch zwei
Predigten, eine über Lazarus und eine über das Martyrium des Propheten
Isaias. Beide Schriftstücke leisten in der Schilderung des Or&
glaubliches und bieten als pathologische Erscheinung eir
dar. Auf dem Rand einer alten Pariser Handschrift «&
als Seitenstück zu Ambrosius de fide und den ge«
284 Arianen (§907.)
eine arianische Qegenschrift, welche einem Maximinus angehört und mh
besonders gegen Ambrosius wendet. Der Verfasser ist vielleicht identisch
mit dem aus Augustin bekannten Gothenbischof. Die Streitschrift gehdrt
wahrscheinlich in das Jahr 383 und hat zur Grundlage die Synode von
Aquileia, welche am 3. September 381 statt hatte, und in der die Arianer
Palladius und Secundianus auf Betreiben des Ambrosius verurteilt wurden.
Der Autor steht auf einem niedrigen litterarischen Standpunkt; er ist
unselbständig und nährt sich mit den damals üblichen Schlagwörtern.
Unter den Quellen, welche die Dissertatio benutzte, erregt unsere Auf-
merksamkeit am meisten das Fragment eines panegyrischen Briefes auf
Ulfila, das dessen Schüler Auxentius verfasste. Dasselbe handelt zuerst
von dem Glauben Ulfilas, um sodann auf dessen Lebensverhältnisse ein*
zugehen. Das biblische Latein strahlt uns stark aus dem Schriftstück
entgegen. Andere Ueberreste arianischer Schriftstellerei barg das Kloster
Bobbio; sie kamen wahrscheinlich dahin auf Veranlassung Columbans, der
sich die Bekämpfung der arianischen Häresie angelegen sein liess. Auf
Palimpsestblättem dieses Klosters wurden Fragmente eines Commentars
zu Lukas und dogmatisch-polemische Traktate entdeckt. Als Autor des
Commentars wurde der Gothenaj)ostel Ulfila vermutet, als Verfasser der
Traktate ein Schüler desselben, vielleicht sein Panegyriker Auxentius.
beides dürfte aber zu voreilig geschlossen sein.
Des Zusammenhangs wegen scheint es uns rätlich zu sein, auch noch
einige von Arianern herrührende Produkte anzureihen, welche nicht mehr
dem Zeitraum angehören, der in dem vorliegenden Bande behandelt ist
So hat sich eine anonyme arianische Schrift erhalten, weil sie von Seiten
Augustins, dem sie 418 vorgelegt wurde, in der Schrift contra sermonera
Arianorum eine Widerlegung fand. Den Chrysostomusausgaben wird ein
lückenhafter lateinischer Commentar zu Matthaeus beigegeben; er fuhrt
den Namen „opus imperfectum in Matthaeum" und ist das Werk eines
Arianers aus dem fünften oder sechsten Jahrhundert.
Ucbcr die Briefe des Arianers Candidus, welche den Schriften des Marias
Victor inus Do genoratione divini Verbi ad Candidum Ariannm und Adversos Ariam libri
quatuor zu Grunde liegen, vgl. § 831. Text bei Migne 8 Sp. 1013; Sp. 1035.
Zeugnisse über Potamius. Collcctio AveUana epist. 2, 32 (p. 14, 30 G.) Potamm
Odyssiponae civitatis episcopiis primum quidem fidem catholicam vindicans, postea rert>
praemio fundi fiscalis, quem habere concupiverat , fidem praevartcatus est. Epist. 2, 41
(p. 17, 21) sed et Fotamio non fuit innlia sacrae fidei praeraricatio, deniqae cum ad fundtim
properat, quem pro impia fidei suhscriptione ab imperatore meruerai impeirare, dans nom
^Joenas liwjfuae, per quam blasphemaveratf in via moritur nullos fructus fundi vtl visioiu
percipiens. -- Garns, Die Kirchengesch. von Spanien 2. Bd. 1. Abt. (Regensb. 1864) p. 315.
Epistola Potamii ad Atbanasium. Diesen Brief edierte zuerst d'Acherj.
Spicileg. 2 (1657) p. 3(36; in der neuen Ausg. tom. 3 (1723) p. 299 unter dem Titel: Epuftola
Potamii ad Afhanasiutn episcopum Alea-aftdrinum de consuhstantialitate Filii Dei. AI»
zweite Uebcrschrift wird angegeben: Epistola Potamii ad Athanasium ab Arianis {impe-
titum) postquam in concilio arimineusi subscripserunf, Text bei Migne 8 Sp. 1416.
Die Traktate des Potamius de Lazaro und de martyrio Isaiae prophetae
(Migne 8 Sp. 1411). Beide Traktate stammen augenscheinlich vom demselben Verfasser;
er nennt sich im ersten Traktat (Sp. 1414), indem er in wunderlicher Weise eine Apo-
strophe an sich selbst richtet: Age, age, PotattU, servus Dei viri: si aliquid praerales, dt
laudibus Domini vcl pauca narrato. Aus der Predigtsammlung des Zeno von Verona haben
die Brttder Ballerini die zwei Traktate ausgeschieden (Verona 1729).
Dissertatio Maximini contra Ambrosium. In dem cod. Parisinus 8907 sind
Fol. 298 — 31 r, 336—349 die Ränder von einer etwas jüngeren Hand als die, von welch«:
Arianer. (§907.) 285
der Text herrfihrt, beschrieben. Die Textschrift gehört in die erste Hälfte des 5. Jahr-
luroderts, die Randschrift in eine etwas spätere Zeit, wahrscheinlich ins 6. Jahrhundert.
Seliriftproben finden sich bei W. Wattenbach und K. Zangemeister, Exempla codicum
latinorum tab. XXII; Fr. Eauffmann im Anfang. Bezüglich der Zeit kommt Kauff mann
(p. XL) zu dem Ergebnis, dass Maximinus seine Rechtfertigungsschrift frühestens im Jahre
S82 und spätestens 384 vor dem am 10. oder 11. Dezember dieses Jahres erfolgten Tode
des Damasus verfasst haben muss. Er will sie in das zweite Semester des Jahres 888
setzen. Auf die Zeitlage deuten die Worte (P 309' p. 77 K.): haec fuU ratio, ui et ihi (in
Constantinopel) recogitarent de conciUo promisao a Theodo8io imperatore, quod Gratiamis
Imperator tarn interdixerat. Ueber die Quellen vgl. Eauffmann p. XXX VIII. Die Disser-
tatio ist durch eine Lücke in der Mitte geschädigt, so dass sich zwei fast gleich grosse Teile
ergeben. Die Autorschaft des Maximinus ergibt sich aus der öfters von fremder Hand (p. LVI)
eingeschobenen Formel Maximinus episcopus (oder episkopus) disseretis (oder interpretans)
dieit (oder dixit). Was die Persönlichkeit des Maximinus anlangt, so denkt Eauffmann
(p. LV) an den Gothenbischof Maximinus, der sich 427 mit Augustin in eine Disputation
eingelassen hatte; vgl. Augustins CoUatio cum Maximino Arianoium episcopo (Migne 42
8p. 709) und Contra Maximinum haereticum Arianorum episcopum 1. 2 (Sp. 743).
Auxenti de fide, vita et obitu Wulfilae. So betitelt Eauffmann (p. LIX) eine
epiBtula laudatoria des Auxentius über Ulfila (f 383), welche Maximinus in seiner Dissei-tatio
als Quelle benutzte und aus der er ein Fragment mitteilte. Maximinus P 304 (p. 73 E.) nam
ei ad orientem perrexisse memoratos episcopos cum Ulfila epiakopo ad comitatum Theodosi
inperatoris, epistula deela <rat Auxenti episkopi Dorostorensis (Silistria in Moesia inferior),
ibique imperatorem adisse atque eis promissum fuisse coHcUium>, Ueber die Beziehungen
des Auxentius zu Ulfila belehrt P 306' (p. 75 E.) quem (Ulfilam) condigne laudare non
sufficio et penitus tacere non audeo, cui plus omnium ego sum debitor, quantum et amplius
in me laborabit, qui me a prima aetcUe mea a parentibus meis diseipulum suscepit et saeras
litteras docuit et veritatem manifestavit et per misericordiam dei et gratiam Cristi et carna-
iiier et spiritaliter ut filium suum in fide educavit,
Litteratur. G. Waitz, Ueber das Leben und die Lehre des Ulfila, Hannover 1840;
W. B esse 11, Ueber das Leben des Ulfilas und die Bekehrung der Gothen zum Christentum,
Göttingen 1860; Fr. Eauffmann, Aus der Schule des Wulfila (Texte und Untersuchungen zur
altgerman. Religionsgesch. 1, Strassb. 1899); Saltet, Un texte nouveau: La diss. Maximini
contra Ambrosium (Bulletin de litt, eccl^iast . 2 ( 1 900) p. 118); Boehmer-Romundt, Ueber
den litterarischen Nachlass des Wulfila und seiner Schule (Zeitschr. für wiss. Theol. 1903 p. 233 ;
p. 361); Ein neues Werk des Wulfila? (Neue Jahrb. für das klass. Altert. 1903 p. 272).
Die Bobbioschen arianischen Fragmente. Aus Palimpsesten des Elosters
Bobbio hat A. Mai Fragmente eines Commentars zu Lukas und dogmatisch-polemische
Traktate veröffentlicht (Scriptorum vet. nova collectio tom. 3 pars 2 (Rom 1828) p. 191);
auch bei Migne 13 Sp. 593. Beide sind unzweifelhaft von Arianem geschrieben una stehen
auf demselben dogmatischen Standpunkt, a) Der Commentar zu Lukas. Ueber die in
den Commentar (bes. 1, 32) eingestreuten arianischen Lehren vgl. Er äfft, Progr. p. 10. Sie
stimmen mit dem Bekenntnis Ulfilas überein und Er äfft (p. 15) hält den Gothenbischof
für den Verfasser des Commentars; vgl. dagegen Bessell, Gott. gel. Anz. 1861 p. 211;
Boehmer-Romundt p. 244 (Z. f. w. Th.), der an Auxentius denkt. Ueber die Zeit des
Commentars liegen einige Indicien vor; derselbe wendet sich noch häufig gegen heidnische
Anschauungen und ermuntert zum Martyrium; vgl. zu 5, 11. Er wird daher ca. 370 ge-
schrieben sein, für welche Zeit Martyrien der Gothen bekannt sind. /9)Die dogmatisch-
polemischen Abhandlungen. Sie rtlhren möglicherweise von einem Verfasser her.
Frsgm* 1 (Sp. 595 M.) nee potuimus amplius contradicere, desiderante sanctitate tua verae fidei
conscriptam aceipere instructionem .... non sublimitate sermonis, vel eompositae orationis
verho confidentes, quorum omnino Studium non habulmus, sed ad misericordiam Domini
eonfugientes, ad cuius gloriam loqui proposuimus, Ueber die Autorschaft der Traktate vgl.
Kr äfft (p. 16): ,Stilu8 quidem aliqua parte differt ab eo, qui in commentario obvius est,
attamen cum fragmentis ulfilanis ab Auxentio conscriptis ita congruit, ut vix quisquam dubi-
tare possit, Ulfilae diseipulum sive Auxentium ipsum sive alium tractatus magistri calamo
excepisse.* Ueber die iSeit vgl. denselben p. 17: „Sed post commentarium tractatus nostros
conscriptos esse inde ratiocinamur, quia neque ullo loco ethnici mores impugnantnr neque
martynnm celebratur.' E rafft verlegt daher die Traktate in die Zeit des Theodosius. (Ueber
das arianische Glaubensbekenntnis, welches betitelt ist primus eapitulus fidei eatholicae, vgl.
denselben 1. c.) Eauffmann (p.LVII) spricht die Vermutung aus, dass Maximinns der V<^
fasser derTraktate sei; Boehmer-Romundt (p. 263 Z.f. w.Th.) denkt an PalladioB YonBß
Litteratur. E rafft. De fontibus Ulfilae arianismi ex fragm. Bobiens. ervrf*
1860; v^. dazu denselben, Die Anfänge der christl. Eirche bei den germ. Y^Blk^
1854) p. 336; Mercati, Stndi e testi 7 (1902) p. 45.
286 Amlnrosins. (§908.)
Spätere arianische Prodakte sind: 1. Quidam sermo Arianorum aine
nomine auctoris sui, voraosgeschickt der Schrift Augustins Contra sennonem AnaDonm
über onus (Migne 42 Sp. 677). Ueber die Veranlaasung vgl. Retract. 2, 52. 2. Das sog.
opus imperfectum in Matthaenm (Migne, Patrol. gr. 56 Sp. 611). Als Verfasser
vermutet Boehmer-Romnndt (Zeitschr. fOr wiss. Theol. 1903 p. 404) Maximin.
6. Ambrosius.
908. Biographisches. Ueber das Leben des Ambrosius haben wir
eine Biographie, welche sein Sekretär Paulinus auf Veranlassung Augustins
verfasste. Man sollte nun meinen, dass Paulinus uns eine treue Lebens-
geschichte seines Herrn gebe; allein der Mann schrieb sein Buch, dem
wundersüchtigen Geiste der Zeit folgend, mehr zur Erbauung als zur Be-
lehrung, und wir haben reichen Qrund, seinen Angaben oft Misstraoen
entgegenzusetzen. Unsere beste biographische Quelle sind die Schriften
des Ambrosius selbst, besonders seine Briefe, aus denen sich seine ein-
zelnen Lebenszüge klar abheben. Selbstverständlich kann unsere Bio-
graphie nur sehr skizzenhaft sein; wir müssen uns auf die Hauptdaten be-
schränken. Ambrosius entstammte einer vornehmen Familie; sein Vater
war praefectus praetorio in Qallien, und dieses Land ist die Heimat des
Kirchenlehrers. Als der Vater des Ambrosius gestorben war, zog die Witwe,
die ausser Ambrosius noch zwei Kinder Marcellina und Satyrus hatte, nacli
Rom; in dieser Stadt erhielt Ambrosius vorzugsweise seine Ausbildung.
Wie sein Vater betrat auch er die Beamtenlaufbahn. Sein rednerisches
Talent brachte ihn rasch vorwärts; noch in jungen Jahren wurde er Con-
sular von Aemilien und Ligurien mit dem Sitz in Mailand. Damit erhielt
er die Stätte für eine Wirksamkeit, welche der Weltgeschichte angehören
sollte. In seiner amtlichen Stellung zeichnete sich nämlich Ambrosius
derart aus, dass nach dem Tode des Bischofs Auxentius ihn die Arianer
wie die Katholiken im Jahre 374 auf den Bischofsstuhl erhoben. Die
Wahl erfolgte ganz wider seinen Willen und seine Erwartung. Nachdem
er aber einmal das geistliche Amt übernommen hatte, lebte er ganz seinem
hohen Beruf. Von der Wahrheit des Nicaenums vollständig überzeugt,
erachtete er es als seine erste Pflicht, mit den Irrlehren aufzuräumen.
Zunächst erfolgte ein wuchtiger Schlag gegen die Arianer auf dem Concil
zu Aquileia (381), dessen Seele der Mailänder Bischof war; alsdann trat
er mit zäher Willenskraft den Anstrengungen der nationalen Partei ent-
gegen, welche den alten Kultus regenerieren und wieder den Altar der
Viktoria in der Kurie aufgestellt wissen wollte. Nach Gratians Tod (Au-
gust 383) trat Ambrosius auch politisch in den Vordergrund, da er mit
zwei Missionen an den Empörer Maximus betraut wurde. Sie gaben ihm
Gelegenheit, Proben seiner praktischen Klugheit abzulegen. In eine
schwierige Situation kam der Bischof, als die arianisch gesinnte Kaiserin
Justina den Arianern für ihren Kultus eine mailänder Kirche eingeräumt
haben wollte. Ambrosius setzte diesem Verlangen starren Widerstand ent-
gegen; zwei Jahre, 385 und 386, dauerten diese Kämpfe, Ambrosius ging
siegreich aus denselben hervor. Als der Streit ausgeglichen war, bahnten
sich wieder freundschaftliche Beziehungen zwischen Ambrosius und dem
Hofe an, und der Kirchenfürst war dem jungen Valentinian in dessen
letzten Lebensjahren ein treuer Berater und Besdhützer. Den Gipfel der
AmbroBiu«. (§ 908.) 287
bischöflichen Macht erreichte Ambrosius, als er es wagte, im Interesse
der Kirche und der Humanität mit dem grossen Theodosius den Kampf
zu eröfifnen. Der ferne Osten gab den ersten Anlass. In Kallinikum, einer
Handelsstadt am Euphrat in der Provinz Osroene, hatten fanatische Chri-
sten, die von Juden insultiert worden waren, die Synagoge zerstört (388);
gegen diese Qewaltthat schritt der Kaiser in der Weise ein, dass er die
Unruhestifter verurteilte, die Synagoge wieder aufzubauen; auch der Bi-
schof, der wahrscheinlich die Rolle des Anstifters gespielt hatte, wurde
zu den Kosten des Wiederaufbaues herangezogen. Dass Katholiken und
noch dazu ein Bischof den ungläubigen Juden eine Synagoge erbauen
sollten, war für Ambrosius ein unerträglicher Qedanke; er wandte sich
an den Kaiser und ruhte nicht, bis dieser das Dekret zurücknahm. Ist
das Verfahren des Bischofs nur von kirchlichem Interesse geleitet und
daher nicht ganz einwandfrei, so liegt das Becht in dem zweiten Fall
ganz auf seiner Seite. In einem Aufruhr, der zu Thessalonich wegen einer
geringfügigen Sache entstand (390), waren römische Beamte grausam hin-
gemordet worden; diese schreckliche That forderte eine ernste Sühne;
allein Theodosius vollzog sie in unmenschlicher Weise derart, dass er auf
die in dem Cirkus versammelte Menge unterschiedslos einhauen liess, wo-
durch eine grosse Masse von Menschen ums Leben kam. Die Ungerechtig-
keit des Kaisers war hier so gross, dass ihn der Kirchenfttrst in einem
Briefe zur öffentlichen Busse auffordern konnte; und der mächtige Kaiser
musste, um nicht der Kirchengemeinschaft verlustig zu gehen, sich dieser
Busse unterwerfen. Für Ambrosius kamen nach diesen aufreibenden Kämpfen
ruhigere Jahre; doch lähmte auch das herannahende Alter nicht seine
Berufstreue und seine Wachsamkeit für die Kirche. Er starb am 4. April 397.
Biographische Quelleo. Die Vita Ambrosii von Paulinns ist abgedruckt bei
*Migne 14 Sp. 27; Ballerini 6 Sp. 885. Eine alte griechische üebersetzung findet sich
bei A. Papadopulos-Keramens, 'JydXexra leQoaoXvfÄttixfjg maxvoXoyiag 1 (St. Petersb.
1891) p. 27. Eme handschriftliche Vita ist Yon den Benediktinern mitgeteilt (Migne 1. c.
Sp. 4^); die Benediktiner selbst haben eine chronologische Vita vorwiegend ans den Schriften
des Ambrosins zosammengestellt (Migne Sp. 65).
Biographische Zeugnisse, a) Das Geburtsjahr wird bestimmt aus epist. 59» 4
cum annutn tertium et quinquagesimum tarn perduxerim und § 8 nos aiitem ohieeti bar-
harieis moiibus et bellorum procellis in medio versamur omnium molestiarum freto. Je
nachdem man die letzte Stelle auf die Unruhen des Maziraus 887/888 oder auf die des
Engenius 898/894 bezieht, ergibt sich als Geburtsjahr circa 383 oder circa 340. Für 840
entscheiden sich Foerster, Ambrosius p. 19 Anm. 2 und Ihm, Studia Ambrosiana p. 55,
f5r das Jahr 383 oder 884 Rauschen, Jahrb. der christl. Kirche p. 273 Anm. 7. Eine
sichere Entscheidung ist nicht möglich, ß) Geburtsort Paulinus, Vita Ambrosii 8 posito
in administratione praefecturae Galliarum patre eins ÄmhrosiOy natus est Ambrosius. Da
der Vater praefectus praetorio in Gallien war, nimmt man Trier als Geburtsort des Am-
brofiias an. y) Erziehung in Rom. Paulinus 4 cum adolemsset et esset in urbe Roma
eoftstitutus cum matre vidua et sorore, quae virginitatem iam fuerat professa .... edoctus
liberalibus disciplinis ex urbe egressus est, cf) Amtliche Laufbahn. Paulinns 5 pro-
fessus in auditorio praefecturae praetorii ita splendide causas peroravit, ut eligereiur a
riro illustri Probe, tune praefecto praetorii, ad consilium tribuendum, post haec consulari-
tcUis suscepit insignia, ut regeret Liguriam AemUiamque provincias venitque Mediolanum.
b) Seine Wahl zum Bischof berührt er de officiis 1, 1, 4 ego raptus de tribunalibus atque
administrationis infulis ad sacerdotium. Nach Paulinus 8 erfolgto die Wahl vor dem Tode
Valentinians I., d. h. vor dem 17. November 375; da als Tag der Weihe stets der 7. Dezember
gefeiert wurde, kann die Bischofswahl nicht in das Jahr 875 fallen, sondern muss minde-
stens um ein Jahr zurückverlegt werden. Für das Jahr 374 zeugt Theophanes Chronogr.
p. 60, 28 Boor ; unrichtig Hieronym. z. J. 2390 = 378 n. Chr. (2 p. 198 Seh.) post Auxenti seram
288 Ambrosins. (§ 909.)
mortem, Mediolanii Ambrosio episeapo conHUuto, omnia ad fidem reetam Italia ronttrtUw.
C) üeber das Concil von Aqaileia (381) y^. besonders epist 9 — 12. fj) Ueber dai
Eingreifen des Ambrosius in das Papstschisma (Damasos and ürsinns) vgL epist 11.
&) üeber das Vorgehen des Ambrosius gegen die heidnische Partei, basonden
Symmachus, in der Frage des Altars der Viktoria, vgl. epist. 17, 18, 57; de obita Valen-
tiniani 19; H. Richter, Das weström. Reich, BerL 1865, p. 587 und oben § 819. i) Ueber
die Mission des Ambrosins an Maximas vgl. epist. 24. Es handelt sich am xwei
Reisen; die erste fand im Winter 888/384 statt; die Zeit der zweiten, welche die A»
lieferung der Leiche Gratians zum Zwecke hatte, ist strittig; gewöhnlich wird sie m d«
Jahr 886 oder 387 gesetzt; Rauschen (Jahrb. der christl. Kirche etc. p. 487) setzt nt
aber richtig 384/885 an. x) üeber die zwei Angriffe der Kaiserin Jnstina auf
Ambrosius wegen Gewährung einer Kirche f&r den arianischen Koltos vgl. epist. 20, 21 lod
den sermo contra Auxentium. Der erste fand statt 385. Die chronologiBche Fixierung 6»
zweiten Angriffs bietet Schwierigkeiten dar; vgl. Rauschen (I.e. p. 489), der Ihn insJik
386 verlegt. Ueber die Vorgänge vgl. auch Richter p. 603. A) Ueber das Ereignis
inKallinikum (388) vgl. epist. 40 und 41; in dem letzteren Brief heisst es za Anfang: am
relatum esset synagogam Judaeorum incensam a christianis, auctore episeapo, et VcUentink-
norum conventiculum, iussum erat, me Aquileiae posito, ut synagoga ab episeopo reaedif-
caretur et in monachos vindtcareturj qui incendissent aedificium Valentinianorutn. tum ep,
cum saepius agendo parum proficerem, epistolam dedi imperatori, quam simul miai, §jl) Ueber
das Ereignis von Thessalonich (390) vgl. epist. 51; de obitu Theodos. 34. üeber des
Bericht des Paulinus (24) und Theodoret vgl. die kritische ErOrtemng bei Foerster, An-
brosius p. 67. Gegen den Bericht Theodorets (Hist. eccles. 5, 17) vgl. Rsnschen p. 320;
Van Ortroy in den Ambrosiana; dagegen de Broglie in s. Monographie, y) Ueber die
letzten Beziehungen des Ambrosius zu Valentinian, der 392 von Arbogast er-
mordet wurde, vgl. epist. 53; de obitu Valentiniani 25; Paulinus 80. I) Ueber Engen and
Ambrosius vgl. epist. 57; Paulinus 31; vgl. auch epist. 62 und 61. o) Ueber den Tod
des Ambrosius (4. April 397) vgl. Paulinus Z2 post cuius (Theodosii) obUum (17. Janur
395) fere triennium supervixit; vgl. noch die Benediktiner (Migne 14 Sp. 112). Vgl. snd)
die fasti Ambrosiani bei Ihm, Stndia Ambrosiana p. 4.
Allgemeine Litteratur über Ambrosius. Tillemont, M^. 10 (1705) p. 78:
p. 729; A. Duc de Broglie, L'öglise et Tempire romain au IV^ si^le 6 Bde., Paris 1856
—1866; E. Bernard, De S. Ambrosii Mediolanensis episc. vita publica, Paris 1864; A. Ban-
nard, Histoire de St. Ambroise, Paris 1871; Paris' 1899; ins Deutsche übers, von J. Biitl.
Freib. i. Br. 1878; ins Italienische von G. Scurati, Mailand 1873; C. Locatelli, Vita di
S. Ambrogio, Mailand 1875; Fr. Boehringer, Die Kirche Christi und ihre Zeugen oder die
Kirchengesch. in Biographien Bd. 10: Ambrosius, Erzbischof von Mailand, 2. Ausg., Stutt-
gart 1877; Tb. Foerster, Ambrosius, Bischof von Mailand. Eine Darstellung seines Lebem*
und Wirkens, Halle a/S. 1884; vgl. auch dessen Artikel in Haucks Realencycl. für Pro-
testant. Theol. und Kirche 1' p. 443; M. Ihm, Studia Ambrosiana (Fleckeis. Jahrb. Supple-
mentbd. 17 (1890) p. 1); das Jubiläumswerk Ambrosiana, scritti varii pubblicaU nel XV cen-
tenario dclla morte di S. Ambrogio, Mailand 1897; A. Amati, S. Ambrogio. Genealogia.
cronologia, carattcre e genesi delle idce in den Rend. des R. Ist. Lomb. Scienze e Lettere
S. 2, vol. 60 (1897) p. Sil; Detti e atti di S. Ambrogio relativi alla chiesa pura libera ed
una (ebenda p. 588); Nuovi studi su S. Ambrogio; la proprieta; il diritto pensle (ebendi
p. 764; p. 892); C. Ramoussi, S. Ambrogio, Mailand 1897; A. Duc de Broglie, St. Am-
broise (340— 397), Paris 1899; Paris* 1901; Jülicher, Pauly-Wissowas Realencycl. 1 Sp.l8r2.
Vgl. auch A. Ebert, Allgem. Gesch. der Litt, des Mittelalters V (Leipz. 1889) p. 143.
IMM). Die Schriftstellerei des Ambrosius. Es muss scharf im Auge
behalten werden, dass die Schriftstellerei des Ambrosius im engsten Zu-
sammenhang mit seiner praktischen VS^irksamkeit steht und gleichsam
einen Niederschlag derselben bildet. Seine Hymnen verfolgen den Zweck,
den katholischen Gottesdienst zu heben und dadurch den arianischen Con-
ventikeln Abbruch zu thun. Seine prosaischen Schriften sind zu einem
sehr grossen Teil aus Predigten erwachsen; sie haben die Bestimmung,
das gesprochene Wort in weitere Kreise zu bringen, üeber die äussere
Herstellung seiner Bücher äussert sich Ambrosius in einem Briefe: nach
demselben pflegte er sie entweder zu diktieren oder auch mit eigener
Hand zu schreiben. Der letzte Modus war ihm bequemer, weil er seine
Worte genauer überlegen und sich mehr gehen lassen konnte; auch hu-
Ambrosiu^- (§ 909.) 289
nanitäre Rücksichten Hess er hier obwalten: so diktierte er nicht gern
aachts, weil er anderen die Nachtruhe nicht rauben wollte. Schrieb er
dt^was selbst, so wurden Abkürzungen nicht vermieden; auch die Kalli-
Sraphie wurde dabei nicht in Rechnung gezogen. Sollte daher ein von
ilim geschriebenes Buch einem Freunde übergeben werden, so war die
Qmsetzung in deutlichere und klarere Schrift notwendig. Als Ambrosius
Bin berühmter Eanzelredner geworden war, konnte es auch vorkommen,
dass seine Vorträge nachstenographiert wurden und dann in dieser Form
in die Oeffentlichkeit gelangten. Dass Ambrosius ein Werk vor der Heraus-
gabe auch einem Freunde vorlegte, um dessen Verbesserungen noch dem-
selben zugute kommen zu lassen, wird in einem Fall ausdrücklich be-
liebtet; der Bischof von Placentia, Sabinus, scheint der Vertrauensmann
des Ambrosius in litterarischen Dingen gewesen zu sein. Bei dieser Durch-
siebt kam es dem Ambrosius besonders darauf an, dass der Ausdruck für
dogmatische Begriffe scharf und bestimmt gewählt werde, um dem Oegner
keine Waffe in die Hände zu liefern.
Die Schriften des Ambrosius reichen von etwa 377 bis zu seinem Todes-
jabr (397) ; ^) die chronologischen Indicien der Briefe lassen sich verfolgen
von 379 — 396. Bei der Besprechung der Werke ist die chronologische
Anordnung nicht durchführbar, da manche zeitlich nicht sicher fixiert
werden können. Wir führen daher die Schriften nach dem Inhalt in Gruppen
vor und unterscheiden demgemäss a) exegetische, ß) moralisch-aske-
tische, y) dogmatische Schriften, i) Reden und Briefe; anhangs-
weise werden wir unter e) zwei Werke behandeln, die mit Unrecht dem
Ambrosius beigelegt wurden, nämlich den Ambrosiaster und die Lex
Dei sive Mosaicarum et Romanarum legum collatio. Unter den
exegetischen Schriften nehmen das Exameron, unter den moralisch-
asketischen de officiis ministrorum, unter den dogmatischen de fide die
erste Stelle ein. Die Hymnen des Ambrosius haben wir im Zusammen-
hang mit der übrigen christlichen Poesie erörtert (p. 206); auch die dem
Ambrosius wahrscheinlich angehörende Uebersetzung von Josephus'
Indischem Krieg wagten wir nicht von den übrigen Historikern loszu-
lösen (p. 100).
Aeassere Herstellung der Schriften. Epist. 47, 1 transmisi petitum codicem
Weripium apertius atqui enodatius, quam ea scriptura est, qtuim dudum direxi, ut legendi
faeilitate nullum iudicio tuo afferatur impedimentum. nam exemplaris Über non ad speciem,
wed ad necessitatem seripttts est; non enim dietamus omnia, et maxime noctibus, quibus
moiumus aliis graves esse ac molesti; tum quia ea quae dictantur, impetu quodam praruunt
H profluo cursu feruntur. nobis autem quibus curae est senilem sermonem familiari usu
md unguem distinguere et lento quodam figere gradu, aptius videtur propriam manum nostro
afjfigere stUo, ut non tam deflare aliquid videamur, quam abscondere: neque aUerum scri-
hemtem erubeseamus, sed ipsi nobis conscii sine ullo arbitrio, non solum auribus, sed etiam
oculis ea ponderemus, quae seribimus, Paulintis, Vita Ambroeii 38 (14 Sp. 40 Migne) nee operam
deelinabat seribendi propria manu libros, nisi cum aliqua infirmitate corpus eius attineretur.
Der Beurteiler der ambrosianischen Schriften Sabinus. Epist 48» 1 rfml-
•Mi mihi libeUos, quos tuo iudicio probatiores habtbo. ideo miai aiios ntm imiMi Ahmm
d^eetatus, sed pr amissa a te et petita a me veritate iüectus: mala m^*^
iudicio, si quid movet, priusquam foras prodeat, unde iam revooemäi
«
^) Zu den frühesten Schriften gehören I welche er aber nkU a
de Tirginibus und de paradiso; die letzte Rauschen p. 595.
Schrift ist die Erklftrung des 43. Psalms,
HAndlnich der klMi. Altortumiwlaaenacliaft. VIII, 4.
290 Ambrosiiui. (§910.)
quam laudari a te, quod ab aliis reprehendatur .... nescio quo enim modo praeter impn.
dentiae caliginem, quae me circumfundit, unumquemque faUuni eua scripta et aurem pnt-
tereunt incautius plerumque aliquid promitur, aliquid accipUur nutlevoUntiue, aliqmi
exit ambiguum .... notam appone ad verbum dtdni panderia et faüacis staterae, ne qmi
pro se esse adversarius interpretetur. Sabinus ist waluscheinlich der Bischof von Plaeentii;
denn in manchen Handschriften ist in den an ihn gerichteten Briefen 46 und 58 der AdreM .
noch hinzugefügt episcopo; vgl. Ihm, Stndia Ambrosiana p. 50 Anm. 275. Die Benedik- I
tiner setzen den Brief ums Jahr 389 an. <
Für die Chronologie der Schriften haben die Benediktiner in ihrer Ausg. dai
Beste geleistet; eine Revision ihrer Ergebnisse ist von Ihm, Studia Ambroaiana, Fleckai
Jahrb. Supplementbd. 17 (1890) vorgenommen worden; er gibt auch eine Tabelle p. 78.
a) Exegetische Schriften.
910. Allgemeines. Das Buch der Bücher war für Ambrosius die
hl. Schrift, man kann sagen, dass sie ihm völlig in Fleisch und Blut fiber-
gegangen war. Bei jeder Gelegenheit steht ihm ein passendes Schrift-
wort zur Verfügung. Die hl. Schrift ist ihm die Fundgrube für die Glau-
benslehre, und an ihrer Hand bekämpft er die häretischen Meinungen seiner
Zeit; sie ist ihm aber auch eine Fundgrube für die Moral und Erbaoung
der Gläubigen. Sie muss daher für Ambrosius die Grundlage der Predigt
bilden. In ihrer Auslegung folgt er der Richtung der Zeit, indem &
einen dreifachen Sinn der Schriftworte annimmt, einen buchstäbliclen,
einen moralischen und einen mystischen. Für den Prediger sind die zwei
letzten Erklärungsweisen natürlich viel fruchtbarer als die erste. Bei einer
reichen Phantasie kann man ja alles Mögliche aus einem Text heraos-
deuten und für die Paränese fruchtbar machen. Bei den Zuhörern war
diese Aufdeckung des höheren Sinns sehr beliebt; wir haben dafür das
Zeugnis des hl. Augustin, dem gerade an den Predigten des Ambrosius
das gefiel, dass hinter den Buchstaben etwas viel Höheres zur Erscheinung
gebracht wurde. ^) „Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig*, kann
man als den Leitstern der Prediger in jenen Zeiten betrachten. Die alle-
gorische Auslegung leistete überdies dem Christentum noch zwei wesent-
liche Dienste; man konnte einmal mit ihrer Hilfe die vielen anstössigen
Stellen des alten Testamentes aus dem Wege räumen, indem man ihnen
einen geistigen Sinn unterschob, dann aber konnte man — und das war
noch wichtiger — eine innige Verbindung des alten Testamentes mit den
neuen herstellen. Dies geschah dadurch, dass man im alten Testamente
Typen nachspürte, welche auf Christus und sein Wirken hinwiesen. Be-
sonders die Psalmen waren hier sehr ergiebig. In der griechischen Lit-
teratur war die allegorische Schrifterklärung besonders durch Philo uni
Origenes angebahnt worden. Ambrosius folgte ihnen vielfach, allein dod
mit selbständigem Urteile. Er eliminiert das spezifisch Jüdische bei Philo
oder setzt es ins Christliche um; er vermeidet die extremen Richtungen.
zu denen sich Origenes fortreissen Hess. Er lässt auch die buchstäbliche
Erklärung zur Geltung kommen und stellt sich dadurch an die Seite der
antiochenischen Schule. Basilius, dem er sich häufig anschliesst, hat
mässigend auf die Allegorisierungssucht gewirkt. Auch mit dem not-
wendigen handschriftlichen Apparat hat sich Ambrosius bekannt gemacht
Er vergleicht den lateinischen Text mit dem griechischen, wägt auch ver-
*) Augustin. confess. 6, 4.
Ambrosia«. (§911.) 291
tchiedene Lesarten ab. Allein die Bemerkungen dieser Art sind doch nur
gelegentlich, wir können keine tieferen Studien des Ambrosius auf diesem
Stobiete erwarten. Der praktische Zweck der hl. Schrift und ihre Ver-
irertung für die Predigt stehen ihm obenan. Die Entstehung der exegeti-
schen Werke des Ambrosius aus Predigten lässt sich in den meisten Fällen
noch aus Spuren, die sich im Texte vorfinden, nachweisen.^) Ambrosius
acheint dabei folgendes Verfahren eingeschlagen zu haben: er nahm die
Predigten, die er in Buchform bringen wollte, her und machte aus ihnen
ein Ganzes, ohne jedoch überall ihre ursprüngliche Gestalt verwischen zu
wollen. Bei manchem Werk mochte auch fremde Hand thätig sein; sicher
ist dies bei dem Commentar zu den zwölf Psalmen. Bei einigen Trak-
taten, bei denen sich die Entstehung aus Predigten nicht mehr nachweisen
lässt, muss es unentschieden bleiben, ob sie von vornherein die Form der
Abhandlung hatten oder sie erst später durch Redaktion erhielten. Da
die Zeitbestimmung der Schriften nicht immer zweifellos ist, reihen wir
dieselben nach Massgabe der hl. Schrift aneinander.
Die siebeD Bttcher der Patriarcheo. Cassiodor. instit. div. litt. c. 1 (70 Sp. 1111
Migne) Item sanctus Ambrosius de patriarchis Septem lihros edidit, qui mülta loca
Veteris Testamenti foctis quaestionxbus suaviter enodavit. Diese sieben Bttcher scheinen ge-
wesen zu sein: de Abraham 1. U, de Isaac, de bono mortis, de Jacob et vita beata l. II, de
Joseph; vgl. noch Sehen kl, Corpus 32 pars 1 p. IUI. Ueber die Reihenfolge vgl. den-
selben p. XII: „Opusculum de Noe confectum esse videtur anno CCCLXXXIHI, deinde
umomm fere triam spatio interiecto secuti sunt libri de Abraham, de Isaac, de bono mortis,
de Jacob, de Joseph intra biennium vel triennium conscripti.* Aus £xam.5, 12, 36 p. 169 Seh.
ti cum paukium conticuisset, iterum sermonem adorsus ait muss man folgern, dass Am-
brosius ein Exemplar benutzte, das von einem Stenographen nachgeschrieben wurde.
De Helia et ieiunio, de Nabuthae, de Tobia ^eodem consilio scripti — nam
osagis ad morum emendationem quam ad librorum divinorum explicationem spectant atque
»b esm rem idem fere orationis sonus et stilus in omnibus conspicitur — adfinitate quadam
tnter se conexi sunt, accedit quod in eis omnibus ex sermonibus concinnatis Ambrosius
I. Basilii homilias in usum suum convertit ita, ut et sententias gravissimas et multis locis
Bmmm conformationes orationiaque omamenta et colorem inde mutuaretur* (Schenkl, Corpus
leript eccles. lat. 82 pars 2 p. XVIIII).
911. Ezameron') 1. VI. Dieses Werk behandelt die Schöpfungs-
geschichte an der Hand der Genesis. Es zerfällt in sechs Bücher, indem
jedem Tag ein Buch gewidmet ist. Das Werk ist aber aus neun Homilien
entstanden, welche in der Fastenzeit von Ambrosius gehalten wurden.
Diese neun Predigten verteilen sich auf sechs Tage in der Weise, dass
ftn je drei Tagen Ambrosius zweimal über die Materie gepredigt hat. Auf
die sechs Bücher sind die neun Vorträge so verteilt, dass das erste,
dritte und fünfte je zwei Predigten, die übrigen je eine Predigt umfassen.
Das Werk ist keine vollständig originelle Leistung; es ruht im wesent-
lichen auf den neun Homilien, welche der grosse Basilius über die sechs
Bchöpfüngstage gehalten. Zwar gibt Hieronymus auch an, dass Ambrosius
in seinem Exameron noch Schriften des Origenes und des Hippolytus be-
natzt habe; allein, da die bezüglichen Schriften der beiden Kirchenväter
nur in einzelnen Fragmenten vorliegen, können wir die Richtigkeit der
von Hieronymus ausgesprochenen Ansicht nicht mehr in vollem Umfange
prüfen ; so viel darf aber behauptet werden, dass diese Abhängigkeit eine
^) Vgl. Schenkl, GorpuB Script, eccles.
Imi. 32 pars 1 p. I.
^) Exameron ist die handschriftlich be-
^anbigte Form, nicht Hexähneron; ygl.
Schenkl p. XII.
19'
292 AmbrosiiiB. (§911.)
sehr minimale war. Auch dem Baailius gegenüber hat sich Ambroaos
seine Selbständigkeit vollkommen bewahrt. Er ändert hie und da eine
Ansicht des Basilius ab und macht viele Erweiterungen; was aber nod
wichtiger ist, er assimiliert sich das fremde Gut so, dass es wie säi
eigenes erscheint. Bei der Lektüre dieser Vorträge empfindet man ni^
gends die Abhängigkeit des Lateiners von dem Griechen. Die Erkenntnis
des Verhältnisses, in dem Ambrosius zu Basilius steht, weist auch der
Quellenforschung den richtigen Weg. Sie hat nach Ausscheidung der ?oi
Basilius abhängigen Partien ihre besondere Aufmerksamkeit auf die Zi-
Sätze des Ambrosius zu richten. Dass Ambrosius das Pratum Suetov
benutzt hat, dafür steht ein sicheres Beispiel zu Gebote, aber diese Be>
nutzung scheint einen viel grösseren Umfang einzunehmen; besonders ii
dem Teil, der über den Menschen handelt und der bei Basilius fehlt»
lieferte wahrscheinlich das suetonische Werk das meiste Material.
Die Schöpfungsgeschichte des Ambrosius ruft in mehrfacher Hingiclit
unser Interesse hervor. Wir lernen aus ihr zunächst das Verhältnis kennen,
in dem das erstarkte Christentum sich zur Naturerkenntnis stellt. Wir
sehen, dass die hl. Schrift auch als Lehrmeisterin der Naturgesetze gOL
Das göttliche Wort muss nach dieser Anschauung überall seine Oeltong
haben, und ihm gegenüber fallen die Meinungen der Philosophen zu Boden.
Es ist nicht ratsam, nach Dingen zu forschen, über welche die Bibel
schweigt; die Hauptsache bleibt immer, auf jene Dinge sein Augenmerk
zu richten, welche uns zum ewigen Leben fähren. Wir werden gewarnt,
der Natur zuzuschreiben, was der Allmacht Gottes zugeschrieben werden
muss. Dass Gott zu jeder Zeit das Naturgesetz aufheben kann, ist bei
dieser Anschauung selbstverständlich. Bei der Erklärung des Schöpfungs-
berichtes suchen die neun Predigten den Wortsinn genau festzustellen,
allein hie und da greifen sie doch auch zur Allegorie. Das Haopt-
ziel, das sich der geistliche Redner steckt, ist natürlich die Erbauung
seiner Zuhörer. Er ist daher bestrebt, ihnen die Weisheit und Allmacht
des Schöpfers in glänzenden Farben darzuthun, dann aber auch sie die
mahnende Stimme der Natur vernehmen zu lassen, üeberall weiss der
Prediger Beziehungen zwischen dem Menschen und der Natur herzu-
stellen; besonders die Tierwelt muss ihm viele Beispiele für seine Ei-
hortationen liefern. Wir können uns denken, dass diese Predigten einen
grossen Eindruck auf die Zuhörerschaft machten. Selbst bei der Lektüre
treten noch ihre Vorzüge uns scharf und bestimmt entgegen. Wir ergötzeo
uns an den glänzenden Naturschilderungen, an den reichen Erzählungen
aus dem Leben der Tiere, an den eingestreuten Sittenzügen; wir fühlen
mit die warme Liebe, die der Bischof für seine Gläubigen hegt und die
sich stets fern von dem Tone des Zeloten hält, ja sogar mitunter einen
humoristischen Ton anschlägt. Eine wunderbare Harmonie ist über das
Ganze ausgegossen, eine Harmonie, wie sie nur aus einer in sich ge
festigten Seele hervorgehen kann.
AbfassuDgszeit. Es steht fest, dass Ambrosius das Exameron als alter Mann g^
schrieben. 4, 5, 20 p. 127 Seh. heisst es: quae pneri risimus ea senes commemorare qui
po'^sHmiisi' Der Kirchengesang, der 386 eingeführt wurde, war bereits in üebong; vgl
3, 1, 5 und 3, 5, 23; auch war, wie man aus 5, 24, 88 schliessen muss, der Hymnus *Aet€rM
▲mbrosia'« (§ 911.) 293
a. conditor' schon gedichtet, weil er hier paraphrasiert wird; also rnuss das Ezameron
386 fallen. Noch etwas weiter kommen wir herab, wenn wii* 3, 1, 8 yergleichen, wo
:irchliche Lage in einer Weise geschildert wird, welche erst nach dem Tode der Kai-
Jnstina (888) eintrat. Vgl. Kellner, Der heilige Ambrosius, Bischof von Mailand,
Irklärer des Alten Testaments, Regensb. 1898, p. 78 und Ihm, Stndia Ambrosiana p. 13;
sehen, Jahrb. der christl. Kirche unter Theodosius, Freib. i. Br. 1897, p. 491; Schenkl,
OS 32 pars 1 p. VII (386—890).
Die Gomposition. 6, 1, 1 p. 204 Seh. qui (sermo) etsi per quinque tarn dies non
ocri labore nobis proceaserit, tarnen hodiemo die maiore curarum aderescU faenore,
in hoc et superiorum dierum perieulum est et totius aumnui certaminia, 5, 24, 92
3 Seh. fkU mane dies sextus. Daraus folgt, dass die letzten Predigten an zwei auf-
iderfolgenden Tagen statthatten; es ist daher wahrscheinlich, dass der ganze Cyklus
rortrftge an sechs unmittelbar aufeinander folgenden Tagen gehalten wurde. Im ftbiften
i werden die zwei Vorträge, aus denen dasselbe besteht, sogar durch die Zwischen-
»rkung kenntlich gemacht: 5, 12, 36 p. 169 Seh. et cum pauMum conticuiMet, iterum
anem adarsua ait. Als der zweite Vortrag zu Ende ging, war es Nacht: 5, 24, 84
19 Seh. dum sermanem producimu8, eece iam tibi et noctumae aves cireumpolant. Im
9n Buch wird der Schluss der einen Predigt durch eine Formel (8, 5, 24 p. 75 Seh.
4nia saecula saeculorum amen) deutlich gekennzeichnet. Auch im ersten Bucn können
cwei Predigten deutlich herausfinden, denn 1, 6, 24 p. 28 Seh. finden wir wiederum eine
igtschlussformel: qui eat deua benedictua in saecula. Weitere Anzeichen Yon Predigt-
tloiitten fehlen innerhalb der einzelnen Bttcher. Der Schluss der Bttcher wird als sol-
deutUch markiert. Der Aufbau des Werks kann demnach in folgender Weise klar-
st werden:
Die 1. Homilie umfasst 1, 1, 1 — 1, 6, 24.
,2. , . 1, 7, 25-1, 10, 38.
„ 3. „ „2. Buch.
,4. , , 3, 1, 1-3, 5, 24.
,5. . , 3, 6, 25-3, 17, 72.
» 6. „ »14. Buch.
.7. , . 5, 1, 1-5, 11, 35.
, 8. , ,5, 12, 86—5, 24, 92.
„ 9. „ „6. Buch,
diese neun Homilien an sechs Tagen gehalten wurden, hat er an drei Tagen zwei
igten gehalten und zwar am ersten, dritten und fünften. Andeutung über die Tages-
in der die Predigten gehalten wurden, geben die Stellen 2, 5, 22; 4, 9, 34. Ueber die
eszeit, in der die Homilien gehalten wurden, gibt Aufschluss 5, 24, 90 p. 208 Seh.
'operet Jesu domini passio, Ueber die Gomposition ygl. Schenkl, Praef. p. I.
Quellen. Hieronym. epist. 84, 7 ; 1 Sp. 525 Vall. (ad Pammach.) centum quinquaginta
prope sunt, ex quo Origenes mortuus^st I^ri .... nuper s. AmbrosiiM sie HexaJ^meron
r compilavitf ut magis Hippolyti sententias Basiliique sequeretur. Vgl. Kellner, Am-
ins p. 78. Ueber die Benutzimg des Basilius ygl. auch Foerster, Ambrosius p. 117.
1 Philo scheint hie und da benutzt, ygl. Schenkl, Corpus 32 pars 1 p. XV; Aber Ori-
« und Ambrosius ygl. denselben p. Xini; über Hippoljtus und Ambrosius denselben 1. c.
Benutzung yon Suetons Pratum wird durch Ginddus Cambrensis itinerar. Cambriae 1, 7
ugt (Reifferscheid, C. Suetoni Tranquilli reliquiae, Leipzig 1860, p. 254 No. 162);
ihm stammt die Geschichte des Hundes (6, 24), welche sicn in Antiochien zutrug. Es
rweifellos, dass mit diesem einzigen Fall die Benutzung Suetons nicht abgeschlossen
Wie ich glaube, kann hier die Forschung noch manchen Baustein zur Rekonstruierung
Pratum gewinnen. Die durch Reifferscheid begründete unrichtige Auffassung des
um hinderte die Hebung des Schatzes. Ueber andere sekundäre Quellen ygl. Schenkl
p. XII. Ueber die Erzählung yom Vogel Phoenix (5, 23, 79) ygl. Harnack, Sitzungsber.
Beri. Akad. 1894 p. 605.
Zur Charakteristik. Der Gegensatz zur weltlichen Wissenschaft erhellt aus fei-
len Stellen: 2, 2, 7 p. 46 Seh. sed ea quae sunt aliena ab studio nostro et a divinae
anis Serie his qui foris sunt relinquamus: nos inhaereamus scripturarum caelesttum
isterio, 2, I, 3 p. 42 Seh. vos quaeso ut naturaliter aestimare quae dicimus probabiliter
implici mente et sedulo ingenio pensare dignemini, non secundum philosophiae tradi-
fs et inanem seductionem suasoriae veri similia coüigentes, sed secundum regulam veri-
', quae oraculis divini sermonis expHmitur et contemplatione tantae maiestatis fidelium
Tribus infunditur. 6, 2, 8 p. 209 Seh. vidii in sancto spiritu non iUas marcescenüs iam
entiae vanitates sequendas, quae rebus inexplicabilibus mentem nostram oceupani l¥^»»
'am, sed ea potius describenda quae ad virtutis spectarent profectum. 1, 6, S^
Uta magis intendamus animum in quibus vitae sit profectus aeternae. tX
294 AmbroBins. (§ 912.)
deutung des Willens Gottes fOr die Natur ^gi 2, %, 4 p. 43 Seh. imperat naturae, tum poiti.
bilitati obtemperat, non mensunw coüigit, nan pondua examinat, voluntcu eius mensura rerum
est 4, 2, 6 p. 1 14 Seh. nan sol aut luna feeunditatis auct&res 8unt, sed deu$ pater per
dominum Jesum omnibus liberalitatem ferttiitatis inpertit. 3, 2, 8 p. 64 Seh. vox dei eß>
ciens naturae est. 1, 6, 22 p. 19 Seh. non (terra) libramentis suis inmohilis manet, sti
frequenter dei nutu et arbitrio commovetur. — Die Allegorie erscheint zum Beispiel 3, 1, 2:
die congregatio der Gewässer wird mit der congregatio der Kirche verglichen. 3, 5, 23
p. 75 Seh. bene mari plerumque comparatur ecclesia, — üeber moralische Natsanwendmign
belehren folgende SteUen: 4, 8, 31 p. 136 Seh. eius (lunae) exemplo eognoseia, o hämo, Htkü
rerum humanarum esse posse et mundanae totius ereaturae, ([uod non aliqtuindo rud-
vatur. 5, 18, 58 p. 184 Seh. discant homines amare ßios ex usu et pietate eomieum a.B.T.
— Natnrschilderongen, z. B. der Sonne 4, 1, 1, des Meeres als Symbol 5, 5, 23, der Flor
3, 8, 36. — Sittenzüge, z. B. 5, 1, 2; gegen die Astrologie 4, 4, 12 n. s. f.; Aber den Veg^
tarianismos 3, 7, 28. — Humoristische Zttge: 3, 4, 17; 5, 12, 36.
Ueberlieferung. Die Handschriften des Ezameron sind sehr zahlreich, üotcr
denselben nehmen die erste Stelle ein die Fragmente des Aurelianensis s. VII. Von da
ttbrigen Handschriften unterscheidet Schenkl zwei Klassen, die eine, die bessere, bestdwBd
aus Cantabrigiensis coli. corp. Christi 193 s. VIII, Parisinns 12135 s. IX, Pariainns 3964
8. IX, Veronensis XXVII 25 s. X, die andere, die schlechtere, aus zwei Gruppen, Angi€Bn
CXXV 8. IX, Augiensis CCXV s. X, Monacensis 6258 s. X, Monacensis 8728 s. X, Seneuii
F V 8 8. XI. Ueber den Mischcodex Bemensis 325 s. XI vgl. Schenkl p. XXXI.
Ausg.: Migne 14 Sp. 123; Ballerini 1 Sp. 1; Corpus Script, eccles. lat. 32 pars 1 p.1
913. De paradiso. Diese Schrift bietet uns an der Hand der Genesis
eine Erörterung über das Paradies und die Stammeltem Adam und Eva
bis zu ihrem Falle. Die Auslegung ist fast durchgängig eine allegorische
und schliesst sich an Philo an. Von den vielen wunderlichen Deutung^
wollen wir nur eine hier anführen, weil sie in der Folgezeit sehr populär
wurde, die Deutung der vier Flüsse des Paradieses. Diese werden näm-
lich mit den vier Kardinaltugenden Klugheit (prudentia), Mässigung (tem-
perantia), Tapferkeit (fortitudo) und Gerechtigkeit (iustitia) verglichen.^)
Aber die Spekulation über diese vier Kardinaltugenden geht noch weiter,
indem sie mit bestimmten Zeitepochen in Verbindung gebracht werden.
Die prudentia wird repräsentiert durch die Zeit von der Erschaffung der
Welt bis zur Sündflut, die temperantia durch die Zeit von der Sündflut
bis auf Moses, die fortitudo durch die Epoche von Moses und den übrigen
Propheten, die iustitia durch die Zeit des Christentums.*) Die Schrift
verfolgt zugleich polemische Zwecke, sie wendet sich nämlich gegen Apelles
und die Manichäer. Die Form der Schrift ist die der gelehrten ünte^
suchung; nichts weist auf Homilien hin. Als Ambrosius sie schrieb, war
er noch nicht lange in den Klerus eingetreten. Da er im Jahre 374 durch
die Wahl zum Bischof in den geistlichen Stand aufgenommen wurde, wird
die Schrift nicht lange nach 374 geschrieben sein; sie fällt also in die
erste Zeit seines bischöflichen Wirkens.
Abfassungszeit. Belehrend sind die Worte epist. 45, 1 (Sp. 1142 M.) ego la»
dudum de eo (paradiso) scripsi, nondum veteranus sacerdos. Geschrieben ist die
Schrift vor de Cain et Abel, wo 1, 1 auf de paradiso verwiesen wird, und ebenso vor de
Abraham, wo 2, 1, 1 auf de paradiso c. 2 Bezug genommen wird; vgl. Ihm, Studia Am-
brosiana p. 14; Schenkl, Corpus 32 pars 1 p. VIII.
Quellen. Herangezogen sind folgende Schriften Philos (4, 24 p. 281 Seh.; 2, 11
p. 271, 8 Seh.): liber de mundi opificio, libri legis allegoriarum und quaestiones et solutioDes
in genesim. Vgl. Kellner, Ambrosius, Regensb. 1893, p. 90; Foerster, Ajoibrosius p. 105.
5, 27 p. 284 Seh. nee mihi praeiudicat Symmachi interpretatio etsi aliquotiens in ser-
motte et Äcylas et ipse confessi sint. Ueber die Polemik gegen Apelles, Schüler Marcions.
') 3, 14. I 2) 3, 19.
Ambrosius. (§§ 913, 914.)
295
TgL Harnack, Sieben neae Bruchstücke der Syllogismen des Apelles (Texte and Unter-
•nchiiDgen Bd. 6 Heft 3 (Leipz. 1890) p. 116; ebenda N. F. 5, 3 (Leipz. 1900) p. 93). — Schenk!,
Corpus 32 pars 1 p. XXI.
Zur Charakteristik. 5, 28 p. 284 Seh. plerique, quorum auctor Apelles, aicut hahes
iM triceaimo et octavo tomo eins, hos quaestiones proponurU. S, 38 p. 294 Seh. ?ioc obiciunt
gui vetus non recipiunt testamentum.
Ueberlieferung. Vgl. Sehen kl p. LH: ^Tota recensio a duobus codicibas s. Villi
pendet, Audomaropolitano 72 et Parisiaco 1913, oüm Colbertino/
Ausg.: Migne 14 Sp. 275; Ballerini 1 Sp. 197; Corpus Script, eccles. lat. 32
pArs 1 p. 265.
913. De Cain et Abel. Mit der Schrift de paradiso bringt der Autor
in ausdrücklichen Zusammenhang die Schrift de Cain et Abel. Auch hier
verfährt der Verfasser wiederum allegorisch und wiederum steht er in
Abhängigkeit von Philo. Besonders das Opfer der Brüder gibt reich-
lichen Anlass zu seltsamen Deutungen. Formell unterscheidet sich unsere
Schrift von der de paradiso dadurch, dass sie das oratorische und das
paränetische Element mehr hervortreten lässt. Die Einteilung in zwei
BQcher ist innerlich nicht begründet und vielleicht auf Zufall zurückzu-
führen. *)
Abfassnngszeit. Der Schriftsteller verweist auf die Schrift de paradiso: 1, 1, 1
p. 839 Seh. de paradiso in superioribus pro captu nostro ut potuimus quod dominus infudit,
9€nsu8 invenit, digessimus, in quUms Adam atque Evae lapsus est conprehensus. Die Schrift
de patriarchis 11, 55 verweist dagegen auf unsere Schrift 2, 2, 7. Sie wird also vor 887
entstanden sein. Gegen Ihm, Studia Ambrosiana vgl. Rauschen p. 492.
Quellen. Benutzt sind folgende Schriften Philos (1, 8, 32 p. 367, 3 Seh. quidam):
De eo, quod deterius potiori insidiari soleat; de sacrificüs Abel et Cain (vgl. Wen dl and,
Neuentdeckte Fragmente Philos, Berl. 1891, p. 127) und quaestiones et solutiones in gene-
aiiii. Siegfried, Phüo von Alexandria, Jena 1875, p. 872; Foerster p. 106; Schenkl,
Corpus 32 pars 1 p. XXIII.
ueberlieferung. Die Handschriften, die nicht über das 11. Jahrh. zurückgehen,
stammen alle aus einem Archetypus, dessen bester Repräsentant cod. Senensis F Y 8
8. XI ist.
Ausg.: Migne 14 Sp. 815; Ballerini 1 Sp. 247; Corpus Script, eccles. lat. 32
pars 1 p. 339.
914. De Noe.^) In das Gebiet der allegorischen Schrifterklärung
gehört auch der Traktat de Noe, der uns lückenhaft überliefert ist. Auch
hier ist Ambrosius ganz von Philo abhängig. Der Schwerpunkt des Trak-
tats liegt in der Vergleichung der Arche mit dem menschlichen Körper.
Abfassungszeit 1, 1 p. 413 Seh. requiescamus in eo (Noe) ab omni istius mundi
woilicUudine, quam cottidie diversis exagitationibus sustinemus. pudet filiis supervivere,
taedet, cum tot adversa atidiamus carissimorum, lucem hanc carpere: ipsarum ecclesiarum
divtrsos fluctus tempestatesque vel praesentes subire vel recipere animo quis tarn fortis ut
paiienter f erat 9 Diese Schilderung lAsst sich schwer auf ein bestimmtes Jahr deuten; die
Benediktiner (Admonitio Sp. 361) setzen die Schrift ins Jahr 379, Schenkl (Corpus 32
pv9 1 p. Yini) in die Jahre 383/84. Sicher ist, dass der Traktat vor de officiis (1, 18, 78
= de Noe c. 8) und vor de Abraham (vgl. Rauschen, Jahrb., Freib. 1897, p. 494) fällt.
Gegen Kellners Ausführungen (p. 96) vgl. Rauschen (p. 492), der die Eingangsstelle
maf die Zeit nacti der Schlacht bei Adrianopel bezieht und also schliesst: „B&b Werk de
Noe et arca dfirfte also gegen £nde 878 verfasst sein. Damit wäre dann zugleich ge-
geben, dass die Schriften De paradiso und De Cain et Abel in den Jahren 375^378 ent-
standen sind.**
Die Lückenhaftigkeit der Schrift erhellt aus ihr selbst (25, 91) und wird auch
durch das Zeugnis des Augustin bestätigt; denn bei ihm werden zwei Stellen aus der
Schrift mitgeteilt, die sich jetzt nicht mehr in ihr finden.
1) Vgl. Schenkl, Corpus 32 pars 1 p. V.
') Dies ist der durch die massgebende
handschriftliche Ueberlieferung bezeugte Titel,
nicht de Noe et arca, auch nicht» wir
gustin sagt, de arca Noe; y|^ B
Corpus 32 pars 1 p. XXlin.
296 Ambrosius. (§ 915.)
Quellen aind die quaestiones et solntiones in genesim von Philo (5, 12 p. 421,22
Seh. alii); vgl. Kellner p. 98. üeber die Beschaffenheit der anima wird ein kleiner Ex-
curs (25, 92 p. 478 Seh.) eingestreut, der mit Tertnllian de anima c. 5 und Macrob. comm. de
Isomn. Seip. 1, 14, 19 Berührung hat; vgl. Schenkl, Corpus 82 pars 1 p. XXV.
Zur Charakteristik. 1, 1 p. 413 Seh. Noe sancH adorimur vUam mores ffttta,
altitudinem quoque mentis explanare, ai possumus,
Ueberlieferung. Die Sehrift wurde nicht viel gelesen; die wenigen Handschriftii
stammen aus einem durch zwei Lücken (vgl. 3, 7 p. 417 Seh.; 25, 91 p. 478 Seh.) entsteOta
Archetypus. Unter denselben zeichnen sich aus Parisinus 12137, oüm Corbeiensis a. EX;
vgl. Sehen kl p. LXI.
Ausg.: Migne 14 Sp. 361; Ballerini 1 Sp. 301; Corpus Script ecdes. hrL32
pars 1 p. 413.
915. De Abraham 1. n. Die Schrift de Abraham besteht aus zwei
Büchern; beide handein über Abraham in ganz verschiedener Weise, h
dem ersten Buche wird Abraham als Vorbild den Eatechumenen vorge-
stellt; es kommt also hier die moralische Interpretation in Anwendtmg.
Im zweiten Buch will Ambrosius den höheren Sinn, der in den Thaten Abra-
hams liegt, erschliessen ; hier greift er zur allegorischen Erklärungs-
weise. Das erste Buch führt die Erzählung aus dem Leben Abrahans
weiter als das zweite; diese Verschiedenheit ist daraus zu erklären, das
Ambrosius im ersten Buch selbständig vorgeht, im zweiten dagegei
sich an eine Schrift Philos anlehnt. Dass dem ersten Buch Predigten,
welche der Bischof an seine Katechumenen hielt, zu Grunde liegen, ist
aus mehreren Stellen ersichtlich. Bei dem zweiten Buch fehlt ein sol-
ches Anzeichen; dasselbe stellt sich vielmehr in die Reihe der Bücher de
paradiso, de Cain et Abel und de Noe, bei denen ebenfalls eine Ent-
stehung aus Vorträgen nicht wahrscheinlich gemacht werden kann. Be-
reits Ambrosius hat die beiden verschiedene Zwecke verfolgenden Bücher
zu einer Einheit zusammengefasst. Grösseres Interesse hat für den Leser
das erste Buch; es laufen zwar auch hier viel Klügeleien mit unter,
auch ist das Typische nicht ganz vermieden und müssen wir viele lang-
atmigen Paränesen mit in den Kauf nehmen, allein wir bekommen ein
christliches Ideal gezeichnet, und dieses Ideal wird in ausdrücklichen Gegen-
satz zu den idealistischen Schilderungen von Piatons noXitsia und von
Xenophons Cyropädie gebracht.^) Nicht mit Unrecht hat man das Buch
eine christliche Cyropädie genannt. Ueberall ist der Verfasser bestrebt
aus dem Leben Abrahams Nutzanwendungen für das christliche Leben zn
gewinnen.^) Besonders merkwürdig sind die Lehren, welche denen, die
sich verheiraten wollen, gegeben werden; gemischte Ehen werden stark
verurteilt. 3) An einer anderen Stelle werden die Frauen ermahnt, ihre
Kinder selbst zu stillen.*) Abraham wird als Ausbund aller Tugenden ge-
schildert; besonders seine Hingebung an Gott wird stark empfohlen.*)
Abfassungszeit. Sicher ist, dass die Schrift nach de paradiso fällt, denn de Abr.
2, 1, 1 wird auf de paradiso 2, 11 verwiesen. Ferner fällt sie auch nach de exe. Satyri,
denn de Abr. 1, 5, 38 wird auf das zweite Buch de exe. Satyri (de fide resurrectionis) 2. 96
') 1, 1, 2. i ») 1, 9, 84.
^) Diese Nutzanwendungen werden in ' *) 1, 7, 63.
verschiedener Weise eingeführt: 1, 7, 59 *) \,h,Z2i^,h2%^Q\i.diximus de Ahrakat
p. »540 Seh. durch discite, 1, 7, 63 p. 543 Seh. | devotione ac de fide, de prudentia iustitk
durch moralis locus, 1, 9, 90 p. 560 Seh. durch caritate parsimonia: nunc etiam de hospitali-
pulcherrlmus locus ad instruendos.
täte dicamus.
Ambrosius. (§§916,917.)
297
Dgewiesen. Da Satyras 379 gestorben iat, muss die Scbrift nach 379 geschrieben sein,
ellner (p. 98) setzt dieselbe vor Ostern 387; auch die Mauriner nehmen dieses Jahr an.
Quellen. Die Frage nach den Quellen kommt fast nur für das zweite Buch in
»tracht. Dasselbe ist hanptsftchlich nach dem dritten Sermo der quaestiones et solutiones
genesim des Philo bearbeitet. Dies ist schon daraus ersichtlich, daas Ambrosius mit
im Kapitel der Genesis (17, 21) das Leben Abrahams abbricht, wo auch Philo stehen ge-
ieben ist. Ueber spärliche Entlehnungen aus anderen philonischen Büchern vgl. Sehen kl,
>rpus 32 pars 1 p. XXYU. Unwahrscheinlich ist die Ansicht Schenkls, dass das Werk
ivoUendet sei. Ueber einige philonische Gedanken im ersten Buch vgl. denselben p. XXVI.
Zur CharakteristiK. 1, 1, 1 p. 501 Seh. Abraham libri huius tUulus est, quoniam
r ordinem huius quoque patriarchae gesta cansiderare animum subiit. de quo nobis mo-
tlis primo erit traetatus et simplex. nam si aüiore disputatione processus quidam et
rma viriutis et quaedam species exprimatur, tarnen forensia quoque actuum eins veatigia
^eetare virtutis profectua est. 2, 1, 1 p. 564 Seh. moralem quidem loeum persecuti sumus
ra potuimus intellectus simplicitate .... verbum dei .... paratum invenis et opor-
num, ut animam legentis pertranseat ad revelanda propheticarum scripturarum aenigmata.
tde non absurdum reor referre ad altiora sensum et per historiam diversarum personarum
rtutis formae quendam proeessum eocplieare, maxime cum iam in Adam inteUectus pro-
ndioris exordia degustarimus. Das erste Buch wendet sich üfters an Eatechumenen;
^. l, 1, 59 p. 540 Seh. discite qui ad gratiam baptismatis tenditis. 1, 4, 23 p. 518 Seh.
loniam cum his mihi sermo est qui ad gratiam baptismatis nomen dederunt. 1, 4, 25
519 Seh. sed et vos moneo, viri, maxime qui ad gratiam domini tenditiS' 1, 9, 89
560 Seh. fortasse audientes haee, fUiae, quae ad gratiam domini tenditis.
Ueberlieferung. Das erste Buch wurde viel mehr gelesen als das zweite. Auch
ii diesem Traktat bildet Parisinus 12137, olim Corbeiensis s. IX die Grundlage des Textes;
;1. Schenkl p. LXX.
Ausg.: Migne 14 Sp. 419; Ballerini 1 Sp. 365; Corpus Script, eccles. lat. 32
irs 1 p. 501.
916. De Isaac et anima. In dieser Schrift wird die Vermählung
;aaks mit Rebekka in die Verbindung Christi mit der Seele umgedeutet,
s ist bekannt, dass Isaak wegen seiner Opferung durch den Vater gern
B ein Vorbild Christi angesehen wird. Es lag daher nahe, auch seine
ermählung mit Christus in Verbindung zu bringen. Für die Allegorien
t besonders verwertet das hohe Lied.^) Wahrscheinlich ist, dass Am-
-osius die Commentare des Origenes zu diesem biblischen Werk benutzt
it; allein da dessen beide Commentare bis auf Fragmente verloren ge-
ingen sind, lässt sich der Umfang der Benutzung nicht mehr feststellen.
Titel der Schrift. Augustin. c. Jul. Pelag. 1» 8, 44; 2, 5, 12 citiert die Schrift mit
m Titel de Isaac et anima; auch alte Handschnften haben diese Bezeichnung. Daneben
scheint auch in der Ueberlieferung de Isaac vel anima, Ambrosius weist in der Schrift
bono mortis mit de anima auf unsem Traktat hin, und in der That entspricht dieser
iel mehr dem Inhalt der Schrift, da von Isaak verhältnismässig wenig die Rede ist.
shrscheinlich war jedoch der ursprüngliche Titel de Isaac, zu dem später zur Erläuterung
! anima hinzugefügt wurde; vgl. Schenkl, Corpus 32 pars 1 p. XaVIIII.
Abfassungszeit. Die Schrift fällt nach der Expositio in psalmum 118, denn 4, 17
»rweist auf die expositio.
Zur Charakteristik. Auf die Form des Vortrags weisen die Worte 4, 85 p. 668 Seh.
nit pascha, venit indulgentia, advenit remissio peccatorum hin.
ueberlieferung. Für die Traktate de Isaac, de bono mortis, de fuga saeculi, de
icob sind unsere Führer der Audomaropolitanus 72 und Parisinus 1918, beide s. IX; vgl.
chenkl p. LXXUI.
Ausg.: Migne 14 Sp. 501; Baller ini 1 Sp. 457; Corpus Script, eccles. lat. 82
irs 1 p. 641.
917. De bono mortis. Eine Ergänzung zu der Schrift de Isaac et
aima bildet der Traktat de bono mortis. Der Autor hat selbst diese
erbindung im Eingang deutlich angedeutet. Von der vorigen Schrift
^) Welche Quellen er hier benutzte, lässt
ch nicht sicher bestimmen; wahrscheinlich
sah er den Commentar des Origenes ein;
vgl. Schenkl, Corpus 82 pars 1 p. XXX.
298 Ambrosius. (| 918.)
unterscheidet sich die unsrige aber dadurch, dass sie nicht exegetischer,
sondern ethischer Natur ist. Dies schliesst natürlich nicht aus, da»
viele Bibelstellen herangezogen werden und das apokryphe vierte Bock
Esdras ausgenützt wird.^) Der oratorische Charakter der Schrift tritt
besonders gegen den Schluss stark hervor; es ist daher wahrscheinliii,
dass auch hier Vorträge zu Gründe liegen. Die Betrachtung geht von
der Unterscheidung eines dreifachen Todes aus; er statuiert nämlich einei
Tod der Sünde, einen mystischen Tod, wenn jemand der Welt abstirbt
und Gott lebt, endlich einen Tod, der in der Trennung des Leibes und
der Seele besteht. Bezüglich des letzteren wird nun auseinandergesetzt,
dass derselbe an und für sich weder ein Gut noch ein Uebel ist, und
dass er eines von beiden nur durch uns selbst wird. Der Bischof schil-
dert die Mühseligkeiten des Lebens, von denen uns nur der Tod befrdt
Er schildert uns den Körper nach der von Plato begründeten Anschauung
als eine Fessel der Seele, welche der Tod sprengt; er hebt endlich her-
vor, dass sogar für den Sünder der Tod insofern ein Segen ist, als er
ihm die Möglichkeit benimmt, weitere Sünden zu thun. Die Unsterblid-
keit der Seele wird fast nur durch die hl. Schrift begründet ; andere Be-
weise sind nur flüchtig berührt.*) Plato wird zwar erwähnt, allein es
heisst von ihm, dass er seine Weisheit den hl. Schriften verdanke.') Die
Schrift ist, um unser Urteil zusammenzufassen, vom Boden christlicher
Anschauung ausgegangen und auch nur für solche berechnet; der Philo-
sophie leistet sie keine Dienste. Der paränetische Charakter ist über-
wiegend; dazu gibt der mystische Tod reichliches Material.
Zusammenhang der Schrift mit de Isaac et anima. Der Eingang der Schrift
de bono mortis weist auf de Isaac et anima hin mit den Worten 1, 1 p. 703 Seh. qu<miam
de anima super iore libro sermonem aliquem contexuhmis, faciliorem viam putamu3 de hoM
mortis conficere aliquid.
Ueber die Ueberlieferung vgl. § 916.
Ausg.: Migne 14 Sp. 539; Ballerini 1 Sp. 501; Corpus Script, eccles. Iat32
pars 1 p. 703.
918. De fuga saeculi. Der Redecharakter dieser Schrift scheint
wiederum aus dem Schluss zu erhellen. In seinem Vortrag hat der Bischof
diesmal Getaufte im Auge, denen weitläufig auseinandergesetzt wird, dass
die Flucht vor der Welt die Flucht vor der Sünde ist, und dass es unsere
Aufgabe ist, unsere Seele Gott ähnlich zu machen. Auch in diesem Traktat
benutzte Ambrosius den Philo und zwar dessen Schrift de profugis. Ihm
schliesst er sich besonders an in der Erklärung der sechs Freistädte, von
denen Mos. 4, 35, 11 die Rede ist.
Abfassungszeit. 3, 16 p. 176 Seh. talis enim inquit nobis decebat (Hebr. 7, 26i
recta est elocutio, siquidem apud eos qui verborum et elocutionum dilectum habut-
runt, huiusmodi invenitur dicente aliquo: locum editiorem quam victorihus decebat
(Sallust. Hist. 1, 140 M.). quod ideo non praeterii, ut sciamus quia apostolus naturalümt
magis quam vuUjatis aut secuftdum artem utitur verbis. Nach einer Beobachtung Bueche-
lers (Rhein. Mus. 43 (1888) p. 293) schöpft hier Ambrosius aus der Beispielsammlung des
Anisianus Messius, nicht direkt aus Sallust, dem das citierte Beispiel entnommen ist
^) Er hat auch die xvgua (fo^at des i corum (Plato) conposuit. 11,51 p. 747 Seh.
Epicur benutzt; vgl. Schenkl, Corpus 32 quis utique prior Hesdra an Piaton i^ ....
pars 1 p. XXXII. nostra sunt quae in philosophorum litterii
^) 9. 42. praestant.
8) 5, 19 p. 720 Seh. hoc ex libro Canti-
Ambrosius. (§§919,920.)
299
Wllasten wir genau das Jahr, in dem diese Beispielsammlung herausgegeben wurde, so
kitten wir damit auch den terminus post quem für die Schrift des Ambrosius. Allein
diätes Jahr kann nicht sicher ermittelt werden; vgl. oben § 839. Combinationen über die
AMusongszeit siehe bei Ihm, Studia Ambroaiana p. 19, der es nicht fQr wahrscheinlich
htlH, dass die Schrift vor 889/90 entstanden ist. Die Mauriner nehmen als Entstehungsjahr
887 an. Da Sehen kl (p. XII) das Büchlein des Arusianus Messius nicht lange nach 391
•eilt, glaubt er, dass die Schrift de fuga saeculi bald nach 391 entstanden sei.
Quellen. Ausser der Beispielsammlung des Arusianus Messius ist besonders be-
aotit die Schrift Philos nsgl tpvyttdwv; vgl. Foerster, Ambrosius p. 111; Ihm, Philon und
Ambrosius (Fleckeis. Jahrb. 141 (1890) p. 282); Schenkl p. XYII.
Ueber die Ueberlieferung vgl. § 916. ,
Ausg.: Migne 14 Sp. 569; Ballerini 1 Sp. 537; Corpus Script, eccles. lat. 32
pan 2 p. 163.
919. De Jacob et vita beata 1. n. Das von den alten Philosophen
viel behandelte Problem „Was macht uns glücklich?" konnte von christ-
lichem Standpunkte, aus leichter beantwortet werden. Die Antwort konnte
nur lauten: Olücklich werden wir, wenn wir den Willen Gottes thun.
Dieser Grundgedanke durchzieht auch die genannte Schrift des Ambrosius,
der wiedenmi Predigten zu Grunde liegen.^) Er gibt seiner Gemeinde An-
leitung zum christlichen Leben und führt auch den Gedanken aus, dass
Widerwärtigkeiten das Glück des vir perfectus, d. h. des wahrhaft christ-
lichen Mannes, nicht aufheben können. Diesen theoretisch gehaltenen Dar-
legungen folgt im zweiten Buch eine praktisch exegetische.^) Jakob und
mdere Persönlichkeiten des alten Testaments werden als Muster des glück-
lichen Lebens vorgeführt. Hier tritt nun auch wieder die allegorische
Exegese auf den Plan. Eine Glanzpartie dieses zweiten Buches ist die
Erzählung von den sieben maccabäischen Brüdern. Selbständig ist Am-
brosius auch in dieser Schrift nicht; er benutzte vorwiegend das soge-
nannte^) 4. Maccabäerbuch: eig Maxxaßaiovg rj nsQl avToxQotoQog XoyKXf^iov,
welches man irrtümlich dem Flavius Josephus zuschreibt; freilich ist der
Kirchenvater gezwungen, den Xoyiafiog zu christianisieren.
Ueber die Hauptquelle vgl. Freudenthal, Die Flavius Josephus beigelegte
Schrift aber die Herrschaft der Vernunft, Breslau 1869, p. 32. Ueber andere sekundäre
Quellen vgl. Schenkl p. XV.
ZnrCharakteristik. 1, 7, 28 p. 21 Seh. neque adversa corporis vitae heatae munus
imminuunt neque de eins aliquid suavitate delibant, quia non in delectatione corporis vitae
heatüudo est, sed in conscientia pura ah omni Iahe peccati .... habet in se remunerationem
99iam qui sequitur Jesum et in suo affectu praemium et gratiam, etiamsi dura sustineat,
beatus tarnen est suis mortbus etc.
Ueber die Ueberlieferung vgl. § 916.
Ausg.: Migne 14 Sp. 597; Ballerini 1 Sp. 569; Corpus Script, eccles. lat. 32
p«r8 2 p. 2.
920. De Joseph patriarcha. Oern nimmt Ambrosius seine Muster
für die christlichen Tugenden aus den Büchern des alten Testaments.
Abraham ist ihm ein Vorbild für die Ergebung in den göttlichen Willen,
Isaak für die schlichte Einfalt, Jakob für die Ausdauer, Joseph natürlich
f&r die Keuschheit. Aber der überall nach Geheimnissen in der hl. Schrift
suchende Bischof sieht in Joseph noch viel mehr, nämlich ein Vorbild
Christi. In allen seinen Handlungen erblickt er Hindeutungen auf Leben
0 2, 5, 23 p. 45 Seh. sicut audisti legi
hcdie.
•) 2, 1, 1 p. 31 Seh. superiore lihro de
frirtutum praeeeptis disputavimus, sequenti
clarorum virorum utamur exemplis,
*) Vgl. Reusch, Einleitung in das al^"
Testament, Freiburg 1859, p. 135.
300 Ambrotins. (§921.)
und Wirken des Erlösers, und es ist ihm eine ganz besondere Freude, die
Worte des alten Testaments mit Worten des neuen Testaments vergleichend
zusammenzustellen. Seine Auslegungen sind um so beachtenswerter, wei
sie selbständig sind.O Wir bewundem die reiche Phantasie des frommen
Mannes, der überall aus dem Leben Josephs Analogien zu Christus herans-
klügelt.
Abfassangszeit. 6, 38 p. 96 Seh. et factum est inquU poat biennium, menlkr
de hoc noatri spadonie tempore^ niei et dies canvenit, quia post biennium reeepit effmm
nee recordatus ut, sed admonitus .... sed cito hune laeum praeterecU dolor, ne ipsa cm.
memoratione crudescal; ne ipsius quidem sermanis mei meminisse deleeteU, quem turne im"
poris vel effuderit dolor vel extorserii ecclesiae contumelia, 6, 35 p. 97 Seh. et Doee pnep^
Situs erat et praepositus regis animalium ad disciplinam mulorum, hoc est spadonwm am-
malium. hie quoque sacerdotem domini detüfit et regem fraude conmovit in saeeriäu
periculum et hie Syrus erat, num mentior, quando et patria et facta conveniunt? Amn
quoque a cubiculo regis et ipse praepositus, dum invadere ecclesias domini inproba temeri'
täte contendit populumque fidelem spoliare ac persequi, gravibus sacrüegia suppiieiii er-
pendit. Es kommt hinzu eme Stelle ans einem Briefe des Ambrosins an seine Schwette
Marcellina, der in das Jahr 385 fällt: 20, 28 denique etiam speciali expressione Caüig^im,
praepositus cubicüli, mandare mihi ausu^ est: me vivo tu contemnis Valeniinianumf cofä
tibi tollo. Respondi: Deus pennittat tibi, ut impleas quod minaris; ego enim potior qusi
episcopi, tu fades quod spadones, Ambrosins bezieht sich in den Schilderungen misenr I
Schrift offenbar auf Calligonus. Man vergleiche noch über das Schicksal dieses Mama 7
Augustin. contra Jul. Pelag. 6, 14 Calligonum Valentiniani iunioris eunuchum gladio nsn^
mus ultore punitum meretricis confessione convictum. Da die insolente Handlungsweise d«
Eunuchen ins Jahr 385 fäUt und, als unsere Predigten gehalten wurden, ein biennium vtt-
flössen ist, kommen wir auf das Jahr 387 als Abfassungszeit; vgl. Ihm, Stadia AmW
siana p. 16; vgl. auch Sehen kl. Corpus 32 pars 1 p. XI, der das Erscheinen der Schrift
um die Jahre 389/90 bestimmt.
Zur Charakteristik. 1, 1 p. 73 Seh. sanctorum vita ceteris normo vivendi eA^
ideoque digestam plenius accipimus seriem scripturarum, ut dum Abraham, Isaac et Jat(k
ceterosque iustos legendo cognoscimus, velut quendam nobis innocentiae tramitem eorum
rirtufe reseratum enitentibus vestigiis jy^^equamur. de quibus mihi cum frequens tractatui
fuerit, hodie sancti Joseph historia occurrit. in quo cum plurima fuerint genera ririutum,
tum praecipue insigne effulsit castimoniae, aus welchen Worten zugleich die ursprüng-
liche Predigtform erhellt.
Ueberlieferung. Für de Joseph und de patriarchis ist ein codex von Boalogne
8iir mer 32 s. VII massgebend; vgl. Scnenkl p. XXI.
Ausg.: Migne 14 Sp. 641; Ballerini 1 Sp. 617; Corpus Script, eccles. Ut. ^
pars 2 p. 78.
931. De patriarchis.^) Bekannt sind aus Gen. 49, 3 die Segnungen,
die Jakob seinen Söhnen spendete. Ambrosins hätte mehrfach Gelegen-
heit gehabt, dieselben zu behandeln, allein er tiberging sie, oflfenbai- weil
er bereits im Sinne hatte, eine eigene Schrift darüber zu schreiben. Diese
Segnungen boten ja der wilden allegorischen Exegese einen grossen Tummel-
platz, und der Kirchenvater hat sie reichlich ausgenutzt. Der natürliche
Sinn wird gänzlich beiseite geschoben, selbst das Moralische wird mit einer
einzigen Ausnahme (7, 33) ungenutzt gelassen. Ueberall werden Fäden
gesponnen, welche das alte Testament mit dem neuen verknüpfen. Die
Schrift kann als eine Ergänzung zu der de Joseph patriarcha betrachtet
werden, und in manchen Handschriften erscheint sie als solche. Wegen
dieses innigen Zusammenhangs werden wir die Schrift auch in das Jahr
387 oder bald darnach ansetzen. Damit stimmt, dass der im Jahre 38^
geschriebene Commentar zu Lucas (4, 21) erwähnt wird.
^jUebereinigesPhilonischevgl. Schenkl ' ^) Dies, nicht de benedictionibus patri-
p. XVII. I archarum bt der best beglaubigte Titel.
Ambrosia«. (§§922,923.)
301
üeber die Abfassangszeit vgl. Ihm, Stadia Ambrosiana p. 17.
üeber die Ueberlieferung vgl. § 920.
Ausg.: Migne 14 Sp. 673; Ballerini 1 Sp. 655; Corpus Script eccles. lai 32
pars 2 p. 125.
922. De Helia et ieinnio. Auch das Fasten gab dem Ambrosius
Stoff zu Predigten, 0 deren Produkt die angegebene Schrift ist. Er hielt
sie beim Beginn der Quadragesima; das Jahr ist unbekannt. Doch war
der Hymnengesang schon in der Mailänder Kirche üblich,') wir kommen
also in die Zeit nach 386. Er knüpft seine Exhortation an ein alttesta-
mentliches Beispiel an, nämlich an Elias; allein da er über denselben
bereits in mehreren Schriften gehandelt,^) berührt er nur kurz seine
Thaten. Ausführlich verbreitet sich der Bischof über das Wesen des Fa-
stens; es fällt dabei manches interessante Streiflicht auf die Geschichte
dieser Bussübung. Auf den nichttheologischen Leser übt die mittlere Partie,
welche gegen die Trinkgelage zu Felde zieht, die grösste Anziehung aus.
Hier bekommen wir Bilder, die nach dem Leben gezeichnet sind; die
Scene der zechenden Offiziere ist von packender Realität.^) Mit Erstaunen
sehen wir, wie alt unsere Zechgebräuche sind. Der Schluss schildert die
Prasserei als die Quelle aller XTebel und mahnt die Katechumenen, sich
durch den Empfang der Taufe für immer von der Schwelgerei loszusagen.
Für seine Vorträge hat Ambrosius wiederum den Basilius benutzt; er
schöpft aus den drei Reden de ieiunio, in ebriosos und exhortatio ad
baptismum.
Abfassungszeit. Gegen die Ansicht der Benediktiner, dass die Schrift nach dem
Tode des Maximus verfasst sei, vgl. Rauschen, Jahrb. der christi. Kirche etc., Freib.
1897, p. 273. Dass die Schrift vor 392 falle, wird mit Unrecht aus 17, 62 p. 448 Seh. im-
ptratarum geschlossen (Schenkl p. XIII); vgl. dagegen Ihm, Studia Ambrosiana p. 19.
Quellen. Ueber die Verwertung der drei Reden des Basilius vgl. Schenkl p. XVIIII.
Zur Charakteristik. 17, 62 p. 448 Seh. 'bibamua' inquiunt *opto salutem impera-
tarum, ut qui non biberit fiat reus indevotionis; videtur enim non amare imperatarem qui
pro eins salute non biberW. 13, 48 p. 439 Seh. tnensura prapanUur, eertatur aub tudice,
sub lege decemitur, aganithetes Ulis furor est, Stipendium debiliiM, victoriae praemium
culpa. 13, 47 p. 439 Seh. tä tragoediarum actores primo sensitn vocem excitant, donec udae
fpocis aperiant iter, ut postea magnis possint clamaribus personare, ita isti quoque in prin-
eipio prolusariis se exercent pocuiis, ut inritent sitim, ne forte restinguant eam et satiati
postea bibere non possint,
Ueberlieferung. Die Grundlage der Recension bildet der Parisinus 1732, olim
Thnaneus et deinde Colbertinus, s. VIII; vgl. Schenkl p. XXX Villi.
Ausg.: Migne 14 Sp. 697; Ballerini 1 Sp. 687; Corpus Script, eccles. lat. 32
pars 2 p. 411.
923. De Nabnthae.^) Bekannt ist aus dem dritten Buche der Könige
die Geschichte Ahabs und Naboths. Ahab war lüstern nach einem Wein-
berge Naboths; allein er konnte denselben von Naboth nicht erlangen,
weil dieser das Erbe seiner Väter nicht veräussern wollte. Wegen dieser
Weigerung wurde Naboth unschuldig zum Tode gebracht, um Ahab in
^) Der Predigtcharakter erhellt z. B.
aus 20, 75 p. 457 Seh. audistis hodie in lec-
tione decursa.
«) 15, 55.
') 3. 5 p. 414 Seh. sed de Heliae gestis
plurima iam frequenti diversorum librorum
sermone digessimus et cavendum arbitror,
ne in eadem recurramus, cum praesertim in
opere suo ipse laudetur.
*) Schenkl p. VI: „Neque a vero abest
Ambrosium, cum bene sciret eos (tribunos
militum centurionesque) ventnros esse, ora-
tionem ita conformavisse, ut acrius in ebrie-
tatem inveheretur*.
*) So gibt den Titel Schenkl; die Vul-
gata ist de Nabuthe Jezraelita.
302 Ambrosins. (§ 924.)
den Besitz des Weinbergs zu setzen. Diese Geschichte gibt eine treffende
Illustration der Habsucht, und Ambrosius benutzte sie, um gegen ein Orond-
übel seiner Zeit in eindringlicher Weise Stellung zu nehmen. Verwertet
sind in dieser Schrift von Ambrosius zwei Homilien des Basilius. üeber
die Zeit der Abfassung lässt sich nichts Sicheres mitteilen.
Quellen. Schenkl p.XVIin: ^contaminatione quadam ita nsus est, ntmodoiezU
homilia (Basilii), qua capitis All evangelii Lucae versus XVIII illastratar, modo septimi.
quae in divites inscribitor, ad sermones explendos et exoraandos nteretor.*
Ueberlieferung. Grundlage ist auch hier der Parisinus 1732 s. VIII, der leider
durch Lücken Schaden gelitten hat; vgl. Schenkl p. XXXX.
Ausg.: Migne 14 Sp. 781; Ballerini 1 Sp. 725; Corpus Script, eccles. Ut 32
pars 2 p. 469.
924. De Tobia. Das Buch Tobias gibt Ambrosius Anlass zu einer
Reihe von Predigten gegen den Wucher, bei welchen die zweite Homüie
des Basilius zum 14. Psalm benutzt wurde. Tobias besass nämlich unter
anderen Tugenden auch die, keiAe Zinsen für ein Darlehen zu nehmen.
An diese Thatsache knüpft der Bischof an. Der Titel der Schrift ist
irreführend ; abgesehen von dem Eingang bildet nicht Tobias, sondern der
Wucher den Gegenstand der Schrift. Ambrosius spricht sich gegen die
Zulässigkeit des Zinses und die Pfandnahme aus und stützt sich wesent-
lich auf das alte Testament; das neue Testament, meint er, bedeute nicht
die Aufhebung des alten, sondern vielmehr die Erfüllung desselben. Es
ist wohl nicht zweifelhaft, dass grosse wucherische Missstände in seiner
Gemeinde den Bischof veranlassten, die Schärfe des hl. Wortes anzuwenden.
Seine Rede trifft sowohl die Schuldner als die Gläubiger. Von den beiden
Klassen erhalten wir interessante Charakterzüge, die auch auf die Gegen-
wart Anwendung finden können. Der Redner malt in düsteren Farben;
er verwertet sogar ein hartes Wort Catos, das er in Cicero *) gelesen hatte.
Besonders das ungemessene Anwachsen des Kapitals ist ihm ein Greuel
Sein Pathos schlägt nicht selten in einen Wortkampf und ein Wortspiel
um; aber auch an tief ergreifenden Ermahnungen fehlt es nicht. Doch
nicht bloss ihre negative Seite hat die Schrift, sondern auch ihre positive.
Ambrosius dringt in seine Zuhörer, statt des materiellen Wuchers den
geistlichen zu treiben, d. h. mit ihrem Geld die Armen zu unterstützen,
das Wort Gottes zu verkündigen und den Irrenden den Weg des Heils
zu zeigen. Auch dieser geistliche Wucher trage seine Zinsen, indem er
uns ein Anrecht auf die ewige Seligkeit verschaffe.
Die Vorträge erregten grosses Aufsehen. Es entstand Unzufrieden-
heit in den angegriffenen Kreisen; sie machten geltend, dass das Zins-
und Pfandnehmen etwas alt Hergebrachtes sei. Diese Reden kamen dem
Bischof zu Ohren, und er entgegnet denselben an einer Stelle. Hierin
liegt für unsere obige Behauptung der Beweis, dass der vorliegende Traktat
aus mehreren Predigten zusammengearbeitet ist. Der Bischof weist alles
Persönliche von sich, seine Rede treffe nur das Laster der Habsucht.
Ueber die Abfassungszeit der Schrift lässt sich nichts Bestimmtes
eruieren; das einzige Zeitmoment, das sie bietet, die Erwähnung der
Hunnen, 2) hilft uns nicht viel. Auch der Umstand, dass Ambrosius in
') De officiia lib. 2 gegen Ende. | «) 11, 39.
Ambroei^^« (§925.)
303
einem Briefe an den Bischof von Trient, Vigilius, gegen den Wucher
eifert,^) liefert kein festes Fundament für eine chronologische Schluss-
Tolgerung; dies erkennt man schon daraus, dass aus der Briefstelle so-
wohl die Priorität *) als auch die Posteriorität «) der Schrift gefolgert worden
Bind. Weiter kommen wir, wenn wir auf die innere Beschaffenheit des
Werks unser Augenmerk richten. Die Freude an dem Wort und an der
Phrase, die jedem Leser auffällt, und die den gelehrten Erasmus veran-
lasste, sogar die Echtheit der Schrift in Zweifel zu ziehen, weist unsern
Traktat in eine frühe Lebenszeit des Ambrosius, wo er noch unter dem
Eindruck seiner rhetorischen Bildung stand.
Quellen. Schenkl p. XX: ,Una tantom Baailii homilia — alteram in psalmum
Xlin dico — Ambrosius usus est in libello de Tobia, quam totam fere partim ad verbum
expressam partim splendidiore elocutione illustratam in opusculum suum recepit."
Zur Charakteristik. 23, 88 p. 569 Seh. nos non peraanae obtrectamus, sed^avari-
Hae, nee fefeUit dixisse aliquos, cum ante hoc biduum iractatus noster eorum conpuncxiseet
affeetum: quid sibi voluit epiecapus adversus faeneratores tractäre, qutm navum aliquid
admisaum sit etc.?
Ueberlieferung. Führer ist hier wiederum der Parisinus 1732 s.VIII; vgl. Schenkl
p. xxxxnii.
Ausg.: Migne 14 Sp. 759; Ballerini 1 Sp. 759; Corpus Script, eccles. lat. 32
pars 2 p. 519.
925. De interpellatione Job et David. Dieses in den Ausgaben in
vier Bücher eingeteilte Werk erörtert zwei Gedanken. In den ersten
zwei Büchern werden die Leiden des menschlichen Lebens vorgeführt,
und zwar wird im ersten Buch Job, im zweiten David als Dulder hin-
gestellt. Die Unterlage für den ersten Teil bildet das Buch Job, für den
zweiten der 41. und 42. Psalm. Das dritte Buch und das vierte beschäf-
tigen sich mit der Klage der Menschen, dass es dem Bösen gut, dem
Outen dagegen schlecht ergehe, und suchen sie als unbegründet ab-
zuweisen. Auch hier müssen das Buch Job und der 72. Psalm dem Pre-
diger Stoff liefern. In der handschriftlichen ueberlieferung finden wir
jedoch keine Bucheinteilung, sondern nur vier Predigten, von denen jede
für sich besteht und ihre eigene Ueberschrift hat, ohne dass dieselben
zu einem Ganzen durch einen Titel zusammengefasst werden. An Will-
kürlichkeiten der Exegese sind auch diese Bücher reich; der Zusammen-
hang wird oft ganz ausser acht gelassen.
Abfassnngszeit. Die Manriner setzen die Schrift ungefähr in das Jahr 388. Sie
stützen sich auf zwei Stellen, auf 4, 6, 24 p. 284 Seh. und 3, 8, 24 p. 262 Seh. yide quem-
eulmodum in civitatibus bonorum prineipum imagines perseverent, deleantur imaginea tyran-
Mcrum. Aus der ersten Stelle schliessen sie, dass der gemeinsame Psalmengesang noch
nicht eingeffthrt war, was also auf die Zeit vor 386 hinweist; aus der zweiten Stelle fol-
gern sie, dass der Aufstand des Jahres 387, wo Statuen des Theodosius vernichtet wurden,
noch nicht stattgefunden hatte, denn sonst würde Ambrosius aus Klu^eit jene Worte nicht
gebraucht haben. Allein diese Schlussfolgerungen schiessen über das Ziel hinaus; vgl. Ihm,
Stadia Ambrodana p. 21 und Kellner, Ambrosius p. 126; Schenkl p. XII.
Die Gomposition des Werks. Schenkl p. III: „Si editiones inspicis, (opusculum)
in quattuor libros divisum habes eosque communi titulo 'de interpellatione Job et David'
instructos. sed longo alia est res in codicibus. etenim quattuor in eis inter se excipiunt
orationes neque numeris significatae neque uno titulo comprehensae, sed suam quaeque in-
Bcriptionem prae se ferentes. unde iam constat singulos sermones nobis traditos esse non-
dom in unnm corpus redactos/ Diese vier Predigten sind aber in den Handschriften ver-
') 19, 4.
') Foerster, Ambrosius p. 87.
») Ihm, Stud. Ambr. p. 20.
304 Ambrosiiia. (§§ 926, 927.)
schieden geordnet. In geringeren Handschriften, dem Dnacensis 227 s. XII und
14464 s. XII, nimmt die Predigt, welche in der gaten üeberliefemng an zweiter Stelle i
steht, die vierte ein, und Schenkl ist in seiner Ansg. dieser Ordnung gefolgt. Erasmti I
hat diese Rede ftlr anecht erklArt Schenkl (p. V) glaubt, dass die vierte Predigt de iater- ;
pellatione David mit den drei übrigen nicht zusammenhänge und erst später wegen der
Verwandtschaft des Inhalts mit denselben verbunden worden sei. 1, 1, 3 p. 212 Seh. utriutqm
(Job et David) interpellationes considerare cordi est, quod in his vitae hwnanae forma er-
primitur, causa agitur, praerogativa formaiur, suo igitur ardine speetandae nobis tuwt.
2, 1, 1 p. 233 Seh. superior nobis disputatio fuit de interpellatione sanctorum, quod frofOi»
et inbecilla condicio hutnana, quae nusquam sui habeat firmitatem nisi in proteetione tse-
lesti: hodie nobis ea sumenda est, quod vulgus hominum, plerique etiam prudentium tnUt
moventur, cum vident iniustos affluere rebus secundis, iustos autem frequenter adflictari ü
hoc saeculo,
üeberiieferung. Massgebender Ffihrer ist cod. Parisinus 1732 s. VUI; TgL Schenkl
p. XXX.
Ausg.: Migne 14 Sp. 797; Ballerini 2 Sp. 5; Corpus Script, eccles. kt. 33
pars 2 p. 211.
^26. Apologia prophetae David. Beim Lesen der hl. Schrift hatten
gewiss manche daran Anstoss genommen, dass der König David sich zweier
grosser Vergehen schuldig gemacht hatte, des Ehebruchs und des Mords.
XTm die Skrupel dieser Leute zu beseitigen oder zu mindern, hielt Am-
brosius Predigten^) über diesen Gegenstand, welche er später in Buch-
form brachte. Der Bischof erblickt eine Milderung der Schuld Davids in
dessen offenem Bekenntnis und in dessen Zerknirschung. Zu diesem Zweck
nimmt er den 50. Psalm vor, in dem David sein Schuldbekenntnis ablegt,
und erläutert denselben, natürlich oft in mystischem Sinne. Im Parisiniu
1732 ist dem Titel noch die Widmung ,ad Theodosium Augustum" bei-
gefügt; wir haben keinen rechten Grund, zu bezweifeln, dass dieser Zusatz
von Ambrosius herrühre.«)
Abfassungszeit. Der terniinus post quem ergibt sich aus 6, 27, wo auf den Tod
Gratians (August 888) hingewiesen wird. Der terminus ante quem erhellt aus dem Hin-
weis in der expos. ev. Luc. 3, 38 p. 127 Seh. de qua historia (sc. de caede Uriae), qucninm
alibi plenius diximus, hie franscurrendum videtur auf unsere Schrift. Die expositio be-
steht aber aus Predigten, welche wahrscheinlich ins Jahr 886 oder Anfang 387 fallen.
Zur Charakteristik. 1, 1 p. 299 Seh. Äpologiam prophetae Dapid praesenti adri-
puiwus atilo scribere, non quo ille indigeat hoc munere, qui tantis meritis enituit rirtu-
tibusque effloruit, sed qiäa plerique gestorum eius lecta serie non introspicientes rim $erip-
turarum vel occulta mysteriorum mirantur quomodo tantus propheta adulterii primo, deinde
homicidii contagia non declinaverit. 8, 41 p. 324 Seh. sed iam se ipse (David) defendot;
nam quinquagensimum (sie) psalmum ad eam scripsit historiam.
Üeberiieferung. Die besten Handschriften sind: cod. Bononiensis (Boulogne snr
mer) 32 s. VII und Parisinus 1732 s. VIII; vgl. Schenkl p. XXXIII.
Ausg.: Migne 14 Sp. 851; Ballerini 2 Sp. 73; Corpus Script eccles. lai 3f
pars 2 p. 299.
927. Die unechte Apologia David altera. Neben der im vorigen
Paragraphen besprochenen Apologie Davids existiert noch eine zweite,
auch aus Predigten hervorgegangene, welche in der üeberiieferung eben-
falls dem Ambrosius zugeteilt ist. Auch diese geht von den zwei grossen
Vergehen Davids aus, dem Ehebruche und dem Morde, allein der Stoff
wird doch iu ganz anderer Weise behandelt. Vor allem erhält der-
selbe eine dreifache, genaue Gliederung. Zuerst wendet sich der Ver-
fasser gegen die Heiden, welche den Christen ihre Sünden höhnisch vor-
rückten. Dann richtet er seine Rede an die Juden, welche den David
») 0, 20 p. 311 Seh. ut hodie lectum est. \ «) Schenkl p. V.
Ambrosiiw. (§928.) 305
trotz seiner Missethaten als Sohn Gottes betrachteten, endlich legt er den
e Christen die Mysterien dar, welche in der Geschichte Davids eingeschlossen
Hegen. Schon diese schuhnässige Gliederung ist dem Ambrosius, der
IKgressionen liebt und sich gehen lässt, fremd. Auch in Bezug auf den
Stil finden sich Diskrepanzen. Femer müsste auffallend erscheinen, dass
" Ambrosius, wenn er der Verfasser der zweiten Apologie wäre, gar keine
^ Rficksicht auf die erste nimmt. Es kommt hinzu, dass Augustin die zweite
-c Apologie nicht kennt, da er nur die erste anführt, und dass theologische
Probleme berührt werden, welche der nachambrosianischen Zeit angehören.
' Die Schrift ist von einem Manne verfasst, der sich die erste Apologie zur
- Nachahmung erkoren hatte.
DieUnechtheit Im Remensis trägt der Traktat keine Ueberschrift; im Duacensis
-^ 227 8. XII lautet dieselbe: Liber seeundus saneti Ambrosii de apologia David. Ueber die
Nftchahmmig der echten Apologie vgl. Sehen kl (p. Villi), der einige stellen gibt. Augostin
^ eiÜert an drei Stellen (contra JuL Pel. 2, 7, 20; 1, 4, 11; contra duas ep. Fei. 4, 11) nnr die
s 6rate Apologie, scheint sonach die zweite nicht zu kennen, üeber gewisse Aehnlichkeiten
- der Apologia altera nnd de sacramentis vgl. Schenkl p. X.
~ Zur Gliederung. 4, 21p. 369 Seh. tripertitam diviaionem traetatua huius polli'
~ eUi sutnus, unam adversus gentiles, aliam adveraum Judaeos, tertiam apud ecclesiam. b, 31
_ p. 878 Seh. divisianem tractatiM ita putavi esse faciendam, ut apud gentües lapsus condi-
eiams non negaretur, carrectio erroris adstrueretur, apud Judaeos autetn ideo lapsum esse
^ mmdum David doceretnus, ne amplius Judaeorum perfidia daudicaret eumque vel dei fUium
F d^tmerent credere, quem viderent communi eondicUme ohnoxium fuisse peccato, Christiani
- 9€ro surgentis ecclesiae mysteria possint advertere. Schenkl p. YIII: „Mirum est eum
psalmi L interpretationem non absolvisse, sed tantum incohasse, quae res utmm oratori
^ ^81 tribuenda an eo explicanda sit quod post sectionem 74 quaedam interciderint plane
^ incertnm esse Maurinis, qui de hoc libello utiliter disputaverunt, libenter adsentior.''
Zur Charakteristik. 5, 28 p. 376 Seh. uno die vel per angustias ingenii vel per
fragüUatem vocis omnetn serietn non possum inplere tractatus. 5, 31 p. 378 Seh. iam et
r wm^eriore die et hodie Judaeis tantis responsum arbitror.
üeberlieferung. Massgebend fOr die recensio ist cod. Remensis 352 s. XII; vgl.
Schenkl p. XXXVUI.
r- Ausg.: Migne 14 Sp. 887; Ballerini 2 Sp. 119; Corpus Script, eccles. lat. 32
= pars 2 p. 359.
■ 928. Enarrationes in XTT psalmos Davidicos. Der Psalter war ein
^ Lieblingebuch des Ambrosius, und mit Vorliebe schöpfte er aus demselben
m in seinen Predigten und erläuterte auch gelegentlich den einen oder anderen
- Psalm. ^) Aber er machte die Psalmen auch selbst zum Gegenstande
^ eigener Vorträge; sie liegen uns vor in den enarrationes in XU psalmos,
welche nach seinem Tode zu einem Corpus vereinigt wurden, und in der
'^ expositio in psalmum 118. Die in den enarrationes erläuterten zwölf Psalmen
sind: 1, 35—40, 43, 45, 47, 48, 61. Von diesen bilden 35 — 40 eine engere
Gruppe,*) da der nachfolgende Commentar immer an den vorangehenden
' anknüpft. Auch die Commentare zu 45, 47, 48 und 61 haben einen gemein-
: samen Charakter. >) Die zwölf Commentare sind zu verschiedenen Zeiten
- abgefasst worden. Noch auf dem Todesbette diktierte er die Erläuterung
- des 43. Psalms, der darum nicht ganz vollendet ist. Die frühesten fallen
^ nach 386. Er folgte also in der Erklärung der einzelnen Psalmen nicht
der Ordnung des Psalters. Auch diese Commentare sind ursprünglich,
'- wie bereits angedeutet, Predigten gewesen,^) welche dann später zu
*) VgL ein Verzeichnis bei Ihm, Studia
Ambrosiana p. 22.
«) Vgl. Migne 8p. 918.
*) Kellner, Der hl. Ambrosius p. 187.
Haadiraoh d«r kliM. AlkertnmtwiBMxwcluift. vm. 4. ^(^^
^) 35, 20 sicut lectio hodierna nos doeuit.
36, 2 iste qui nobis hodierna lectione pro-
positus est.
L
306 Ambrosius. (§ 929.)
einem Ganzen vereinigt wurden. Sie lassen die moralische Interpretation
stark hervortreten, doch greifen sie auch zur Allegorie; denn in den
Psalmen ist nach der Ansicht des Ambrosius das ganze Leben und Wirken
Christi prophetisch angedeutet. Auch benutzt der Prediger gern die Ge-
legenheit, die orthodoxen Lehren seinen Zuhörern einzuschärfen, um sie
gegen die Irrlehren zu wappnen. Benutzt sind bei diesen Vorträgen Ba-
silius und Origenes.
üeber die Abfassungszeit dieser zwOlf Conunentare Iftsst sich Folgendes fest-
stellen :
Comm. in ps. 1. Da in demselben der Psalmengesang erwähnt wird (prol. 9\ kominen
wir in die Zeit nach 386.
Comm. in ps. 86. Hier werden (19) die Kämpfe der Arianer und der Ortho-
doxen erwähnt, die dadurch entstanden waren, dass jene die Ansliefening einer Kirdie
forderten. 49 wird des Abfalls der Mönche Sarmatio und Barbatianus gedacht, welchen
die Benediktiner in das Jahr 389 setzen (Migne Sp. 918), und über welchen Ambrom
in einem gegen Ende seines Lebens geschriebenen Brief ansftthrlicher handelt. Endlidi
erwähnt er (25) den von Theodosius über Eugenius i. J. 394 davongetragenen Sieg. V^
auch 38, 27.
Comm. in ps. 87. Hier haben wir (43) eine zeitliche Anspielung auf das Blutbad
in Thessalonich (390).
Comm. in ps. 40. Hier wird (38) auf den Commentar zum Lukas-Evangelium hia-
gewiesen.
Comm. in ps. 48. In Expos, ev. Luc. 3, 15 kündigt A. eine Ausführung an, welche
48, 8 erfolgt ist; also ist der Commentar zu Psalm 48 nach 386 verfasst.
Comm. in ps. 61. Hier wird (26) auf die zweite Gesandtschaft des Ambroeiib
an Maximus und den Tod des Gratian angespielt. Jene Gesandtschaft fand höchst wahr-
scheinlich 884/385 statt; vgl. § 908.
Comm. in ps. 43. Aus der vita Ambrosiana des Paulinus (42) erhellt, dass dieser
Commentar in das Jahr 397 fällt.
Zur Charakteristik. Praef. 7 in Itbro Psalmorum profectus est omnium et mtdl-
cina quaedam salutis humanae. Ebenda 8 in psalmis nobis non solum nascUur Jesus; sm
etiam salutarem illam suscipit corporis passionem, quiescit, resurgit, ascendit ad coehm,
sedet ad dexteram Pairis. Von der Praefatio wird zur Erklärung übergeleitet durch den
Satz (12): sed iam psalmi istius qui propositus est nobis, ingrediamnr exordia.
Ausg. von Migne 14 Sp. 921; Ballerini 2 Sp. 157.
929. Expositio in psalmum 118. Der Psalm 118(1 19) i) «Wohl denen,
die ohne Wandel leben" umfasst 22 Oktonare, d. h. es sind je 8 Zeilen
zu einer Strophe zusammengefasst. Weiterhin hat sich der Dichter die
Schranke gesetzt, dass er die Oktonare durch das hebräische Alphabet
laufen und überdies noch jede Zeile innerhalb des Oktonars mit dem be-
treffenden Buchstaben beginnen lässt. *) Ein Zusammenhang der 22 Stro-
phen lässt sich nicht herstellen. Es bildet jeder Oktonar für sich mehr
oder weniger eine Einheit und konnte daher leicht zum Gegenstand einer
selbständigen Erörterung gemacht werden; dies that Ambrosius, indem er
unsern Psalm nach der Folge der Oktonare in 22») Predigten*) behandelte.
Wir haben dadurch eines der umfangreichsten Werke des Kirchenvaters
erhalten. Bei der Erklärung der Oktonare wird das Hauptgewicht anf
\) Ueber die verscliiedene Zählung der i fange nach sehr ungleich, so dass die Mite-
Psalmen vgl. Reu seh, Einleitung in das alte lichkeit nicht abgewiesen werden kann, es
Testament, Freiburg 1859, p. 51. • sei die eine oder andere Predigt, so wie se
2) Vgl. Tholuck, Auslegung der Psal- vorliegt, aus mehreren zusammengearbeitet
men, Halle 1843, p. 506; Thalhof er, Er- \ worden.
klärung der Psalmen, Regensb. 1857, p. 611; . *) 3, 29 bene admonuit lectio evangfUi,
Delitzsch, Psalmencommentar 2 (Leipz. i quae decursa est. 6, 16 pulchre lectum fM
1860) p. 186. I hodie.
3"i
) Die Predigten sind jedoch dem Um-
Ambrositii. (§930.) 307
die moralische Anwendung gelegt; doch wird hie und da auch die alle-
gorische Auslegung herangezogen. Die Schrift gibt dem Bischof reichliche
Gelegenheit, gegen die Gebrechen der Zeit und besonders gegen die Irr-
lehren sich zu kehren. Für die Erklärung liefert ihm wiederum Origenes
Material. Dieselbe ist aber ungleichmässig ; bald wird der ganze Satz
erläutert, bald nur ein einzelnes Wort hergenommen ; bald verbreitet er
dich über eine Stelle länger, bald kürzer.
AbfassangBzeit. Die expositio ist geschrieben nach dem Commentar zu Lukas,
denn 14, 38 wird dieser Commentar schon erwähnt, aber vor der Schrift de Isaac et anima,
denn hier wird unsere expositio citiert: 4, 17 (1 p. 654 Seh.) de hoc mysterio (üibi aaepiua
diximus et maxime in psalmo CXVIIL Allein da die Zeit dieser beiden Schriften nicht
mit voller Bestimmtheit ermittelt werden kann, nützen die beiden termini nicht viel.
] Sicher ist, dass die expositio nach 386 fällt, denn es wird der Hymnengesang erwähnt, der
886 in Mailand eingeführt wurde; vgl. 8, 48 immo plerique sunt eiusmodi dies; ut atatim
muridiania haris adveniendum sit in Ecclesiam, canendi hymni, celehranda ablatio. Damit
■fceht im Einklang, dass die Wiederkehr des Tages, an dem die Gebeine der Märtyrer
Ckrvasius und Protasius von Ambrosius aufgefunden wurden, gefeiert werden konnte; vgl.
6, 16 celebramus diem sanctorum quo revelata sunt populis corpora aanctorum martyrum.
' Die Auffindung wird aber in das Jahr 386 verlegt (vgl. Ihm, Studia Ambrosiana p. 24), von
den Maurinem allerdings in das Jahr 385 oder 386 (vgl. Migne Sp. 1195). Auch die Er-
' wähnung der arianischen Verfolgungen passt zu dieser Zeit. Die Abfassung dürfte zwei
Jahre in Anspruch genommen haben; vgl. Ihm, Studia Ambrosiana p. 24; die Predigten
werden also wohl 387 und 388 gehalten worden sein.
Quellen. Die Abhängigkeit von Origenes ergibt sich besonders aus den von Pitra
ans vatikanischen Handschriften veröffentlichten Scholien des Origenes zu dem 118. Psalm;
▼gl. dessen Analecta sacra 3 (Venedig 1883) p. 246.
Zur Ueberliefernng. Ueber den cod. Treverensis 1285 s. XI vgl. Ihm, Studia
' Ambrosiana p. 95.
Ausg. von Migne 15 Sp. 1197; Ballerini 2 Sp. 435.
930. Expositio evangelii secundum Lncan 1. X. Auch das neue
Testament hat Ambrosius zimi Gegenstande seiner Homilien gemacht.
' Diese Predigten^) hat er zu einem Werk von 10 Büchern zusammengefasst.
Auch in diesem Commentar wiegt der moralische und mystische Gesichts-
punkt vor, doch wird auch das Historische herangezogen. Merkwürdig ist
aber der synoptische Zug, der durch den Commentar geht. Ambrosius
. zieht nämlich auch die andern Evangelien heran, besonders wenn sie einen
Widerspruch zu enthalten scheinen, und sucht dann durch allegorische
Erklärung eine Konkordanz herzustellen. Die Bekämpfung der Häresien
ist ein Hauptzweck, den Ambrosius in diesem Commentar verfolgt.
Entstanden ist dieses Werk 386; die Schlussredaktion fällt vielleicht
noch in den Anfang von 387.
Titel. Aus Ambrosins selbst kann der Titel nicht eniiert werden; bei Augustin
aber (de gratia Christi 44, 48) heisst es: in expositione evangelii secundum Lucan. Ueber
andere Bezeichnungen Tgl. Schenklp. X.
Abfassungszeit. In dem Commentar werden folgende Werke des Ambrosius
citiert: 1. de viduis aus dem Jahre 377 (2, 62; 4, 49; 4, 50; 10, 6), 2. de fide (3, 32;
7, 68; 8, 95), 3. de spiritn sancto aus dem Jahre 381 (6, 31; freilich ist dieses Citat nicht
ganz sicher, da auch de Joseph gemeint sein kann), 4. apologia David nach dem Jahre 383
. (3, 38), 5. das verlorene Buch expositio Esaiae prophetae (2, 56). Also ist der Commentar
. nach 383 entstanden. Dagegen wird unser Lukascommentar citiert in folgenden Schriften :
1. der Schrift enarratio in psalmos Xll Davidicos (40, 38), 2. expositio psalmi CXVIII aus
dem Jahre 387 oder 388 (14, 38), 8. der Schrift de patriarchis aus dem Jahre 387 oder bald
nachher (4, 21), 4. de institutione virginis aus dem Jahre 391 oder 392 (6, 42). Also fällt
der Commentar vor 391 oder 392. Wir haben sonach den terminus post quem 383, den
') 8, 73 p. 428 Seh. pulchre mihi hodie est sacerdotii. 7, 48 p. 301 Seh. in hodiemo
Ugitur legis exordium, quando mei natalis
tractatu.
20*
308 Ambrosina. (§ 931.)
terminus ante quem 891/92. Genauer lässt aich die Zeit in diesem Intervallam also fest-
stellen: 7, 52 schildert er den arianischen Bischof Auzentius, ebenso (vgL die Stellen bd
Ihm, Studia Ambrosiana p. 25) wie in der Rede gegen diesen (16, 22, 24), welche im
Jahre 386 gehalten wurde; vgl. Schenkl p. VI. Darnach ist die AbfaasongBzeit des Luka»-
commentars im Jahre 386 oder noch zu Anfang des Jahres 387 sehr wahrscheinlich. 9, 32
deutet auf die Friedenszeit; diese wird von Schenkl (p. VUII) in Einklang mit Rauschen
auf das Jahr 388 bezogen; es wäre dann der Lukascommentar frfihestenB 388 geschriebea,
selbstverständlich noch später die expositio des 118. Psalms; Tgl. Rauschen, Jahrb. der
christl. Kirche unter Theodosius, Freib. i. Br. 1897, p. 495.
Quellen. Schenkl p. XIII: ,In huius operis libris primo et secnndo Oiigenis ia
Lucan homilias expilavit ita, nt eins explicatio fere tota pendeat ab eis qnae apud Origesen
leguntur .... ultra librum II vero Ambrosius Origems homilüs non usus esse videtur.* Ueber
die Bearbeitung des 3. Buches nach Eusebius vgl. unter ^Composition*. Weiterhin bemerb
Schenkl (p. V): «Ex eodem fönte (Eusebio) fluxerunt quae in libri X ss. 147 — 184 ab Ajb-
brosio proferuntur, et ipsa certe parum idonea quae diebus dominicis coram populo indocto
tractentur." Ueber sekundäre Quellen handelt ebenfalls Schenkl p. XIV und p. XY.
Zur Composition. 10, 6 p. 457 Seh. sequebatur de vidua locus, quam quoniam m
fft libro quem de viduis scripaimus praedicavimus, nunc sequestramus. Die Verweisan^
auf andere Schriften erfolgten erst bei der Umarbeitung. ' Ueber den Charakter des drittes
Buches, das nicht ursprünglich die Predigtform hatte, vgl. Schenkl p. V; es ist eine Be-
arbeitung von Eusebius' Werk nsgl rrjg rtjv svttyyeXlay diatptoyiag.
Zur Charakteristik. Prol. 2 p. 3 Seh. tria sunt quae philosophi mundi istiu
praecellentissima putaverunt, triplicem scilicet esse saptentiam^ quod aut naturalis sit tud
moralis aut rationalis.
Fortleben des Commentars. Ueber das Verhältnis des Hieronymos znm Com-
mentar vgl. Schenkl p. XV; über Augustins Beurteilung des Commentars vgl. denselbet
p. XVII; über Cassiodor und den Commentar p. XVIII.
U eberlief erung. Die Handschriften sind zahlreich. Schenkl hebt aus dieser
Schar 14 Codices heraus. Der älteste und beste ist der Bobiensis s. VII, der leid«* ver-
stümmelt ist und kaum den dritten Teil enthält. Dazu gesellen sich als massgebend Am-
brosianus C 127 inf. s. IX, Bononiensis (Boulogne sur mer) 35 s. IX, Parisiiias Nonv. seq.
1438 s. X und die eine Gruppe bildenden Handschriften Monacensis 14117 s. X/XI, Ssn-
gallensis 99 s. IX, 96 s. X, Monacensis 18522^ s. X. Ueber die verschiedene Buchein-
teilung des Werks vgl. Schenkl p. X. Es gab nämlich auch eine Einteilung in neos
Bücher, welche das sechste und siebte zu einem zusammenfasste; diese Einteilung lag
auch dem Augustin vor.
Ausg.: Migne 15 Sp. 1527; Ballerini 3 Sp. 9; Schenkl, Corpus Script, eccles.
lat. vol. 32 pars 4 (Wien 1902); vgl. Weyman, Gott. gel. Anz. 1903 No. 6.
Die verlorene expositio Esaiae prophetae. Expos, ev. Luc. 2, 56 (p. 71 ScL;
quid sit autem in Uierusalem sisti domino dicerem, nisi in Esaiae commentis ante dixiffem.
Mehrere Fragmente sind uns durch Augustin überkommen; vgl. de gratia ChriBti 49, 54:
de peccato orig.41, 47; de nuptiis 1, 35, 40 = 2, 5, 15; contra Julian. 1, 4, 11; 2, 8, 22; contn
secund. respons. 4, 105; 4, 108; contra duas ep. Jul. 4, 11, 29 — 31; de bono persever. 23,64.
Die Fragmente sind zusammengestellt in der Ausg. von Ballerini vol. 2 Sp. 895. Vgl
Ihm, Studia Ambrosiana p. 75.
Commentarius in cantica canticorum. Ambrosius hatte in seinen vielen
Schriften oft Bezug auf das hohe Lied genommen. Der Gedanke lag sehr n&he, die StelleB
zu sammeln und so einen Commentar des hohen Liedes von Ambrosius herzast«llen. Eine
solche Sammlung unternahm der Cisterciensermönch Wilhelm von St. Theoderich bei Reims
(t 1148); vgl. Migne 15 Sp. 1851; Ballerini 2 Sp. 787.
(i) Moralisch-asketische Schriften.
931. De officiis ministrorum. Obwohl die Fixierung der dogma-
tischen Sätze Jahrhunderte lang die christlichen Geister in Anspruch nahm,
Aviirden doch auch ethische Probleme, besonders von praktischen Gesichts-
punkten aus, in den ersten Zeiten der christlichen Kirche behandelt.
Allein eine zusammenhängende christliche Ethik, die man der bisherigen
philosophischen gegenüberstollen konnte, fehlte noch. Es verdient daher
alle Anerkennung, dass sich Ambrosius an diese wichtige Aufgabe wagte.
AmbroBiiia. (§981.)
309
Leider entsprach dem Wollen nicht das Können ; es gebrach dem Kirchen-
lehrer so sehr an systematischem Denken, dass sein Versuch nur unvoll-
kommen gelingen konnte. Charakteristisch ist schon, dass er sich an ein
heidnisches Werk anlehnte, an das bekannte Buch Ciceros ,de officiis";
in dem ganzen Aufbau folgte er seinem Vorbild, allein damit schuf er
flieh eine Grundlage, welche für eine christliche Ethik nicht passte. Weiter-
hin erschwerte sich Ambrosius seine Arbeit dadurch, dass er zunächst
seine Kleriker ins Auge fasste, allein trotzdem eine allgemeine Ethik
geben wollte. Dadurch erhielt die Darstellung etwas Unorganisches und
Schwankendes. Cicero hatte ein besonderes Augenmerk auf Beispiele ge-
richtet, die grösstenteils der römischen Geschichte entnommen waren; an
ihre Stelle setzte der Kirchenvater solche aus den Büchern des alten
Testaments. ^) Den grössten Wert legte aber Ambrosius darauf, für seine
ethischen Anschauungen Belege aus der hl. Schrift beizubringen; hierbei
verleiht er gern dem Gedanken Ausdruck, dass die Weisheit der Philo-
sophen schon von den Vätern des alten Testaments ausgesprochen, sonach
die christliche Ethik beträchtlich älter als die philosophische sei.^) Es
ist kein Zweifel, dass die Verbindung der Ethik mit der christlichen
Religion den ethischen Problemen einen anderen Charakter gegeben hat.
Der Satz, dass das höchste Gut der Menschen im ewigen Leben liege,
f&hrte das transscendentale Moment in die Moral ein; allein vollständig
loslösen konnte sich Ambrosius von den stoischen Elementen, welche in
dem Buche Ciceros ausgebreitet lagen, keineswegs. Man erkennt deutlich,
wie sehr das christliche Denken noch in den Banden der nationalen An-
schauungen gefesselt lag. Auch hier drängte die Entwicklung dazu,
Christliches und Nationales zu einer Harmonie zu verschmelzen. Bereits
Ambrosius lieferte manchen Baustein zu dem grossen Werk; so war es
bedeutsam, dass er die vier Cardinaltugenden in seine Darstellung auf-
nahm;') nicht minder bedeutsam war es, dass er mit den Stoikern voll-
kommene und mittlere Pflichten unterschied und dadurch die Bahn für
eine höhere und niedere Sittlichkeit wies.
Ambrosius schrieb das Buch als reifer Mann, nachdem er auf eine
lange Amtsthätigkeit zurücksehen konnte; er vermochte daher manche
Züge aus seiner bischöflichen Wirksamkeit einzufügen. Um nur einen
Fall zu erwähnen, er berührt den Verkauf von Kirchengefässen zum Los-
kauf von Kriegsgefangenen. Von gegnerischer Seite wurde er ob dieser
Massregel hart angegriffen, allein der Kirchenvater vermag den Angriff
sehr gut zurückzuweisen. *) Der praktische Gesichtspunkt ist es, der immer
wieder in der Darstellung durchbricht*) und manchmal den Autor ver-
^) 3, 22, 138 inierim eopiam muUam exem-
püarum offerunt: nam prope omnia maiarum
9xempla, plurima quoque dieta his tribus
inelusa libris tenentur; ut et si senno nihil
deferat ffratiae, aeriea tarnen vetustatis quo-
dam compendio expresea plurimum instruC'
Hanis confertU,
«) Vgl. 1, 12, 44; 1, 21, 94; 1, 28, 133;
1, 29, 141; 1, 36, 179; 2, 2, 6 aeeipiant quam
louge aniequam philosophärum nomen audi-
retur, per 08 sancti David tUrumque aperte
videatur expressum.
*) Die Erörterung beginnt 1, 25.
*) 2, 28.
') Vgl. die Bemerkung über den incessus
1, 18, 71; über die Stimme 1, 19, 84; über
Verhaltnngsmassregeln der Kleriker 1, 20;
gegen scherzhafte und bäuerische Rede der
Kleriker 1, 23; über die Zudringlichkeit der
Bettler 2, 16.
310 AlnbroBius. (§ 981.)
anlasst, die Form der Abhandlung aufzugeben und in eine Anrede an
seine Kleriker überzugehen. Man hat darnach die Hypothese aufgestellt,
als sei das ganze Buch de officiis aus Vorträgen oder Predigten des Am-
brosius entstanden. Allein die Darstellung schliesst sich zu eng an Cicero
an, und es ist ganz unwahrscheinlich, dass der Mailänder Bischof den
heidnischen Autor einem Cursus von Predigten oder Vorträgen zu Grunde
gelegt hätte. Dass aber einzelne Predigten in das Werk hineingearbeitet
wurden, ist zweifellos. Den Charakter der ambrosianischen Schriftstellerei
verleugnen auch diese Bücher nicht; sie zeigen uns keinen Gelehrten,
sondern einen Mann, der mitten im Leben steht und zu den öffentlichen
Fragen in humanem Sinn Stellung nimmt. ^) Es ist leicht begreiflich, dass
schon der Name des Autors der Schrift eine grosse Verbreitung sichern
musste; und in der That wurde das Werk im Mittelalter viel gelesen.
Titel. Die Mauriner sagen in der Einleitung (Migne Sp. 17): „Quem (titaliun De
officiis ministronim) nos ex manoscriptis fere omnibus ac notae melioris restitiiimaB^ ; vgl
auch Augustin. ad Hieronym. epist. 116, 21 (1 Sp. 768 Vall.) qui {Ambrasius) suos quofiam
libros utilium praeeeptionum plenos de officiis voluit appeUare,
Abfassungszeit. 1, 18, 78 verweist Arobrosius auf die Schrift de NoS; da aber die
Zeit dieser Schrift nicht ermittelt werden kann, hilft uns die Erwähnung nichts. Zeitansoe-
lungen finden sich folgende: 1, 18, 72 sagt er von zwei Elenkem, die vom katholischen
orthodoxen Glauben abfielen, folgendes: alter Ärianae infestationis tempore fidem de-
seruiff alter pecuniae studio^ ne iudieium suhiret sacerdotale, se nostrum negatit. Die«
Stelle weist auf die Zeit hin, in der die arianische Kaiserin Justina den Katholizismus ver-
folgte. Eine zweite Stelle ist folgende: 2, 29, 150 meministis ipn qucties adreraus regalts
impetus pro viduarum, immo omnium depositis eertamen aubierimus .... recens eremptum
ecclesiae Ticinensis proferam, quae viduae depositum, quod susceperat, amittere periclitahatur.
Mit Wahrscheinlichkeit wird angenommen, dass diese Geschichte sich zu Anfang 386 ab-
spielte, als sich Valentinian in Ticinum aufhielt. Andere Zeitereignisse, wie eine HungeranoC
in Rom (3, 7, 49) und kriegerische Zeitläuft« (2, 15, 70), lassen sich schwer sicher bestimmen,
führen aber doch aller Wahrscheinlichkeit nach über das Jahr 386 zurück. Sonach bleibt
das Jahr 386 der späteste Termin, den wir für die Abfassung des Werks ansetzen können;
vgl. Ihm, Studia Ambroaiana p. 26.
Zur Composition. 2, 6, 25 fieque enim mihi ad mercatores lucri cupidine ataro$.
sed ad filios sermo est, et sermo de officiis^ quae vobis quos elegi in ministerium domini.
inculcnre gestio. 1, 8, 13 audisiis (Migne: audisti) hodie lectum, 1, 8, 25 dum legimut hodu
evflngeJlum. 1, 7, 23 neque improvide ad vos filios meos scribens, huius psalmi prooemio
usus sum. Die Benediktiner sagen in der admonitio (Migne Sp. 23): ^nullua est dubitaodi
locus, quin sermonibus publice habitis maximam partem constent hi libri.*
Litteratur. F. Bittner, De Ciceronianis et Ambrosianis officiorum libris commen-
tatio, Brausberg 1849; F. Hasler, Uober das Verhältnis der heidnischen und christlichen
Ethik auf Grund einer Vergleichung des ciceronianischen Buches ,de officiis* mit dem
gleichnamigen des hl. Ambrosius, München 1866; Dom. Leitmeir, Apologie der christl.
Moral, Darstellung des Verhältnisses der heidnischen und christl. Ethik zunächst nach einer
Vergleichung des ciceronianischen Buches „de officiis** mit dem gleichnamigen des hl. Am-
brosius, Augsb. 1866; J. Dräseke, Ciceronis et Ambrosii de officiis libri III inter se com-
parantur (Rivista di filol. 4 (1876) p. 121); J, Reeb, Ueber die Grundlagen des Sittlichen
nacli Cicero und Ambrosius. Vergleichung ihrer Schriften de officiis. Ein Beitr. zur Be-
stimmung des Verhältnisses zwischen heidnisch-philos. und christl. Ethik, Zweibrücken 1ST6.
P. Ewald, Der Einfluss der stoisch-ciceronianischen Moral auf die Darstellung der Ethik
bei Ainljrosius. Leipz. 1881 ; R. Thamin, St. Ambroise et la morale chr^tienne au IV "^^ siede.
Etüde comparee de traites des devoirs deCicöron et de s. Ambroise, Paris 1895; Th. Schmidt.
Ambrosius, sein Werk de officiis libri III und die Stoa, Diss. Erlangen 1897. Vgl. anch
A. Ebert, Allgem. Gesch. der Litt, des Mittelalters P (Leipz. 1889) p. 157.
Ausg. von Migne 16 Sp. 2.3; Ballerini 4 Sp. 21. Sonderausg. von J. G. Kra-
binger, Tübingen 1857.
Ueberset Zungen von C. Haas, Die Pastoralschriften des hl. Gregor des Grossen
und des hl. Ambrosius von Mailand übersetzt, Tübingen 1862, p. 271; von^F. X, Schulte.
^) So spricht er sich z. B. 8, 7 gegen die Vertreibung der Fremden zur Zeit einer
Hungersnot aus.
Ambrosio0* (§932.) 311
Ansge wählte Schriften des hl. Ambrd)»ias, Bischof von Mailand (Bibl. der Kirchenväter 2
(Kempten 1877) p. 12).
932. De virginibus L m. Von den Predigten des Ambrosius
machten besonders diejenigen grossen Eindruck, welche er zur Empfehlung
der Jungfräulichkeit hielt. Die Kunde von diesen Vorträgen drang über das
Weichbild von Mailand hinaus; von Bologna und Plazentia strömten Jung-
frauen nach Mailand, um hier den Schleier zu nehmen, ja selbst über das
Meer erstreckte das begeisterte Wort des Bischofs seine Wirkung; auch
mos Mauretanien eilten Jungfrauen nach Mailand, um die Gelübde der
Jungfräulichkeit abzulegen. Es ist nicht zu verwundern, dass vielfach
Stimmen in der Jungfrauenwelt laut wurden, welche eine schriftliche
Fixierung dieser Predigten wünschten, damit auch diejenigen, welche sie
nicht hören konnten, sich doch wenigstens an ihrer Lektüre erfreuen
möchten. Besonders scheint die Schwester des Ambrosius, Marcellina,
die selbst eine gottgeweihte Jungfrau war, den Bruder gedrängt zu haben,
Beine Vorträge niederzuschreiben. Ambrosius willfahrte den Wünschen
der Jungfrauen und machte aus seinen Predigten ein Werk von drei
Büchern. Im ersten Buch legt er den Wert der Virginität dar und zer-
streut manche Einwendungen gegen diese Tugend, welche die Heiden in
ihrem Wesen nicht gekannt hatten. In den zwei folgenden Büchern gibt
der fromme Bischof den Jungfrauen Lehren. Dies geschieht namentlich
dadurch, dass denselben leuchtende Beispiele vorgehalten werden. Vor
allem wird ihnen die Himmelskönigin zur Nachahmung empfohlen, alsdann
greift der Autor in das Leben der hl. Thekla hinein ; den Glanzpunkt des
zweiten Buches bildet aber die romanhafte Oeschichte einer antiochenischen
Jungfrau, welche einem öffentlichen Lusthause überantwortet, durch Ver-
kleidung entkam und mit ihrem Retter den Martertod erlitt. In dem
dritten Buche wird dem Leser die Geschichte der hl. Pelagia dargeboten.
Auch dem ersten Buch fehlt es nicht an einem Beispiel; hier schöpft der
Autor aus dem Leben der hl. Agnes Stoff für sein Thema. Diese Bei-
spiele sind mit starken rhetorischen Farben aufgeputzt; der Schriftsteller
läset gerne seine Personen längere Reden halten. Trotz des Wortreich-
tums fQhlen wir doch das warme Interesse des Bischofs für seinen
Gegenstand. Das dritte Buch gewinnt einen besonderen Charakter da-
durch, dass hier Marcellina in den Vordergrund tritt. Mancher interessante
Zug aus dem Ordensleben der damaligen Zeit lässt sich hier gewinnen.
Die rhetorische Kunst verleugnet sich auch hier nicht. So wird die Rede
des Liberius, die dieser bei der Einkleidung der Marcellina in Rom hielt,
eingestreut.
Die Schrift wurde abgefasst im Jahre 377, als Ambrosius noch nicht drei
Jahre im bischöflichen Amte war. Die jugendliche Begeisterung erfrischt
noch heute den Leser; die Schrift gehört zu den schönsten des Ambrosius.
Abfassnngszeit. 2, 6, 89 haec ego vobis, sanctae virgines, nondum triennalis ««-
eerdos munuscula paravi.
Zur Charakteristik. 1, 1, 1 seribendi aliquid sententia fuit; maiore siquidem
pudoris perieulo auditur vox nostra quam legitur; Über enim non erubescit. 1, 2, 5 et bene
proeedit, ut quoniam hodie natalis est virginis (nftmlich der hl. Agnes), de virginibus sit
loquendum, et a praedicatione liber sumat exordium. 1, 3, 10 invitat nunc integritatis
amor, ei tu, sorar sancta, vel mutis tacita moribuSf ut aliquid de virginitate dicamus.
812 Ambrosia«. (§§938,934.)
1, 10, 57 denique de Flaeentino saerandae vir^ines veniunt, de Bcnaniensi veuiunt, de Mauri-
tania veniunt, ut hie velentur. 2, 1, 1 superiare libro ptanium virginitatis munus sit, nrfw-
mu8 explicare; ut per se eaelegtia gratia muneris invUet legeniem. seeundo libro virgimem
institui decet et tamquam competentium praeceptorum magisteriis erudiri, 2, 1, 5 quomam
pleraeque dbsentes nostri desiderabant termonis usum, volumen hoc eondidi: quo pmfeettit
ad ee voeis meae munus tenentes, deesse non crederent, quem tenerenl,
Ausg. von Migne 16 Sp. 187; Ballerini 4 Sp. 189.
933. De viduis. Mit der Schrift de virginibus bringt Ambrosias
in ausdrückliche Verbindung die Schrift de viduis. Nach den Jungfrauen
folgen in der Wertschätzung die Witwen, da auch sie der Keuschheit
leben können. Der Bischof verwirft zwar nicht eine zweite Ehe, allein
er ermuntert auch nicht zu derselben. Der Witwenstand steht ihm höher
als die Ehe. Die Vorzüge desselben näher darzulegen, ist Zweck der vo^
liegenden Abhandlung. Er greift zur hl. Schrift und findet dort nachahmens-
werte Beispiele für die Witwen; er zeigt, dass dieselben sich des beson-
deren göttlichen Schutzes erfreuen; er greift aber auch in das volle Leben
hinein, um von einer zweiten Ehe abzuschrecken. Ein bestimmter Vor-
fall aus der seelsorgerischen Thätigkeit des Ambrosius gab den nächste
Anlass zur Abfassung der Schrift. Er hatte eine Witwe getröstet and
sie veranlasst, die äusseren Zeichen der Trauer abzulegen, allein diese
Witwe scheint in diesem Vorgehen des Bischofs eine stille Mahnung za
einer zweiten Ehe gefunden zu haben. Dieser irrigen Annahme trat Am-
brosius in der Weise entgegen, dass er die ganze Frage einer prinzipiellen
Würdigung unterstellte.
Wegen des innigen Zusammenhangs, in den Ambrosius selbst die
Schrift mit de virginibus gebracht, wird für beide Schriften dieselbe Zeit
der Abfassung anzusetzen sein.
Die Echtheit der Schrift wurde angefochten, allein die Gründe der
Anfechtung sind nichtig; sie haben ihre Wurzel in dogmatischen Streitig-
keiten über die Anrufung der Heiligen, i)
Zur Charakteristik. 1, 1 hene acciditf fratres, ut quoniam tribus libris superio-
ribus de virginum laudihiis disseruimus, viduarum tractatus incideret; neque enim inhänorai
debuimus praeterire et a virginum praeconio separare, quas apostolica sententia cum ri>-
ginibits copulavit. 11,68 neque prohibemus aecundas nuptias, sed non suademus plu*
di^iOy non prohibemus secundas nuptias, sed non probamus saepe repetUas. 9, 59 suasimw,
fateor, ut vestem mutares, non ut flammeum sumeres; ut a sepxdcro recederes, non ut thalo"
mum praeparares.
Ausg. von Migne 16 Sp. 233; Ballerini 4 Sp. 241.
934. De virginitate. In älteren Ausgaben wurde die unter dem
Namen de virginitate gehende Schrift als viertes Buch des Werkes De
virginibus gelesen. Mit Recht haben die gelehrten Benediktiner unseren
Traktat aus dieser Verbindung losgelöst und zur selbständigen Schrift
erhoben. Dass unsere Monographie nicht zu der Schrift de virginibus
gehört, geht schon daraus hervor, dass das Ende dieses Werkes vom
Schriftsteller ausdrücklich markiert wird.*) Auch wird in dem Buche De
virginitate auf die Schrift De viduis Bezug genommen,') welche jünger ist*)
M Vgl. darüber Migne, Admonitio viduis cap. 9.
Sp. 233; F ©erster, Ambrosius p. 88. ' *) Vgl. Migne in der admonitio Sp. 263:
^) De virginibus 3, 7, 32 inm ad fineni „libro de viduis, quem constat libris de vir-
orationis vela pandenti bene suggeris etc. ginibus posteriorem esse.*
3j De virginitate 8, 46 wird citiert de
Ambrosiiis. (§ 985.)
313
als De virginibns. Auch die Composition beider Schriften ist verschie-
den; die Schrift De virginibus ist an Marcellina gerichtet, die Schrift De
▼irginitate an Jungfrauen und Witwen. Endlich bietet auch die hand-
schriftliche Ueberlieferung deutliche Anzeichen für die Trennung der beiden
Traktate. Die warmen Vorträge des Ambrosius zur Empfehlung der Jung-
firäulichkeit hatten vielfachen Anstoss erregt. Der Bischof verteidigt sich
in der Schrift De virginitate gegen die ihm gemachten Vorwürfe, indem
er darzuthun sucht, dass die Jungfräulichkeit weder verwerflich, noch neu,
noch unnütz sei. Allein der Verfasser bleibt nicht bei^dem Negativen
stehen, er verbreitet sich auch in positiver Weise über das Thema. Eine
streng logische Anordnung des Stoffes wird vermisst, besonders der Ein-
gang steht nur in losem Zusammenhang mit dem Folgenden. Es erklärt
sich dies wohl daraus, dass die Schrift aus mehreren Predigten zu-
sammengearbeitet ist. Die Zusammenarbeitung erfolgte in der Weise, dass
der Predigtcharakter nicht verwischt wurde. So wird ausdrücklich auf
das Fest von Peter und Paul, an dem die Predigt gehalten wurde, hin-
gewiesen,^) an einer anderen Stelle^) wird auf die Lesung des Evangeliums
zurückgegriffen. Verglichen mit der Schrift De virginibus ist unser Traktat
viel dürrer, nur das Gleichnis, das von der Biene genommen (c. XVII),
erinnert an die Zartheit jener Schrift. Sachlich interessant ist die Er-
örterung der vier Gardinaltugenden (c. XVIII). Stellen aus dem hohen Lied
werden gern herangezogen. Deutliche Anzeichen für die Abfassungszeit
der Schrift fehlen; doch ist kein Zweifel, dass sie nicht lange nach De
virginibus entstanden ist, weil der Verfasser die hier vorgetragenen An-
sichten über die Jungfräulichkeit verteidigt.
Zur Charakteristik. 8, 11 quo in negotio etiam no8 vocamur in culpam. Quam
f andern? Quia nuptias prohibuimus illicitas. 5, 24 nee quemquam publice arguo, sed me
ip9um defensatum venia .... criminis autem invidia haec est, quia suadeo castitatem. 7, 35
nee improbum nee novum integritatie est Studium, Videamus ne forte inutile iudicetur.
Ausg. von Migne 16 Sp. 265; Ballerini 4 Sp. 273.
935. De institutione virginis. Unter den Schriften des Ambrosius
befindet sich ein Traktat, der in der handschriftlichen Ueberlieferung
betitelt ist: Sermo de Sanctae Mariae virginitate perpetua. In den Drucken
dagegen lautet der Titel und zwar ohne Zweifel ebenfalls nach hand-
schriftlicher Ueberlieferung: Ad Eusebium institutio oder De institutione
Virginis. Der Titel ad Eusebium institutio führt uns näher auf die Ent-
stehung des Werkes. Aus den zwei ersten Kapiteln desselben ergibt sich,
dass ein Mann seine Enkelkinder dem Ambrosius zur Erziehung übergeben
und dass sich darunter Ambrosia befand, welche den Schleier nahm. Bei
diesem Anlass hielt der Bischof eine Rede an die Jungfrau. Diese Rede
schickte er mit einer Einleitung an den Grossvater der Ambrosia. Nach
der Ueberschrift müsste dieser Mann also Eusebius gewesen sein. Es
unterliegt kaum einem Zweifel, dass dieser Eusebius der vornehme Bürger
von Bologna war, mit dem Ambrosius in innigem Freundschaftsverhält-
nisse stand.^) Die Rede ist stark dogmatisch gehalten; denn sie wendet
^) 19, 124 hodie natali eorum (sc. Petri
et Pauli) Spiritus sanctus inerepuit.
*) 3, 14 eerte hoc docuit hodierna quae
decursa est lectio.
») Vgl. die Briefe 54 und 55 (16 Sp. 1167
Migne).
314 Ambroaiiui. (§§ 986, 987.)
U.
sich gegen die Häretiker, welche die Jungfräulichkeit Marias leugneo.
Besonders hat der Autor hier den Bischof Bonosus im Auge. Auch mj-
stische Interpretationen laufen mit unter. Eine wärmere Haltung gewinnt i^r
die Rede erst am Schluss, wo sich der Redner direkt an Ambrosia vor
dem Akt der Einweihung wendet. Die Benediktiner setzen die Schrifi
in das Jahr 892, indem sie besonders das Aufkommen der Häresie da
Bonosus in Erwägung ziehen.
Zur Charakteristik. 1, 1 eommendas mihi pignus tuum, ^uod aeque €9t mtm^
Ämbrosiam Domini ^acram: et pio affectu eius tibi aaaeris prautantiorem reliqw mUp
sollieUudinem, 2, 15 de qua (virginitate) licet frequentihua libris dlxerimus, tamen memonA
pignoris causa hunc ad te librum condendum arbitrati sumus, 5, 85 fuerunt qui en
(sc. Mariam) negarent virginem peraetftrasae. Hoc tantum aaeriUgium siUre iamduim
maluimua: sed quia causa vocavit in medium, ita ut eius prolapsionis etiam Epifetfm
argueretur, indemnatum non putamus relinquendum. Vgl. des Näheren Ihm, Stndia A»
brosiana p. 29, der die Schrift in das Jahr 391 oder 392 setzt.
Ausg. von Migne 16 Sp. 305; Ballerini 4 Sp. 815.
936. Exhortatio virj^tatis. Als der Usurpator Eugen im Begrüe
war, die Alpen zu überschreiten, flüchtete sich Ambrosius nach Bologio.
Hier fand er die Gebeine des Vitalis und des Agricola.^) Als die Flores-
tiner von der Anwesenheit des Bischofs in Bologna Kunde erhalten hattea,
wurde er eingeladen, die von einer Witwe Juliana erbaute Kirche einio-
weihen. Ambrosius folgte der Einladung; er begab sich nach Florenz mit
Reliquien der von ihm aufgefundenen heiligen Leiber.') Die Rede, welche
der Mailänder Bischof bei der Einweihung des Gotteshauses hielt, bildet
den vorliegenden Traktat, und zwar deutet nichts auf eine Umarbeitung
hin, durch welche die Rede den Charakter einer Schrift erhalten hfitte.
Die Composition des Schriftstücks ist eine sehr eigentümliche; in die Rede
ist nämlich eine zweite Rede eingeschaltet, eine Ansprache, welche Juliana
an ihre Kinder hielt, um sie zu ermuntern, den Stand der Ehelosigkeit
zu erwählen. Diese eingeschobene Rede ist natürlich nur ein Kunstmittel.
Der Autor will uns die fromme Einwirkung der Mutter auf ihre Kinder
nicht durch eine Erzählung, sondern durch eine lebendige Ansprache der
Witwe selbst vor Augen stellen. Den Worten der Juliana fügt Ambrosius
seine eigenen hinzu; er gibt den Kindern fromme Lehren und vollzieht
dann den Einweihungsakt mit einem kräftigen Gebet. Die Rede fallt in
das Jahr 398.»)
Zur Charakteristik. Paulin. vita Ambrosii 27 (14 Sp. 36) hoc (das Vorgehen des
Eugenius) uhl cognovit Sacerdos (Ambrosius), derelicta cicitate Mediolanensi, ad quam Uli
(Eugenius) festinato rettiebaf, ad Bononiensem civifatefH emigrarit, atque inde Farentinm
Hsque perrexit, Uhl cum aliquantis degeret diebus, itivitatus a ilorentinis, ad Tusciam
usqite descendit. Exhort. 1, 1 ego ad liononiense itivitatus conririum, übt sancti tnartyrif
celehrata translatio est, apophoreta rohis pleno sanctiiatis et gratiae reserrari. Die Rede
der Juliana wird eingeleitet durch die Worte 3, 13 succinxit mentis viscera, et circumfusam
Sie videns numero fiUarum triumy et unius filiiy quo solent terreri caeterae, hoc fortior facta,
tali filios aUoquio convenU. Geschlossen wird die Rede durch die Worte 8, 53 haec et aUn
pla mater,
Ausg. von Migne 16 Sp. 335; Ballerini 4 Sp. 349.
1)37. De lapsu virginis consecratae. Eine Jungfrau mit Namen
Susanna aus vornehmer Familie hatte wider den Willen ihrer Eltern sich
^) Benutzt ist unsere Schrift in dem un- , ') Oder 894, was Ihm. Studia Anibro-
echton Brief No. 3 (17 Sp. 747 Migne). siana p. 30 auch für möglich hält.
* Er nennt sie apophoreta. \
AmbrosioM. (§ 988.)
315
ierlich Oott geweiht, später aber das Gelübde der Keuschheit gebrochen,
'h mit einem Jüngling eingelassen und das aus dieser Verbindung ent-
rungene Kind getötet. 1) Der Bischof hält ihr in scharfen Worten ihr
ergehen vor, schildert mit lebhaften Farben das Aergernis, das sie ge-
lben, den Kummer ihrer Familie, wobei er zugleich alle Ausreden, die
) vorbringen könnte, ihr abschneidet. Auch den Verführer treffen scharfe
'orte des Bischofs. Aber nicht zur Verzweiflung soll die gefallene Jung-
Gtu gebracht werden; der Bischof zeigt ihr den Weg der Busse, durch
dche sie sich wenigstens von ewiger Höllenstrafe befreien könnte. Mit
Der der Jungfrau in den Mund gelegten Klage schliesst das Schriftstück.
an rhetorischer Charakter tritt ausserordentlich scharf zutage; die Kunst-
ittel der Rede sind stark in Anwendung gekommen, und es lässt sich
h^ver glauben, dass diese declamatio von Ambrosius stammt.
Die Echtheitsfrage. Die Ueberlieferung spricht f&r Ambrosius. Im codex 68
n JEpinal s. VII/VIII und im cod. 17 A s. X des Seminars von Autun finden wir unsere
brift unter dem Titel: Epistola Nicetae episcopi de lapsu Susannae devotae et cuiusdam
iOfHa. Obwohl der Text an vielen Stellen von der Fassung abweicht, die unter dem
•men des Ambrosius bekannt ist, liegt doch dasselbe Schriftstfick vor. Allein der Text
icht mit 10, 44 Stridor dentium .... humiliatus sum ab; dann folgen die Worte: Hanc
Isiolam 8anctu8 emendavit Ambrosius quia ut ab ipso auctore fuerat edita non erat ita
9f%iam ah imperitissimis fuercU viciata. Emendatd mediolano; vgl. Morin, L*£pistula ad
"SÜiem lapsam de coUection de Corbie. Opuscule in^dit de la fin du IV** siäcle (Revue
«iMictine 14 (1897) p. 194). Diese Notiz verdient keinen Glauben. Schon das ist auf-
iliS, dass das Schriftstfick als Brief bezeichnet wird, während es sich doch als Rede dar-
»Ut. Was die Subscriptio besagt, ist ganz unwahrscheinlich; auf der einen Seite war die
ide dem Nicetas (vgl. § 965) zugeteilt, offenbar nach Grennadius, auf der anderen Seite war
der Ueberlieferung Ambrosius als Autor genannt. Zwischen beiden Thatsachen wollte die
ibacriptio vermitteln. Die Benediktiner belassen die Schrift unter den Werken des Ambro-
■b; allein sie verkennen nicht, dass der Stil sich merklich von dem ambrosianischen ab-
)be ; unter allen Umständen meinen sie, dass die Schrift der Zeit des Ambi*08ius angehöre,
euerdings tritt auch Morin (p. 195) für die Echtheit ein. Er will die Stilverschiedenheit
idiirch erklären, dass unsere Rede zu den „discours improvis^s*^ gehOre, «que nous a
anftmis Theureuse indiscrötion de ses auditeurs.* „II conhent des indiscr^tions analogues
Celles qui ont ^t^ relev^es dans TExplanatio et dans le De sacramentis, quoique d'un
itre genre.*
Ausg. von Migne 16 Sp. 367; Ballerini 4 Sp. 385.
y) Dogmatische Schriften.
938. Die Schriften über die Trinität. In den dogmatischen Schriften
ritt die trinitarische Frage der ganzen Zeitlage nach naturgemäss in den
Vordergrund. Auch diese Schriftstellerei des Ambrosius wurde durch äussere
fomente bestimmt. Der junge Kaiser Gratian, der zu Ambrosius mit
;ros8er Verehrung emporblickte, wünschte von ihm eine schriftliche Be-
Bhrung über die Trinität. Es ist recht bezeichnend für den Kaiser, dass
r seinem Wuns^e Ausdruck gab, als er im Begriffe war, dem Kaiser
Valens im Kampfe gegen die Gothen beizustehen, und dass er noch in
lieser schweren Zeit, wo das Reich in allen Fugen krachte, den theo-
Dgischen Subtilitäten sein Interesse zuwandte. Ambrosius schrieb, um
lern Verlangen des Kaisers stattzugeben, Ende 877 oder Anfang 878 zwei
tücher über den Glauben (de fide) und übersandte sie dem Kaiser. >)
Lls Gratian von seinem Feldzug zurückgekehrt war, regte er im Jahre 379
') 8, 34.
') Die Bttcher werden sowohl von Au-
toren als in Handschriften auch de trii^
betitelt; vgl. die admonitio bei Mign^ ^
tt
316 Ambrosiiui. (§ 938.)
eine durch eine Erörterung über die Natur des hl. Geistes vermehrte neu
Auflage der zwei Bücher an. Ambrosius versprach auch, den WQ]ttijk|}:s
des Kaisers zu erfüllen, allein vorher wollte er noch mehrere Fragen, dii |^
in dem Werk de fide zu kurz behandelt waren, eingehend erörtern. Be-
sonders war es aber der Angriff des Arianers Palladius auf seine zwq _
ersten Bücher, der ihm den Oriffel in die Hand drückte.^) So kamen al^":
den zwei Büchern noch drei hinzu. Nachdem Ambrosius in den fünfBi-l. _
ehern die Wesensgleichheit des Vaters und des Sohnes dargethan oil^
gegen die Einwürfe der Arianer verteidigt hatte, erübrigte noch, diil'*^.
Wesensgleichheit des hl. Geistes zu erweisen. Der Gegenstand vv 1^/
nicht so leicht zu behandeln, doch fehlte es nicht an griechischen Ho-"^'^
Stern, welche auch dieses Thema erörtert hatten; besonders Didymusdff
Blinde war für den Mailänder Bischof eine reiche Fundgrube.*) Der SM
wuchs dem Verfasser zu drei Büchern heran, die dem Kaiser Gratian ii l*^
Jahre 381 überreicht wurden. Allein noch einmal erhielt Ambrosius 6e-i!^'_
legenheit, auf das Problem der Trinität zurückzukommen. Am Hofe da 1^
Kaisers Gratian befanden sich zwei arianisch gesinnte Kämmerer,') die|*p
den Bischof zu einer öffentlichen Erörterung über das Geheimnis der Mensck- rZ
werdung Christi, das auch auf dem Concil von Aquileia verhandelt worden, r^
aufforderten; als dieselben aber am bestimmten Tage nicht erschien«! 1^
waren, behandelte trotzdem Ambrosius das vorgeschlagene Thema in einer V.
Predigt. Auf Wunsch Gratians erweiterte er diese Predigt zu der Schrift '^'
de incarnationis dominicae sacramento.
Abfassungszeit der Bücher de fide. Zu beachten ist, daas die zwei erstei
Bücher etwas früher geschrieben sind als die drei letzten; vgl. 3, 1. Die Abfassongszeit der
zwei ersten Bücher wird bestimmt durch die Worte (1 prol. 3) petiB a tne fidei libeUumy sancU
imperatoTj profecturus ad proelium. Es ist die Zeit gemeint, da Gratian im Begriffe wir.
dem Valens im Kampfe gegen die Gothen beizustehen; es war Ende 377 oder Anfang 378,
Jedenfalls fallen die Bücher vor die Niederlage des Valens bei Hadrianopel; vgl. 2, 16, 136
neque vero te^ imperatorj pluribus tenere deheo hello intetitum et victricia de harharU tro-
phaen meditantem. Frogredere plane scuto fidei septus et gladium Spiritus habens: pro-
yredere ad victoriam superioribus promissam temporibus et divinis oraeulis prophetatam.
Im Jahre 379 schrieb Gratian an Ambrosius (Migne Sp. 876): Rogo te ut mihi des ipsum
tractatum, quem dederas, atigendo illic de Spirifu sancto fidelem disputationem, worauf Am-
brosius antwortet (Migne Sp. 878): Misi duos libellos (d. h. die zwei ersten Bücher de fide).
quorum iam, quia tuae clemenfiae sunt probati, periculum non verebor: de spiritu rero
inierim reniam scriptioni peto; quoniam quem iudicem mei sim sermonis habiturus^ agnori
Die drei letzten Bücher fallen also in die Zeit zwischen 379 und der Abfassung der Bücher
de spiritu sancto; vgl. Ihm, Studia Ambrosiana p. 31. — üeber den cod. Parisinus 8907
vgl. Ka uff mann, Texte und Untersuchungen zur altgerman. Religionsgesch. 1 (Strassb.
1899) p. XVII. - Text bei Migne 16 Sp. 527; Ballerini 4 Sp. 573.
Abfassunjjszeit der Schrift de spiritu sancto. 1 prol. 17 wird der Tod des
Gothenkönigs Athanaricus erwähnt, der Januar 381 erfolgte. Ebenda 18 erscheint der
Bischof von Alexandria Petrus noch lebend; derselbe starb aber in iemselben Jahre vor
dem Monat Juli. Die Abfassung der drei Bücher de spiritu sancto fällt also in das Jalir
381; vgl. Migne Sp. 699; Ihm, Studia Ambrosiana p. 32. — Text bei Migne 16 Sp. 703:
Ballerini 4 Sp. 753. — Schermann, Die griech. Quollen in Ambros. de spiritu sancto.
München 1902.
Abfassungszeit der Schrift de incarnationis dominicae sacramento.
Die Schrift ist nach den Büchern de tide entstanden; vgl. 7, 62 nonne de Patris ei Filii
divimtate quinque Ulis, quos scHpsisii, Ubris conclusurum te esse promiseras? Die Ab-
M Vgl. Diss. Maximini P 337 p. 80; | p. XXXVI.
vgl. 8, 1, 2 (Sp. 589 Migne) mens prnra ; 2) ygi ^jj^ g^monitio bei Migne Sp. TÖl.
quorundam serendis intenta quaestionibus, *) Vgl. die vita Ambrosii von Paulinn*
stilo lacessit uheriore confici; Kau ff mann § 18 (14 Sp. 33 Migne).
Ambrosiu«- (§939.) 317
llnng wurde noch zu Lebzeiten Gratians verfasst; vgl. 8, 80 ergo ut respondeam, clemen-
me imperatar, per te mihi propositae quaestiani. Sonach fällt die Schrift nicht vor
nnd nicht nach 383, in welchem Jahr bekanntlich Gratian den Tod fand; vgl. Ihm,
lia Ambrosiana p. 83. Wahrscheinlich wird das Abfassongsjahr 382 sein; vgl. Kauff-
in p. XXXVm. — Text bei Migne 16 Sp. 817; Ballerini 4 Sp. 875.
939. Andere dogmatische Schriften. Nicht bloss die Trinität, son-
D auch andere dogmatische Probleme wurden von Ambrosius behandelt.
;h hier griffen praktische Rücksichten ein. So war es eine alte Streit*
re, ob alle Sünden nachgelassen werden könnten. Diese Streitfrage
* besonders durch die Novatianer aufgekommen, die sich auf den rigo-
ischen Standpunkt stellten. Die Kirche aber entschied sich für die
le Auffassung, und auch Ambrosius trat für dieselbe in den zwei Bü-
ro über die Busse (de poenitentia) ein. Den Gegenstand einer zweiten
matischen Schrift bildet die Unterweisung, welche die Neugetauften
r die Sakramente zu empfangen hatten; sie ist gegeben in einer Schrift,
che den Titel de mysteriis führt und besonders alttestamenÜiche
ge typologisch verwertet. Mit der Schrift de mysteriis steht in eng-
a Zusammenhang die de sacramentis, welche aus sechs Büchern,
. aus ebensoviel Predigten besteht. Der Inhalt der beiden Werke ist
wesentlichen derselbe. Vergleicht man beide Schriften genauer mit-
knder, so sieht man, dass in den Büchern de sacramentis eine andere
tion herrscht und Eigentümlichkeiten vorkommen, welche von Am-
)ius abstechen; die Bücher de sacramentis werden also Ambrosius nicht
ehören, sondern von einem späteren Autor, der etwa im fünften Jahr-
dert lebte, verfasst worden sein. Nicht völlig gesichert ist auch die
orschaft des Ambrosius bei der explanatio symboli ad initiandos;
ist eine extemporierte, von einem Zuhörer nachgeschriebene Rede,^)
che das Glaubensbekenntnis erläutert und hierbei gegen den Arianismus
ilung nimmt. Dagegen ist eine mit dem Namen des Ambrosius versehene
lortatio ad neophytos de symbolo mit Entschiedenheit dem Mai-
ler Bischof abzusprechen. Ebenso apokryph ist eine für den Greatianis-
9 eintretende altercatio, die am Anfang verstümmelt ist und die Bibel-
len nach der Itala citiert. Mehr philosophischen Inhalts war die ver-
me Schrift de sacramento regenerationis sive de philosophia,
sich dieselbe besonders gegen Plato wandte. Was in der gleichfalls
lorenen Schrift ad Pansophium puerum gestanden, lässt sich nicht
littein. Dogmatischen Inhalts aber war die ebenso nicht erhaltene ex-
jitio fidei, aus der Theodoret, Bischof von Cyrus, ein längeres Bruch-
ck in griechischer Sprache mitgeteilt hat.
De poenitentia. Enarrationes in psalm. XXXVII § 1 (14 Sp. 1009 Migne) de
titentiä duos tarn dudum scripsi libelloSf et Herum scrihendum arhitror. Eine sichere
bestimmong ist nicht möglich; die Benediktiner (Migne Sp. 463) teilen die Schrift dem
re 384 zn. üeber den Inhalt sagen dieselben (1. c): „Vix alibi clarios a Christo ecclesiae
ita peccatonun dimittendorum auctoritas, necessitas eonindem confitendonim, ac tandem
onim operom corporisque castigationum meritum manifestantor.** Ueber die Schwierig-
, die dadurch entsteht, dass im Commentar zu Lucas strengere Auffassung vertreten
1, vgl. Foerster, Ambrosius etc. p. 90. — Text bei Migne 16 Sp. 465; Ballerini
p. 509.
De mysteriis. 1, 2 nunc de mysteriis dicere tempus admonet, atque ipsam sacrO'
iorum rationem edere: quam ante haptismum si putassemus insinuandam nondum i
*) Vgl. Gas pari, Quellen zur Gesch. des Taufs3rmbols p. 61.
318 Ambrosins. (S 939.)
tiatis, prodidisse potius quam edidisse aestimaremur. Ans 1, 1 de maraUhu» qwdidwim\-'^
sermonem habuimuSf cum vel pairiarcharum gesta, vel prarerbiarum Ugerentur praeapk
darf wohl geschlossen werden, dass die Schnft nach den Abhandlungen über Abnh«,
Isaac und Jacob geschrieben sei. Die Benediktiner (Migne Sp. 387) setzen daher it
Schrift um 387 an. In den meisten Handschriften lautet der Titel: De mysteriie mv$ im.
tiandis, in den ältesten aber de divinis mysteriis oder de mysterüs. Die Echtheit w«ie
mit Unrecht bezweifelt. Es liegt dieselbe Individualität vor, wie bei den echten Schrift«
des Ambrosius; vgl. einige Belege bei Ihm, Studia Ambrosiana p. 80 Amn. 124. — Tot
bei Migne 16 Sp. 389; Ballerini 4 Sp. 427.
De sacramentis. Für die Unechtheit sprechen sich aus die Benediktiner (t^
Migne in der praef. Sp. 415), Foerster p. 96, Ihm, Studia Ambros. p. 72: «Explontn
habeo auctorem non esse Ambrosium librosque saec.V vel VI compodtos esse.* Die B«i«>
diktiner verlegen die Abfassung der Schrift in die Zeit bald nach Ambrosius. Tillemoct
u. a. halten den Bischof Maximus von Turin für den Autor; diese Hypothese lisst äd
jedoch nicht fest begründen. Fr. Probst (Liturgie des vierten Jahrhunderts und dera
Reform, Münster i. W. 1893, p. 239) hält für den Verfasser der Schrift Ambrosius. der At
Predigten, aus denen die Schrift besteht, zur Schrift de mysterüs umgearbeitet habe; «
seien aber auch die Predigten nach der stenographischen Niederschrift eines ZuhQrers pvUi-
ziert worden und dies sei das Werk de sacramentis. Für nachgeschriebene Predigten dci
Ambrosius hält unsere Schrift wie die explanatio Morin, Revue B^n^dictine 12 (1895) p. 38i
— Text bei Migne 16 Sp. 417; Ballerini 4 Sp. 457.
Explanatio symboli ad initiandos. Von A.Mai, Scriptorum vet. nova colledii,
Rom 1833, p. 156 wurde eine Schrift aus einem cod. Vaticanos-Bobienais herausgegebci
unter dem Titel: Beati Ambrosiif episcopi Älediolaftensis, explanatio Symboli ad initiandü:
auch bei Migne 17 Sp. 1155; Ballerini 6 Sp. 277. In abweichender Gestalt war dien
Rede auch bereits aus einem cod. s. XIII des Klosters Lambach publiziert in der Ami.
der Werke des Maximus von Turin von Bruno Brunus, Rom 1784, Appendix p. 3>}:
auch bei Migne 57 Sp. 853. Beide Textesgestaltungen jetzt abgedruckt bei Casptri.
Ungedruckte, unbeachtete und wenig beachtete Quellen zur Gesch. des TaufsymboU loi
der Glaubensregel 2 (Christiania 1869) p. 50. Die Ueberlieferung schwankt in Bezug ui
die Autorschaft zwischen Ambrosius und Maximus. Caspari spricht sich nach Erwi^oig
aller Umstände für Ambrosius als Verfasser aus (p. 73).
Exhortatio sancti Ambrosii episc. ad neophytos desymbolo. Unter diesa
Titel befindet sich im cod. Vindobonensis-Palatinus 664 s. XIV diese Rede, der ein Schreiber
über der Zeile auch den Namen Augustinus beigefügt hat. Ausserdem ist die Exhorüd-}
noch im Vindobonensis 305 s. XV enthalten; vgl. Caspari, Quellen zur Gesch. des Turf-
Symbols 2 p. 128, wiederholt in den alten und neuen Quellen etc., Christiania 1879, p. l'?6
(auch bei Ballerini 6 Sp. 285). ,Dio Auslegung des Symbols in der Rede, soweit mia
von einer solchen reden kann, ist ganz vom Gegensatz zum Arianismus beherrscht: dieser
Gegensatz bestimmt Alles in der Rede* (Caspari p. 147). Die Worte ad neophytos müssen
hier wohl von noch nicht Getaufton verstanden werden; vgl. Caspari p. 150. Die Autor-
schaft des Ambrosius ist unmöglich; vgl. Caspari p. 178. Derselbe (p. 181) will Lucifar
von Cagliari als Verfasser der Exhortatio hinstellen, dagegen G. Krüger (Lucifer, Bisciiof
von Calaris, Leipz. 1886, p. 118) Eusebius von Vercellae. Beide Annahmen entb<?hren der
zureichenden Begründung.
Altercatio sancti Ambrosii contra eos, qui animam non confitenter
esse facturam. aut ex traduce esse dicunt. Ueberliefert in Parisinus 2025 s. XID,
1710 s. XIV, 1920 s. XIV, Monacensis 6311 s. X. Auch Johannes von Sevilla (aus der
ersten Hälfte des 9. Jahrh.) bezeichnet unsere Schrift als ein Werk des Ambrosius; v^.
Caspari, Kirchenhistorische Anecdota 1 (Christiania 1883) p. 230 (auch bei Ballerini 6
Sp. 851). Allein dass dieser der Verfasser nicht sein kann, steht fest; vgl. Caspari p. Xu.
Die verlorene expositio fidei. Theodoret, Bischof von Cyrus (Eiänistes sive
Polymorphus Dial. 2) führt ein längeres Fragment an rov dyiov 'AfißQoaiov äTiiaxortor Mi-
dio'Adyov eV ix^^iasv TtiareüJi; abgedruckt bei Migne 16 Sp. 847; Ballerini 4 Sp.909. Ueber
andere Fundstätten vgl. Ihm, Studia Ambrosiana p. 77.
Andere verlorene Schriften. 1. De sacramento regenerationis sive de
philosophia. Vgl. Augustin. contra Jul. Pel. 2, 5, 14; 2, 6, 15; 2, 8, 24; 2, 7, 20. 2, 7. IV
audi ergo quid dicat in libro de philosophia contra Platonem philosophum, qui hominum
animas rerolvi in hvstitts assererat et animarum tantummodo deum opinatur auctortm,
rorpora autem diis minor ibus facienda decernit. Auf diese Schrift bezieht sich auch, w«
Augustin (epist. 31, 8 a. d. J. 396) sagt: lihros heatissimi papae Ambrosii credo habere sancti-
tatvm tuam; eoA autem multum desidero, quos adversus nonnullos imperitissimos et super-
biesimos, rjui de Piatonis libris dominum profecisse contendunt, diligentissime scripsit. Frag-
mente in der Ausg. von Ballerini 4 Sp. 905; neue Hinweise bei Ihm, Studia Am-
Ambrosin«. (§ 940.) 319
p. 76. 2. Ad Pansophium puerum. Diese Schrift beruht auf einem Bericht
'wnnderglftubigen Paulinus m seiner vita des Ambrosius § 28. Als nämlich Ambrosius
'/M in Florenz weilte, wohin er sich vor dem Usurpator Eugenius geflüchtet hatte, er-
» er ein verstorbenes Kind mit Namen Pansophius wieder zum Leben. Paulinus
fort: ad quem etiam infaniulum Hbellum conscripsit, ut quod per aetatis infantiam
nan poterat, legendo eognosceret. verumtamen factum acriptis suis non commemoravit :
^uo affectu declinaverit commemorare, non est nostrum iudicare; vgl. auch ebenda § 50.
Ueber die Schrift de fide orthodoxa contra Arianes vgl. § 903.
Ausg. ausgewählter dogmatischer Schriften des Ambrosius bei H. Hurter,
rum Patrum opusc. sei. Ser. 1: De poenitentia t. 5: De mysteriis t. 7; De fide ad
um Augustum t. 30. ^ y .
r ji
(f) Reden und Briefe.
940. Die Trauerreden auf Satyrus 1. II. Der Bruder des Ambro-
-Mius, Satyrus, hatte, nachdem jener das bisehöfliche Amt angetreten, die
.^jVerwaltung des väterlichen Vermögens übernommen. Als Vermögensver-
=^?walter erachtete er es für seine Pflicht, einen Schuldposten von einem
—-^wissen Prosper in Afrika einzutreiben. Trotz der Abmahnungen seines
^{.geistlichen Bruders begab sich Satyrus selbst nach Afrika. Nachdem er
•-•liein Geschäft dort abgewickelt hatte, kehrte er nach Italien zurück. Er
^' tegab sich zuerst nach Rom und von da nach Mailand, um angesichts
^£.der drohenden kriegerischen Verwicklungen in der Nähe des geliebten
^Bruders zu sein. Allein er fiel bald in eine Krankheit, weiche ihn im
—'Jahre 375 dahinraffte. Ambrosius hielt selbst dem verstorbenen Bruder
:^:-die Leichenreden. Die eine sprach er am Tag der Bestattung vor der
» ausgesetzten Leiche in der Kathedrale, die andere sieben Tage später am
. Grabe; beidemale war ein zahlreiches Publikum erschienen. Die beiden
=;. Beden wurden von Ambrosius zu einer Schrift vereinigt, wobei kleine
■(>: Aenderungen gemacht werden mussten.^) In manchen Handschriften wird
^ das erste Buch de excessu Satyri fratris sui, das andere de resurrectione
^. mortuorum betitelt.*)
=^ In der ersten Rede gibt Ambrosius vor allem seinem tiefen Schmerze
^ Ausdruck. Beide Brüder waren ja durch die grösste Seelenharmonie mit-
^^r einander verbunden; auch äusserlich glichen sie sich so, dass sie oft mit-
-ö einander verwechselt wurden. Er gibt eine warme Schilderung von dem
~* Charakter des Verstorbenen; trotz allen Schmerzes vermag er doch, sich
•r und seiner Schwester Marcellina Trost zu spenden. Die Rede bietet un-
■t gemein zarte Stellen, und man kann sich leicht denken, welch tiefen Ein-
^ druck die Worte des Redners auf die lauschende Versammlung machten;
i de gibt uns ein schönes Bild der zärtlichsten Geschwisterliebe. Auch
^ für das kirchliche Leben gewinnen wir manchen lehrreichen Zug; so ist
^ das, was vrir über die hl. Eucharistie lesen, von grossem Interesse. Auch
Kf der Zeitlage gedenkt der Redner; wir hören gleichsam wie der Feind an
den Thoren pocht.
^ Die zweite Rede hat einen anderen Charakter; sie ist ruhiger ge-
^ halten und gibt weniger dem persönlichen Schmerze Ausdruck, sie fasst
-> das Thema vielmehr vom allgemein menschlichen Standpunkte an. Sie
') Der Schriftcharakter erhellt aus den
Eingangsworten der zweiten Rede : Superiore
libro aiiquid indulsimus ....
') ionbrosius selbst citiert die Bttcher
in Enarr. in XII Fr' 049
Migne) non praitr
lationis et resurf^
tu.
320 Ambroaius. (§ 941.)
zeigt, dass der Tod nicht beklagt werden dürfe, weil er durch die Oesetnp
der Natur begründet sei, dann weil er uns von den Leiden des Leb«
erlöse, endlich weil der Leib auferstehe. Bei diesem letzten Punkt ^c^
weilt der Redner am längsten ; an Hand der Vernunft, an Hand der Natir
und an den Beispielen Auferstandener verficht er den Satz von der US^
liehen Auferstehung. Durch die zweite Rede tritt die ganze Schrift ia
die Litteraturgattung der Consolationes, welche die Heiden schon viel be-
arbeitet hatten, ein. Das Ganze ist eine schöne Trostschrift auf chriit-
licher Grundlage.
Abfassungszeit. 1, 30 raptua est, ne in manua incideret Barbarorum: ntptm
est, ne totitis orhia excidia, mundi finem, propinquarum funera, eivium martes, ne poitrm
sanctarum virginum atque viduarum, quod omni morte aeerbius est, cd^upionem vidmt.
1, 32 cum a viro nobili revocareris Symmacho tuo parente, quod ardere beüo Itdlia di»
retutf quod in periculum tenderes, quod in hostem ineurreres; respondisti hane ip9n
tibi causam esse veniendi, ne nostro deesses periculo, ut consortem te fraterni discrimm
exhiberes. Darnach entscheiden sich für das Jahr 379 Tillemont, die Benediktiner. Ui
(Studia Ambros. p. 37) und Goyau, Chronologie de Tempire romain z. J. 379. Ffir te
Jahr 375 trat Seeck (Ausg. des Symmach. p. XLIX) ein, und anf seine Seite stellte wk
Rauschen, Jahrb. der christl. Ejrche unter dem Kaiser Theodoaius d. Gr., Freib. in 9t |'
1897, p. 475. Den Entscheid gibt 1, 32; der hier genannte Symmachus ist mit dem Ter |^l
fasser der Relatio identisch und muss damals in Afrika gewesen sein. Symmachus vi 1«
aber Proconsul in Afrika von 373—374; 7. September 375 hatte er bereits einen Nad-I^
folger erhalten. Die Rückreise erfolgte in einem Winter. Da Ambrosins schon BiscWp
war, als er die Rede schrieb, muss die Rückreise des Satyms im Winter 374;75 erfo^ls
sein. Sein Tod ist im Martyrologium Romanum am 17. September verzeichnet; daa Jik ifi
muss nach dem Gesagten 375 sein, und in den Septeml^er dieses Jahres fäUt auch die
Abfassung der zwei Dücher. In diesem Jahr fand auch der Ueberfall der Sarmaten qbI
Quaden statt, auf den die erste Stelle hindeutet.
Zur Charakteristik. Im Eingang der zweiten Rede (2,2) sagt er: nunc die 9ty
timo ad sepulcrum redimus . . . . a fratre paululum ad communem humani generis effkir-
tationem iurat derivare meutern. 2, 3 unde jyroposuimus, solari nos communi usu nee durun
putare, quidquid universos maueret; et ideo mortem nofi esse lugendam: pritnum, quia com-
munis Sit et cunctis debita; deinde, quia nos saeculi huius absolvat aerumnis; postrtm^
quia somni specie ubi ab istius mundi labore requietum sit, vigor nobis rivacior refundatur.
Eine Analyse der Schrift bei Schenkl, Wien. Stud. 16 (1895) p. 40.
Ausg. von Migne 16 Sp. 1289; Ballerini 5 Sp. 21; Schenkl, S. Ambrosü d«
excessu fratris lib. 1, in den Ambrosiana, Mailand 1897, No. V.
Das Epithaphium auf Satyrus. Anthol. lat. vol. 2; Carm. lat. epigr. ed. Bae-
cheler fasc. 2, Leipz. 1897, No. 1421 Uranio Satyro supremum f rater honorem \ martern
ad faevam detuUt Ambrosius. \ haec meriti merceSj ut sacri sanguinis umor ] finitimas pent-
frans adluat exuvias.
941. Die Trauerrede auf Valentinian 11. Am 15. Mai 392 wurde
Valentinian II. von Arbogast in Vienne, wo dieser ihn thatsächlich gefangen
hielt, ermordet. Dieser plötzliche Tod des jungen Kaisers musst« Am-
brosius besonders nahe gehen, denn er befand sich eben auf dem Wege,
um seinem Schützling seine gewaltige moralische Hilfe zukommen zu lassen,
als ihn die Todesnachricht ereilte und er unverrichteter Dinge heimkehren
musste. Erst zwei Monate nach der Ermordung ^) wurde die Leiche Valen-
tinians nach einem Dekrete des Theodosius zur ewigen Ruhe bestattet
Diu Leichenrede hielt Ambrosius und zwar in Gegenwart zweier Schwestern
des Verblichenen; es waren dies Justa und Grata, welche das Gelübde
ewiger Jungfräulichkeit abgelegt hatten. Dem Redner war seine Sache
insofern leicht gemacht, als ihn die innigsten Beziehungen mit dem Ver-
*j c. 49 duorum mensium curricuUi in fraterni funeris quotidiano clausistis ampIvxH.
AmlnroBios. (§942.) 321
orbenen verbanden. Er konnte also aus dem Herzen reden und hat es
ich gethan. Mit Wärme schildert er die treffliehen Eigenschaften Yalen-
nians, der die Jahre der Jugend, aber die Reife des Alters besass,^) der
n Bittenreines Leben ftthrte ynd der selbst den Tadel der Feinde zur
aredlung seines Charakters ausnutzte.') Schwierigkeiten macht dem Redner
sr Umstand, dass der junge Kaiser ohne die Taufe aus dem Leben ge-
Ueden; allein er kommt auch über diese Schwierigkeit hinweg, da ja
^8 Verlangen Yalentinians nach der Taufe offen vorlag. >) Bibelstellen
erden reichlich eingestreut, besonders merkwürdig ist die Verwendung
9B hohen Liedes; doch klingt auch manche Reminiscenz aus der heid-
ifichen Welt hindurch. Mit einem Oebet schliesst wirkungsvoll die Rede.
Der Titel. In den meisten Handschriften ist der Titel: de consoUUione Valentiniani
Kmt epUtola de consolatiane Valentiniani,
AuBg. von Migne 16 Sp. 1857; Ballerini 5 Sp. 91.
942. Die Trauerrede auf Theodosius den Ghrossen. Am 17. Januar
95 war der grosse Kaiser Theodosius aus dem Leben geschieden. 40 Tage
ftch dem Tode (26. Februar) wurde die Leiche zur Beisetzung nach Con-
Antinopel überführt; bei der Trauerfeier hielt Ambrosius die Leichenrede
Eid zwar in Gegenwart des Honorius. Gewiss war wie bei Valentinian
I auch bei Theodosius Ambrosius der geeignete Trauerredner; denn zwi-
rhen beiden grossen Persönlichkeiten bestanden die innigsten Beziehungen.
ie Rede nimmt den Ausgangspunkt von schweren elementaren Ereig-
issen, welche auf den Tod des Theodosius hindeuteten. Was bei Sueton
s regelmässige Rubrik in seinen Biographien erschien, tritt merkwürdiger-
eise auch bei unserem Bischof an den Tag. Den Kern der Bede bildet
GttQrlich ein Preis auf die Tugenden des verstorbenen Kaisers; unter den-
ilben ragte am meisten seine Frömmigkeit hervor, und der Redner hat
Lchts unterlassen, dieselbe ins hellste Licht zu setzen. Wirksam wird
usgeführt, dass Theodosius von sich sagen konnte: Ich habe geliebt und
vrar den Herrn. Dass dem frommen Kaiser die ewige Seligkeit zu teil
rerden musste, ergab sich als notwendige Schlussfolgerung; auch dieses
[oment hat Ambrosius in seiner Rede kräftig ausgestaltet. Weitere Oesichts-
«inkte waren für ihn die Söhne des Verstorbenen und die persönlichen
Beziehungen, die den Redner mit Theodosius verknüpften; hier nimmt die
iede den höchsten Schwung an; sie streift auch einen der glänzendsten
bfolge des Redners, die öffentliche Busse des Kaisers nach dem von ihm
mgeordneten Blutbad in Thessalonich. Worte der hl. Schrift, besonders des
ilten Testaments, streut der bibelkundige Bischof in reichem Masse ein, und
ler 114. Psalm vrird fast über Gebühr ausgenützt. Auch diese Rede zeigt,
lass es Ambrosius nicht möglich war, seine Gedanken zu einem festen Or-
ganismus zu vereinen und künstlerisch zu formen. Die Episode über die Auf-
Indung des Kreuzes durch Helena,^) die in gar keinem inneren Zusammen-
long zum Thema steht, ist eine fast unbegreifliche Geschmacklosigkeit.
AbfasBungszeit c. 3 eius ergo principia et proxime canclamavimus obitum et
\une quadrageiimam eelebramus adiistente eacris altaribus HonoHo principe, quia
^) c. 8 aeerhant dolorem annorum im- *) c. 51.
naturitas, et consiliorum teneetus. *) c. 43.
«) c. 15.
Htndbiich der klMi. AltMiornfwiMenaolult. Yln, 4. 21
322 AmbroBiiui. (§948.)
8icut sanetus Joseph pairi auo Jacob quadraginta diebui humationis officia d^Uilil^ ttog
hie Theodosio patri iwita peraolvU,
Ausg. von Migne 16 Sp. 1385; Ballerini 5 Sp. 121.
943. Sermo contra Auxentinm de basilicis tradendiB. Die Bede
ist interessant, weil sie uns in die Zeitkämpfe einen Blick werfen liasL
Der Hof war bekanntlieh unter Justina und Valentinian arianisch gesiiut
und beanspruchte auch für seinen Kultus eine eigene Kirche. Da diont
das Nicaenum nicht bekämpft werden sollte, war eigentlich gegen dieaei
Anspruch des Hofes nichts einzuwenden; es war eben eine einfache F(rw
derung der Religionsfreiheit. Allein das Nicaenum hatte schon im Yolb
zu festen Boden sich errungen, und es war daher verkehrt, in einen
Dekret vom Januar 386 auf die unter Constantius zu stände gekommem
Vermittlungsformeln des Concils von Rimini (359) zurückzugreifen, auf
Grund derselben Gleichberechtigung zu verordnen und die dagegen Hu-
delnden mit Leibesstrafe zu bedrohen. Der furchtlose 0 Ambrosius setzte 1
dem Ansinnen des Hofes passiven Widerstand entgegen;') auch der üUr'
ihn verhängten Verbannung fUgte er sich nicht. Der Hof aber wagte
nicht, gegen den von der Volksgunst getragenen Bischof entschieden Y(n^
zugehen, zumal da durch die Auffindung der Reliquien der Märtyrer Ger-
vasius und Protasius, und durch die sich daran schliessenden Wander
die Begeisterung des Volkes für den nicaenischen Glauben einen höhet
Grad erreicht hatte. So konnte denn der Ausgang des Streites nick
zweifelhaft sein; Ambrosius musste Sieger bleiben, neben dem Staate mnaste
eine zweite höhere Macht anerkannt werden.') Eine Situation dieses
Kampfes führt uns die eben erwähnte Rede vor, die angesichts .der die
Kirche besetzt haltenden bewaffneten Macht*) an das Volk gerichtet wurde.
Der Bischof begründet sein Verhalten und zieht genau die Grenzlinie zwi-
schen der kaiserlichen und der kirchlichen Macht. Leidenschaftlich wird
der arianische Bischof Auxentius bekämpft; er stammt aus Scythien undl
hiess ursprünglich Merkurinus, änderte aber seinen Namen in Auxentius'
um,ö) offenbar weil der Vorgänger des Ambrosius auf dem BischofsstuE
Auxentius, bei den Arianern noch in gutem Andenken stand. Niemak
hatte ihn Ambrosius als Bischof anerkannt, ferner eine Disputation mit
ihm vor weltlichen Richtern abgelehnt. Auch diese Rede lässt keineo
reinen Genuss bei dem Leser aufkommen; neben vielen schönen und er-
greifenden Stellen weist sie auch viele Spitzfindigkeiten und Geschmack-
losigkeiten auf.
Ausg. von Migne 16 Sp. 1007; Ballerini 5 Sp. 143.
Die zwei zu Ehren des Gervasius und Protasius gehaltenen Reden aid
einem Brief des Amhrosius an seine Schwester Marcellina, in dem er über die AafiSndang
der Reliquien dieser Heiligen berichtet, einverleibt; vgl. Migne 16 Sp. 1019; Ballerini
5 Sp. 157; Foerster, Ambrosius p. 247; Ihm, Studia Ambrosiana p. 35.
Unechte Reden sind wahrscheinlich die von de Corrieris (1834) anfgefundena
Predigten über Luk. 12, 33 vendite omnia quae possidetis et date eleemosynam, welche ii
*) c. 4 ego iam didici non timere. *) c. 10 saepserunt nempe armati basHicni.
^) c. 2 adversus arma, mUites, Gothas ^) c. 22 ne cognosceretur quis esset^ mh
quoqtie lacrimae meae arma sunt. tavit sihi vocabulum; ut quia hie fuerä
•) Ueber die Vorgänge vgl. Foerster, Auxentius episcopus Arianus, ad decipiemdam
Ambrosius p. 45; H. Richter, Das west- plebem, quam ille tenuerat, se vacaret Auxm-
röm. Reich, Berl. 1865, p. 611. tium.
AmbroBioa. (§ 944.) 323
«r Ausg. Ballerinis (Bd. 5 Sp. 195) publiziert sind, unecht ist auch der Traktat in
^liiL 4, 4, veröffentlicht von Liberani, Spicilegium Liberianum, Florenz 1863, p. 3.
944. Die Correspondenz des Ambrosius. Dass ein Mann, der sich
o hervorragend an dem öffentlichen Leben beteiligte, auch eine rege
Korrespondenz führen musste, ist klar; und in der That sind uns von
kLinbrosius 91 Briefe überliefert, welche in den Handschriften in der ver-
cdiiedensten Weise aneinander gereiht sind. Die Benediktiner haben daher
ine neue Ordnung der Briefe vorgenommen, indem sie zwei EJassen fest-
etzten, der ersten die Briefe zuwiesen, welche chronologisch bestimmbar
ind, der zweiten die, bei denen dies nicht der Fall ist. So haben sie
Ür die erste Klasse 63, für die zweite 28 Briefe erhalten. Es sind nicht
klle Briefe des Ambrosius auf uns gekommen; denn wir finden in unserer
ISorrespondenz Hindeutungen auf Briefe, welche sich in derselben nicht
rorfinden.
Die Correspondenz des Ambrosius bietet nicht viele eigentliche Briefe,
I. h. Briefe, in denen ein vertraulicher Verkehr zwischen zwei Personen
>b waltet; die meisten Stücke der Sammlung sind Abhandlungen, Predigten,
Sendschreiben, Instruktionen, welche nur durch die Adresse die Form des
Briefes erhalten. Sie haben daher nichts gemein mit den Briefen des
Symmachus, die lediglich in zierlichen Phrasen sich ergehen, ohne einen
greifbaren Inhalt zu geben. Sie sind für die Zeitgeschichte von der grössten
Wichtigkeit; unter ihnen ragen die Briefe an die Kaiser mächtig hervor.
Die berühmte Relatio des Symmachus, das kaiserliche Edikt gegen die
Zerstörer der Synagoge in Kallinikum, das grausame kaiserliche Urteil
gegen die Unruhestifter in Thessalonich waren Themata, welche neben
grosser Festigkeit auch unendliche Klugheit und feinen Takt des Brief-
Bchreibers erforderten.
Wer eine Charakteristik des grossen Bischofs sich verschaffen will,
muss vor allem diese Correspondenz in die Hand nehmen. Feste Glau-
benstreue, unbeugsamer Mut, grosser Weitblick, praktische Klugheit sind
die Eigenschaften, die uns am wirksamsten entgegentreten.
üeber den Brie fy erkehr vgl. epist. 47, 4 quarum (epUtolarum) eiusmodi usu$
ni, ut disiuneti loeorum intervaUia affectu adhciereamus, in ^ibus inter absentea imago
r^fulget praesentiae, coUoctUio scripta separaioa copulat, in quibus etiam cum amico tniscemus
onimum, et mentem ei nostram infundimus.
üeber die Zeit der Briefe, soweit sie sich feststellen lässt, handelten umsichtig
die Benediktiner (Migne 16 Sp. 851). Einer sorgfältigen Reyision wurden die Ergebnisse
von Ihm (Studia Ambrosiana p. 38) unterzogen; vgl. dessen chronologische Tafel p. 58,
welche Briefe für die Jahre 379—396 aufweist. Ueber die Zeit der Briefe 40 und 41, welche
in Sachen der Synagoge in Kallinikum geschrieben wurden (Ende 388), und den Ort der
Abfassung (Mailand) vgl. G. Rauschen, Jahrb. der christl. Kirche unter dem Kaiser Theo-
dosius d. Gr., Freib. i. Br. 1897, p. 532. Ueber die Abfassungszeit einer Gruppe von Briefen
gibt kritische Bemerkungen Rauschen ebenda p. 272.
Unechte Briefe. Die Benediktiner haben f&nf Briefe ausgeschieden und vier in
der Appendix (Migne 17 Sp. 735; vgl. auch Ballerini 6 Sp. 533) gegeben, zugleich ver-
ständige Bemerkungen Ober deren Unechtheit vorausgeschickt. Auf zwei dieser Briefe be-
sieht sich die Abhandlung von F. Savio, Due lottere falsamente attribuite a s. Ambrpgio
(Naovo Bullettino di archeol. crist. 3 (1897) p. 153), nämlich auf No. 8 Aber die Heiligen
Vitalis und Agricola (17 Sp. 747 Migne) und auf No. 2 Ober Gervasius und Protasius (Sp. 742 SL).
üeber No. 3 geht der Verfasser kurz hinweg, da die Unechtheit des Briefes and seine ' ~
hingigkeit von der Schrift des Ambrosius Exhortatio virginitatis feststehe. Um so aof
licher handelt er von No. 2; er hält einen Ravennaten fOr den Verfasser des Briefes (p*
Ueber die Zeit des Briefes, die nicht später als das 6. Jahrhundert anzosetsen
21*
324 Ambrosia», (f 945.)
5. 161. üeber die Zateilnng der ^efe an denselben YerfaasMr v^. p. 169. Aber tni
as von den Benediktinern gegebene echte GorpnB blieb von Anfeohtangen nicht Terschoit i
Ganz mit Unrecht wollte Langen (Qeech. der rOm. Kirche 1 ^1881) p. 510 Ann^. 1; p. 5tt I
Anm. 2) nach dem Vorgang des Jesuiten Ghifflet die Schreiben des Ambrosias 10—14, j
welche sich auf das Goncil von Aqoileia 881 beziehen, verdftehtigen; vgl die bündige Wider-
legung Rauschens 1. c. p. 481; siehe noch Ihm, Stndia Ambros. p. 41.
Ausg. von Migne 16 Sp. 875; Ballerini 5 Sp. B19.
e) Schriften, welche irrtümlich dem Ambrosins zugeteilt wurden.
945. Der sog. Ambrosiaster. Es ist uns ein Gommentar zu den
13 paulinischen Briefen erhalten, welcher von jeher die Aufmerksamkeit
auf sich zog. Der Gommentar ist ein bedeutendes Werk, das eine Fülle
interessanter Thatsachen und Notizen darbietet Sachkundige Beurteiler
behaupten sogar, dass wir- vor dem 16. Jahrhundert kein exegetisches Werk
über die Paulusbriefe besitzen, das sich mit dem in Frage stehenden
vergleichen könnte. Seit dem neunten Jahrhundert wurde der Gommentar l
mit Ambrosius in Verbindung gebracht; allein zur Zeit des Wiederauflebens
der Wissenschaften erkannten die Gelehrten, dass Ambrosius der Verfasser
nicht sein könne, und nannten ihn Ambrosiaster, was hier gleichbedeutend
mit Pseudo-Ambrosius ist. üeber die Zeit seines Werks hat zum Glück
der Verfasser die Leser nicht im Dunkel gelassen; er schrieb nicht lange
nach Julian unter dem Papst Damasus, der von 366—384 regierte, üeber (
die Persönlichkeit des Verfassers wollte jedoch lange Zeit sich kein sicherer I
Anhaltspunkt ergeben, und die verschiedenen Hypothesen, die in dieser
Hinsicht aufgestellt wurden, brachen bei näherer Prüfung zusammen, in
neuerer Zeit jedoch wurde das Problem allem Anschein nach einer befriedi-
genderen Lösung entgegengeführt; es ist höchst wahrscheinlich, dass der
Gommentar von dem Juden Isaak herrührt. Dieser war zum Christentum
übergetreten und beteiligte sich nach seinem üebertritt in hervorragender
Weise an dem Kampf, den ürsinus gegen Damasus um den päpstlichen
Stuhl führte. Im Jahre 372 leitete er eine gerichtliche Klage gegen Da-
masus ein, die aber ungünstig für den Kläger ausfiel und seine Verbannung
nach Spanien zur Folge hatte. Diese schlimmen Erfahrungen mochten dem
ränkesüchtigen Juden das Christentum verleidet haben; er kehrte wieder
zur Synagoge zurück. Im Jahre 378 sprachen die zu einem Concil ver^
sammelten Väter in einem Briefe an die Kaiser von seinem Rücktritt zum
Judentum, und es liegt kein Grund vor, diese Angabe in Zweifel zu
ziehen. Dass die christlichen Schriftsteller von diesem Juden nicht gern
redeten, ist begreiflich; Hieronymus schweigt über ihn in seinem Buche
über die kirchlichen Schriftsteller. Als er von einem Vortrage Isaaks
in Rom berichtete, brachte er es auch nicht übers Herz, dessen Namen
zu nennen. Bei dieser Verhasstheit des Juden ist es als ein Wunder zu
betrachten, dass sieh eine Schrift unter seinem Namen auf die Nachwelt
gerettet hat; es ist ein von Sirmond herausgegebener Traktat über die
Trinität und die Incarnation, vielleicht nur ein Bruchstück einer grösseren
Schrift. Damit hatte man eine Basis gewonnen, um andere Schriften
Isaaks, die sich etwa nur anonym oder unter fremden Namen erhalten
haben, aufzuspüren. Der erste Versuch in dieser Art war die Zuteilung
eines Glaubensbekenntnisses, das aber mehr einen trinitarischen Trakti^t
Ambrosins. (§945.) 325
) darstellt, an Isaak; das Schriftstück war vielleicht ein Teil des genannten
' dogmatischen Werks. Viel wichtiger war es aber, dass ein Vergleich des
\ Ambrosiaster und der von demselben Verfasser herrührenden Quaestiones
veteris et novi Testamenti, die irrtümlich unter Augustins Werke geraten
waren, mit den unter Isaaks Namen erhaltenen Schriften so viele Aehn-
lichkeiten darbot, dass man den Commentar zu den paulinischen Briefen
und die Quaestiones unserem Isaak zuteilen konnte. Für die Geschichte
des Ambrosiaster ist es von Interesse, dass Augustin denselben unter dem
Namen des hl. Hilarius kannte, und dass Hieronymus, als er seine Er-
klärung des Galaterbriefs schrieb, den Commentar totschwieg. Neuerdings
hat man auch ein Stück der coUectio Avellana, das eine Anklage gegen
Damasus enthält, als ein Produkt Isaaks erklärt. Man sieht, die Oestalt
Isaaks nimmt in der Litteraturgeschichte festere Umrisse an.
Zeit des Commentars. In 1 Timoth. 3, 14 tU cum totus mundus Dei sU, ecclesia
tarnen domus eius dieatur, cuius hadie rector est Damasus, Wir haben keinen Grund, die
letiten Worte als eine Interpolation anzusehen. In 2 Thess. 2, 7 usque ad Dioeletianum,
H navissime Julianum, qui arte quadam et subtilitate eoeptam perseeutionem implere non
pciuU, quia desuper eoncessum mm fuerat. Aus diesen Stellen ergibt sich, dass der Am-
VroBiaster Zeitgenosse des Damasus (866—384) war.
Abfassungsort der Quaestiones. Die Art und Weise, wie die kirchlichen Ver-
hältnisse besprochen werden, deuten mit Entschiedenheit auf Rom hin. Quaest. 115 (35
Sp. 2849 Migne) hie in urbe Roma et finibua eiu8, quae aacratisHma appellatur. Entgegen-
stehende Bemerkungen der Benediktiner beseitigt Morin, L' Ambrosiaster p. 99.
Abfassungszeit der Quaestiones. Quaest. 44 (Sp. 2243 M.) rechnet der Ver-
fasser von der Zerstörung Jerusiilems bis auf die Zeit, wo er schrieb, ca. 300 Jahre; also
ist die Schrift um 870 entstanden. Quaest. 115 (Sp. 2853 M.) quid dicamus esse de Pan-
MOfiMi, quae sie erasa est, ut remedium habere non possit? Die Worte werden auf die
Ereignisse des Jahres 374 bezogen. Die Quaestiones fallen also in dieselbe Zeit wie der
Commentar.
Das Verhältnis des Commentars und der Quaestiones. Der Verfasser der
beiden Schriften wird wegen der üebereinstimmung von Gedanken und Worten als iden-
tisch erachtet; vgl. Migne 35 Sp. 2207 und Langen in dem Bonner Programm 1880. In
neuester Zeit hat Marold (Der Ambrosiaster nach Inhalt und Ursprung p. 441) zu erweisen
gesucht, dass die Verfasser der beiden Schriften verschieden seien. Allein seine Argumente
sind nicht Überzeugend, wie Morin (L' Ambrosiaster p. 98 Anm. 8) unter Zustimmung Zahns
(Der Ambrosiaster und der Proselyt Isaak p. 317) gezeigt hat.
Der Autor des Commentars (und der Quaestiones). Die Frage nach dem
Autor .bildet ein viel besprochenes Problem der historischen Theologie. Für die Verbindung
des Commentars mit Ambrosius, die seit dem 9. Jahrhundert eintrat, war vielleicht die
Stelle Cassiodors de inst. div. litt. c. 8 (70 Sp. 1120 Migne) dicitur etiam et beatum Am-
hrosium sulmotatum eodicem epistolarum omnium säncti Pauli reliquisse suavissima ex-
positione eompletum, quem tamen adhuc invenire non potuL sed diUgenti cura perquiro
von Einfluss. An der Autorschaft des Ambrosius hftlt noch ballerini, Ausg. des Ambro-
sius 3 Sp. 851 fest; allein gegen Ambrosius spricht alles, so dass seine Autorschaft als
sbgethan erachtet werden kann. Gegen die Autorschaft des Hilarius von Poitiers spricht
schon die Erklftrungsweise des Ambrosiaster, die sich von der typischen fernhält; vgl.
Marold, Ambrosiaster p. 456. Dass Augustin (vgl. oben p. 261) den Commentar unter dem
Namen des sanctus Hilarius las, beweist nur, dass die Arbeit des verhassten Judenchristen
mit diesem Namen versehen wurde, um ihr Eingang in die christlichen Kreise Afrikas zu
▼erschaffen. Auch auf Hilarius diaconus riet man. Langen hatte in dem Bonner Progr.
1880 und auszugsweise in seinem Werke, Qesch. der röm. Kirche, die Hypothese zu be-
gründen gesucht, dass der Luciferianer Faustinus (§ 908) der Verfasser sei. Mit Recht
hat diese Hjrpothese Marold (p. 462) zurückgewiesen. 1899 hat Morin (L' Ambrosiaster
et le juif converti Isaac) die Ajosicht entwickelt, dass der aus den Händeln mit Damasus
bekannte Jude Isaak der Verfasser unseres Commentars sei. Seine Begründung ist sehr
einnehmend und hat Zustimmung bei Zahn p. 314 und Burn, The Ambrosiaster and Isaac
the converted Jew u. a. geAmden. (Die Einwände Zimmers, Pelagius von Irland, Berl.
1901, p. 120 Anm., sind belanglos.) Merkwürdigerweise hat Morin 1903 seine Hypothese
aufgegeben und ohne durchschlagende Grttnde den Staatsmann Decimius Hilarianus Hilarius
(vgl. CIL 8, 1219) ab Verfasser hingestellt; vgl. Nachtrag.
326 Ambrosins. (§ 945.)
Biographisches über Isaak. In einem Schreiben an Ghratian nnd YalentimaB H^
das die in einem Concil von 878 versammelten Kirchenväter erliessen, heiast es (Manii,
Sacrorom concüiorum nova et amplissima collectio 3 (Florenz n. Venedig 1759) p. 626}: Sie
factio profecit Ursini, ut Isaae Judtieo subortuUo, qui facto ad aynagogam recunu cot-
Ustia mysteria profanavit, saneti fratris nostri Damasi peteretur eaput, sanguU imwem-
tium funderetur, eomponereniur doli, quibus ditfino plane ingtinetu Providentia ttttrat
pietatis occurrit, spoHaretur prope eeclesia omnibus ministeriis. Der Prozees fand uci
Wittig, Papst Damasus I. Qaellenkrit Stnd. zu seiner G^ch. nnd Charakteristik (RBb.
Qnartalschr. Supplementheft 14 (1902) p. 24) im Jahre 372 statt Er hatte einen ftr Da-
masus günstigen und für Isaak ungünstigen Ausgang; denn es heiast in dem Briefe weiter:
Vestrae iudicio tranquillitati» pr^>ata est innoceniia memorati fratris nostri Damasi, iV
tegrUas praedicata est, Isaac quoque ipse, tibi ea quae detuUt probare tum poiuU (Papt-
buch ed. Duchesne 1 p. 212), meritorum suorum sortem tulit. Dieses Schicksal beatead
in der Verbannung; denn in dem Antwortschreiben der Kaiser Oratian und Valentimaa
(GoUectio Avellana No. 13; 1 p. 55 Günther) heiast es: Ursinum quidem OaUia cohercet
et, ne motus aliquos inquietos exerceat, cohibet Ägrippina secessio (vgl. Witt ig p. 23) —
Hisacem (Sirmond: Isacem) remotus Hispaniae angulus tiiulo damnatianis inelusU, nm
bene capiti consulturum, si quid turbarum vesanus agitaverit.
Hieronymus und Isaak. Hieronvm. zu Tit 3, 9 (7 Sp. 735 Vall.) audim ego (etwi .
363—365; vgl. Schoene, Die Weltchronik des Eusebius, Berl. 1900, p. 236) quemdam 4i 1
Hebraeis, qui se Romae in Christum credidisse simulabat, de geneodogiis domini nastri Jen
Christi f quae scripta sunt in Matthaeo et Luca, facere quaestionem, quod pidelicet a Sahmone
usque ad Joseph nee numero sibi nee vocabuhrum aequalitate eonsentiant. Qui cum cordü
simplicium pervertisset, quasi ex adytis et oraculo deferebat quasdam, ut sibi videbatur^
solutiones, cum magis debuerit iustitiam et misericordiam et dilectionem dei quaerere et poä
Uta, si forte occurrisset, de nominibus et numeris disputare (vgl. Quaest 56). Saiis forsiUn
de Hebraeorum superciUo et plus quam neeesse fuerit dixerimus; sed occasio ncbis data est, {
de genealogiis et contentione et rixis, quae ex lege veniunt, disserendi. Mit Recht bezidit
Zahn (Der Ambrosiaster und der Proselyt Isaak p. 315) diese Stelle auf den Juden Isaak.
Ueber das Verhältnis des Hieronymus zu Isaak gibt auch Aufechluss die heftige Polemik
gegen die Benutzung griechischer Codices bei der Bibelübersetzung, welche wir zn B5m.
5, 14 (Sp. 96 Migne) lesen und welche schon Semler in Simons Krit. Sehr, über das
neue Testament 3 p. XXXVIl als direkt gegen Hieronymus gerichtet glaubt. Bei diesem
gespannten Verhältnis zwischen Isaak und Hieronymus finden wir es begreiflich, dass
Hieronymus den Isaak in seinem Buch de vir. ill. überging und dass er den Coramentar
des Isaak ignorierte, wenn er in der Vorrede zum Commentar des Galaterbriefs schrieb:
aggrediar opus intentatum ante me linguae nosfrae scriptoribus.
Die übrigen Schriften Isaaks sind: 1. Liber fidei de sancta trinitate et
de incarnatione Domini (Migne, Patrol. gr. 33 Sp. 1541). Gennadius de vir. ill. 26
Isaac scripsit De sancta Trinitate et De incarnatione Domini librum obscurissimae
disputationis et involuti sermonis confirmans ita in una deitate tres esse personas, ut tarnen
Sit in singulis aliquid proprium, quod non habeat alia, Patrem scilicet hoc habere proprium,
quod ipse sine origine origo sit aliorum, Filium hoc habere proprium, quod genitus genitort
non sit posterior, Spiritum sanctum hoc habere proprium, quod nee factus nee genitus et
tarnen sit ex altero. De incarnatione vero Domini ita scripsit, ut manentibtis in ea duabu»
naturis una credatur Filii Dei persona. Dieses von Gennadius charakterisierte Werk ist
uns erhalten und von Sirmond 1630 publiziert worden. In der Handschrift Parisinus lat
1564 s. VIII/IX (vgl. Maassen, Gesch. der Quellen und der Litt, des canonischen Rechts
1 (Graz 1870) p. 604) wird der Traktat eingeführt durch die Worte: Ineipit fides Isaiisex
Judaeo, wofür zu lesen ist Isacis ex Judaeo. Vielleicht ist das Werk nicht voUst&ndig über-
liefert. 2. Expositio fidei catholicae. Caspari, Kirchenhistorische Anecdota 1 (Chri-
stiania 1888) p. 304 hat aus einem aus Bobbio stammenden cod. Ambrosianas I. 101 Sup.
s. VIII eine Expositio fidei catholicae veröffentlicht, die aber mehr den Charakter eines
antiarianischen Traktats hat. Am Schluss ist die Expositio verstünunelt. Am eil i legt
diese Expositio dem Juden Isaak bei. Aber Morin (L* Ambrosiaster p. 101) hegt trotz aller
Aehnlichkeit noch Zweifel; doch vgl. Zahn p. 316. 3. Quae gesta sunt inter Liberium
et Felicem episcopos (Collectio Avellana No. 1; 1 p. 1 Günther). Die Schrift ist eine
Anklage gegen den Papst Damasus in den Streitigkeiten mit Ursin. üeber den dem In-
halt nicht entsprechenden Titel vgl. Wittig p. 67. Als Verfasser dieser Schrift sieht Wittig
(p. 71) den Juden Isaak an. Auch diese Hypothese fordert noch, besonders nach der sprach-
lichen Seite hin, eine Nachprüfung.
Die Uoberlieferung. Ueber die Verbindung eines Teils des Commentars mit einer
Uebersetzung eines Commentars zu paulinischen Briefen von Theodor von Mopsuestia vgl.
oben § 899. Ueber den cod. Cassinensis s. VI des Commentars vgl. Reifferscheid,
▲mbrosius. (§ 946.) 327
i" SÜBiiiigaber. der Wiener Akad. 71 (1872) p. 148 und Ballerini, Ausg. des Ambrosiaa 3
\ 8p. 868. Ueber die zweifache üeberlieferong der Qnaestiones vgl. Langen, Progr. p. 9.
A Ausg. Yon Migne 17 Sp. 45; Ballerini 3 Sp. 373.
^ ^ ^ Litteratnr. Arnold, Realencycl. fttr proiest Theol. 1* p. 441; W. P. Dickson,
> Dietionar^ of Christian Biography von Smith und Wace 1 p. 89; Langen, De common-
3^ ivioTiim in epistolas Panlinas qui Ambrosii et Quaestionum biblicamm quae Aagostini no-
ai^adne ferontor scriptore, Bonn 1880; Gesch. der rOm. Kirche 1 (1881) p. 599; Marold, Der
^i) Ambroeiaster nach Inhalt und Ursprung (Zeitschr. fttr wiss. Theol. 27 (1884) p. 415); G. Morin,
»; L'Ambrosiaster et le juif converti Isaac contemporain du pape Damase (Revue d'histoire
■» it de littöratnre religieuses 4 (1899) p. 97); Th. Zahn, Der Ambrosiaster und der Proselyt
k,t Inak (Theol. Litteraturblatt 1899 No. 27 p. 313); A. E. Burn, The Ambrosiaster and Isaac
!^ tiie converted Jew (The Expositor Ser. 5 (1899) p. 368); A. Souter, The genuine prologue
^ io Ambrosiaster on 2 Corintbians (Joum. of Theol. Stud. 1902 p. 89); Morin, Hilarius TAm-
w broeiaster (Revue B^n^dictine 1903 p. 113).
946. Mosaicarum et Bomanamm legum collatio. Als die Christen
' anfingen, auch der weltlichen Litteratur ihren Blick zuzuwenden, mussten
ft^ sie auf Stellen stossen, welche christliche Gedanken und Anschauungen
*i enthielten. Man durfte nicht ruhig an denselben vorübergehen; denn sie
l' konnten leicht von den Anhängern des Heidentums zu ihren Gunsten aus-
h gespielt werden; sie forderten daher eine Erklärung. Am besten kam
* man über diese Concordanz hinweg, wenn man zeigte, dass die christ-
* liehen Anschauungen bei weitem älter seien als die entsprechenden pro-
« fimen. Das neue Testament eignete sich meistens nicht hierzu, da es
^ jünger war als die klassischen Autoren; dagegen bot das alte Testament
l die wirksamste Waffe dar, um die christlichen Wahrheiten als die älteren
> erscheinen und nebenbei durchblicken zu lassen, dass am Ende die Heiden
' mittelbar aus dem alten Testament schöpften. Sehr belehrend ist in
l dieser Beziehung Ambrosius in seiner Schrift de officiis, wo er bei den
f verschiedensten Gelegenheiten ciceronische Sätze im alten Testament aus-
' geprägt finden will. Auf den Gedanken, dass die Weisheit der römi-
^ sehen Welt schon im alten Testament stecke, geht auch die Schrift aus,
: welche gewöhnlich als Mosaicarum et Romanarum legum collatio bezeichnet
' wird, und zwar greift der Autor die Seite des geistigen Lebens auf, in
, der die Römer unstreitig die grössten Erfolge errungen hatten, das Recht.
Es musste ein ungeheuerer Triumph für die christliche Sache werden,
' wenn für Sätze ihrer berühmten Rechtslehrer ähnlich lautende des alten
Testamentes angeführt werden konnten. Der Autor geht in der Weise
zu Werke, dass er in 16 Titeln ebenso viele Rechtsmaterien behandelt; die
meisten sind strafrechtlicher Natur. ^) Er führt zuerst die beweisende
Stelle aus dem Pentateuch an und zwar in einer von der Uebersetzung
des Hieronymus abweichenden Gestalt;') auf sie lässt er dann die ent-
sprechenden Sätze aus den Schriften der römischen Juristen oder aus den
kaiserlichen Constitutionen folgen. Zwischenbemerkungen enthält sich der
Aator fast ganz; er mochte glauben, dass die einfache Gegenüberstellung
schon eine beredte Sprache rede. Nur einmal ruft er höhnisch den Ju-
risten zu, sie sollten jetzt einsehen, dass das, was die 12 Tafeln in Bezug
auf Diebe festsetzten, schon im alten Testament stehe und daher Moses
die Priorität gebühre. Damit hat der Autor zugleich den Zweck
^) Der letzte Titel handelt de legitima saccessione.
>) Vgl. Mommsen p. 130.
b
328 Ambrosia«. (| 946.)
Sammlung, die wohl nicht vollständig auf uns gekommen ist, deutlich g«.
kennzeichnet. Was die Zeit der Sammlung anlangt, so kommen wir hOcht |^
wahrscheinlich in das Ende des Jahres 394 oder in den Anfang des Jahni
395. Ueber die Person des Zusammenstellers haben wir keine ZeugnisM
und sind auf Vermutungen angewiesen. Allein die bisher vorgebrachte
erweisen sich nicht als haltbar; weder ein Jurist Licinius Rufinus nod
der Gegner des Hieronymus, Rufinus, noch Hieronymus lassen sich duid
irgend ein festes Zeugnis stützen. Für Ambrosius als Verfasser ktm
zwar ein spätes Zeugnis ins Feld geführt werden, aber dasselbe ist m
und für sich unwahrscheinlich, und sonstige Belege wollen sich nicht iilr
Ambrosius auffinden lassen. Die Autorschaftsfrage muss daher vorlänlig
als ungelöst angesehen werden. In der profanen juristischen Litteratnr
hat die Sammlung keine Beachtung gefunden; im kirchlichen Rechtsleben
des Mittelalters dagegen fand sie ihre Stelle.
Titel. Im Berolinensis ist das Werk betitelt: Lex äei quam deuB preeepk m
Moysen'j im Vercellensis und Vindob.: Lex dei quod precepit (Yindob.: preeoepit) d<mi%m
ad Moysen; vgl. Mommsen, Ausg. p. 118. Fflr diesen nicht recht passenden Titel iit
die Bezeichimng Mosaicanim ot Romanarum legum collatio üblich geworden, welche nem
von L. Charondas in der Vorrede zu seiner Ausg. der Digesten (1572) aufgebracht mk
von Stephan US und Guiacius ttbemommen wurde; vgl. Jörs Sp. 367.
Der Zweck der collatio ist von dem Verfasser auf das deutlichste durch dii
Worte (7, 1, 1) scitote, iuris cansuUi u.s. w. (vgl. den Absatz „Eigene Bemerkungen*) gekon-
zeichnet. Schon bei Tertullian (Apol. 45) findet sich dieser Gedanke: seiatis ipsa» fiyn
veatras, quae videntur ad innocentiam pergere, de divina J^e ut antiquiert forma mutuatv
esse. Praktische Zwecke für die Rechtsprechung hat der Verfasser nicht verfolgt, und wir
vermögen daher nicht zuzustimmen, wenn Dirksen (p. 125) als Plan der Sammluog liii-
stellt, zu zeigen, „dass die christlichen Einwohner des rOmischen Reiches nicht ausscUi«!-
lich nach den geltenden weltlichen Rechten, gleichviel ob heidnischen oder christlicbci
Ursprungs, in juristischen Verhältnissen zu beurteilen seien, sondern dass auch dem gött-
lichen Recht eine selbständige Geltung und Anwendung abseiten der weltlichen Gerichts-
barkeit vindiciert werden müsse." Ebensowenig können wir Earlowa beistimmen, wenn«
(p. 969) sagt, Plan der collatio sei, zu zeigen, „dass gegen die Geltung des in der vorcos-
stantinischen Zeit entstandenen ius vom christlichen Standpunkt nichts einzuwenden sei, 6
dasselbe mit den vom Christentum anerkannten mosaischen Satzungen übereinstimme und, wo
es etwa denselben nicht völlig entspreche, durch die novellae constitutiones abgeändeit sei'
UnVollständigkeit der Sammlung. Da bei Hinkmar von Rheinis (opera ed
Sinnend, vol. 1 p. 627; vgl. Savigny, Gesch. des röm. Rechts im Mittelalter 2- p. 2^2;
Duemmler, Gesch. des ostfränk. Reichs 1 p. 457) unsere Sammlung sicut in primo Ubr«
legis liomanae etc. citiert wird, muss dieselbe aus mehreren Büchern bestanden haben and
daher unvollständig sein.
Eigene Bemerkungen des Autors. 5, 3, 1 hoc quidem iuris ent: tnentem tarnen
legis Moifsi imperaioris Theodosii constifuiio ad plenum secuta cognoscUur. 6, 7, 1 idtm
dicitur in eos, qui incestas nuptias contraxerunt. maledieti tarnen sunt omnes incesti per
legem, cum adhuc rudihus popuUs ex divino nutu condita isdem adstipulantibits sanriretur.
et utique omnes maledieti puniti sunt, quos dirina et humana sententia consana tore dam-
navit, 7, 1, 1 quod si duodecim tnhularum nocturnum furem [quoquo modo, diurnum] autem
si se audent telo defenderey inferfici iuhent, scitote, iuris consulti, quia Moyses priut hoc
statuit, sirut lecfio mani festat. 14, 3, 6 seiend um tarnen est ex novellis constitutionihus capi-
tali sententia plagiafores pro atrocitate facti puniendos: quamvis et Paulus relatis supra
speciebus crucis et mvtalli huiusmodi reis inrogaverit poenam.
Abfassungszeit. Der Verfasser citiert (5, 8) eine an den Vicarius urbis Romu
Orientius gerichtete Verordnung in einer Fonn, in der er sie nicht aus dem cod. Theodos.
haben kann; denn abgesehen in Bezug auf Abweichungen in Ort und Zeit gibt sie der
Veifa.sser der collatio in einer ausführlicliercn Gestalt. Der feste terminus ante quem ist
sonai'h das Jahr 488, in wolcheni der cod. Theodos. erlassen wurde. Es handelt sich,
den terminuH jtost quem fostzustolleu : der feste Punkt ist hier, dass die fragliche Verord-
nung im .fahre 390 erhissen wurde: al80 muss die collatio zwischen 390 und 438 entstandea
sein. »SeliiMi wir, ob auch dieses Intervallum noch eingeengt werden kann. Man hat an-
nehnH>n wollen, dass die collatio nach dem Citiergcsctz des Jahres 426 entstanden sei. weil
AmbroBioB. (§ 946.) 329
% d<»t an erster Stelle als massgebend erachteten Autoren hier berttcksichtigt seien; allein
>ae Sohlnssfolgerang ist unzutreffend, weil, wie Huschke (p. 9) geaseigt, das, was dui«h
B CStiergesetK festgesetzt, längst in Uebung war. Weiter fimrt folgende Erwägung. Die
Vttrcbiimg des Yalentinian, Theodosius und Arcadius wird in der kleinen Einleitung dem
AodoQinB allein zugeschrieben (die Worte item Theodosianua sind Glossem). Wenn der
v^aaser im Occident schrieb, so konnte er den Theodosius allein erwähnen zu der Zeit, in
r derselbe die AUeinherrschaft über das Westi'eich besass; dies war der Fall nach dem
de Valentinians (392) und der Niederwerfung des Eugenius (394). Da Eugenius am
September 894 besiegt wurde und Theodosius am 17. Januar 895 starb, wird £e collatio
dieeer Zwischenzeit entstanden sein. Vgl. Mommsen, Ausg. p. 127.
Der Autor der collatio. a) Licinius Rufinus. Der Name tritt zuerst unter
n französischen Gelehrten des 16. Jahrhunderts auf (vgl. Rudorff p. 265; Mommsen
112), und zwar weist die erste Spur auf Johannes Tilius (du Tillet), Bischof von
ienx (t 1570), der, wie P. Pithou in seiner Ausg. erzählt, die collatio einem Licinius
Kfimis beilegt. Dass der Zeitgenosse des Paulus, der Jurist Licinius Rufinus, nicht der
itor der collatio, welche Theodosius L citiere, sein kOnne, sah Cuiacius, und er dachte
& daher Alter Licinius Rufinus irgend einen Christen, ß) Rufinus. Einen anderen Weg
hing Huschke (p. 24) ein; er dachte, indem er Licinius preisgab, an Rufinus, den Gegner
m Hieronymus. Allein „Licinius Rufinus* ruht bezüglich der Ueberlieferung auf so un-
serem Boden, dass diese Worte keine Basis abgeben. Gegen Huschke spricht Überdies,
as in dem Schriftenverzeichnis des Rufinus bei Gennadius die collatio nicht erwähnt wird.
Ambrosius. Die Autorschaft des Mailänder Bischofs suchte auf Grund der im Absatz
fortleben der collatio* gegebenen Stelle ttber Ebediesus Rudorff (Abb. p. 281) zu er-
useii; vgl. auch Ihm, Studia Ambrosiana p. 68. An und fttr sich ist das erwähnte Zeugnis
dit ohne Bedenken; es kommt hinzu, dass kein Schriftsteller von diesem Werk des Am-
osins etwas weiss, was doch bei der immerhin nicht geringen Bedeutung desselben auf-
UiS erscheint, (f) Hieronymus. Der Notiz einer mittelalterlichen Vita des Hieronymus
l^^nd (ad iuris quoque consültas singularem sonantemque edidit l%brum\ will Gonrat
[ermes 35 (1900) p. 344) Hieronymus als Verfasser der coli, hinstellen. Die Notiz, die
nreli simanB auf ein anders geartetes Werk zu deuten scheint, ist verdächtig, b) Isaak.
lalleicht darf hier die Vermutung angeschlossen werden, dass Isaak der Verfasser der
»Uatio ist Wenigstens ist auffällig, dass die in Titel 15 erwähnten Manichaeer im Am-
mwaster 2 Timoth. 3, 6 angedeutet sein sollen wie in der collatio durch die lex Moysis;
id noch merkwürdiger ist, dass auch hier dieselbe Verordnung Diokletians benutzt wird,
e in Titel 15 herangezogen ist. Die Stelle lautet: Quamvis omnibua haeretieis hoc con-
Miai, ut 9uhintranU8 domos, mulieres subdolis et versutis verhis capiant, ut per eas viros
fcipiant more patris sui diaboli, qui per Evam Adam eircumvenit; Maniehaeia tarnen prae
t^ris congruit; es folgt eine höchst interessante Schilderung der Manichaeer, worauf fort-
i&hren wird: Haec ergo Apoatolus maxime de his prophetavit, quos constat apostolorum
tmpore non fuiese, aicut nee Arianes; quippe cum Diocütianus imperator constitutione sua
mignet, dieens: Sordidam hanc et impuram haeresim, quae nuper, inquit, egressa est de Per^
ds. Dass der Ankläger des Damasus juristische Kenntnisse haben musste, ist klar; vgl.
naest. 115 (35 Sp. 2348 Migne) ante Jüliani edictum mulieres viros suos dimittere nequibant.
nch die Sprache (vgl. Rudorff p. 275) dürfte nicht dagegen sprechen; z. B. für quia =
^tod (oti; 7, 1) vgl Ambrosiaster zu 1 Gor. 7, 19 manifestum est, quia nee obest nee prodest.
Römische Quellen. Benutzt sind Gaius' Institutionen, Papinians responsa, de-
nitiones, liber singularis de adulteriis, Paulus' sententiae, responsa, liber singularis de
mriis, 1. s. de adulteriis, 1. s. de poenis omnium legum, 1. s. de poenis paganorum, Ulpians
latitutiones, ad edictum, liber singularis regularum, de officio proconsulis, Modestins
Ifferentiae. Ausser den Juristenschriften hat er auch Constitutiones benutzt und zwar
ian cod. Chregorianus, cod. Hermogenianus und einige spätere Constitutionen (14, 3, 6; 5, 8).
Fortleben der collatio. Hinkmar von Rheims (f 882) benutzte in der Eheschei-
tnngBsache Lothars des Zweiten und der Thietberga unsere collatio, indem er eine Stelle
«a de stupratoribus und eine aus de incestis nuptiis entnahm; er entlehnte sie aber nicht
tirekt aus der collatio, sondern aus einer kirchlichen Sammlung römischer Rechtsquellen;
rgL Rudorff, Abb. p. 293; Mommsen, Ausg. p. 112. Auch in dem Nachtrag, den der
Siachof Remedius von Chur der Sanct Galler Epitome hinzufügte, ist die collatio benutzt;
rgl. Rudorff 1. c, der weiterhin angibt: „Eine ungedruekte Canonensammlung des elften
fahrhunderts in fünf Büchern, welche in einer Vaticanischen Handschrift (No. 1339) und
liner zweiten zu Montecasino (No. 216) erhalten ist und in Oberitalien verfasst ward, be-
mtzt in einer Stelle IV, 106 de homiddis qui aliquändo absolvuntur aliquando damnantur
Tustinianus rex die CoUatio 1, 7*; vgl. auch Mommsen, Ausg. p. 113. Der nestorianische
Ifetropolit von Nisibis und Armenien Ebediesus (f 1318) verfasste eine Sammlung von
äynodalbeschlflssen, welche aus neun Abhandlungen besteht. In der Vorrede zu der dritten
330 AmbroBius. (§947.)
Abhandlung, welche über die Intestaterbfolge handelt, gibt er eine Geschichte dieaea lub.
tata; hier stoasen wir auf eine Stelle, die ans dem Syro-Chaldäiachen fibersetzt also laatit:
Composuit deinde (legea) post hoa Ambroaiua episcopus Mediolanensium, cum a Valentinmm
rege iuaaua eaaet acHbere et in ordinem redigere statuta et rä^ng ^ytjfMCi regicnum: H o
regihua Chriatiania etiam acripaerunt iura et deereta Conatantinua iile magnus et T%ea4d'
aiua et Leo, et haec quidem, ut camperimua, in terra Oeeideniia, — Conrat, GeacL d«
Qnellen und Litt des röm. Rechts im früheren Mittelalter 1 (Leipz. 1891) p. 87; p. 311
Die Ueberliefernng basiert anf drei Handschriften. Es smd dies: I. Berouneiai
269 s. IX, die Handschrift, nach der Pierre Pithon 1578 die collatio herausgegeben. Nad-
dem die Handschrift lange verschollen war, kam sie 1887 nach Berlin. 2. Vercellensis IS
8. X, von Blume 1822 ans Licht gezogen. 3. Vindobonensis (olim SaÜsburgensis) 2160 9.1
1822 von Lancizolle entdeckt.
Ausg. Editio princeps von F. Pithoeus, Fragmenta qnaedam Papinlani Pufi
Ulpiani Gaii Modestini .... cum Moysis legibus coUata, Paris 1573. Massgebende Aug.
ist jetzt die von Mommsen, CoUectio libromm iuris anteiustiniani 3 (Berl. 1890) p. 196.
Litteratur. Huschke, Ueber Alter und Verfasser der legom Mosaic. et Bflo.
collatio (Zeitschr. für geschichtl. Rechtswissensch. 13 (1846) p. 1); H. £. Dirftsen, üeber
die collatio legum Mosaicarum et Roman, in Bezug auf die Bestimmmig dieser Rechti-
sammlung und auf die Methode ihrer Redaktion (1846), Hinterl. Sehr. 2 (1871) p. 100; L
Rudorff, Ueber den Ursprung und die Bestimmung der Lex Dei oder Mosaicarom et Bt- I
manarum legum collatio (Abb. der Berl. Akad. der Wissensch. 1868 p. 265) ; RechtigescL
I (Leipz. 1857) p. 284; 0. Earlowa, Rom. Rechtsgesch. I (Leipz. 1885) p. 966; P. Erflger,
Gesch. der Quellen und Litt, des rOm. Rechts, Leipz. 1888, p. 802; Ihm, Stadia Amln-
siana (Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 17 (1890) p. 68); Mommsen, Ausg. p. 109; L Las-
ducci, Storia del diritto romano 1* (Padua 1895) p. 268; Th. Kipp, Gesch. der Qnellei
des röm. Rechts, Leipz.* 1903, p. 132; Jörs, Pauly-Wissowas Realencycl. Bd. 4 Sp. 367.
947. Charakteristik des Ambrosius. Nicht als Schriftsteller, sonden
als Bischof von Mailand hat Ambrosius seinen Weltruf erlangt. Und in der )
That hat nicht leicht je eine kraftvollere Persönlichkeit einen BischofsstoU
inne gehabt; die grosse Menge hatte den richtigen Blick, als sie seiner
Zeit dem hohen Beamten fast wider seinen Willen die Bischofswürde auf-
zwang. Fest durchdrungen von seiner hohen Aufgabe hatte Ambrosios
nur ein Ziel, dem Interesse der Kirche zu dienen und dasselbe nach allen
Seiten hin mächtig zu schützen. Als die nationale Partei unter Führung
des Symmachus den Versuch machte, heidnische Einrichtungen ins Leben
zurückzurufen, fand sie in Ambrosius einen unbeugsamen Gegner. Die
Einheit der Kirche stand ihm über alles, und die Häretiker, welche diese
Einheit zerstörten, bekämpfte er mit allen ihm zu Gebote stehenden ehren-
haften Mitteln. Auch vor den grössten Schwierigkeiten schreckte der feste
Mann hierbei nicht zurück; aber in allen seinen Kämpfen verfolgte er nie-
mals selbstsüchtige Zwecke, und die verschlungenen Pfade der Intrigae
waren ihm unbekannt. Geraden Wegs ging er auf sein Ziel los, und seine
zähe Willenskraft ruhte nicht eher, als bis dasselbe erreicht war. Ein
scharfer praktischer Blick kam ihm bei allen seinen Handlungen sehr zu
statten. Die Reinheit, Selbstlosigkeit und Festigkeit seines Charakters war
es, welche ihm bei seinen Zeitgenossen ein so hohes Ansehen verschafften;
selbst der kaiserliche Hof blickte zu dem Mailänder Bischof mit Verehrung
und Bewunderung empor. Mit verschiedenen Herrschern stand er in engen
persönlichen Beziehungen ; für den Kaiser Gratian schrieb er seine Bücher
über die trinitarische Frage; für Valentinian unternahm er die wichtige
und gefahrvolle Reise zu dem Empörer Maximus, auch hier seine kraftvolle
Persönlichkeit einsetzend; dem Kaiser Theodosius widmete er die apologiA
prophetae David; auf Valentinian und Theodosius hielt er die Leichen-
reden. Aber diese intimen Beziehungen hinderten ihn nicht, wenn er das
AmbroBiiM. (§ 947.) 33]
WTohl der Kirche gefährdet sah, den Herrschern entgegenzutreten. Die
Kaiserin Justina musste dies zu ihrem Leide erfahren, als sie den Arianern
n Mailand zu einer Kirche verhelfen wollte. Noch mehr musste die Macht
ies Bischofs Kaiser Theodosius fühlen, als er die harten Verfügungen
iv^Sen der Unruhen in Kallinikum und Thessalonich traf. Alle diese Kämpfe
indeten mit dem Sieg des Bischofs und weckten schon den Gedanken,
läse neben der staatlichen Macht eine zweite grössere sich erhebe, die
tffacht der Kirche. Auch scheinbar die Interessen der Kirche zu verletzen,
icheute sich der mutige Mann nicht; als es galt, Kriegsgefangene loszu-
Uiafen, besann er sich keinen Augenblick, Kirchengeräte zu diesem Zweck
5U verkaufen. Als die Hinrichtung der Priscillianisten verfügt wurde, ver-
urteilte er diese Gewaltmassregel. Dass die Schriftstellerei bei einer so
nnineDt praktischen Natur nur in zweiter Linie stehen konnte, ist leicht
begreiflich; auch sie ist eine Frucht seiner amtlichen Wirksamkeit. Als
Symnendichter trat er auf, um mit den Arianern zu rivalisieren. Fast alle
leine prosaischen Schriften sind aus umgearbeiteten Predigten hervor-
Segangen. Keines dieser Produkte kann als ein echtes Kunstwerk an-
gesehen werden. Zur Schriftstellerei fehlten dem Ambrosius wesentliche
EÜgenschaften; er ist kein spekulativer Kopf und besitzt keine Originalität
der Gedanken; seine Abhängigkeit von den Quellen, besonders von Philo
and Basilius, ist eine ausserordentlich starke. In seiner Theologie stützt
er sich überhaupt auf die griechischen Meister, und wenn er auch ihre
Errungenschaften voll in sein Eigentum verwandelt, so war es ihm doch
' nicht beschieden, neue Wege, wie später Augustin, der theologischen For-
'Bchung zu erschliessen. Strenge systematische Darstellung ist ihm fremd
^geblieben; er versteht nicht, seine Gedanken zu einer straffen Einheit
msammenzufassen, und er ergeht sich nur zu oft in Abschweifungen,
i welche den Leser ermüden. Auch in der dialektischen Erörterung der
> Begriffe ist er schwach, und seine polemischen Bücher entbehren daher
! der Kraft. In der Exegese der hl. Schrift, besonders des alten Testa-
: ments, steht er unter dem Banne seiner Zeit, der Allegorie. Die von
der Bibel durchtränkte Sprache seiner Schriften hält sich zwar frei von
der rhetorischen Mache der Zeit, zeigt aber auch keine besondere ori-
ginelle Gestaltungskraft. Die Predigten des Ambrosius machten, wie wir
ftos dem Zeugnis Augustins wissen, auf die Zuhörer einen gewaltigen
Eindruck; der Grund ist leicht ersichtlich, sie wurden durch den Zauber
einer grossen Persönlichkeit verklärt und gehoben. Dieser Zauber geht
dem geschriebenen Worte ab; es lässt uns daher kalt, und nicht gerade
oft drängen sich auch dem Leser Züge einer gewaltigen Individualität
auf. Kurz, die Bedeutung des Ambrosius ist nicht in der Wissenschaft,
sondern im Leben zu suchen.
Die hohe historische Stellung des Ambrosius sicherte auch seinen
Schriften ein langes Fortleben; besonders das Werk de officiis wurde
ein viel gelesenes Buch. Auch von anderen Schriften des BischofiB finden
sich Spuren bei späteren Autoren.^) Ja sein grosser ^<
>) Vgl. die Testiinonia bei Migne 14 8p. 118. SSi
332 YerfasBer von Briefen und Predigten, (f 948.)
als Aushängeschild für fremde litterarische Produkte gebraucht. Nock
mächtiger wirkte Ambrosius auf die kirchliche Litteratur durch die Eii- i
führung des Hymnengesangs; damit legte er den Keim zur chrisÜiclitt |
lyrischen Dichtung, welche dann Jahrhunderte hindurch eine liebevolle
Pflege fand. Am mächtigsten wirkte aber Ambrosius auf die späteren
Generationen dadurch, dass seine gewaltige Persönlichkeit einen Augustinn
für die Kirche gewonnen hat, durch dessen wunderbaren Genius der Occi-
dent die führende Rolle in der Theologie errang.
Zeugnisse zur Charakteristik. Epist. 48, 3 in iis (Schziften) nan farenui Um.
ditiae et auatoria verha, sed fidei sinceritaa est et confesifionia achrieteis. 8, 1 ^ noairm tm
secundum artem scripaiase, nee noa obnitimur; non enim aeeundum ariem geripaerutäf mi
aecundum gratiam, quae auper omnem artem eat; acripaerunt enim quat spirüua na Ufi
dahat. Ihm, De Ambrosio Vergilii imitatore (Studia Ambroaiana p. 80). Interesaant 'nk
die boshafte Notiz bei Hieronym. de vir. iU. 124 Ambroaiua, Mediolanensis episeopua, uapi
in praeaentem diem acribit, de quo, quia aupereat, meum iudieium aubiraham, ne in aUV'
utram partem aut adulatio in me reprehendatur aui veritaa. Eine scharfe und geistreicki,
aber etwas einseitige Charakteristik gibt H. Richter, Das weström. Reich, BerL 1861,
p. 602; vgl. dagegen Foerster, Ambrosius p. 124.
Die Theologie des Ambrosius. J. E. Pruner, Die Theologie des hL Ambraan^
Eichstätt 1862; ttber die Theologie des Ambrosius handelt jetzt auch A. Harnack ■
3. Bd. der Dogmengeschichte; W. Balkenhol, Die kirchenrechtlichen Anschauungen^
hl. Ambrosius und seinerzeit (Katholik 1888, 1 d. 118; p. 284; p. 387; p. 484); F. Bartk.
Ambrosius und die Synagoge zu Callinicum (Theol. Zeitschr. aus der Schweiz 6 (1889) p. tth
J. B. Kellner, Der hl. Ambrosius als Erklärer des Alten Testaments, Regensb. 1893;
R. Allier, S. Ambroise et Tintol^rance clöricale (Revue chr^tienne 1899, März); A. GoH-
schmidt, Die KirchenthUr des hl. Ambrosius von Mailand. Ein Denkmal frOhchiistL Skn^
tur, Strassb. 1902.
Abhängigkeit von den Quellen. Mit Recht bemerkt Schenkl (1 ^. XXIIIj;
dass die bekannte Stelle aus Cicero (ad Atticum 12, 52, 8), in welcher Cicero seine phfli-
sophischen Schriften dnoygatpa nennt, auch auf eine Reihe von Schriften des Ambroni
passe, indem er beispielsweise ausführt: „sententias mutuatus est a Philone, verba de am
addidit. nonnumquam sane digressiones intexuit librorum divinorum locia omatas, praeoepii
moralibus refertas, quibus rebus sacerdotis boni officium fideliter explevit, cetera omnii
Philoni debentur.*
Ausg. Ausgezeichnet ist die Ausg. der Mauriner J. du Frische und N. le Nourry. [
Paris 1686—1690 in 2 Foliobänden; dem zweiten Band ist eine wichtige Appendix be-
gegeben; nachgedruckt Venedig 1748 — 1751 in 4 und 1781—1782 in 8 Bänden; auch die
Ausg. von Migne 14 — 17 beruht auf der Mauriner Ausgabe. Es folgte die Ausg. tob
P. A. Ballerini, Mailand 1875 ff. in 6 Bänden. Die Ausg. des Wiener Corpus, welche t«
C. Schenkl in Angriff genommen wurde, ist bis jetzt nicht zum Abschluss gekommei;
erschienen sind vol. 32 pars 1 und 2 (Wien 1896/97) und pars 4 (1902), exegetische SchiiftM
enthaltend. Ueber die Ausg. vgl. Schenkl pars 1 p. LXXVII.
Uebersetzungen. Ausgewählte Schriften des hl. Ambrosius übers, von F. X. Schalt«
1, Kempten 1871 (Ueber die Jungfrauen, Ueber die Witwen, Ueber die Jungfräulickkeii
Ueber die Geheimnisse, Ueber die Busse, Ueber den Tod seines Bruders Satyros), 2, 19n
(Von den Pflichten der Kirchendiener, Trostrede auf den Tod Valentinians IL, Rede aif
den Tod des Kaisers Theodosius, Der Tod ein Gut, die Flucht vor der Welt). Ueber-
Setzung ausgewählter Reden von Th. Köhler, Leipz. 1892 (G. Leonhardi, Die EVedigt d«
Kirche 20). Ins Englische finden sich ausgewählte Schriften übersetzt von H. de Romestio.
A select library of Nicene and Post-Nicene fathers Ser. 2 vol. 10, New York 1896.
7. Verfasser von Briefen und Predigten.
948. Briefe und Predigten verschiedener Verfasser. Neben Am-
brosius stehen noch andere Kirchenfürsten, welche in der praktisches
Wirksamkeit ihre Lebensaufgabe erblickten und deshalb litterarisch nur
in dem Briefe und in der Predigt thätig waren. So stand der Nachfolger
als Schenkl in der Regel die Autoren angeben, von denen eine Schrift des Ambrosiu
citiert wird.
Yerfasaer Ton Briefen nnd Predigten, (f 948.)
333
Ambrosius, Simplicianus, mit Augustin in regem brieflichen Ver-
kehr. Während uns ein Brief des Augustinus an Simplicianus (epist. 37
ins dem Jahre 397) i) erhalten wurde, ist kein Schreiben des Simpli-
sianus an Augustinus wie an irgend einen Anderen auf die Nachwelt ge-
kommen. An Simplicianus ist auch ein Brief des Bischofs Vigilius von
Frient gerichtet, in dem er das Martyrium des Sisinnius, Martyrius und
(Llexander erzählt, wie er das auch in einem Briefe an Joannes Ghryso^
itomus gethan. Interessant sind die Briefe des Papstes Siricius (384 —
S98), weil sie uns über die Entwicklung des Kirchenrechts belehren. Der
Ekrief, der an den spanischen Bischof Himerius gerichtet wurde, ist in die
pKpstiiche Dekretalensammlung aufgenommen worden. Auch von Chro-
matios, dem Bischof von Aquileia (ca. 387 — 407), gab es Briefe; er stand
mit den grössten Kirchenfürsten seiner Zeit in Verbindung. Wir nennen
mir Ambrosius und Hieronymus, der ihm Schriften dedizierte. Allein die
Briefe des Chromatius sind, vielleicht mit einer Ausnahme,*) verloren. Da-
gegen sind uns von ihm 18 Predigten (tractatus) erhalten; von denselben
beziehen sich 17 auf Matthaeus Kap. 3, 5, 6; sehr wahrscheinlich ist die
Vermutung, dass Chromatius das ganze Evangelium in Homilien be-
mrbeitet hat. Für sich steht eine Predigt über die acht Seligkeiten; sie
xeichnet sich durch schlichte, echte Frömmigkeit verratende Darstellung
ans. Die Sprache des Chromatius ist die eines gebildeten Mannes. Mit
Paulinus von Nola verkehrte der Bischof von Rotomagus (Ronen), Vic-
"tricius; in der Correspondenz des Paulinus sind zwei Briefe an ihn über-
fiefert. Ausserdem haben wir von ihm einen rhetorisch zugestutzten Traktat
<de laude sanctorum, wohl eine in Buchform gebrachte Predigt Zum
3chlus8 gedenken wir noch der Briefe, welche von den Päpsten Li her ins
und Anastasius überliefert und die für die Kirchengeschichte nicht ohne
ITITichtigkeit sind. Bei dem ersteren sind einige Briefe, welche ihn als
einen arianisch Gesinnten darstellen, als Fälschungen auszuscheiden.
Simplicianus. Gexmadius de yir. ill. 37 SimpUdanua episcopus muUia episttdia
Jbortatu9 est Augustinum adhuc presbyterum, agitare ingenium et expositicni Scripturarum
wmeare, ut etiam novus quondam Ambrosius, Origenis iQyoöutixitjg etc. videretur. Unde et
.msmitaa ad eius personam Scripturarum quaestiones absolvit. Est eius epistula Proposi-
tionum, in qua interrogando quasi disdturus doeet doctorem,
Vigilius. Gennadiua de vir. iU. 88 Vigilius episcopus scripsit ad quendam SimpH"
J€ianum In laudem martyrum libellum et epistulam continentem gesta sui temporis apud
^mrbaros martyrum, Ausg. der zwei Briefe von Migne 13 Sp. 549. Im ersten Brief be-
Jteiclmet er sich als episcopus Tridentinae ecclesiae.
Siricins. Jaff4 (Regesta pontificom romanorom P (Leipz. 1885) p. 40) leitet seine
Besesten dieses Papstes mit den Worten ein: «Primae, qoae ezstant, epistolae pontificiae,
in qmbns anni eonsnlom nominibos indicantor, sunt Siricii 255. 258.* Ausg. von Migne
18 8p. 1181; Uebersetzung yon Wenzlowsky, Die Briefe der Pftpste 2 (Bibliothek der
JBSrchenTftter, Kempten 1876) p. 410.
Chromatius. Von Ambrosius haben wir in No. 50 einen Brief an denselben; vgl.
dartiber Ihm, Studia Ambrosiana p. 51. Ueber den Verkehr mit anderen Theologen vgl.
die Zeugnisse bei Migne Sp. 809. Dass die Predigten fttr die Lektüre bestimmt waren,
aeigt tract. 5, 2 (Sp. 341 M.) et multa simüia quae praetermisimus, ne taedium legentibus
faeeremus, Ueber den Anlass des Traktates de octo beatitudinibus vgl. den Eingang: Dat
mobis, fratreSf eonventus hie populi et mercaius frequentia occasionem proponendi sermonis
Süangeliei. Ueber einen anechten Briefwechsel vgl. Migne Sp. 369. Ausg. von Migne
M Sp. 828. — Juli eher, Pauly-Wissowas Realencycl. 3 Sp. 2452; vgl. auch § 968.
t ^) Migne 38 Sp. 151. Ausserdem haben
wir noch eine Schrift De diversis quaest. ad
Simplicianum libri II (Migne 40 Sp. 101).
«) Vgl. § 976.
)
334 VerfaMer Ton Briefen nnd Predigten« (§ 949.)
Victriciiie. Briefe des PaulinuB von Nola an Victricios No. 18 (1 p. 128 Hutdi,
No. 37 (1 p. 816 H.). Sein tractatos de laude sanctomm bei Migne 20 8p. 443 ist neu haui
gegeben von San vage und Fougard, Paris 1895. Ueber seine Sprache vgl. E. Panekcr,
Zeitochr. fOr österr. Gymn. 32 (1881) p. 481; Weyman, Wien. Stud. 17 (1896) p.315. Dv
Verfasser nennt sich § 6 (Sp. 448) selbst: $ed quid ego pauper Victricius cultar rttter it
loci qualifate formido? Er ist Bischof von Rotomagns (Ronen); vgl. § 2. Er nemt aa
Produkt liber; vgl. § 9 (Sp. 451) sed nos in tanta graiuIatioHe librum iumuUu quaaimm
refercimua. (Revue des questions historiques 1908.)
Die Briefe des Papstes Liberius (352—366). Ausser einer Rede, die liberiH
liieh> als er der Schwester des Ambrosius, Marcellina, den Schleier Überreichte, and 6
uns Ambrosius (de virginibus 3, 1; 16 Sp. 219 Migne; vgl. auch Migne 8 Sp. 1845) i^
teilt, und seiner von Theodoret (Hist. eccl. 2, 13) aufbewahrten Erklärung vor CfwishiMin
in Mailand sind uns auch Briefe erhalten. Jaffa, Regesta pontificam romanomm l'(La|i
1885) verwertet unter No. 208—216 die bei Migne stehenden 7 Briefe (8 Sp. 1349->1S^
unter No. 223 den Brief €td cathoUcos episcopos Italiae (Migne Sp. 1372), anter No.2S
einen griechisch geschriebenen ad universos Orientis orthodaxos episropos (Migne Sp. IS^li:
vgl. auch Harteis Ausg. des Lucifer p. 320, p. 327. Mit dem Zeichen der Unechtheit sindWi
Jaffü versehen: unter No. 207 der bei Migne (Sp. 1395) stehende Brief, unter No. 217^
Brief ad orientales (Migne Sp. 1365), unter 218 der ad Ursacium, Valentem et Gtrminrm
(Migne Sp. 1368), unter 219 der ad Vincentium epiwopum Capuanum (Migne Sp. ISTli
Diese Fälschungen gehen auf eine arianische Urheberschaft zurttck, welche zeigen voUm.
dass Liberius arianisch gesinnt war; vgl. Grisar, Wetzer und Weites Kirchenlexikoi ?
(1891) Sp. 1956. Weitere Fälschungen sind: Jaff^ No. 229 = Migne Sp. 1395, PatnL
gr. 28 Sp. 1441 an Athanasius (griechisch); No. 222 = Sp. 1406 ad Athanasium et epiie^
Äegyptios responsoria; No. 224 = Sp. 1399 ad omnes generaliter epiacopos; No. 225 = 8p. 140^
decreta Liberii papae üb. 13 cap. 9; No. 226 = Sp. 1408 ibidem cap. 10; No. 227 = Sp. UU«
ibidem cap. 12. Apokryph sind auch die Gesta Liberii (Migne 8 Sp. 1388).
Die Briefe des Anastasius L (398 — 401). er) Der Brief an Bischof Johannei 1
von Jerusalem (Migne 20 Sp. 68; 21 Sn. 627; 48 Sp. 231). Johannes hatte den PapetW |
fragt, ob Rufinus (§§ 967, 969) wegen einer Uebersetzung der Schrift des Origenes zu verdamoa
sei. Die Antwort lautet, dass alles auf die Absicht asJcomme, die der Uebersetzer bei seine;
Arbeit gehegt habe, ß) Der Brief an Bischof Simplicianus von Mailand (Migic
20 Sp. 73; 22 Sp. 772). Der Bischof von Alexandria, Theophilus, hatte die Verurteilng
von Sätzen des Origenes in einer Synode von Alexandria durchgesetzt; es lag ihm dua.
dass auch die übrigen Bischöfe davon Kenntnis erhielten; er schrieb daher an Papst Ani-
stasius, der seinerseits wieder dem Simplicianus Mitteilung machte, y) Der Brief u 1
Bischof Venerius von Mailand (400—409). Dieser Brief wurde nach einer Brfl&s^ I
Haudschrift des 10. Jahrhunderts zuerst von C. Ruelens (Bibliophile beige 6 (1871) p. 121i '
herausgegeben. Er wurde dann noch öfters publiziert, z.B. von Nolte, Der Katholik £ I
(1872) p. 251, zuletzt von J. van denGheyn, Revue d'histoire et de littärature religieoM
4 (1899) p. 5. Er stammt aus dem Jalire 400 oder 401. Angedeutet ist der Brief in des
an Johannes (20 Sp. 72 Migne): qudlem e^natolam ad fratrem et coepiscopum noatrum Veneriw
diligentiori cum perscriptam parvitas tiostra transmiserit, ex subditis poteris comprohan.
Wichtig ist unser Schreiben, das sich ebenfalls auf die Verurteilung der Ketzereien da
Origenes bezieht, für die Beurteilung der Rechtgläubigkeit des Liberius. — Auch Tn echte«
läuft unter dem Namen des Anastasius. Deutsche Uebersetzung echter und unechter P^>
dukte von Wenzlowsky, Die Briefe der Päpste 2 (Bibliothek der Kirchenväter, Kenpt«
1876) p. 492. — J. Langen, Gesch. der röm. Kirche bis zum Pontifikate Leos L. Bon
1881, p. 652; Jaffö, Regesta pontificum romanomm V No. 276, 281, 282.
949. Die Predigten Zenos. Unter den kirchlichen Schriftstellern
hat Zeno keine Stelle gefunden ; weder Hieronymus noch Gennadius konnten
von ihm ein gelehrtes Werk anführen. Allein durch seine Traktate, d. L
bischöfliche Piedigten,^) ist er doch in die Litteratur gekommen. Freilich
ist dieser schriftstellerische Nachlass nicht wenigen Bedenken unterworfen:
von den neueren Herausgebern wurden 93 Stücke, 16 grössere und 71
kleinere, d. h. skizzenhaft gehaltene, ihm zugeteilt. In der Sprache hat
man Anklänge an Apuleius von Madaura beobachtet.*) Auch über Leben
') Kessler, Patrol. 1 p. 740. an Tertullian gebildet hat* (Harnack, Ter-
'^) Diese Uebereinstimmung Avird sicli tullian in der Litt, der alten Kirche, Sitzung«-
zum Teil dadurcb erklären lassen, „dass Zeno ber. der Berl. Akad. der Wissenach. 1?&5
seinen rJedankentuisdnick und Stil vor allem ■ p. 551).
Paoianiui« Bischof Ton Barcelona. (§ 950.) 335
Wirksamkeit Zenos lässt sich nur schwer ins Reine kommen; die
Sangbare Ansicht ist von den Gebrüdern Ballerini begründet worden; dar-
war er Afrikaner 1) und Bischof von Verona in den Jahren 362—380.
Litteratur. Fr. A. Schütz, S. Zenonis episc. Yeron. doctrina christiana, Leipz.
; L. J. y. Jazdzewski, Zeno Veron. episc. commentatio patrologica, Regensb. 1862;
V. X>orner, Lehre von der Person Christi V (stattgart 1845) p. 754; R. Sabbadini, Rivista
li lUoL class. 12 (1884) p. 139. G. Weyman, Studien zu Apnleius und seinen Nachahmern
flSfeBongsber. der Münchener Akad. 1893, Bd. 2, Heft 3 p. 350; Nachträge bei Gatscha,
Mssert philol. Vindob. 6 (1898) p. 157) hat die Anklänge Zenos an Apuleius zusammen-
■iMifeellt, auch einiges über die theologischen Quellen mitgeteilt
Ausg. von P. et H. Ballerini, Verona 1739; abgedruckt bei Gallandi, Bibl. vet
itttr. 5 p. 105 und bei Migne 11 Sp. 258. Neueste Ausg. von J. B. K. Graf Giuliari,
Viarona 1883. — Deutsch von Leipelt, Kempten 1877 (Bibliothek der Kirchenväter).
Petronius von Bologna. Im cod. Monacensis 14386 s. X stehen zwei kurze Pre-
mit folgender Ueberschrift: Sermo Petronii episcopi Veronensis in natale sancH Ze-
4s. Item sermo cuius supra in die ardintUianis vel natale episcopi. Die erste Predigt
Öfters publiziert, so bei Giuliari in der Ausg. Zenos p. CXtVII aus einem cod. Vero-
113 s. XV. Die beiden Predigten, und zwar die zweite zum erstenmal, sind ver-
ntlieht von Morin, Revue Bönödictine 14 (1897) p. 3. Dem Zeugnis der Handschrift,
Petronius von Verona der Verfasser der beiden Traktate sei, steht das des Genna-
entgegen (de vir. ill. 42): Petronius, Bononiensis Italiae episcopus, vir sanetae vitae et
wmonaeharum studiis ab adulescentia exercitatus, scripsisse ptUatur Vitas patrum Äegypti
m^onachorum, quas velut speetdum ac normam professionis suae monachi amplectuntur,
Ueffi mb eins nomine De ordinatione episcopi ratione et humilitate plenum tractatum,
HtMm HngtM elegantior ostendit non ipsius esse sed, ut quidam dicunt, patris eius Pe-
trami eloquentis et eruditi in saectdarihiis litteris viri — et credendum, nam et prae-
f§eium praetorio fuisse se in ipso tractatu designat. Moritur Theodosio et Valentiniano
TWj^nantibus, Hier wird also der Traktat de ordinatione episcopi, der doch wohl mit un-
■arer zweiten Predigt identisch ist, der Ueberlieferung gemäss dem Petronius Bononiensis
Maiiae episcopus zugeschrieben, eine Autorschaft, die aber Gennadius in Zweifel zieht. Sein
Hanptargument ist, dass sich der Autor desselben praefectus praetorio bezeichnet und dass
ikJier als solcher der Vater des Bischofs anzusehen sei. In der vorhandenen Homilie fehlt
ami die ausdrückliche Bezeichnung als praefectus praetorio ; allein sie enthält doch im An-
fmg eine Anspielung auf eine Standesänderung des Redners. Vielleicht wusste also Gennadius
MI8 einer anderen Quelle, dass der Vater des Bischofs nraef. praetorio war, und hat es unter-
lassen, dies hier anzumerken. Aber es ist gewiss nicht unmöglich, dass auch der Bischof
Petronius, ehe er sein geistliches Amt antrat, wie Ambrosius in hoher weltlicher Stellung sich
Wfiund. Die Kritik des Gennadius, soweit sie vom Stil ausgeht, ist unbegründet, da die
Schrift vitae patrum Aegypti monachorum von Rufin stammt, also keinen Vergleichungs-
punkt dari>ieten kann. Andererseits lag es nahe, da in der ersten Predigt von Zeno, Bischof
▼on Verona, die Rede war, Petronius zum Nachfolger desselben zu machen. Vgl. Gzapla,
Gennadius ab Litterarhistoriker (Kirchengeschichtl. Stud. 4. Bd. 1. Heft (1898) p. 94).
8. Pacianus, Bischof von Barcelona.
950. Die Schrifbstellerei des Pacianus. Es ist eine bekannte That-
sache, dass in den Lebensanschauungen, auch nachdem die goldene Mittel-
straie sich durchgerungen hat, doch noch von Zeit zu Zeit sich laxe oder
rigorose Richtungen hervorwagen. Besonders das religiöse Leben bietet
Beispiele in reicher Fülle dar. In unserer Epoche ist ein charakteristischer
Fall, dass in Spanien Spuren des Novatianismus, der denen, welche nach
der Taufe wiederum schwere Sünden begangen, die Eirchengemeinschaft
versagte, auftauchen. Gegen Ende des vierten Jahrhunderts lebte dort
ein nicht näher bekannter Sympronianus, der sich mit dem Bischof Pacianus *)
von Barcelona in einen brieflichen Verkehr über die Principien des Nova-
^) Man beruft sich auf den Traktat de I *) Sein Sohn war Dexter, der den Hien
Arcadio martyre; vgl. Schoenemann bei 1 nymus zur Abfassung der viri illustres var-
Migne 11 Sp. 248. , anlasste (§ 978); vgl. de vir. ill. 132.
336 Padamui, Bisehof toh BaroelmuL (§ 950.)
tianismus, dem er huldigte, einliest Ans dieser Correspondenz sind vm
drei Briefe des Bischofs erhalten.^) Der erste Brief handelt besondcn
über die Berechtigung der Bezeichnung .Katholisch' ; es kommen hier die
berühmten Worte vor: , Christ ist mein Name, Katholik mein Beinime.'
Sympronianus hatte dem Bischof bereits zweimal geschrieben, auch eioa
Traktat über den Novatianismus beigelegt, als Pacianns den zweitei
Brief an ihn richtete, der sich namentlich mit der Person des Novatiani
beschäftigte. Der dritte Brief ist eine Widerlegung des übersandtet
Traktats; da die Sätze meist im Wortlaut gegeben werden, können inr
ihn fast ganz rekonstruieren. Der Kernpunkt des Novatianismus, dass ei
nach der Taufe keine Busse gebe und dass die Kirche Todsünden nidit
vergeben könne, ist in dem Briefe gleich an den Anfang gestellt. In ge>
bildeter Sprache und nicht ohne Gewandtheit*) schreibt Pacianus, oid
nicht selten ist der feine Tadel und die feine Ironie bemerkenswert; die k
theologischen Gedanken entlehnt er grösstenteils von Gyprian und TertoDiaa.
Ausser diesen Briefen schrieb Pacianus noch eine Taufrede, welche ii
der Ueberlieferung zuletzt steht, und einen Mahnruf zur Busse, der sid
wohl an die Gattung der koyoi tt^ot^ctttixo! angeschlossen haben wird; hier
erörtert er die Verschiedenheit der Sünden, dann spricht er über die,
welche sich aus falscher Scham der Busse entziehen, weiterhin über die,
welche die Heilmittel der Busse nicht kennen oder zurückweisen; endBdi
führt er noch aus, welcher Lohn die Bussfertigen und welche Strafe die
Unbussfertigen erwartet. In einer Invective ^Hirschlein'' betitelt, eifert er
gegen die aus dem Heidentum noch beibehaltenen Spiele, besonders gegei
das tolle Treiben am Neujahrstag. Die Schilderungen waren so drastisch,
dass beim Erscheinen des Buches die Befürchtung laut wurde, es könnten
manche aus der Lektüre eine Anreizung zu den angedeuteten Ausgelassen- 1
heiten empfangen. Die Schrift hat sich nicht erhalten.
Zeugnis über Pacianas. Hieronym. de vir. ill. 106 Pacianus, in Pyrenaei ittgit
Barcelonne episcopus, castigatae eloquentiae, et tarn vita quam sermane cfarus, aeriptit tarn
opiMcula, de quibus est CervuSy [in kalendis Januariis et contra alios ludas pagani/w]H
Contra NovatianoSf et sub TJieodosio principe iam ultima senectuie mortuus est. Da Hie»-
nymus seine viri illustres 892 schrieb, muss Pacianus vor diesem Jahr gestorben sein, mi
da Theodosius 379 zur Regierung kam, nach diesem Jahr. Epist. 2, 4 ego a parrulo diu-
ceram {Veryilium}. — Garns, Die Kirchengesch. von Spanien 2. Bd. 1. Abt. (Regeuk
1864) p. 318.
DeCatholico nomine. Epist. 1, 4 Christianus mihi nomen est, Catholieus ven
cognomen; vgl. epist. 2, 2 de Catholico nomine multa respondi placide.
Do Symproniani litteris. Epist. 2, 6 vacare tibi scribis; et ideo te contentim
delectant. mihi vero catholicis negoiiis occupato, post triginta ferme dies litterae tuae in-
ditoe Huntf pont alios quadraginta repetitae. 2, 1 accipe pauca de litteris tuis qucu tractatm
practulisti. Am Schluss bespricht er auch einen ins Einzelne gehenden Traktat.
Contra tractatus Novatianorum. Epist. 8, I tractatus omnis Novatianorum qiuB
ad me conferiis undique propositiontbus destinasti^ Symproniane frater, hoc continet: quoi
post baptismum poenitere non liceat; quod mortale peccatum Ecclesia donare non pos$it^
immo quod ipsa pereat recipiendo peccatttes.
Sermo de baptismo. Cap. 1 aperire desidero qualiter in baptismo n€iscamurf it
qualiter innovemur. verbis sane ipsius loquar, fratres, ne forte me ob nitorem sententiorum^
stilo exsuliasse credatis .... aper iam quid fuerit ante gentilitas, quid fides praestetj quU
haptismus indulgeat.
M Aus 1, 3 (Sp. 1054 Migne) schliesst , Apollinaristen verdammt worden.
Garns (p. H19), dass die Briefe nach 377 *) üeber das rhetorische Gepräge d«f
geschrieben seien, da in diesem Jahre die ; Sprache Pacians vgl. Gruber p. 55.
PriBoillian und die PrisoillianiBten. (§ 951.) 337
Paraenesis, sive exhortatorina libellas, ad poenltentiam. c. 2 sermonum
meorum hie ordo servabitur, primum ut de modo criminum edisseram .... tum de
^fit fideJibus dieam qui remedium suum erubescentes male verecundi sint, et inquituUo cor-
ae poUuta mente communieant .... tertio, de his erU sermo, qui confessis bene aper-
eriminibus remedia poeniteniicte (ictusque ipaos exomologesis adminiatrandae aut
aut reeuaant, postremo illud apertisaimum enitemur ostenderej quae poena ait aut
agentibua poenitentiam aut etiam negligentibua, atque ideo in vulnere auo ac tumore
f^orieniibua: quae ruraua aü eorona, quod praemium, conaeientiae maeulaa recta et ordinaria
^^mfksBione purgantibua.
Qa eilen. Besonders sind benutzt Cyprian (epist. 2, 7; 3, 24) und Tertollian (epist.
k^84); Aber Cyprian vgl. C. Goetz, Gesch. der Crprianischen Litterator, Basel 1891, p. 72;
mmat Tertollian ygl. Harnack, Sitzungsber. der Berl. Akad. der Wissensch. 1895 p. 566.
Sprache. Ueber Anklänge an Vergil vgl. Grub er, Stadien zu Pacianus von
lona, München 1901, p. 8; an Horaz p. 10; an Cicero 1. c. Ueber das Lexikalische
Grammatikalische vgl. denselben p. 41 und 48.
Cervulus. Gegen den Einwand der Gegner, dass die Aufdeckung der Unsittlich-
nicht selten die Begierde nach derselben aufstachele, bemerkt der Bischof (Paraenesis
tm 1) ironisch: eo uaque progreaaia noatratium moribua, ut admonitoa ae exiatiment cum
\ hoc enim, puto, proxime Cervulua ille profecit, ut eo dÜigentior fieret, quo im-
notabaiur. et tota illa reprehenaio dedecoria expreaai ae aaepe repetiti, non com-
videatur, aed erudiaae luxuriam, me miaerum/ quid egg facinoria admiai? puto,
Bmmcierant Cervulum facere, niai Wia reprehendendo monatraaaem. Der Titel Certma bei
mymus wird einer Unachtsamkeit seine Entstehung verdanken.
Die Ueberlieferung ist noch nicht methodisch untersucht; Peyrot hat für seine
j. zwei Handschriften herangezogen, Parisinus 2182 s. XU/XIII, Vaticanus Regin. 331
I» X/XI; Weyman fügt eine Grenobler Handschrift 262 s. XII hinzu.
Ausg. Editio princeps von J. Tilius (Jean du Tillet), Paris 1538; eine neue Re-
Munon besorgte Galland i (Bibl. vet. patr. 7 p. 255), die dann wieder von Migne (13
Bh^l051) übernommen wurde. Neue Ausg. von Ph. H. Peyrot (Utrechter Diss.), Zwolle
lS96; ygl. dazu die lehrreiche Recension von Weyman, Berl. philol. Wochenschr. 1896
Ap. 1057; Sp. 1104 und Pfeilschifter, Wochenschr. für klass. Philol. 1896 Sp. 1112.
KnÜsche Beiträge von Gruber p. 13; Weyman 1. c.
9. Priscillian und die Priscillianisten.
951. Biographisches über Priscillian. Ueber Priscillian und seine
Sekte wurde bislang der Bericht des Sulpicius Severus in seiner Chronik als
inassgebende Quelle angesehen. Wir geben die Orundzüge dieses Berichtes.
Die Sekte weist in ihrer Wurzel auf den Orient und Aegypten zurück.
Bin gewisser Marcus aus Memphis brachte zuerst eine gnostische Lehre
nach Spanien; sie fand Eingang in gebildete Kreise: eine vornehme Frau
mit Namen Agape und ein Rhetor Helpidius bekannten sich zu ihr. Dieses
Paar gewann für die neue Lehre den vornehmen und reichen Priscillian,
und damit erhielt die Sekte ihr Haupt ; denn dieser besass Eigenschaften,
«reiche eine Anziehungskraft auf andere, besonders die Frauenwelt, aus-
übten. Infolgedessen gewann Priscillian immer grösseren Anhang; selbst
Bischöfe, wie Instantius und Salvianus ergriffen seine Partei. Auf die
Befahr, die der rechtgläubigen Kirche von seiten der Priscillianisten drohte,
vrorde zuerst der Bischof Hyginus von Gorduba aufmerksam; dieser trug
die Sache dem Bischof von Emerita, Hydatius, vor. Allein Hydatius, ein
roher Fanatiker, machte durch sein ungeschicktes Eingreifen das Uebel
noch ärger. Zur Unterdrückung der Häresie wurde im Jahre 380 ein
Concil in Saragossa ausgeschrieben ; aber die Häretiker stellten sich nicht,
80 dass ein Gontumazurteil gegen sie erlassen werden musste. Von dem-
selben wurden die Bischöfe Instantius und Salvianus, die Laien Helpidius
und Priscillianus betroffen. Mit der Ausführung wurde der Bischof von Osso-
Handbaoh der klaas. AlteHnmiwisiiexiaohafi. Vm. 4. 22
1
338 Prisoillian und die PrisoillUaisteii. (§ 951.)
nuba ^) Itacius betraut, welcher zugleich die Exkommunikation von Hygin»
vornehmen sollte, der sich, nachdem er anfangs gegen die Sekte aufgebt
später merkwürdiger Weise derselben anschloss. Um ihre Partei zu stiriuB,
machten jetzt die Bischöfe Instantius und Salvianus den Priscillian, ds
bisher ein Laie war, zum Bischof von Abila (Avila am Adaja). Andi ii
weltliche Macht wurde jetzt von den intransigenten Bischöfen Hyditai
und Itacius in Bewegung gesetzt ; Hydatius erlangte sogar ein Dekret ?oi
Kaiser Gratian, durch das den Priscillianisten nicht bloss ihre Crdba
weggenommen, sondern sie überdies exiliert wurden, um aus der schlimmei
Lage, in die sie jetzt geraten waren, herauszukommen, beschloBsen &
Priscillianisten, sich nach Rom an Papst Damasus zu wenden ; InstantiBi,
Salvianus und Priscillian begaben sich dahin. Allein die Mission wir
erfolglos; der Papst Damasus verweigerte ihnen die Audienz, auch An-
brosius wies sie zurück. Jetzt suchten Priscillian und seine Be^^
auf einem anderen Wege Rettung; sie erwirkten durch Bestechung dn
magister officiorum Macedonius ein Dekret, welches das Gratians aufhob qbI
ihnen ihre Kirchen zurückgab. Auch die Gegner machten jetzt Versud»,
die staatlichen Autoritäten für ihre Sache zu gewinnen. Doch einen ^
scheidenden Schlag konnten sie erst führen^ nachdem Maximus sich zm
Imperator aufgeworfen hatte. Itacius ging den neuen Kaiser an, gega
Priscillian vorzugehen; Maximus schenkte den Worten des Bischofs gen
Gehör, zumal da er glaubte, durch die Verfolgung der Häresie sich die
Gunst der Geistlichkeit zu sichern. Er befahl daher, dass die PriscillianisUi
auf einer Synode zu Bordeaux erscheinen sollten, um sich zu rechtfertigen.
Priscillian verlangte hier aber, vor den Kaiser gestellt zu werden. Damil
war die Sache an die weltliche Autorität geleitet, und die beiden unver-
söhnlichen Bischöfe Hydatius und Itacius begannen nun ihr Werk ge^^n
Priscillian und seine Anhänger. Vergeblich legte sich der hl. Martin von
Tours ins Mittel ; ihm war der Process an und für sich ein Stein des An-
stosses, da er die Entscheidung eines weltlichen Gerichtes in geistlichen An-
gelegenheiten nicht anerkennen konnte ; auch meinte er, dass die kirchliche
Remedur vollständig ausreiche ; in der That erlangte er von Maximus einen
Aufschub der Sache. Allein als Martin von Tours abgereist war, machten
sich andere Einflüsse geltend, welche den Kaiser bestimmten, den Procea
weiter verfolgen zu lassen. Das Resultat war, dass Priscillian und seine
Anhänger wegen maleficium, womit man jeglichen Unfug verbotener Künste
bezeichnete, verurteilt wurden. Der Kaiser bestätigte das Todesurteil;
dasselbe wurde an Priscillian und mehreren seiner Anhänger, wie Latro-
nianus und Euchrotia, vollzogen. Gegen andere Priscillianisten wurde mit |
Verbannung vorgegangen.
So weit die Darstellung des Sulpicius Severus. Eine Kritik derselben
war schwierig, da von der gegnerischen Seite kein Bericht vorhanden war.
Von den Schriften Priscillians hatte man nur die Canones zu den Briefen
des Apostels Paulus, die zwar über die Anschauung Priscillians manches
M Bei Sulpicius Severus (Chron. 2, 47, 3) > für das überlieferte Sossuhensi wird mit Recht
ist überliefert: Ithacio Sossuhensi episcopo\ \ Ossonuhensi geschrieben.
PriBoillian und die PrisoilUanisten. (§ 951.) 339
M>ten, allein die Vorgänge, die zur Verfolgung Priscillians führten, un-
lerQhrt Hessen, wie aus nachfolgender Skizze erhellt.
Biographische Zeugnisse aber Priscillian. Hieronym. de vir. ill. 121 Pris-
^Oiianus, Abilae episcopus, qui factiane Uydatii et Ithacii Treveris a Maximo tyranno caesua
Wii, tdidit tnuUa opuscula, de quibus ad nos aliqua pervenerutU. Hie usque hodie a non-
mtilU Gnosticcte, id est Basilidis veJ Marci, de quibus Irenaeus scripsit, kaereseos accusatur,
t^ftndentibus aliis non ita eum sensisse, ut arguUur, a) Entstehung der Sekte. Sulpicius
farver. Chron. 2, 46, 2 (p. 99 Halm) primus eam (die H&rede) intra Hispanicis Marcus intulit,
äegjfpio profectuSf Memphi artus. huius auditares fuere Ägape quaedam, non ignobilis mu-
itr, et rhetor Helpidius (vgl. auch y) . ab his Priscillianus est institutus. ß) Beginn der
Verfolgung. 2f 46, 7 (p. 100 H.) iamque paulatim perfidiae istius tabes pleraque Hispaniae
90rvaserat, quin et nonnuUi episcoporum depravati, inter quos Instantius et Salvianus Pris-
fiOianum non solum consensione, sed sub quadam etiam coniuratione suseeperant, quoad
EFjß^nus, episcopus Cordubensis, ex vicino agens, comperta ad Ydacium Emeritae sacerdottm
f^trrei, y) Concil von Saragossa (380). % 47, 1 apud Caesaraugustam sgnodus con-
pregatur, cui tum etiam Aquitani episcopi interfuere. verum haeretici committere se iudicio
«Of» ausi: in absentes tarnen lata sententia damnatique Instantius et Salvianus episcopi,
EMpidius et Priscillianus laici. additum etiam ut, si qui damnatos in communionem rece-
9is9ei, sciret in se eandem sententiam promend<im, atque id Ithacio f Sossubensi episcopo
m^otium datum, ut decretum episcoporum in omnium notitiam deferret et maxime Hyginum
factra communionem faceret, qui, cum primus omnium insectari palam haereticos coepisset,
wamUa turpiter depravatus in communionem eos recepisset, Schwierigkeiten macht die Unter-
icheidung der beiden Bischöfe mit den ähnlichen Namen; wir folgen hier der WOrzburger
äandschnft, welche den Bischof von Emerita Hydatius nennt (vgl. z. B. p. 40, 12 Seh.), den
inderen Verfolger Itacius (p. 23, 24), der nach wahrscheinlicher Vermutung (vgl. Halm zur
Stelle) als episcopus Ossonubensis zu bezeichnen ist. d) Weihe des Priscillian zum
Bischof. 2, 47, 4 Instantius et ScUvianus .... Priscülianum etiam laicum .... episcopum
Im AbUensi oppido constituunt, s) Das Dekret Gratians gegen die Priscillianisten.
^ 47, 6 (p. 101) Ydacio supplicante elicitur a Gratiano tum imperatore rescriptum, quo uni-
ferai haeretici excedere non ecclesiis tantum aut urbibus, sed extra omnes terrae propelli iube-
b€Mtur. C) Reise der Bischöfe Instantius, Salvianus und Priscillianus nach
ftom. 2, 48, 1 Instantius, Salvianus et Priscillianus Romam profecti, ut apud Damasum, urbis
Mi tempestate episcopum, obiecta purgarent .... hi ubi Romam pervenere, Damaso se pur-
fore cupienteSf ne in conspectum quidem eius admissi sunt, regressi Mediolanum aeque ad-
persantem sibi Ambrosium reppererunt. tj) Das Eingreifen des Macedonius. 2,48,5
tarrupto Macedonio, tum magistro officiorum, rescriptum eliciunt, quo calcatis, quae prius
üUeretä erant, restitui ecclesiis iubebantur. ^) Eingreifen des Usurpators Maximus.
K, 49, 6 (p. 102) ubi Maximus oppidum Treverorum victor ingressus est, ingerit (Itacius) preces
plenas in Priscillianum ac socios eius invidiae atque criminum, quibus permotus imperatar,
äatia ad praefectum Oalliarum atque ad vicarium Hispaniarum litteris, omnes omnino,
quos labes illa involverat, deduci ad synodum Burdigalensem iubet. ita deducti Instantius
ei PrisciUianus .... Priscillianus .... ad principem provocavit, i) Verurteilung Pris-
cillians. 2, 50, 8 (p. 103) is (praefectus Evodius) Priscillianum gemino iudicio auditum con-
pictum que maleficii nee diffitentem obscenis se studuisse doctriniSj nocturnos etiam tur-
pium feminarum egisse conventus nudumque orare solitum, nocentem pronuntiavit redegitque
in eustodiam, donee ad principem referret, gesta ad palatium delata censuitque Imperator,
Priscillianum sociosque eius capite damnari oportere .... Latronianus quoque et Euchrotia
^adio perempti. Die Hinrichtung der Euchrotia streift der Panegyriker Latinius Pacatus
Drepanius in seiner Rede auf 'Hieodosius (p. 297 B.): de virorum mortibus loquor, cum
descensum recorder ad sanguinem feminarum et in sexum cui bella parcunt pace saevUum?
9ed nimirum graves suberant invidiosaeque causae ut unco ad poenam clari vatis matrona
mperetur. obiciebatur enim atque etiam probabatur mulieri viduae nimia religio et dili-
gentius cuUa divinitas. Vgl. noch vita S. Martini 20, 1—7; dial. 2 (3), 11—13.
Zur Charakteristik des Priscillian. Sulpicius Sever. Chron. 2, 46, 3 p. 99 Halm
{Priscillianus) familia nobiJis, praedives opibus, acer, inquies, facundus, multa Uctione
eruditus, disserendi ac disputandi promptissimus, felix profecto, si non pravo studio corru-
pisset Optimum ingenium: prorsus multa in eo animi et corporis bona cerneres, vigilare
mvUum, famem ac sitim ferre poterat, habendi minime cupidus, utendi parcissimus, sed
idem vanissimus et plus iusto inflatior profanarum rerum scientia: quin et magieas artes
a5 adolescentia eum exercuisse creditum est,
Aeltere Litteratur. P. Th. Cacciari, De Priscillianistannr ^
Rom 1751 = Migne, Patrol. lat. 55 Sp. 991; S. van Vries, De P^
fotis, doctrinis et moribus, Utrecht 1745; Lfibkert, De haami t^
hagen 1840(1841); J. M. Mandernach, Gesch. des PmcSOInto
340
PrisoiUian und die Priseilliaiiisten. (§ 952.)
navs, üeber die Chronik des Sulpicias SeveruB, Berl. 1861, p. 5 = Gea. Abh. 2 (1&^)
p. 87; Garns, Die Eirchengesch. von Spanien 2. Bd. 1. Abt. (Regensb. 1864) p. 359.
952. Die Ganones zu den Briefen des Paulus. Ein Unbekannto
hatte Prisciliian aufgefordert, gegen die Häresien eine Streitschrift ab>
zufassen. Dabei wollte er nicht ein rhetorisches oder dialektisches Werk
haben, sondern meinte, dass die ketzerischen Ansichten ihre beste Wider*
legung durch das Schriftwort fänden, da an demselben die Schlauheit ia
Häretiker unbedingt scheitern müsse. Prisciliian kam diesem Auftrag n
folgender Weise nach. Als Schriftwort legte er die 14 paulinischen Bri^
zu Grunde; diese Briefe ging er nach den verschiedensten Seiten dei
Glaubens und des kirchlichen Lebens durch, indem er jeden Brief zugleidi
in Sektionen zerlegte. Nachdem das Schriftwort in dieser Weise durck-
gearbeitet war, handelte es sich darum, totioi zu konstituieren und unter
jeden ronog das auf ihn bezügliche in den verschiedenen Briefen zerstreute
Material zusammenzuarbeiten ; soweit es möglich war, schloss er sich in
der Fassung möglichst an den Wortlaut der biblischen Stellen an. La
ganzen erhielt er 90 ron-oi, die er „Ganones" nannte; jedem Canon fagte
er die verwerteten Bibelstellen in Ziflfernbezeichnungen bei. *) Das Wöi
repräsentiert uns einen Abriss der paulinischen Theologie, durch den der
Kern der göttlichen Wahrheiten herausgestellt wird und ohne eigentlicbe
Polemik den Häresien einfach gegenübertritt. Die Ganones fanden in Bibel-
handschriften Verbreitung, zumal da sie auch unter dem Namen des Hiero-
nymus umliefen; sie dienten als eine gute Einleitung zu den paulinischen
Briefen. Selbst das Bekanntwerden des wahren Autors konnte die Sammlung
der Ganones nicht dem Untergang zuführen ; doch hielt man es für geboten,
eine von allen heterodoxen Ansichten gereinigte Ausgabe herzustellen. Ein
uns nicht näher bekannter Bischof Peregrinus nahm diese Umarbeitung vor.
und nur in dieser umgearbeiteten Gestalt ist uns die Sammlung erhalten.
Ausser den Ganones war noch eine Stelle über die menschlichen Seelen
bekannt, die Orosius in seinem Commonitorium de errore Priscillianistarura
et Origenistarum aus einem Briefe Priscillians wörtlich angeführt hatte.*)
Die Veranlassung der Ganones erhellt aus dem Prolog (p. 110): postularerai.
ut contra haereticorum versutam fallaciam firmissimum aliquod propugnaculum in dirinit
scripturis sagaci indagine reperirem, quod noti tarn prolixum vel fastidiosum esset qua»
concinnum ac venustutn existeret, per quod velocius eorum prosterneretur inpudentia, qw
obiecta sibi verissima testimonia in suum pravissimum sensum ea interpretari nituntw
aut certe negent Jiaec esse scripta. Ideoque contra eos tale aliquid excogitandnm «»
diciSy quod non versuta oratoris eloquentia turgescat vel luhricis dialecticae syüogism
inrolvatur, nam haec quibusdam viaxima solent esse perfugia, sed tale sit vis, quod men
f>eritate effulgeat atque mira constet scripttirarum auctoritate. Ula vero vitari debtr(
quae sunt spiritali et innocuae fidei Christianae contraria atque inimica, quippe qm<
mundi cxistens sapientia ab apostolo sit stultitia nuncupata.
Die Ausführung des Vorschlags. Auf die Vorschläge des Ungenannten ent-
gegnet Prisciliian folgendes (p. 110): haec te saepissime audiens et alia his similia «ih
scribente e re mihi vi.sum est ipsas scripturas in medio positas idest quattuordecim epi-
stulds beatissimi Pauli apostoli in earum textu sensus testimoniorum disiinguere ipsisqut
testimoniis numeros ordinäre, quosque numeros unicuique epistularum ah uno incipi(v
itsque in finem quantitatis suae viodum sequaciter atramenfo supemotare. Praeterm a
ipsifi testimoniis quacdam verba decerpens canones iisdem concinnavi saporibtis ipson»
^) Die regelmässige Form der Einleitung
geschieht durch quin, wodurch die Canones
zugleich den Charakter von Inhaltsangaben
erhalten.
2) Vgl. Schepss, Ausg. p. 153.
Priaoillian und die PrlBoUlianiBten. (§ 953.) 341
^BÜnumiorum canstantes, Quibus canonibua epi8t%Uarum titulos et ipsorum UsHmoniarum
uwneros stU)ter<idnotam, ut übt vel quotum quaeres tesHmonium, per ewndem canonem cui
See 8ubdüa sunt faciüime reperias, Ipsi autem canones proprios habent numeros mineo
99eripto8 idest in quatttiordecim episttUas canones nonaginta; quosque numeros in omnem
aetMm scripturae convenientibus sd)i testimonüs supemotcUos invenies iUic viddicet, unde
f^iemque canoni pauca verba necessaria esse vident%tr. Cur autem non omne testimonium
tismdeat canon, soUerti studio animadverte, qtUa eadem testimonia ex mtUtis versibus
9mstant, canones autem ex paucis verbis eo quod semper ad respondendum pauca verba
roferantur, Ideoque evenit, ut cUiguortmi testimoniorum principia tantum cum canone
IM 9%tbdita sunt conveniant, aliorum autem medietas, nonnuüorum vero finis, plerumque
l4um. Et idcirco duorum vel irium seu plurimorum canonum numerum in unum testi-
lanmm mineo supemotcUum invenies, ut iam dixi, ülic tamen unde pauca verba um-
Hique vident%ir esse necessaria.
Die üeberarbeitung durch Peregrinus. Das Prooemiuin, das im Cavensis an-
jaftthrt wird als Prooemium sancti Peregrini episcopi in epistolis Pauli Apostoli, lautet
p. 109 Seh.): prologum subter adiectum sive canones qui subsecuntttr nemo putet ab Hiero-
>ymio facios, sed potius a Priscüliano sciat esse conscr^tos. Et quia erant ibi plurima
€Ude necessaria, correctis his quae pravo sensu posita fuerant aliay ut erant utÜiter or-
\i9uUa, prout oportebat inteüegi iuxta sensitm fidei catholicae exemplavi. Quod probare
Hfterit qui vel ülud opus quod ipse iuxta sensum suum male in cdiquibus est interpretatus
UsctMserit vel hoc quod sanae doctrinae redditum est sagaci mente perlegerit. Wer dieser
Peregrinus war, kann nicht festgestellt werden; vielleicht verbirgt sich unter dem Namen
lo^^ar ein Anonymus; vgl. Schepss, Ausg. p. 179. üeber die Veränderungen, die Pere-
pnnos vorgenommen, vgl. denselben p. XLI; Paret p. 6.
üeberlieferung. Für die Restituierung des Textes wurden von Schepss (p. XXX)
Mixende Handschriften herangezogen: cod. Cavensis 14 s. IX (in der Abtei La Cava bei
Smlemo), Legionensis der Domkirche in Leon (Spanien) 6 s. X, Legionensis des Real cole-
pata de San Isidro s. X, Toletanus, jetzt in Madrid s. X, Parisinus 9380, olim Mesmianus
I. IX, mit dem der cod. Aniciensis in Le Puy aufs engste zusammenhängt, Vaticanus 5729,
ilim Farfensis s. X, Pistoriensis 151 s. X/XI, Lipsiensis 13 s. Xlll/XiV ; über andere Hand-
idiriften vgl. Schepss p. XXXVI. Als die besten Führer erachtet Schepss (p. XL) den
[Cavensis und Legionensis 6.
Ausgaben der Canones. Herausgegeben wurden die Canones von Zacharia in
ler bibliotheca Pistoriensis, Turin 1752, p. 67; von A. Mai, Spicilegium Romanum 9 (1843);
Schepss p. 109.
Zur Erläuterung. Paret (p. 1) fasst die Canones als eine gegen eine manichäische
iTorlage (p. 65) gerichtete Streitschrift; vgl. dagegen Hilgenfeld p.44.
Orosius und Augustin als Bestreiter des Priscillianismus. Um 415 schrieb
[>ro8iiis Ad Aurelium Augustinum commonitorium de errore Priscillianistarum et Origeni-
llanmi, welches Schepss auf Grund der Codices Laudunensis 330 s. IX und Parisinus 2093
1. "XTTI in seiner PriscilHanausgabe (p. 151) neu herausgab. An dieses Commonitorium schliesst
■ich Augustins Schrift Ad Orosium contra Priscillianistas et Origenistas an.
953. Die Würzburger Traktate Priscillians. In der Würzburger
dniversitätsbibliothek, die an patristischen Handschriften ziemlich reich-
haltig ist, befindet sich ein Codex aus dem 5. oder 6. Jahrhundert, der
11 Traktate kirchlichen Inhalts enthält, aber keinen Autornamen für diese
[Produkte angibt. Diese Handschrift erregte bereits die Aufmerksamkeit
des verstorbenen Oberbibliothekars A. Ruland; er fertigte sich eine Copie
und trug sich wahrscheinlich mit dem Gedanken an die Herausgabe der
Traktate ; allein er kam nicht dazu. Aus seinem Nachlass kam die Copie
an den berühmten Theologen Döllinger in München, aber auch er gab
nichts von derselben an die Oeffentlichkeit ; doch bezeichnete er Priscillian
als Verfasser, wie dies von dem norwegischen Gelehrten Caspari bezeugt
wird. Feststeht also, dass geraume Zeit vor der editio princeps Priscillian
als Verfasser der Traktate hingestellt wurde, sei es dass Ruland, sei es
dass Döllinger zuerst diese Combination vornahm. Allein im Jahre 1885
stiess auch Schepss, ein strebsamer und eifriger Gelehrter, auf die
Würzburger Handschrift und gab die Traktate, die er ebenfalls dem P
;
342 Prifloillian und die PriseimanisteB. (§ 958.)
cillian zuschrieb, im Jahre 1889 heraus. Um die Autorschaft der May
nymen Traktate festzustellen, müssen wir von dem zweiten Traktat an»-
gehen, der an Papst Damasus (366 — 384) gerichtet ist. Durch dies«
Traktat werden wir auf historischen Boden gestellt. Geistliche, die tqo
dem spanischen Bischof Hydatius aus Emerita wegen Häresie verfolgt
werden, rufen die Vermittlung des Papstes an; dies geschieht nach doi
Goncil von Saragossa, also nach 380. Nun erfahren vrir, dass Instantiiig,
Salvianus und Priscillian sich nach der Synode von Saragossa nach Roa
begeben haben, um die Entscheidung des Papstes in ihrer Sache anzurofeD.
Der gleich zu Anfang des Traktats genannte Hydatius ist uns ab Verfolg«
der Priscillianisten auch aus Sulpicius Severus bekannt. Ebenso wisaa
wir aus dessen Chronik (2, 47, 3), dass der im zweiten Traktat (40, 1; 41, &)
genannte Hyginus in die priscillianischen Händel verflochten war; endliek
erfahren wir aus derselben Quelle (2, 48, 4), dass der im Traktat (41, 2)
genannte Ambrosius Priscillian gegenüber Stellung nahm. Nach dieses
historischen Daten muss man den Schluss ziehen, dass der zweite Traktit
aus dem Kreise der Priscillianisten stammt. Nun kennen wir, wie bereits
hervorgehoben, die Personen, welche in der priscillianischen Angelegenheit
sich nach Rom wandten; eine dieser drei Personen muss der Verfasser
der Eingabe sein. Von vornherein ist es höchst wahrscheinlich, das
das Haupt der Bewegung auch die Rechtfertigungsschrift verfasst hat; es
kommt hinzu, dass Priscillian als Schriftsteller von Hieronymus bezeugt ist,
während dies bei Instantius und Salvianus nicht der Fall ist. Nur eis
Zeugnis spricht dagegen: Priscillian wird bei Sulpicius Severus facundus
genannt;^) aber kein Prädikat passt weniger auf den Verfasser des zweiten
Traktates als dieses. Das Schriftstück ist in einem elenden Latein ge-
schrieben, zeigt keine Gewandtheit und Durchsichtigkeit des Stils und
verrät nirgends eine höhere Bildung des Autors. Auch das zweite Prä-
dikat, das Sulpicius dem Priscillian zuerkennt, disserendi ac disputandi
promptissimus, findet in unserem Traktat keine wirksame Bestätigung.
Aus dieser Schwierigkeit können wir uns durch die Annahme helfen, dass
die Charakteristik des Sulpicius Severus, soweit die litterarische Thätigkeit
in Frage kommt, eine oberflächliche und denThatsachen nicht entsprechend«
ist. Auch der erste Traktat ruht sichtlich auf dem Fundament der pris-
cillianischen Bewegung; schon der aus derselben sattsam bekannte Itacins
ist ein genügender Beleg hiefür. Wenn der zweite Traktat von Priscillian
herrührt, so muss auch der erste sein Eigentum sein. Mit dem dritten
Traktat, der über die Benutzung der apokryphen Bücher handelt, haben
wir keinen historischen Boden mehr unter den Füssen; es fehlen geschicht-
liche Thatsachen. Doch wird der Zusammenhang mit den zwei anderen
Traktaten dadurch hergestellt, dass auch diese die Apokryphenfrage nicht
unberücksichtigt gelassen haben. 2) Es treten noch innere Kriterien hinzu,
welche für den priscillianischen Ursprung sprechen; diese inneren Kri-
terien kommen allein zur Anwendung in den Traktaten IV — XI, da in den-
selben auf die Wirren nicht eingegangen wird und überhaupt historische
1) Chron. 2, 46, 3 (p. 99 H.). | *) 30, 11; 41, 21.
Prisoillian und die Prisoillianisten. (§ 958.) 343
Bpielungen fehlen. Wenn wir nun finden, dass in diesen Traktaten
Beiben Reihen von Bibelstellen, weiterhin gleiche Anschauungen und
ianken, endlich dieselbe Ausdrucksweise uns entgegentreten, wie in den
lones, dem orosianischen Fragment und den Traktaten I und II, so
rden wir das ganze Würzburger Corpus mit Priscillian in Verbindung
zen dürfen.
Die Autorschaft der Traktate. Ueber das Verhilltnis Döllingers and Ra-
ds, der zwar nicht genannt ist, aher der Natur der Sache nach allein gemeint sein kann,
die Mitteilungen des norwegischen Gelehrten Caspari bei Schepss, Priscillian, ein
aufgefundener lat. Schriftsteller des 4. Jahrhunderts p. 12. Zweifelhaft erscheint mir,
Döllinger, wie Schepss annimmt, oder Ruland zuerst den Namen Priscillians mit
»en Traktaten in Verbindung gebracht hat. Zur Begründung der Autorschaft Priscillians
. Schepss 1. c. p. 11 Anm. 2. Einwendungen erhoben in der Autorfrage E. Michael
;. Jes.) in der Zeitschr. fOr kathol. Theol. 1892 p. 692 und Sittl, Bursians Jahresber.
Bd. 2. Abt (1889) p. 44; 68. Bd. 2. Abt. (1891) p. 267. Gegen die Aufstellungen der
ien Gelehrten verteidigte sich Schepss in der Abh. Pro Priscilliano p. 128; hier (p. 130)
it Schepss seine Ansicht über die Autorschaft in folgende Worte zusammen: «Wer
Bt soll denn, in der Zeit nach dem in tr. II mehrfach genannten Goncil von Saragossa
. vor dem Tode des Damasus, also zwischen 380 und 384, wer soU, als Bischof
Spanien kommend, als erklärter Feind des Hydatius, und als solcher auch bei Am-
sius verdächtigt, als Freund des Symphosius und Hyginus, welch letzterer nach Sulp.
. aus einem Verfolger ein Beschülzer des Prise, wurde, wer sonst ausser Prise, auf
alle im Traktat gegebenen Umstände und auch der, dass Redner erst als Mann die
ife empfing, ungezwungen passen, soll so als beredter Verteidiger einer angefein-
3n Gemeinde in Rom an den Papst Damasus appelliert haben?" Was die Einwen-
gen Michaels anlangt, so rügen sie die Mangelhaftigkeit der Beweise, die Schepss
»einem Vortrage vorbringt; allein diese Mängel hat der Herausgeber in seinem Aufsatz
o Priscilliano** gründlich beseitigt. Die Abhandlung Michaels hat wegen ihres stark
nalistischen Charakters keine Förderung der Frage gebracht; vgl. Merkle, Der Streit
r Priscillian (Theolog. Quartalschr. 78 (1896) p. 631). Beachtenswerter scheinen die
wände Sittls zu sein, der den Beweis der Autorschaft für Traktat 1 und II erbracht
ibt, dagegen dies für die Traktate III — XI leugnet, indem er noch hervorhebt, dass in
ktat III eine andere Sprache herrsche. Aber auch diese Einwendungen sind in dem
aatz «Pro Priscilliano" stichhaltig widerlegt worden; vgl. die gleichen Citatenreihen, die
den angezweifelten Traktaten ebenso wie in Traktat 1 und II und in den Canones er-
Binen (p. 134; p. 136); über die Gleichheit von Wendungen in der Stelle des Orosius
in den angezweifelten Traktaten vgl. p. 137; über Gleichheit der Gedanken in den
Jichen und in den unzweifelhaft priscillianischen Schriften vgl. p. 141 ; über die Gleich-
; des Stils und der Sprache vgl. p. 142; Archiv für lat. Lexikographie 3 (1886) p. 309 Anm.
Allgemeine Litteratur. Schepss, Priscillian, ein neuaufgefundener lat. Schrift-
ler des 4. Jahrhunderts, Würzb. 1886; H. Haupt, Priscillian, seine Schriften und sein
zess (Gorrespondenzblatt der westdeutschen Zeitschr. für Gesch. und Kunst 8 (1889) No. 4
96); Puech, Journal des savants 1891 p. 110, p. 243, p. 307; Schepss, Pro Priscilliano
ien. Stud. 15 (1893) p. 128).
Die Theologie Priscillians. Fr. Paret, Priscillianus, ein Reformator des vierten
rhunderts, Würzb. 1891 (verfehlt, da er den Priscillian zu einem Bekämpfer des Mani-
eismus macht). Gegen ihn wendet sich Hilgenfeld, Priscillianus und seine neuent-
kten Schriften (Zeitschr. für wiss. Theol. 35 (1892) p. 1). Sehr verständig handelt über
Theologie Priscillians auch Loofs, Theolog. Litteraturzeitung 1890 Sp. 9; vgl. auch
Moeller, Lehrb. der Eirchengesch. 1 (Freib. i. B. 1889) p. 463; 0. Riemann, Priscil-
us, ein Reformator des 4. Jahrhunderts (Protest. Eirchenzeitnng 1891 No. 24/25); Künstle,
e Bibliothek der S^bole und theolog. Traktate zur Bekämpfung des Priscillianismus
westgotischen Ananismus aus dem 6. Jahrh. (Forschungen zur christl. Litteratur- u.
^mengesch. 1, 4, Mainz 1900); Fr. Lezius stellt PrisciUianstudien in Aussicht.
Die üeberlieferung. Der betreffende Würzburger Codex trägt die Signatur Mp.
q. 3 s. V/VI; derselbe ist durch zwei grössere Lücken entstellt; die erste hat den An-
% des dritten Traktates verschlungen, die zweite den Schluss des achten und den An-
; des neunten Traktates; vgl. Schepss, Ausg. p. XII. Vielleicht enthielten diese Quater-
len anstössige Stellen. Interessant ist die Subscriptio von Traktat III: Finit, incipü
rtcUus paschae. lege felix Amantia cum tuis in Christo ihesu domino no8t\r6\. Dieses
antia wurde ausradiert und durch eine tironische Note ersetzt, welche Schmitz dorr
lantius' oder 'Amins' auflöst. Stammt diese Anrede von Priscillian her, so hat er weoj
344 Prisoillian und die PriBoUlianisten. (§ 954.)
Btens einen der folgenden Traktate an eine Frau gerichtet; dass Franen zu seinen ^"^*«bw
gehörten, ist hekannt.
Ausg. Editio pnnceps von G. Schepss, PrisciUiani qoae anpersont; acceditOrNi
commonitorium de errore PriscillianiBtanun et Origenistamm (Corpns Script. eccle8.1at ?qL1^
Wien 1889).
954. Die Streitschriften Priscillians. Unter den elf überliefeitei
Traktaten sind am wichtigsten die drei Streit- oder Rechtfertigungsschriflei,
weil sie die priscillianische Bewegung von einer anderen Seite aus ar
Darstellung bringen. In den Anfang der Wirren scheint der dritte a
Anfang verstümmelte Traktat zu gehören, der über die Apokryphen haoddt
Die Priscillianisten hatten nämlich nicht bloss die canonischen, sooden j
auch aussercanonische Bücher benutzt, also den Kreis der GlaubensqueDfli [
weiter gezogen. Selbstverständlich musste die. orthodoxe Kirche dagega
reagieren. ^ Zu seiner Rechtfertigung führt Priscillian aus, dass schon ii
der hl. Schrift der Gebrauch aussercanonischer Schriften nachweisbar sei;*)
indem er aber zugeben muss, dass die Apokryphen mitunter auch Häre-
tisches enthalten, zieht er sich den Boden unter den Füssen weg.^) Dv
zweite Traktat ist eine Denkschrift, welche die Priscillianisten mit Em-
pfehlungsschreiben ihrer Gemeinden an Papst Damasus in Rom richtete,
wohin sie sich persönlich begeben hatten. Der Verfasser der Denkschrift
ist natürlich Priscillian selbst. Zwei Punkte sind es, welche die Priacfl-
lianisten dem römischen Bischof klar zu legen suchen; einmal wollen äe
erweisen, dass sie ganz auf katholischem Standpunkt stehen, dann wolla
sie die Vorgänge seit der Synode von Saragossa und die Umtriebe im
Bischofs Hydatius ins rechte Licht rücken; sie verlangen, dass man sie
vor Gericht stelle und die vorgebrachten Anschuldigungen erweise; denn
bisher seien sie keines Vergehens überführt worden. Die letzte Recht-
fertigungsschrift richtet sich im Namen einer Mehrheit wieder an eine
Mehrheit und widerlegt wiederum die gegen die Priscillianisten erhobenen |
Anschuldigungen ; diese beziehen sich auf Glaubenssätze und auf den Ge-
brauch von Apokryphenbüchern. Daneben erscheint ein ganz neuer Vorwurf,
nämlich dass die Priscillianisten der Magie ergeben seien.*) Wie der Schluss
zeigt, wendet sich die Eingabe an einen Verein von Bischöfen, d. h. an
eine Synode, welche die Anschuldigungen als unbegründet erklären soll
Die Annahme ist sehr wahrscheinlich, dass die Rechtfertigungsschrift for
die Synode von Bordeaux (384) bestimmt war, zumal da aus dem Anfang
des Traktats deutlich erhellt, dass schon Rechtfertigungsschriften, wie die
des Tiberianus und Asarbus, vorausgegangen waren. An dieselbe richtet«
sich vermutlich eine Streitschrift des Bischofs Itacius, in der ebenfaDs
die magischen Künste (maleficiorum artes) der Priscillianisten hervor-
gehoben waren. Unser Traktat hat oflFenbar diese Schrift des Itacius,
der ausdrücklich als Ankläger genannt wird,^) im Auge.
Es ist nicht zweifelhaft, dass durch diese Rechtfertigungsschriflen
^) Hier galt der Grundsatz (p. 53, 4) ') Es ist nicht durchschlagend für die
ultra nihil quacras! sufficit te Uijere quod kirchlichen Kreise, wenn er sagt (p. 56, lli:
in canone scrihtum (sie) est. sed nee propter nequitias pessimorum pro-
') p. 50, 18 ef hacc scripta in libris ca- ' phetia damnanda sanctorutn est.
noyüs nan leiiimus, sed recepta a canone \ *) Vgl. 23, 22.
conprobamus. \ ß) Vgl. 23, 24.
PriBoillian und die PrisdllianiBten. (§ 954.) 345
Sache Priscillians in mancher Beziehung in ganz anderem Lichte er-
ieint als bei Sulpicius Severus ^) und dass die Darstellung dieses Historikers
fiehr als einmal korrigiert werden muss; so ist z. B. eine Verurteilung
PHscillians und seiner Genossen auf der Synode von Saragossa eine un-
e Behauptung des Hauptgegners Hydatius ; das Conzil hatte sich nur
allgemein gegen Auswüchse des Asketentums und gegen das Gon-
^Irentikelwesen ausgesprochen, ohne einen Namen zu nennen ; auch scheint
---s|bus Eintreten des Itacius in diese Wirren zu früh angesetzt zu sein. Wahr-
,.,::^Mll6inlich steht also die Erzählung des Sulpicius Severus in Abhängig-
^jlMt von der Darstellung wie sie Hydatius gegeben; jedenfalls darf der
^^iHlBtoriker, der die Eirchengeschichte des Jahres 380 erzählen will, die
>;^|priBcillianischen Traktate nicht ausser acht lassen.^ Dass die Verleumdung
■:=:JBBgeii Priscillian ausserordentlich thätig war, lässt sich manchmal aus
.den Worten des Sulpicius Severus selbst entnehmen, so wenn er sagt, ^)
^.man habe geglaubt, dass PrisciUiaif von Jugend auf magischen Künsten
^^* ergeben gewesen sei, oder wenn er für den sittenlosen Umgang mit
r~ Kauen sich auf das Gerede der Leute als Quelle beruft ; ^) wer Frauen zu
' ^ seinen Schülerinnen zählt, gibt gehässigen Gegnern nur zu leicht Gelegenheit
'_ zn Klatsch und üblen Nachreden. Wenn wir sonach annehmen müssen,
33a88 wir mit Hilfe der Traktate in mancher Hinsicht die priscillianische
J* Bewegung richtiger beurteilen können, so fehlt doch noch sehr viel, um ein
^ vollkommen klares Bild über die Häresie zu erhalten.^) Es scheint, dass
^ eine klare Gedankenbewegung dieser Häresie abging, dass der Phantasie
mehr Rechnung getragen wurde als dem Verstand, dem äusserlich aske-
^ tischen Leben mehr als dem inneren. Feststeht aber, dass gnostische
Elemente mit der Häresie verbunden waren.
Die einzelnen Traktate. Der erste Traktat entbehrt der Ueberschrift; der
r Herausgeber nennt ihn Über Apologeticus. Der zweite Traktat ist überschrieben: Incipü
Vber ad Danuxsum episcopum; der dritte incipü liber de fide. de apocryphia; der Heraus-
geber setzt et vor de apocryphis ein. Dieser Zusatz ist wohl unnötig, da de apocryphis
▼on de fide abhängig gemacht werden kann.
Die Zeit der Traktate. Von den drei Schriften ist die älteste die dritte; sie
fiült noch vor das Concil von Saragossa, denn diese Synode ist noch nicht erwähnt; vgl.
Hilgenfeld p. 41; Dierich p. 16. Nach Hilgenfeld (p. 77) u.a. ist der erste Traktat
an die Synode von Saragossa gerichtet; dagegen sucht Dierich (p. 37) nachzuweisen, dass
er vielmehr an die Synode von Bordeaux (384) eingereicht ist und eine Antwort auf eine
Streitschrift des Itacius darstellt (p. 40). Bernays (Ges. Abh. 2 p. 96 Anm. 16) hat auf
eine Stelle aus Isidor. de vir. ill. 15 aufmerksam gemacht; sie lautet: Itaciits Hispaniarum
episcaptM, cognomento et eloquio Clarits, scripsit quemdam librum sub apohgetici specie,
tft quo detestanda PrisciUumi dogmcUa et maleficiorum eins artes libidinumque eiua probra
demonstrtU: ostendens, Mar cum quemdam Memphiticum, magicae ariis sdentissimum,
discipulum fuisse Manis, et IMscüliani magistrum. Hie autem cum ürsatio episcopo ob
necem eittsdem Priscüliani, cuius accusatores extiterant, ecdesiae commtmione privatus
exüio condemnatvfr, tbique die tdtimo fungitur, Theodoaio maiore et Valentiniano regnantibus.
Die mcdeficiorum artes scheinen auf einen Stand der antipriscillianischen Bewegung zu
deuten, bei welchem es sich nicht mehr um kirchliche Vergehen handelte, sondern auch um
Kriminalverbrechen, welche es ermöglichten, die Sache dem weltlichen Richter zu über-
weisen. Dies führt auf die Zeit nach dem Concil von Saragossa; die Schrift des Itacioa
^) Eine bündige Darlegung des Verlaufs ! ') Chron. 2, 48, 3 (p. 101 H.) fuü in mt-
der Bewegung, wie ihn Priscillian darstellt, gibt mone hominum,
Loofs,'nieolog.Litteraturzeitungl890Sp.l2. *) So sagt auch Loofs (Sp. 12): J>*
') Chron. 2, 46, 5 (p. 99 H.) quin et magicas • gnostisch-priscillianistische System za ^
artes ab adolescentia eum exercuisse credi- . struieren, ermöglichen auch die neuen Qp*
tum est, I m. E. nicht.*
346 Prisoillian und die PrisoUlianiaien. (§§ 955, 956.)
wird daher mit dem Concil von Bordeaux in Verbindung stehen. Ist das richtig, so ftDt f ^
der zweite Traktat vor den ersten; die Traktate wären also zu ordnen 3, 2, 1. i
Zur Kritik des Berichtes des Sulpicius Severus und der Darstellvig l!
der Traktate vgl. besonders Dierich, Die Quellen zur Gesch. Priscillians, BreaL 1997,
p. 20 und die auf entgegengesetztem Standpunkt stehende Abhandlung Merkles, Der SM
aber Priscillian (Theolog. Quartalschr. 78 (1896) p. 630).
955. Die Homilien und das Gebet. Den drei Rechtfertigungsschrifia
werden die übrigen Traktate gegenübergestellt ; sie haben das mit einander
gemein, dass sie die historischen Vorgänge unberührt lassen. ^) Die Akten-
stücke sind Homilien oder Predigten, nur das letzte zeigt mehr den Charakter
eines Gebetes mit starker dogmatischer Färbung. Die letzten drei Nummen
sind wahrscheinlich von Priscillian als Bischof verfasst, wie man schoi
aus den Adressen „ad^opulum** und ;,super fideles* vermuten möchte;*)
die übrigen waren allem Anschein nach für engere Kreise seiner Anhänger
bestimmt. 3) Die vierte Homilie leitet die 40tägigen Fasten vor Osten
ein; die fünfte nimmt ihren StofT aus der Qenesis, indem sie über <hs
Problem der Schöpfung spricht.*) Auch der sechste Traktat knüpft u
das alte Testament an und zwar an das 12. Kapitel des Buches Exodos
und ist insofern merkwürdig, als hier der Anfang eine Nachahmung des
2. Buches de trinitate (de fide) von Hilarius enthält. s) Auf die Psahnen 1
und 3 beziehen sich die Stücke VII und VIII ; von dem neunten Traktat, da
an eine ganze Gemeinde gerichtet ist, hat sich nur ein geringer BruchteB
erhalten, da eine Lücke den Schluss von VIII und den Anfang von IX ver-
schlungen hat. Im zehnten Traktat hat der Redner besonders auf Psalm 39
Rücksicht genommen. Die Theologie Priscillians leuchtet auch aus diesen
Traktaten hervor, und wir erkennen, dass sie nicht mit der orthodoxen
Lehre in Einklang zu setzen ist. In Bezug auf die Schöpfung^) und auf
die Trinität '^) vertritt er heterodoxe Ansichten, üeberhaupt will Priscillian I
seine Anhänger über den gewöhnlichen katholischen Standpunkt hinaus m
einer höheren Einsicht führen.
Dio Argumente der einzelnen Homilien. No. IV ist überschrieben: Licipä
Iractatus paschae, No. V trägt die Subscriptio ftnit tractatus getiesis, No. VI hat die SnV
scriptio finit tractatus exodi, No. VII finit tractatus psalmi primi, No. VIII trägt die üeber-
Schrift incipit tractatus psalmi tertii; der Traktat IX, der am Anfang verstQmmelt ist,
gibt die Subscriptio explicit tractatus ad populum, No. X tractatus ad populum explicit^
No. XI ist überschrieben : Incipit benedictio super fideles.
956. Die Priscillianisten und ihre Gegner. Unter den zahlreichen
Anhängern, die Priscillian für seine Lehre gewonnen hatte, befanden sici
auch solche, welche für die Häresie litterarisch thätig waren. So schrid)
Tiberianus zur Entkräftung der gegen ihn gerichteten Anklage eine Apo-
logie in schwülstigem Stile ; allein sie half ihm nichts, denn sein Vermögen
wurde konfisziert und er selbst auf eine Insel in die Verbannung geschickt
Man hat in einem Brief, der sich unter den Werken des Hieronymus be-
fand, diese Apologie finden wollen, allein mit Unrecht. Neben TiberianQs
^) Sie sind daher vor dem Ausbruch ! durch Priscillian vgl. Schepss, Pro Priscü-
der Wirren geschrieben; vgl. Hilgenfeld 1 liano p. 138 und den Index zu seiner Ause.
p. 55. I p. 168.
2) Vgl. Hilgenfeld p. 53. | «) Vgl. Hilgenfeld p. 64. Ueber spl-
') Vgl. Hilgenfeld 1. c. I tere Anlehnung an kirchliche Ausdmckr
*) Vgl. Hilgenfeld p. 57. | weise vgl. denselben p. 66.
*) Ueber die Benutzung des Hilarius i ") Vgl. Hilgenfeld p. 62.
Prisoillian und die PrisoilUaniBten. (§ 956.)
347
wird noch Asarbus^) als der Verfasser einer Verteidigungsschrift in der
priscillianischen Sache genannt ; auch er wurde hingerichtet. Eine merk-
irtlrdige Persönlichkeit ist der Priscillianist Latronianus; er war Dichter,
and Hieronymus stellt, wohl in überschwenglicher Weise, seine Produkte
Buf die gleiche Linie, wie die der klassischen Zeit; von einem litterarischen
Kntreten f&r die Häresie ist dagegen nichts bekannt. Ein priscillianischer
Bkaihriftsteller ist aber Dictinius, der jedoch später wieder zur orthodoxen
Kirche zurückkehrte. Als Priscillianist kam er zu der Ansicht, dass die
Anhänger der Sekte nur ihren Genossen gegenüber zur Wahrheit ver-
lachtet seien, dass sie dagegen die Katholiken belügen dürften; diese
Ansicht, die sich im Qrunde genommen als eine Rechtfertigung der Not-
lüge darstellt, führte er an der Hand von zwölf Quästionen in einer Schrift
durch, die er „Wage'' (Libra) nannte. Zur Begründung seiner These
otQtzte er sich besonders auf Beispiele des alten Testaments. Augustin
nahm in seiner Schrift, welche den Titel „contra mendacium" führt, auf
die Libra Rücksicht, und dadurch sind wir in den Stand gesetzt, dieselbe
einigermassen zu rekonstruieren.
Aber auch die Gegner bedienten sich der Litteratur als einer wirk-
samen Waffe. Einen derselben haben wir bereits kennen gelernt, den
Bischof von Ossonuba Itacius, der kurz vor der Synode von Bordeaux
in eigener Sache schrieb, zugleich aber auch den Vorwurf der Häresie, der
aiitlichen Verirrung und der Magie gegen die Priscillianisten schleuderte.
Vielleicht hat dieser Itacius auch die Schrift gegen den Arianer Maribadus
▼erfasst. Auf Widerlegung manichäisch-priscillianischer Irrtümer deutet ein
Werk des Oly mpius, welches die menschliche Natur, nicht den freien Willen,
filr das Böse verantwortlich macht; auch Augustin scheint dieses Werk
gekannt zu haben. Im Anfang des fünften Jahrhunderts kämpfte Orosius
gegen die Sekte und ging Augustin um seinen Beistand an, der ebenfalls
eine antipriscillianische Streitschrift lieferte.') Um die Mitte des fünften
Jahrhunderts waren Pastor und Syagrius gegen den Priscillianismus thätig.
Der erstere schrieb für eine Synode ein Glaubensbekenntnis, das uns noch
erhalten ist; der letztere verfasste eine Schrift über den Qlauben mit
polemischer Tendenz, wohl auch gegen den Priscillianismus. Auch sieben
Traktate über das Symbol hat Gennadius unter dem Namen des Syagrius
gelesen. Ebenfalls um die Mitte des fünften Jahrhunderts bekämpfte der
Bischof Turibius von Astorga in einem Briefe an zwei spanische
Bischöfe den priscillianischen Gebrauch der Apokryphen. Trotz der Ver-
urteilung durch mehrere Synoden erhielt sich der Priscillianismus einige
Jahrhunderte hindurch; erst der Synode zu Braga (im Jahre 563) gelang
ee, der Sekte den Todesstoss zu versetzen.
Zengnisse Aber Tiberianus. Hieronym. de vir. Ul. 123 Tiberianus Baeticua
Mcripsüfpro suspicione qua cum PriscüUano acci^sabatttr haereseos, Apologeticum tumenti
etmpotüoque sermane, sed post auorum cciedem, taedio victua eocüii, mutavü propositum
€t iuxta Sanctam Scripturam 'canis reversus ad vomüum suum' filiam, devotam Christo
virgmem, matrimanio copuiavit. Priscülian p. 3, 7 Schepss quamvis frequentibus libeU»
') Bei Snlpicius Severus (Chron. 2, 51, 4
p. 104 Halm) heisst der Mann im cod. Vati-
caiiiis 824 8. XI Asarwua; die Stelle heisst:
damnatique Asarivus et Aurelius d
gladio, #
«) Vgl. § 952.
348 PriBoiUian und die PrisoUlianiBten. (§ 956.)
lociiti fidem nostram hereticorum omnium docmata damnaverimus et libeUo /rotr«
nostrorum Tiberiani, Asarbi et ceterorum, cum quibus nobis una fides et uttii« est sonne, i
cuncta docruata quae contra Christum videantur esse damncUa sint. Solpicius Servil I
ChroD. 2, 51, 4 (p. 104 Halm) Tiberianus ademptü bonis in Syltnancim insuiam datiu.
Das Apologeticum des Tiberianus. Johannes Chiysostomas TrombeDi bai
in einer Handschrift mit Werken des Hieronymus eine Epistel, die er, da er sah, daas m
nicht von Hieronymus stammen könne, dem Hilarius von Poitiers ohne diirchschla|;eiii
Gründe zuwies. I>er Brief stellt eine Unterweisung im Christentum dar, enth< aber m
Schluss die Worte, welche nach Vaticanus 289 s. XI/XH also lauten: Veniam auUm ■
tua postulo »incerissima sanctitate orans ut tua sanctiias, cui peritior via a J}eo et mw-
tior comprobata est, in omnibt^ in quibua mediocritas mea vel praetertnisit, vel ituaik
plenius explanare non potuit, correcta reformare et supplere dignetur: aut si proboftik.
ut est a nobis opu^culum coeptum te petente et Deo (idiuvante perfectum, non habere fui
desit, in orationibus tarn tuis sanctis quam omnium frcUrum memoriam mei habeas, JB
sciant aemuli fidei meae praestitam rationem, et convenire cum eccUsia recognosctmi, t
mayis ministerium sumant; ut non solum gratületnur nos credidisse, verum etiau sK.
quaniuhim inimicis et credetitibus profuisse. Aus diesen Worten will Morin (Revue B^
dictine 15 (1898) p. 98) folgendes schliessen: „On avait mis en doute Torthodoxie de f»
teur. Un personnage important, dösigne par les termes respectueux Prudeniia vestra tu
Sanctiias, lui demanda de mettre par ^crit, pour sa justification, Tenseignement qu'il ö»
nait ä son peuple." Mit Rücksicht auf Hieronymus denkt er an Tiberianus als Verteet
allein in dem vorliegenden Brief kann man unmöglich eine Apologie wegen Häresie id (kr
von Hieronymus angedeuteten Weise erkennen.
Zeugnisse über Latronianus. Hieronym. de vir. ill. 122 Latroniam^, protinem
Hispaniaey vir valde eruditus et in metrico opere veteribus conparandus, cacsus e$t tt
ipse Treveris cum PrisciUiano, Felicissimo, Jtdiano et Euchrotia, isdem fcu:tionis am-
toribus, Extant eins ingenii opera dix^ersis metris edita, Sulpicius Severus Chron. 2, 51. }
(p. 104 Halm) Latronianus quoque et Euchrotia gladio perempti.
Die Wage (Libra) des Dictinius. Vgl. Fr. Lezius, Die Libra des Priscillanista
Dictinius von Astorga (Abb. Alezander von Oettingen gewidmet, München 1898, p. 113;.
Auguätin. contra mendacium 8, 5 (41 p. 477 Zycha) Dictinii lihrum, cutW nomen est LOn,
€0 quod pertractatis duodecim quaestionibus relut unciis explicatur talem Xiitm
qua horretidae blasphemiae continentur. Ueber den Namen vgl. noch Lezius p. 123.
Litterarische Gegner der Priscillianisten. Wir fassen hier alle zusamna
und schliessen daher auch diejenigen an, welche nach unserem Zeitraum wirkten.
1. Itacius, Bischof von Ossonuba. Ueber ihn vgl. Isidor. de vir. ill. 15 d»
Stelle ist oben p. 845 ausgeschrieben). Dass der Itacius des Isidor mit Itacius von Osso-
nuba identisch ist, scheint nicht zweifelhaft zu sein. Weiterhin ist es wahrscheinlich, dus
ihm noch ein anderes Werk zuziiteilen ist. Sichard hat in seinem Antidotum contn
diversas omnium fere seculonim haereses, Basel 1528, fol. 121b eine Schrift unter folgendea
Titel herausgegeben: Idacii Clari Hispani contra Varimadum Arianum liber et difficilUmonm
quorumque locorum de trinitate declaratio. In der praef. dieser Schrift heisst es (Sp. 351 Migne):
iJudum, dilcctisfiimi f rat res, in ^capoli, urbe Cawjjaniae, constitutus, c^iiusdam Varima^
Arianae sectae diaconi propositionibus , a quodam studioso ac religiosissimo viro mAt
oblatisy rustico quidem sermone respondens, in uno corpore simul de unitate Trinitoüi
JiheUos (liffessi. Nun hat Vigilius von Thapsus in seinem dialogus contra Axianos etc. -, 4^'
(Sp. 2'J6 Aligne) eine Schrift citiert: s^icut in libro quem adrersus Maribadum, fu:fand9e
huereseos cestrae diaconum, edidimus, plcnlssime consiat expressum. Diese hier genansie
Schrift identifizieile Chifflet mit der von Sichard herausgegebenen. Die Namensforn
Varimadus statt Maribadus sei nur gewählt worden, um den Autor vor Verfolgungen n
sichern; eben zu diesem Zweck sei auch der Autor Vigilius pseudonym durch Idacius b^
zeichnet worden. Spilter sei infüljj;e der Wandlung der Verhältnisse es nicht mehr nötig
gewesen, pseudonym aufzutreten, und der Verfasser habe daher in dem Dialog contti
Arianes sich und den Gegner genannt. Gegen diese Identifizierung wendet sich Ficker.
Studien zu Vigilius von Thapsus, Leipz. 1897, p. 49. — Migne 62 Sp. 351.
2. Olympius. Gennadius de vir. ill. 23 Olympiu^ natione Hispanus, episcopvi,
scripsit librum fidei adccrf^us eos, qni natnram et non arbitrium in culpam rocant, osiew-
de)is non creatione sed Inoboedicntia tnsertutn naturae malum. Es ist nicht unmoglick
dass in dieser Schrift neben den Manichaeem auch die Priscillianisten bekämpft wurdfi
Wahrscheinlich hat Augustin (contra Julianum Pelag. 1, 8) unsere Schrift ebenfalls im Au^
wenn er sie auch serrno ecclesiastiafs nennt; vgl. Czapla, Gennadius als Litterarhistorikcr
(Kirchengobchichtl. Stud. 4. Bd. 1. Heft (18JKS) p. 61).
3. Pastor. Gennadius de \är. ill. 77 Fastor episcopus cofiposuit libcUum in modu»
sijmboU partum iotam paene ecclesiasticam creduliiaiem per sententias continentem, »
Die Donatiaten. (§ 957.) 34g
MO itUer ceteras dissensiones, ^pM8 praetermissia auctorum vocabülia anathematizat, Priscü-
Mamas cum ipso auctoris nomine damnat, Hydatias Chron. z. J. 433 (Monnmenta Germ. bist,
aiitiqiiiss. 11 p. 22 ed. Mommsen) in conventu Lucensi contra voluntatem Agresti Im-
episcopi Pastor et Syagrius episcopi ordinantur. M o r i n , Pastor et Syagrios deux
DB perduB da cinqui^me si^cle (Revue Bön^dictme 10 (1893) p. 385; vgl. auch 12 (1895)
pw 888) hat diese Schrift Pastors in einem Glaubensbekenntnis wieder gefiinden, das einer
■Uli ganz sicher feststehenden Synode von Toledo (wahrscheinlich im Jahre 447) zugeschrieben
Mrd; TgL Hefele, Conciliengesch. 2> (Freib. i.Br. 1875) p.806. Auch Eattenbusch (Das
üpoefc. ^mbol. 1 p. 158; p. 407) hat an Pastor gedacht. Das Glaubensbekenntnis ist ab-
Badmckt in Denzingers Enchiridion symbolorum et definitionum, Würzb.'' 1894, p. 31.
4. Syagrius. Gennadius de vir. ill. 66 Syagrius scripsit De fide adversum prae-
&^nmpiuosa haereUcorum vocabula, quae ad desiruenda vel innitUanda sanctae IVinitatis
usurpata simt, dicentium Patrem non debere Pcttrem dici, ne in Patris nomine
sonet, sed Ingenitum et Infectum ac Solitarium nuncupandum, ut^ quicquid extra
in persona est, extra illum sit in natura, ostendens et Patrem posse quidem dici
Tngenüum licet scriptura non dixerit, et ex se genuisse in persona Füium, non fecisse,
^ €X se protulisse in persona Spiritum Sanctum, non genuisse neque fecisse, Suh huius
Sj/ßagrii nomine Septem De fide et regulis fidei libros praetitrdatos inveni, sed quia
hm^fua variantur, non omnes eius esse credidi. Vgl. auch die unter No. 3 ausgeschriebene
SMle des Hydatius. Die Schrift de fide lief wahrscheinlich auf eine Bekämpfung des
IBlteien Piiscillianismus hinaus; vgl. Gams, Die Eirchengesch. von Spanien 2. Bd. I.Abt.
(R^ensb. 1864) p. 467. Auch diese Schrift hat Morin hcmdschriftlich als vorhanden nach-
Mwieeen, wenn auch der Verfasser nicht genannt wird. Mai publizierte in der Nova col-
lectio 3, 2 p. 249 ein Fragment daraus. In einer Handschrift von Rheims s. XI/XII fand
Morin nach dieser Schrift sieben Traktate, die über das Symbol handeln. Gennadius las
iie in seiner Handschrift unter dem Namen des Syagrius, bezweifelte aber die Autorschaft;
wegen der Verschiedenheit des Stils. Diese sieben Traktate sind: 1. Exhortatio s. Ambrosii
epiBcoiH ad neophytos de symbolo; vgl. p.283 und 318. Eattenbusch, Das apostol. Symbol
1 (Leipz. 1894) p. 202 und p. 408. 2. Sermo beati Augustini episcopi de sancta Trinitate =
]^-Angnstin Sermo 232 (39 Sp.2173 Migne); vgl. oben p. 280, 281; Eattenbusch p. 189
Anm. 1. Der Traktat wird von den Benediktinern Vigilius von Thapsus beigelegt 3. Der
an dritter Stelle stehende Traktat (Sermo 113 Sp. 1969 M.) wird von den Benediktinern als
ein Auszug aus des Vigilius Schrift gegen Palladius bezw. aus dem Werk des Phoebadius
Tcxn Agennum de fide orthodoxa contra Arianos angesehen; vgl. Eattenbusch 1. c. 4. Der
vierte Traktat (Sermo 236 Sp. 2181 M.) enthält die professio fidei des Pelagius; vgl. Eatten-
busch p. 190. 5.-7. Die drei noch fibrigen Traktate (Senn. 237—239 Sp. 2183 M.) han-
delii de symbolo ac de deitate et omnipotentia Patris; sie rühren von einem Veif asser
har; vgl. Eattenbusch p. 190 Anm. 2.
5. Turibius, Bischof von Astorga. Ueber sein Leben vgl. V. de Bück, Acta
Smctomm Oct 13 (Paris 1883) p. 226. Von ihm ist ein Brief erhsJten (ca. 446), in dem
6r sich gegen die von den Priscillianisten benutzten Apokryphen wendet und deren hetero-
doxen Iidialt hervorhebt. — Ausgabe bei Migne 54 8p. 693.
10. Die Donatisten.
957. Der Donatismus. Eine reiche Quelle erschloss sich für die
ehristliche Litteratur durch den Donatismus, der die katholische Kirche in
Afrika zu sprengen drohte. Er verdankt seine Entstehung einem äusseren,
scheinbar geringfügigen Anlass. Die Bischofswahl Gaecilians in Garthago
wurde beanstandet, was eine Scheidung der Gemeinde im Gefolge hatte;
die Einmischung der staatlichen Gewalt zu Gunsten Gaecilians verschärfte
den Gonflikt, und es scheiterten daher die Versuche, die in Rom, Arles
nnd Mailand gemacht wurden, das Schisma zu beseitigen, unter den Gegnern
Gaecilians ragte mächtig die Persönlichkeit des Donatus, dem seine Partei
den Namen des Grossen gegeben, durch Frömmigkeit und Gelehrsamkeit
hervor; leider hat sich keine seiner Schriften erhalten. Die Stärke der
gegnerischen Partei beruhte auf der Gunst des Hofes und auf dem festen
Anschluss an Rom. Der Gegensatz war zunächst ein rein persönlicher;
aHein im Laufe des Streites spitzte er sich zu einer principiellen Frage
350 ^^® Donatisten. (§ 958.) I
zu. Unter den Einwänden, die man gegen die Wahl Caecilians erhob, wnilr/ai
auch geltend gemacht, dass er seine Weihe durch den Bischof Fdiz itklk ^
Aptunga erhalten habe, der ein Traditor sei, da er während der duitb.lltKti'' •
tianischen Verfolgungen die hl. Bücher an die Staatsgewalt aasgdiditll^^'
habe ; der Weiheakt aber, den ein solcher Bischof vollzogen habe, sei^lijt^ ^^
gültig. Damit war aber die Frage nach dem Verhältnis der GnadeDmitUl^^
zu dem Spender aufgeworfen worden und die Wirkung derselben von Jt|i^ ^
Qualität der Spender abhängig gemacht. Die Donatisten meinten, memalM:^- ^
könne spenden, was er nicht habe und der Unreine könne demnach n^K^^^'
nicht die Reinheit verleihen. Es ist klar, dass mit dieser AnschanongMc^^^
Kirche als Heilsanstalt sehr modifiziert wurde; es lag ein kirchlicheaiuli^^'^
vor, das aber an der rauhen Wirklichkeit Schiffbruch leiden musste. l^'^
Zeugnis über Donatns den Grossen. Hieronjm. de vir. ill. 93 Donatw, a fi\i^^
Donatiani per Africam sub Constantino Constantioqtie principibus, culserens a noiMi i^
Scripturas in persectUione ethnicis traditcu totam paene Africam et maxime NymiämX
8ua persiMsione decepit. Extant eius mtdta ad suam haeresim pertinentia et De SfirinX
Sancto liber Ariano dogmati congruens. Er ist zu scheiden von dem BistnmsTervMi I ;
Donatns aus Gasae Nigrae, mit dem der Donatismus anhob. I
Litteratur. D. Völter, Der Ursprung des Donatismus, Freib. i. Br. und Ttflnagal.
1883; W. Thümmel. Zur Beurteilung des Donatismus, Halle 1893; Ribbeck, DouftBl
und Augustinus, Elberfeld 1858. I
958. Die Schriften des Tyconius. Unter den Donatisten nimmk
Tyconius eine hervorragende, aber zugleich separierte Stellung ein. &
erkannte, dass manche Ansichten des Donatismus in Bezug auf den Kirchei-
begriff unhaltbar seien, und stellte Sätze auf, denen Augustin seinen Bei-
fall spendete. Es werden uns zwei Schriften genannt, welche sich vo^
mutlich auf diesen Kampf bezogen, leider aber verloren gingen. Dies ist
um so mehr zu bedauern, als Tyconius in der einen, um seine Sache zu ver-
fechten, auf die alten Synoden eingegangen war. Selbstverständlich konntei |
die Donatisten dieser Zwietracht im eigenen Lager gegenüber nicht ruhig
bleiben; der Donatistenbischof Parmenian richtete an Tyconius einen
Brief, in dem er dessen antidonatistische Anschauungen zu widerlegei
suchte. Merkwürdiger Weise machte Augustin diesen Brief Parmenians zuo
Gegenstand einer eigenen Schrift, in der er für den katholischen Kirchen-
begriff eintrat. Augustin wusste an Tyconius besonders dessen Belesenhöl
in der hl. Schrift rühmlich hervorzuheben; und in der That scheint das
Schriftstudium den Lebensnerv in der litterarischen Thätigkeit des Tyconioi
gebildet zu haben. Interessant ist es hierbei, dass er sich nicht Mo»
praktisch in der Auslegung der Bibel bethätigte, sondern auch durch eine
theoretische Anweisung die Bibelexegese fördern wollte. Durch die alle-
gorische Erklärung war nämlich die Interpretation der hl. Schrift auf eine
abschüssige Bahn geraten, indem den unsinnigsten Einfällen durch Auf-
deckung eines versteckten Sinnes Thür und Thor geöffnet war. Um also
die Bibelerklärung auf eine feste Bahn zu bringen, schrieb er sieben
Regeln, welche er durch eine Anzahl Beispiele erläuterte. Wir heben, oin
dem Leser eine Vorstellung von den Regeln zu geben, einige heraus. Id
der ersten Regel setzt der Autor auseinander, dass Christus und seine
Kirche ein Leib seien, dass daher in einer Stelle zuerst von Christus und
dann von der Kirche die Rede sein könne, und dass, welches von beide«
Die Donatisten. (§ 958.)
351
r Fall sei, nur durch die Vernunft entschieden werde. In der zweiten
^el wird davon ausgegangen, dass die Kirche, so wie sie auf Erden
ftehe, aus einer rechten und linken Seite, d. h. aus Guten und Bösen
("tehe, und dass demgemäss das Schriftwort bald die eine, bald die andere
te im Auge haben könne, der Interpret also stets auf diesen üeber-
i^g zu achten habe. In der vierten Regel zeigt Tyconius, dass oft das,
8 in specie ausgesagt sei, in genere gedeutet werden müsse, und um-
kehrt. Dass also z. B. die Prophezeiung, die sich zunächst auf Ninive
Kieht, zugleich Geltung für die Kirche hat, wie auch durch manche Aus-
l&cke der Stelle, die über die species hinausführen, angedeutet wird. Frei-
ih konnte auch nach diesen sieben Regeln noch viel in die Schriftworte
Lueingeheimnisst werden, doch war jetzt an die Stelle der Regellosig-
eit die feste Regel getreten. Dieses Werkchen ist uns noch erhalten;
9 muss zur Zeit seines Erscheinens reichen Anklang gefunden haben,
'eil Augustin «ich veranlasst sah, es in verkürzter Gestalt in seine christ-
jhe Unterweisung aufzunehmen. Verloren ist dagegen der Gommentar
)8 Tyconius zur Apokalypse in drei Büchern; der Verlust trat ver-
Ütnismässig spät ein, denn im neunten Jahrhundert war derselbe, wie ein
ter Bibliothekskatalog ausweist, noch in St. Gallen.^) Aber trotz des
erlustes können wir denselben, wenn auch nicht dem Wortlaut, so doch
)m Gedankengang nach, fast ganz restituieren. Diese exegetische Arbeit
18 Tyconius, welche die Apokalypse durchaus spiritualistisch erklärt,')
it nämlich alle späteren Commentare zur Apokalypse beherrscht; beson-
^rs hat ein spanischer Geistlicher Beatus von Libana im achten Jahr-
mdert den Gommentar reichlich ausgeschrieben. Da fUr den Ausschreiber
»r Donatismus nicht mehr vorhanden war, konnte er sich seinem Original
)genüber frei bewegen, ohne seine kirchliche Rechtgläubigkeit in grosse
»fahr zu bringen, b)
Tyconius ist eine tief angelegte Natur und verfügt über eine Welt
m Gedanken; den Mittelpunkt dieser Gedanken bilden die realen Ver-
dtnisse der wirklichen Gegenwart, welche er auf höhere Principien zurück-
iten will.*) Er ist ein Mann, der von der Praxis den Weg zur Theorie
idet. Seine Sprache ist gedrungen und kraftvoll, in seinem Denken ist
durchaus selbständig und die Hochachtung, die ihm Augustin zollt, wohl
»rechtigt.
Die Orthographie des Namens. Die Form «Tichomus" oder «Tychoiiias" ist
ndschriftlich nicht beglaubigt; vgl. Haassleiter, Forschungen etc. p. 12 Anm. 8. Der
imensis 364 s. IX des liber regolanun gibt die Form Tyconii, welche auch der Heraus-
ber Burkitt angenommen hat; vgl. denselben, Ausg. p. 103. Der Vaticanus Regin. 590
X des liber regularum bietet Thiconi. Haussleiter bevorzugt die Form «Ticonius*.
»zfiglich der Schreibung «Ticonius* und «Tyconius'^ kann man schwanken; aber feststeht,
88 der Name nicht mit „ch' zu schreiben ist.
Zeugnis über Tyconius. Gennadius de vir. ilL 18 Tichanius natione Äfer, in
nnü litterü eruditus, iuxta historiam sufficienter et in saeciUaribus non ignarus fuü
in ecclesiasticis quoque negotiis studiostis. Scripsit De hello intestino libros et Ex"
>8%tione8 diversarum causarum, in quibiM ob suorum defensionem antiquarum
') Bei Becker (Catalogi bibliothecarum
tiqui, Bonn 1885, No. 22, 242 p. 48) ist
rseichnet: Expositio tichonii aonatistae
apoccdipsim vol, I vetus.
«) Vgl. Bousset p. 63.
') So erwfihnt HieronymuB niemals den
Schismatiker, obwohl er ihn kannte: v
Haussleiter, Zeitschr. fOr klnshL ^
(1886) p. 253.
«) Vgl Hahn p. 21.
352 ^^ Donatisten. (§ 958.)
meminit synodorum. E quibus omnibus agnoscUwr Donatianae partis fuisse. Con;«^
et Regulas ad inveatigandam et invefiietidam intelUgentiam Scripturarum octo {hr^
lieh statt 8ej)tem), quas uno volumine conclu8Ü. Exposuü et Apocalypsin Jokl^%%^^^'
ex integro, nihü in ea camale, sed totum inteUigens spiritale .... Floruit hie rtr aam^
qua ei ante memoratus RufinuSf Theodosio et fdiis eins regnantibua. Als OptttuQ
370 gegen Parmenian schrieb, erwähnte er den Tyconius nicht; daraus darf mit Sichct^
geschlossen werden, dass Tyconius damals noch nicht litterarisch aufgetreteo war. Dji
Blüte ist demnach nach 370 anzusetzen. Sie fällt aber vor 390, da um diese Zeit Fr
menian starb, der den Tyconius wegen seiner dem echten Donatismns widerstreiteiialib:-
Ansichten bekämpfte und dessen Verurteilung auf einer Synode durchsetzte. Die W«k
et fdiis eius werden daher falsch sein; vgl. Hahn p. 5. — Eihn, Wetzer and Wdli
Kirchenlexikon 12« (Freib. i. Br. 1901) Sp. 153.
Ziel und Gliederung des liber regularum. p. 1 Burkitt n^c^Mart um duxink
omnia quae mihi videntur libellum regulärem scribere, et secretorum legis veluti data i m^ .-
luminaria fabricare. sunt enim qua^dam regulae mysticae quae universae legis rtetttui 4 '"
tinent et veritatis thesauros aliquibus invisibiles faciunt; qtiarum si ratio regvAanaLm
invidia ut commuyiicamus accepta fuerit, clausa quaeque patefient et obscura dünait'
buntur, ut quis prophetiae inmensam silvam perambtdans his regtdis quodam modo Iwi V^.
tramitibus dedt44:tus ab errore defendatur. Sunt autem regulae istae: I. De I>MiiMdL>i
corpore eius. IL De Domini corpore bipertiti). III. Depromissis et lege. IV. De ^ptfx
et genere. V. De temporibus. VI. De recapitulaiione. VII. De didbolo et eius coiy^t.
Fortleben des liber regularum. Ausgezogen und besprochen sind die Rezu
des Tyconius in Augustin. de doctrina christiana 3, 30—37. Cassian contra Nestorinm^S
(Corpus Script, cccl. lat. Bd. 17) behandelt, ohne den Tyconius zu erwähnen, den ersten Teil 1*^.,
der f{inften Regel. Im liber de promissionibus, der gewöhnlich mit Prosper von Aqniluia p^ '
verbunden wird, ist Tyconius citiert 4, 13 (Migne 51 Sp. 848). Weiter ist der Über reguWn I**'
benutzt von Job. Diaconus (Spicilcg. Solesmense ed. Pitra 1 p. 294), Cassiodor de inst h. 1*^;
litt. 10 (70 Sp. 1122 Migne) primum est post huius operis instituta, ut ad introdudon \'^
Scripturae dirinae, quos postea referemus, sollicüa mente redeamus, id est, Ticwin
Donatistam, sanctum Augustinum de Doctrina Christiana^ Hadrianum, Eucheriun d
Junilium quos sedula curiositatc collegi; ut quibus erat similis intentio, in uno cor];^(
adunati Codices dauderentur . Isidor liber sententiarum 1, 19. Vgl. Burkitt p. XVIII.
Die Uebt'rlicfcrung des liber regularum beruht auf dem cod. Remensis 3^
8. IX, dorn Vaticanus Rcginensis 590 s. X. Hiezu kommt noch eine Epitonie in dem <:•>:
Modoctianus (in Monzii bei Mailand) s. IX/X. Vgl. Burkitt p. XXIV.
Ausg. des liber regularum. Editio princeps von Grynaeus, Basel löö:
Ausg. von A. Schott in der Magna bibliotbeca veterum patrum 1622; femer in derBibÜ-v
theca patrum von Gallandi tom. 8; Abdruck bei Migne 18 Sp. 15. Massgebende Auk.
ist dio von Burkitt, Tt'xts and studies 3, 1, Cambridge 1894.
Die Restitution des Commentars. Benutzt wurde der Commcnt^u- von Pri-
niasius, Bischof von Hadnimetum (s. VI), von Boda Venerabilis (t 735), in den pseudoauoisä-
nisclicn Homilien in apocalypsim B. Joannis, von Cassiodor (cos. 514) in seinen complexioDes
apocalypsis. Von diesen Autoren scheidet fast ganz aus Cassiodor, da die Benutzung dei
Tyconius nur eine spärliche ist. Die pseudoaugustinischen Homilien halten die Reihcnfolp
der Kapitel und Verse nicht ein; Primasius und Boda, der zunächst aus Primasius schfijift.
aber auch den Tyconius selbst vor sich liegen hatte, sind durch die orthodoxe Lehre ii
der Benutzung des Donatisten Tyconius })eengt; tiber den Commentar des Primasiuä vgl
Haussleitcr, Forschungen etc. p. 11. Der beste Führer zur Restitution ist der Apokal}'p8^
commentar des spanisclien Geistlichen Beatus aus Libana (ed. Florez, Madrid 1770', »I«:
im Jahre 784, wo das donatistische Schisma nicht mehr in Frage kam, dem Bischof Etherin
von Osma gewidmet wurde. Die Richtung zur Restitution hat zuerst Haussleiter darzelegl
den einzuschreitenden Weg im einzelnen Bousset gezeigt; vgl. auch Hahn p. 8. Di
r>eatus seine benutzten Autoren nennt, ist für die Ausscheidung des Tyconius ein Fund*-
ment vorhanden; vgl. die Nacliweise von Bousset bei Hahn p. 10. Ueber den Bestand
des aus Beatus zu gewinnenden Tyconiuscommentars vgl. Hahn p. 11. Dem CommeDtai
des Beatus geht eine summa dicendorum voraus; eine solche Einleitung wird auch dem
Commentar des Tyconius vorausgegangen sein; die vorliegende geht daher in ihrem Ken
wohl auf Tyconius zurück, ist aber von Beatus einer Umarbeitung unterzogen worden: v^.
Hahn p. lo. (legen den Versuch Haussleiters (Zeitschr. etc. p. 251), in der summa dicfO-
doniin einen Apocalypsecommentar des Hieronymus zu erblicken, vgl. Hahn 1. c. Es komm«
noch hinzu Tyconii AlVi fragmenta Commentarii in Apocalypsin (2, 18—4, 1; 7, 16—12. fii,
veröffentlicht aus coil. Taurincnsis F. IV Nr. 1 im Spicilegium Casinense 8, 1 (1897) p. L*»»?.
l eher die Hedeutung der Fragmente vgl. Hahn p. 14. Der Commentar war, wie wir aw
H<nlas Prolog wissen, in drei Bücher geteilt. Bei der Restitution ist vor allem das. w«
(ÜM Ausschreilier des Tyconius aus Victorin (§ 748) entlehnt haben, auszuscheiden.
Optatiu. (§959.) 353
Litteratur zum Apokalypaecommentar. J. Haasaleiter, Die Commentare
Irinas, Tichonias nnd HieronymiiB zur Apokalypse (Zeitschr. für kirchl. Wissensch.
Urchl. Leben 7 (1886) p. 245); Die lat. Apokalypse der afrikan. Kirche (Forschungen
tftoech. des neatestamentl. Canons und der altkii'chl. Litt. 4 (1891) p. 1); Boasset,
^>ffenbarang Johannis (Erit.-ezeget. Commentar über das Nene Testament begründet
Seinr. Aag. Wilh. Meyer 16. Abt 5. Aafl. (Göttingen 1896) p. 60; p. 71); T. Hahn,
-Stadien (Stad. zar Gesch. der Theol. and der Kirche 6. Bd. 2. Heft (1900) p. 7).
Verlorene Schriften sind: 1. De hello intestino libri tres. Tyconias «hat
Schrift wohl seine ganze Lehre von der Kirche entwickelt, freilich anlfisslich der
in seiner Partei* (Hahn p. 58). Tyconias trennte sich n&nlich in seinen An-
n über die Kirche vielfach von seiner Partei. 2. Expositiones diversaram caa-
Wie aas dem Zasatz des Gennadias heiTorgeht, hatte Tyconias in dieser Schrift
-^ranchiedene Synodalbeschlüsse zarückgegriffen, am seine Ansicht von der Kirche zu
n und darzuthun, dass sie die ursprünglich wahre ist; vgl. Augustin. epist. 93, 44.
Zur Charakteristik des Tyconius. Augnstin. contra Pannen. 1, 1 (43 Sp. 33
) Tiekonium, hominem quidem et acri ingenio prtiediium et uberi eloquio. De doc-
ehrist 3, 43 (34 Sp. 82 Migne) qviod ideo dicendum putavi, ut liber ipse {regularum
ii) et Ugahtr a atudiosis, quia plurimum adiuvat ad scripturas inteüigendaa. 3, 42
a M.) Tichonius .... contra Danatistas inmctissime scripsit.
Andere Donatisten, welche der Litteratur angehören, sind:
1. Yitellius. Das einzige Zeugnis, das wir von Yitellius besitzen, gibt Gennadius
'. ill.4 Viteüius Äfer Donatianorum schisma defendena scripsit De eo quod odio 8int
do Dei 8er vi. In quo si tacuisset de nostro velut persecutorum nomine, egregiam
ediderat, Scripsit et Adversus gentes et adversus nos, velut traditores in
Dtütharum Scripturarum, et ad regtUam ecclesiasticam pertinetitia multa dis'
daruit 8uh Constante, filio Constaniini principis,
2. Gresconius. Diesen Donatisten lernen wir durch die Schrift Augustins contra
iom grammaticum partis Donati libri quatuor (Migne 43 Sp. 445) kennen, welche
406 gesdirieben ist; vgl. Augustin. retraci 2, 26.
11. Optatus.
969. Das antidonatistische Werk des Optatus. Nach Donat dem
in war in der Reihe der donatistischen Bischöfe Parmenian gefolgt,
jener, so griff auch dieser litterarisch in den kirchlichen Kampf ein.
lam Donatisten Tyconius, der eine Sonderstellung in Bezug auf mehrere
[en eingenommen hatte, trat er mit einem an ihn gerichteten Briefe
[tgegen. Noch wichtiger wurde ein Werk, in dem er die katholische
angriff; dasselbe hatte eine starke Verbreitung gefunden, und
lein wurde der Wunsch geäussert, dass es zu einer Aussprache der
den kommen möchte. Allein da an mündliche Verhandlungen nicht
denken war, nahm der Bischof Optatus von Mileve den Griffel in die
um sich in einer Schrift mit dem Gegner abzufinden; er schloss
_ hierbei ziemlich eng an den Gedankengang des Donatisten an,') wo-
^ ^Eurch die Disposition seines Werks merklichen Schaden erlitt. Im ersten
r 4Ba<5li setzt sich Optatus als Ziel, den Ursprung des Schisma darzulegen ;
^^=^a diesem Zweck benutzte er eine Aktensammiung über den religiösen
L ^Streit und fügte sie am Schluss seines Werkes hinzu. Zum Glück ist uns
Teil dieser Sammlung erhalten. Lange Zeit lagerte über diesen in-
r
r
0 1, 6 p. 8 Z. werden die Omndzüge
parmeniuiischeii Werks also gegeben: tu
loco dixisti conparctHones laudesque
iamaiia et praeter camem Christi a te
tractatam cetera bene dixisti, hoc enim
18 pro nobia te dixisse euo loco monstra-
aecundo autem loco exclusis haereticis
Bandlmdi dtr ¥1iw. AltertmiifwiMenBcluift. vm, 4.
unam dixisti esse ecclesiam; sed eam ubi
sit, agtwscere noluisti. tertio loco traditores
nullis certis personis aut nominibus occu-
sasti. quarto a te unitatis laceraH sunt ooe*
rartt. quinto, ut minuta praetermiUaßr
de oleo et sacrificio pecctxtoria.
354 OpUtnB. (§959.)
teressanten Aktenstücken der Druck der Hyperkritik ; ihre Echtheit
angefochten und selbst dem Optatus die RoUe eines Fälschers zngei
Jetzt ist durch eine methodische Untersuchung dieser Materialsan
wieder ihr Recht zu Teil geworden; die Aktenstücke aus dem doi
sehen Streite müssen im grossen Ganzen als echt angesehen werden.
Optatus sich die Dinge von seinem Standpunkt aus angesehen, ist zwe
allein ihn grober Unwahrheit zu bezichtigen, würde verfehlt seii
zweiten Buche wird erörtert, wo die wahre Kirche Christi zu suche
Hier ist es für den Autor leicht, die Gegner in die Enge zu treibe
donatistische Kirche war auf einen Winkel, auf Afrika, beschräoj
stand in keinem Zusammenhang mit Rom, die katholische Grosskirc
gegen war über alle damals bekannten Länder verbreitet und durch i
Anschluss an Rom zu einer festen Einheit zusammengewachsen,
starken Stützpunkt für ihre Sache und für die Bekämpfung der
fanden die Donatisten in den Verfolgungen, die sie durch bewafihet
schreiten der staatlichen Macht erduldet hatten; dass dieses milit
Einschreiten den Katholiken nicht zur Last zu legen sei, will das
Buch darthun.^) Die Betrachtung geht in dem vierten Buch zum
weis über, dass die Katholiken nicht die Todsünder seien, deren
man verschmähen müsse. ^) Die Donatisten hatten auch als 6n
aufgestellt, dass an den Katholiken die Wiedertaufe vorgenommen
müsse; diesen Grundsatz bekämpft der Autor im fünften Buche,
er die dogmatische Frage von dem Verhältnis des Spenders zum ^
deten Gnadenmittel näher prüft.*) An das fünfte Buch schliesst sie
Inhalt nach das sechste an, wo andere harte Massregeln der Don
gegen die Katholiken als Befleckte 5) besprochen werden. ö)
Damit war das Werk abgeschlossen; ein Bild von dem Vo|
krönte als Schmuck das Ganze. In der Zeit von 370 — 375 übergi
tatus sein litterarisches Produkt der Oeffentlichkeit. Obwohl der kath
Bischof den Begi'iff der Brüderlichkeit den Gegnern gegenüber st
den Vordergrund treten Hess und den donatistischen Bischof mit ,
angeredet hatte, brachte das in wohlmeinender Absicht geschriebem
doch nicht die Versöhnung im Streit; dazu enthielt es noch immer %
Worte und zu schwere Vorwürfe gegen die Schismatiker. An diese
Aeusserungen klammerten sich die Donatisten an und wendeten eii
wenn man ihre Väter als Verräter bezeichne, man kein Recht ha
die Söhne der Verräter, zur Kirchengemeinschaft aufzufordern. Der
*) Hier ist charakteristisch die Definition ! semiper auditur: hoc muntts baptis
2, 1 p. 32 ecclesia una est, ciiius sanctitas
de sacrameniü colligitur, non de persona-
rum superhia ponderatur.
*) Dieses Buch enthält ein interessantes | ^) Illustriert durch das Abwa
Kapitel (4) über die circumcelliones. i Kirchenwände, welche die Donatisi
•) Ueber eine Anzahl Ketzer vgl. 4, 5 ' katholischen Gotteshäusern vomah]
p. 108. I «) 6, 5 p. 152 conflastis inp
^) Z. B. 5, 4 p. 127 non potest id munus i crudeliter confregistis et incons%ü
ab liomine dari, quod divinum est, 5, 6
p. 132 qui non habet, quod det, quomodo
dat? 5, 7 p. 133 iam illud quam ridictUum
est, quod quasi ad gloriam vestram a vobis
dantiSf non accipientis. p. 137 et
versis servientibus non dominium,
sterium.
altaria; puellas miseras non sine
ut secundam miteUam acciperent,
cum de prima in lectione recitari f
Optatna. (§959.) 355
I an der Beseitigung des Schisma alles gelegen war, meinte, dass man
I Gegner noch mehr entgegenkommen müsse ; er entschloss sich daher,
a 15 Jahre nach dem Erscheinen des Werkes, zu einer zweiten Be-
Bitung. In einem eigenen Buche suchte er zu zeigen, dass auch die
«r, wenn sie nur gewollt hätten, die Aufnahme in die katholische
che wieder erlangt hätten; um so leichter könne man die Wieder-
aahme den Söhnen gewähren, die ja nicht die erste Schuld an dem
»te trügen. In dem neuen Buch wandte er sich, wie es scheint, nicht
IT speciell an Parmenian, sondern an alle Donatisten.^) Auch zu den
igen Büchern machte er Zusätze und Entwürfe zu Einschaltungen.
»n Optatus konnte seinen Plan nicht zu Ende führen, und so kommt
dass wir von dem siebenten Buch nur den Anfang der Untersuchung
«n, während die übrigen ihm beigegebenen Stücke Entwürfe für die
ausgehenden Bücher darstellen. Trotzdem kam auch diese nicht fertig
rordene Partie mit den Urkunden als Anhang in die Oeffentlichkeit;
r die Bezeichnung der unfertigen Skizzen als siebentes Buch wurde, wie
icheint, erst nach Hieronymus eingeführt, da er nur sechs Bücher kennt.
Biographisches. Hieronym. de vir. ill. 110 OptattM Afer, episcopus (vgl. 7, 2
70, 15 Z.) Müevüanus (d. h. Mileve oder Milev, eine Stadt Numidiens), ex parte catho-
scripsit 8%ib Valentiniano (364 — 375) et Valente (364 — 378) principibua Ädveraum
%ai%anae partis calumniam librns sex, in quibus adserü crimen Donatianorum
%os fcUso retorqueri.
Anlass des Werks. 1,4 p. 6Z. cuius {Parmeniani) dictis cum respondere veri-
cogente conpellimur, erit inter nos ahsentes qiwquomodo conlatio. eodem modo satis-
et desideriia (üiquorum. nam a multis saepe desideratum est, ut ad eruendam veri-
m ab cUiquibus defensoribus partium conflictus haberetwr. et fieri potuit. sed quo-
m ei accessum prohibent et aditus intercludunt et consessum vitant et conloquium
sgant, vel tecum mihi, frater Parmeniane, sit isto modo conlatio, ut, quia tractatus
g quos in manibus et in ore mültorum esse voluisti, non aspematus sum neque con-
391, sed omnia a te dicta patienter atulivi, audias et tu humilitatis nostrae responsa,
nenianns war kein Afrikaner; vgl. 1, 5 p. 7 quia peregrinus es; vgl. noch 3, 3 p. 73.
Abfassangszeit des Werks. Der tenninns post qaem ergibt sich aus 1, 13
3 ferme ante annos sexaginta et quod excurrit per totam Äfricam persecutionis est
igata tempestas; es ist die diokletianische Verfolgung gemeint, welche von 303—305
rte. Also schrieb Optatus sicher nicht vor 365, sonach etwa 870. Der tenninus ante
n muss 375 sein, da in diesem Jahre einer der beiden Kaiser starb. Dieser letzte
linns erhfilt auch seine Bestätigung durch eine Stelle (4, 5 p. 109), in der Photinus
9$enH8 temporis haereticus genannt wird; da nun Photinus 376 aus dem Leben schied,
Q Optatus jene Stelle nur vor diesem Jahr geschrieben haben. Mit dem gewonnenen
rvaUum 370—375 steht im Widerspruch, dass im Catalog der römischen Päpste Siricius
Ihnt wird (2, 3 p. 37, 11), der von 384 — 398 regierte. Dieser Widerspruch kann nur
erklärt werden, dass zu dem Werk des Optatus später von ihm selbst, nicht wohl
einem andern, Zusätze gemacht wurden. Das Problem spielt auch in das siebente
h hinein.
Titel und Argumente des Werks. Die Bücher werden gewöhnlich mit dem
ilx contra Parmenianum Donatistam bezeichnet; die handschriftliche Ueberlieferung
Dt nur libri Optati ohne jeden Beisatz. Nur der cod. Remensis fttgt am Schluss des
fcen Buches bei: adversus Parmenianum scistnaticorum auctorem; vgl. Ziwsa, Ausg.
Cn. Auch die Argumente zu den einzelnen Bttchem rühren nicht von Optatus her;
Ziwsa p. XIII.
Disposition des Werks. 1, 7 p. 9 sed mihi videtur primo loco traditorum
eismaücorum indicandas esse civitaies personas et nomina, tU quae a te de his dicta
t, veros audores et certos reos suos agnoscant. deinde mihi dicendum est, quae vel
tu una ecclesia, quae est, quia praeter unam altera non est, tertio a nchis müitem
esse Petitum et cid nos non pertinere, quod ab operarOs unUatiB dieOwr esH eoni'
mm. quarto loco, quis sit peccator, cuius sacrificium repwUat 4^»^- ' ■
1) Vgl. Dnpin bei Migne 11 Sp. 763.
356 Optota«. (§969.)
fugiendum sü, quinto de baptismate, sexto de tnconsideratis praesumptianibus et t
vestris. Auch sonst nimmt 0. auf die Disposition Rftcksicht; TgL 5, 1 p. 118 ^
legis qui ftterint et auctores scismcUis, in primo libro tnanifesHssinUs doeument\
dimus, et apud nos esse unam veram ecdesiam catholicam secundo monttnmmm
(wahrscheinlich sind hier die Worte et quarto ausgefallen) vero probiMvirnus, qua*
fiicta esse dicuntur, ad nos mvnime pertinere et vos tnagis peccatores esse indiei
docuimus. iam de baptismate hoc loco dicendum est; vgl. 2, 9 p. 45; 2, 18 p. 48; 3,
Auch Verweisungen auf spätere Bttcher finden stat^ z. B. 1, 5 p. 8 cuius sacraw^ei
tota quinto libro tnonstrabitur, 2, 26 p. 66 sed hanc in sexto libro demonstrabo. 3
tn primo libello probavimus et in quarto proctU dubio probatwri sumus.
Das siebente Buch. Dass das Werk des Optatns ursprünglich ans aecb
bestand, erhellt aus seiner Disposition (1» 7); auch Hieronymus kannte nur secb
Die Veranlassung des siebenten Buches wird vom Autor also angegeben (7, 1 p. 158): •
post invidiae silvatn securibus veritatis abscisam video adhuc vestras vel vestrorun
cationes puUülare, quas vos audio dicere, ad unam communionem non oportuisst
cum filios traditorum vos esse constiterit, ad ea pauca respondeam. Die mfld
fassung erhellt aus folgenden Stellen: 7, 1 p. 166 Juiec si a vestris parentibus suo
dicerentur, quis eos a communione sua repeUeret? 7, 3 p. 178 haec si commen
communicare cupientes, quando vos catholica pio sinu suscipere dubitaret ecdet
constet vos non traditores esse, sed filios traditorum? 1, 2 p. 168 inde est, quod \
dudum in communionem nostram voluimus recipere, quia vos illo tempore non j
sed principes vestri, Dupin hatte anfangs das siebente Buch als unecht erklir
später gab er diese Ansicht auf und statuierte (11 Sp. 763 Bügne), .partem üHm
Optati, quae liber septimus dicitur, non esse revera librum distinctum a caeteris,
ditamenta ad quosdam libros ab ipso Optato composita opere iam confecto." AJ
Eingang des Buches, der auf den Inhalt der früheren Bücher hinweist, lässt doch
nähme wahrscheinlich erscheinen, dass Optatus noch ein siebentes Buch schreibe
das aber nicht zum Abschluss kam. Ueber die Zusätze dieses Buches aus dem
anus, welche Dupin in die Appendix verwiesen hat (Migne Sp. 1098), vgl. Ziws
p. XXX. Eine RQckverweisung auf das vierte Buch findet sich 7, 2 p. 169. U
siebente Buch im allgemeinen vgl. noch Z i w s a p. VIII.
Die doppelte Recension. Nicht bloss das siebente Buch lässt eit
Recension klar zutage treten, sondern auch im Innern des Werks finden sich Spu
solchen. Wir erinnern an den schon besprochenen Gatalog der römischen Bis(
Siricius aufgeftthrt wird. Da kein stichhaltiger Grund vorliegt, das siebente l
Optatus abzusprechen, werden wir nicht an eine Recension von anderer Seite 2
haben, sondern vielmehr annehmen, dass Optatus selbst sein Werk behufs eii
Auflage bearbeitete, aber nicht mehr damit zum Abschluss kam. Ueber die Kap
10 des fünften Buches vgl. Ziwsa p. XI. Ueber c. 12 des dritten Buches vg
bei Migne 11 Sp. 1025; Ziwsa p. X.
Die dem Optatus beigeschlossene Aktensammlung. Optatus w
an mehreren Stellen auf das beigefügte Aktenmaterial hin; vgl. 1, 22 p. 25 Con
Ivarum rerum adhuc ignarum his precibus rogaverunt, quarum exemplum infra
est. 1, 14 p. 16 et t^etustcis membranarum testimonium perhibei, quas dubitan
ferre poterimus. 1, 26 p. 28 de his rebus liabemus volumen actorum, quod si qu
in novissimis partibus legat. Es sind 10 Aktenstücke, welche in dem cod. (
des Optatus erhalten sind. Ihre Echtheit wurde besonders angefochten von Se
sogar auf Optatus Verdacht geworfen ; so schreibt er (Zeitschr. für Eirchengesch.
„Dass in diesem Falle Optatus selbst der Fälscher gewesen ist, lässt sich zwai
widerleglich beweisen, ist aber meines Erachtens äusserst wahrscheinlich* ; p. 5(
aber Optatus teils selbst gelogen, teils aus dem Machwerk eines Lügners ges<
so ergibt sich daraus, dass seine historische Darstellung so gut wie unbrauchbar if
die Untersuchungen von Duchesne ist das Urteil über diese Aktenstücke ein unbc
geworden, so dass ihre Echtheit im grossen Ganzen als feststehend angenom
Wir führen die Hauptresultate seiner Untersuchungen vor: 1. Zwischen 330 und
in Afrika ein Aktenfascikel mit dem Titel Gesta purgationis Caeciliani et 1
gestellt, in dem die Aktenstücke vereinigt waren, welche die Rechtmässigkeit
Caecilians zum Bischof erweisen sollten. 2. Etwa 370 benutzte diese Aktensam
tatus füi' sein Werk und schloss sie auch demselben an. 3. Auch Augustin ben
Sammlung; ferner wurde sie im Religionsgespräch zu Carthago 411 herangezog«
Teil dieser Sammlung ist uns hinter Optatus durch den cod. Parisinus (Colberi
s. XI erhalten. 5. Alle diese Aktenstücke sind unzweifelhaft authentisch. 6. I
an der Ehrlichkeit des Optatus ist unbegründet.
Litteratur zu den Aktenstücken. Ausser den § 957 citierten Abi
PhilaatriiiB and Gandentiiui. (§ 960.) 857
Bibbeck und Völter sind noch anznfttbren: M. Deutsch, Drei Aktenstücke zur
sh. des Donatismus, Berl. 1875; 0. Seeck, Die Zeitfolge der Gesetze Constantins (Zeitschr.
Rechtsgesch. 10 (1889) Roman. Abt. p. 1; p. 177); Quellen und Urkunden ttber die An-
:!e des Donatismns (Zeitschr. für Eirchengesch. 10 (1889) p. 505); L. Duchesne, Le
iler du Donaüsme 1890 (Extrait des Mölanges d'archöol. et d'hist. publik par l'^cole
i^use de Rome t 10); ein Referat steht bei Harnack, Gesch. der altchristl. Litt 1
pi. 1893) p. 744. üeber ähnliche Sanmilungen, die zum Zweck der Rechtfertigung zu-
mengestellt wurden, vgl. Duchesne, L'origine du livre bleu (Akten des 5. internst
Bresses kathol. Gelehrten, München 1901, p. 55).
Sprache und Stil des Optatus. Vgl. Ziwsa, Eranos Yindobonensis p. 174, der
■nders die Redefiguren erörtert; vgl. auch Ron seh, Zeitschr. für Gsterr. Gymn. 35 (1884)
Dl = Collectanea philol., Bremen 1891, p. 158.
Ueberlieferung. Massgebend sind folgende Handschriften: Petropolitanus, olim
beiensis Q. v. omd. I, 2 s. V/VI, er enthält die ersten zwei Bücher und getrennt davon
Argumente aller Bücher; Aurelianensis 169 s. VII, er enthält nur ein Fragment des
«nten Buches; Parisinus 1711, olim Colbertinus 1951 s. XI, er enthält mehr als die Hälfte
sechsten Buches und das siebente Buch, in das einiges aus dem dritten Buch eingestreut
Parisinus 13. 335, olim Germanensis 609 s. XY, Remensis 221 s. IX, aus dem Pari-
is 1712, olim Baluzianus 290 s. XIV stammt; vgl. Ziwsa, Ausg. p. XIV; Eranos Vindo-
anais, Wien 1893, p. 168.
Ausg. Editio princeps von Cochlaeus, Mainz 1549; er benutzte den cod. Cusanus
C 7 s. XV, welcher nur die ersten sechs Bücher enthält; vgl. Ziwsa p. XXIX; p. XL.
8 folgte ihr zu Paris die Ausg. von Balduinus; 1569 erschien die 2. Auflage; in dieser
Ig. wurde der Tilianus benutzt; vgl. Ziwsa p. XXIX. Ganz ausgezeichnet sind die Aus-
en Dupins, Paris 1700, dann Amsterdam 1701 und Antwerpen 1702; abgedruckt bei
llandi, Bibl. vet patr. 5 p. 459, Migne 11 Sp. 883 und Hurter, S. patr. opusc. sei. 10,
0. Die neueste Ausg. ist die von C. Ziwsa, Corpus Script eccles. lat 26 (Wien 1893).
12. Philastrius und Qaudentius.
960. Das Eetzerbuch des Philastrias. Augustin ^) berichtet uns
1 einem Celsus,') der in sechs Büchern die Häupter der verschiedenen
losophenschulen mit kurzer Angabe ihrer Ansichten zusammenstellte und
fast 100 Persönlichkeiten vorführte. Nachdem das Christentum in die
dt eingezogen war, lag der Gedanke sehr nahe, die verschiedenen Häre-
1 und ihre Urheber ebenfalls zusammenzustellen. Und in der That er-
ienen sowohl in der griechischen als in der römischen Welt Ketzer-
aloge. Schon oben (§ 702, 3) haben wir einen unter Tertullians Namen
fanden libellus adversus omnes haereses kennen gelernt; auch unsere
3che bringt einen solchen Ketzerkatalog, nämlich das Werk des Phila-
1118, Bischofs von Brescia. lieber Philastrius, der auch Philaster ge-
int wird, herrscht tiefes Dunkel, und dieses wird auch nicht gelichtet
*ch eine Rede, welche der Nachfolger des Philastrius auf dem Bischofs-
hl, Gaudentius, auf ihn gehalten hat. Er berichtet uns nichts über
Q6 Familie und über sein Vaterland;^) er erzählt lediglich, dass Phila-
lus in verschiedenen Gegenden umherzog, um Gottes Wort zu predigen
1 Heiden und Arianer zu bekämpfen, dass er in Mailand, ehe Ambrosius
i Bischofsstab ergriff, dem arianischen Bischof Auxentius entgegentrat
1 sich hierbei selbst körperlichen Misshandlungen aussetzte, dass er
^h zu Rom verweilte und endlich, dass er in Brescia einen festen Sitz
sein Wirken erhielt. Von Augustin wissen wir, dass er gelegentlich
des Aufenthalts in Mailand die Bekanntschaft des Philastrius machte.
^) De haeres. prol. '' Alexandriner oder Aegyptier halten. Giiei
•) 2, 2* § 473 p. 328. war er nicht (vgl. cap. 121, 8), ebensowi
*) Marx (p. aI) mOchte ihn für einen { Römer; vgl. cap. 121, 7; 111, 5. .
358 Phüastriiui imd QaudentinB. (§ 960.)
Die Akten des Concils von Aquileia (381) bezeichnen unseren Philastrim
als Teilnehmer an demselben. In der Zeit von 385—391 schrieb dieser
Philastrius einen Ketzerkatalog, und während Celsus es auf ungefähr lOO
Nummern gebracht hatte, weist sein Katalog deren 156 auf. Philastrius
war ein der Zahlenspielerei ergebener Mann; indem er sowohl die Häre-
sien des alten Bundes, wie die des neuen bis auf seine Zeit behandelte,
gewann er dort 28 Häresien, hier 100 + 28, also im ganzen 156. Ld
zweiten Teil, der die nachchristlichen Häresien erörterte, machte er zwei
Teile, von denen der eine die Nummern 29 — 92 umfasst, der andere die
Nummern 93 — 156. Dem ersten Teil liegt als Prinzip die Aufeinander-
folge der Häresien zu Grunde, dem zweiten die Lehrmeinungen, welche
naturgemäss eine kurze Widerlegung nach sich ziehen müssen. Aber and
hier finden wir wieder eine Zahlenspielerei, indem jeder Teil 64 Nummen
enthält. Bei einem solchen Schematismus konnte es natürlich nicht ohne
Gewaltthätigkeiten abgehen ; der Autor veranstaltet eine wahre Jagd nadi
Häresien und rechnet dazu auch solche Ansichten, welche über unwesent-
liche, nicht den Glaubensgrund umstürzende Dinge ausgesprochen wurden;
ein fester Begriff der Häresie geht ihm daher gänzlich ab.^) Auch kommt
es vor, dass aus einer Häresie zwei gemacht werden.^) Ueber die Quellen,
die Philastrius benutzte, fehlt es noch an einer abschliessenden Unter- (
suchung; doch scheint so viel festzustehen, dass er nicht den Epiphanias fl
heranzog, sondern mit ihm aus dem Syntagma des Hippolytus schöpfte. |
Obwohl die Schrift des Philastrius im ganzen als ein dürftiges Machwerk
zu bezeichnen ist,^) blieb sie doch nicht unbeachtet; Gaudentius lässt ibre
Kenntnis durchblicken;*) ausgiebig wurde sie benutzt von Augustin in
seinem Buch über die Ketzereien.^) Auch der sog. Praedestinatus kannte
den Ketzerkatalog des Philastrius.
Uober den Namen des Schriftstellers. £s kommen vor die Formen PhiUstiiot
und Philast^r, dann werden auch diese Fonnen mit F geschrieben. Augustin hat in den
Brief ad Quodvultdeum (222) die Form Füastrius; in dem etwas späteren Werke de haere-
sibus aber gebraucht er die Form Filasier. In den gesta episcoporum aqoileia (p. S8 Kad^
mann) erscheint die Form Filastro. Im Catalogus episcoporum (p. 38 K.) wird er ?'ckukr
genannt. Die üeberlieferung spricht für die Schreibung mit F; vgl. Marx, Ausg. p. X.
Biographisches. Gaudentius de vita et obitu Philastrii (20 Sp. 998 Migne) credau
deo fide plenissima, exiit et ipse de terra stia et de cognatione sua et de domo patris m\
et sequebatur verhum dei, ab Omnibus saeculi impedimentis exutus .... sed circumiens uw-
i'ersum peyie ambitum Bomani orbis, dominicum praedicavit verbum .... non solum conin
Gentiles atque Judaeos, verum etiam contra haereses omnes, et maxime contra furentm
eo tempore Arianam perßdiam tanto fidei vigore pugnavit, ut etiam verberibiLS subderetw
.... nam et in mediolanensi urbe idoneus olim custos dominici gregis futt, Ariano repuf-
nans AuxentiOj priusquam beatus eligeretur Ambrosius. Romae etiam non exiguo tempm
*) Z. B. cap. 102, 1 alia est heresis quae \ •) Marx (p. XXXV) nennt den Katalog
terrae motum non dei iussione et indig- \ „modo satis exilis, modo serraonibas in fw-
natione fieri, sed de natura ipsa elemen- ' mam homiliamm exundans.*
torum opinatur. Dieser zweite Abschnitt des ' *) Vgl. Gaudentius sermo 15 (20 Sp.949
zweiten Teils bietet besonders viele Beispiele. Migne) = Philaster cap. 24, 3.
2) Vgl. Augustin. de haeres. 41 No'etianos ') Ueber die Quellen Augustins bemerti
et Sabellianos sab II yiumeris tamquam duas Marx p. XIII: „In quo componendo (iibrei
hereses posnit. 45 Filaster autem continua- usus est Epiphanü et Filastrii opere cappi
tim ponit ambos (i. e, Paulum et Fotinum) ' 1 — 57, Filastrium deinde solum excezpait
sub singulis et propriis numeris, quasi hereses , capp. 58 — 80, tum scriptoria adhibnit ano-
77, cum dicat Fotinum in omnibus Pauli • nymi cuiusdam librum de haeresibus capp. 81.
secutum fuisse doctrinam. 82, denique Eusebii histoiiam cap. 83.*
PhiUatrinB and Oandentiiui. (§ 960.) 359
^fwrtUus, müUo8 et publica et privata disptUatione lucratiis in fide est post ülo8 itaque
^cuüus animarum plurium scUutares Brixia eum rudis quandam sed cupida doctrinae
proffterut^ Noch dem Vorgang Dupins erachtet Marx (p. VII) die Rede de vita et obitu
Philaatrii nicht fOr ein Werk des Gaudentius; er hält sie fOr ein Produkt eines Brixianers
Mis dem Ende des 8. oder Anfang des 9. Jahrhunderts. (Ueber ein sapphisches Gedicht
i^Qf Philastrius vgl. Marx p. VII.) Doch die Beweisführung von Marx ist nicht recht Aber-
seu^nd. Philastrius nahm an dem Goncil von Aquileia (September 381) teil; vgl. Eauff-
mann, Texte und Untersuchungen zur altgerm. Religionsgesch. 1 (Strassb. 1899) p. 38.
A^naftthrliche Charakteristik bei Gaudentius 1. c. Das Todesiaühr des Philastrius ist nicht be-
kannt; doch steht soviel fest, dass er vor 397 starb; denn Gaudentius, der Nachfolger
dee Philastrius auf dem Bischofsstuhl zu Brixia, spricht an seinem Ordinationstage von Am-
broains als von einem Anwesenden (Serm. 16; 20 Sp. 958 Migne); nun ist aber Ambrosius
897 gestorben, also fiel die Ordination des Gaudentius und somit der Tod des Philastrius
▼or dieses Jahr; vgl. Ihm, Studia Ambrosiana (Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 17 (1890) p. 8
Anm. 8); Marx, Ausg. p. m.
Titel. Im Petropolitanus lesen wir: Incipit liber Filcistri episcopi de fieresibus;
im Yindobonensis heisst es: In hoc corpore continentur — id est Füastri episcopi Brixanae
ekntaiis — de omntbus Iieresibus, Im Petropolitanus lautet die Subacriptio : explicit diver-
•artim hereseorum (sie) liber; im Vindobonensis dagegen: explidt Fikistri episcopi Brixiani
de Omnibus heresibus,
Inhalt des Werks. Praef. p. 1 Marx de hereseon diversa pestilentia variisque errori-
bu9 qui ab origine mundi emerserint et sub Judaeis defluxerint et ex quo venit dominus
noster Jesus salvatOTt in carne pullülaverint, dicere oportet numerumque earum paulatim
exponer e. üeber die Gomposition und die Zahlenspielerei vgl. Marx, Ausg. p. XXXV.
Abfassungszeit. Diese würde sich leicht ergeben, wenn zwei Stellen richtige
Angaben enthielten, nämlich 1 12, 2 inde a domino usque nunc anni quadringenti triginta
plus minus. 106, 2 quadringentos iam et plus annos transisse cognoscimus <et>, ex quo
venit dominus, fuisse completos. Aber 397 weilte Philastrius nicht mehr unter den Lebenden.
Wir müssen daher diese Stelle ausscheiden und sie wahrscheinlich mit Marx (p. XV) auf
die Zeit des Herausgebers des philastrischen Werks beziehen. Einen terminus post quem
gibt an die Hand 106, 1 putant quidam quod ex quo venit dominus usque ad consum-
fnationem saeculi non plus non minu^ fieri annorum numerum nisi trecentorum sexaginta
qumque usque ad Christi domini iterum de caelo divinam praesentiam. Allein da Phi-
jastrius zeigt, dass dieses Jahr unrichtig angenommen sei und dass seitdem mehr Jahre ver-
flooaen seien, muss die Schrift nach 365 geschrieben sein. Der terminus ante quem ergibt
sich aus c. 83 qui et Parmeniani nu/nc appellantur a Parmeniano quodam, qui eorum
nuper successit erroribus atque fcUsitati. Die Stelle setzt den Parmenian als lebend voraus ;
dieser war aber sicher 393 tot, da in diesem Jahre sein Nachfolger Primian auf dem Goncil
TOD Karthago verurteilt wurde. Auch noch auf einem anderen Wege können wir den ter-
minus ante quem feststellen; wie aus c. 142 ff. hervorgeht, kennt Philastrius die Uebersetzung
des alten Testaments von Hieronymus, die im Jahre 391 vollendet wurde, noch nicht. Also
fiült die Abfassung der Schrift in die Zeit von 365—391. Aber dieses Intervallum kann
dnrch folgende Betrachtung eingeengt werden. 24, 3 erwähnt er das genus aut Graccorum
aut Aniciorum, Bei Aniciorum wird Philastrius an den Anicius Auchenius Bassus, der
praef. urbia 382 war, restitutor generis Aniciorum genannt wird und auch zum Christentum
eich bekannte, gedacht haben, wie bei Graccorum an Furius Maecius Gracchus, praef.
urbis 376. Merkwürdig ist, dass die Priscillianisten c. 84 charakterisiert, aber nicht mit
Namen genannt werden; dies Schweigen erklärt sich am besten, wenn die von Einsichtigen
Temrteilte Hinrichtung Priscillians (385) schon vollzogen war. Die Abfassung der Schrift
dürfte somit etwa in die Jahre 385—391 fallen. An das kaiserliche Edikt (383) gegen die
Häretiker (Cod. Theodos. 16, 5, 11) scheint der Anfang der Schrift anzuklingen. — Lipsius,
Zur Quellenkritik p. 30; Zahn, Gesch. des neutestamentl. Kanons, 2. Bd. 1. Hälfte (Erlangen
n. Leipz. 1890) p. 234; Marx, Ausg. p. XI.
Quellen des Philastrius. R. A. Lipsius, Zur Quellenkritik des Epiphanios,
Wien 1865, p. 4; Harnack, Zeitschr. für bist. Theol. 1874 p. 143; Lipsius, Die Quellen
der ältesten Ketzergesch. neu untersucht, Leipz. 1875, p. 91; A. Hilgenfeld, Die Ketzer-
C^esch. des Urchristentums, Leipz. 1884. Bei der Quellenuntersuchung handelt es sich um
drei Schriften, um das Panarion des Epiphanius aus dem Jahre 376 oder 377 (vgl. Harnack,
Gesch. der altchrist]. Litt. 1 (Leipz. 1893) p. 149), Pseudotertullians libellus adversus omnes
haeresee (§ 702, 3) und des Philastrius liber de haeresibus. Lipsius (Zur Quellenkritik p. 5)
stellt den Satz auf, dass Epiphanius und Philastrius eine gemeinsame Grundschrift vor sich
hatten, deren Ordnung bei Pseudotertullian noch vorliegt. „Beide bearbeiten diese Qnuid-
schrift selbständig, indem der eine sie an dieser, der andere an jener Stelle erweitert
ohne die ursprüngliche Ordnung zu ändern.*^ Er leugnet (p. 29) die BenatEong dea Ron
360 PliilasiriiM ond Qandentiiui. (§ 961.)
durch Philastrius. Als diese Grandschrift erachtet er Hippolyts tfvyrayfia nqoq and^a^ ro^
alpia etg (im ganzen 32). Die Grandschrift schloss mit Kontos; Tgl. LipBia8Lc.p.3i .
Hinzugefügt ist also von Epiphanias 58 — 80 (Lipsias p. 16), von Phüastrias 54—156 (p. 14). I
Ueber die Abhängigkeit des Philastrius von Hippolytos in der Chronologie vgl. Marx, Ausg. ^
p. XXXYII. Vgl. auch Kunze, De bist, gnosticismi fontibas, Leipz. 1894.
Fortleben des Philastrius. Augustin. epist. ad Quodynltdeom PhiUutrius quiddm
Brixiensis episcopus, quem cum S, Ambrosio Mediolani eHam ipse vidi (383 — 388), Kiripml
hinc librum, nee ülas haereses praetermittens quae in populo Judaeo fuerunt ante ad-
ventum domini, easque XXVIII commemoravit, et post domini adventum CXXVIIL
üeber die Benutzung des Philastrius (und anderer Quellen) in dem über de haereaibas Aii-
gnstins vgl. Marx p. XIII. üeber den sog. Praedestinatna und Phüastrias vgL denseHwi
p. XYII; über Gregor den Grossen und Philastrius p. XVlll.
Ueberlieferung. Von Marx sind für die Textesrestituiemng herangezogen cod.
Petropolitanus auct. lat. I Q. v. 38, olim Gorbeiensis s. IX, in dem aber die Praefatio oad
haer. 1—28 fehlen; Vindobonensis 1080, olim Salisburgensis 219 s. IX (es fehlen die Hin-
sien 107, 115, 117, 140, 151, 154) und der Cheltenhamensis 12263 s. VIU (enthXlt blon
Kapitel 148). Es kommt femer noch die Handschrift in Betracht, welche Sichard seiner
Ausgabe zu Grunde gelegt hatte und die jetzt verloren zu sein scheint; sie stand mit dem
Vindobonensis in Zusammenhang, bot aber den Text in sehr verdorbenem Zostand; v^
Marx, Ausg. p. XVIII.
Ausg. Editio princeps von J. Sichard, Basel 1528; es folgten die Aoag. von J. A.
Fabricius, Hamburg 1721 (ein ausgezeichnetes Werk); die von P. Galeardi, BresoA
1738; von Gallandi, Bibl. vet. patr. 7 (1770) p. 475; Migne 12 Sp. 1111; Fr. Oehler,
Corpus haereseologicum 1 (Berl. 1856) p. 1. Neueste Ausg. ist die von Fr. Marx, C!oipQs
Script, eccles. lat. 38, Wien 1898.
961. Die Predigten des Gaudentius. Der Schüler des Philastrius
war Gaudentius. Leider sind wir über sein Leben ebenso mangelhaft
unterrichtet wie über das des Philastrius ; weder das Qeburts- und Sterbe-
jahr, noch sein Vaterland sind uns bekannt. Von ihm selbst erfahren
wir, dass er, als Philastrius starb, im Orient weilte. Dort ereilte ihn
auch die Nachricht, dass er zum Nachfolger seines Lehrers ernannt sei
Nicht wenig sträubte er sich, das verantwortungsvolle Amt anzunehmen;
allein der Einfluss des mächtigsten Kirchenfürsten Ambrosius, das Zureden
der orientalischen Bischöfe und die Versicherung der Bürger von Brescia,
dass sie sich eidlich verpflichtet hätten, den Gaudentius zum Bischof zu |
wählen, besiegten den Widerstand. Er kehrte daher vom Orient nach ,
Brescia zurück, wobei er zugleich Reliquien mit sich führte. Seine bischöf- j
liehe Wirksamkeit in Brescia war von glücklichem Erfolg begleitet; seine
Kanzelreden fanden den grössten Beifall und wurden sehr häufig von
Stenographen nachgeschrieben. Auch in den schwebenden Kirchenfragen
trat der hochangesehene Mann mit seinem Einfluss hervor. Als Johannes
Chrysostomus verfolgt, in die Verbannung geschickt und eine Gesandt- j
Schaft an den kaiserlichen Hof von kirchlicher Seite beschlossen wurde,
befand sich unter den Teilnehmern derselben unser Gaudentius, und der
Briefwechsel des Johannes Chrysostomus lehrt uns, dass er grosse Stücke
auf den Brixianer Bischof hielt.
In die Litteratur kam Gaudentius durch Benivolus; dieser magister
memoriae Valentinians IL, der so treu an dem nicaenischen Bekenntnis
festhielt, dass er lieber sein Amt aufgab, als ein den Arianern günstiges
Dekret zu concipieren, war durch Krankheit verhindert, die Osterpredigten
des Gaudentius zu hören; er ersuchte daher den Bischof, diese Predigten
für ihn niederzuschreiben; diesem Verlangen kam Gaudentius nach und
fügte noch einige andere Predigten hinzu, so dass jetzt ein Corpus der
Predigten des Gaudentius vorlag. Ausser diesem Corpus sind noch einige
Bi» Autoren Ton WallfkhrtBboriohten und Beaohreiber des hl. Landts. (§ 962.) 36]
Predigten überliefert; von ihnen ist die vielgelesenste die über Leben und
Tod des Philastrius, deren Echtheit, jedoch wie ich glaube ohne Grund,
bestritten wird. Apokryph dagegen ist ein sapphisches Gedicht auf Phila-
strius, und noch das eine oder andere Stück hat fälschlich den Namen des
Gaudentius angenommen.
Gaudentius ist ungleich gebildeter als sein Lehrer Philastrius. Er
schreibt einen klaren und einfachen Stil und ist im ganzen angenehm
zu lesen.
Biographisches. In seiner bei der Ordination gehaltenen Rede sagt Gandentias,
dass er der Annahme der bischöflichen Würde lange widerstrebt habe, and fährt dann fort
(Sp. 956): sed beatus pater Anibrosius ceterique venerandi antistites, sacramento , qtu>
temere vo8 ipsos ohUgtisHs, cistricti, tcUes ad me epistolaa cum vestra legatione miserunt,
«# sme damno animae meae ultra iam resistere non valerem, cui ab Ortentalibus quoque
episcopia, nisi meum ad vos reditum pollicerer, scUutaris communio negaretur. Sermo 17
(ßp, 964) cum per urbes Cappadociae Jerusalem pergerem in ipsa maxima Cappa-
dodae cwitate, quae appellatur Caesarea, repeinmus quasdam dei famulas qud)iM
ab oüunculo suo summo sacerdote ac becUo confessore Basüio olim traditae fuerant horum
muartyrum venerandae reliquiae, quas desiderio nostro incunctanter ac fideliter tribuerunt,
Ueber den magister memoriae Valentinians II. im Jahre 385, Benivolns, Tgl. Rofin. bist.
eecles. 2, 16 (21 Sp. 524 Migne). üeber die Tliätigkeit des Gandentius für den verbannten
J(^annes Chrysostomos vgl. des letzteren Brief 184 (52 Sp. 715 Migne); Palladius dialogos
de Tita S. Joannis Chrysostomi cap. 4 (Migne, Patrol. gr. 47 Sp. 15).
Veranlassung. Gaudentius schreibt an Benivolus (Sp. 827): communis voti fuerat,
«# ea quae de divinis eloquiis per paschales dies proxime praeteritos explanavi, coram
valuisses audire (Sp. 830) ex ingenti aegritudine tuum tunc adhuc corpus invalidum,
ne supradictae festivitati interesses, inhibuit magnopere exegisti, ut scriberem quid
w%aquaque die illius sacratissimae hebdomadis sanctae fratemitoH a me expositum memi-
mMsem .... scribere tibi aggrediar omnino iisdem sensibus, et fortasse etiam verbis, quibus
me in ecclesia locutum esse reminiscor, ut loquelam meam, qtudiscumque est, fädle, cum
legeris, recognoscas. quatuor praeterea breviores tractatus, quos de diversis capitulis evan-
gäa apud te olim fuisse me locutum prodidisti, et quintum de Machabaeis martyribus,
emendatos tibi, quoniam cogis, remittam, ut eos, si ulla utüi memoria dignos arbitraris,
m postrema parte schedulae huius simiU transcribendos adiungas. de Ulis vero tractatibus,
quas notarOs {ut comperi) latenter appositis, procul dubio interruptos et semiplenos otiosa
quarumdam studia coUigere praesumpserunt, nihil ad me attinet.
Die einzelnen Schriften des Gaudentius. Durch das Schreiben an Benivolus
Bind bezeugt die zehn Osterpredigten, ebenso die vier Predigten über verschiedene Kapitel
des Evangeliums und die über die Macchabäer, also im ganzen 15. Inhalt und Stil lassen
«ach noch folgende vier Stücke als echt erscheinen: 1. de ordinatione sui, 2. de dedicatione
baailicae, 3. ad Serminium, 4. ad Paulum diaconum. Galeardi fügte noch zwei hinzu:
1. de Petro et Paulo, 2. de vita et obitu Philastrii. Die Echtheit der Rede de vita et obitu
Fhilasfcrii wird von Marx bezweifelt; vgl. p. 359. Dagegen ist über die ünechtheit des
Carmen sapphicum zu Ehren des Philastrius kein Zweifel gestattet. Der Bischof Rampertus
ans dem 9. Jahrhundert sagt über dieses Gedicht (Marx p. VII): Sed et rhythmicum hym-
num quem ergo auctoritatis Gaudentium episcopum fecisse ferunt cantare de ipso seaüle
eontueverat. Gaudentium autem ipsum composuisse nuto, cum longe aliterque sensus primae
lineae sit et ipse rJiyihmus elementa nominis compositoris sui per capita ut ita dixerim
versuum, si quis intendat, habeat. Das Gedicht bietet folgendes Akrostichon: Filastrius
Briciiensis praesul, Ueber anderes Apokiyphe vgl. Galeardi bei Migne Sp. 809.
üeber die Sprache vgl. Paucker, Zeitschr. für österr. Gymn. 32 (1881) p. 481.
Er charakterisiert Gaudentius als «scriptor band indisertus, non tam quidem ingenii lumini-
hoB sensnumque vigore quam ingenua quadam still simplicitate ac satis castigato eloquio
piülwbiliB, qnamvis sordium secuB sui nee ipse immunis.*
Ausg. von Galeardus, Padua 1720; Migne 20 Sp. 827.
13. Die Autoren von Wallfahrtsberichten und Beschreiber
des hl. Landes.
962. Wallfahrtsbericht der sog. Silvia. Durch dieselbe Hand-
schrift, durch welche uns Bruchstücke vom Hymnenbuch des Hilarius und
362 I>i« Autoren yon WalUkhrUberiohten and Beaohreiber da« hL LuidM. (| 962.)
dessen Schrift de mysteriis erhalten sind, wurde uns auch der Bericht
über eine Wallfahrt nach dem hl. Lande bekannt. Dieser Reisebericht
rührt von einer aus dem südlichen Frankreich stammenden Frau her,
welche einem Orden angehörig ihre Erlebnisse zu Nutzen und Frommen
ihrer Ordensschwestern zusammengestellt hat. Wahrscheinlich war die
Erzählerin die Aebtissin ihres Klosters; daraus würde sich auch leicht
erklären, dass ihr auf ihrer Reise der Klerus mit ausgesuchter Höflichkeit
entgegenkam und dass die Staatsautorität ihr für unsichere Wegestrecken
eine militärische Begleitung zur Verfügung stellte, i) Ob aber die Wall-
fahrerin mit Silvia, der Schwester des östlichen Reichsministers Rufinas,
die allerdings auch in derselben Zeit eine Reise in das hl. Land unter-
nahm, identisch ist, wie der erste Herausgeber angenommen, muss doch
noch unentschieden bleiben. Der Reisebericht ist unvollständig auf uns
gekommen; es fehlt der Anfang, da die Erzählung uns gleich in den Be-
such des Berges Sinai versetzt, auch in der Mitte sind beträchtliche Lücken,
endlich ist der Schluss verloren gegangen. Die Reise, die in die Zeit
von 379 — 387/88 fällt, richtete sich zuerst nach Jerusalem; von da aas
machte die Pilgerin Exkursionen nach dem Berg Sinai, nach dem Berg
Nebo, endlich zum Grabe Jobs und anderen Orten. Mittlerweile waren
drei Jahre verstrichen; die Wallfahrerin dachte jetzt an die Heimkehr;
doch wollte sie zuvor noch Mesopotamien aufsuchen, um das Mönchsleben,
von dem sie so viel gehört hatte, aus eigener Anschauung kennen zu
lernen; auch zog sie Edessa mit dem Grabe des hl. Thomas mächtig an.
Auch diese Reise führte sie aus. Alsdann nahm sie ihren Weg nach
Constantinopel, wobei sie jedoch nicht unterliess, einen oder den anderen
Abstecher nach einem in religiöser Hinsicht merkwürdigen Ort zu machen.*)
In Constantinopel angekommen, stellte sie das, was sie gesehen, zusammen;
zu ihrem Wallfahrtsbericht fügte sie noch einen Anhang, in dem sie die
Liturgie der Kirchen Jerusalems in ausführlicher Weise beschrieb.
Die Klosterfrau ist, wie sich das von selbst versteht, auf ihrer Reise
nur von religiösen Interessen geleitet; sie will die ihr durch die hl. Schrift
bekannten Oertlichkeiten, Kirchen, Klöster und Gräber der Heiligen mit
eigenen Augen sehen; doch ist sie für die Naturschönheiten nicht ganz
unempfindlich, und es kommt vor, dass eine bezaubernde Gegend ihr den
Ruf entlockt, sie hätte so Wundervolles in ihrem ganzen Leben noch nicht
gesehen. 3) Sehenswürdigkeiten wurden ihr ausserordentlich viele gezeigt;
die Mönche, die in den besuchten Gegenden gern die Führer machten,
befriedigten ihre Neugierde, die sie selbst eingesteht, in erstaunlichem
Masse. Jede in der hl. Schrift bezeichnete Oertlichkeit konnten sie nach-
weisen;^) die Legendenbildung war sichtlich ins Ungemessene fortge-
schritten. Die fromme Ordensschwester freut sich innig dessen, was man
*) 9, 3 p. 49 Geyer nos inde iain remisi- Jessen. Hierher gehört auch die Beschrei-
mus miUtcSj qui nobis pro disciplina romana bung der grossen Aussicht auf dem Berg
auxilUi praebuerant, quamdiu per loca su- Sinai (3, 8 p.41); vgl. noch 13, 2 p. 56 valUm
specta ambulareramxis. pulchram satis et amoenam.
^) Z. B. 22 p. 69 {marUjrium s. Tedae). ^) 7, 2 p. 47 ostefidebant nobis singula
') 9, 4 p. 50 pulchriorem territorium loca, qnae semper ego iuxta scripturas rt-
pxito me misquam vidisse, quam est terra \ quircham.
Die Autoren Ton Wellfahrteberiobten und Besohreiber de« hl. Landes. (§ 962.) 363
hr zeigte, und nur selten bricht durch ihren Bericht ein leiser Zweifel.^)
)eim Besuch der merkwürdigen Oertlichkeiten wurden die auf sie bezüg-
ichen Worte der hl. Schrift oder der Heiligenlegende gelesen ; *) Gebet und
i^salmenrecitation sollten den Dank für das Gesehene ausdrücken. Die
Srzählerin redet in volksmässigem Latein; ihr Reisebericht ist daher für
lie Entwicklungsgeschichte der lateinischen Sprache nicht ohne Wichtig-
keit. Auch für die Geographie erhalten wir aus dem Wallfahrtsbericht
nanchen Baustein. Für die Geschichte der Liturgie bildet der Anhang
)ifie Quelle ersten Ranges. Das Reisebuch der frommen Schwester blieb
licht unbeachtet; wir stossen auf seine Spuren im 12. Jahrhundert, wo
i8 von Petrus Diaconus ausgeschrieben wurde.
Die Verfasserin. Durch den Verlost des Anfangs der Schriffc ist anch der Autor-
uune verloren gegangen. Doch ergeben sich einige ZQge aus dem Pilgerbericht. Eine Frau
st es, welche den Bericht geschrieben hat; vgl. 16, 3 p. 58 Geyer ut sum satis curiosa.
hre Heimat ist das südliche Gallien; denn sie vergleicht den Euphrat mit der Rhone; vgl.
8, 2 p. 61 üa decurrit h€U)en8 impetum, sicut habet fluvius Rodanus, nisi quod ctdhuc
naior est Eufrates, Sie wendet sich an Ordensschwestern; vgl. 3, 8 p. 40 illud vos volo
cire, dominae venerabües sorores. 19, 19 p. 64 dominae animae meae, 46, 4 p. 98 do-
fnnae sarores, 23, 10 p. 71 vos tantum, dominae, lumen meum, memores mei esse digna-
nmt. Die Schreiberin will also dem Kloster angehört haben, an dessen Religiösen sie sich
vendet, und zwar wird man nach der Auszeichnung, die sie Oberall auf ihrer Reise er-
ahren, auf einen hohen Rang der Pilgerin schliessen müssen; sie wird wohl die Aebtissin
les Klosters gewesen sein. Bestätigt wird diese Annahme dadurch, dass in einem Biblio-
hekskatalog von Monte Casino aus dem Jahre 1532 der Anfang des Pilgerberichts durch
±hbatissa bezeichnet war. Gamurrini (p. XXXIV) hat die Hyjpothese aufgestellt, dass
insere Pilgerin identisch sei mit der Schwester des Ministers des Ostreichs Rufinus, welche
»8 Aquitanien stammend um dieselbe Zeit eine Reise ins hl. Land machte; vgl. Palladius
lisi Lausiaca c. 143, 144. Wenn sich auch die grosse Aufmerksamkeit und der militftrische
kshutz, der der PUgerin auf der Reise zuteil wurde, durch die Verwandtschaft mit Rufinus
eicht erklären Hesse, so wäre doch andererseits auch auffallend, dass sich in den Berichten
liemals eine Anspielung auf Rufinus vorfindet. So ansprechend die Hypothese Gamurrinis
mch ist, kann sie doch nur den Grad einer Wahrscheinlichkeit in Anspruch nehmen.
Abfassungszeit. Der terminus ante quem ergibt sich also. Die Pilgerin kam
mch nach Edessa; hier scheidet sie bei der Angabe der von ihr gesehenen OerÜichkeiten
rwischen der Hauptkirche und dem Grabmal des hl. Thomas als zwei verschiedenen Oert-
ichkeiten; vgl. 19, 2 p. 61 pervenimus .... Edessam. übi cum pervenissemus, statim per-
'eximus ad ecclesiam et ad martyrium sancti Thomae, Nun wurden aber 394 die Ge-
>eine des Apostels in die Hauptkirche übertragen; vgl. Chron. Edess. bei Assemani, Bibl.
>r. 1 p. 399. Also fällt die Peregrinatio vor 394. Der terminus post quem wird uns 20, 12
>. 67 an die Hand gegeben. Nachdem der Bischof der Reisenden die Entfernung von Nisibis
md Hur bestimmt hat, fährt er fort: sed modo ibi accessus Romanorum non est; totum
mim illud Persae tenent. Die Ausdehnung der persischen Herrschaft Aber diese Oertlich-
ceiten fällt ins Jahr 363, in dem Julian starb und Jovian einen schmählichen Frieden
ichloss. Also fällt unser Reisebericht zwischen 363 und 394. Dieses Intervallum kann
über noch eingeengt werden durch folgende Erwägung. In der Peregrinatio herrscht Qberall
idrchlicher Friede ; sie kann daher nicht während der arianischen Verfolgungen unter Kaiser
Valens (364—378) geschrieben sein, sondern erst nach dessen Tode, also nach 378. Sonach
fWt die Schrift zwischen 378 und 394. Auch dieses Intervallum kann wiederum ein-
geschränkt werden. Der Bischof von Edessa wird confessor genannt (19, 1 p. 61), d. h. er
^) 12, 7 p. 54 sed mihi credite, dominae
jenerdbües, quia columna ipsa iam non
paret, locus autem ipse tantum ostenditur;
^lumna autem ipsa dicitur mari mortuo
Luisse cooperta, Certe locum cum videremus,
U}lumnam nullam vidimus, et ideo fallere
oos super hanc rem non possum.
') 4, 3 p. 41 id nobis vel maxime f ea
iesideraveram semper, ut ubicumque venis-
semus, semper ipse locus de libro legeretu/r.
10, 7 p. 52 id nobis semper consuetudinis
erat, ut ubicumque ad loca desiderata ac-
cedere valebamus, primum ibi fieret oratio,
deinde legeretur lectio ipsa de codice, di-
ceretur etiam psalmus unus pertinens ad
rem et iteraio fieret ibi oratio; vgl. auch
14, 1 p. 56; 15, 4 p. 58; 21, 1 p. 68. 19, 2
p. 61 nee non etiam et cdiquanta ipsius
sancti Tl^omae ibi legimus.
364 T>i9 Antoren yon Wallfahrtsberiobten und Beschreiber da« hl. LandM. (| 963.
■^
^
hat wogen seines Glaubens Verfolgungen erlitten. Dieser Bischof wird Ealoeios sem. 4vl;
unter Valens Verfolgungen erlitt und Bischof von Edessa von 379 — 3^7 oder Zrii »»1'
Demgemäsä fällt die Pilgerfahrt in die Zeit von 379-387,^; vgl. Cabrol p. 172. Wc«|"
man von der Identität der Pilgerin mit Silvia, der Schwester des Consuls Rufinas, aasftk, l. .
lässt sich die Zeit der Schrift noch genauer fixieren; vgl. Gamurrini p. XXXVII>. d«r&l
Pilgerreise in das Jahr 385—388 setzt und, die Ansicht Gamurrinia modifizierend. Bai. *'-'
sehen. Jahrb. der christl. Kirche unter dem Kaiser Theodosius d.Gr., Freib. i. Br. 1S97. ^.:m.
Abfassungsort. 23, 10 p. 70 de quo loco id. h. von Constantinopel aas . domikat^
hunen meum, cum haec ad restrmn nffectionem darem. Ueber das, was sie noch sjite
von Constantinopel aus sehen wird, sagt sie (1. c): aut ipsa praesens .... re^trae aftctm
ref'tram aut certe, si aliud animo sedtrit, ffcripiis nuntiaho.
Die Reisen der Pilgerin. a) Erste Reise. Es heisst im Eingang der Sdinft:
trans vallem appardat monn snnctuH Dei Syna. 7, 1 p. 46 desiderii fnit, nt d* (7«M3
ad terram Presse crireinus. 9, 7 p. oO regressa sum in Ileiia, id est in Jennolimn.
^' Zweite Reise, lö, l p. 50 item transacto aliquanto tempore et iubente Deo /mi* rfflm*
rohuitas accedendi usque ad Arabiam, id eet ad montem Xahau, 12. 11 p. o5 ac fK rrf,
ri^is Omnibus, quae deifiderabamus, in nomine Dei rerertentes per Jericho et ittr o%h,
quod iveramus, retfressi aumus in Jerusolimam. y) Dritte Reise. 13. 1 p. oo itim //«
aliquant um tempua volui etiam ad regiomm Ausitidem accedere propter tisendaw mtu>-
riam ^ancti Job. 16. 7 p. 60 regressi sutnus in Jertt^oUmam, iter facientes per «in^Wv
mansiones, per quns ieramu^ tres annotf. 6 Vierte Reise. 17. 1 p. 6*D crtm iam rr«
anni i^lcni tsscnt, a quo i« Jerusolimam refti^sem .... et ideo iam rerertendi ad pairtn
animus e^^el, '.■»•lui iubente Deo etiam et ad Me^opotamiam Syriae accedere ad ri^fti'iw
sancto^ monachos .... nee non etiam et gratia orationin ad martt^num sancti Ihom^
apostoli. ubi corpus illius integrum positum est. id est apud Edessam. 23. 8 p. 70 i^t-
reni Coni^tantinop^'lim. Ueber die Reisen vgl. Gamurrini p. XXII I; Cabrol p. 17?.
Liturgischer Anhang. 24. 1 p. 71 ut sciret affectio vestra, quae operatio ^ingm
difbus cotidie in locis sapictis habcatur, certas ros facere dehui sciens, quia libenter
haberetis haec cognoscere.
Die Ue herliefe rang. Der Reisebericht ist uns darch dieselbe Handschrift &ber-
liefert. welche das verstümmelte Hymnenbnch des Hilarins (% 861 \ dessen Schrift de nj-
steriis § >V*1 enthält und aus dem 11. Jahrhundert stammt. Ueber die Handschrift tc.
§ Sv*l p. 261. wozu noch geführt werden kann Cabrol. Etüde p. 169.
Aus*:. E'iiti> irin'.cr-* v...n 'iarr-urriLi. S. Hilarii tractatas de mysteriis et hjTnt.
et S. >ilviie A»j-;::äLär r-rrefriEÄ::;- a-i :oc« sancta: i-rcv-iit Peiri Diaconi liber d^ Ixi?
sancti s. Ror.i l'^'»T: mvi-ivr:^ A.;?^'. 1?"?*: ^eir-rrhin t-üene dir rjchrift Pomiäi'Wikv
l\-:*-r5b. l'»^^. Ma?5^*;vrrr.ir Au?.:, is: -ii-e v.:r. t' 'iever. Itinera HierosoU-initana saecL
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Aii-:-..iL. I-v :-'.-.:.: ...:-: ie s-J:::- >-..•... .^ü Ltü h^'.LZä en •:•>•"•. «[►rl-racä If^ö: F. Cabr:-.
F-i-.-iv «■.:: '..i :T:-«*T;:..i:i ^:!*.-jr. r.r-r -^".1*^* i^ \ri^.^ir,. li •iiscir-Iinr et la liturzie i\
'V 5i-.'.v. :'.».-:? -:: :':.:Ur< Ire' Z'r:: : ::-i: I ::?.:Lü:z. Chrisiasbi-der Text^ 1:2:
Vz:-:rs.;."..:.::^-n N r' L.:::. Irrö- : IT.' — "': Iffli::. IV-i-tr die LAtinität der p-err-
iTi:-..i::. Archiv :*ur '.:.: l.vx.k::r-: iii^ 4 1t»T : i'";^ : \S. iuch Gever ebenda p. €11.
VHvV Andere Schriften über das hl. Land. Es dürfte geraten ^ein.
c.x:v:. P:!^-: '■:•:■::::: -i-rr ?:i:. Si'.v::% /r.r.f Flü:ksich: a'^f die Zeit auch andere
^:V.:-:::r:: ::':>:■ iü^ r.'.. Lü.i rr.-.zurvihvr. : diese Pr-idukte blieben von den
':::t:\\::s::-.t:-. S:: :v..::.^rr. s ^.:: "^ir ur.rrhelligt und sind daher kaun:
ÄS L:::o::i:v.rv. :":;. .-.:..- .isvhrr.. E:::r:: •^esr!::'.:>r.rr. Unrerschied macht es
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Um Autoren tob Wallfahrtaberiohten and B««olireiber des hl. Landes. (§ 968.) 365
oherius, der im 5. Jahrhundert lebte. Man hat zwar die Echtheit
Schrift bestritten, aber mit ungenügenden Gründen. In die Mitte des
"& Jahrhunderts führt uns eine Schrift über das hl. Land, welche, man
"^raiss nicht mit Recht oder mit unrecht, den Namen des Theodosius
Iblurt und viel Beachtung gefunden hat. Gegen das Ende des 6. Jahr-
hunderts fällt eine Erzählung der Reise nach Jerusalem, welche ein Be-
:i|}eiter des AntoninusMartyr niedergeschrieben hat, vor. Auf eine eigen-
t&mliche Weise kam Adamnanus (f 704) zu einem Wallfahrtsbericht.
Der gallische Bischof Arculfus, der von einer Reise nach dem hl. Land
snrOckgekehrt war, wurde an die Westküste Britanniens verschlagen; hier
lernte er Adamnanus kennen, der sich die Pilgerfahrt von dem Bischof
erz&hlen liess und sie mit Nachrichten aus anderen Quellen zu einem
Ganzen verschmobs. Gehört dieses Werk dem 7. Jahrhundert an, so führt
uns eine Schrift Baedas in das achte; sie ist lediglich eine Compilation.
Zum Schlüsse gedenken wir noch der Wallfahrt der Paula, welche Hiero-
nymus in seinem Epithaphium auf die genannte erzählt.
Die ftbrigen Wallfahrtsberichte. Ausser dem Itinerarium Hierosolymitanum
sire Bnrdigalense (vgl. § 812) und der Peregrinatio Silviae hat P. Geyer noch folgende
Beschreibiingen des hl. Landes ediert:
1. Petri Diaconi Über de locis sanctis. Petras Diaconns widmete sein Bach
dem Abt von Montecasino Gaibaldus, der, im Jahre 1137 zum Abt ernannt, nur wenige
Monate seine Wttrde inne hatte. Sein Buch ist eine Compilation (vgl. Prolog, p. 106, 8),
som grössten Teil aus Baeda geschöpft; doch sind auch andere Quellen benagt, darunter
die Silvia; dadurch sind wir in den Stand gesetzt, einige Defekte in der Peregrinatio Silviae
anamf&llen. Die Ueberlieferung beruht auf der Urhandschrift des Petrus Diaconus in Monte
Caaino 361, von der Neapolitanus s. XY eine Abschrift ist. — Ausgaben von Migne 173
8p. 1115; vom Grafen De Riant, Neapel 1870; von Gamurrini in seiner editio princeps
der Silvia 1887 p. 113; von P. Geyer p. 105.
2. Eucherii de situ Hierusolimitanae urbis atque ipsius Judaeae epistola
ad Fanstum presbyterum. In dem an den Presbyter Faustiis insulanus gerichteten
Brief heisst es: HierusoUtnüanae urbis situm atque ipsius Judaeae, ut mihi vel relatiane
cognittis ercU vel lectione conperttM, hreviter amplexus sum, P. Geyer (Adamnanus, Abt
▼on Jona. I: Sein Leben, seine Quellen, sein Verhältnis zu Pseudoeucherius de loois
sanctis, seine Sprache, Augsb. 1895, p. 18) war des Glaubens, dass unsere Beschreibung
nicht von dem Bischof Eucherius von Lvon (t um 450; vgl. über denselben Bardenhewer,
Patrologie, Freib. i. Br.' 1901, p. 456) herrtJLhre, sondern von einem Fälscher des 8. Jahr-
hunderts; allein Furrer hat in der Besprechung der genannten Schrift (Theol. Litteratur-
Eeiiung 1896 Sp. 473) gezeigt, dass einige topographische Angaben nur aus der Zeit des
Eucherius verständlich sind; auch P. Geyer, Ausg. p. XVIII gab seine Ansicht auf. Die
massgebende Ueberlieferung beruht auf dem Escorialensis R. n, 18 s. Vlll und dem Pari-
Binus 13348 s. Vlll. — Editio princeps von Labbö, Nova bibliotiieca manuscriptorum libro-
nun 1 (Paris 1657) p. 665. Spätere Ausg. von Tobler, Palaestinae descriptiones, St. Gallen
1869, p. 27; von Tobler und Molinier, Itinera p. 51; von P. Geyer p. 125.
3. Theodosius de situ terrae sanctae. Diese Schrift ist um die Mitte des
6. Jahrh. entstanden. Der Verfasser kennt die Bauten des Anastasius, aber nicht die des
Justinian; das Schriftchen ist bereits benutzt von Gregor von Tours (t595); vgl. Tobler,
Palaestinae descriptiones p. 114; Gildemeister p. 9. Der Name des Verfassers, Theo-
dosius, ist problematisch, denn er erscheint nur im cod. Vaticanus 6018 s. IX und bei Ger-
YEsius, der in seine 1211 geschriebenen Otia Imperialia unser Büchlein aufgenommen hat.
Unter den Handschriften ragen hervor Parisinus 4808, olim Pithoeanus s. IX, Haganus 165
8. Vin einerseits und Guelferbytanus (Weissenburg 99) s. VHI/IX andererseits. — Ausg.
von Tobler, St. Gallen 1865 unter dem Titel: Theodorici libellus de locis sanctis; von
demselben, Palaestinae descriptiones p. 31 unter dem Titel: Theodori liber de situ Terrae
Sanctae; von Tobler und Molinier, Itinera p. 353 unter dem Titel: Theodosius de locis
sanctis. Erste kritische Ausg. von Gildemeister, Theodosius de situ Terrae Sanctae im
echten Text und der Breviarius de Hierosolyma vervollständigt, Bonn 1882; es folgten
Theodosius de situ terrae sanctae ed. Pomialowsky, Petersb. 1891 (vgl. Litterar. Gentralbl.
1892 8p. 928) und P, Geyer p. 137.
366 ^^^ Autoren yon Wallfahrtsberiohten and Besohreiber da« hL Landes« (S 963.)
4. Breviarias de Hierosolyma. Der Titel des ins 6. Jahrh. (vgl. GildemeisUt
p. 13) fallenden Aufsatzes ist nicht urkundlich; denn im Ambrosianus M 79 sup. s. H;1I1
lautet er: Incipit breviarius, quomodo hierosolima constructa est, im Sangalienais 7d2 s. H:
De doctrina qtwd est in sancta Hiemsalem. in letzterem Codex erscheint die Besdmi.
bung in einer kürzeren Recension; Gildemeister hat die Recensionen des SangaUeuii
und des Ambrosianus miteinander contaminiert. — Ausg. von Tobler und Mölln ier, Itinm
p. 57; von Gildemeister 1. c; von P. Geyer p. 153.
5. Antonini Piacentini Itinerarium. Dies Itinerarium trägt f&lschlidi da
Namen des Antoninus, der, wie Tobler meint, wegen der Mtthsale, die er anf der Beiie
erduldet, Martyr genannt wird (vgl. jedoch Gildemeister p. XVIII); denn es rührt f<n
einem seiner Begleiter her, wie aus den Eingangsworten erhellt: praecedente heato AnUmm
martyre, ex eo quod a civitate Piacentina egressus sunt, in quibus locis sum peregrinatm,
id est sancta loca. Die Schrift ist ums Jabr 570 verfasst; vgl. Tobler in seiner Ausg.
vom Jahre 1863; Tuch p. 3. An der Echtheit zweifelt Ebers, Durch Gosen zum Sinai,
Leipz. 1872, p. 559. Führer in der Recension sind der Sangallensis 133 s. IX, der Tori-
censis, olim Renaugiensis s. IX/X. Von der zweiten Familie ist der beste Codex der Bmxd-
lensis s. IX/X, dem sich anschliessen der Monacensis 19149 s. X und der Bemensis 582
s. X. — Editio princeps: Itinerarium B. Antonini Martyris, e Musaeo Cl. Menardi, cum
notationibus aliquot vocum obscurarum. Juliomagi Andium 1640; es folgt die Ausg. in den
Acta Sanctorum, Tom. 2 Maii (1680) p. XL Weiterhin findet sich die Schrift bei Migne 72
Sp. 899; bei Tobler, St. (lallen 1863; bei Tobler und Molinier, Itinera p. 91. Ma»
gebende Ausg. sind die von Gildemeister, Antonini Placentini Itinerarium im unentateUten
Text mit deutscher Uebersetzung, Berl. 1889; P. Geyer p. 159. — Tuch, Antoninus martyr,
seine Zeit und seine Pilgerfahrt nach dem Morgenlande, Leipz. 1864; P. Geyer, Kritische
und sprachl. Erläuterungen zu Antonini Placentini Itinerarium, Erlanger Diss. 1892; Grisar.
Zur Palastinareise des sog. Antoninus Martyr (Zeitschr. für kathol. Theol. 26 (1902) p. 760).
6. Adamnani de locis sanctis libri tres. Praef.: ArctUfus sanctus episcopm
gente Gallus diver sorum longe remotorum peritus locorum verax index et satis idoneus m
Hierosolymitana civitate per menses novem hospitatits et loca sancta cotidianis visüatumOnu
peragrans mifii Adamnano haec unirersa, quae infra craxanda sunt, experimenta (Er-
fahrungen auf Grund von Autopsie) düigentius perciinctanti et primo in t^ibulis describenti
fideli et indubitäbili narratione dictavit, quae nunc in niembranis brevi textu scribuntur.
Andere Stellen über das Verhältnis des Arculfus zu Adamnan vgl. Geyer 1 p. 11. Adamnan.
Abt von Hy oder Jona, starb im Jahre 704. lieber andere verarbeitete Quellen vgl. Geyer
1 p. 12. Ueber den Stil vgl. denselben 1. c. p. 39; über die Abfassungszeit p. 5. Zur Re-
konstruktion sind von Geyer herangezogen: Parisinus 13048 s. IX, Vindobonensis 458 s. X,
Turicinus 73 s. X, Bnixellcnsis 2921/22 s. IX. — Editio princeps von J. Gretser, Adam-
nani Scotohiberni de situ terrae sanetae, Ingolstadt 1619 (opera omnia 4 (Regensb. 1734)
p. 289). Es folgte Mabillon, Acta sanctorum ordinis s. Benedict! s. 3 pars 2 (1672) p. 499:
abgedr. bei Migne 88 Sp. 779; Delpit, Essai sur les anciens p^l6rinages a Jerusalem,
Paris 1870, p. 305; Tobler und Molinier, Itinera p. 141. Massgebende Ausg. von P. Geyer,
Corpus Vindob. p. 221. — P. Geyer, Adamnanus, Abt von Jona. I: Sein Leben, seine
Quellen, sein Verhältnis zu Pseudoeucherius de locis sanctis, seine Sprache, Augsb. 1895;
II: Die handschriftl. Ueberlieferung der Schrift De I.e., Erlangen 1897.
7. Baedae liber de locis sanctis. Diese Schrift, die dem 8. Jahrh. angehört
ist eine Compilation, wie auch die Eingangsverse besagen, und zwar aus Adamnanus, Eu-
cherius und Hegesippus. Für den Text wurden von Geyer verwertet: cod. Monacensis
6389 s. IX, Parisinus 2321 s. X, Vindobonensis 580 s. XI, Ambrosianus M 79 sup. s. XI/XII. —
Ausg. von Tobler und Molinier, Itinera p. 213; P. Geyer p. 301.
Mit den genannten Stücken werden noch in den Ausgaben verbunden: 1. Die Reise
der Paula ins hl. Land (um 404), die Ilieronymus in einer epistola ad Eustochium vir-
ginem erzählt (1 Sp. 687- 699 Vall.); abgedruckt auch bei Tobler, St. Gallen 1869. p. 10;
Tobler und Molinier, Itinera p. 29. 2. Paulae et Eustocbii epistola ad Mar-
cellam de locis sanctis (38()). Aus diesem Brief ist ausgehoben bei Tobler und Moli-
nier (Itinera p. 43) Vallarsi 1 Sp. 2( 4 bis Schluss. 3. Descriptio parochiae Jeru-
salem (ca. 460) bei Tobler und Molinier, Itinera p. 323. 4. Virgilius. Itinera
Hierosolymitana beiPitra, Analecta sacra et clossica, Paris 1888, p. 118. Am Schluss
heisst es: Virgilius vioricns dictavit. Hier finden wir Oertlichkeiten des hl. Landes mit
Angabe der Entfernungen. Vgl. Kohl er, L. Ps.-Pelerin Virgile (Revue biblique 1901 p. 93).
Sammlungen von Schriften über das hl. Land. T. Tobler, Palaestinae de-
scriptiones ex saeculo IV., V. et VI., St. Gallen 1869; Itinera et descriptiones terrae sanetae
lingua latina saec. IV— XI exarata 1 (Genf 1877); T. Tobler und A. Molinier, Itinera
Hierosolymitana et descriptiones terrae sanetae 1, 2, Genf 1880; P. Geyer. Itinera Hiero-
solymitana saeculi IUI— VIII (Corpus Script, eccles. lat. 39, Wien 1898).
Der Bischof Nioeta yon BemMiana. (§ 964.) 36
14. Der Bischof Niceta von Remesiana.
964. Nicetas Anweisungen für Taufkandidaten. Es gibt Persön-
iclikeiteD der Litteraturgeschichte, welche erst allmählich festere Umrisse
urbalten; eine solche ist der Bischof Niceta von Remesiana. Es war Zeit
ind Mühe notwendig, um diesem Manne seine Stellung in der christlichen
Ldtteratur anzuweisen, und es dürfte nicht ohne Interesse sein, den Stufen-
gang der Untersuchungen näher zu verfolgen. Gennadius hat unter seinen
Schriftstellern auch einen gewissen Niceas, den er Bischof der civitas
Romatiana nennt, und verzeichnet von ihm zwei Schriften. In der einen
gab der Verfasser sechs Instruktionen für Taufkandidaten, die aber zu
einer Einheit zusammengefasst waren, so dass das Werk aus sechs Büchern
bestand. Das erste Buch handelte über die Lebensweise, die dem Taufakt
vorauszugehen hatte, wohl besonders über die dnotaytj zov diaßolov;^)
daran schloss sich im zweiten Buch die Darlegung der heidnischen Irr-
tümer, welchen die Taufkandidaten ebenfalls gänzlich entsagen sollten.
Das dritte Buch schritt dann zur Erörterung des christlichen Grund-
dogroas, der Trinität; im vierten Buch wandte sich der Autor gegen
den astrologischen Aberglauben, gegen die Nativitätsstellerei ; das fünfte
gab das Glaubensbekenntnis, das Symbol; im sechsten Buch endlich wurde
über das Abendmahl Belehrung erteilt. Das zweite Werk war ein Mahn-
schreiben an eine gefallene Jungfrau. Da der von Gennadius charakteri-
sierte Niceas sonst nicht näher bekannt war, blieb seine Gestalt in Dunkel
gehüllt. Licht fiel auf dieselbe, als im Jahre 1799 eine explanatio symboli
entdeckt wurde, die in der Handschrift den Namen des Nicetas, Bischofs
von Aquileia, trug. Da auch Niceas in einem der sechs Bücher das Symbol
behandelt hatte, lag es nahe, in dem unbekannten Niceas den bekannten
Nicetas von Aquileia zu erblicken und daher statt Niceas zu schreiben
Nicetas. Eine Bestätigung fand diese Conjektur in Fragmenten, die 1802
publiziert wurden und die augenscheinlich aus den Instructiones für die
Taufkandidaten stammten; auch hier erschien die Namensform Nicetas.
Ein neuer Schritt zur Aufhellung des Nicetas und seines Werks erfolgte
im Jahre 1827; es wurden drei Abhandlungen eines Bischofs Nicetas ent-
deckt: de ratione fidei, de Spiritus sancti potentia, de diversis appella-
tionibus domino nostro Jesu Christo convenientibus, von denen die zwei
ersten ursprünglich ein Ganzes bildeten und dem dritten Buch der In-
structiones entsprachen. Man wusste also, dass der Verfasser der von
Gennadius erwähnten Instructiones Nicetas hiess, und konnte diesem Werke
vorhandene Traktate und Fragmente zuweisen. Jetzt war die Frage noch
zu lösen, ob der Nicetas der Instructiones wirklich mit dem Bischof von
Aquileia, Nicetas (454 — 485), identisch sei; auf Grund sorgfältiger Er-
wägungen musste die Frage verneint werden. Man hatte sonach neben
dem Bischof von Aquileia, Nicetas, einen zweiten Nicetas zu suchen ; auch
dieses Bemühen war, wie wir gleich sehen werden, nicht vergeblich.
Zeugnis über die Schriftstellerei des Niceta. Gennadius de vir. ill. 22 Niceas
(Vaticanus: Niceta), Eomatianae civitatis episcapiis, conposuit simplici et nitida sermone sex
canpetentibus ad baptismum instructionis Hhellos; in quibus primus continet, qualiter se
^) Hampel p. 327.
368 ^^' Bischof Nioeta yon RMnMiiaiuu (§ 964.)
debeant agere canpetentes, qui ad baptismi gratiam cupiutU pervenire; seeundus *de gnig^
tatis erroribus^, in quo indicat suo paene tempore Melgidium quendam pairem famüin A
Uberalitatem et Gadarium rusticum ob fortüudinem ab ethnieis inter deos rdatos; tertUu ISkv
'defide unicae maiestatis', quartus * adver sua genethliologiam\ quintus 'de sgmbcio^, uxtut'ü
agni paschalia victima\- dedit et Äd lapsam virginem lAellum, omnibus labeniibus emtih
dationis incentivum. Zur Erläuterang der Stelle vgl. Czapla, Gennadiiis als Litte^^
historiker (Kirchengeschichtl. Stud. 4. EM. 1. Heft (1898) p. 56). Einen Bischof mit Ntnci
Niceas in der civitas Romatiana kennen wir nicht. Statt Niceas ist mit dem YaticaiHi
Niceta zu lesen, das aus Nixijrrjg latinisiert wurde, wie aus natQiaQxV^ patriarcha. In dei
civitas Romatiana sucht man mit Recht Remesiana (jetzt tflrkisch Ak-(Aq-)Pa]aQka, bil-
garisch Bela-Palanka) ; vgl. Tomaschek, Zur Kunde der Hilmushalhinael (Sitznngsher. d«
Wiener Akad. der Wissensch. 99 (1892) p. 441). Was die Schriftstellerei anlang:t, so kennt
Gennadius zwei Werke des Niceta; das erste führte etwa den Titel ad baptismum mr.
petentibus inatructioneSy worauf auch der Titel des ersten Fragments hindeatet. Es liegt
kein ausreichender Grund vor, die Zusammenfassung der sechs Abhandlongen zu einea
Werke nicht dem Autor, sondern erst einem späteren zuzuweisen ; denn die sechs Traktiie
befolgen sämtlich einen einheitlichen Zweck und suchen ihn stufemnässig zu erreichen.
Explanatio svmboli B. Nicetae Aquileiensis episcopi habita ad con-
petentes. Diese explanatio wurde zuerst aus dem cod. Chisianns A. VI. 184 a. XIV toi
dem Cardinal Borgia, Padua 1799 herausgegeben. Gaspari, Kirchenhistorische Anecdotil
(Christiania 1883) p. 341 entdeckte noch fOnf Handschriften, welche sämtlich dem 12. Jab-
hundert angehören und sämtlich auf eine Handschrift zurfickgehen, sonach nnr als eis
Zeuge gezählt werden dürfen. Diese Quelle aber enthielt den Traktat nicht vollständig.
Im Gegensatz zu dem obigen aus dem Chisianus stammenden Titel bieten die österreidu-
schen Handschriften einfach die Ueberschriften expoHtio Origenis oder Orients, Maas-
gebende Ausg. von Gaspari 1. c.
De ratione fidei, de spiritus s. potentia, de diversis appellationibas
domino nostro Jesu Christo convenientibus. Diese drei Traktate wurden tod
A. Mai aus einem Vaticanus s. XV, wo sie wenigstens in der Snbscriptio einem Xicetat
epiecopus zugeteilt sind, zum erstenmal als S. episcoporum Nicetae et Paulini scripta, Rom
1827, herausgegeben ; verbessert in Scriptorum veterum nova collectio e Yaticanis codicibos
edita tom. 7, Rom 1833; abgedruckt bei Migne 52 Sp. 847. Dass de ratione fidei und de
Spiritus sancti potentia zusammengehören und einen einzigen Traktat bildeten, hat HQmpel
(p. 14) erwiesen; dessen Titel war Iiöchst wahrscheinlich de fide.
Fragments Palatina. Es sind sechs kleinere Fragmente, welche Michael Denis
aus cod. Palatinus-Vindobonensis 1370 s. X in Cod. mss. theol. biblioth. Palat. Vindob. vol. 2
pars 3 (1802) p. 2042 herausgegeben hat (Migne 52 Sp. 873). Citiert wird Nicetas in libn
primo ad Competentes,
Die Autorschaft der unter dem Namen Nicetas überlieferten Traktate
und Fragmente. Im Cliisianus ist die explanatio symboli dem Bischof Nicetas von Aqui-
leia (454-485) beigelegt; die von Mai publizierten drei Traktate weisen in der Ueber-
lieferung einfach Nicetas episcopus auf; die Fragmente lassen selbst die Standesbezeich-
nung episcopus weg. Eine kritische Betrachtung ergibt zunächst, dass die explanatio nicht
dem Bischof von Aquilcia angehören kann; sie fällt in eine frühere Zeit, in die Jahre 381
bis 408; vgl. Hümpel p. 423. Auch der Traktat de fide, der jetzt in zwei Abhandlungen
gespalten ist, fällt in dieselbe Zeit; vgl. Hümpel p. 337. Es kommt also für sie der
Bischof von Aquileia in Wegfall, und wir Iiaben einen anderen Nicetas zu suchen. Da
bietet sich uns wie von selbst der Bischof von Remesiana Niceta dar, der durch den Platz,
den ihm Gennadius gibt, in eine Zeit fällt, welche wir für die explanatio und den Traktat
de fide in Anspruch genommen haben. Es kommt aber hinzu, dass die fraglichen Schriften
sich iu das von Gennadius dem Niceta zugeschriebene Werk „Anleitung für Taufkandidateu'
einfügen lassen. Der Traktat de fide ist mit dem dritten Buch zu identifizieren, wobei zu
bemerken ist, dass der bei Gennadius stehende Titel de fide unicae maiestatis nicht der
echte ist: vgl. Hümpel p. 292. Die explanatio symboli ist ohne Zweifel mit dem fünften
Buch identisch. Auch die sechs Fragmente erhalten leicht ihren Platz in der „Anweisung*.
Fragment I, II, lil, VI sind, wie auch das Citat besagt, dem ersten Buch entnommen, IV
dem zweiten; No. V, das eine Buchbezeichnung vermissen lässt, wird in das fünfte Buch
gehören. Auch den dritten Maischen Traktat, dessen Zuteilung an Nicetas Hümpel ip. 318)
mit Unrecht bestreitet, wollte Kattenbusch, Symbol 1 p. 115 in das dritte Buch einreihen;
allein dies ist unmöglich; vgl. Hümpel p. 318 Aum. 1. Der von uns entwickelten An-
sicht stellt Kattenbusch eine andere gegenüber, deren ünwahrscheinlichkeit auf den ersten
Blick einleuchtet; er meint (Rec. Sp. 303), dass durch eine Verwechslung des Gennadius
dem Bischof von Remesiana Schriften zugeschrieben wurden, die ihm gar nicht gehörten.
Er bestreitet demnach auch konsequenterweise die Autorschaft des Bischofs von Remesiana
Der Bisehof Nioeta Ton Bemeeiana. (§ 965.) 369
llt^.^die ei^lanatio und den Traktat de fide, da er diese ebenfalls mit Bachern der «An-
iMtnig* identifiziert, und hftlt ftlr den Verfasser einen westeuropäischen, vermutlich gal-
Ndien Bischof, der um 410—420 schrieb (Sp. 298).
Litteratur. F. Eattenbusch, Beitr. zur Gesch. des altkirchl. Taufsymbols, Giessen
^^Z Das apostol. Symbol 2 Bde., Leipz. 1894, 1900; E. Hampel, Nicetas, Bischof von
Wiifwiana. Eine litterarkrit. Studie zur Gesch. des altkirchl. Taufsymbols, Erlanger Diss.
W!» = Neue Jahrb. fQr deutsche Theol. 4 (1895) p. 275 und p. 416; ygl. dazu Ratten-
tach, Theol. litteraturzeitung 1896 Sp. 297; Th. Zahn, Neue Beitr. zur Gesch. des
•ostol. Symbolums (Neue kirchl. Zeitschr. 7 (1896) p. 93); Hahn, Bibliothek der Symbole
kd Olaubensregeln der alten Kirche, Breslau* 1897, p. 47; Fr. Wiegan d. Die Stellung
>• «poatol. Symbols im kirchl. Leben des Mittelidters 1 (Stud. zur Gesch. der TheoL und
fardie 4. Bd., Heft 2 (1899) p. 108).
965. Schreiben an eine gefallene Jungfrau. Wir kommen zu der
weiten von Gennadius aufgeführten Schrift, dem libellus ad lapsam vir-
inem. Auch die Spuren dieser Schrift wurden verfolgt. Unter den Werken
es Ambrosius befindet sich ein Traktat de lapsu virginis consecratae (§ 937).
^a die Autorschaft des Ambrosius wegen des aufgeregten rhetorischen
tils sehr zweifelhaft erschien, wollte man den Traktat unserem Niceta
eilegen; allein dies ist schon aus dem Grund unmöglich, weil das dem
Lmbrosius beigelegte Schriftstück die Form der Rede aufweist, das Werk
Hcetas aber nach den Worten des Gennadius ein Brief an die gefallene
Jungfrau war. Ueberhaupt scheint jene unter dem Namen des Ambrosius
sehende Schrift gar nicht aus der kirchlichen Praxis hervorgegangen,
ondern ein deklamatorisches üebungsstück zu sein, so dass auch Am-
irosius nicht als Verfasser in Frage kommen kann. In einer Pariser Hand-
schrift hat sich noch eine andere anonyme Schrift über das gleiche Thema
kufgefunden. Bei der Lektüre derselben erkennt man sofort, dass hier
)in Produkt kirchenamtlichen Wirkens vorliegt. Der Fall ist folgender.
Bin Mädchen, das sich Christus geweiht hatte, war später anderen Sinnes
geworden und in den Stand der Ehe getreten. Dass daran die kirchliche
Behörde grossen Anstand nehmen musste, lag auf der Hand. Da aber
vollends die Jungfrau sich an die weltlichen Behörden wandte, um die
vorhandenen Schwierigkeiten zu beseitigen, griff der Bischof, vor dem die
fungfrau sich dem Dienste Gottes geweiht hatte, in die Angelegenheit ein.
Sr führte aus, dass schon in der Thatsache, dass das Mädchen für nötig
inde, wegen ihrer Verbindung Schritte zu thun, eine Anerkenntnis der
Schuld liege und dass die Nachsicht der weltlichen Behörde nicht auch
lie Nachsicht Gottes und der Kirche nach sich ziehe, und mahnte daher
:ur Umkehr und zur Busse. Das Schreiben ist durchaus sachlich und
iihig gehalten und weiss den Gegenstand höchst wirksam zu vertreten.
)a nun die zweite Schrift des Gennadius die Form des Briefes hat, auch
inser Traktat in dieser Form erscheint und die Zeitverhältnisse auf Niceta
nassen, besteht die Möglichkeit, dass wir in dem anonymen Traktat den
ibellus ad lapsam virginem haben; aber mehr als die Möglichkeit lässt
ich 80, wie die Sachen jetzt stehen, nicht behaupten.
Gegenstand des Briefes. P. 199Z, 19 Morin ßanctum illud et inviolahile atque
^erpetuum et apirUale coniugium sacriUgo rupisti divartio. Z. 40 quod a persona regali,
t audivi, talium nuptiarum veniam supplieando inpetrare tibi visa es, non te securam ad
udieium Dei faciat. p. 200 Z. 67 quae est ergo inpensae supplicationis tUilitas, cum indul-
etUiae autor extinctus sit? sed iterum suppUcabis, ut et augustis principibus qualitatem
oniunetionis tuae supplieando fatearis: qui tanto magis hör rebunt talem precum tuarum
ausam, si in precibus mentita non fueris, quanto studiosius et verius christiani sunt.
Bmoälmeh der Uaw. Alterfcnas^TineoMhaft. vm. 4. 24
370 ^®' Bischof Viceta toh Bemesiana. (§ 966.)
Z. 77 ergo et si Uerata supplicatione benefieium inpunUatis aeceperis, non U ita decipiai
securitM temporaliSj ut perpetttatn tibi negUgas pravidere.
Die Autorschaft Nicetas ist von Morin aufgestellt worden; doch drfickt er skk
sehr behutsam aus (p. 198): «C'est simplement une id^e que je me pennets de sagg^rer,
persuad^ qu'elle ne manque pas d*une certaine probabilit^.*
üeberlieferung. Die Epistel ist Überliefert im cod. Parisinus 12097 s. VI; sie wiid
eingeführt mit den Worten: Ineipit epistula ad virginem lapaam.
Ausg. von G. Morin, L'Epistula ad yirginem lapeam de la collection de Corbie.
Opuscule in^dit de la fin du IV« siöcle (Revue B^n^ctine 14 (1897) p. 198).
966. De yigiliis servorum dei und de psalmodiae bono. Während
sich die Untersuchungen zunächst darauf richteten, ob die von Oennadios
angegebenen zwei Schriften noch ganz oder teilweise vorhanden seien,
legte man sich doch auch die Frage vor, ob der Nicetas des Oennadios
nicht auch anderswo vorkomme. Die in dieser Hinsicht angestellten Unter-
suchungen waren von Erfolg gekrönt. Bei Paulinus von Nola kommt
ebenfalls ein Nicetes oder Niceta vor; er war Bischof von Dacia und
zwar von Dacia mediterranea, wo Remesiana lag. Auch die Zeit, in die
der Nicetas des Gennadius und der Nicetas des Paulinus zu setzen sind,
ist die nämliche. Der Nicetas des Gennadius ist ein gelehrter Mano,
auch der Nicetas des Paulinus wird vir doctissimus genannt; also ist die
Identität beider Persönlichkeiten kaum in Zweifel zu ziehen. Durch diese
Identifizierung wird uns aber Niceta noch von einer neuen Seite bekannt.
Paulinus stellt ziemlich deutlich Niceta als Hymnendichter hin; sind auch
von dieser Thätigkeit noch Spuren vorhanden ? Ja, eine umsichtige Unter-
suchung hat ergeben, dass Niceta höchst wahrscheinlich der Verfasser
des 'Te deum' ist.^) Noch mehr, es sind uns zwei Traktate überliefert
de ^^gilii8 servorum dei und de psalmodiae bono; der erste rechtfertigt
das Nachtgebet, der zweite preist den Psalmengesang. Auf Grund einer
minderwertigen Handschrift wurden diese beiden Traktate dem Bischof
Nicetius von Trier (f um 566) zugeteilt; allein mehrere alte Handschriften
geben die beiden Schriften unter dem Namen des Niceta. Wenn Niceta
Hymnendichter war, so passt eine Schriftstellerei, wie sie in den beiden
Traktaten vorliegt, für ihn ganz ausgezeichnet.
Niceta und Paulinus. Mit Niceta beschäftigen sich die Gedichte 17 und 27 des
Paulinus. No. 17 ist ein Propempticon für den in seine Heimat zurückkehrenden Bischof;
vgl. § 879; in No. 27 spricht Paulinus seine Freude darüber aus, dass Niceta zu dem Feste
des hl. Felix erscheinen werde; vgl. § 881 p. 244. Epist. 29, 14 (p. 261 H.) heisst es: venera-
hili episcopo atque doctissimo Nicetae, qui ex Dacia Romanis merito admirandus advenerat.
Bezüglich der Namensform ist zu bemerken, dass die Nominativform Niceta carm. 17, 149
bezeugt ist, der Accusativ Nicetam 27, 151; 168; 190; 315 und der Ablativ Niceta 27,266
vorkommt. Daneben erscheinen im Nominativ auch die Formen Nicetes und im Accvaatir
Niceiem oder Niceten. Den Wirkungsort Nicetas charakterisiert Paulinus, indem er die
Völker anführt, die zu ihm eilen, um das Evangelium zu hören: carm. 17, 249 et Getae
currunt et uterqne Dacus, \ qui coUt terrae tnedio vel ille \ diviiis multo hove piüecUus
accola ripae. Wenn man weiter die Stelle 17, 195 ins Auge fasst (ibis et Scupos patriae
propinquos \ Dardanus hospes), so wird man den Wirkungskreis Nicetas in Dacia medi-
terranea zu suchen haben; in dieser Provinz liegt aber Remesiana, und dass diese Stadt
in der civitas Romatiana des Gennadius steckt, ist wohl sicher. Aus der Stellung, welche
dem Bischof der civitas Romatiana von Gennadius angewiesen ist, erhellt, dass derselbe
in der gleichen Zeit lebte, wie der Bischof des Paulinus; vgl. Hümpel p. 444.
Niceta als Hymnendichter. Paulinus lässt die den Niceta begleitenden
Scharen unter dessen Leitung Hymnen singen; er spricht (c. 17, 90) von choris Ulis, qui
deum Christum duce te (Niceta) canentes sidera pulsant, 17, 98 cum canis ac precaris.
M Vgl. § 863 p. 211.
Tyraimias Bnfiniui und andere üebenetser. (§ 067.) 371
i7, 109 navUae laeti solitum celeutna \ coneinent versis tnodulis in hymnoa .... praeeinH
wutU tuha ceu resuUans \ lingua Nieetae modulata Chrittum, \ paaüet aeternus citharista
9to I aequore David, 17, 262 harhari discunt resonare Christum. (Hieronym. epist. 60, 4 ad
leUodor. (22 Sp. 592 Migne) Btnarum feritas et peüUorum turba populorum, qui martuo-
'um quondam inferüs hamines immolabant, atridorem suum in dulee erucis fregeruwt meloa,
i Mius mundi una vox Christus est.) Auch im 27. Gedicht wird des Hvinnengesangs des
ficeta gedacht Panlinns fühlt sich in seinem Lied gehoben durch Nicetas Gegenwart
Ys. 315): sentio Nieetam, dum proximus adsidet et me \ tangit et adiuncto lateri vicinue
mhelat. Vs. 500 ingredere haec paälmis reeinens, antistee, et hymnia \ et mea vota refer
hmino et tun gaudia votis \ iunge meiSj celehrans communis festa patroni. Ueber den
drchlichen Hymnengesang sei noch Folgendes bemerkt. Von Antiochien aus hat sich der
^nlmengesang in die chnstlichen Gemeinden verbreitet (Sokrates bist. eccl. 6, 8; Theodoret
liai. eccl. 2, 24); aber diese weite Verbreitung vgl. auch BasiUus epist 207, 2—4 (82 Sp. 762
Eigne). Die Neuerung wurde zum Teil von den Geistlichen bekämpft, welche nicht den
feaang der Gemeinde, sondern den eines geschulten Chors verlangten; auch gegen die
^«etzung der Psalmen durch Liederdichtungen stellte sich begreiflicherweise ein Wider-
treben ein. Doch wurde der Psalmen- und Hymnengesang der Gemeinde von Ambrosius
ingefUhrt (vgl. § 862) und verbreitete sich von da fiber die westlichen Lftnder; vgl. Zahn,
eae kirchl. Zeitschr. 7 (1896) p. 111. Ob Niceta auf das Abendland eingewirkt hat, lässt
ch nicht sicher ermitteln. Für seine Autorschaft des Te deum* spricht die Ueberlieferung
Iter Handschriften, welche als Verfasser Niceta oder Nicotins darbieten, manchmal mit
Bm Zusatz episcopus. Man hat darnach dem Bischof Nicotins von Trier (527—566) das
[*e denm' zugeteilt. Da aber in einem sicher vor 542 geschriebenen Brief des Bischöfe
yprian von Toulon (Monum. Germ. Epist tom. 3 p. 486) der Hymnus als ein auf der ganzen
irde bekannter hingestellt wird, muss er spfttestens im 5. Jiüirhundert entstanden sein;
amit fällt Nicotins von Trier, und es stellt sich, wie von selbst, der hymnenkundige
ficeta ein. Ueber die Composition vgl. Zahn p. 119.
Die beiden Traktate. Ueber die Zusammengehörigkeit der beiden Traktate vgL
en Eingang von de psalmodiae bono (p. 390 Morin) qui promissum reddit, debitum solüt.
Wetnini me poUieitum cum de gratia et utüitate vigüiarum dixiasem, sequenti aermone in
\ff9Hnarum laude et misterio eaae dicturum, quod nunc hie aermo deo donante praestabit.
Me Zuteilung der beiden Schriften an Nicotins erfolgte auf Grund des Parisinus 13089, in-
lees mehrere ziemlich alte Handschriften Überliefern die beiden Traktate unter dem Namen
tines Bischofs Niceta. Der zweite Traktat wurde erst im 17. Jahrhundert bekannt und
ron d*Achery (Spicil. Nov. edit. tom. 1 p. 221) und anderen veröffentlicht; der erste lief
ange voiber unter den Werken des Hieronymus um. Beide Traktate existieren in zwei
rassnngen, einer ursprünglichen und einer umredigierten, besonders gekflrzten. Der ursprüng-
iche Text von de vigiliis ist in der unter dem Namen des Hieronymus umlaufenden Gestalt
rofiianden. Der ursprüngliche Text von de psalmodiae bono liegt vor im Vaticanus 5729
I. XI/XU und ist von Morin (Revue B^n^dictine 14 (1897) p. 890) veröffentlicht Wichtig
st die Erwähnung einer apokryphen Schrift (Z. 59 p. 892 M.).
15. Tyrannius Rufinus und andere üebersetzer.
967. Bufins Leben. Tyrannius Rufinus stammte aus Concordia bei
äiquileia. Seine Studien machte er, wie Hieronymus, in Rom, und beide
müssen sieh schon damals näher getreten sein. Nach Beendigung der
Schulzeit finden wir ihn in einem Kloster zu Aquileia, wo er die Taufe
empfing. Da auch Hieronymus Aquileia aufsuchte, verstärkten sich die
Beziehungen zwischen beiden Freunden. Bald aber griff eine vornehme
rdniische Frau in das Leben des Rufinus ein, nändich Melania, so dass
von nun an die Schicksale beider miteinander verflochten erscheinen. Im
Jahre 371 trat Melania mit Rufinus eine Reise in das Morgenland an;
die Reisenden nahmen zunächst Aufenthalt in Aegypten, jedenfalls um
das dort blühende Mönchsleben kennen zu lernen. Rufinus erweiterte noch
im besonderen seine theologische Ausbildung, indem er sich an den hoch-
berühmten Lehrer Didymus den Blinden anschloss. Im Jahre 373 be-
gab sich Melania nach Jerusalem, Rufinus blieb noch in Aegypten zurück
und folgte erst gegen 378 seiner Gönnerin. Wie Melania, so gründete
24*
372 TyranniuB Baflniui und andere üebenetser. (§ 967.)
auch Rufinus eine klösterliche Niederlassung auf dem Oelberg. Seit 38(
weilte auch der Jugendfreund Rufins, Hieronymus, in klösterlicher Ab-
geschiedenheit zu Bethlehem ; zwischen beiden geistesverwandten Männm
konnte daher wieder ein regerer Verkehr stattfinden. Da wurde durch
einen gewissen Äterbius in Sachen des Origenes ein Handel angefacht,
der Hieronymus und Rufinus zur bittersten Feindschaft führen sollte. Et
war genugsam bekannt, dass die beiden Einsiedler sich zu Origenes mannig-
fach hingezogen fühlten. Da aber gegen die Orthodoxie des grossei
Kirchenlehrers sich schwere Bedenken erhoben, verlangte Äterbius in an-
massender Weise von ihnen die Ablegung eines Glaubensbekenntnisses;
Hieronymus gab ein solches ab, während Rufinus sich dieser Anmassusg
gegenüber ablehnend verhielt. War schon durch diesen Vorfall eine Enir
fremdung zwischen den alten Bekannten eingetreten, so artete diese ii
offene Feindschaft aus, als der Bischof Epiphanius von Salamis auf Gypero
gegen 394 in Jerusalem erschien und einen Feldzug gegen den dortigen
Bischof Johannes wegen seiner Hinneigung zu Origenes eröfifhete. Rufinus
stand auf Seiten seines Bischofs, der ihn zum Priester ordiniert hatte ;i)
Hieronymus dagegen schwenkte zu Epiphanius ab. Es verlohnt sich nicht,
die einzelnen Details des Kampfes, der auch zur Verletzung der bischöf-
lichen Amtsgewalt des Johannes führte,') darzulegen. Er endete noch-
mals mit einer Aussöhnung des Hieronymus und des Rufinus, die aber
nicht lange währen sollte. Melania hatte sich um 397 entschlossen, nadi
etwa 25 jähriger Abwesenheit in die Heimat zurückzukehren; ihr gesellte
sich Rufinus als Begleiter hinzu. Rufinus lebte seinen Studien in Aquileia,
sich besonders der üebersetzung griechischer Kirchenväter zuwendend.
In dem orthodoxen römischen Kreise entstand eine grosse Aufregung, als
Rufinus das dogmatische Hauptwerk des Origenes „üeber die Prinzipien*
übersetzt und dabei alle heterodoxen Ansichten seines Originals verbessert
hatte; man konnte in diesem Verfahren Rufins den Versuch erblicken,
über die dogmatischen Irrtümer des Origenes hinwegzutäuschen. Es kam
noch hinzu, dass sich Rufinus in illoyaler Weise auf Hieronymus berufen
hatte, der ebenfalls Werke des Kirchenvaters übersetzt habe. Die Sache
wurde dem Hieronymus hinterbracht, und derselbe eröfifnete den Kampf
damit, dass er das genannte Hauptwerk des Origenes ebenfalls ins La-
teinische übertrug, aber sich keine Aenderungen gestattete, so dass die
heterodoxen Ansichten des griechischen Textes allen sichtbar vorlagen.
Die römischen Freunde des Hieronymus, unter denen sich auch die kluge
Marcella befand, brachten es dahin, auch den römischen Stuhl in den Streit
hineinzuziehen; Papst Anastasius forderte Rufinus zur Rechtfertigung auf,
und dieser gab dieselbe in einem noch vorliegenden Schreiben an den Papst.
Da die Intriguen trotz dieses Schreibens nicht aufhörten, entschloss sich
Rufinus, in einer Rechtfertigungsschrift den ganzen Handel darzulegen:
es ist die auf uns gekommene, aus zwei Büchern bestehende Apologie.
^) Als Palladius den Rufinus in Jeru- ! also um 394, von Rufinus als Presbyter. Ueber
salem sah (vgl. Hist. Laus. c. 1 18; 34, 122(3 M.), | die Ordination durch Johannes vgl. Vallarsi
war dieser noch nicht Priester. Dagegen i bei Migne Sp. 98.
spricht Epiphanius in seinem Brief an Jo- I *) Vgl. Hieronym. epist. 51.
hannes (vgl. Hieronym. epist. 51, 6 ; 22, 523 M.), i
Tyrannias BnflnnB and andere üebenetser. f§ 967.) 373
!7och war dieses Werk nicht der OefFentlichkeit übergeben, sondern nur
jn einzelnen Kreisen bekannt; da wussten sich die Zwischenträger des
Hieronymus Einblick in dasselbe zu verschaffen und Auszüge daraus zu
maclien; eiligst schickten sie dieselben an Hieronymus. Auf Grund des
Dbersandten Materials schrieb Hieronymus seine Invective, die ebenfalls
HUB zwei Büchern besteht. Als Rufinus sie zu Gesicht bekam, übersandte
ein authentisches Exemplar seiner Apologie mit einem ernsten Schreiben.
onymus antwortete sofort mit einem neuen Angriff, mit dem sog.
dritten Buch seiner Invective. Diese Streitschriften wurden in den ersten
Jahren des 5. Jahrhunderts gewechselt. Alsdann verstummte der Hader,
der in manchen kirchlichen Kreisen schon genug Anstoss erregt hatte.
Alarichs Eroberungszüge veranlassten Melania, nochmals den heimischen
Boden zu verlassen; auch jetzt stellte sich Rufinus als Begleiter ein. In
Sicilien fand 410 der Gegner des Hieronymus den Tod. Die Nachricht
von dem Hingange seines Widersachers wirkte nicht versöhnend auf den
Einsiedler von Bethlehem; im Gegenteil er holte nochmals zu boshaften
Schimpfworten aus.
Biographische Zeugnisse, a) Geburtsort. Derselbe war identisch mit dem
des Paulus senez; er ist nach Hieronym. de vir. ill. 53 Concordia bei Aquileia; vgl. Hiero-
nym. epist 5, 2 (22, 336 M.). ß) Bekanntschaft mit Hieronymus in der Schul-
sei t In einem Brief an Rufinus 3, 4 (22, 333 M.) sagt Hieronymus von Bonosus, den er als
gemeinschaftlichen Freund bezeichnet: Ecce puer honestis saeeuli nohiscum artibus innti'
tut%t8\ sonach war Rufinus Mitschüler des Hieronymus und nahm auch an seinen sittlichen
Veiirrungen teil; 3, l spricht er von ilhid os, quod mecum rel erravit aliquando vel sapuit.
y) Eintritt in den Mönchsstand und Taufe. Apol. in Hieronym. 1, 4 Sp. 543 ego
ante annos fere trigitUa (etwASll) in monasterio iam posUus per gratiam Baptismi regene-
ratus »ignaculum fidei cansecutus sum per sancios viros Chromatium, Jovinum et Eusebium,
opinatissimos et probatissimos in ecclesia dei episcopos, quorum alter tunc presbyter beatae
memariae Valeriani, alter archidiaconus, alius diaconus simulque pater mihi et doctor nym-
holi ac fidei fuit; vgl. auch Commentarlus in symb. apost. 3 Sp. 339 nos illum ordinem se-
quimur, quem in Aquileiensi ecclesia lavacri gratia suscepimxis. d) Reise des Rufinus
mit Melania in den Orient. Hieronym. epist. 4, 2 (22, 336 M.) Rufinus, qui cum sancta
Melania ab Aegypto Jerasolymam venisse narratur, individua mihi germanitatis caritate
eonnexus est. Nach Vallarsi (bei Migne Sp. 86) fand die Abreise Rufins mit Melania
im Jahre 371 statt. Ueber den Aufenthalt der Melania in Aeg^ten vgl. Vallarsi 1. c.
Dass auch Rufinus damals in Aegypten sich befand, ergibt sich aus Hieronym. epist. 3.
Ueber die Reise der Melania nach Jerusalem vgl. Hieronym. z. J. 2390 = 373 (2 p. 198 Seh.)
Melania nobUissima mulierum Romanarum et Marcellini quondam consulis filia, unico prae-
tore tunc urbano filio derelieto, Hierusolymam navigavit, ubi tanto virtutum praeripueque
humüitatis miraculo fuit, ut Theclae nomen aeceperit. Dagegen blieb Rufinus 6 Jahre in
Aegypten (371 — 377); vgl. Apol. in Hieronym. 2, 12 Sp. 594 ego qui sex annis dei causa
commoratus sum (in Alezandna bei Didymus) et iterum post intervallum aliquod aliis duobus
{aliquot aliis diebus). Dass er Zuhörer des Did}'mus war, bezeugt er bist. eccl. 11, 7 Sp. 517.
üeber seinen Aufenthalt auf dem Oelberg in Jerusalem vgl. Palladins bist. Laus. c. 118;
Bnfin. ApoL in Hieronym. 2, 8 Sp. 591 festes quamplurimos fratrum habere possum, qui in
meis ceUuIis manentes in monte Oliveti quamplurimos ei (Hieronymo) Ciceronis dialogos de-
scripserunt. s) Zerwürfnis des Rufinus mit Hieronymus. Ueber die Entfachung
des Streites durch den Antiorigenisten Aterbius vgl. Hieronym. Apol. in Rufin. 3, 33 (23,
ad Theophilum (22, 736 M.). Ueber die Aussöhnung zwischen Hieronj-mus und Rufinus
vgl. Hieronym. Apol. in Rufin. 3, 33. Cj Rückkehr Rufins und der Melania nach
Rom und neuer Ausbruch des Zwistes. Ueber die Ankunft in Nola v^I. Panlin.
epist. 29, 12 (1 p. 258 Hartel). Palladius bist. Laus. c. 118 berechnet die Abwesenheit von
Italien auf 27 Jahre, Paulinus (epist. 29, 6 p. 251 H.i quinque luMtra, also 25 Jahre. Wir
kommen demnach auf 398 bezw. 396. Vallarsi (bei Sligne Sp. 112: kommt zu dem Er-
gebnis: yRufini et Melaniae reditum nee citius nee serius contingere potnisse quam A«
374 TyranniiM Boflniui und andere üebersetser. (§ 968.)
D. 897.* Ueber den Anlass des neuen ZwiBfces vgl. Zöckler, Hieroimniis p. 250. Pnef.
zur Uebersetzung des Werkes des Origenes negi dqx^*^ (abgednickt bei Hieronymne epist 80;
22, 738 M.) inter quoa (den Uebersetzem des Origenes) etiam frater et ecUega notier
(Hieronymns) ah episeapo Damaso depreeatu», cum homilicis duas de Cantico Caniieonm
in Latinum transtulisset ex Graeco, ita in illo opere ornate magnifieeque praefatus ett^
ut cuivis legendi Origenem et avidiesime perquirendi deeiderium eammoveret, Ueber den
Fortgang der Bewegung unterrichten Brief 83, den Pammachius und Oceanns an Hierooy-
mus richteten, Brief 81 des Hieronymus an Rufinus (vgl. Hieronym. Apol. in Rofin. 1, 12;
28, 406 M.) und Brief 84 des Hieronymus an Pammachius und Oceanus. Ueber das Ein-
greifen der Marcella und des Papstes Anastasius (898 — 401) vgl. epist 127, den Brief des
Anastasius bei Hieronymus 95 (22, 772 M.) und die Rechtfertigungsschrift des Bofinus an
den Papst (21, 628 M.), wozu noch zu vgl. der Brief des Anastasius an Johannes, Bischof
von Jerusalem (21, 627 M.). Die Hauptquelle ftlr die Erkenntnis des neuen Zwistes bilden
die Invectiven beider Gegner (ygl. §§ 969, 992). tj) Tod des Rufinus. Ueber das Todes-
jahr 410 vgl. Vallarsi bei Migne Sp. 291. In boshafter Weise snielt Hieronymus anf
den Tod in Sicilien an in seinem Commentar zum Ezechiel (25, 16 M.) Scorpiusque inter
Enceladum et Porphyrionem Trinacriae humo pretnitur et Hydra muUarum capitum c&ntn
no8 aliquando eibilare cesaavit. Auf die Eroberung Roms durch Alarich, die bekanntlicb
410 statthatte, wird in der Einleitung des Commentars hingedeutet.
Allgemeine Litteratur fiber Rufinus. Fontanini, Historiae literariae Aqoi-
leiensis 1. V, Rom 1742; De Rubeis, Monuments ecclesiae Aquileiensis, Strassb. 1740;
Ceillier, Hist. g^nörale 10 (Paris 1742) p. 1; Tillemont, M^moires etc. 12 p. 82. Vtl-
larsi hat in seiner Ausg. eine gründliche, aber weitschweifige und ermddende Vita ge-
geben. Marzuttini, De Turanii Rufini presb. Aquil. fide et religione, Padua 18^;
Pötursson, Symbolae ad fidem et studia Tyranni Rufini presbyteri Aquil. illustranda e
scriptis ipsius petitae, Kopenhagen 1840; Ebert, Allgem. Gesch. der Litt, des Mittelalten 1*
(Leipz. 1889) p. 822. Ueber die Sprache des Rufinus vgl. K. Paucker, De latinitate Hiero-
nymi, Berl. 1880, p. 154.
968. Bufins üebersetzungen. Rufins Bedeutung fQr die römische
Litteratur liegt in seinen üebersetzungen griechischer Autoren. Die
Kenntnis der griechischen Sprache war im Laufe der Zeit im Abendland
immer mehr zurückgetreten, und es musste daher die Uebersetzung ein-
treten, um die griechische Litteratur der gebildeten abendländischen Mensch-
heit zugänglich zu machen. Rufinus erkannte dies Bedürfnis und war be-
strebt, dasselbe in ausgedehnter Weise zu befriedigen. In seinen Üeber-
setzungen nahm er sich ein grosses Mass von Freiheit; eine genaue Wieder-
gabe des Originals strebte er keineswegs an. Ja er ging noch weiter
und scheute sich nicht, Zusätze zum Original zu machen und selbst Aen-
derungen vorzunehmen, so oft es ihm notwendig erschien; besonders die
Rücksicht auf die orthodoxe Lehre verleitete ihn zu manchen Korrek-
turen. So kommt es, dass, wenn neben dem lateinischen Text auch noch
der griechische vorhanden ist, die Uebersetzung uns zur Gestaltung des
Textes nicht viel hilft. Allein nicht selten ist das griechische Original
verloren gegangen, so dass wir lediglich auf die Uebersetzung angewiesen
sind. Die kritische Bearbeitung dieser Uebertragungen liegt noch sehr
im argen; wir geben im Anschluss an Gennadius eine Uebersicht der-
selben. Vor allem richtete Rufinus seine Blicke auf die berühmten Kirchen-
lehrer des Ostens, Basilius den Grossen und Gregor von Nazianz.
Beider rednerischer Ruhm war so gross, dass Rufinus es für angezeigt hielt,
eine Auswahl ihrer Reden dem lateinischen Publikum im heimischen Idiom
vorzulegen. Auch die beiden Mönchsregeln des Basilius verdienten eine
Verbreitung im Abendlande; Rufinus bot sie in umgearbeiteter Form, in-
dem er einen Katechismus aus ihnen machte. Am meisten fühlte sich
aber Rufinus zu Origenes hingezogen. Ausser Homilien und Commen-
Tyranniiui Bnfiniui und andere üebersetser. (§ 968.) 375
taren zu den hl. Schriften übertrug er das dogmatische Hauptwerk des
Origenes ,üeber die Prinzipien'' ; diese üebersetzung, in der er besonders
willkürh'ch in das Original eingriff, brachte ihn bekanntlich in Konflikt
mit Hieronymus, der ebenfalls das Werk übersetzte, um dasselbe in seiner
echten Gestalt den römischen Lesern vorzuführen. Mit seiner Verehrung
des Origenes steht auch in Zusammenhang die Uebertragung einer Apo-
logie des griechischen Kirchenlehrers, die Eusebius gemeinschaftlich mit
Pamphilus in fünf Büchern verfasste und nach dem Tode seines Mit-
arbeiters durch ein sechstes ergänzte. Dieser Uebersetzung hatte er zu-
gleich eine Abhandlung .lieber die Fälschung der Bücher des Origenes '^
(de adulteratione librorum Origenis) beigegeben, in der er zeigen wollte,
dass vieles AnstOssige bei Origenes auf Rechnung späterer Interpolationen
SU setzen sei. Zur Uebersetzung der Kirchengeschichte des Eusebius
kam er durch Chromatius, Bischof von Aquileia. Es war damals eine
trübe Zeit über das römische Reich hereingebrochen; Alarich war in Ita-
lien eingedrungen, und die Not war an allen Enden gross. Da meinte
der Bischof, das gegenwärtige Leid vergesse man leichter, wenn man sich
in die Vergangenheit versenke; er drang daher in Rufinus, die Kirchen-
geschichte des Eusebius lateinisch zu bearbeiten. Das Werk des Eusebius
bestand aus 10 Büchern und reichte bis zum Jahre 324. Diese kürzte
Rufinus in der Weise, dass er das 9. und 10. zu einem Buch verband; auch
sonst erlaubte er sich Verkürzungen, indem er z. B. Urkunden wegliess,
aber auch Erweiterungen nahm er vor, besonders wenn es sich um Ver-
herrlichung der Askese handelte. Seiner Uebertragung fügte der Ueber-
setzer zwei eigene Bücher hinzu, in der die Zeit von 324 bis zum Tod
des Theodosius (395) behandelt war. Die Arbeit Rufins erfreute sich im
Mittelalter des höchsten Ansehens. Auch den ersten christlichen Roman,
die Recognitiones des Clemens von Rom, übertrug Rufinus in das hei-
mische Idiom. Ueber seine Arbeit spricht er sich in der Zuschrift an
Gaudentius, Bischof von Brescia, aus. Die Stelle ist nicht ohne Wichtig-
keit für die Geschichte des Romans. Die Freiheit des Bearbeiters trat
auch in diesem Werk hervor. In dem Roman, der auf Wiedererkennen
verschwundener Familienglieder hinauslief, war das Lehrhafte stark ver-
treten. Der Uebersetzer liess aber dieses Element zurücktreten, indem
er mehr auf die Ereignisse seinen Blick richtete. Auch zwei Spruch-
sammlungen wurden von Rufinus in die lateinische Litteratur eingeführt,
die eine war ein heidnisches Werk, die Sextussprüche, die aber auch unter
dem Namen des Xystus oder Sixtus, Bischofs von Rom (257—258), umliefen.
Rufinus gab der Uebersetzung einen Anhang, in dem ein Vater seinem Sohne
religöse Lehren gibt. Dieser Anhang, den Hieronymus noch kannte, ist uns
aber nicht erhalten. Die zweite Sentenzensammlung, die des Euagrius,
der um die Wende des 4. Jahrhunderts starb, hatte einen streng religiösen
Charakter, da sie für Mönche bestimmt war. Aber mit dem Verzeichnis der
Uebertragungen, das Gennadius uns gibt, ist die Uebersetzungsthätigkeit
Rufins nicht abgeschlossen. Wir stossen noch auf andere Verdolmetschungen;
so wurde vor nicht langer Zeit Rufins Uebertragung der Dialoge über
den rechten Glauben an Gott, in denen Adamantius als Wortführer
376 Tyrmimiiui Bnflniui und andere üebersetser. (§ 968.)
auftritt und die mit unrecht dem Origenes beigelegt wurden, ans Licht
gezogen.
Zu den üebersetzungen haben wir auch die Geschichte der ägyp-
tischen Mönche zu rechnen. Dass dieselbe von Rufinus herstammt, kaim
durch unzweideutige Zeugnisse erhärtet werden; denn in der MOncbs-
geschicht^ verweist Rufinus auf seine Kirchengeschichte, wie er anderer*
seits in der Kirchengeschichte seine Absicht kundgibt, die ägyptischen
Mönche zu schildern; auch kennt Hieronymus die Geschichte der Mönche
als ein Werk Rufins. Lange Zeit war das Urteil unsicher, ob wir hi»
eine Uebersetzung oder eine originale Leistung vor uns haben. Jetzt
da der griechische Text vorliegt, kann es auch nicht dem mindesten
Zweifel unterworfen sein, dass das Werk Rufins eine Bearbeitung ist
Merkwürdig ist die Composition des Buchs ;^) der Autor wählt nämlich
für seine Darstellung die Form des Reiseromans. Eine Gesellschaft von
sieben Personen, unter denen er sich selbst befand, machte im Jahre 394
eine Reise durch Aegypten, um das mönchische Leben an seinen ver-
schiedenen Stätten kennen zu lernen. Allein der Verfasser vermag die
künstlerische Form nicht durchzuführen; dies beweist das unorgam'sche
Schlusskapitel, in dem die Reiseabenteuer der Gesellschaft zusammen-
gestellt werden. Nach einem künstlerisch gestalteten Eingang wird das
Buch mehr zu einem Katalog, dessen einzelne Nummern in ihrer Aus-
dehnung sehr verschieden sind. Das ägyptische Mönchsleben beruht auf
einer äusserst straff angespannten Askese; allein auf dieser gemeinsamen
Grundlage bauen sich doch verschiedene Lebensformen auf. Bald ist es
die Wohnung, bald die Kleidung, bald die Nahrung, welche dem Erzähler
etwas Charakteristisches darbieten. Der Autor weiss uns durch immer
neue Einzelheiten zu fesseln; besonders sind es die Wunderthaten, Pro-
phezeiungen und die Kämpfe mit den bösen Geistern, welche nicht selten
das Erstaunen des Lesers wachrufen müssen. Gewiss vertragen diese
Erzählungen nicht die Kritik,*) allein trotzdem sind sie lehrreich, weil
sie die pathologisch gesteigerte Phantasie jener Tage in beredter Weise
schildern. Das Herz des Autors ist erfüllt von Begeisterung für das
Mönchtum, und der Zweck seines Buches ist, für dasselbe Propaganda
zu machen. Die warme Hingabe des Schriftstellers an ein Lebensideal
packt auch den Leser; daher kommt es, dass Jahrhunderte hindurch die
Schiift gern gelesen wurde und selbst Luther gern nach derselben griff.')
Wer ist der Verfasser des griechischen Originals? Dasselbe lehrt uns.
dass der Autor dem von Rufinus gegründeten Kloster auf dem Oelberg
in Jerusalem angehörte und im Jahre 395, da er noch nicht Priester
war, eine Reise nach Aegypten machte, um das dortige Mönchsleben
kennen zu lernen, und dass er auf Bitten seiner Klosterbrüder seine
Reise niederschrieb. Auch Sozomenus hatte das griechische Original vor
M lieber die Composition vgl. besonders Mittelalters 1* (Leipz. 1889) p. 325 Anm. 2l
das Kapitel Der litteraiische Charakter der , bemerkt, dass auf Luthers Veranlassung und
historia monachorum bei Preu sehen p. 205. ; mit einem Vorwort von ihm eine von Schöne-
'^j Selbst der Autor sagt einmal (c. 15 ! mann nicht erwähnte Ausgabe 'in usum mini-
Sp. 435): Xonnullis audietUitim rix credibile. strorum verbi, quoad eius fieri potuit, repur-
') Ebert (Allgem. Gesch. der Litt, des gatae', Wittenberg 1544 erschien.
Tyrtonias Bnfinns und andere üebenetier. (§ 968.) 377
lieh ^) und legt es dem Bischof Timotheus von Alexandria bei. Allein dieser
^ann der Autor nicht sein, da er 385 starb, unser Buch aber Ereignisse
bringt, die über dieses Jahr hinausführen. Es wird also eine Verwechslung
mit einem andern Timotheus vorliegen, und es ist eine sehr einnehmende
Vermutung,') dass der von Sozomenus genannte Timotheus der Erzdiakon
v^on Alexandria sei, der bei Erledigung des Bischofssitzes nach dem Tode
des Theophilus als Gegenkandidat Cyrills, der Neffe des Theophilus war,
auftrat. Diese Parteistellung kennzeichnet ihn als Oegner des Theophilus
nnd des Hieronymus, und sie liegt auch unserer Geschichte der Mönche
von Aegjrpten zu Grunde. Dieses Buch, das also einer seiner Kloster-
genossen geschrieben hatte, übersetzte Rufinus. Es ist merkwürdig, dass
Rufinus nicht selbst in einer Praefatio das Verhältnis angedeutet hatte; es
scheint, dass das lateinische Werk ohne Namen des Autors und des Ueber-
satzers in die Welt - hinausging. Wenn Hieronymus im Jahre 415, also
nach dem Tode Rufins, das Buch nicht als eine üebersetzung bezeichnet,
so ist darauf nicht viel zu geben; denn ihm kommt es ja nur darauf an,
Rufinus als einen Verbreiter des Origenismus zu schelten, und als solcher
gilt ihm auch der Uebersetzer origenistischer oder, wie unsere Historie,
vom Origenismus erfüllter Schriften.
Rufinus als uebersetzer. Gennadius de vir. ill. 17 Rufinus, Äquüeiensis ecclesiae
preshyttr, non minima pars doctorum ecclesiae, et in transferendo de Graeco in Latinum
elegans ingenium habuit; denique maximam partem Graecorum hihliothecae Latinis exhibuit,
Basilii scHicet Caesariensis Cappadociae episcopi, Gregorii Nazianzeni, eloquentissimi ho-
minis, Clement is Romani 'Reeognitionum* libros, Eusehii Caesariensis Palaestinae *Eccle-
siasticam historiam\ Sixti Romani 'Sententia^, Euagrii *Sententia^, Pamphili martyris
'Adrersum mathematicos* . Horum omnium quaecumque praemissis prologis a Latinis legun-
tur, a Rufino interpretata sunt; quae autem sine prologo, ab alio translaia sunt, qui pro-
logum facere noluit; Origenis autem non omnia, quia et Hieronymus transfudit aliquanta
quae suo prologo discernuntur.
üebersetzungen von Schriften des Basilius des Grossen (t 379). Eist,
eccl. 11, 9 (Sp. 520) spricht Rufinus bei der Vergleichung des Basilius und des Gregor auch
von ihren Predigten und fährt fort: ex quibus nos denas ferme singulorum oratiunculas
transfudimus in Latinum, Basilii praeterea Instituia monachorum optantes, si poterimus
et dei favor adiuverit, eorum plura transferre. Rufinus übersetzte erstens Homilien des Basi-
lius; in der Maurinerausgabe des Basilius (Patrol. gr. 31 Sp. 1723) sind üebertragungen von
7 Homilien mitgeteilt, femer die Uebertragung der epist. S. Basilii 46 ad virginem lapsam
(Migne 1. c. 32 Sp. 369). Zweitens bearbeitete er die beiden Instituta monachorum des
BasUius in der Weise, dass er sie zu einem Katechismus gestaltete, der aus 203 Fragen
nnd Antworten bestand. Ausg. dieser Regeln zählt Schoenemann bei Migne, Patrol. Tat.
21 Sp. 35 auf. — Vgl. Bardenhewer, Patrol.» p. 248.
Üebersetzungen von Reden des Gregor von Nazianz (f 389 oder 390). Dass
Rufinus auch Reden Gregors von Nazianz übersetzte, steht nach dem in Absatz 2 ausgeschrie-
benen Zeugnis fest. Die erste Ausg. dieser übersetzten Reden erschien Strassb. 1508; vgl.
Schoenemann bei Migne, Patrol. lat. 21 Sp. 39. In der Maurinerausg. fehlt die üeber-
setzung, und bei Migne, Patrol. gr. 36 Sp. 735 steht nur die praefatio derselben. — Vgl.
Bardenhewer, Patrol.* p. 256.
Üebersetzungen von Schriften des Origenes (t 254 oder 255J. Die wich-
tigste ist die Uebertragung der dogmatischen Hauptschrift des Origenes nsgi agx^^- Ausg.
in Origenis opera ed. Lommatzsch 21 p. 8; von Redepenning, Leipz. 1836. lieber seine
Thätigkeit spricht sich Rufinus im Prolog also aus (p. 12 L.): Sicubi ergo nos in libris eius
aliquid contra id invenimus, quod ab ipso in ceteris locis pie de Trinitate fuerat definitum,
relut adulteratum hoc et alienum aut praetermisimus aut secundum eam regulam protuli-
muSj quam ab ipso frequenter invenimus affirmatam. Si qua sane velut peritis iam et
scientibus loquens, dum breviter transire vult, obscurius protulit: nos ut manifestior fieret
») Hist. eccl. 6, 29. | ») Butler p. 277.
378 Tyrannias Bnfiniu nnd andere üebersetser. (§ 968.)
locus ea, quae de ipsa re in aliis eius libris apertius legeramuB adiecimus ejepianatmi
studentes. Der griechische Text ist bis auf einige Fragmente verloren. Andere üebcr-
setzongen sind: a) 17 Homilien zur Genesis. Auf diese Uebertragnng weist Rnfimisii
seiner Uebersetzong des Commentars zum ROmerbrief mit den Worten (7 p. 459 L.): «int
in hominis sive in oraiiuneulis in Genesin et in Exodum feeimus. üeber die Umck,
warum Hieronymus in Handschriften als Autor erscheint, vgl. Harnack p. 345. — Ang.
in Origenis opera ed. L. 8 p. 105. ß) IS Homilien zu Exodus. Dass die Uebersetei
von Rufinns stammt, dafQr zeugt die unter « ausgeschriebene Stelle. — Ausg. in Origoa
opera ed. L. 9 p. 1. — Vgl. Harnack p. 347. /) 16 Homilien zu Leviticna. Ausg. ii
Origenis opera ed. L. 9 p. 172. — Vgl. Harnack p. 348. cT) 28 Homilien zn Numeri
Dieselben werden eingeleitet durch einen Prolog an Ursacius. Ueber die Zeit vg). fr
Worte (p. 9): in conspectu .... nostro harharus (Alarich), ^Mt Regina oppido miscebat w-
cendia, angustissimo a nobis freto, ubi Italiae solum Siculo dirimitur, arcebatur. — Aing.
in Origenis opera ed. L. 10 p. 9. - Vgl. Harnack p. 350. — Auch Homilien zn Deuter»*
nomium wollte Rufinus übersetzen; vgl. Prolog p. 10: tarn ex omnibus, quae in lege serifts
reperi, solae, ut puto, in Deuteronomium desunt oratiunculae, quas, si dominus iuverU ä
Sanitätern dederit oeulis, cupimus reliquo corpori soeiare. Er scheint aber nicht mek
dazu gekommen zu sein, e) 26 Homilien zu Jesu a. Auf seine Uebersetzong weist Ri-
finus im Epilog zum Commentar des Römerbriefs hin. Der üebertragang geht ein p-
zierter Brief an Chromatius voraus, der ihn zu dieser Arbeit angeregt hatte. — kwi§.
in Origenis opera ed. L. 11 p. 6. — Vgl. Harnack p. 352. C) 9 Homilien zum Richter-
buch. Auch auf diese Uebersetzung weist der schon mehrfach angezogene Epilog na
Commentar des Römerbriefs hin. — Ausg. in Origenis opera ed. L. 11 p. 217. — V|^
Harnack p. 354. 97) 5 Homilien zu Psalm 36, 2 zu Psalm 37, 2 zu Psalm 5&
Die Uebersetzung ist dem Apronianus gewidmet, wie der vorausgeschickte Prolog zeigt
— Ausg. in Origenis opera ed. L. 12 p. 151. — Vgl. Harnack p. 357. 9) Commentir
zum hohen Lied in 4 Büchern. Ausg. in Origenis opera ed. L. 14 p. 287 (8.1— 2);
15 p. 1 (B. 3—4). — Vgl. Harnack p. 359. 1) Der Commentar zum Römerbrief «Ü
eingeleitet durch einen Brief an Heraclius (7 p. VL.), der Rnfin zum Uebersetzen d«
Commentars aufgefordert hatte, und geschlossen durch eine peroratio an denselben m
p. 458 L.). In beiden Aktenstflcken spricht er in interessanter Weise über aeine üeb»
setzerthätigkeit. — Ausg. in Origenis opera ed. L. 6 p. 1 (Buch 1—5); 7 p. 1 (B. 6—10).-
Vgl. Harnack p. 373.
Uebersetzung der Apologie des Origenes von Pamphilns (f 309). D«
Original ist nicht auf uns gekommen, lediglich das erste Buch ist uns in der Uebersetziag
Kufins erhalten. Ausg. in Origenis opera ed. Lommatzsch 24 p. 289. Ueber die Haoi
schriften derselben vgl. Harnack, Gesch. der altchristl. litt. 1 p. 580; über syriache Fr^-
mentc vgl. ebenda. Unrichtig bezeichnet Gennadiu« die Schrift mit adversum matkematUm.
Der Irrtum des Gennadius wurde veranlasst durch die Apologie Rufins 1, 1 1 (21 Sp. 543
Migne). Macarius wollte ein opusculum adversus Fatum vel Mathesim haben, und zn diesM
Zweck wollte er auch die Ansichten des Origenes hören. Rufinus verweist den Macarius nf
die Apologie des Pamphilus, deren Uebersetzung Macarius nun von Rufinna verlang. Uebtf
die Stellung des Hieronymus zu der Autorfiage hinsichtlich des Originals vgl. Sychowski,
Hieronymus als Litterarhistoriker (Kirchengeschichtl. Stud. 2. Bd. 2. Heft (1894) p. 168). Dv
Uebersetzung ist eine Abhandlung beigegeben de adidteratione librorum Origenis. Aiig>
in Origenis opera ed. L. 25 p. 382.
Uebersetzung der Kirchengeschichte des Eusebius. Ueber die Veranlassoig
spricht er sich in einer an Chromatius gerichteten Vorrede (21 Sp. 461 Migne) also au:
Tempore quo^ diruptis Italiae claustris ab Alarico duce Gothorum, se pestifer mwhus M-
fndit et agros, armenta, viros longe lateque vastavit, populis tibi a deo commissis ferslii
exitii aliquod remedium quaerens, per quod aegrae mentes ab ingruentis mali eoniagiom
subtractaCf meliorihus occupatae studiis tenerentur: iniungis mihi ut ecclesicisticam kisiitrisMt
quam vir eruditinsimus Eusebius Caesar iefisis Graeco sennone eonscripsit, in Latinum vertauL
Ueber die Durchfahrung des Unternehmens sagt er (ebenda Sp. 463): Sciendum sane ett,
quod decimus liber huius operis in Graeco, quoniam perparum habebat in rebus gestis, pef
reliqua omnia in episcoporum panegyricis tractatibus^ nihil ad scientiam rerum confert»'
tibus occupatus, omissis quae videbantur superflna, historiae si quid habuit, nono conitmii'
mus libro, et in ipso Eusebii narrationi dedimus finem, Decimum vero et undecimum lAnti
nos conscripsinius partim ex maiorum tradiiionibuSy partim ex his quae nostra tarn me-
moria compr eh enderat Nostri rero duo libelli a temporibus Constantini past persetfk'
tionem usque ad obitum Theodosii August i. Ueber das Verhältnis der Uebersetzung im
Original handelt sehr ausführlich und verständig Kimmel. Rufinus geht mit grosser Frei-
heit zu Werk; diese bezieht sich nicht bloss auf einzelne Worte, sondern er ftndert aock
die Redeform, indem er statt der direkten die indirekte Rede setzt nnd umgekehrt (Kimoi«!
TyrAuiiiui BailniM und andere üebeneiser. (§ 968.) 379
p. 104). Besonders gross aber ist seine WilikOr in Teztesstreichongen, z. B. wenn die
Eleganz des Ansdracks erzielt (p. 113), wenn historisch Unrichtiges ausgemerzt werden
soll (p. 118), wenn das Original sich in Weitschweifigkeit verliert (p. 126; 129; 187), wenn
sein religiöser Standpunkt es verlangt (p. 147). Aach durch Zusfttze dokumentiert der
Uebersetzer seinen freien Standpunkt; er setzt die Dinge in helleres licht (p. 166) und
schaltet manches aus anderen Quellen ein (p. 174). Ueber die Abweichungen bei den Eigen-
namen vgl. p. 209. In der Auffassung des Griechischen zeigt sich mancher Lapsus (p. 200).
Gegen die ijisicht Güldenpennings (Die Kirchengesch. des Theodoret von Kyrrhos, Halle
1889, p. 26), dass Theodoret aus den zwei selbstftndigen Büchern Rufins geschöpft habe,
vgL Rauschen, Jahrb. der christl. Kirche, Freib. i. B. 1897, p. 559. Von Mommsen sind
folgende Handschriften herangezogen: Parisinus 18282, Vaticanus-Palatinus 822, Parisinus
5500, Monacensis-Frisingensis 6375. Ueber das Fragment eines Turiner Palimraestes F. IV. 29
vgl. E. Ghatelain, Revue de philol.N.S. 27, Janvier 1903, p.43. — Ausg. vonTh. Mommsen
in Eusebius' Kirchengesch. von E. Schwartz, 1. Hälfte, Leipz. 1903 (enthält Buch 1 — 5);
die zwei letzten Bacher edierte P. Th. Gacciari, 2 Bde., Rom 1740; auch bei Migne 21
Sp. 461. — Kimme 1, De Rufino Eusebii interprete, Gera 1838, p. 80; vgl. A. Ebert,
Allgem. Gesch. der Litt, des Mittelalters V (Leipz. 1889) p. 323.
Die Recognitiones des Clemens und dessen Brief an Jacobus. Den ersten
christlichen Roman stellen die sog. Clementinen dar; sie umfassen die Recognitiones und
die Homilien, wozu noch die beiden Epitomen aus den Homilien sich gesellen. Sowohl die
Recognitiones als die Homilien behandeln denselben Stoff, sie erzählen die Schicksale des
Clemens von Rom, und zwar in der Form des Ichromans. Die Homilien sind uns im grie-
chischen Original erhalten, die Recognitiones dagegen nur in der lateinischen Bearbeitung
des Bofinus und in einer unvollständigen syrischen. Der Titel ist eine Uebersetzung von
tiyayrtaciig oder ayayyutqusfxol und findet darin seine Erklärung, dass Clemens an der Seite
des Apostels Petrus seine verschollenen Familienglieder wiederfindet. In seiner Ueber-
setzung des Commentars zum Römerbrief von Origenes (Origenis opera 7 p. 460 Lomm.)
kOndigt er die Recognitiones an. Ueber sein Verhältnis zum Original spricht er sich in
der Vorrede an Gaudentins also aus: Äequum est aane tihif qui haec etiam Graece legeris
(fU forte in aliquilms mint48 a nohia servatum translaiionis ordinem putes) interpretationis
Hosirae indieare conailium, Puto, quod non te laieät, Clementis huius in Graeco eiusdtm
aperis ayayytjaBtoy, hoc est reeognitionum ducis editiones haberi et duo corpora esse lihro-
rutn, in aliquantis quidem diversa, in multis tarnen eiusdem narrationis. Denique pars
ultima huius operis, in qua de transformatione Simonis refertur, in uno corpore habetur,
in alio penitus non habetur. Sunt autem et quaedam in utroque corpore de ingenito deo
genitoque disserta et de aliis nonnuUis, quae ut nihil amplius dicam, excesserunt intelli'
gentiam nostram. Haec ergo ego, tanquam quae supra vires meas essent, aliis reservare
mcUui, quam minus plena proferre. In ceteris autem, quantum potuimus, operam dedimus,
noH solum a sententiis, sed ne a sermonibus quidem satis elocutionibusque discedere. Quae
res quamvis minus ornatum, magis tarnen fidele narrationis reddit eloquimn, Epistolam
sane, in qua idem Clemens ad Jacobum f rat rem domini scribens de obitu nunciat Petri et
quad se reliquerit successorem caihedrae et doctrinae suae, in qua etiam de omni ordint
eeclesiastico continetur, ideo nunc huic operi non praemisi, quia et tempore posterior est
et oiim a me interpretata et edita ; vgl. auch de adulteratione libror. Origenis (opera Origenis
25 p. 386 Lomm.). — Die editio princeps rtlhrt von J. Faber Stapulensis, Paris 1504,
her. Ausserdem ist zu erwähnen die Ausg. von Cotelerius, Patres aevi apostolici t. 1,
Paris 1672, die einen verbesserten Text gibt. Die neueste Ausg. ist die von E. G. Gers-
dorf, Bibl. patrum eccles. lat. sei. vol. 1, Leipz. 1838. Der Brief des Clemens an Jacobus,
der in Gersdorfs Ausg. fehlt, ist publiziert von 0. F. Fritzsche, Epist. Clem. ad Jacobum
ex Rufini interpretatione, Zürich 1873. Die syrische Uebersetzung findet sich in ClementiB
Romani Recognitiones syriace. P. A. de Lagarde edidit, Leipz. und London 1861. Ueber
die fibrige Litteratur zu den Clementinen vgL Harnack, Gesch. der altchristl. Litt. 1 (Leipz.
1893) p. 231; Bardenhewer, Gesch. der altkirchl. Litt. 1 (Freib. in Br. 1902) p. 351.
Ueber Rufins Uebersetzung der Sextussprüche vgl. § 339.
Uebersetzungen ans Euagrius. In der von Rufinus bearbeiteten Historia mona-
chomm heisst es (P reuschen, Palladius und Rufinus p. 86): ddofiey d^ xai Evtiygioyy
€eydga aoipoy xal Xoyioy, Ueber den etwas verwickelten Bestand der euagrianischen Schrift-
stellerei vgl. 0. Zöckler, Evagrius Pontikus. Seine Stellung in der altchristl. Litt.- und
Dogmengesch. (Bibl. u. kirchenhist. Stud. 4. Heft (München 1903) p. 18). Ueber die Ueber-
setzongen ist ausser dem Kapitel des Gennadius über Rufinus noch c. 11 heranzuziehen,
wo wir lesen: eonposuit et anachoretis simpliciter viventibus librum Centum sententiarum
per eapitula digestum et eruditis ac studiosis viris Quinquaginta sententiarum, quem
ego Latinum primus feci, Nam snperiorem olim translatum, quia vitiatum et per tem^M
ccHfuaum vidi, partim reinierpretando partim emendando ouctorv« T)er\\oX\ Tt«l\Vu\« vSnä
380 Tyranniua BnflnaB und andere üeberaetser. (§ 968.)
Mhere Uebersetzung, auf die Gennadius hier hindeutet, wird die des Rufinus gewesen
sein. Ueber die Schwierigkeiten, welche diese Worte der Interpretation darbieten, vgi
Czapla, Gennadius als Litterarhistoriker (Kirchengeschichtl. Stud. 4. Bd. I.Heft (1898) p. 28).
Der rufinischen Uebersetzung des Euagrius gedenkt auch IIieron3rmns (epist. 133, 3; 22,
1151 M.) huius (Evagrii) libros per orientem graecos et interpretante disciptäo eius Rupno
latinos plerique in occidente lectitant Ueber die Uebersetzung der von Gennadius (c. 11)
genannten zwei Schriften (conpo8uit et coenobUis ac synodUis doctrinam aptatn vitae eom^
munU et ad virginem Deo sacratam libellum conpetentem religiani et sexui) Tgl. Z5 ekler
p. 30, welcher noch bemerkt, dass Benedikt von Aniane seinem codex regularom am
Schlüsse die beiden Schriftstücke in Rufins Uebersetzung beif>e. — Elter, Gnomica I:
Sexti Pythagorici Clitarchi Evagrii Pontici sententiae, Leipz. 1892.
Die Uebersetzung der Dialoge des Adamantius {negl r^c ek ^Boy oQ^iji
Ttlarewg) ist von Caspari (Kirchenhist. Anecdota 1 (Christiania 1888) p. 1) aus einer ScUett-
stadter, ursprünglich Hirschauer Handschrift des 12. Jahrhunderts zum erstenmal henm»-
gegeben worden; mit dem griech. Text von W. H. van de Sande Bakhuyzen, LeipL
1901. Sie führt den Titel; Incipiunt lihri Ädamantii Origenis adversus haereticon numero
quinque translati a Rufino presbgtero et mi88i Paulo; vgl. Apollin. Sid. episL 2, 9, 5 (p. 42
Mohr) Adamantiu8 Origenes Turranio Rufino interpretattis. Der Uebersetzung liegt eine
griechische Handschrift zu Grund, die besser war als alle unserigen; sie hatte noch di«
Versetzung der Blätter 866 — 871 und war von der Interpolation der Schlosarede und der
Ueberarbeitung noch frei; vgl. Bakhuyzen p. XLIX. — Zahn, Gesch. des neutestamentL
Kanons 2, 2 (1892) p. 419.
Historia monachorum seu liber de vitis patrum. ft) Autorschaft der la- I
teinischen Bearbeitung. Dass Rufinus die Historia monachorum geschrieben, kann streng
erwiesen werden. Rufinus sagt in seiner der Uebersetzung hinzugefügten eigenen Kirchen-
geschichte (11, 4 Sp. 512): Verum si singulorum mirabilium gesta prosequi velimus, exelu-
dimur a proposita brevitate, maxime cum haec narrationem proprii habere operis mereantur.
Andererseits weist c. 29 (Sp. 455) der Historia monachorum auf die Kirchengeschichte zurück:
Sed et multa, ut diximus, alia de operibus sancti Macarii Alexandrini mirabilia feruntur,
ex quibus nonnuUa in XI libro (c. 4) ecclesiasticae historiae inserta, qui requirit inveniH.
Weiterhin kennt Hieronymus die Historia monachorum als ein Werk Rufins; denn er sagt
(epist. ad Ctesiphontem 133, 3; 22, 1151 M.): Qui (Rufinus) librum quoque scnpsit quaM
de monachia multosque in eo enumerat, qui numquam fuerunt et quos fuisse describit
Origenistas. Diesen klaren Zeugnissen gegenüber kann nicht in Betracht kommen, dasi
manche Handschriften als Verfasser den Posthumianus oder den Hieronymus bezeichnen;
vgl. P reu sehen p. 172. Auch Gennadius (de vir. ill. 42) wird mit Unrecht gegen die Autor-
schaft des Rufinus angeführt; es heisst dort: Petronius, Bononiensis Italiae episcopus, rir
sanctae viiae et monäcliorum studiis ab aduhscentia exercitatu8y scripsisse putatur Vitat
patrum Aegypti monachorum ^ quas velut speculum ac normo m professionis suae mo-
nachi amplectuntur. Ohne Namen citiert er diese Mönchsgeschichte c. 11: Cuius (Euagrii)
etiam Über, qui adtitulatur Vita patrtim, velut continentissimi et eruditissimi viri nun-
tionem fecit. Tillemont stellt auf Grund dieser Stelle die Hypothese auf, dass Rufinus
die Schrift verfasst habe, aber auf Grund des Materials, das ihm Petronius übergab; vgl.
Czapla, Gennadius p. 95; Zöckler, Evagrius p. 100. Allein diese Hypothese statuiert
Beziehungen des Petronius zu Rufinus und eine ägyptische Reise desselben, ohne dass wir
dafür den geringsten Anhaltspunkt haben. Die Autorschaft des Petronius wird also auf
derselben Linie stehen, wie die des Posthumianus und des Hieronymus; vgl. Preuschen
p. 174. ß] Die Zeit der lateinischen Bearbeitung. Die historia monachorum ist
nach der Kirchengeschichte Rufins bezw. nach seiner Uebersetzung geschrieben ; dieses Werk
erwähnt aber im Vorwort den Einfall Alarichs in Italien, allem Anschein nach den ersten,
der im Jahre 401/02 stattfand. Sie ist also nach 401/02 verfasst, und da Rufinus 410 starb,
ist das Intervallum für die Abfassungszeit 401/02—410. y) Die Zeit der Erzählung.
Die Reise fällt nach c. 1 in das Jahr 394, da der in diesem Jahr errungene Sie^ des Theo-
dosius über Eugenius erwähnt wird: p. 24 Pr. eiTiojy i^fiiv xal TtQoq^tjzeLay xivd, ori otjfAfQor
TU intvixia tov evaeSovg ßaaiXewg Seodoaiov eig xrjv * AXe^dvÖQUay BiaeXtjXv^atfi rijg ror
Tvgdyyov Evyeylov ayaiQsaevjg. Sp. 404 M. hoc tamen scire vos rolOy quod hodierna du
victoriae religiosi principis Hieodosii Alexandriae nuntiatae sunt de Eugenio fgranno.
d) Das Original. Es ist eine Streitfrage, ob der griechische Text, der zuerst vollständig
von Preuschen (p. 1) veröffentlicht wurde, oder der lateinische Text des Rufinus das
Original ist. Für das Lateinische als Original hat sich Preuschen, für das Griechische
als Original Butler in einer ausgezeichneten Schrift ausgesprochen. Wir stellen uns mit
aller Entschiedenheit auf Seiten Butlers und erachten das, was Preuschen (Theolog.
Litteraturzeitung 1899 Sp. 124) zur Verteidigung seiner Ansicht vorbringt, als irrelevant
'''•hon das eine ist auffällig, dass Ruftnua Viv ^em 3«\vte, \xv ^^ä ^\fe'^xiSiiD^\i3CL'^^SÄi}^ tär.U. ia
Tyrumiiui Baflniu and andere üebeneiser. (§ 969.) 381
Aegypien war; er befand sich damals in Palftstina; auch war er damals schon Priester,
während er nach der Erzählung höchstens Diacon sein konnte. Man kann sich keinen ver-
aOnftigen Grund denken, warum Rufinns nicht das Jahr, in dem er die Reise gemacht hatte,
angab, sondern eines, zu dem seine Lebensumstände nicht passten. Weiterhin ist zu be-
ichten, dass in dem griechischen Text ein Hinweis auf die Eirchengeschichte des £u-
•ebina fehlt; es ist schwer zu erklären, warum der Grieche, wenn er üebersetzer wäre,
gerade dies weggelassen hätte. Ganz natürlich liegt die Sache, wenn Rufinus der Üebersetzer
ist. Fflr das Griechische als Original spricht aber ganz entschieden eine Vergleichung
des griechischen Textes mit dem lateinischen; eine Stelle ist schon entscheidend: c. 14
p. 68 Pr. Etdofiey dk xai iregoy nQeaSvregoy iy tolg (iigem ri^s 'J^^^gStos, oyofAaxi ^AnBXk^y^
c 15 Sp. 488 M. vidimus et alium preshyterum in vicina regione nomine ApeUen. Vom
Lateinischen in vicina regione führt keine Brücke zu dem Griechischen iy rois /Ä^geai rijs
L^jIfw^^aK. Dass dies die richtige Lesart ist, bezeugt uns Sozomenus (bist. eccl. 6, 28). Schon
die Ueberlieferung des griechischen Textes weist Varianten und Interpolationen auf, und
es scheint, dass dem lateinischen Bearbeiter eine griechische Handschrift vorlag, in der es
hiess iy roTg f4iQe<n roTg iy^togioig; vgl. Preu sehen p. 198. So lässt der Lateiner die
griechischen Worte weg (p. 85 Pr.): f4ijd^ ^XQ^ dxorjg rtagaxXij&^yai vn* avrtoy dyaaxo/^^yos.
Man flieht nicht ein, wesnalb der Grieche, wenn er Üebersetzer wäre, diese Worte zusetzen
sollte, wohl aber, warum der Lateiner den etwas dunklen Satz wegliess. Ebenso fehlt das
dem Griechischen (p. 46 Pr.) iavroy i^anhaoag entsprechende Lateinische. Eine Paraphrase
des Lateiners liegt vor, wenn wir für das Griechische (p. 41 Pr.) äate dnaXkayiyrag ixei&By
«noct^yai ji^g nXdktjg im Lateinischen lesen (Sp. 414 M.): pollicentes, ut si eos resolvat hie
vineulis, pariter quoque erroris in eis vincula diasolveret; vgl. C. Schmidt, Gott. gel. Anz.
1899 p. 16; p. 22. Ist das Griechische das Original, so liegt seine Abfassungszeit zwischen
S94— 401/02. — Weingarten, Ursprung des Mönch tums (Zeitschr. für Kirchengesch. 1
(1877) p. 24); Lucius, Die Quellen des älteren ägyptischen Mönchtums (ebenda 7 (1885)
p. 163), der den Rufinus, wie Palladius und Sozomenus auf ein und dieselbe griechische Vor-
lage zurückleiten will und demnach die historia monachorum als selbständige Schrift Ru-
fins in Abrede stellt. E. Preuschen, Palladius und Ruiinns. Ein Beitr. zur Quellenkunde
des ältesten Mönchtums, Giessen 1897; Butler, The Lausiac History of Palladius, Cam-
bridge 1898 (Texte and Studios 6, 1). — Ausg. von Rosweyd, Vitae patrum, Antwerpen
1615; Migne 21 Sp. 387.
üebersetzung des jüdischen Kriegs von Josephus. Ueber dieselbe vgL
Destinon, De Flavii Joseph! hello iudaico recensendo, Kiel 1889, p. 15: «Quae (antiqua
▼ersio latina) sive Rufini Aquileiensis fuit, id quod vulgo creditur, sive Hieronymi, facta
eerte est ab homine et graecae et latinae linguae satis perito, quique et graeca verba
plerumque recte interpretaretur et pro suae aetatis indole — nam fere exeunte saeculo post
Chr. n. quarto scripta est versio — satis eleganter latino sermone redderet, ita ut eum non
male interpretis munere perfunctum esse dicas. Quamquam non is est Rufinns, qui vestigia
scriptoris graeci arcte premat semperque verbum verbo convertat, sed multis locis in con-
▼ertendo textu liberius versatus est, etiam ubi latini sermonis leges atque consuetudo non
cogerent.* Ueber die kritische Bedeutung der Üebersetzung vgl. denselben 1. c: „Habuit
codicem ei simillimum, ex quo optimi nostri Codices profluxerunt.*^ — Ausg. Basel 1524.
üeber irrtümlich dem Rufinus beigelegte Uebersetznngen der jüdischen Geschichte (20 B.)
und der Schrift c. Apion. (^ B.) vgl. Muratori, Antiqu. Ital. 3 p. 919. Die Üebersetzung
gehört dem Kreise Cassiodors an; vgl. de inst. div. Utt. 17 (70 Sp. 1183 Migne) hune (Jose-
phum) tarnen ab amicis nostris, quoniatn est subtilis nimis et multiplex magno Idhore in
lihris viginti duobus converti fecimus in Latinum, Vgl. Schür er, Gesch. des jüd. Volkes 1
(Leipz. 1901) p. 95.
969. Bufins selbständige Schriften. Schon bei den Uebersetzungen
haben wir gesehen, dass Rufinus zweimal die Rolle des Uebersetzers mit
der des selbständigen Schriftstellers vertauschte; wir meinen den Anhang,
den er seiner üebersetzung der Sextussprüche beigegeben, und die zwei
Bücher, in denen er die Eirchengeschichte des Eusebius fortgesetzt hat.
Aber wir haben von Rufinus auch ganz selbständige Schriften, die mit keiner
üebersetzung in Zusammenhang stehen. So liegen auf dem exegetischen
Gebiet zwei Abhandlungen vor. Die eine wurde veranlasst von Paulinus
von Noia. Dieser war bei der Lektüre der hl. Schrift in dem Segen Jakobs
auf eine Stelle (49, 11) gestossen, die er von Rufinus interpretiert wünschte.
Obwohl Rufinus überzeugt war, dass der ganze Segen Jakobs im Zusammen-
382 TyranninB BaflnuB und andere üebersetser. (§ 969.)
hang zu behandeln sei, willfahrte er doch dem Freunde und erörterte den
Segen, soweit er Juda anging. Später behandelte er, wiederum einem
Wunsche Paulins nachkommend, auch die übrigen Söhne und die auf sie
bezüglichen Segenswünsche Jakobs. Der Segen Jakobs war ein beliebtes
Thema für die allegorische Exegese, und schon Ambrosius hatte sie des-
halb zum Gegenstand einer eigenen Schrift gemacht (§ 921). Die mystisch-
allegorische Interpretation spielt auch in Rufins Schrift ihre Bolle. Die
zweite exegetische Schrift ist die Erklärung des apostolischen Olaubens-
bekenntnisses, welche Rufinus auf Ersuchen eines Bischofs Laurentius ge-
schrieben hat. Dieser Commentar, durch den Rufinus zugleich seine eigene
Orthodoxie erweist, hat in der Geschichte des Glaubenssymbols immer
eine hervorragende Rolle gespielt. Die zweite Gruppe der selbständigeD
Schriften bezieht sich auf den Streit mit Hieronymus. Hierher gehört
die Rechtfertigungsschrift, die er an Papst Anastasius (398 — 101) richtete,
bei dem er von seinen Feinden verleumdet worden war. Am besten wäre
es allerdings gewesen, wenn er persönlich dem Papste seine Rechtfertigung
vorgetragen hätte; allein da er nach langer Abwesenheit in seine Heimat
zurückgekehrt war und sich von den Strapazen der Reise noch nicht er-
holt hatte, glaubte er, die Sache brieflich abthun zu können. In dem
Schreiben legte er zuerst sein Glaubensbekenntnis ab, um zu erweisen,
dass er den katholischen Standpunkt nicht verlassen habe. Weiterhin
verteidigt er sich gegen den Vorwurf, dass er Schriften des Origenes
übersetzt habe. Er erwidert, dass er diese Uebersetzungen auf Wunsch
seiner Freunde gemacht habe und dass auch vor ihm solche Uebersetzungen
veranstaltet worden seien. Er habe sich dem Origenes gegenüber völlig
neutral verhalten, und was diesem zur Last falle, könne doch ihm nicht
angerechnet werden. Der Ton dieser kleinen Schrift ist würdig; viel
schärfer geht er in der Schrift zu Werke, welche er gegen seinen Gegner
Hieronymus schrieb; er nennt sie Apologie, es hat sich aber für dieselbe
der Name „Invective" eingebürgert. Das Werk ist an Apronianus ge-
richtet, der ihn über die Schritte des Gegners unterrichtet hatte. Im
ersten Buch verteidigt er seine Rechtgläubigkeit, im zweiten geht er direkt
dem Hieronymus zu Leibe, indem er dessen Schriften vornimmt.
Endlich gab es von Rufinus auch viele Briefe, in denen nach
Gennadius zur Gottesfurcht ermuntert wurde; unter denselben sollen sich
besonders die an Proba ausgezeichnet haben. Von diesen Briefen ist keiner
auf die Nachwelt gekommen. Dagegen sind einige Schriften unrichtig mit
dem Namen des Rufinus bezeichnet worden.
Rufinus als selbständiger Schriftsteller. Gennadius de vir. ill. 17 Proprio la-
bore, immo gratiae Dei dono exposuit idem Rufinus Symbolutn, ut in eitis conparationi
alii nee exposuisse credantur, Disseruit et Benedictionem Jacob super patriarchai
tripUciy id est, historico, moräli et mystico sensu. Scripsit et epistulas ad timorem Dei
hortatorias multas, int er quas praeminent illae quas Ad Prob am dedit. Historiae etiam
eccfesinsticae, quam ab Eusebio conscriptam et ab isto diximus interpreiatam, addidit dtci-
mum et undecimum libros. Sed et obtrectatori opusculorum suorum respondit duobus rolu-
minibuSf arguens et convincens se Dei intuitu et ecclesiae utilitate auxUiante Domino ingt-
nium agitavisse, illum vero aemulationis stimuJo incitatttm ad obloquium stiJum rertisse.
De benedictionibus patriarcharum libri duo. Paulin. epist. 46, 3; 1 p. 388
Hart^l (an Rulin) ergo si me amas, immo quia multum amas, rogo ut scribas mihi, ut in-
telligis ipsas patriarcharum bened\c\\one% ^Oei\. 4^, \\V ^vj^^xmä «a^ vcl ^«t -^"wäI. txwsv ^sn^^^
Tyrannins Bnfinua und andere üebenetser. (§ 969.) 383
Buch an Paulinus (Sp. 299 Migne): RequirU a nobis, quomodo itUelUgatur Ulud quod scriptum
m im Oenesi de pairiareha Juda quid nobis de hoc interim capitulo videatur, expri-
MtMiM. Panlin. epist. 47, 2 p. 389 H. (an Rufin) nunc hoc circa me negotii tibi trado,
ttf benedietiomes duodedm patriarcharum, cuius tarn principium mihi exposita circa per-
«Mom Judae prophetia triplici, ut iussum est, interpretatione conscriptis paginis edidisti,
per reliquos eius filios distrihutam digneris exponere, Rnfinns sagt in der praef. zum zweiteo
BDeh an Panlinus (Sp. Sil M.): Nunc de reliquis undecim patriarchis addidi ad haec quae
de Judae henedictUme prius tibi responderam. Zur InterpretatioDsmethode vgL Sp. 299 M.:
Sieut in complurimis ceteris, etiam in hoc capitulo sentiendum est, ut aüemo intellectu
txpasiiio dirigatur, et Interruptio historialis intelligentiae mystici sensus prodat arcanum.
— Ausg. bei Migne 21 Sp. 295.
Commentarius in symbolum apostolorum. Ueber die Veranlassung des Com-
meotare sagt Rnfinus (c. 1 Sp. 335): Mihi quidem, fidelissime Papa Laurenti, ad scribendum
amitnus tarn nan est eupidus, quam nee idoneus .... Sed quoniam temer e in epistola
tua per Christi me sacramenta .... astringis, ut aliquid tibi de fide secundum symboli
tradiiionem rationemque componam: quamvis supra vires nostras sit pondus praecepti . , . .,
tenmen si petUtonis a te impositae necessitatem orationibus iuves, dicere aliqua obedientiae
mtes^is reverentia, quam ingenii praesumptione tentabimus. Ueber die Durchführung sagt
ar (Sp. 837): Nos ergo simplicitatem suam, vel verbis Äpostolicis reddere et signare tenta-
hitmus, vel quae amissa videntur a priaribus, adimplere. Im Commentar zum ersten
(llaiibenBartikel heisst es (c. 3 Sp. 339): Nos illum ordinem sequimur, quem in Aquileiensi
ecelesia lavacri gratia suscepimus. Benutzt sind die Katechesen Cyrills von Jerusalem;
▼S^ F. Eattenbusch, Beitr. zur Gesch. des altkirchl. Taufsymbols, Giessen 1892, p. 31.
Foulkes, The Athanasian Creed, with enquiries on creeds in general 1872 will den Com-
mentar in der uns vorliegenden Fassung nicht als ein Werk Rufins anerkennen; vgl. da-
gegen Kattenbusch p. 27. Vgl. Commentar c. 43 Sp. 381 und Apologia in Hieronym. 1, 5
Sp. 544. Cassian c. Nest. 7, 27 (Corpus Script, eccles. lat. 17 (Wien 1888) ed. Petschenig)
Sufinus quoque .... ita in expositione symboli de domini nativitate testatur; folgt Citat aus
c. 13. Ueber das Verhältnis der Erläuterung des Glaubensbekenntnisses von Rufinus und der
▼on Venantius Fortnnatus vgl. Kattenbusch p. 53: „Die expositio symboli (des Venantius
Fortonatns) ist nichts Anderes als ein nicht übeler, geschmackvoller Auszug aus der expositio
dee Rnfin.* In der Ueberlieferung trägt das Werk nicht selten die Namen des Cyprian und
Hieronymns; vgl. Kattenbusch p.31; Das apostol. Symbol, Leipz. 1894, p. 105. — H. Brüll,
De Tyrannii Rufini Aquileiensis commentario in symbolum apostolorum 1, Düren 1872;
2, Düren 1879; Blume, Das apostol. Glaubensbekenntnis, Freib. i. B. 1893, p. 70; Bäumer,
Das apostol. Glaubensbekenntnis, Mainz 1893, p. 65; Wiegand, Die Stellung des apostol.
Symbols 1 (1899) p. 90. — Ausg. bei Migne 21 Sp. 385. Eine CoUation des Textes mit
Cusanna C 14 s. XII gibt J. Klein, Ueber eine Handschrift des Nicolaus von Cues, Berl.
1866, p. 131. Uebersetzung von Brüll, Kempten 1876 (Bibliothek der Kirchenväter).
Dicta de fide catholica. Aus derselben Handschrift veröffentlichte Klein p. 141
ein Glaubensbekenntnis Rufins mit dem angegebenen Titel.
Apologia quam pro se misit Rufinus presbyter adAnastasium Romanae
nrbia episcopnm. Ueber die Veranlassung spricht er sich im Eingang des Schriftchens
ans. c. 4 Sp. 625 haec nobis de resurrectione tradita sunt ab his, a quibus sanctum baptisma
in Aquileiensi eeclesia consequuti sumus. c. 7 Sp. 626 audio inde etiam esse disputatum,
quod quaedam Origenis rogatus a fratribus de Graeco in Latinum transtuli. Sp. 627 Ori-
gtnis ego neque defensor sum, neque assertor, neque primus interpres. Ausg. bei Migne
21 Sp.623.
Rnfini Apologiae in Hieronymum libri duo. 1, 1 Sp. 541 perlegi scripta tua,
Aproniane fili carissime, quae ab amico (Hieronymo) et fratre bono de Oriente ad virum
nobilissimum Pammachium missa, transmisisti ad me. 1, 4 Sp. 543 primo hoc nobis osten-
demdum est, quod nee cum ipso, nee sine ipso haeretici sumus. 1, 9 Sp. 547 latius quam
proposueram, huic uni titulo de resurrectione respondi. 1, 10 Sp. 548 ego nunc nihil pro
Origene ago, nee apologeticum pro ipso scribo. Sive enim stat apud Deum, sive lapsus est,
ipss viderii. 2, 4 Sp. 587 sed ipsum se testem et scripta sua adversum eum producam^ ut
sciat se non ab inimicis argui, sed a semetipso redargui. — Ausg. bei Migne 21 Sp. 541.
Unechte Schriften Rufins:
1. Commentarius in prophetas minores tres Osee, Joel et Amos. Ausg.
bei Migne 21 Sp. 959. Ueber die Unechtheit vgl. Vallarsi bei Migne Sp. 268; Ceillier,
Histoire g^n^ral etc. 10 (Paris 1742) p. 54.
2. Commentarius in LXXV Davidis psalmos. Ausg. bei Migne Sp. 641.
Ueber die Unechtheit vgl. Vallarsi bei Migne Sp. 267; Ceillier p. 56. Beide Commen-
tare kennt Gennadios nicht
384
Tyranniiis BnfiniiB und andere üebenetier. (| 970.)
8. Vita sanctae Engeniae Virginia ac martyris. Ausg. bei Migne ^ llOi
Die Zuteilung an Rufinus hat gar keine handschriftliche GewShr and lAsst sich anch SM
nicht stützen; vgl. das monitum bei Migne 1. c; Yallarsi bei Migne 8p. 271.
4. Zwei Schriften de fide, von denen die erste 12 Anathematismen enthill AHg.
bei Migne Sp. 1123; 48 Sp. 289 (unter den Werken des Marina Mercator). üeber die Ijh-
echtheit der beiden Schriften vgl. Yallarsi bei Migne Sp. 271.
970. Charakteristik. Rufinus ist als Schriftsteller kein origineDer
Kopf; er hat der Litteratur keine neuen Wege gewiesen; selbst die Schriften,
in denen er selbständig auftritt, zeigen keine neue Gedankenwelt; sie yet-
danken zudem ihre Entstehung äusseren Umständen oder fremder Ein-
wirkung. Es ruht also, wie bereits gesagt, die litterarische Bed^tong
Rufins in seinen Uebersetzungen. Hier ist aber doch ein bemerkenswerter .
Zug zu verzeichnen. In der christlichen Litteratur war es bisher üblich I
gewesen, die griechischen Vorlagen wörtlich zu übertragen und sich dabei
des vulgären Idioms zu bedienen; es traten dadurch Werke an den Tag,
welche das Missfallen der gebildeten Leser erregen mussten. Mit beides
Gepflogenheiten brach Rufinus; er wollte mit seinen Uebersetzungen grie-
chische Werke in der römischen Litteratur einbürgern, d. h. sie soUteo
wie nationale gelesen werden. Er entschied sich daher für die freie Be-
arbeitung und legte grossen Wert auf einen guten Stil; er schloss adi
in dieser Beziehung an die alte nationale Praxis an, welche bei üebe^
tragungen nicht die Worte, sondern die Gedanken ihrer Originale gebei
wollte. Sein Ziel hat er auch erreicht. Seine üebertragungen fandeo
Anklang beim Publikum und erhielten sich, während manches Origiotl
dem Untergang anheimfiel. Auch als Theologe ist Rufinus nicht balu-
brechend hervorgetreten. Er folgte ganz dem Geiste der Zeit, wenn er
sich von der Idee der Askese erfüllt zeigte; er hielt sich an die Lehret
der römischen Kirche. Doch hatte er sich so viel wissenschaftlichen Geist
bewahrt, dass er vor roher Intoleranz zurückschrak. In Alexandria hattei
die Lehren griechischer Theologen zu tiefen Eindruck auf ihn gemacht,
und er mochte überzeugt sein, dass das Abendland in der Theologie dtf
Anlehnung an die griechischen Denker noch nicht entbehren könne. Eb
war daher ein löbliches Beginnen, dass er die Geistesschätze der griechi-
schen Kirchenväter durch seine Üebertragungen der abendländischen Wdt
zuführte. Besonders war es Origenes, auf den er die Aufmerksamkeit
seiner Landsleute lenken wollte. Wie notwendig dies war, dafür liefert
einen drastischen Beleg Papst Anastasius, der, als die origenistiscbei
Streitigkeiten auftauchten, naiv erklärte, dass er bislang von Origenes
noch nichts gehört habe.^) Rufinus wusste, dass viele Ansichten des Ori-
genes sich nicht mit der orthodoxen Lehre vertrugen; er war aber im
Irrtum, wenn er die Ketzereien grösstenteils auf Rechnung der Abschreibe
setzen wollte. Es verriet auch noch einen engherzigen Standpunkt, weim
er die Heterodoxien eigenmächtig bei seinen Üebertragungen ausmerzte.
Trotzdem verdient er alle Anerkennung, dass er den tiefen Denker Ori-
genes für die Kirche nutzbar zu machen suchte. Als Menschen lernen
wir Rufinus besonders aus seinem Streite mit Hieronymus kennen. Ge-
*) Vgl. den , Brief des Papstes an Jo-
hannes c. 3 (21 Sp. 629 M.). Obwohl die
Stelle verdorben ist, scheint doch der Siu
der Worte der zu sein, den wir angegebci.
Tyranniiis Bnflnas und andere üeberseteer. (§ 971.) 3g5
Mriss treten uns auch bei ihm menschliche Schwächen entgegen, allein wir
Rauben doch, dass der unbefangene Beurteiler sich mehr zu Rufinus als zu
BLieronymus hingezogen fühlen wird ; auch die Zeitgenossen scheinen nicht
ünders geurteilt zu haben. Die Bischöfe Chromatius von Aquileia, Gau-
ientius von Brescia und Paulinus von Nola blieben dem von Hieronymus
so Verunglimpften zugethan, und Augustinus sprach dem Hieronymus brief-
lich sein Missfallen über den Streit mit Rufinus aus.^) Auch die späteren
Zeiten ehrten das Andenken des hart mitgenommenen Mannes; Cassianus')
und Gennadius') sprechen von ihm in lobenden Ausdrücken.
Zengnis über die Uebersetzungsthätigkeit Rufins. Im Epilog zu seiner
üebersetzung des Commentars des Origenes zum Römerbrief sagt er (7 p. 459 Lomm.) :
SictU in hominis sive in oraiiunculis in Genesin et in Exodum fecitnus et praecipue in
his, quae in Uhrum Levitici ab illo quidem perorandi stüo dicta, a nobis vero explanandi
speeie transkUa sunt. Quem laborem adimplendi quae deerani idcirco suscepimus, ne pul-
saiae quaestumes et relictae, quod in homiliatico dicendi genere ab illo saepe fieri solet,
iatino lectori fastidium generarent. Nam illa, quae in Jesum Nave et in Judicum librum
€t in trigesimum sextum et in trigesimum septimum et trigesimum octavum Psalmum scrip-
simus, simpliciter ut invenimus et nan multo cum labore transtulimus .... novum apud
€OM culpcLe genus subimus. Aiunt enim mihi: in his, quae scribis, quoniam plurima in iis
tui operis hahentur, da titulum nominis tui et scribe: Eufini, verbi gratia, in epistolam ad
Romanos explanationum libri: sicut et apud auctores, inquiunt, saeculares non illius, qui
eae Graeeo translatus est, sed illius, qui transtulit, nomen titultis tenet. Hoc autem totum
fHthi donant non amore mei, sed odio auctoris. Verum ego, qui plus conscientiae meae,
quam nomini defero, etiam si addere aliqua videor, et explere quae desunt, aut breviare
qua€ longa sunt, furari tamen titulum eiuSj qui fundamenta operis iecit et construendi aedi-
fieii materiam praebuit, rectum non puto.
Gesamtansg. Rnfins. Eine Gesamtausg. Rufins wird noch vermisst. Nur die
selbstftndigen Schriften sind von Vallarsi, Verona 1745 ediert worden; seine Ausg. ist
abgedruckt bei Migne 21.
971. Andere Uebersetzungen. An die üebersetzungen Rufins wollen
wir noch eine Reihe von älteren Uebersetzungen kirchlicher Schriften an-
schliessen. Für die Litteraturgeschichte kommen diese Arbeiten in Be-
tracht, weil sie uns zeigen, für welche griechische Werke sich das Be-
dürfnis der Uebertragung im Abendlande geltend machte, ferner weil diese
Produkte auch Sprachdenkmäler, besonders solche des vulgären Lateins,
sind. Wir beginnen mit einem alten wichtigen Schriftstück, dem ersten
Clemensbrief, der aus der Zeit Domitians stammt. Er war bisher in
griechischer und syrischer Sprache bekannt; bei der Wichtigkeit dieses
Schreibens erregte es daher grosse Freude, als im Jahre 1894 eine alte
lateinische Üebersetzung publiziert wurde; sie stammt wahrscheinlich aus
dem 2. Jahrhundert und ist im vulgären Latein abgefasst. In sehr alte
Zeit geht auch die gut überlieferte Uebertragung der gegen die Ketzer
gerichteten Schrift des Irenaeus zurück, der unter der Regierung Mark
Aureis Presbyter, dann Bischof in Lyon war; die Üebersetzung ist um
so wichtiger, weil das griechische Original bis auf wenige Fragmente ver-
loren gegangen ist. In die Zeit des kirchlichen Altertums gehören auch
die beiden Uebersetzungen des aus der Mitte des 2. Jahrhunderts stam-
menden Hirten des Hermas; sie werden als die Vulgata und die Pa-
latina unterschieden. Die Ueberlieferung der ersteren ist eine reiche, die
der zweiten eine spärliche. Bis 1856 kannte man den Hirten des Hermas
») Vgl. epist 110 an ffieronymus. [ ») De vir. ill. 17; vgl. Zöckler, ffiero-
')DeincainatDoiDim&dY.NeQton\iml,21. \ nymiiB p.*i^^.
Hmodbncb der khm. AltertunuwLmenachati. vttt, 4. ^
386 Tyranniiu BnflniiB und andere üebersetier. (§ 971.)
nur in der Yulgata, das Jahr 1856 brachte den griechischen Text, das
Jahr 1857 die Palatina. Es existieren noch andere Uebersetzungen, allda
wir begnügen uns mit einem Hinweis auf dieselben, da sie für die Liir
teraturgeschichte nur sekundäre Bedeutung haben.
Die lateinische Uebersetzung des ersten Glemensbriefs wurde zaerst pnbli- I
ziert von G. Morin, Anecdota Maredsolana 2, 1894. Die Handschrift s. XI fand er in der '
Seminarbibliothek zu Namur. üeber die Ueberliefeningsgeschichte vgl. Harnack p. 272;
p. 601. Für die Abfassung der Uebersetzung im 2. Jahrhundert sprechen besonders die
Momente, dass der Uebersetzer nur den 1. Clemensbrief zu kennen scheint, die Sprache
mit der Itala in Uebereinstimmung steht, die Bibelstellen nicht nach der Yulgata gegeben
sind, auch die Uebersetzung mancher Begriffe auf den Anfang dieses Jahrhunderts hin>
weist, endlich das der Uebersetzung zu Grunde liegende Original augenscheinlich sehr alt
ist; vgl. Morin, Praef. p. XI; Harnack, Ueber die jQngst entdeckte lateinische Ueber-
setzung des 1. Clemensbriefs (Sitzungsber. der Berl. Akad. der Wissensch. 1894 p. 262);
Neue Studien zur jüngst entdeckten lat. Uebersetzung des 1. Clemensbriefes (ebenda p. 609,
besonders p. 611); Knopf, Der 1. Clemensbrief (Texte u. Unters. N.F. 5, 1 (Leipz. 1899) p.39).
Sanday (The Guardian *28. März 1894) hat beobachtet, dass bereits Ambrosius die lateinische
Uebersetzung kannte; vgl. c. 25 des Clemensbriefs mit Ambrosius Ezameron 5, 2-3; Harnack
(p. 605) stimmt Sanday zu. Auch Lactanz in seinem Gedicht über den Phoenix lag die
Uebersetzung, wie es scheint, bereits vor; vgl. dasselbe Kapitel des Clemensbriefs mitLtc-
tanz de phoenice Vs. 102, 117, 121; siehe auch die Erörterung Harnacks p. 608. üeber *
eine Aenderung des Textes zu Gunsten der römischen Kirche vgl. Harnack p. 266; gegen |
die Bestreitung dieser Ansicht verteidigt er sich p. 619. Ueber die Latinität der Üeber- *
Setzung vgl. Wolf flin, Archiv für lat. Lexikograpnie 9 (1896) p. 81; nach ihm war der
Uebersetzer ein Lateiner, der sich Missverständnisse des Griechischen zu schulden kommen
liess. Ueber den vulgären Charakter der Sprache vgl. Morin p. X; Wolf flin p. 90.
Die lateinische Uebersetzung des Irenaeus. Der griechische Titel des Werks
ist eXsyxog xal dvatQonrj jrjg \pevda}yvf4ov yyuiastog. Ausser der lateinischen Uebersetzung
sind uns griechische, syrische und armenische Fragmente erhalten. Ueber das hohe Alter
der lat. Uebersetzung vgl. Massuet bei Migne Sp. 232. Wahrscheinlich kannte sie schon
TertuUian, sicher benutzte sie schon Augustin, der contra Julianum 1, 3, 7 zwei Stellen (4, 2, 7;
5, 19, 1) ausschrieb, üeber die Ueberlieferung vgl. Loofs, Die Handschriften der lat. Ueber-
setzung des Irenaeus und ihre Kapitelteilung ( Kirch engeschichtl. Stud. H. Reuter zum 70. Ge-
burtstag gewidmet, Leipz. 1888, p. 1), der (p. 92) sagt: „Der lateinische Irenaeus ist uns so
gut überliefert, wie wenige alte Schriftsteller. Denn der verlorene Archetypus aller unserer
Handschriften scheint noch aus den Zeiten der alten Kirche zu stammen, und die beiden
Handschriftenfamilien, die uns vorliegen, reichen durch ihre Archetypi in die Karolinger-
zeit, bezw. — das gilt von der ersten Familie — noch weiter zurück." Ausg. von R. Mas-
suet, Paris 1710 (ausejezeichnete Leistung), abgedruckt bei Migne, Patrol. gr. 7 Sp. 433;
A. Stieren, Leipz. 1848-18.53; W. W. Harvey, Cambridge 1857.
Die beiden lateinischen Uebersetzungen des Hermae pastor. Ueber die-
selben vgl. Haussleitcr, De vei*sionibus pastoris Hermae latinis (Acta seminarii philo).
Erlangensis 3 (1884) p. 399). Die Vulgata wurde zuerst herausgegeben von J. Faber
Stapulensis, Pnris 1513; die neueste Ausg. ist besorgt von A. Hilgenfeld, Leipz. 1873.
Ueber die Handscliriften berichtet Gebhardt in der editio Lipsiensis vom Jahre 1877 p. XII;
vgl. auch noch Delehaye, Bulletin critique 1891 p. 14. Im Jahre 1857 wurde aus einem
cod. Palatinus-Vaticanus 150 s. XIV eine andere Uebersetzung, die sog. Palatina, von
Dressel, Patnmi apostolicorum opera, Leipz. 1857 (2. Aufl. 1863) bekannt gemacht; in
berichtigter Gestalt wurde die Palatina herausgegeben von Gebhardt und Harnack,
Hermae pastor graece addita versione latina recentiore e cod. palatino (Patr. apost. opera
fasc. 3, Leipz. 1877). Textkritische Bemerkungen geben Haussleiter, Zeitschr. für wiss,
Theol. 26 (1883) p. 345; Funk, Zeitschr. für österr. G>nnn. 30 (1885) p. 245. Ueber eine
zweite noch nicht verglichene Handschrift in Rom vgl. Harnack, Gesch. der altchristl.
Litt. 1 (Leipz. 1893) p. 51. üeber das Verhältnis der beiden Uebersetzungen, Abhängigkeit
der Palatina von der Vulgata (bisherige Ansicht) oder Abhängigkeit der Vulgata von der
Palatina (Haussleitcr) vgl. Acta p. 408 und zusammenfassend p. 475. üeber den ver-
schiedenen Charakter der beiden Uebersetzungen vgl. Haussleiter p. 408. Ueber den Ort
und die Zeit der Uebersetzungen vgl. denselben p. 472; über die Zeit der Palatina (nicht
vor dem Ende des 4. Jahrh.) vgl. die editio Lipsiensis p. LXV.
Hinweis auf andere Uebersetzungen. üeber ein lateinisches , Glossar zu bib-
lischen Begriffen und Worten, zusammengestellt aus lateinischen Vätern**, in dem Pitra
(Spicileg. Solesm. 2 p. 1 ; Analecta sacra 2 (1884) p. 6) eine Uebersetzung der Schrift , Kleis*
von Melito ans Sardes mit Unrecht erbWckle, n^. VL^^txi^^^iV, Q^^aOtoL. ^<ä ^>5^R>KtviÄ..\ii^A
HieronymiiB. (§ 972.) 387
P. 254; 0. Rottmanner, Tbeolog. Qaartalschr. 78 (1896) p. 614. üeber die lateinische
üeberaetzmig der iDierpolierten und vermehrten Ausgabe der Ignatiusbriefe, welche in die
Zeit Gregors I. bis Ado (t 874) gesetzt wird, vgl. Harnack p. 79. üeber eine unvoU-
fltftndige Uebersetzung des Bamabasbriefes, deren Zeit noch nicht untersucht ist, vgl. den-
selben p. 59. Eine alte lateinische Uebersetzung des dein Basilius dem Grossen zugeteilten
laaiascommentars ist publiziert in der Bibliotheca Gasinensis 4 (1880) p. 892. üeber die Ueber-
setsongen der historia Lausiaca des Palladius vgl. Butler, The Lausiac history of Palladius
(TextB and studies vol. 6 No. 1 (Cambridge 1898) p. 58) ; Zusammenfassung der Resultate p. 69.
16. Hieronymus.
972. Biographisches. Die mittelalterlichen Biographien,^) die uns
über Hieronymus erhalten sind, liefern uns keine authentischen Nach-
richten; sie haben nur insofern einen Wert, als sie uns zeigen, wie die
Sage sich um die Person des Kirchenvaters schlingt. Die beste Quelle,
aus der wir schöpfen können, sind die Schriften des Hieronymus selbst,
welche eine Fülle von biographischen Nachrichten über ihn enthalten.
Wir hoffen, durch folgende biographische Skizze die Hauptmomente seines
äusseren Lebens darzulegen. Fest steht Todesjahr und Todestag des Eu-
sebius*) Hieronymus; er starb am 30. September 420 in Bethlehem. Sein
Geburtsjahr ist dagegen weniger gesichert; wir werden etwa 348 an-
nehmen dürfen. Die Heimatstätte des Hieronymus ist Stridon, ein in
Dalmatien gelegenes Grenzstädtchen. Wahrscheinlich bereits 353 kam er
nach Rom,') um dort seine Ausbildung zu erhalten; sein Lehrer in der
Grammatik war der berühmte Aelius Donatus. An den grammatischen
Unterricht schloss sich die rhetorische Unterweisung an, aus der er, wie
seine Schriftstellerei beweist, die grössten Früchte zog; wir wissen aber
nicht, wer sein Lehrer in diesem Fach war. In Rom empfing er auch
die Taufe, allein sie vermochte ihn nicht von sittlichen Verirrungen zurück-
zuhalten. Sein Mitschüler und Genosse in diesen Verirrungen^) war Rufinus,
der später in seinem Leben keine geringe Rolle spielen sollte. Nach
Vollendung seiner Studien machte er eine Reise nach Gallien und suchte
Trier auf. Hier tauchte bei ihm der Entschluss auf, sich ganz dem re-
ligiösen Leben zu widmen; für Rufinus schrieb er mit eigener Hand Bücher
des Hilarius ab. Alsdann finden wir Hieronymus in Aquileia, wo er sich
einem der Askese ergebenen Kreise anschloss; auch Rufinus gehörte dem-
selben an. Im Jahre 373, wie es scheint, löste sich der Kreis auf, indem
die meisten Mitglieder nach dem Morgenland zogen. Auch Hieronymus
wurde durch einen uns nicht näher bekannten Schicksalsschlag veranlasst,
Italien den Rücken zu kehren und sich dem Orient zuzuwenden. Sein
Ziel war Jerusalem, allein Krankheit nötigte ihn zum Verbleiben in
*) Ueber dieselben vgl. Grützmacher
p. 37.
') Eu 8 eh tu 8 Hieronymu8 Sophronio suo
8al%Uem laatet die Ueberschrift der Vorrede
zum liber Psalmomm (28, 1123 Migne).
*) Wie es mit dem Scholimterricht da-
mals stand, dafür legt dieThateacbe einen Be-
weis ab, dass das Testament eines Schweines
in den Schalen cirknlierte; vgl. Hieronym. in
Isaiam praef. zn 1. 12 (24, 409 M.) testamen-
tum Orunnii CarocaUae PorcelH decantant in
8choli8 puerorum agmina cachinnantium.
Apol. in Rafin. 1, 17 (23, 412 M.) quasi non
cirratorum turha Milesiarum in scholis fig-
menta decantet et tesiamentum Suis Bessorum
ciichinno memhra concutiat atque inter scur-
rarum epülas nugae istiusmodi frequententur,
— Aosg.vonHaupt, Opuscula 2 p.l75; Bue-
c h e 1 e r, Ausg. des Petronios, Berl.' 1882, |».241,
wo anch die Ueberlieferong berührt wird.
*) Vgl. e^jiBt. 3, l UÄd GtdiituLi»«'
\ p. 11^ ktkm. \.
388 HieronymuB. (§ 972.)
Antiochia. Hier legte er die Grundlagen seiner theologischen Ausbildung,
indem er den exegetischen Vorträgen des ApoUinarius von Laodicea bei-
wohnte und sich eine vollkommene Kenntnis des Griechischen aneignete.
Trotz seiner gelehrten Studien verlor er die religiöse Idee, die ihn be-
geistert hatte, die Askese, nicht aus den Augen ; das Einsiedlerleben hatte i
sich im Orient und in Aegypten mächtig entfaltet, und auch Hieronymus
entschloss sich, Eremit zu werden. Er begab sich in die Wüste Ghalds
und verweilte daselbst etwa von 375—378. In der Wüste erlernte er
unter grossen Anstrengungen die hebräische Sprache. Die Ruhe, die
Hieronymus in der Einsamkeit zu finden hoffte, fand er thatsächlich nicht
In Antiochia war ein Schisma ausgebrochen, und die Wogen des Kampfes
schlugen auch an die Zellen der Eremiten. In dem Zwiste, der die Mönche
trennte, wandte Hieronymus seine Blicke nach Rom auf den Papst Da-
masus und leitete damit eine wichtige Epoche seines späteren Lebens ein.
Der Aufenthalt in der Wüste wurde ihm von Tag zu Tag verhasster; er
verliess dieselbe und begab sich wieder nach Antiochien, wo er von
dem Bischof Pauli nus die Priesterweihe erhielt, jedoch die Bedingung |
stellte, dass er keine seelsorgerliche Thätigkeit ausüben müsse und Mönch
bleiben könne. Von Antiochia wandte sich Hieronymus nach Constan-
tinopel; hier fand im Jahre 381 ein Concil statt, und das mochte ihn
bewogen haben, seine Schritte nach der Hauptstadt zu lenken. Von
der Anwesenheit so vieler Kirchenfürsten erhoffte er sich reichen Ge-
winn für seine Ausbildung. Hier in Constantinopel war es, wo er mit
Oregor von Nazianz in so enge Beziehungen trat, dass er ihn seinen
Lehrer nennen konnte, auch Gregor von Nyssa lernte er kennen. Doch
auch in Constantinopel war seines Bleibens nicht lange, er kam im Jahre
382 in die ewige Stadt und verweilte bis 385 in derselben. An dem
Concil, das im Jahre 382 stattfand, musste er sich beteiligen. Er trat
in enge Beziehungen zu Papst Damasus, der ihn zu einem bedeuten-
den Werke, der Revision des Bibeltextes, aufmunterte, und fast schien
es, als würde Hieronymus die höchste kirchliche Würde ersteigen. Be-
sonders verehrten mehrere Frauen des römischen Adels, welche der
Askese ergeben waren, den Hieronymus, dessen Herz das gleiche Ideal
erwärmte; unteT diesen Frauen leuchteten namentHch Marcella, ferner
Paula mit ihrer Tochter Eustochium, hervor. Allein nach dem Tode des
Papstes Damasus (384) wurde seine Lage eine schwierige; seine Feinde
setzten ihm jetzt stark zu, besonders sein Verkehr mit der adligen Frauen-
welt gab zu Gehässigkeiten und Anfeindungen Anlass. Hieronymus sah,
dass seine Stellung unhaltbar sei, und beschloss demnach, sich aufs neue
in das Morgenland zu begeben und ein asketisches Mönchsleben zu fuhren.
Im August 385 verliess er Rom. Paula und Eustochium reisten später
nach. Hieronymus suchte zuerst Antiochia auf und erwartete hier seine
geistlichen Freundinnen. Die ganze Gesellschaft begab sich im Winter
386 zuerst nach Jerusalem, dann nach Aegypten; in Alexandria verkehrte
Hieronymus fast einen Monat mit dem blinden Didymus und regte ihn
zu einem exegetischen Commentar zu Osee an. Die Reise nach Aegypten
bezweckte in erster Linie, das dort awi\AVv\v^xvdL^ ^<>wOti^^^xv wä €\%^\!K!t
HieronymuB. (§972.) 389
Anschauung kennen zu lernen. Alsdann wandte sich die Gesellschaft zur
Rückreise nach Palästina und nahm in Bethlehem bleibenden Aufenthalt;
im Jahre 389 gründete Hieronymus ein Männerkloster, Paula mit Eusto-
chium ein Frauenkloster; weiter wurden Herbergen für Pilger errichtet.
Sein Klosterleben ging ganz im Studium auf; er gönnte sich fast gar keine
Ruhe, sondern las und schrieb beständig. Eine stattliche Bibliothek, die
er sich im Laufe der Zeit gesammelt hatte, kam seinen Studien sehr zu
statten. Daneben gab er auch Unterricht in einer Klosterschule und er-
klärte die klassischen Autoren.^) Seine litterarischen Arbeiten nahmen
ihren Fortgang. Auch die Einsamkeit in Bethlehem brachte ihm ebenso
wenig als seinerzeit sein Aufenthalt in der Wüste Chalcis den Frieden;
es kamen die origenistischen Streitigkeiten, welche das hässliche Zer-
würfnis mit Rufinus herbeiführten, ferner der Streit mit Vigilantius, endlich
die Wirren mit den Pelagianern. Die letzteren nahmen einen so heftigen
Charakter an, dass sie zu einem Sturm der Pelagianer auf die unter des
Hieronymus Leitung stehenden Klöster führten. Frieden brachte dem streit-
lustigen Manne erst der Tod.
Allgemeine Litteratur über Hieronymus. a) Gesamtdarstellungen.
J. Martianay, Vie de St. Jördme, Paris 1706; Engelstoft, Hieronymus Stridonensis inter-
pres, criticus, exegeta, apologeta, historicus, doctor, monacbus, Kopenhagen 1797 (anonym
erschienen); F. Z. Gollombet, Histoire de St. J^röme, pdre de l'^glise au IV*' siede; sa
vie, ses ecrits et ses doctrines, Paris et Lyon 1844, 2 Bde. (panegyrisch); deutsche Ueber-
Betzung dieses Buches von Fr. Lauchert und A. Knoll, Rottweil 1846—1848. 2 Bde.;
O. Zöckler, Hieronymus. Sein Leben und Wirken aus seinen Schriften dargestellt, Gotha
1865; A. Thierry, St. J^rdme, la sociüt<3 chrötienne ä Rome et Tt^migration romaine en
Terre-Sainte, Paris 1867, 2 Bde.; Paris« 1875, Paris» 1876; C. Martin, Life of St. Jerome,
London 1888; L argen t, Saint Jeröme, Paris 1898; G. Grützmacher, Hieronymus. Eine
biographische Studie zur alten Kirchengcsch. 1. Hälfte: Sein Leben und seine Schriften bis
zum Jahre 385 (Stud. zur Gesch. der Theol. und der Kirche 6. Bd. 3. Heft, Leipz. 1901);
L. Sanders, £tudes sur s. J^rdme, Paris 1903. — Tillemont, M^moires pour servir ä
rhistoire eccksiastique des six premiers si^clcs 12 (1707) p. 1; D. v. Colin in Ersch und
Grubers Encycl. Sect. 2, Bd. 8 (Leipz. 1831) p. 72; Montalembcrt, Les meines d'Occi-
dent depuis S. B^noit jusqu'ä S. Bemard 1 (Paris 1861) p. 144; A. Ebert, Allgem. Gesch.
der Litt des Mittelalters V (Leipz. 1889) p. 184. Zum erstenmal hat in gründlicher, aber
weitschweifiger Weise Vallarsi im 11. Bd. seiner Ausg. (p. 1) eine vita Hieronymi bei-
gegeben. Eine Beurteilung der Litteratur findet sich bei Zöckler p. 9. ß) Spezielle
Darstellungen. A. Luebeck, Hieronymus quos noverit scriptores et ex quibus hauserit,
Lei]». 1872; J. Chapman, St. Jerome and Rome (Dublin Review 1898 Jan.).
Biographische Zeugnisse, er) Geburtsort. De vir. ilL 135 Hieronymus, natus
patre Eusebio, oppido Stridonis, quod a Gothis eversum Dalmatiae quondam Pannoniaeque
eonfinium fuit, lieber die Lage von Stridon vgl. F. Buliö, Wo lag Stridon, die Heimat
des hL Hieronymus? (Festschr. fOr 0. Benndorf, Wien 1898, p. 276), der auf Grund eines
Terminationssteines Stridon in Grahovo polje wiederfindet. Der Ort liegt aber in Dalmatien,
und einen Dalmatiner nennt ihn Palladius bist. Laus c. 125. ß) Geburts- und Todesjahr.
Nach Prosper (Ghron. min. 1, 2 p. 451) f&Ut sein Geburtsjahr unter die Konsuln Baasus und
Ablavins, also in das Jahr 331. Im Zusammenhang damit scheint zu stehen die Alten-
angabe beim Todesjahr, das ins Jahr 420 mit folgenden Worten gelegt wird: Tlieodoaio Villi
et Qmstantio III (a. 420): Hieronymus presbyter moritur anno tieiaii» suae XCI ftid. KaL
Octobris, Das Jahr 331 wird in der Schrift Divum Hieronymnm oppido Stridonit m t^ion»
interamna pduraköz] Hungariae anno 331 p. Chr. natom esse propognftt J. D^nkö.- V*'"«
1874 verteidigt Gegen dieses Jahr sprechen mehrere Stellen bei ffiew«*"""* ■■
müssen weiter hinabgehen. Im Commentar in Abacuc 2, 8 (26, 1829 1
sich bei dem Tode Julians (363) als adhue puer and als ZOgling dl^
Wenn wir annehmen, dass er damals 15 Jahre alt war, BO -wtre f
vgl. A. Schoene, Die Weltchronik des Eosebios, BerL 1900^ p. 281
Rom. Hieronym. z. J. 2370 = 353 (2 p. 195 Seh.) Vidarimm rM
V Bußn. ApoL in Hieronym. 2, 8 (21 Sp. 589 li.V
390 HieronymuB. (§972.)
maticiM praeeepior meus Bomae insignes hdbeniur, e quibus Vict4>riniis etiam Hatuam in
foro Traiani mefmit, Hieronymos wird das Jahr gewählt haben, in dem er von Donat
in seine Grammatikerschale anfgenonmien wurde; vgl. Schoene p. 235. Ueber die Au-
toren, die er in der Schale kennen lernte, gibt eine an seinen Mitschfller Rufinoa gerichtete
Stelle (contra Rufin. 1, 16; 23, 410 M.) Aafschlass: Puto quod puer legeris Aspri in Ver-
gilium et SaUustium commentarios, Vulcatii in orationes Ciceronis, Victorini in dialogot
eius et in Terentii comoedias praeceptoris mei Donati, aeque in Vergilium et aliorum in I
alios: Plautum videlicet, Lucretium, Flaccum, Persium atque Lucanum; vgl. Lnebeck,
HieronymuB quos noverit scriptores etc. Von seinem rhetorischen Unterricht spricht er
öfters; vgl. epist. 48, 13 (22, 501 M.); 60, 8 (22, 593 M.); 22, 2 (22, 395 M.); contra Rafinom
1, 30 (23, 422 M.). d) Taafe and sittliche Verirrangen. Die Taofe empfing er in
Rom ; vgl. epist. 16, 2 (22, 358 M.) ego .... Christi vestem in Romana urhe suscipiens. üeber
seine sittlichen Yerimingen vgl. epist. 7, 4 (22, 340 M.) scitia ipsi lubricum adoUseentiae
iter, in quo et ego lapsus sum, et vos non sine timore transitis. s) Reise nach Gallien.
Epist. 3, 5 (22, 334 M.) et cum post Romana studia ad Rheni semtbarharca ripas eodem
cihOf pari frueremur hospitio, ut ego primus coeperim velle te {Christum) colere. 5, 2 (22,
337 M.) interpretationem quoque psalmorum Davidicorum et prolixum valde de synodU
lihrum sancti Hilarii, quem ei (Rufino) apud Tretiros manu mea ipse descripseram^ ut
mihi transferas peto. C)Aafenthalt inAqaileia. Daas Hieronymas in Aqaileia gewesen
and mit einem IVeandeskreis dort verkehrte, ergibt sich aas Briefen, die er an diese Frennde
richtete; z. B. gedenkt er seines Zasammenlebens mit Ghrysogonus, der als monachits AquU
leiae bezeichnet wird (epist. 9; 22, 342 M.). Sein Interesse an dem Kreise erhellt aach ans
der Notiz in der Ghronik: z. J. 2390 = 373 (2 p. 198 Seh.) Aquileienses clerici quasi chorut
beatorum habentur. Nach Schoene (p. 226) hat Hieronymas dieses Jahr gewählt, weil
wahrscheinlich der Verein in diesem Jahre sich auflöste, indem die meisten Mitglieder sich
nach dem Orient begaben, t]) Reise nach Antiochia and erstes Eremitenleben.
Epist. 3, 3 (22, 333 M.) postquam me a tuo (Rufini) latere subitus turbo convulsit, postqwm
gluiino caritatis haer entern impia distraxit avtüsio: tunc mihi caeruleus supra caput astitü
imber: tunc maria undique et undique coelum, Ueber die Ursachen seiner Entfernung ans
Italien vgl. Zöckler p. 40; Grtltzmacher p. 146. Ueber die Reise vgl. epist. 3, 3 (22,
333 M.) tandem in incerto peregHnationis erranti, cum me Thracia, Pontus atque Bi-
thynia totumque Galatiae et Cappadociae iter et fervido Cilicum terra fregisset aestu, Stfria
mihi velut fidissimus naufrago portus occurrit. Ubi ego quidquid morborum esse poterat
expertus. Sein Ziel war Jerusalem; vgl. epist. 22, 30 (22, 416 M.) Jerosölymam militaturm
pergerem. Krankheit hielt ihn in Antiochien zurück, wo er die Gastfreundschaft des Eoa-
gnus genoss; vgl. epist. 3, 3 (22, 333 M.). Ueber seine Beziehungen zu Apollinarius von
Laodicea vgl. epist. 84, 3 (22, 745 M.) Apollinarium Laodicenum audivi Antiochiae frequenter
et coluif et cum me in sanctis scripturis erudiret, numquam illius contentiosum super sensu
dogma suscepi. Schoene (p. 243) will diesen Verkehr mit Apollinarius dem zweiten Auf-
enthalt des Hieronymus in Antiochia zuweisen; vgl. dagegen Grützmacher p. 150 Ajmi. 2.
Ueber seine Ausbildung im Griechischen vgl. Rufin. Apol. in Hieronym. 2, 9 (21 Sp. 590 M.)
ante quam converteretur (d. li. vor dem Entschluss des Hieronymus, in den Orient zu ziehen
und sich dem asketischen Leben zu widmen), mecum pariter et litteras Graecas et linguam
penitus ignorabat; zur Interpretation der Stelle vgl. Schoene p. 239. Ueber seinen Auf-
enthalt in der Wüste Chalcis vgl. epist. 5, 1 (22, 336 M.) in ea mihi parte eremi commo-
raniiy quae iuxta Syriam Saracenis iungitury dilecHonis tuae scripta perlata sunt. Ueber
die Erlernung des Hebräischen vgl. epist. 125, 12 (22, 1079 M.). Ueber die kirchlichen
Streitigkeiten in Antiochia und seine Stellung zu denselben vgl. seine Briefe an Papst
Daniasus 15 und 16, über deren Chronologie vgl. Rauschen, Jahrb. der christl. Kirche,
Freib. i. Br. 1897, p. 34; über seinen Entschluss, die Wüste zu verlassen, vgl. den 17.
Brief an Marcus. Rauschen setzt für den Aufenthalt in der Wüste 375 — 378, Schoene
(p. 238) 374—379 an. Dass er von Paulinus in Antiochia die Priesterweihe empfangen,
sagt er in seiner Schrift Contra Joannem Hierosolymitanum c. 41 (23, 392 M.), wo zugleich
die Bedingung angegeben ist, unter der er sie empfing; vgl. Rauschen p. 56 Amn. 3.
^) Hieronymus in Constantinopcl. Sicherlich war Hieronymus während des Concils,
das im Jahre 381 stattfand, in Constantinopel ; denn nach de vir. ill. 128 hört er einen
Teilnehmer an dem Concil, Gregor von Nyssa, sein Werk gegen Eunomios bei Gregor von
Nazianz vorlesen; dass dieser sein Lelirer war, erhellt aus de vir. ill. 117. <) Hierony-
mus in Rom 382-385. In Rom fand ein Concil im Jahre 382 statt (vgl. Theodoret 5, 9),
an dem auch Hieronymus teilnahm; vgl. epist. 127, 7 (22, 1091 M.) cum et me Romam
cum sanctis pontificibus, Paulino et Epij)hanio, ecclesiastica traxisset necessitas. Ueber die
engen Beziehungen zwischen Papst Damasus und Hieronymus vgl. die Briefe des Hierony-
mus an Damasus 18, 20, 21, 36 und die des Damasus an Hieronymus 19, 35. Ueber das
Verhältnis des Hieronymus zu Marcella unterrichten die l^ B^veie (^%^ *i4, *iS, 26, 27, 28.
29, 32, 34, 37, 38, 40, 41, 42, 43, 44), die metonymxsÄ wcl «ve ^<!iÄesÄ\^«\:i. \!>^öö«t 'ws^'^
HieronymuB. (§ 97B.) 391
Besieliiuigeii xa Paula vgl. die Briefe 30, 33, 39 an sie. Charakteristisch fOr HieroDymaB
■t der Brief desselhen an Eastochium (22), die Tochter Paulas, über die Jungfräulichkeit.
Ueber die Bewegung, die sich in Rom gegen Hieronymus erhob, vgl. epist. 45. In seinem
kbadiiedschreiben an Asella (epist. 45, 2; 22, 481 M.) sagt er: Paene certe triennitim cum
f** 9ixi, Also reiste er 385 ab, da er 882 nach Rom kam. Vgl. noch ApoL in Rufin. 3, 22
!28, 478 M.) mense Augusto flantibus eiesiis cum sancto Vineentio preshyiero et adolescente
^^rairt H äliU monachis, qui nunc Hierosolymae commorantur, navim in Romano portu
feeurwu aacendi, maxima me sanctorum freqxientia proaequente. Ueber die Stellung des
Efieronymus zu Papst Damasus vgl. epist. 123, 10 (22, 1052 M.) cum in chartia eccleaia-
tftcM invarem Damctaum Romanae urbis episcopum et Orientis atque Occidentis synodicis
coKsuitationibua responderem. x) Reise nach Antiochia, Palästina, Aegypten und
Niederlassung in Bethlehem. Ueber die Reise liegt ein doppelter Bericht vor, die
Apologie in Rufinum 3, 22 (23, 473 M.) und epist. 108, 6 (22, 881 M.). Paula und Eusto-
cmnm blieben noch in Rom zurück (v^. epist. 45, 7), reisten aber noch in demselben Jahre
nach; vgl. Rauschen p. 217. Aus dem Reisebericht des Hieronymus heben wir aus Apol.
in Rufin. 3, 22): Veni Antiochiam, ubi fruitus sum communione pontificis confeasorisque Pau-
Kmi, et deductua ab eo media hieme et f rigor e graviaaimo intratd Hieroaolymam .... inde
ccntendi Aegyptum, luatravi monaateria Nitriae et inter aanctorum choroa aapidea latere
perspexi, Protinua concito gradu Bethleem meam reveraua aum. Ueber seinen fast 30tägigen
Aufenthalt in Alexandria und seinen Verkehr mit Didymus vgl. Rufin. Apol. in Hieronym.
2, 12 (21 Sp. 594 Migne); Hieronymus, praef. Gomm. in Osee (25, 819 M.), schreibt an Pam-
machiuB: Cum rogatu aanctae et venerabilia aocrua, immo matria tuae Paulae .... eaaem
Alexondriae, vidi Didymum et eum frequenter audivi, virum aui temporia eruditiaaimum,
rogavigue eum, ut quod Origenea non fecerat ipae compleret et acriberet in Oaee commen-
tario9, Dass die Reise von Antiochia gemeinschaftlich mit Paula und Eustochium er-
folgte, ergibt sich aus der Vergleichung beider Reiseberichte. Ueber die Gründung eines
Frauen- und Männerklosters und von Gastherbergen im Jahre 389 vgl. epist. 108, 14. Ueber
des Hieronymus Thätigkeit sagt Sulpicius Sever. dial. 1, 9 (p. 161 H.): Totua aemper in lec-
tione, totua in libria eat: non die neque noete requieacit; aut legit aliquid aemper aut acribit,
X) Origenistische Streitigkeiten (399—404); vgl. Zöckler p. 238. Ueber die Ver-
söhnung des Hieronymus mit Rufinus im Jahre 398 vgl. Apol. in Rufinum 3, 33 (23, 481 M.)
und dazu Zöckler p. 247 Anm. 2. Ueber den anderen origenistischen Gegner, Jobannes
von Jerusalem, vgl. epist. 82 an Theophilus von Alexandria (22, 736 M.) und die Schrift;
Contra Joannem Hierosolymitanum (28, 355 M.). Ueber die Aussöhnung mit Johannes
vgl. Zöckler p. 249 Anm. 1. Ueber den neuen Zwist mit Rufinus vgl. epist. 81 (22, 735 M.),
die Rechtfertigungsschrift des Rufinus an Anastasius (21, 623 M.), die Streitschriften Apol.
in Hieronym. 1. 2 (21, 541 M.) und die des Hieronymus Apol. in Rufin. 1. 3 (23, 397 M.).
fi) Streit mit Vigilantius und pelagianische Streitigkeiten. Ueber den Streit
mit Vigilantius vgl. epist. 109 und die Schrift Contra Vigilantium (23, 339 M.). Ueber den
Streit mit Pelagius geben Aufschluss epist. 133 ad Gte8ij>hontem und der Dialogus contra
PelagianoB 1. 3 (23, 693 M.). Augustin. de gestis Pelagii c. 66 (44, 358 M.) a neacio quo
cuneo perditorum, qui valde in perveraum perhibentur Pelagio auffragari, incredibili au-
daeia perpetrata dicuntur, ut Dei aervi et ancillae ad curam aancti Hieronymi preabyteri
pertinentea aceleratiaaima caede afficerentur, diaconua oeeideretur, aedificia monaateriorum
ineendereniur , vix ipaum ab hoc impetu atque incurau impiorum in Dei miaericordia
turria munitior tueretur; vgl. auch die Briefe des Papstes Innocenz I. (402—417) 136
und 137.
973. Die Schriftstellerei des Hieronymus. Während seines Lebens
entfaltete Hieronymus eine ungemein grosse Schriftstellerei. Da er kein
kirchliches Amt bekleidete, konnte er alle seine Kraft der litterarischen
Wirksamkeit widmen. Wegen des ümfangs seiner schriftstellerischen
Produktion müssen wir bestimmte Gruppen seiner Werke unterscheiden.
Wir beginnen a) mit den historischen Schriften, gehen dann ß) zu
seiner Revision und üebersetzung der hl. Schrift über; daranreihen
sich naturgemäss y) die exegetischen Schriften; auf diese lassen
wir 3) die dogmatisch polemischen Arbeiten und Uebersetzungen
dogmatischer Werke folgen; als letzte Rubrik werden unter e) Homi-
lien und Briefe erscheinen. Für die Chronologie gibt Hieronymus selbst
einen Stützpunkt; in seiner 392 abgefassten Schrift über die berühmten
Schriftsteller der Kirche führt er sich selbst iiv A^t 7i«Jc\ ^^x kxÄ^ft^ä^ ^»i
3 92 HieronymuB. (§ 974.)
und verzeichnet die Werke, die bis 392 von ihm erschienen waren. Damit
scheiden sich die Werke des Hieronymus in zwei Zeitklassen; die eioe
umfasst die Schriften vor der Herausgabe des Schriftstellerkatalogs, die
andere die, welche nach derselben erschienen sind.
Zeugnisse über die Schriftstellerei des Hieronymus. De vir. ill. 135 Hienh
nymus, natus patre Eusebio, oppido Stridonis, quod a Gothis eversum Dalmatiae quondam
Pannoniaeque canfinium fuit, usque in praesentem annum, id est, Theodosii principis quar-
tum decimum, haec scripai: Vitam Pauli tnonachi, Epistularum ad diverses lAnim
unum, Ad Heliodorum exhortatoriam, Altercationem Luciferiani et Orthodoxie
Chronicon omnimodae historiae. In Jeremiam et Ezechiel homilias OrigenU
viginti octo quas de Graeco in Latinum verti, De Seraphim, De Osanna, De frugi
et luxuriöse filiis, De tribus quaestionibus legis veteris, Homilias in Canti'
cum Canticorum duas, Ädversus Helvidium de Mariae virginitate perpetua^
ad Eustoehium De virginitate servanda, Ad Marcellam epistularum librum unum^
Consolatorium de morte filiae ad Paulam, In epistulam Pauli ad Galatas com-
mentariorum libros tres, item In epistulam ad Ephesios commentariorum libros tret^
In epistulam ad Titum Hbrum unum, In epistulam ad Philemonetn lihrum uwm,
In Ecclesiasten commentarios, Quaestionum Hebraicarum in Genesim lihrum uwum,
De locis Hbrum unum, Hebraicorum nominum Hbrum unum. De Spiritu Saneto
Didymi, quem in Latinum transtuli, Hbrum unum, In Luc am homilias triffinta navem,
In Psalmos a decimo usque ad sextum decimum tractatus Septem, Captivum Monachum^
Vitam beati Hilarionis; Novum Testamentum Graecae fidei reddidi, Vetus iuxta Et-
braicum transtuli; Epistularum autem ad Paulam et Eustoehium, quia cottidit
scribuntur, incertus est numerus. Scripsi praeter ea In Mi che am explanationum liJbn»
duoSf In Kaum Hbrum unum, In Abacuc libros duos. In Sophoniam Hbrum unum.
In Aggaeum Hbrum unum, muUaque alia de opere prophetali, quae nunc habeo in manu
bus, et necdum expleta sunt, lieber spätere Zusätze vgl. unten p. 405. Im allgemeinen ist
die Anordnung eine chronologische. Prolog, in Jonacomm. (25, 1117 M.) triennium circUer
fluxit, postquam quinque prophetas interpretatus sum, Michaeam, Nahum, Abacuc, Sopho-
niam, Aggaeum, et alio opere detentus non potui implere quod coeperam: scripsi enim lihrum
de illustrihus viris et adver sum Jovinianum duo volumina: apologeticum quoque et de optimo
genere interpretdndi ad Pammachium et ad Nepotianum vel de Nepotiano duos libros ä
alia quae enumerare longum est.
Zur äusseren Herstellung der Schriften. Im Prolog des Commentars zum
Galaterbrief heisst es (26, 309 M.): Accito notario vel mea vel aliena dictavi, nee ordinis,
nee verhorum interdttm, nee sensuum memoriam retentans. Ebenda, Prol. zu lib. 3 (Sp. 400)
accito notario auf sfatim dicto quodcumque in buccam veneritj aut si paululum voluero
cogitare melius aUquid prolaturus, tunc me tacitus ille reprehendit, manum contrahit, frontem
rugat et se frustra adesse toto gestu corporis contestatur. Dass fQr den Stil das Diktieren
weniger günstig ist, sagt er Comm. zu Abdias (25, 1118 M.): Aliud est saepe stüum
vertere et quae memoria digna sunt scribere; aliud notariorum articulis praeparatis, pudere
reticendi dictare quodcumque in buccam venerit.
Zur Veröffentlichung der Schriften. Epist. 49, 2 (22, 511 M.) statim ut aU-
quid scripsero, aut amatores mei aut invidi diverso quidem studio, sed pari certamine in
vulgus nostra disseminant.
tt) Historische Schriften.
974. Die drei Mönchslegenden. Hieronymus hatte sich einmal vor-
genommen, ein kirchenhistorisches Werk zu schreiben; es sollte die Zeit
von der Ankunft des Erlösers bis auf die Tage des Hieronymus um-
schliessen; wie es scheint, sollte das persönliche Moment darin besonders
berücksichtigt werden. Das Werk kam nicht zur Ausführung. Einen
kleinen Ersatz dafür bieten uns drei Mönchsbiographien. Die Legende
hatte sich wie früher um die Märtyrer, so jetzt um die Eremiten ge-
schlungen; Erzählungen über ihr Leben in der fernen Wüste gingen von
Mund zu Mund, und durch die dichterische Phantasie einzelner hatte der
Sagenstoif im Volke bestimmte Formen angenommen. Bei der grossen
Begeisterung, welche Hieronymus iür öie k^e^«»^ \i^^^^ n^^x <b% xsaiCsi:^^^
meronymuB. (§ 974.) 393
er auch dieses Gebiet litterarisch bearbeitete. Vor allem glaubte
Autor, seinen Blick auf den Begründer des Mönchswesens richten zu
BoUen. Freilich war es strittig, wer diese Institution geschaffen; manche
erachteten als den Schöpfer derselben Antonius, während Hieronymus
diesen Ruhm für Paulus vom ägyptischen Theben in Anspruch nahm.
IMe Geschichte dieses Mönches ist einfach. Die decianische Verfolgung
liatte ihn in die Wüste getrieben. Er gelangte zu einem von Höhlen
darchzogenen Berg, in denen früher Falschmünzer ihr Gewerbe getrieben
hatten. Er fand eine Höhle mit einem Palmbaum und einer Quelle; der
erste konnte ihm Speise und Kleidung, die andere den Trank gewähren.
Er liess sich daher in derselben nieder und lebte viele Jahre in Gebet
Qnd Askese. Auch Antonius hatte in der Wüste seinen Wohnsitz ge-
nommen und es zu einem hohen Grad christlicher Vollkommenheit ge-
bracht. Da ward ihm eine Vision, durch welche ihm kund gegeben wurde,
dass ein noch vollkommenerer Mönch in der Wüste lebe, den er aufsuchen
solle; Antonius folgte der Vision und gelangte wirklich in wunderbarer
Weise zu dem angekündigten Mönch. Es war Paulus. Dieser betrachtete
den Fremden als einen von Gott gesandten Boten, der ihn zur ewigen Ruhe
bestatten solle, da die Stunde der Auflösung gekommen sei. Doch wollte
Paulus mit dem Mantel des hl. Athanasius begraben sein; er forderte da-
ber den Antonius auf, denselben von seinem Kloster zu holen. Auch dies
geschah. Als aber Antonius zurückkam, fand er den greisen Einsiedler
tot. Er bestattete ihn, wobei ihm zwei Löwen Dienste leisteten. Die
aus Palmblättem gefertigte Tunika des Paulus nahm er mit sich, um sie
Ostern und Pfingsten zu tragen. Das Büchlein war für das grosse Publi-
kum bestimmt, und es musste daher ein schlichter Ton angeschlagen
werden. Allein ganz konnte der Verfasser seine rhetorischen Künste doch
nicht lassen; die Vergleichung des armen Paulus und der reichen Prasser
spielte ihm eine schöne Antithese in die Hand und einen wirkungsvollen
Schluss; denn er bittet, des Hieronymus zu gedenken, der, wenn er die
Wahl hätte, doch lieber die Tunika des Paulus mit seinen Verdiensten
als die Purpurgewänder der Könige mit ihren Strafen wählen würde.
Die decianische Verfolgung wird durch episodische Erzählungen illustriert.
Ohne wundersame Begebenheiten und ünwahrscheinlichkeiten geht es bei
der Darstellung nicht ab; allein der Autor verlangt Glauben für seine Er-
zählung und bemerkt, dass den Gläubigen nichts unmöglich erscheine. Als
das Büchlein fertig war, sandte er es an den alten Paulus von Concordia.
Was die Chronologie anlangt, so steht die vita Pauli im Katalog der
hieronymianischen Schriften an erster Stelle, sie wird in seinen ersten
Wüstenaufenthalt gehören, also gegen Ende der siebziger Jahre des vierten
Jahrhunderts entstanden sein. Etwa im Jahre 390 folgten zwei andere
Biographien. Die eine zeigt eine eigentümliche Kompositionsform, indem
der Einsiedler seine Lebensgeschichte selbst erzählt. Hieronymus hatte
bei seinem ersten Aufenthalt in Antiochien den in Maronia lebenden Ere-
miten Malchus kennen gelernt und aus seinem Munde seinen wunder-
baren Lebenslauf vernommen. Als Greis erzählt er das, was er in
seiner Jagend gehört hatte. Der Lohn fiir d\e E.ev)LÄe\v\Ä\\. \&\» ^^^ ^^x^
I
394 HieronymuB. (§ 974.)
der Legende. Malchus war in die Hände der Sarazenen gefallen; sie
schleppten ihn mit sich. Sein Herr zwang ihn, die Schafe zu hütea;
auch sollte er eheliche Gemeinschaft mit einer Mitsklavin fuhren ; sie wir
eine Frau, deren Mann noch am Leben war. Malchus wollte lieber in den
Tod gehen, als sich eines Ehebruchs schuldig machen. Da schlägt die k
Mitsklavin, die ebenfalls eine Christin war, ihm vor, eine Scheinehe zn '
fuhren und beiderseits die Keuschheit zu bewahren. Später ergreift du
Paar die Flucht, wird aber von dem Herrn und einem Diener verfolgt
und am dritten Tage eingeholt. Malchus und seine Genossin flüchten dck
in eine Höhle, und da geschieht das Wunder, dass eine Löwin sich ans
derselben erhebt und Herrn und Diener vor ihren Augen zerfleischt,
Malchus und seine Mitsklavin unversehrt lässt, ja sogar ihnen die Höhle
abtritt. Auch die Kamele der Verfolgenden bleiben verschont. Malchiu
und seine Genossin können sie benutzen, um in das römische Gebiet zu
gelangen. Gerettet bringen beide den Rest ihres Lebens in Klöstern zu.
War offensichtlich Malchus fQr die Bewahrung seiner Keuschheit belohnt
worden, so hatte er andererseits durch eigene Schuld die Leiden sich zu-
gezogen, da er nach dem Tode seines Vatera aus dem Kloster in die
Heimat eilte, um seinen Erbteil zu holen und einen Teil desselben zwar
dem Kloster und den Armen zu geben, den anderen aber gegen die Ordens»
regel fQr seine eigenen Bedürfnisse zu reservieren. Der rhetorischen
Zuthaten und Künsteleien entbehrt auch diese Biographie nicht; der Ein-
druck wird dadurch geschwächt; nur eine ganz schlichte und einfache
Rede war hier am Platz. In der anderen, der ausführlichsten Biographie,
schildert Hieronymus das Leben Hilarions, der das Mönchtum in Palä-
stina begründete. Er leitet sie ein mit der Anrufung des hl. Geistes:
denn er ist sich der Schwierigkeit seiner Aufgabe bewusst und erinnert
sich der Worte Sallusts, dass die Wertschätzung des Helden von der
Kunst seines Biographen abhänge. Zwar hatte der Bischof Epiphanius
von Salamis auf Cypern in einem kurzen Briefe, der vielfache Verbreitung
fand, das Lob des Heiligen gesungen, allein dieser Brief konnte doch
nicht einen Lebensabriss ersetzen. Der Autor beginnt denselben damit,
dass er zuerst die Familienverhältnisse seines Helden darlegt. Er wurde
in einem Orte bei Gaza von heidnischen Eltern geboren; es spross also,
wie der Autor sagt, aus den Dornen eine Rose hervor. Seine Ausbildung
erhielt er in Alexandria. Er suchte den berühmten Mönch Antonius in
der Wüste auf und Hess sich von ihm in der Askese unterweisen; der
Entschluss nämlich stand bei ihm fest, ebenfalls ein Mönchsleben zu führen.
In der Wüste seiner Heimat trat er, damals 15 Jahre alt, in den Mönchs-
stand. Die Biographie schildert alsdann seine Versuchungen, seine Lebens-
weise und seine Wunderthaten. Die zahlreichen Heilungen und Aus-
treibungen von bösen Geistern hatten den Ruf des Heiligen so verbreitet,
dass grosse Massen Volkes zu ihm strömten und er nicht mehr in der
Einsamkeit lebte; er beschloss daher, in die Ferne zu ziehen, um wieder
die Einsamkeit zu gewinnen. Allein überall, wo er hinkam, lenkte er
durch neue Wunderthaten wiederum die Aufmerksamkeit auf sich; so
führte er ein unstetes Wanderleb^iv, bVs et «tiÄxda. ^\ii Qr^^^^xiL <i\A ^^
HieronymuB, (§ 975.) 395
mochte Einsamkeit und 371 den Tod fand. Man sieht, wie das eine Fun-
dament des antiken Romans, das Reiseabenteuer, hier in das Heiligen-
leben hineingetragen wird. Es ist nicht wahrscheinlich, dass dies erst von
Sieronymus geschehen; vielmehr ist zu vermuten, dass ein griechischer
IBrzähler bereits den Versuch gemacht hatte, die Wunderthaten des Hei-
ligeiiy welche die Sage an verschiedenen Orten auf seine Anrufung Gottes
liin sich abspielen liess, dadurch miteinander zu verbinden, dass er den-
selben persönlich an diesen Orten erscheinen liess. In dieser Erzählung
herrscht ein viel ruhigerer Ton als in den beiden anderen, und auch dar-
aus möchte man auf ein griechisches Original schliessen.
Eine Kirchengeschichte. Vita Malchi c. 1 (23, 53 M.) scribere disposui .... ab
adventu Salvatoris uaque ad noatram aetatent, id est ab apostolis usque ad nostri temporis
fecem^ quomodo et per quos Christi ecclesia nata sit et adulta, persecuiionibus creverit et
mariyri^ caranata sit et postquam ad christianos principes venerit, potentia quidem et
divUiis maior, sed virtutibus minor facta sit,
Vita Pauli. An den zu Concordia lebenden Paulus schreibt Hieronymus (epist.
10, 8; 22, 344 M.): Misimus tnterim te tibi, id est Paulo seni Paulum seniorem, in quo
9inopter simpliciores quosque multum in deiciendo sermone laboravimus, Prolog zur Tita
Hilmrionis (23, 29 M.) ntaledicorum voces contemnimuSf qui olim detrahentes Paulo meo, nunc
forte detrahent et Hilarioni. Vita Pauli c. 6 haec incredibilia videhuntur his, qui non cre-
dunt omnia possibilia esse eredentibus. Bidez (Deux versions grecques in^dites de la Vie
de Paul de Thöbes, Gand 1900) hat nachgewiesen, dass die vita Pauli auch in zwei grie-
chischen üebersetzungen vorliege, von denen die eine (a) sich als wttrdige Uebersetzung
des lateinischen Textes darstelle, die andere (b) als eine Bearbeitung der Uebersetzung a.
Gegen Nau, Le texte grec original de la Vie de S. Paul de Thöbes (Analecta Bollandiana
20 (1901) p. 121), der umgekehrt b als das Original, die lateinische Vita als Uebersetzung
betrachten will, wendet sich mit Recht M. A. Kugener, Saint Jeröme et la Vie de Paul
de Thöbes (Byzantin. Zeitschr. 11 (1902) p. 513). Hieronymus hat die Vita des Antonius
Ton Athanasius in der lateinischen Uebersetzung des Euagrius mehrfach benutzt. — Ausg.
bei Vallarsi 2 Sp. 1; Migne 23 Sp. 17.
Vita Malchi. Ueber die Composition und den Zweck der Schrift vgl. c. 10 haec
fnihi senex Malchus adolescentulo retulit. Haec ego vobis narravi senex, castis historiam
eastiiaiis exposui. Virgines castitatem cusfodire exhortor, Hieronymus führt in seinem
Katalog den Captivus monachus, d. h. vita Malchi, und die vita beati Hilarionis nach In
Fäalmos an. Vallarsi schreibt die beiden Biographien dem Jahre 390 zu. Nach dem
Katalog ging die vita Malchi der vita Hilarionis voraus. — Ausg. bei Vallarsi 2 Sp. 41 ;
Migne 23 Sp. 53. — Van den Ven, S. Jöröme et la Vie du meine Malchus le Gaptif,
■Lonvain 1901, der den griech. Text der Vita ediert und die Priorität des lateinischen erweist.
Vita Hilarionis. Ueber das Verhältnis der vita zum Panegyricus des Bischofs
Epiphanius vgl. Prolog. 1 quamquani sanctus Epiphanius Salaminae Cypri episcopus, qui
cum Hüarume plurimum versatus est, laudem eius brevi epistola scripserit, quae vulgo
legitur, tarnen aliud est locis communibus laudare defunctum, aliud defuncti proprias nar-
rare virtutes, Ueber das Sagenhafte vgl. c. 40 hoc Epidaurus et omnis illa regio usque
hodie praedicat matresque docent liberos suos ad memoriam in posteros transmittendam.
Ueber das Motiv der Wanderung Hilarions vgl. c. 43 disseminaverat hoc de eo rumor, diu
eum in eodem loco manere non posse, Quod ille non Imitate quadam aut puerili sensu
victus faeiebat, sed honorem fugiens et importunitatem; semper enim silentium et vitam
ignobüem desiderabat. — Israäl, Die Vita S. Hilarionis des Hieronymus (Zeitschr. für wiss.
Theol. 23 (1880) p. 129). Ausg. bei Vallarsi 2 Sp. 13; Migne 23 Sp. 29.
Litteratur. J. H. Reinkens, Die Einsiedler des hl. Hieronymus in freier Bcnr-
beihing dargestellt, Schaffhausen 1864. Ueber die Biographie Hilarions vgl. Zock 1er, Neue
Jahrb. fOr deutsche Theol. 3 (1894) p. 146.
976. Die Nekrologe. An die Mönchslegenden reihen sich natur-
gemäfis die Nekrologe an, welche Hieronymus in Briefform verfasst bat.
Einige derselben sollen hier kurz besprochen werden. Unter den adeligen
Frauen Roms, mit denen Hieronymus in Verkehr kam, ragte besonders
Marcella hervor. Nach siebenmonatlicher Ehe war sie Witwe geworden;
sie entachlosa sieb, in dem christlichen ^ilwenaVÄiA txv N«^^^«^^ ^«»^^
396 HieronymuB. (§ 975.)
schlug deshalb einen glänzenden Heiratsantrag, der ihr gemacht wurde, aoi.
Sie war es, welche das mönchische Leben in die adelige römische Fraueiw
weit einführte und selbst ein Muster der Askese darstellte; doch hielt sae
auch für geistige Interessen ihre Augen offen. Sie forschte eifrig in
der hl. Schrift, und Bibelstudium brachte sie in engere Verbindung mit t.'
Hieronymus, von dem sie sich gern über strittige Stellen belehren li^
Auch nachdem Hieronymus sich nach Bethlehem zurückgezogen hatte,
hielt Marcella die Beziehungen zu ihm aufrecht. Für ihren männlichen
Geist spricht, dass sie sich an dem origenistischen Streite aktiv beteiligte
und der Sache des Hieronymus zum Siege verhalf. Als Marcella im Jahre
410 gestorben war, ersuchte Principia, die mit der Dahingeschiedenai
lange Zeit zusammengelebt hatte, den Kirchenvater, einen Nekrolog auf
die gemeinsame Freundin zu schreiben. Es verstrichen zwei Jahre, bis
Hieronymus die an ihn gestellte Bitte erfüllte. Er schrieb den Nekrolog
in Form eines Briefes an Principia. Noch inniger waren die Beziehungen
des Hieronymus zu Paula, die ebenfalls einem vornehmen römischen
Adelsgeschlecht entstammte, und zu ihrer Tochter Eustochium. Als |
Hieronymus Rom verlassen musste und zum zweitenmal nach dem Orient
zog, folgten ihm Mutter und Tochter nach und machten mit ihm eine Reise
zu den hl. Stätten des Morgenlandes; auch Hessen sie sich mit Hierony-
mus 386 zu Bethlehem im klösterlichen Leben dauernd nieder. Hier war
es, wo Paula am 26. Januar 404 vom Tode erreicht wurde. Der Schmerz
über ihren Hingang war bei Hieronymus gross, und er brauchte einige 2ieit,
um für Eustochium das Büchlein über Paula zu schreiben. Dasselbe erzählt
die hl. Reise (c. 8) und beschreibt das klösterliche Leben in Bethlehem
(c. 19); auch ihr Tod und ihr Begräbnis wird mit lebhaften Farben ge-
schildert (c. 28, c. 29). Doch am meisten verweilt der Autor bei den
Tugenden der Dahingeschiedenen; er rühmt ihre Demut, Keuschheit,
Freigebigkeit und ihre leibliche Abtötung. Freilich muss er hierbei zu-
geben, dass die richtigen Grenzen manchmal von der Verstorbenen über-
schritten wurden. Auch das Bibelstudium i) der Mutter und der Tochter
wird hervorgehoben; hatten doch beide Hieronymus ersucht, mit ihnen
das alte und neue Testament zu lesen und ihnen die schwierigen SteDen
zu erklären ; ja Paula lernte sogar noch das Hebräische, um die Psalmen
in dieser Sprache singen zu können. Endlich weiss der Erzähler auch
ihre Abneigung gegen die Ketzer zu rühmen (c. 25); hierbei richtet er
einen Angriif gegen einen „Schlaukopf", welcher der Paula origenistische
Irrtümer beibringen wollte. Dadurch greift der Panegyrikus aktuell in
das kirchliche Leben ein. Nach Art des taciteischen Agricola fügt er am
Schluss eine Apostrophe an die Verstorbene bei ; auch ein für das Grabmal
bestimmtes metrisches Elogium wird beigegeben. An den Nekrolog auf
Paula reihen wir den auf Fabiola. Diese war zuerst mit einem Wüst-
ling verheiratet, Hess sich von ihm scheiden und ging dann gegen das
Verbot der Kirche eine zweite Ehe ein. Nach dem Tode des Mannes er-
kannte sie ihren Fehltritt und that öifentlich Busse. Sie machte dann
^) Interessant ist die Aeussening (c. 26): ' diceret fundamentum^magis tarnen sequdHtinr
Et cum amaret histariam et hoc reriiaii% \ intelUgcntlam %p\rvl\jia\tm.
Hieronymns. (§ 975.) 397
iBiiie Reise ins hl. Land; ihr Bibelstudium brachte sie in besonders nahe
Beziehung zu Hieronymus, der an sie zwei Briefe, einen (epist. 78) über
4ie Lagerstätten der Israeliten beim Auszug aus Aegypten und einen
(epist. 64) über die hohenpriesterlichen Kleider richtete. Ihre Werke der
Barmherzigkeit bieten dem Biographen reichen Stoff dar, ebenso ihr Be-
gräbnis, das in Rom eine grosse Kundgebung hervorgerufen hatte. Auch
diese Biographie, welche an Oceanus gerifehtet ist, klingt in eine Apo-
strophe an die Verstorbene aus. Einen etwas anderen Charakter haben
die zwei Stücke, zu deren Besprechung wir jetzt schreiten. Im Jahre 395
war die Tochter Paulas, Paulina, die mit dem vornehmen Pammachius
verheiratet war, gestorben. Erst nach zwei Jahren (c. 1) behandelte
Hieronymus diesen Todesfall in einem Schreiben an Pammachius. Da von
der Verstorbenen nicht viel zu berichten war, konnte er keinen Nekrolog
liefern; statt dessen gibt er eine Verherrlichung des Pammachius, der in
den Mönchsstand eingetreten war. Aehnlich lag die Sache beim Tode
des Nepotianus. Dieser war der Sprosse einer vornehmen Familie und
diente als Militär; allein er gab diese Laufbahn mit ihren glänzenden
Aussichten auf und wandte sich einem streng christlichen Leben zu.
Von seinem Oheim Heliodor, Bischof von Altinum, zum Priester geweiht,
f&hrte er ein erbauliches Leben, wurde aber sehr bald vom Tode dahin-
gerafft. Zu Hieronymus, der ihm eine Schrift „Ueber das Leben der
Kleriker und Mönche** gewidmet hatte, sah er mit Verehrung empor.
Auch hier reichte, wie man sieht, der Stoff nicht aus, um einen Nekrolog
zu schreiben; Hieronymus gab daher dem Briefe, den er an Heliodor
richtete, den Charakter einer Consolatio, in deren Mitte er den Lebens-
lauf des Verstorbenen schilderte. Das Trostschreiben ist sehr anziehend,
weil man sieht, dass Nepotianus wirklich in dem Herzen des Hieronymus
eine Stelle hatte. Seine Trostgründe sind von warmer Ueberzeugungstreue
getragen und gewinnen einen effektvollen Abschluss durch ein Bild der
traurigen Weltlage, der der Verstorbene entronnen ist.
Eine Eigentümlichkeit der hieronymianischen Nekrologe ist ihre
Einkleidung in die Form des Briefes. Dadurch bahnt sich der Schrift-
steller den Weg, aus dem Bericht in die Rede und aus dem Epitaphium
in die Consolatio oder in einen Panegyrikus auf den Adressaten über-
zugehen. Interessant ist es, dass Hieronymus sich mehrfach der Schul-
regeln erinnert, welche über das Epitaphium gegeben wurden, und dass
er mitunter seine Behandlung des Stoffes der in der Schultheorie üblichen
gegenüberstellt.
Das Epitaphium der Marcella (epist. 127). c. 1 saepe et multum flagitas, virgo
Christi Prineipia, ut tnemoriam sanctae feminae Marcellae litieris recolam. c. 14 haec ....
una et hrevi lucubratione dictavi, c. 1 neque vero Marcellam .... institutis rheiorum prae-
dicabo. Die Zeit des Epitaphium wird dadurch festgestellt, dass seit dem Tode der Mar-
cella, welcher im Jahre 410, als Alarich Rom erobert hatte (c. 12), eintrat (c. 14), nach
dem Zeugnis des Hieronymus (c. 1) ein Biennium verstrichen ist; also fällt das Epitaphium
in das Jahr 412. — Ausg. bei Vallarsi 1 Sp. 944; Migne 22 Sp. 1087.
Das Epitaphium der Paula (epist. 108). c. 32 hunc tibi (Eustochium) librum ad
duas lucubratiunculaa eodem quem tu sustines dolore dictavL Nam quotiescumque stilum
figere volui et opus exarare promissum, toties obriguerunt digiti, ceeidit manus, sensus
elanguit. ünde et ineuUa oratio votum scribetUis aüqus uOa äsgatUia et verborum lepore
testatur, c, 2 versicbert er anter feierHchan Annaf" ^^^omu «iftiSl ^M«rt>^A.iw>
398 HieronymuB. (§976.)
dientium loqui; vgl. auch c. 15 profiiear me nihil addere, nihil in maius attoüere mm\
laudantium, c. 20 te3t<^ .... me utramque in partem nihil fingere, sed qua^i Chriitiamm]
de Chrisiiana, quae sunt vera, proferre, id est, histariam seribere, non panegyricum et %Bim\
vitia aliorum eise virttUes, Die Abfassung der Schrift erfolgte zwar nicht unmittelbar nach
dem Tod der Paula, da der Schmerz noch zu gross war, aber doch nicht lange nach de»
selben, der nach c. 34 auf den 26. Januar 404 fiel. Das Epitaphium gehört also aichir
noch in das Jahr 404. — Ausg. bei Vallarsi 1 Sp. 684; Migne 22 Sp. 878.
Das Epitaphium der Fabiola (epist. 77). Ueber die Abweichung von den B^
geln der Schule in seiner Biographie, die mit der Busse Fabiolas beginnt, vgl. c. 2. üeb«
die Zeit der Abfassung vgl. den Eingang: er zählt den vierten Sommer, seitdem er d«
Epitaph auf Nepotianus geschrieben. Da dies anfangs 896 geschah, kommen wir auf S9I
als Abfassungszeit. — Ausg. bei Vallarsi 1 Sp. 453; Migne 22 Sp. 690.
Das Epitaphium der Paulina (epist. 66). Ueber die Zeit gibt der Eingang ia
Epitaphium der Fabiola Aufschluss. Dasselbe ist, wie wir sahen, 399 verfasst. Da um
zwei Jahre vorher das Epitaphium nach dem Eingang geschrieben wurde, fällt die Schrift
ins Jahr 397. - Ausg. bei Vallarsi 1 8p. 391; Migne 22 Sp. 639.
Das Epitaphium des Nepotianus (epist. 60). Epist. 77, 1 ad Heliodarum episcopum
Nepotiani scribens Epitaphium. Ueber die Zeit des Briefes geben Aufschluss die Woiie
(c. 16): Ecce tibi anno praeterito ex ultimis Caucasi rupibus immissi in nos nan iam An'
biae, sed Sepientrionis lupi tantas brevi provineias percurrerunt. Diese Worte weisen aif
den von Rufinus herbeigeführten Einfall der Hunnen im Jahre 395 ; also ist der Brief in
Jahre 396 geschrieben, c.l et sicut hi qui in brevi tabella terrarum situs pingunt, Ua m
parvo isto volumine cernas adumbrata, non expressa signa virttäum suscipi€tsque a nohii
non vires, sed voluntatem, — Ausg. bei Vallarsi 1 Sp. 329; Migne 22 Sp. 589.
976. Das Martyrologium Hieronymianum. Gelegentlich eines Con-
cils, das wegen der arianischen Häresie in Mailand stattfand, machte es sich
als eine Neuerung bemerklich, dass der Bischof Gregor von Cordova täglidi
in der Messe die Märtyrer erwähnte, deren Martyrium auf den betreffendes
Tag fiel. Der Kaiser Theodosius zeigte über diese Einrichtung grosse Freude;
auch in den Reihen der EirchenfQrsten regte sich das Interesse für diesen
Akt der Pietät. Die Bischöfe Chromatius von Aquileia und Heliodor von dem
benachbarten Altinum schrieben daher an Hieronymus, ihnen den berühmten
Festkalender aus dem Archiv des Eusebius von Caesarea zu übersenden.
Hieronymus kam dem Auftrag der Bischöfe nach; in welcher Weise dies
geschah, darüber erteilt er folgenden Aufschluss. Als Grundlage diente
ihm ein Werk des Eusebius, der eine Statistik der Märtyrer für die römi-
schen Provinzen auf Grund amtlichen Materials zusammengestellt hatte.
Allein das Werk war zu umfangreich, für die Bedürfnisse seiner Auftrag-
geber musste Hieronymus ein handliches Exemplar liefern; er traf daher
eine Auswahl, indem er für jeden Tag nur die berühmtesten Märtyrer
notierte. Lange hielt man die beiden Briefe, in denen diese Dinge er-
zählt werden, für das Machwerk eines Fälschers, allein in neuerer Zeit
hat sich eine gewichtige Stimme für ihre Echtheit erhoben. Den Brief
des Hieronymus kannte bereits Cassiodor; ein Grund, an die Spitze der
Compilation einen falschen Namen zu setzen, ist nicht recht ersichtlich.
Der Inhalt der Briefe ist, wenn man die Uebertreibungen in der Zahl der
Märtyrer bei Hieronymus nicht zu scharf urgiert, ohne wesentlichen An-
stoss. Wir werden demnach ein kurz gefasstes Martyrologium des Hierony-
mus, dem die zwei Briefe als Einleitung vorausgeschickt waren, anzu-
nehmen haben. Ein solches war zur Zeit Cassiodors vorhanden; ein be-
sonderes Kennzeichen desselben war, dass es die Apostelfeste auf einmal
angab. Da nun auch das überlieferte Martyrologium Hieronymianum dieses
Apostelverzeichnis enthält, wird der Sc\i\\xä^ ^<^^\ä.\X,^\. ^«vw^ ^'öää ^^vol^xs^W
Hieronymas. (§ 976.) 399
Bent auf Hieronymus zurückgeht. Dieses Martyrologium Hieronymianum,
lassen Orundstock ein orientalisches Martyrerverzeichnis war, wurde im
Laufe der Zeit erweitert, denn auch in der abendländischen Welt gab es
Hartyrerverzeichnisse von einzelnen Diözesen und Ländern; ein römischer
und ein karthagischer Martyrerkalender wurden in das Werk hinein-
gearbeitet. Seine definitive Gestalt erlangte es aber in Gallien, nach der
aiiien Ansicht in Auxerre, nach der anderen wahrscheinlicheren in Luxeuil.
Dies geschah gegen Ende des 6. oder zu Anfang des 7. Jahrhunderts.
Auf diese in Gallien zustande gekommene Recension gehen alle unsere Hand-
schriften zurück.
Das Martyrologium Hieronymianum ist darum von besonderer Wich-
tigkeit, weil es das universellste ist und den Osten und Westen der Kirche
mnscbliesst. Wegen seiner Quellen ist es für die Hagiographie und die
S^rchengeschichte ein Dokument hohen Ranges, dessen Benutzung aller-
dings durch die Ueberlieferung erschwert wird.
Die dem Martyrologium Hieronymianum vorausgesetzten Briefe des
Chromatius und Heliodor an Hieronymus und des Hieronymus an die Ge-
nannten. Zuerst hat Molanus (Usuardi Martyrologium, Löwen 1568, praef. c. 2) diese
Briefe ftlr unecht erklärt. Die Unechtheit wurde von Baronius (Annales a. 388, n. 101)
näher begründet Dagegen ist Mommsen in seiner Ausg. des Liber pontificalis p. XI,
Anm. 1 entschieden fOr die Echtheit eingetreten; vgl. auch Kr u seh, Archiv 26 p. 373.
Zur Geschichte der Martyrologien. Cassiodor. de inst. div. litt. c. 32 (70
8p. 1147 Migne) et ideo futurae beatitudinis memores vitas patrum, confeaaiones fidelium,
poMsUmes martyrum legite constanter, quaa inter alia in epistola sancti Hieronymi ad Chro-
maiium et Heliodorum destinata procul dubio reperitis, qui per totum orbem terrarum
flaniere, vt sancta imitatio vos provocans ad caeUsiia regna perducat. Gregor, epist. 8, 28
(77 Sp. 931 Migne) an Eulogius, Bischof von Alexandria: N08 autem paene omnium mar-
tfrum distinctis per dies aingülos passionibus collecta in uno codice nomina habemus atque
C€iidiani$ diebus in eorum vener atione missarum aoUemnia agimus, Non tarnen in eodem
mUmmine, quis qualiter sit passua, indicatur, sed tantummodo nomen, locus et dies passionis
panUur. Unde fit, ut multi ex diver sis terris atque provinciis per dies, ut praedixi, sin-
fyloB eognoscantur martyrio coronati. Sed haec habere vos beatissimos credimus. Die
Streitfrage ist, ob sich diese beiden Stellen auf das Martyrologium Hieronymianum beziehen.
Dnchesne behauptet dies, während Kruäch es leugnet, indem er sagt (Archiv 26 p. 371):
«Cassiodor hatte einen Brief des Hieronymus an Chromatius und Heliodor und kein Mar-
^rolo|^, Gregor I. zwar ein Martyrolog, aber nicht das Hieronymianum.* Wenn der Brief
des Hieronymus echt ist, wie Mommsen annimmt, so musste er, wie Krusch meint, eine
ansBchlieaslich auf Märtyrer beschränkte, ganz summarische Liste, eine perbrevis sanctorum
collectio enthalten haben; dieses Martyrologium sei aber verloren und nicht mit dem Mar-
tjTologinm Hieronymianum identisch. Schwierigkeit macht aber, dass, wie im Martyro-
lognim des Briefes, so auch im Martyrologium Hieronymianum die Apostel im ersten Teile
Eosammenstanden, nicht unter den einzelnen Tagen aufgeführt waren. Diese Schwierigkeit
wird nicht völlig durch den Einwand gehoben, dass die Apostelfeste auch noch an den ein-
seinen Tagen zu finden sind. Krusch sieht sich daher gezwungen (p. 376), es als möglich
sa erachten, dass das Apostel Verzeichnis aus dem Martyrologium des Briefes erhalten sei.
Weiterhin gibt Krusch (1. c.) jetzt zu, dass Cassiodor sich auf diesen Brief mit dem an-
gehängten Martyrologium beziehen könne. Der Brief, schliesst Krusch, sei von dem Com-
püator in betrflgerischer Absicht seinem Werke vorgesetzt worden, „um dem Kinde einen
ber&hmten Vater zu geben*.
Die Entstehungsgeschichte des Martyrologium wird von Duchesne (Ausg.
p.LXXy) also zusammengefasst: «Scilicet eo tempore quo praeclarorum virorum Theodosii,
Uhromati, Heliodori, Hieronymi nominibus uti commode possent homines ad sui ingenii
eommendandos fructus, exstitit in Italia superiori qui curam in se reciperet priscorum sanc-
torum memorias colligendi atque posteris recolendas transmittendi. Huic ad manum fuit
saecnli IV non ita senescentis martyrologium graecum, a Graecis ipsis cito oblivioni tradi-
tom, sed cuius opinamur aliquam figuram repraesentari posse, Latin! illlus et Syri brevia-
toris coUatis operibus. Jam patet ex Eusebio graecum martyrologum, quem Nicomediensem
foisse multa suadent, admodum profecisse, nempe libro de Palaestinensibus martyribna ei
CoüectioBe antiqaoram martyriorum; praeterea Alexandrumm eette, 1qx\a»i&« ^>Qa3fik ^^xioM^Di^
400 Hieronymos. (§ 976.)
nam kalendarium adhibuisse. Uli fundamento accrevit vetastissimam eccleaiae Romaine
kalendarium, quod et ipsom ad initia liberae christianitatis ascendere mamfestum est; deinde,
supplemento plus minusve ampliore, memoriae sanctomm Africanonim, Italorum, Hispan».
nun, Gallorum, ceterarurave provinciamm Occidentis. Ex onmibus istis scriptoris tndi-
tionibusve eos sanctos expiscatas est noster qui in amplissima festivitate in suis lacis facre.
Mox, sive primis curis slve secundis, Afrorum martyrum laterculos addidit, maltos et
copiosos. Congerie difficilis liber, idem mole minime onerosns, in Italia patria fatum tnfit
brevissiraum, de quo testes nisi Gassiodorura Gregoriumque pontificem nullos novirnos. Sed
transiit ad Gallos, apud quos tenue reliquit vestigium in studiis Turonensis Gregorü, mig-
num vero in labore anonymi illius Autissiodorensis clerici, a quo et gentilibus commen-
datus est et ad posteros propagatus, omnibus quotquot exstant similis consilii operibvs
fundamentum praebiturus." Diese Ausführungen sind besonders in zwei Punkten von KruBcli
bestritten worden; 1. er leugnet, dass die erste Form des Martyrologiom in Italien ent-
standen sei, und er leugnet weiterhin, wie bereits gesagt, die Beziehung der Casaiodor- und
Gregorstelle auf das Martyrologium Hieronymianum. 2. Er versetzt die Entstehung des Mar-
tyrologium nach Gallien wegen seiner gallischen Färbung, leugnet aber, dass es in Auzene
gegen Ende des 6. Jahrhunderts entstanden sei, sondern nimmt Luxeuil als Entstehuogsort
in Anspruch und die Jahre 627/28 als Entstehungszeit. Wieder eine ganz andere Ansicht Aber
die Entstehung finden wir bei Achelis. Wir heben einige entscheidende Sfttze heraus: p. 91:
, Schon diese Beobachtungen beweisen, dass die drei Kalender (römischer, karthag&cbei
und orientalischer) von verschiedenen Händen dem Martyrologium Hieronymianum zuge-
führt sind. Der römische in alter Zeit, die andern beiden später.* p. 93: «Die Aufnahme
des orientalischen Martyrologs (in der Zeit Justinians) ist der wichtigste Punkt in der Ge-
schichte des Martyrologium Hieronymianum. Bis dahin war es eine Urkunde gewesen, die
den Interessen einiger Provinzen diente; damals erhielt es universellen Charakter Bei
dieser Gelegenheit hat es auch seine Vorrede und seinen Namen erhalten. Denn der ge-
fälschte Briefwechsel des Chromatius und Heliodorus mit Hieronymus feiert die Aufiuüune
des orientalischen Kalenders.*' p. 210: „Man kann zwei Momente als die wicfatigsteD b
der Geschichte des Martyrologium Hieronymianum bezeichnen, den einen seiner ersten
Schöpfung, als von einem Unbekannten, der bald nach der Zeit des Bonifatius I. von Rom
gelobt haben muss, zuerst einige Kalender, die einen partikularen Charakter gehabt haben
werden, in Eins zusammengefasst wurden ; und den andern Moment, als dieser kombinierte
abendländische Kalender mit dem grossen orientalischen vereint wurde, was wohl in der Ge-
gend von Aquileia um 530 geschah .... Den Elrchenmann, der das Erste that, mag man
als den ersten Autor, den des Zweiten einen Redaktor nennen .... Und neben diesem eben
Redaktor stehen viele andere, die alle daran arbeiteten, das Martyrologium Hieronymianum
zu vergrössern, durch neue Kalender oder Passionen, oder durch Vergleichung anderer Hand-
schriften des Martyrologium Hieronymianum, so dass allmählich die Entstehungsgeschichte i
in die Verwüstungsgeschichte überging." Vgl. Chapman, Revue B^n^dictine 1903 p. 285.
Litteratur über die Entstehung des Martyrologium. Vgl. die Prolegomeni
in der Ausg. von De R o s s i und Duchesne. Im Anschluss an dieselben hat sich ein Streit
zwischen Duchesne und Krusch entwickelt; vgl. Krusch, Neues Archiv der Ges. für
ältere deutsche Gescbichtskunde 20 (1895) p. 437; Duchesne, Bulletin critique 1897 p. 301;
Krusch, Zur Afralegende und zum Martyrologium Hieronymianum (1. c. 24 (1899) p. 287:
p. 533); Duchesne, Analecta Bollandiana 17 (1898) p. 421; Krusch, Neues Archiv der
Ges. für ältere deutsche Geschichtskunde 26 (1901) p. 351; Duchesne, Analecta Bollan-
diana 20 (1901) p. 241. — H. Achelis, Die Martyrologien, ihre Gesch. und ihr Wert (Abb.
der Gott. Ges. der Wissensch. N. F. Bd. 3 No. 3, Berl. 1900).
Ueber die Quellen des Martyrologium vgl. Duchesne, Ausg. p. XLVH: ,S
additamenta quaedam excepcris, italica pleraque .... hieronymianum corpus tribus fere con-
stat elementis: Romano kalendario, Orientali martyrologio et Africanis laterculis*; vgl
auch Achelis p. 3; p. 91.
Ueberlieferung. De Rossi und Duchesne haben den Text des Martyrologiom
nach vierfacher Ueberlieferung gegeben: 1. nach dem cod. Bemensis 289 s. VIII; 2. nadi
dem Fragmentum Laureshamense aus cod. Vaticanus Palatinus 238 s. VIU/IX; 8. nach dem
Epternacensis, nunc Parisinus 10837 s. VlII und dem Breviarium Richenoviense, cod. Tori-
censis Hist. 28 s. IX mit den Excerpta o breviariis Hieronymianis sive puris sive mixtis
et ex raartyrologiis historicis; 4. nach dem Wissenburgensis-Guelferbytanus 23 s. VIII cum
cetcris (d. h. den Abweichungen) e progenie Fontanellensi. Die äussere Einrichtung ist die,
dass uns vier Kolumnen dargeboten werden. Dieselben reduzieren sich (p. 6) auf drei, dt
hier das Fragmentum Laureshamense aufhört; p. 146 auf zwei, da hier der Bemensis anfhfiii
Ausg. Martyrologium Hieronymianum ad fidem codicum adiectis prolegomenis ed.
J. B. de Rossi et L. Duchesne (Acta Sanctorum Novembris tom. 1 pars 1, BrUssel 1894).
Eine bündige und klare Uebersicht der Prole^omexi«. %\Vit 5. V^H\\., "D«c KatiuiUk 74^2 i
(1894J p. 314.
Hieronymos. (§ 977.) 401
977. Die Chronik des Hieronymus. Durch den Zug Alexanders
des Grossen wurden die Griechen mit der Geschichte und Chronologie
einer ganzen Reihe von orientalischen Völkern bekannt. Der angesammelte
ungeheuere Stoff verlangte nach einem einheitlichen Mittelpunkt, und dieser
fand sich in den Büchern des alten Testamentes. Als das Christentum
aufkam, musste das Bestreben noch kräftiger hervortreten, die profane
Geschichte mit der heiligen Geschichte in Beziehung zu setzen. Dadurch
dass man das Christentum als eine Fortsetzung des Judentums ansah, er-
hielt man auch für die neue Religion eine geschichtliche Grundlage, die
den Vergleich mit den ältesten Völkern der Erde nicht zu scheuen brauchte.
So entstand eine Chronographie mit christlichem Charakter, und der erste,
der dieses Gebiet mit nennenswertem Erfolge bearbeitete, war Julius
Afrikanus (221).^) Ihm folgte der Bischof von Caesarea Eusebius (ca. 265
bis 340), der Freund des Märtyrers Pamphilus; er verfasste ein chrono-
logisches Werk in zwei Büchern; im ersten Buch gab er die Geschichte
der verschiedenen Völker, indem er chronologische Uebersichten damit
verband; im zweiten Buch wurde die gesamte Weltgeschichte in syn-
chronistischen Tafeln vorgeführt. Die Grundlage bildete die mit der Ge-
burt Abrahams beginnende Aera; mit ihr verbanden sich die chrono-
logischen Systeme der verschiedenen Völker. Mit dem Jahre 325 n. Chr.
schloss das Werk. Das chronologische Handbuch des Eusebius ist uns
leider im Original nicht erhalten ; doch lässt sich dasselbe fast vollständig
restituieren. Die beiden Bücher wurden nämlich in das Armenische über-
tragen; diese armenische Uebersetzung schafft uns die Grundlage, die
nicht unbeträchtlichen griechischen Fragmente an dem gehörigen Orte
einzureihen. >) Von dem zweiten Buch, den Tabellen, fertigte Hieronymus
eine lateinische Bearbeitung an; mit ihr steht in engem Zusammenhang
die syrische Epitome des Dionysius Telmaharensis aus dem neunten Jahr-
hundert.*) Wenn wir die Differenzen genauer ins Auge fassen, durch
welche die armenische Uebertragung sich von der hieronymianischen Be-
arbeitung und der syrischen Epitome unterscheidet, so werden wir die
Entstehung des Unterschieds darin zu suchen haben, dass Eusebius sein Werk
zweimal herausgab, einmal vor und einmal nach seiner Kirchengeschichte,^)
und dass die ältere Ausgabe dem Armenier, die jüngere und verbesserte
dem Hieronymus und dem Syrer vorlagen. Was nun die Arbeit des
Hieronymus anlangt, so kam sie in Constantinopel in den Jahren 380/81
zu stände und ist den Freunden Vincentius und Gallienus gewidmet. <^) Er
diktierte das Buch einem Schreiber und ging eingestandenermassen sehr
tumultuarisch vor. Man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass
es dem Kirchenvater sehr darum zu thun war, die fertigen Tabellen mit
nach Rom zum Concil zu bringen.*) Wollte aber Hieronymus das Hand-
') üeber Venache vor AfrikantiB, einen
Synchronimnns zwischen der alttestament-
lichen and der profanen Geschichte hena-
stellen, vgl. Wachsmuth, EinL in das Stad.
der alten G^esch., Leipc. 1895, p. 155.
*) Schoene, Anag. 1 p. XII; Wdfc-
chroDik des EuaebittB p. 21,
Hmadbaah dw Umm. AltartoBinrtataMteft %
>) Eoaebii can. epitome ex Dionysii Tel-
maharenaiB chronico petita, vertenmt et ill.
C. Siegfried et H. GeUer, Leipz. 1884.
^) Sohoene, Wdichronä des Enaebioa
p.a7i
'. «. IL
402 Hieronymus. (§ 977.)
buch des Griechen Eusebius für den Westen brauchbar machen, so muaete
in demselben die römische Geschichte mehr berücksichtigt werden; er
fägte daher dem Abschnitt, der von Troias Fall bis zum Jahre 325 n. Chr.
reicht, Zusätze hinzu. Die Quellen, die er hierbei benutzte, lassen sidi
noch erkennen; es waren dies Eutrop, eine noch vorhandene römifiche
Stadtchronik aus dem Jahre 334, eine nicht näher bekannte latina historia
und ein historisches Werk von Pompeius' Tod bis zur Schlacht bei Aktium.
Am wichtigsten aber war, dass er auch die römische Litteratur berück-
sichtigte und zu diesem Zweck das in seiner Art vortreffliche Werk Suetoos
de viris illustribus heranzog. Aber Hieronymus ging noch einen Schritt
weiter; er führte die Chronik selbständig bis zum Jahre 378 fort. Wir
haben sonach in der Arbeit des Hieronymus teils eine reine Uebersetzung,
teils eine Bearbeitung und teils eigenes Elaborat. So sehr wir den Scharf-
blick des Kirchenvaters bewundern müssen, dass er dieses praktische zeit-
gemässe Werk d6m Westen zuführte, so können wir leider seiner Be-
arbeitung nicht uneingeschränktes Lob zollen; er hat nicht weniges miss-
verstanden, sich viele Flüchtigkeitsfehler zu Schulden kommen lassen und
die von ihm herangezogenen Quellen sehr nachlässig benutzt. Zwar tut
er sein Werk, auch nachdem es erschienen war, nicht aus den Augen
verloren und, wie aus Spuren der Ueberlieferung ersichtlich, noch in Rom
manches geändert;^) allein auch der Hass und die Leidenschaftlichkeit des
Hieronymus spielte in diese Umarbeitungen hinein. Melania und Rufinus,
die er in den ersten Exemplaren seiner Chronik ausgezeichnet hatte,
wurden in den neuen entweder gestrichen oder herabgedrückt.
Trotz aller Mängel war der Einfluss des hieronymianischen Werkes
auf die Entwicklung der Chronographie ein ungeheuerer; Fortsetzungen
schlössen sich an die Chronik an, und das Mittelalter schöpfte seine chrono-
logischen Kenntnisse vorzugsweise aus diesem Werk.
Verhältnis der Uebersetzung zum Original. Praef. p. 3 Schoene Itaque n
Nino et Abraham nsque ad Troiae captivitatem pura graeca translatio est. A Troia autem
usque ad XX Constantiui annum nunc addita nunc mixta sunt plurima qiiae de Tran-
quillo et ceteris inlustribus in historicis curiosissime excerpsi. A Constantini autem supra
dicto anno (325) usque ad consuJatum Augustorum Valentis sexies et Valentiniani Herum
(378) totum meum est. Z. J. 2342 = 324 n. Chr. (2 p. 191 Scb.) huc usque historiam scrihit
Eusebius Pantfili martyris contubernalis. cui nos ista subiecimus.
Aeussere Herstellung der Uebersetzung. Praef. p. 1 Seh. ohsecro^ ut quid-
quid hoc tumultuarii operis estj amicorunif non iudicum animo relegatisj praesertim cum et
notario ut scitis velocissime dirtaverim^ et difficidtatem rei etiam divinorum voluminum in-
strumenta testentur. Don Vorgang stellt sich Schoene, Weltchronik des Eusebius p. 77
also vor: „Hieronymus liess zuvor durch den notarius das ganze Zahlengerippe aus dem
Griechischen ins Lateinische umschreiben und diktirte nun die einzelnen kleinen Text-
abschnitte in der Weise, dass er dem Schreiber die Zahlenkolumne und von ihr das be-
treffende Regierungsjahr bezeichnete, neben welches der Textabschnitt zu schreiben war.
Dies wiederum bedingte, dass nicht nur die griechischen Zahlenreihen zuvor lateinifich um-
geschrieben, sondern dass auch ihre Unterbrechungen sorgfältig bewahrt werden mnssten/
Veränderungen in der Chronik durch Hieronymus. Z. J. 2390 := 373 n. Chr.
(2 p. 198 Seh.) Melania nobilissima muJierum Romanarum et MarcelHni quondam consulii
filia, unico praetore tunc urbano filio derelirto, HierusoUjmam navigavit, ubi tanto virtutum
praecipueque humilitatis miraculo fuit, ut Theclae nomen acceperit. Rufinus Apol. in Hiero-
nym. 2, 26 (21 Sp. 605 M.) etiam nee illud eius (Hiei'onymi) admirabile factum silendum tft.
ne pudorem incutiamus audientibus, quod Marcellini consulis neptem (Melaniam), quam Bo-
manae nobilitatis primam, parvulo filio Romae derelicto, Jerosolyman^ petiisse, et tbi ob iV
») Schoene p. 127.
Hieronymns. (§ 977.) 403
^ne meriium virtutia Theclam nominatam, in ipsis Chronicis suis scripserat, post id de
€X€tnplarihu8 suis erasit, cum actus suos vidisset districtioris disciplinae feminae displicere.
Vgl. SchoeDe, WeltchroDik des Eusebius p. 105. Z. J. 2393 = 376 n. Chr. (2 p. 198 Seh.)
FTorentinus, Bonosus et Rufinus insignes monachi hahentur, e quihus Florentinus (PetavianuB:
Ryfinus) tarn misericors in egentes fuit, ut vulgo pater pauperum nominatus sit. Rufinus
Apol. in Hieronjm. 2, 25 (Sp. 604 M.) si inquam istos omnes, quas tuo ore laudasti, tuo ore
rmrtum eondemnc^, quid ego ad istos pulex de me canquerar, si me nunc laceres, quem et
im Spistolis tuis ante laudaveras, et in Chronicis tuis Florentio et Bonoso, pro vitae, ut
ais, nobilitate coniunxeras? Vgl. Schoene, Weltchronik p. 111.
Ueber die Quellen des Hieronvmus. 2 p. 69 Seh. in latina historia haec ad
verhum scripta repperimus. Mommsen, Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus
(Abh. der sächs. Ges. der Wissensch. 1 (1850) p. 669) hat folgende Quellen in den Zu-
altsen nachgewiesen: 1. Das Breviarium Eutrops (p. 672; Benutzung des Eutrop leugnet
Fr. Rühl, Lit. Gentralbl. 1892 Sp. 5). 2. Suetonius de viris illustribus; vgl. die
SteUe in dem Absatz ^Verhältnis der Uebersetzung zum Original*. Scaliger hatte zum
erstenmal gesehen, dass die Notizen über die römische Litteratur in der Chronik auf Sue-
ions Werk de viris illustribus zurückgehe, welches dem Hieronymus noch vollständig vor-
lag. Dass Hieronymus daneben kein anderes Werk zu Rate zog, geht daraus hervor,
dass seine Notizen abbrechen, wo das suetonische Werk aufhört, und dass, wenn wir den
erhaltenen Teil des suetonischen Werks de grammaticis et rhetoribus zum Vergleich heran-
ziehen, wir finden, dass Hieronymus keine anderen Grammatiker und Rhetoren aufge-
nommen hat, als die er hier vorfinden konnte. Die Seal ig ersehe Entdeckung wurde
weiter verfolgt von C. Fr. Hermann, De scriptoribus inlustribus etc., Gott 1848;
Ritschl, Parerga Plaut. 1 (Leipz. 1845) p. 609; Reif f erscheid, Suetoni reliquiae, Leipz.
1860, p. 364. 3. An wenigen Stellen das Breviarium des Rufius Festus; doch be-
zweifelt diese Benutzung Schoene, Weltchronik des Eusebius p. 222. 4. Eine noch
vorhandene römische Stadtehronik aus dem Jahre 334; vgl. Mommsen p. 681.
Abgedruckt ist diese Chronik bei Mommsen, Abb. etc. p. 644; Cnronica min. 1 p. 143
und bei Friek, Chronica min. 1 p. 111. Die Stellen sind gesammelt von Mommsen in
Chronica min. in den Anmerkungen. Hierzu kommen noch zwei weitere Quellen, über
die aber weniges beigebracht werden kann, nämlich 5. die in der ausgeschriebenen Stelle
genannte latina historia; vgl. Mommsen, Abb. p. 680; p. 689. 6. Eine Geschichte
von Pompeius* Tod bis zur Schlacht bei Aktium; vgl. Mommsen p. 691. Wir
haben wahrscheinlich mit H. Haupt (Philol. 44 (1885) p. 291) an einen Liviusauszug zu
denken. Hierzu gesellen sich noch Notizen aus verschiedenen Quellen; vgl. Mommsen
p. 684. Die Quellenfrage ist mehrfach von Schoene, Weltchronik des Eusebius, gestreift;
fiber die Chronik und Ammianus Marcellinus vgl. p. 206; p. 213; über die Chronik und
die Hist. Aug. vgl. p. 205 ; über das Verhältnis des Hieronymus zu den Caesarea des Aurelius
Victor vgl. p. 209; über die Chronik und die sog. Epitome des Ps.-Aurelius Victor vgl. p. 211.
Die Regel Aber die Umsetzung der Jahre Abrahams in die der christ-
lichen Aera wird von A. v. Gutschmid (Kl. Sehr. 1 (Leipz. 1889) p. 433) also gegeben:
„Um das Jahr vor Christi Geburt zu finden, dem ein Jahr Abrahams bei Eusebios ent-
spricht, hat man für die Jahre 1240 — 2016 das gegebene Jahr von 2017, um das Jahr nach
Christi Geburt zu finden, für die Jahre 2017—2209 von dem gegebenen Jahre 2016 abzu-
ziehen. Mit dem Ende der Regierung des Pertinax ändert sich die Gleichung, und wir
haben fQr die Jahre 2210—2343 von dem gegebenen Jahre 2018 zu subtrahieren, um das
entsprechende Jahr nach Chr. zu finden. Dieselbe Gleichung gilt wahrscheinlich auch für
die älteste Periode von 1 — 1239, in der wir also das gegebene Jahr von 2019 abzuziehen
haben, um das betrefiende Jahr vor Chr. zu erhalten (p. 4^34) Endlich für die Fort-
setzung des Hieronymus von 2343—2395 findet man das entsprechende Jahr nach Chr.,
indem man 2017 abzieht*
Ueberlieferung. Es kommen folgende Handschriften in Betracht: 1. Bemensis
219 s. VII; Facsimilo bei Zange me ist er -Watte nbach, Exempla Suppl. Tab. 59. 2. Aman-
dinus 8. VII, einst im Besitz der Benediktinerabtei von St Amand, jetzt in der Stadtbiblio-
thek von Valenciennes. 3. Leidensis sive Freherianus s. IX. 4. Petavianna-Leideiurii, Ms.
Lat. Voss. C. 110 s. IX/X. 5. Dem cod. Petavianus sind am Schluss 6 Blitter
(fragmenta Petaviana) s. VI/VII. Mit ihm sind noch zu vereinigen 2 Blätter, wal
cod. Vaticanus Reg. 1709 finden, und 14 Blätter des Parisinus 6400; ygL L. Ti
nymi Chronicorum cod. Floriacensis fragmenta Leidensia Parisin* Vatiqfl"^
6. Middlehillensis 1829, jetzt Berolinensis s. VIII; vgl. Mommsen, HwiMI
p. 401. 7. Vaticanus Reginensis 560 s. XUI/XIV; dieser ist wohl «ine m
des sog. Fuxensis, d. h. des Montepessulanus 32 s. XII/XIII. Als neue Hai
hinzugekommen: 8. Oxoniensis Bodleianus, olim Claramontanns, poiteaL
vgl Mommaen 1. c; Hardy, Journal of philol. IQdO ^. ^1. %• \l
404 Hieronymus. (§ 978.)
jetzt Berolinensis s. IX /X; vgl. Mommsen p. 400 Anm. 1. 10. Londinensis im brit. Mag.
No. 16974 8. X; vgl. Mommsen p. 398. 11. Leidensis 30 s. XII. 12. Monac. 12361 (t^
E. Wölfflin, Archiv für lat Lexikographie 13 (1903) p. 437). — Schoene. Weltchronik
des Eosebius p. 24. Ueber die Textesrecension des Bonifatiiis vgl. denselben 1. c. p. 127.
Ausg. Von filteren Ausg. nennen wir die von A. Pontacus, Bordeaux 1604, T<m
J. Sca liger, Thesaurus temporum, Leiden 1606; editio altera, Amsterdam 1658. Mass-
gebende Ausg. von A. Schoene, Eusebii chronicorum libri duo 1, Berl. 1875; 2, Berl. l!<66:
vgl. dazu A. V. Gutschmid, Fleckeis. Jahrb. 95 (1867) p. 677 = Lit. Centralbl. 1876 Sp.88o
= Kl. Sehr. 1 (Leipz. 1889) p. 422.
Litteratur. G. Fr. Hermann, De Script, illustr. quorum tempora Hieronymus ad Ena.
chron. adnotavit, Göttingen 1848; A. Schoene, Quaest. Hieronymianarum capita selecta, Berl
1864; A. V. Gutschmid, De temporum notis quibus Eusebius utitur in chronicis canonibus.
Kiel 1868 = Kl. Sehr. 1 p. 448 ; Unters, über die syrische Epitome der euseb. Canons, Statt-
gart 1886 = Kl. Sehr. 1 p. 483; F. Overbeck, Ueber die Anfänge der KirchengeschichtB-
schreibung, Basel 1892; Th. Mommsen, Die armenischen Handschriften der Chronik des
Eusebius (Hermes 30 (1895) p. 321); A. Sundermeier, Quaest. chronographicae, Kiel 1896;
A. Schoene, Die Weltchronik des Eusebius in ihrer Bearbeitung durch Hieronymus, Beil.
1900. Vgl. auch 0. Zöckler, Hieronymus. Sein Leben und Wirken, Gotha 18»>5, p. S4;
p. 383; A. Ebert, Allgem. Gesch. der Litt, des Mittelalters 1* (Leipz. 1889) p. 207.
978. De viris illustribus. Von dem Heidentum war das Christen-
tum in der ersten Zeit durch eine grosse Kluft getrennt, durch die Un-
bildung seiner Bekenner; denn thatsächlich war das Christentum anfangs
die Religion der Armen. Mit Verachtung schauten daher die gebildeten
Heiden auf die neue Sekte herab. Als im Laufe der Zeiten auch aus
den gebildeten Klassen viele zum Christentum übertraten, war auch die
Möglichkeit einer christlichen Litteratur gegeben, und diese liess nicht
lange auf sich warten. Bei den Griechen und später bei den Lateinern
traten zahlreiche Schriftsteller christlichen Bekenntnisses auf. Es ent-
wickelte sich eine christliche Litteratur, die sich kühn neben die natio-
nalen Litteraturen stellen durfte. Es lag nahe, auch den Heiden von
der Reichhaltigkeit der christlichen Litteratur Kenntnis zu geben, um ihr
Vorurteil gegen die neue Lehre zu brechen. Von diesem Gedanken mochte
der praefectus praetorio Dexter ausgegangen sein, als er Hieronymus auf-
forderte, ein chronologisches Verzeichnis der christlichen Autoren zu ent-
werfen; als Muster stellt er ihm das Werk des Suetonius „de viris inlustri-
bus" vor Augen. Der Kirchenvater kam dem Auftrage nach; in seinem
Erdenwinkel in Bethlehem verfasste er im Jahre 392 ein Werkchen. Er
stellte einen Katalog von 135 Autoren zusammen; er begann mit Petrus
und schloss mit sich selbst. Alle Autoren, welche über die hl. Schriften
geschrieben haben, sollten aufgenommen werden. Nach dem Vorbild Sue-
tons erhält jeder Autor sein eigenes Kapitel. Dem Umfang nach sind
die Kapitel sehr ungleich; was den Inhalt anlangt, so enthalten dieselben
nicht bloss litterarisch-historische, sondern auch biographische Notizen.
Der Stil ist einfach und schmucklos; man sieht, auch hier ist das Vorbild
Suetons massgebend geworden. Ueber die Tendenz des Schriftchens lässt
uns Hieronymus nicht im Unklaren. Am Schluss des Prologes sagt er:
„Die grimmigen Bestreiter des Christentums möchten aus dem Katalog
ersehen, welche Schar von Geistern in der Kirche thätig gewesen ist,
und sonach aufhören, dem Christentum Unbildung zuzuschreiben.*
Veranlassung und Vorbild des Werks. Prolog. Uortaris, Dexter, ut Tran-
quillum sequens ecclesiasticos scriptores in ordinem digeram et, quod ille in enumerandi*
gentilium lUterarum viris fecit inlustribus, ego in nostris faciantf id est, lU a passitme
Christi usqiie od quartum decimum THeodosti impcratorVs an-num VjjNäö^^'^ ov^tvfe* ^\ ^^
HieronymuB. (§ 978.) 405
Seripturis Sanctis memoriae aliquid prodiderunt tibi breviter exponam. Feeeruni quidem
koc idem apud Graecos Hermippus peripateticus, Antigonus Carystius, Satyrus doctus vir,
H lange omnium doctissimus, Aristoxenus musicus; npud Latinos atitem Varro, Santra,
ÜTtpos, Hyginus, etj ad cuius nos exemplum vis provocare^ Tranquillus, üeber Dexter vgl.
L335 Anm. 2. Vgl. das Kap. «Das saeton. Vorbild'* bei Bernoulli, Der Schriftstellerkatalog
I H., Freiburg i. B. 1895, p. 74; Leo, Die griech.-röm. Biogr., Leipz. 1901, p. 311 Anm. 2.
Tendenz der Schrift. Am Schlass seines Briefes an Dexter sagt Hieronymus:
DUcant igitur Celsus, Porphyrius, Julianus, rahidi adversum Christum canes, discant sec-
tatores eorum qui putant ecclesiam nullos philosaphos et eloquentes, nullos habuisse doe-
iortB, quanti et quales viri eam fundaverint, struxerint, adornaverint, et desinant fidem
nostram rusticae tantum simplicitatis arguere, suamque potius imperitiam recognoscant.
Die Integrität des Werks wurde gegen eine unbegründete Hypothese Ebrards
(Besitzen wir den voUstfindigen Text von Hieronymus „de viris illustribus** ? in Zeitschr.
für bist. Theol. A. F. 32 (1862) p. 403) in Schutz genommen von Sychowski, Hieronymus
ftls Litterarhistoriker p. 37 und Gebhardt, Ausg. der griech. Uebers. der vir. ill. p. XXVIU
(s. p. 408).
Verschiedene Ausg. der viri illustres. C. 81 findet sich zu der BQcherzahl
des Werkes (30) Contra Porphyrium in einer Gruppe von Handschriften der Zusatz: de quibus
ad me XX tantum pervenerunt. Auch die griechische Uebersetzung hatte diese Worte vor
sich. Da es schwer denkbar ist, dass ein solcher Zusatz von fremder Hand herrührt, an-
dererseits aber derselbe auch in Handschriften fehlt und eine Weglassung durch Schuld
der Abschreiber auch wenig wahrscheinlich ist, wird man zu der Annahme gelangen, dass
die Handschriftengruppe, welche die bezeichneten Worte hat, uns eine 2. Ausg. der viri
iUnstres repräsentiert, während die Handschriftengruppe, in der sie fehlen, uns die erste
Ausg. darstellt. Auch das letzte Kapitel, das die eigene Schriftstellerei des Hieronymus
behandelt, führt auf eine Wiederausgabe der viri illustres. Dieselbe Handschriftengruppe,
die in c. 81 den Zusatz bietet, fügt am Schluss des c. 135 noch die Worte hinzu: adversus
Jotinianum libros duos et ad Pammachium Apologet icum et Epitaphium. Den gleichen
Zusatz setzt die griechische Uebersetzung voraus. Cod. Parisinus olim Cluniacensis Nouv.
acq. lat. 1460 s. X gibt statt der obigen Worte folgenden Zusatz: Item post hunc librum
dtdicatum, contra Jovinianum haereticum libros duos et Apologeticum ad Pammachium.
Auch diesen Nachtrag in beiden Fassungen wird man nicht einem Interpolator, sondern
dem Hieronymus selbst zuteilen und zwar zwei verschiedenen Ausgaben, die er bald der
ersten Ausg. folgen Hess. Er fügte daher noch die Schriften hinzu, die inzwischen er-
schienen waren. Die eine Ausg. war seinem Freunde gewidmet, und für sie ist die zweite
Fassung bestimmt; in der ersten Fassung ist das Wort Epitaphium auffällig, allein ein
Brief Augustins an Hieronymus (epist. 40 ; 33, 154 M.) und die Antwort des Hieronymus auf diesen
Brief (epist 112; 22, 916 M.) geben uns über den Sachverhalt Aufschluss. Der Schriftsteller-
katalog war im Grunde genommen ein an Dexter gerichteter Brief und konnte daher eines
Sachtitels entbehren. Für das titellose Buch kam aber der Titel 'Epitaphium' in Umlauf;
denn Augustin hörte diesen Titel von dem, der ihm das Buch übermittelte. Der Titel war,
wie leicht zu sehen, unpassend, da ja auch lebende Personen in dem Katalog behandelt
waren; auch Hieronymus gab dies zu und schreibt (epist. 112 Sp. 917 M.): Ergo hie libei'
de Illustribus Viris vel proprie de Scriptoribus Ecclesiasticis appellandus est.
Hieronymus fügte also in den neuen Ausgaben auch den Schriftstellerkatalog selbst seinen
Werken zu, indem er ihn einmal mit Epitaphium, das andere Mal mit liber dedicatus be-
zeichnete. — Vgl. die grundlegende Untersuchung von Gebhardt p. XXL
Ueberlieferung. Da das Buch de vir. ill. viel gelesen wurde, existiert eine grosse
Anzahl von Handschriften, die nicht leicht zu sichten ist. Bernoulli (Ausg. p. XVI) hat
folgende 4 Handschriften als die besten Zeugen für den Text auserwählt: 1. Vaticanus
Reginensis 2077 s. VI/VII, Palimpsest, dessen Oberschrift s. VII Hieronymus u. a. enthält;
2. Parisinus 12161 s. VII aus Corbie stammend; 3. Veronensis XXII (X.X) s. VIII; 4. Ver-
cellensis 183 s. VIII. Richardson, der eine grosse Anzahl von Handschriften eingesehen,
hat ausser den vier genannten noch folgende als beachtenswert erkannt (p. LIV): 5. Vindo-
bonensis-Bobiensis 16 s.VIII/IX, 6. Monacensis 6333 s. IX, 7. Montepessulanus 406 s. VlII/IX,
8. Parisinus 1856 s. X, 9. Parisinus 4955 s. X. Richardsons Untersuchung ruht auf einer
ganz unsicheren Basis, da er die griechische Uebersetzung geringschätzig beiseite geschoben
(p. XLIII) und nicht geprüft hat, ob Hieronymus nicht mehrere Ausgaben veranstaltete.
Ausg. Ueber die Ausg. der Schrift vgl. Bernoulli, Ausg. p. XXV; Richardson
p. XLIV; Sychowski p. 10. Die editio princeps erschien Rom 1468 (epistolae et tractatus
2 Bde.); die Ausg. rührt von Andreas von Aleria (Corsica^ her. Mit den Fortsetzem
wnrde die Schrift vorzüglich herausgegeben von Fabricins, Bibliotheca ecclesiastica, Hamb.
1718. Wir reihen an die Ausg. von Vallarsi 2 So. 807; Migne 28 Sp. 63L Nene Äjaa^
sind die von Herding, Leipz. 1879 (in jeder Beneii\m|^ \i!i%«ii^«u^t^Äft ^^nk'^^VBkWi^x^
406 Hieronymos. (§ 979.)
Sammlung ausgew. kirchen- und dogmengeschichtl. Quellenscliriften 11. Heft, Freib. i. Br.
und Leipz. 1895 (für praktische Zwecke recht branchbar) und die von Richardson, Texte
und Untersuchungen 14. Bd. 1. Heft, Leipz. 1896 (keine abschliessende Arbeit).
979. Charakteristik des Werks. Der Gedanke, den Dexter an-
geregt hatte, war gut, allein die Ausführung des Hieronymus blieb hinter
dem gesteckten Ziele weit zurück. Schon im Aufbau des Ganzen zeigen
sich erhebliche Mängel. Nach der Ankündigung des Prologs sollte man
eine bestimmte chronologische Reihenfolge der Autoren erwarten, allein
bei näherem Zusehen entdecken wir, dass die Chronologie nicht streng
durchgeführt ist; ferner sollten nach den Ankündigungen nur kirchliche
Schriftsteller behandelt werden, allein auch Häretiker werden aufgeführt,
ja sogar Juden und der Heide Seneca sind in den Katalog aufgenommen.
Hier hat die Tendenz, möglichst viele Autoren für seinen Katalog zu ge-
winnen, den Verfasser verführt, über das Ziel hinauszugehen. Endlich
stört uns auch die Ungleichheit der Ausführung in den einzelnen Kapiteln,
die der Bedeutung der Persönlichkeiten oft gar nicht gerecht wird. So
wird c. 124 die gewaltige Persönlichkeit des Ambrosius mit wenig stichhaltiger
Motivierung in einigen Zeilen abgethan. Noch härter muss unser Urteil
über das Werkchen ausfallen, wenn wir seinen Gehalt einer genaueren
Prüfung unterziehen. Gewiss hätte Hieronymus sich ein ausserordentliches
Verdienst erwerben können, wenn er auf Grund umfassender Studien in
Bibliotheken ein Verzeichnis der christlichen Autoren gegeben hätte.
Allein dieser Mühe hat sich leider Hieronymus entschlagen. Nur mit
wenigen Hilfsmitteln ausgerüstet, schrieb er in grösster Eile und Leicht-
fertigkeit sein Büchlein. Seine Hauptquelle ist die Kirchengeschichte des
Eusebius. In den ersten 78 Kapiteln ist er wesentlich als Ausschreiber
desselben zu betrachten. 69 Nummern sind einfach aus ihm herüber-
genommen. Aber diese Quelle ist nicht einmal mit Sorgfalt benutzt; er
missversteht nicht selten seinen Autor, weil er ihn zu flüchtig gelesen,
er begeht Uebersetzungsfehler, auch fügt er phantastische Erweiterungen
zu den Angaben des Eusebius hinzu. Eine kritische Prüfung seiner Vor-
lage hat er niemals vorgenommen; er geht oft so gedankenlos zu Werke,
dass er sich mit Eusebius verwechselt, d. h. chronologische Daten ab-
schreibt, die nur für die Zeit des Eusebius, nicht für seine eigene passen.
Was aber unser Urteil über dieses Ausschreiben des Hieronymus noch
härter gestalten muss, ist, dass der Autor bestrebt ist, seine Abhängig-
keit von seiner Quelle zu verschleiern und sich den Schein eigenen Wissens
zu geben. Ausser Eusebius kommen die anderen benutzten Quellen so
gut wie nicht in Betracht. Es sind dies seine Chronik, die er regelmässig
zum Vergleich herbeizog, und für die ersten zehn Kapitel das neue Testa-
ment. Es ist sonach klar, dass für alle Notizen, die in unserm Schriftchen
aus Eusebius genommen sind, Hieronymus nicht als selbständiger Zeuge
aufgeführt werden darf. Es bleiben also nur die Zusätze, die Hieronymus
zu Eusebius gemacht hat. Allein auch hier wird uns kein lauteres Gold
geboten, keine Früchte eifrigen Nachforschens, es sind Bemerkungen, wie
sie sich jedem gelehrten Mann mehr oder weniger darbieten. Auch die
lobenden Prädikate, die sich in reicher Anzahl eingestreut finden, sind
nicht das Produkt einer gewisservhail^xv \\\X,^\«jc:\^^^tv^^\^\^>;vw%^ 'sä ^s^
Hieronymos. (§ 979.) 407
vielmehr aus der Tendenz hervorgegangen, die christliche Litteratur so
bedeutend als möglich erscheinen zu lassen. Dieser Teil des Werkchens
kann daher von dem Litterarhistoriker völlig ausser Acht gelassen werden.
Für diesen kommt das Büchlein erst von da an in Betracht, wo die Haupt-
quelle versiegt, nämlich mit c. 79, wo Arnobius einsetzt. In diesem Teil
erhalten wir Notizen, die uns sonst nicht bekannt sind. Da Hierony-
mos mit den gelehrten Bestrebungen seiner Zeit in enger Fühlung stand,
gewann er viele Kenntnisse über die litterarische Produktion. Diese
Kenntnisse, die ihm zufällig und gelegentlich geworden, verwertete er in
seinem Katalog; systematische Studien sind auch für diesen Teil nicht
gemacht worden.
Der Katalog des Hieronymus wurde als erster Versuch einer christ-
lichen Litteraturgeschichte bahnbrechend. Bis in das Mittelalter hinein
fand er Fortsetzer. i) Derselbe wurde zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert
sogar ins Griechische übersetzt. Noch in neuester Zeit bewunderte man
das Werkchen; erst eine eingehende Quellenuntersuchung zerstörte den
Ruhm des Schriftchens.
Quellen. Hieronymos sagt in seinem Brief an Dexter: Ego quid actunis, qui
nullum praevium sequens, peaaimum, ut dicitur, tnagistrum niemet ipsum habeo? Quam-
guam et Eusebius Pamphili in decem Eccleaiasticae Historiae Hbris maximo nobis adiumento
ftterit et aingtdarum de quibtis scripturi sutnus volumina aetates auctorum suorum saepe
testentur, c. 15 Disputatio Petri et Appionia longo sermone conacripta, qiMtn Eusebius in
tertio Ecclesiasticae Historiae volumine coarguit. c. 54 De sexto Eusebii Caesariensis Eccle-
siasticae Historiae libro. Lange Zeit sah man merkwürdigerweise von einer Untersuchung
der Quellen des Schriftchens ab; erst vor kurzem ist man dieser unumgänglich notwendigen
Aufgabe nachgekommen; fast zu gleiclier Zeit erschienen die vortrefflichen Schriften von
Sychowski, Hieronymus als Litterarhistoriker, eine qnellenkrit. Untersuchung der Schrift
des Hieronymus ,de vir. ill.* (Eirchengeschichtl. Studien 2. Bd. 2. Heft, Münster 1894) und
Bernoulli, Der Schriftstellerkatalog des Hieronymus, Freiburg i. B. 1895. Der letztere
iintersacht die cc. 1 — 78, Sychowski prüft sämtliche Kapitel, welche nach dem Text von
Vallarsi gegeben werden. Es kommt noch hinzu J. Huemer, Wien. Stud. 16 (1894) p. 121.
Die griechische Uebersetzung ist neuerdings Gegenstand mehrerer Arbeiten
geworden, welche zu einer klaren Einsicht in dieselbe führten.
«t) Die Persönlichkeit des Uebersetzers. Die Züricher Handschrift gibt keinen
Verfasser an, Erasmus hingegen bezeichnet in zwei beiläufigen Aeusserungen Sophronius
als Autor der 'Uebeisetzung. Es liegt hier eine Combination vor. Erasmus hatte bei
Hieronymus (de vir. ill. 134) gelesen, dass Sophronius Schriften des Hieronymus, wie De
virginitate ad Eustochium und die Vita Hilarionis, elegant ins Griechische übersetzte. Da
nicht einmal überliefert ist, dass Sophronius de vir. ill. übersetzte, ist der Annahme des
Erasmus jede Unterlage entzogen. Der Verfasser war ein Grieche, der über einen reichen
Vorrat von gewählten Ausdrücken gebot (vgl. Gebhardt p. X; Weyman, Berl. philol.
Wochenschr. 1897 Sp. 139), des Lateinischen dagegen nur mangelhaft kundig war; vgl. Geb-
hardt p. XI; Weyman Sp. 140. Auch sein theologisches Wissen scheint nicht besonders
tief gewesen zu sein.
p) Zeit der Uebersetzung. Den terminus ante quem der Uebersetzung erhalten
wir durch die von G. Wentzel, Die griech. Uebersetzung der viri inlustres des Hierony-
mos (Texte und Untersuchungen 13. Bd. 8. Heft (Leipz. 1895) p. 12) festgestellte Thatsache,
dass die griechische Uebersetzung in der Epitome« des Hesychius von Milet, welche auch
Snidas und Photius benutzten, herangezogen ist. Da die Epitome nach Wentzel (p. 57)
xwischen 829 und 857 verfasst ist, muss die Uebersetzung vor das 9. Jahrhundert fallen.
Fflr den terminus post quem der Uebersetzung glaubt Gebhardt nur die Sprache als Kri-
terium heranziehen zu können und meint (p. VIll), dass keine Nötigung aus sprachlich«*
Gründen vorliege, unter das 7. Jahrhundert herabzusteigen. Allein dieser terminoa li*
sich aach noch anders feststellen. Zwischen den von der griechischen Uebersetmi^c
geschobenen 10 Kapiteln (Andreas, Jacobus Zebedaei, Philippus, Bartholomaei», Tli'
Simon Cananaeus, Matthias, Timotheus, Titus, Crescenz und dem Eonncheii der Cr
V Vg7. die Zasammensteilung bei Sychowaki, H. alft Uttomfaiit r
408 HieronymuB. (§ 980.)
und den Katalogen (von Aposteln, Jüngern und Propheten) des Pseudo-Dorotheos bestdü
ein Verwandtscbaftsverhältnis. Dasselbe wird mit Lipsius (Die apokiyplien ApostelgeacL
und Apostellegenden 1 (1883) p. 202) dahin zu deuten sein, dass der Uebersetzer von den
Katalogen abhängt. L. Duchesne, Les anciens recueils de legendes apostoliques (Compte
rendu du 3. congrös scientif. intemat. des catholiques, section 5 (Bmxelles 1895) p.76) kommt
bezüglich der Zeit dieser Kataloge zu dem Ergebnis: ,La composition de nos catalognes
peut et doit &tre report^e jusq'au Yll^ si^cle. II ne serait mdme pas impossible de les
faire remonter un peu plus haut/ Demnach müsste die Uebersetzung zwischen dem 6. oder
7. und dem 9. Jahrhundert liegen, und der Zeitgenosse des Hieronjmus, Sophronius, win
als Verfasser derselben ausgeschlossen; vgl. Weyman 1. c. Sp. 139; Van den Yen,
S. Jöröme et la Vie du meine Malchus, Louvain 1901, p. 126.
y) Ueberlieferung und Ausgaben der Uebersetznng. Zum erstenmal wurde
die griechische uebersetzung der Schrift de viris illustribus von Erasmus in Omnitun
operum Di vi Eusebii Hieronymi Stridonensis tomus primus, Basel 1516 herausgegeben. Dir
folgten andere Ausgaben, welche jedoch alle auf dieser editio princepe beruhen und den
Text immer fehlerhafter gestalteten; vgl. Gebhardt p. XYII. Die Handschrift, aus der
Erasmus die Uebersetzung abdrucken Hess, ist in der Stadtbibliothek zu Zürich von Carl
Albr. BernouUi im Jahre 1895 wieder aufgefunden worden (vgl. Theol. Litteratm--
Zeitung 1895 Sp. 475); es ist die Handschrift C. 11. Eine Beschreibung der Handsehrift
gibt H. Omont, Centralbl. fOr Bibliothekswesen 3 (1886) p. 442. Die Partie, welche die
Uebersetzimg enthält, ist nur durch einen Zufall in den Codex geraten; sie stammt ans
s. XIV. — Massgebend ist die Ausg. von 0. v. Gebhardt, Texte und üntersuchnngen
14. Bd. 1. Heft, Leipz. 1896.
ß) Revision und Uebersetzung der hl. Schrift.
980. Die Vulgata. Das Schicksal, das der Ueberlieferung des ge-
schriebenen Wortes vor allem anhaftet, die Trübung des ursprünglieheD
Textes, war auch der lateinischen Bibelübersetzung, welche unter dem
Namen der Itala im Abendland allgemeine Verbreitung gefunden, nicht
erspart geblieben. Und je mehr das Buch der Bücher abgeschrieben und
gelesen wurde, je mehr die verwandten Materien miteinander verglichen
wurden, desto mehr musste sich dasselbe von seiner ursprünglichen Form
entfernen. Es war daher sicher, dass ein Zeitpunkt kommen würde, in
dem die Abweichungen im Text des Schriftwortes sich so fühlbar machten,
dass zu einer Reinigung des Textes geschritten werden musste. Dieser
Zeitpunkt trat gegen Ende des vierten Jahrhunderts ein. Der Papst Da-
masus hat das Verdienst, die reformierende Hand hier angelegt zu haben,
er hat auch das Verdienst, die richtige Persönlichkeit für das Werk heraus-
gefunden zu haben, es ist Hieronymus. In doppelter Weise konnte die
Aufgabe angefasst werden. Man konnte eine neue Uebersetzung ab-
fassen; allein so naturgemäss dieser Weg erscheint, Hieronymus wagte
ihn fürs erste nicht zu beschreiten. Das Wort der Schrift war bereits
eine Macht geworden, es lebte in den Herzen und in dem Gedächtnis von
Tausenden. Wollte man dieses Wort jetzt in einer ganz neuen Gestalt den
Gläubigen darbieten, so liiess das nichts anderes, als ihnen zumuten, mit
Altgewohntem zu brechen. Und wie schwer ein solcher Bruch wiegt, zeigen
die Bestrebungen unserer Tage, die Bibelübersetzung Luthers zu revidieren.
Hieronymus entschied sich daher für die Revision. Er begann mit den
verbreitetsten Büchern, mit dem neuen Testament und dem Psalter. Im
Jahre 383 war die Aufgabe vollendet. Hieronymus war mit grosser
Aengstlichkeit zu Werk gegangen; von einer radikalen Umgestaltung der
Itala sah er ab. Die Vergleichung verschiedener Handschriften der Itala
verstand sich von selbst; die gToss>^Tv N et^^\^^^T^v^\\*^w ^^x^'sJJö^'^ <^\^
Hieronymus. (§ 980.)
409
lockten dem Kirchenvater die Klage: Soviel Handschriften, soviel Texte. ^)
Aber auch für das neue Testament schaute er sich nach alten Hand-
schriften mit dem griechischen Originaltexte um.^) Alte Handschriften
mossten ausgewählt werden, damit sich der griechische Text nicht zu
weit von seinem lateinischen entfernte. Aber zu einer methodischen Ver-
wertung des griechischen Textes vermochte er sich nicht aufzuschwingen.
Nur wenn es der Sinn absolut erforderte, änderte er seinen lateinischen
Text; wo es nur einigermassen anging, Hess er das Hergebrachte stehen.
Rascher verfuhr er in der Revision des Psalters. Damit fand die bessernde
Thätigkeit des Hieronymus vorläufig ihren Abschluss.
Da sein Gönner, der Papst Damasus, 384 starb, verliess Hierony-
mus, wie wir bereits wissen, Rom und wandte sich dem Orient zu; er
liess sich in Bethlehem nieder; hier trieb er eingehende hebräische Sprach-
studien und schrieb über Bücher des alten und des neuen Testaments. Da
kam die hexaplarische Ausgabe des alten Testaments, welche Origenes
bearbeitet hatte, in seine Hände. In diesem bewunderungswürdigen Werk
befanden sich sechs nebeneinander stehende Columnen; die erste enthielt
den hebräischen Text in hebräischen Buchstaben, die zweite den hebräischen
Text in griechischen Buchstaben, die dritte die Uebersetzung des Aquila,
die vierte die des Symmachus, die fünfte die der Siebzig, die sechste die
des Theodotion; in einzelnen Büchern kamen noch andere Uebersetzungen
hinzu. Dieses grossartige Werk regte ihn an, auch die Bücher des alten
Testaments zu revidieren. Wir haben von dieser Revisionsarbeit das
Psalterium, das im Unterschied von der ersten Revision, dem Psalterium Ro-
manum, Psalterium Gallicanum genannt wird, weil es zuerst in Gallien Ver-
breitung gefunden hatte. Auch ist uns das revidierte Buch Job erhalten.
Seinen revidierten Ausgaben fügte er kritische Zeichen bei, welche das
Verhältnis des hebräischen Originals zu der Septuaginta erläuterten.
Die Arbeit gab Hieronymus den Mut, von dem Stückwerk der Revision
zu selbständiger Uebersetzung fortzuschreiten. Den Büchern des alten
Testaments galt diese neue Thätigkeit, welche etwa 390 begann und etwa
404 endete.^) Es kam ein vorzügliches Werk zu stände. Damit hatten
die Arbeiten des Hieronymus ihr Endziel erreicht. Sie konnten sich
nur mühsam Bahn brechen; man nahm sie mit Misstrauen auf; so stark
wirkt die Macht des Hergebrachten. Schliesslich wurde aber doch der
Text, wie ihn Hieronymus gestaltet hatte, der allgemein verbreitete Text,
d. h. die Vulgata, welche die Itala aus dem kirchlichen Leben verdrängte
und sie auf das Gebiet der wissenschaftlichen Exegese einschränkte. So
wie sich die Vulgata im Laufe der Zeit konstituiert hat, ist sie kein ein-
') Migne 29 Sp. 526 tot enim sunt exem-
plaria paene quot Codices. Als Grundlage be-
natzte er einen dem cod. Brixiensis ver-
wandten Codex; vgl. Wordsworth und
Withep. 656.
■) vgl. darOber die Ausg. von Words-
worth and Withe p. 653.
*) Von wem die Zusammenstellung der
yerschiedenen Teile zu einem Ganzen aus-
gJBg, lässt aicb Dicht mehr bestimmen. Cas-
siodor (de inst. div. litt. c. 12; 70, 1123 M.)
scheint schon eine Bieronymusausgabe ge-
kannt zu haben; vgl. Gorssen, Jahresber.
p. 56. Derselbe spricht weiterhin die Ver-
mutung aus (Epist. ad Galatas, Berl. 1885
p. 35), dass das neue Testament nach Hl
nymus eine Recension erfahren ha^
sich zwischen den Commentaren ^^
nymus und der Vulgata DüfereoM
bar machtATi.
410 Hieronymns. (§ 980.)
heitliches Werk; denn sie bietet uns in den verschiedenen Stücken drei
Textesstufen: reine Itala, revidierte Itala und eigene Uebersetzung. Die
reine Itala liegt nur in den Büchern des alten Testaments vor, weldie
Hieronymus als apokryphe Produkte gar nicht übersetzt hatte; es sind
dies das Buch der Weisheit, der Ecclesiasticus,^) Baruch*) mit
dem Brief des Jeremias, endlich die Makkabaeerbücher. Die revi-
dierte Itala erscheint in den Büchern des neuen Testaments. Eigene
Uebersetzung des Hieronymus ist das alte Testament. Jedoch ist da-
von ausgenommen das Psalterium. Bei diesem neuen Hauptelement des
Kultus konnte eine vollständige Neuerung nicht durchdringen. In die Vnl-
gata wurde es in der Form der zweiten Revision nach der hexaplarischen
Ausgabe des Origenes als Psalterium Gallicanum aufgenommen. Selbst das
Psalterium Romanum wurde nicht vollständig verdrängt; in Büchern, die
für den Kultus bestimmt sind, ist es jetzt noch vorhanden.
Erste Periode: Revisionsarbeit in Rom. Vgl. oben § 856 p. 195. In dem
Schreiben an Damasus sagt er (29, 527 M.): Haec praesens praefatiuncula poUieetur ^va-
tuor iantum evangelia, quorum ordo est iste, Matthaeus, Marcus, Lucas, Joannes, eodicum
Graecorum emendata collatione, sed reterum. Quae ne mulium a UetUmis Latinae eansue-
tudine discreparent, ita calamo temperavimus, ut his tantum quae sensum videbaniur muiare,
correctis, reliqua manere paieremur ut fueranf, Canones quoque, quos Eusebius Caesa-
riensis episcopus AUxandrinum secutus Ammonium, in decem numeros ordinavU, sieut in
Graeco habentur, expressimus, Quod si quis de curiosis voluerit nosse, quae in evangelii»
vel eadem vel vicina vel sola sint, eorum distinctione cognoscat. Magnus siquidem kic in
nostris codicihus error inolevit, dum quod in eadem re alius evangelista plus dixit, in alh
quia minus putaverint, addiderunt; vel dum eumdem sensum alius aliter expressU, ille qui
unum e quatuor primum legerai, ad eius exe^nplum ceieros quoque aestimaverii emendandw.
Epist. 27, 1 (22, 431 M.) an Marcella (aus dem Jahre 384) verteidigt er sich gegen diejenigen,
welche seine Aenderungen im neuen Testament bekrittelten. Hier werden auch schon Ueber-
setzungs- bezw. Verbesserungsproben aus den paulinischen Briefen angeführt, üeber ein
Nachlassen der Revisionsarbeit im Lucas mit Ausnahme einiger Kapitel und in einigen
Kapiteln des Jobannes vgl. Wordsworth p. 654. Ueber die Revision des Psalters sagt er
(Migne 29 Sp. 117): Psalterium Romae dudum positus emendaram et iuxfa Septuagintn
interpretes licet cursim magna illud ex parte correxeram. Dieses sog. Psalterium Romanmn
ist abged nickt bei Migne 29 Sp. 120.
Zweite Periode: Revisionsarbeit in Bethlehem auf Grund der Hexapla
des Origenes. Ueber den Anlass zu einer neuen Revision spricht er sich in der Prief.
(Sp. 117 M.) also aus: Quod (Psalterium Romae emendatum) rursum videtis, o Paula ti
Eustochiumy scriptorum vitio depraratum plusque antiquum errorem quam novam etnen-
dationem ralere. üeber die Grundlage seiner Recension vgl. Comment. in Tit. 3, 9 (26, 595 M.i:
Unde et nohis curae fuit omnes veter is legis libros, quos tnr doctus Adamantius (scU. Ori-
genes) in Hexapla digesseratj de Caesariensi bibliotheca descriptos ex ipsis authentieis emen-
dare, in quibus et ipsa liebraea propriis sunt characteribus rerba descripta et Graech
lltteris tramite expressa viclno. Aqtiila etlam et Sgmtnachus, LXX quoque et Theodotio suum
ordinem tenent. Nonnulli vero libri et maxime hi, qui apud Hebraeos versu compositi sunt,
tres alias editiones additas habenty quam quintam et sextam et septimam translationem vocant,
auctoritatem sine nominibus interpretum consecutas. Seiner Ausgabe der Psalmen fügt«
Hieronymus kritische Zeichen hinzu: den Obelus, um die Zusätze der LXX zu bezeichnen,
welche im hebräischen Texte fehlten, also auf die Interpolationen aufmerksam zu machen:
den Asteriscus, um auf die Zusätze hinzudeuten, welche der hebräische Text darbietet, also
die Lücken zu markieren. Das Psalterium Gallicanum findet sich bei Migne 29 Sp. 119.
Ueber die nach gleicher Methode hergestellte Revision des Hieb vgl. Augustin. epist 104.
8 bei Hieronymus (22, 888 M.) in hac epistula hoc addo, quod postea didicimus, ex
Ilehraeo Job a te interprefatum, cum iam quamdam haberemus interpretationem tuam
eiusdem prophetae ex Graeco eloquio versam in Latinum: ubi iamen asteriscis notcsti.
^) Thielmann, Ueber die lat. Ueber- j ^) Prolog, in Jeremiam (28, 848 M.) librum
Setzung des Buches der Weisheit und des Baruch, notarii eius, qui apud Hebraeos nr
Buches Sirach (Archiv für lat. Lexikographie [ legiiur nee habetur^ praetermisimus.
1893 p 236; p. 501). \
HieronymuB . (§ 980.) 411
fmae in Hebraeo sunt ei in Graeco desunt; obeliscis autem, qtiae in Graeco inveniuntur et
Mft Hebraeo non sunt. Hier ist also geradezu von einer üebersetzung aus dem Griechischen
die Rede. Die Ausgabe ist Paula und Eustochium gewidmet. Ausg. bei Migne 29
8p. 61; Lagarde, Mitteilungen 2 (Göttingen 1887) p. 189; von Caspari, Das Buch Hiob
(1» 1—38, 16) in Hieronymus' üebersetzung aus der alexandrinischen Version nach
einer St. Gallener Handschrift s. VIII, Christiania 1893. Dass auch andere Bücher
des alten Testaments von ihm so revidiert wurden, bezeugen Praef. in libr. Salomonis (28
8p. 1^43 M.): Si cui sane Septuaginta Interpretum magis editio placet, habet eam a nobis
mlim emendatam, femer die erhaltene Vorrede zu seiner Bearbeitung der drei salomonischen
Sehiiflen (29 Sp. 403 M.): Tres libros Salomonis, id est Proverbxa, Ecclesiasten, Canticum
Canticorum veteri Septuaginta Interpretum auctoritati reddidi (auch hier waren dieselben
kritiachen Zeichen in Anwendung gekommen), endlich die noch erhaltene Vorrede zum Para-
lipomenon, gerichtet an Domnion und Rogaüanus (29 Sp. 401 M.). Am Schluss gedenkt
er auch hier wieder der kritischen Zeichen, üeber den Verlust von Teilen dieser Ausgabe
Tgl. epist 134, 2 (22, 1162 M.): Grandem Latini sermonis in ista provincia notariorum
pathnur penuriam; et idcirco praeceptis tuis parere non possumus, maxime in editione
Septuaginta, quae asteriscis verubusque distincta est, Pleraqtie enim prioris laboris fraude
euiusdam amisimus. Vgl. Zöckler, Hieronymus p. 179.
Dritte Periode: Uebersetzungsarbeit in Bethlehem nach dem hebräi-
■ehen Grundtexte, a) Ueber die Üebersetzung der Bücher Samuels und der
Könige vgl. praef. an Paula und Eustochium (28, 557 M.): Lege primum Samuel et Ma-
laehim (der Könige) meum: meum, inquam, meum .... Quamquam mihi omnino conscius
noH sim, mutasse me quidpiam de Hebraica veritate. Diese Vorrede war als Einleitung
ftr das ganze Werk bestimmt; vgl. Sp. 555 M. hie prologus Scripturarum quasi gnleatum
prineipium omnibus libris, quos de Hebraeo vertimus in Latinum, convenire potest. Der
Prolog wird in der That als Prologus galeatus der Vulgata vorangestellt, ß) Hiob und
die Propheten. Auch dem Hiob ist eine Vorrede vorausgeschickt (Migne 28 Sp. 1079).
Ueber diese Arbeiten berichtet er in einem an Pammachius um 393 geschriebenen Brief
49, 4 (22, 512 M.): Libros sedecim Prophetarum, quos in Latinum de Hebraeo sermone verti,
si legeris, et delectari te hoc opere comperero^ provocabis nos etiam cetera clausa armario
non tenere. Transtuli nuper Job in linguam nostram .... Miseram quaedam juiy vno/iyfj'
fitttmy in Prophetas duodecim sancto patri Domnioni, Samuelem quoque et Malachim, id est
quatuar Regum libros, y) DasPsalterium. Er übersetzte dasselbe aus dem Hebräischen
auf Anregung des Sophronius; vgl. die Vorrede zu demselben (28, 1123 M.). Im Catalog
c. 134 sagt er von Sophronius: Opuscula mea in Graecum sermonem elegantissime trans-
tulit, Psalterium quoque et Prophetas, quos nos de Hebraeo in Latinum vertimus. Also
waren schon die Uebersetzungen des Psalterium und der Propheten geraume Zeit vor der
Abfassung des Gatalogs (392) fertiggestellt. Herausgegeben ist diese Üebersetzung von La-
gard e, Psalterium iuxta Hebraeos Hieronymi, Leipz. 1874; Liber psalmorum hehr, et lat.
ab Hieronymo ex hehr, conversus ed. Tischendorf, Baer, Delitzscn, Leipz. 1874. cf) Esra
and Nenemia (zu einem Buch Esra zusammengefasst). In der Vorrede (28, 1404 M.)
wird mit multaque alia, quae latiori operi reservamtis auf das an Pammachius gerichtete
Schriftchen De optimo genere interpretandi hingewiesen (epist. 57; 22, 568 M.); dieser Brief
ist aber, wie aus der Vorrede zum Jonacommentar hervorgeht, vor diesem, also wahr-
scheinlich vor 395 geschrieben, e) Die Ghronik (Paralipomena) verfasste er bald nach
dem Schriftchen De optimo genere interpretandi ; denn er sagt in der Vorrede (28, 1325 M.) :
Seripsi nuper librum de optimo genere interpretandi, C) Die drei Bücher Salomons
(Sprüche, Prediger, das hohe Lied). In der Vorrede sagt er, dass er erst nach einer longa
aegrotatio das Werk rasch vollendet habe (Sp. 1241 M.). Wir kennen zwei längere Krank-
Iieiten des Hieronymus, eine im Jahre 398, die andere im Jahre 406. Rauschen (Jahrb.
der Christi. Kirche, Freib. i. Br. 1897, p. 406 Anm. 3) beweist, dass hier nur die Krankheit
vom Jahre 398 gemeint sein kann. 97) Octateuch. Epist. 71, 5 an Lucinius aus dem
Jahre 898 (22, 671 M.) Canonem Hebraicae veritatis excepto Octateucho, quem nunc in manibus
habeo, pueris tuis et notariis dedi describendum. Es ist fraglich, was unter Octateuch zu
verstehen ist, ob zu den fünf Büchern Mosis noch Josua, Richter, Ruth oder Josna, Richter,
Esther hinzuzunehmen sind. Wahrscheinlich ist das letztere; vgl. Rauschen p.461 Anm. 4.
Ruth wird mit den Richtern zu einem Buch vereinigt gewesen sein. In der Vorrede zu
Josua, Richter und Ruth (28, 461 M.) spricht er von finita Pentateucho Mosi. Paula war
damals bereits gestorben (404). Also fällt der Pentateuch zwischen 398 und 404. Bezüg-
lich des Estherbuchs besteht eine noch nicht gelöste Schwierigkeit. In der Vorrede zu
Josua, Richter und Ruth, in der auch der Tod der Paula erwähnt wird, ist auch die üeber-
setzung des Estherbuches angeführt. In der Vorrede zu dieser Üebersetzung (Sp. 1434 M.)
wird aber Paula und Eustochium angeredet. Die ältere Paula kann hier nicht gemeint
sein, da sie bereite tot ist; wir werden daher an die jlliigeT^ Pwal«i im dÄTikftTL haheo. und
Bustochium et Paula achteiheTi, ») Tobias und 3ud\t\v, Ixi ^«t wi ^\v\QrKi»iu<SÄ nssä.
412 Hieronymas. (§980.)
Heliodor gerichteten Praef. (29, 23 M.) sagt er: Exigitis, ut librum Chaldaeo sermone cau.
scriptum ad Latinum stilum traham. Auch in der Vorrede zu Judith (Sp. 39 M.) sprich
er von postulatio vestra, immo exactio, Ueber die Zeit der Uebersetzungen ist nichts näieRi
bekannt. Vgl. Thiel mann, Beitr. zur Textkritik der Vulgata, besonders des Buches Ji-
dith, Speier 1883. — W. Nowack, Die Bedeutung des Hieronymus für die alttestameitt.
Textkritik, Göttingen 1875.
Fortleben derVulgata. Die weiteren Geschicke der Vulgata genauer zu to^
folgen, kann nicht mehr unsere Aufgabe sein. Nur einige Andeutungen seien uns oocb
gestattet. Auch die hieronymianische Bearbeitung erlitt im Laufe der Zeit Verändenmgen,
so dass sich auch fllr sie das Bedürfnis einer Revision geltend machte. Eine solche wurdt
im karolingischen Zeitalter gemacht. (Ueber Theodulfs Thätigkeit vgl. Berger p. 145.)
Im 11. Jahrhundert besorgte eine solclie der nachmalige Erzbischof von Canterbuij Ltn-
franc (t 1089; vgl. Kaulen, Einleitung p. 234), im 12. der Cisterzienser Abt ^phaa
Harding von Citeaux (Kaulen p.245) und der Kardinal Nikolaus von Rom (Kaulen p. 236).
Im 13. Jahrhundert kommen die kritischen Apparate auf. Man schrieb an den Rand des
Textes die verschiedenen Lesarten; waren deren sehr viel, so schrieb man sie in eincB
eigenen Buch zusammen. Eine solche, sei es selbständige oder beigeschriebene Varianten-
Sammlung hiess Correctorium oder Epanorthota. Die letzte Phase der Vulgata be-
gründete das Concil von Trient, welches 1546 anordnete, tU haec ipsa vetus et vulgata
editiOf quae longo tot saeculorum usu in ipsa ecclesia probata est^ pro authentica habeatur
und zugleich den Druck derselben in möglichst reiner Gestalt anordnete. Allein die Durch-
führung der letzten Anordnung stiess auf viele Schwierigkeiten. Erst Papst Sixtus T.
(1585 — 1590) nahm die Sache energisch in die Hand; ja er beteiligte sich trotz der Com-
mission, die für die Revision der Vulgata eingesetzt war, selbst in hervorragender Weise
an der Revision und dem Druck des Werkes. Allein seine Ausgabe, die 1590 erschien,
war fehlerhaft und konnte den Erwartungen nicht entsprechen. Sein Nachfolger Gregor XTV.
setzte daher die Revisionsarbeiten fort. Erst unter Clemens VIII. (1592—1605) wurde das
Ziel erreicht und zwar auch nicht auf einen Wurf. Die Ausgaben von 1592 und 1593
waren auch nicht von Druckfehlem frei. Erst die dritte Ausgabe des Jahres 1598 gab
der Vulgata den Text in seiner endgiltigen Gestalt. Diese Ausgabe der Vulgata (Giemen-
tina), welche sich als eine verbesserte Sixtina darstellt, ist das Normalexemplar ftlr die
späteren Vulgataausgaben geworden. — Martin, Saint Etienne Harding et les premieis r«-
censeurs de la Vulgate Latine Thöodulfe et Alcuin (Revue des sciences eccl^s. 54 (1886)
p. 511; ho (1887) p. 1 ; p. 97); Dcnifle, Die Handschriften der Bibel- Korrektorien des 13.
Jabrh. (Archiv für Litt.- und Kirchengesch. des Mittelalters, Freib. i. Br. 1888, p. 263:
p. 471); L. van Ess, Pragmatisch- krit. Gesch. der Vulgata, Tübingen 1824; S. Berger.
Histoire de la Vulgate pendant les premiers siocles du moyen ftge, Paris 1893; vgl. P. Cors-
sen, Gott. gel. Adz. 1894 p. 855.
Ueberlieferung. Die Haupthandschrift ist der codex Araiatinus in Florenz ans
dem ehemaligen Cisterzieiiserkloster Mont Amiata s. VIII, eine vollständige BibelhandschriÜ;
Schriftprobe in Zangemeister und Wattenbach, Exempla codicum latinorum tab. 35.
Daraus ist das neue Testament herausgegeben von Tischendorf, Leipz. 1850. Das neue
Testiiment enthält der codex Fuldensis, auf Befehl des Bischofs Victor von Capua 645
geschrieben (herausgegeben von Ranke, Novum Testamentum latine interprete Hieronymo
ex manuscripto Victoris Capuani, Marb. und Leipz. 1868); vgl. Zangemeister und Watten-
bach tab. 33. Als dritter Zeuge kommt hinzu der Foroiuliensis s. VI/VII. Vercellone,
Variao lectiones Vulgatae Ljitinae Bibliorum editionis, 2 Bde., Rom 1860/64; Corssen, Der
Text der Adaliandschrift (Die Trierer Adahandschrift, Publikation der Ges. für Rhein. Gesch. 6,
Leipz. 1^89); W. Schulz, Beitr. zu dem Text der Vulgata aus spanischen Handschriften
(Zeitschr. für wiss. Theol. 42 (lb99) p. 36); J. B. de Rosai, La Bibbia offerta da Ceolfrido
(omaggio giubilare della bibliot. Vaticana al Leone XIII, Rom 1888). Ueber die Hand-
schriften der Evangelien vgl. auch Wordsworth und Withe p. X; p. 705; über Bentleys
Arbeiten p. XV; Zusammenstellung der Vulgatahandschriften bei C. R. Gregory, Textkritik
des neuen Testaments 2 (Leipz. 1902) p. 613.
Ausg. Biblia sacra Veteris Testamenti Hieronymo interprete ex antiquissima anc-
toritate in stichos descripta. Vulgatam lectionem .... testimonium comitatur codicis Amia-
tini latinorum omnium antiquissimi ed. Th. Heyse und C. Tischendorf, Leipz. 1873;
vgl. dazu Hamann, Zeitschr. für wiss. Theol. 1873 Sp. 582; Lagard e, Des Hieronymns
Uebertragung der griechischen Uebersetzung des Hiob (Mitteilungen 2 (Göttingen 1887'
p. 189); C. P. Gas pari, Das Buch Hiob (1, 1 — 38, 16) in Hieronymus* Uebersetzung aus der
alexandrinischen Version nach einer St. Gallener Handschrift s. VIII, Christiania 1893. -
Eine neue Ausg. der neutestamentlichen Vulgata ist von zwei Engländern in Angriff ge-
genommen worden; bisher erschien: Novum Testamentum Domini nostri Jesu Christi latine
secundum editionem S. Hieronymi ad codicum mauwactvi^tÄVWTtv ^d«t«v x^^» 3. W^Yd^mottk
und Withe, Oxford 1889—98, Pars \\ Qu&tUoi ¥.N«u?,ft\\«.\ Nig^. ^i^Xi^OcL^X.-L, '$.\sÄ..isa.
-^ HieronymuB. (§ 981.) 4 IS
>
T^NLftkritik der Vulgata, Leipz. 1894; vgl. auch „Ueberlieferung*. üeber ältere Ausg. vgl.
Wordsworth und Withe p. XXVIII.
Litteratur. H. Hodius, De bibliorum textibus originalibus, verslonibus Graecis
•i Laiiiia Vulgata, Oxford 1705; Riegler, Krit. Gesch. der Vulgata, Sulzbach 1820; Kaulen,
Q^aek. der Vulgata, Mainz 1868; Rönsch, CoUectanea philol., Bremen 1891; Handbuch der
YidgBta (Eine systematische Darstellung ihres lat. Sprachcharakters, Mainz 1870); Nestle,
fin JnlnlAnm der lat. Bibel zum 9. November 1892 (Marginalien und Materialien 2, 4, Tübingen
1898); Ott, Die neueren Forschungen im Gebiete des Bibellateins (Fleckeis. Jahrb. 1874
^ 777; p. 883); Hagen, Sprachl. Erörterungen zur Vulgata, Freib. 1868; J. B. Heiss,
Mitr. lor Grammatik der Vulgata, München 1864; V. Loch, Materialien zur Grammatik
der Vulgata, Bamberg 1870; Thielmann, Die Benutzung der Vulgata zu sprachlichen
UnteiBachungen (Philol. 42 (1884) p. 319); Archiv für lat. Lexikographie 1 (1884) p. 68;
RftDBch, Itida und Vulgata. Das Sprachidiom der urchrisilichen Itala und der katholischen
Y«]gata, Marb.' 1875; Corssen, Bericht über die lateinischen Bibelübersetzungen (Bursians
Jahresber. 101. Bd. 2. Abt., 1899) handelt p. 52 über die Vulgata; J. H. Bernard. The
mss. used bj St. Jerome (Hermathena 27 (1901) p. 885). Vgl. das Litteraturver-
J8 bei Berger p. XXII; Nestles Art. 'Bibelüberseteungen* (Herzogs Realencycl.*).
y) Die exegetischen Schriften.
981. Uebersetzungen origenistischer Homilien. Zu Origenes blickte
Hieronymus anfangs mit grosser Verehrung empor; es ist daher kein
Wunder, wenn er exegetische Werke des grossen Alexandriners dem
römischen Publikum durch Uebertragungen zugänglich zu machen suchte.
Auch in dem Kreise des Hieronymus scheint das Verlangen, die Exegese
des Origenes kennen zu lernen, ein starkes gewesen zu sein; wenigstens
verlangte Blaesilla, die Tochter der Paula, die Uebertragung grosser exe-
getischer Werke des Origenes von Seiten des Hieronymus.^) Diesem Ver-
langen konnte der Kirchenvater nicht nachkommen, dafür haben wir aber
aus seiner Feder Uebersetzungen origenistischer Homilien ; er schrieb die-
selben in Constantinopel, Rom und Bethlehem.
Im Verzeichnis seiner Schriften nennt Hieronymus unmittelbar nach
der Chronik seine Uebersetzung der Homilien über Jeremias und Eze-
chiel. Wie die Chronik, so ist auch dieses Werk dem Presbyter Vin-
centius gewidmet, der ihn zu der Arbeit angeregt hatte. Wir werden
daher die Abfassung dieser Uebersetzung in den Aufenthalt zu Constan-
tinopel verlegen. Es sind im ganzen 28 Homilien, 14 über Jeremias und
14 über Ezechiel. Das Ziel, das er sich bei der Uebertragung steckte,
war, den einfachen Stil des Originals nachzubilden und allen rednerischen
Schmuck beiseite zu werfen. Die Arbeit war nicht leicht; ein Augen-
leiden und der Mangel an Schnellschreibern traten hindernd in den Weg.
Hieronymus war damals noch ein begeisterter Verehrer des Origenes; er
nennt ihn mit Didymus einen zweiten Apostel und verspricht, die meisten
Werke des Alexandriners ins Lateinische übertragen zu wollen. Als
Hieronymus in Rom weilte, überreichte er seinem Gönner, dem Papst
Damasus, die Uebersetzung zweier Homilien des Origenes über das hohe
Lied. Er stellt die exegetische Thätigkeit des Alexandriners zu diesem
Schriftstück besonders hoch und meint, dass Origenes sich hier selbst über-
troffen habe. Von dem aus 10 Büchern bestehenden Commentar des
Origenes sieht er ab und begnügt sich, um dem Papst einen Vorgeschmack
von der Genialität des Exegeten zu geben, mit Uebertragung zweier Ho-
V Migne 26 8p. 219.
414 Hieronymiui. (§ 981 .)
milien. Dieselben fanden grosse Verbreitung im Mittelalter, eine wurde
sogar metrisch bearbeitet. Die Uebersetzung ist uns um so willkommener,
als das Original verloren ist. Auch in Bethlehem widmete Hieronymus
sich noch der Uebersetzung des Origenes. Um 387 erschien ein Com-
mentar des Ambrosius zu Lucas. Er gelangte auch nach Bethlehem,
fand aber dort im Kreise des Hieronymus keinen Anklang; wenigstens
fanden Paula und Eustochium, dass der Commentar mit Worten spiele,
ohne in die Tiefe der Gedanken zu dringen. Es galt daher, diesem
Werk etwas Besseres gegenüberzustellen. Hieronymus nahm die 39 Uo-
milien des Origenes über Lucas und übersetzte sie. In der Vorrede zu
seiner Uebertragung machte er einen boshaften Ausfall auf Ambrosius,
indem er ihn mit einem krächzenden Baben verglich. Die Uebersetzung
muss uns das bis auf wenige Fragmente verlorene Original ersetzen. End-
lich übersetzte Hieronymus auch von den Homilien des Origenes über
Isaias 9 Stück. Zu diesen Stücken fehlt ebenfalls das Original. Da diese
Homilien im Catalog nicht erwähnt sind, werden sie nach 392 fallen, jedoch
vor dem Ausbruch der origenistischen Streitigkeiten geschrieben sein.
Uebersetzung von Homilien des Origenes über Jeremias und Ezecbiel.
Sp. 585 M. post quatuordecim homilias in Jeremiatn, quas mm pridem confuso ordine inter-
pretatus sunt, et has quatuordecim in Ezechielem per intervaUa dictavi, üeber die ver-
änderte Anordnung der Homilien des Originals über Jeremias vgl. Harnack, Gesch. der
altchristl. Litt. 1 (Leipz. 1893) p. 362. Zwei der übersetzten Homilien über Jeremias (2 und 3)
finden sich nicht im Original; vgl. Harnack 1. c. Die Homilien über Ezechiel sind uns
nicht im Original erhalten, lieber die Uebersetzung der Jeremiashomillen vgl. Ausg. des
Origenes von Elostermann Bd. 3 (Leipz. 1901) p. XVI. — Ausg. bei Vallarai 5 Sp. 741;
Migne 25 Sp. 583. Die Homilien über Ezechiel sind auch abgedruckt in Origenis open
ed. Lommatzsch 14 p. 4; die zwei Homilien über Jeremias, deren Original verloren ist, bei
Lommatzsch 15 p..389. Die 10. Homilie griech. und lat. ed. Klostermann, Bonn 1903.
Uebersetzung zweier Homilien des Origenes über das hohe Lied. In
einem Brief an Papst Damasus sagt Hieronymus (Sp. 1118 M.): hos duos tractaiuSf quas in
morem quotidiani eloquii parvuUs adhiic lactentibus romposuitj fideliter magis quam ornate
inierpretatus sinn. Das Original ist grösstenteils verloren; vgl. Harnack p. 359. — Ausg.
bei Vallarsi 3 Sp. 499; Migne 23 Sp. 1117; Origenis opera cd. Lommatzsch 14 p. 235.
Uebersetzung der Homilien des Origenes über Lucas. In der Vorrede
sclireibt er an Paula und Eustochium (Sp. 219 M.): PetisiiSy ut .... saltem triginta et novem
Adamanfii nostri (d. i. Origenes) in Lucam homilias, sicut in Graeco hahentur, interpreter
.... praetermisi paululum Hebraicarum Quaesfionum libros, ut ad arbiirium restrum lucra-
tivis operis haec, quaUacumque sunt, non mea, sed aliena dictarem. Bezüglich der Zeit der
Homilien ist festzuhalten, dass Hieronymus in der Vorrede eine boshafte Anspielung auf
den Commentar des Ambrosius zu Lucas^ der 386/87 erschien (§ 930), gemacht hat (vgl.
Rufin. Apol. in Hieronym. 2, 23; 21 Sp. 602 M.) und dass die Homilien in seinem Katalog,
der 392 verfasst wurde, aufgezählt sind. Also fällt die Uebersetzung in die Zeit von
386/87 — 392, sonach in den Aufenthalt zu Bethlehem. — Ausg. bei Vallarsi 7 Sp. 245;
Migne 26 Sp. 219; Origenis opera ed. Lommatzsch 5 p. 85. — Vgl. Harnack p. 36J:^;
Zöckler p. 174; Bardenhewer, Gesch. der altkirchl. Litt. 2 (1903) p. 102.
Uebersetzung von Homilien des Origenes über Isaias. Vallarsi hat in
der 1. Aufl. seiner Ausg. (4 Sp. IX/X) die Uebersetzung dem Hieronymus abgesprochen, in
der 2. Aufl. dagegen teilt er sie ihm zu; vgl. Migne Sp. 899. Er stützt sich darauf, dass
Rufinus (Apol. in Hieronym. 2, 27; 21 Sp. 607 M.) bei der Kritik der Uebersetzungen des
Hieronymus folgende Stelle anführt: Quae sunt ista duo Seraphim? Dominus meus Jesus
Christus et Spiritus Sancfus, zu der Hieronymus folgenden Zusatz gemacht hat: Xec putex
Trinitatis dissidere naturam, si nominum servantur officio. Diese Stelle flndet sich aber
genau mit dem Zusatz Homilie 1 Sp. 904 M. Im Catalog ist die Uebersetzung nicht er-
wähnt; Vallarsi folgert daher: „Opus istud post conditum quidem Catalogum suornm
openim, sed paulo tarnen quam Origeni infensior esse coepisset, elucubravit. " Es sind
im ganzen 9, die letzte ist unvollständig. — Ausg. bei Vallarsi 4 Sp. 1097; Migne 24
Sp. 901; Ongcnia opera ed. LommatzscYv V^ \>.*i'^'^. — N^. ^«.ttsl^^^^V \.^^\.
Hieronymns. (§ 982.) 415
982. Die Commentare zu den zwölf kleinen Propheten. Nicht
auf einmal wurde das grosse Werk, das die zwölf kleinen Propheten com-
mentierte, durchgeführt; verschiedene Male wurde Hieronymus durch andere
Arbeiten von dem Unternehmen abgelenkt, allein er kehrte immer wieder
zu demselben zurück, und in drei Arbeitsperioden wurde es verwirklicht.
In der Ausarbeitung der einzelnen Commentare folgte er nicht einer be-
stimmten Ordnung, sondern er Hess sich durch äussere Einflüsse bestimmen.
Yon eingehenden Studien war bei dieser Arbeit keine Rede; die Commen-
tare sind eilfertige Compilationen, und mehr als einmal bittet der Com-
mentator seine Leser wegen seiner Hast um Entschuldigung. Am meisten
kam ihm Origenes zu statten. Wir schreiten zur Besprechung der ein-
zelnen Commentare.
Zeugnisse. Amoscomm. Sp. 1057 M. non a primo usque ad novisaimum iuxta or-
dintm quoJeguntur, sed ut potuimus et ut rogati sumus, ita eos (prophetas) diaseruimus.
De vir. iU. 75 sed et in Duodecim Prophetas viginti quinque i^tjyijaeay Origenis volumina
manu eins (Pamphili) exarata repperi, quae tanto ampUctor et servo gaudio, ut Croesi
opea habere me credam,
1. Die Commentare zu fünf kleinen Propheten. Hieronymus
begann das grosse Werk damit, dass er zuerst fünf kleine Propheten zum
Gegenstand seiner exegetischen Studien machte. Es sind : Naum, Michaea,
Sophonia, Haggai, Habacuc. Von diesen Commentaren ist der zu Habacuc
dem Bischof Chromatius von Aquileia gewidmet, die übrigen seinen Freun-
dinnen Paula und Eustochium. Man spöttelte darüber, dass der Kirchen-
vater seine gelehrten Arbeiten so oft an Frauen richte, und er fand es
daher für nötig, sich wegen dieser Spöttereien zu verteidigen. Die Com-
mentare sind kurz vor 392 oder im Jahre 392 verfasst, da der in diesem
Jahre geschriebene Catalog diese Werke am Schluss anführt, offenbar in
rascher Folge; er bat daher den Leser um Entschuldigung wegen der
Schnelligkeit seines Diktierens. Diese Eilfertigkeit schloss eingehende
Studien aus, und wenn ihm vorgeworfen wurde, dass er Origenes aus-
schreibe, so vermag er das nicht abzuleugnen, sondern sucht seine Recht-
fertigung in dem gleichen Vorgehen berühmter römischer Schriftsteller.
Abfassungszeit der Commentare. Praef. zu Amos lib. 3 (Sp. 1057 M.) Naum,
Michaeam, Sophoniam et Aggaeum primo qnXonoyoxdxaig Paulae eiusque filiae Eustochio
TtQwrsqiioyTjca, seeundo in Abacuc duos lihroa Chromatio Aquileiensi episcopo delegavi. Wäh-
rend hier die Ordnong der 5 Commentare Naum, Michaea, Sophonia, Haggai, Habacuc ist,
finden wir im Catalog die Ordnung: Michaea, Naum, Habacuc, Sophonia, Haggai, die gleiche
Praef. zum Jonascommentar (25 Sp. 1117 M.). Die erste Anordnung bei Amos wird die
chronologische sein. Im Prolog zu Habacuc (Sp. 1273 M.) verweist er auf den Naumcom-
mentar. Im Prolog zum Jonascommentar setzt er die genannten Commentare 3 Jahre vor
dem Jonascommentar an.
Zur Charakteristik. Comm. in Agg. Sp. 1416 M. obsecro te, lector, ut ignoscas
celeri sermone dictanti, nee requiras eloquii venustatem, quam multo tempore Hebraeae lin-
guae studio perdidi, Prolog, zu Comm. in Sophon. Sp. 1337 M. me irridendum aestimant,
quod omissis viris ad vos scribam potissimum, o Paula et Eustochium. Comm. in Abacuc
2, 15 1^. 1301 M. audivi Liddae quemdam de Hebraeis, qui sapiens apud illos et devfeQtoTijg
voeabatur, narranUm huiuscemodi fabulam. Comm. in Mich. lib. 2 Sp. 1189 M. dicunt Ori-
genis me Volumina compilare et contaminari non decere veterum scripta. Vgl. Zö ekler,
Hieronymus p. 186.
Ausg. Naum: Vallarsi 6 Sp. 533; Migne 25 Sp. 1231. Michaea: Vallarsi 6
Sp. 431; Migne 25 Sp. 1151. Sophonia: Vallarsi 6 Sp. 671; Migne 25 Sp. 1337; Haggai:
Vallarsi 6 Sp. 735; Migne 25 Sp. 1387. Habacuc: Vallarsi 6 Sp.587; Migne 25 Sp. 1273.
2. Die Commentare zu Jonas und A.bd\a. ¥»Ät dv^v Jatre waren
416 Hieronymns. (§ 982.)
verstrichen, seitdem Hieronymus die genannten fänf kleinen Prophetei
commentiert hatte. Andere litterarische Arbeiten hatten ihn von der Fort-
setzung des Werkes abgehalten. Um 395 lenkte er wieder in die v»*
lassenen Bahnen ein und nahm sich den Propheten Jonas und, wie man
schliessen muss, bald darauf den Abdia vor, um sie durch Commentare
zu erläutern. Den letzten Propheten hatte er bereits in der Jugend ^-
klärt. Er war allegorisch vorgegangen, ohne die historische Grundlage
festzustellen; es war ihm daher unangenehm, als nach Jahren ein Exem-
plar dieser Schrift aus Italien zu ihm gelangte, und wunderbar, dass das-
selbe das Lob seines Besitzers gefunden hatte. Selbstverständlich kami
er jetzt etwas besseres geben als damals. In zwei Nächten wurde der
Abdiacommentar diktiert, mit anderen Worten, er hat aus einigen Quelloi
das ihm brauchbar erscheinende einem Schnellschreiber in die Feder dik-
tiert. Etwas schwerer scheint ihm die Arbeit über Jonas geworden zu
sein; denn er klagt, dass die Commentatoren den Propheten mehr ver-
dunkelten als aufhellten. Der Jonascommentar ist dem Bischof Chroma-
tius, der Abdiacommentar seinem Freunde Pammachius gewidmet
AbfaBsun^szcit der beiden Commentare. Prolog, zum Jonascomm. (Sp. 1117 M.)
triennium circiter fltixit, poatquam quinque prophetas interpreiatus sunt. Praef. zum Amo»-
comm. Hb. 3 Sp. 1057 M. tertio post longi temporis silentium Ähdiam et Jonam tibi im-
peranti ed isser ui. Vgl. Zock 1er, Hieronymus p. 208.
Zur Charakteristik. Prolog, zum Jonascomm.: obsecro ut qui (Jonas) typus eü
Salvatoris et trihus diebus ac noctibus in ventre ceti moratus praefiguravU domini resur-
rectionem, nobis quoque fervorem pristinum tribuat, tU sancti ad nos Spiritus mereamur
adventum .... Scio veteres ecclesiasticos tarn Graecos quam Latinos super hoc libro muHü
dixisse et tantis quaestionibus non tarn aperuisse quam obscurasse sententias .... (Sp. 11191
ceterum non ignoramuSj Chromat i papa vcnerabiUSj sudoris esse vel maximi totum pro-
phetam referre ad inlelligentiam Salvatoris, Prolog, zum Abdiacomm. Sp. 1097 M. i« ado.
lescentia .... allegorice interpreiatus sum Abdiam prophetam, cuius historiam neseiebam
nee diffiteor per hosce triginta annos in eins opere nie ac labore sudasse. Sp. 1098 M. mi
Pammachi. Am Schluss des Abdiacommentars heisst es (Sp. 1117 M.): Haec ad duas lucu-
bratiunndas veterum auctoritatem secutus et maxime expositionem Hebraicam propere str-
mone dictavi .... Unde sapiens lector sensuum magis debet consequentiam quaerere quam
eloguii venustat em. Nvque enim ea lenitate et compositione verborum dictamus, ut scribimu*.
Vgl. Zö ekler, Hieronymus p. 208.
Ausg. Jonas: Vallarsi 6 Sp.387; Migne 25 Sp. 1117. Abdia: Vallarsi 6 Sp.350:
Migne 25 Sp. 1097.
3. Die Commentare zu den noch übrigen fünf kleinen Pro-
pheten. Wieder trat eine längere Pause in seiner Commentierung der
kleinen Propheten ein. Erst im Jahre 406 legte er von neuem Hand an
das Werk, um es seinem Ende zuzuführen. Er begann mit der Erklärung
des Zacharia. Der Commentar musste sehr eilig hergestellt werden;
denn er war zu einem Geschenk bestimmt, das der Mönch Sisinnius dem
Tolosanischen Bisehof Exuperius überbringen sollte. An gelehrten Hilfs-
mitteln fehlte es ihm allerdings nicht, doch hatten dieselben zu sehr die
Allegorie betont und das historische Moment vernachlässigt. Hieronymus
suchte also durch Verbindung der historischen und allegorischen Er-
klärungsweise seine Aufgabe zu lösen. Derselbe Mittelsmann Sisinnius
hatte an die Tolosanischen Mönche Minervius und Alexander auch einen
Commentar zu dem Propheten Malachias und einen exegetischen Brief
zu überbringen. Die drei noch übrigen Commentare sind dem Pammachius
gewidmet. Im Commentar zu Osee s\»^\v^tv '^tcv t^\^^ ^^\«asj^ä^ -c®.
Hieronymiul. (§ 983.) 417
Verfügung, die er im Prolog aufzählt; hier legt er auch seine Grundauf-
bssung über den Propheten dar. Im weiteren Verlauf der in mehrere
Bücher geteilten Arbeit hat er wieder über Neid und Anfeindung zu
klagen. Alsdann kam der Joelcommentar an die Reihe, in dessen Vor-
rede er sich über die Anordnung der zwölf Propheten bei den LXX und
dem hebräischen Urtext und über die Bedeutung der Namen der Pro-
pheten ausspricht. Das grosse Werk kam mit dem Amoscommentar zu
Ende, und voll Freude wirft der Autor nochmals einen Blick auf die lang-
ffthrige, vielfach unterbrochene Thätigkeit zurück.
AbfassuDgszeit der 5 Commentare. Amoscomm. Sp. 1057 M. praesenti anno, qui
wxti eonsulatus Arcadii Augusti et AnicH Probt fastis nomen imposuit (a. 406), Exsuperio
^oiosanae eccleaiae pontifici Zadhariam et eiusdem urhis Minervio et Alexandro monachis
Wdiaehiam prophetam interpretcUus sum, Statimque recurrens ad principium voluminia
"hee et Joel et Arnos tibi (seil. Pammachias) negare non potui.
Zur Gharakteriatik der Commentare sei Folgendes mitgeteilt a)Zacharia8-
tommentar. Prolog. Sp. 1417 M. ob festinationem eius qui reversurus est nullam moram
Htiitur interpretatio: sed velim noHm, saltem lucrativis per noctem horis atque furtivis dictare
•atnptUor, quod tibi (seil. Exsuperio Tolosano episcopo) dirigam. Scripsit in hunc prophetam
Trigtnes duo volumina usque ad tertiam partetn libri a principio. Hippolytus quoque edidit
'Jotnmentarios et Didymus quoque Explanationum libros me rogante dictavit, quos cum aliis
ribtis in Osee et mihi nQoastpaiyrjaey: sed tota eorum i^yrjatg allegorica fuit et historiae
fiop pauea tetigerunt .... historiae Hebraeorum tropologiam nostrorum miscui. Ueber die
Bile in der Abfassung vgl. Sp. 1455 A und Sp. 1497 C. — Ausg. bei Vallarsi 6 Sp. 775;
Ifigne 25 Sp. 1415. ß) Malachiascommentar. Prolog. Sp. 1543 M. scripsit in hunc
lihrum Origenes tria volumina; sed historiam omnino non tetigit et more suo totus in alle-
^oriae interpretatione versatus est, nulJam Ezrae faciens mentionem .... alios commentarios
m hunc prophetam Ugisse me nescio, excepto ApoUinaris brevi libello, cuius non tarn inter-
pretatio quam interpretationis puncta dicenda sunt, Epist. 119, 1 an Minervius und Ale-
zander (22, 966 M.) in ipso iam profectionis articulo sancti fratris nostri Sisinnii, qui vestra
mihi scripta detulerat, haec, qualiacumque sunt, dictare compeUor. Vgl. ZO ekler, Hieronymus
p. 291. — Ausg. bei Vallarsi 6 Sp. 939; Migne 25 Sp. 1541. y) Oseecommentar. Prolog.
Sp. 819 M. qui (ApoUinaris Laodicenus) cum in adolescentia sua breves et in hunc et in alios
prqphetas commentariolos reliquissei, tangens magis sensus quam explicans, rogatus est po-
ttea, ut in Osee plenius scriberet: qui liber venit in nostras manus .... Origenes parvum
de hoc propheta scripsit libeUum, cui hunc titulum imposuit negl rov ntSg foyofuxc&t] iy r^
lOatii *Eg>^atf4 .... volens ostendere quaecumque contra eum dicuntur ad haereticorum referenda
personam. Et aliud volumen dxiqtaXov xal axiXhaxov, quod et capite careat et fine. Pierii
quoque legi tractatum longissimum Et Eusebius Caesariensis in octavo decimo libro
EvayysXix^g dnodei^eatg quaedam de Osee propheta disputat. ünde ante annos circiter viginti
duos, cum rogatu sanctae et venercUnlis socrus, immo matris tuae Paulas .... essem Alexan-
driae, vidi Didymum, et eum frequenter audivi .... rogavique eum, ut quod Origenes non
feeerat ipse compleret et scriberet in Osee Commentarios: qui tres libros me petente dictavit,
quinque quoque alios in Zachariam. Nam et in ipsum duo tantum Origenes scripsit volumina
vix tertiam partem a principio libri usque ad visionem quadrigarum edisserens. Sp. 860 M.
tu, Pammachi, qui nos facere praecepisti hoc, necesse est ut fautor sis imperii tui — Ausg.
beiVallarsi 6Sp. 1; Migne 25Sp. 815. — M. Rahmer, Monatsschr. für Gesch. u.Wissensch.
des Judentums 1865, 1867, 1868, 1898. d) Joelcommentar. Prolog. Sp. 949 M. quodque
sanctae ae venerabili Paulae parenti tuae (kurz vorher Pammachius angeredet) polliciti sumus,
pius heres suscipe. — Ausg. bei Vallarsi 6 Sp. 165; Migne 25 Sp. 947; vgl. Rahmer 1. c.
c) Amoscommentar. Hieronymus schreibt an Pammachius (Sp. 1057 M.): E^ post gra-
vissimam corporis aegrotationem dictandi celeritate ostendi temeritatem meam .... quoniam,
ut saepe testatus sum, laborem propria scribendi manu ferre non valeo, in explanatione
sanctarum Scripturarum non verba composita et oratoriis floribus adornata, sed eruditio et
simplidtas quaeritur veritatis. — Ausg. bei Vallarsi 6 Sp. 219; Migne 25 Sp. 989.
983. Die Commentare zu den vier grossen Propheten. Bald nach-
dem die commentierende Thätigkeit zu den zwölf kleinen Propheten ihr
Ende erreicht hatte, wandte er sich zu den vier grossen. Zuerst inter-
pretierte er den Propheten Daniel. Er wollte einen anderen Weg ein-
scbJagen als bei der Interpretation der zvfÖV? V\e\xv^xv ^to^^\äw\ \ssä\^
Häodbach der kJäm, il/tertumiiwineDschmft. VIII, 4. ^
418 Hieroii3rmiia. (§983.)
alles sollte besprochen werden, sondern das Wichtigste und Einschnei-
dendste. Bei diesem Commentar, der dem Pammachius und der Marcelk
gewidmet wurde, hatte er sich abzufinden mit Porphyrius, der die These
aufgestellt hatte, der Daniel sei von einem Zeitgenossen des Antiochos
Epiphanes verfasst worden, das Schriftstück berühre daher nicht Zu-
künftiges, sondern bereits Geschehenes. Dem gegenüber vertritt Hiero-
nymus die Ansicht, dass Daniel nicht bloss die Ankunft Christi, sondern
auch die Zeit derselben verkünde. Der Stoff führt ihn auch zu der pro-
fanen Litteratur, und das 11. Capitel ist reich an historischen Erzählungen.
Hervorgehoben soll noch werden, dass der Kirchenvater eine Interpolation
durch Hinweis auf das hebräische Original aufdeckt. Sofort nach dem
Erscheinen des Danielcommentars nahm er die Exegese des Isaias in
Angriff. Er widmete das Werk der Eustochium und ihrer verstorbenen
Mutter Paula. Es ist der umfangreichste Commentar, den Hieronymus
geschrieben, indem er den Umfang von 18 Büchern erhalten hat. Sobald
ein Buch fertig war, übersandte er es an Eustochium. Jedem Buch geht
eine Vorrede voraus, in der der Autor die Gelegenheit wahrnimmt, sich
über Verschiedenes, was sein Inneres berührt, auszusprechen; der Neid
seiner Gegner spielt auch eine Rolle. An Stelle des fünften Buches Hess
er den Traktat treten, den er vor 398 über die zehn Gesichte des Isaias
geschrieben hatte. Obwohl in diesem Commentar neben der historischen
auch die allegorische Interpretation zur Anwendung gekommen ist, so
sprechen doch Kenner dem Werke ihre Anerkennung aus. Sehr ausführ-
lich ist auch der Commentar zu Ezechiel, der wiederum der Eustochium
dediziert ist. Er besteht aus 14 Büchern; auch diese werden durch Vor-
reden eingeleitet, in denen sich der Verfasser besonders über den Aufbau
des Werkes ausspricht. Doch lässt auch die aufgeregte Zeit manchen
Niederschlag verspüren. Noch stand ein Prophet aus, Jeremias, der
commentiert werden sollte, und es schien, als sollte der Commentar zu
diesem Propheten sein reifstes Werk werden; allein der Tod nahm dem
unermüdlichen Exegeten den Griffel aus der Hand. So haben wir einen
Torso, der aus sechs Büchern besteht und dem Eusebius von Cremona ge-
, widmet ist. Das Vorhandene reicht bis zu Cap. 32. In die Vorreden
tönen die pelagianischen Streitigkeiten hinein.
Abfassungszeit des Danielcommentars. Der terminus post quem ergibt sich
aus Prolog. Sp. 494 M., wo er auf seinen Commentar zu den 12 kleinen Piopheten hin-
weist; also ist der Danielcommentar nach 406 geschrieben. Der terminua ante quem lisst
sich folgendermassen ermitteln: Danielcomm. 2, 40 Sp. 504 M. adrersum diversas natione$
aliarum (ßendum harbnranim indipemus auxiho; aus Isaiascomm. 1. 11 (24 Sp. 377 M.^
müssen wir vermuten, dass von den Feinden des Hieronymus diese Stelle als ein Angriff
gegen Stilicho denunziert wurde, dass aber durch dessen plötzlichen Tod (408) die (lefahr
für Hieronymus abgewendet wurde; also fällt der Commentar zwischen 406 und 408; vgl.
Vallarsi bei Migne Sp. 161.
Zur Charakteristik des Commentars. Prolog. Sp. 494 M. non iuxta consu^tu-
dincm nostram propoyientes omnia et omnia disserentes, ut in duodecini prophetis fecimus.
sed brcviter et per interralla ea tantuWy quae obscura sunt explanantes. Sp. 491 M. contra
prop/ictam Danielem duodecimum libmm scripsit PorphyriuSj noletis cum ab ipso, cuim
inscriptus est nomine, esse compositum, sed a quodam qui temporibus Antiochi qui appel-
latus est Kpij)hanes, fucrit in Judaea et non tarn Danielem Ventura dixisse quam Hlum
narrasse praeterita. Denique quidquid usque ad Äntiochum dixerit, verum historiam con-
iinere: si quid autem ultra opinatus sit, quia futura nescierit^ esse mentitum (vgl. Lataix.
Opinions de Porphyre, Revue etc. p. lOAV ^'^^^ soUcrlimmc Tespot^deT^wa "EwÄ^Xyc^ ^^.o«».-
». (§983.) 419
rienns qnscopus tribus voluminibus, id est octavo decimo et nono decimo et vicesimo;
ApoüinaHus guoque uno grandi libro, hoc est vicesimo sexto, et ante hos ex parte Metho-
diu8 commoneo niUlwn proplietarwn tarn aperte dixisse de Christo, Non enim solum
$eribit cum esse venturum, quod est commune cum ceteris, sed etiam quo tempore venturus
$it doeel (Sp. 493) ünde et nos ante annos plurimos cum verteremus Danielem, hos
vitiones obelo praenotavimtM, significantes eas in Hehraico non haberi .... Ad inteUi-
gendas autem extremas partes Danielis multiplex Graecorum historia necessaria est:
Sutorii videlicet Callinicif Diodori, Hieronymi, Polybii, Posidonii, Claudii. Theonis et Andro-
mci eognomento Alipii, quos et Porphyrius esse secutum se dicit: Josephi quoque et eorum
qtios ponit Josephus praecipueque nostri Livii et Pompeii Trogi atque Justini, qui omnem
extremae visionis narrant histoinaw, et post Älexandi-um usque ad Caesarem Augustum,
Sifriae et Aegypti, id est Seleuci, et Antiochi et Ptolemaeorum bella describunt. Isaias-
eomm. praef. zu 1. 11 (24 Sp. 377 M.) et ob hanc causam in Commentariolis Danielis bre-
viUUi studui praeter tUtimam et paenultimam visionem, in quibiM me necesse fuit ob ob-
icuritatis magnitudinem sermonem tendere, praecipueque in expositione Septem et sexa-
ginta duarum et unius hebdomadarum, in quibus disserendis quid Africanus temporum
Mcriptor, quid Origenes (Lataix, Opinions d'Origdne, Revue etc. p. 268) et Caesariensis
EusebiuSf Clemens quoque Alexandrinae ecclesiae presbyter et ApoUinarius Laodicenus
Hippolytusque et Hebraei et Tertullianus senserint, breviter comprehendi (Lataix, Tra-
ditions juivea, Revue etc. p. 275). — J. Lataix, Le commentaire de S. J^rdme sur Daniel
(Revue d'hiatoire et de litt^rature religieuses 2 (1897) p. 164; p. 268).
Abfasaungszeit des iBaiascommentars. Als Hieronymns das 11. Buch schrieb,
war Stilicho tot (408); vgl. praef. Sp. 377 M. Als er den Commentar zum £zechiel nach
Vollendung des Isaiascommentars verfasste, gelangte zu ihm die Nachricht, dass Rom be-
lagert werde (410); vgl. 25 Sp. 15 M. Der Commentar ist also durch das Intervallum 408
bia 410 begrenzt
Zur Charakteristik des Commentars. Prolog. Sp. 17 M. cogis me, virgo Christi
Eustoehium, transire ad Isaiam et quod sanctae mairi tuae Paulae, dum viveret, polli-
eitus 8um, tibi reddere (vgl. praef. zu 1. 18 Sp. 627 M.) sicque exponam Isaiam, ut ülum
non solum prophetam, sed evangelistam et apostolum doceam, Sp. 21 M. scripsit in himc
prophetam iuxta editiones quatuor usque ad Visionem quadrupedum in deserto Origenes
triginta Volumina, e quibus vicesimus sextus liber non invenitur. Feruntur et alii sub
nomine eius de Visione jetQttnodaty duo ad Gratam libri, qui pseudographi putantur, et
vigintiquinque Homiliae et £tj/ji€iiva6is, quas nos Excerpta possumus appellare. EtMebiiAS
quoque Pamphüi iuxta historicam explanationem quindecim edidit volumina; et IHdymus,
cuius amicitOs nuper usi sumus, ab eo loco ubi scriptum est: Consolamini, consolamini
populum meum etc, usque ad finem voluminis, decem et octo edidit tomos, ApoUinarius
auiem more suo sie exponit omnia, ut univei'sa transcunat et punctis quibusdam atque
intervallis, immo compendiis grandis viae spatia praetervolet. Prolog. 1. 6 Sp. 205 M. polli-
eüus sum, ut super fundamenta historiae spirituale exstruerem aedificium. Prolog.
1. 9 Sp. 313 M. variis molestiis occupati explanationes in Isaiam prophetam per intervcUla
dietamus.
Das fünfte Buch. Praef. Sp. 153 M. plures anni sunt quod a sanctae memoriae
viro Amabüi episcopo rogatus, ut in decem Isaiae scriberem Visiones, pro angustia illius
temporis quid mihi videretur in singulis brevi sermone perstrinxi, historiam tantum quod
petebat edisserens. Nunc ad te, (piXonoyatatrj Eustochium, cogor in totum prophetam
Commentarios scribere et interim orationibus tuis ad Babylonem usque perveni, quae prima
decem visionum est, de quibus ante iam dixi. Superfluum autem mihi visum est, aui eadem
rursus iterare aut in uno opere diversas sententias promere. ünde quintus in Isaiam
liber erit hie, qui quondam solus editus est. Die Spezialschrift muss vor 398 geschrieben
sein; denn epist. 71, 7 (22, 672 M.), welche derselben gedenkt, wird ins Jahr 398 gesetzt.
Abfassungszeit des Ezechielcommentars. In der Vorrede zum I.Buch sagt
Hieronymua (Sp. 15 M.): Et ecce subito mors mihi Pammachii atque Marcellae Romanae
urbis obsidio .... nuntiata est. Also fällt der Beginn des Commentars nach 410. In dem
Brief an Demetrias (epist. 130, 2 aus dem Jahre 414; 22, 1107 M.) ist er occupatus in
explanatione Templi Ezechielis; damit spielt er auf das 12. und 13. Buch an. Also wird
der Commentar 414 oder 415 beendigt worden sein.
Zur Charakteristik des Commentars. Praef. zu 1. 1 Sp. 15 M. quod (n&mlich
Commentar zu Ezechiel) tibi et sanctae memoriae matri tuae Paulae, o virgo Christi Eu-
stochium, saepe pollicitus sum. Praef. zu 1. 3 Sp. 76 M. unde rursus a te commoniti, o virgo
Christi Eustochium, intermissum laborem repetimus et tertium volumen aggressi tuo ae-
tiderio saiisfacere desideramus, Praef. zu 1. 5 Sp. 139 M. ne librorum nutnerus confun-
datur et per longa temporum spatia divisorum inter se voluminum ordo vitietur, prae-
faimncHlaa singulis libria praeposui .... in qiio nihil ex avtc TUctwca, wAvil «c cww^^-
420 Hieronymiui. (§ 984.)
sitione reperies et venustate verborum, sed cur am simplids ei soUertis düigenUae. Pnef.
zu 1. 7 Sp. 199 M. haec ad lucemulam qualiacumque sunt dictare canamtir et aestuantit
animi taedium interpretatione digerere.
AbfasBungBzeit des Jeremiascommentars. Am Schlnss des Ezechielcommen-
tars sagt Hieronymus (Sp. 449 M.): Transibo ad Jeremintn, qui unus nobis remanet pro-
phetarum. Also wurde der Gommentar gleich nach 414/15 begonnen. Da das Werk nicht
vollendet ist, wird der Tod des Hieronymus (420) die Vollendung verhindert haben. So-
nach werden wir die Bücher zwischen 415 und 420 ansetzen. Wenn Casaiodor sagt (de
inst. div. litt. c. 3; 70 Sp. 1114 Migne): Qtiem (Jeremiam) etiam sanctus Hieronymus viginti
libris commentatus esse monstratur, ex quibus sex tantum nos potuimus invenire ; reiiduos
vero adhuc Domino iuvante perquirimuSf so ist diese Nachricht so zu deuten, dass ia
der Ueberlieferung die von Hieronymus übersetzten 14 Homilien des Origenes mit dea
6 Büchern zu einem Ganzen verbunden wurden.
Zur Charakteristik des Commentars. Prolog. Sp. 679 M. sicque conabor nota-
rioi'um manu scribere, ut nihil desit in sensibus, cum mvUtum desit in verbis .... Libeüum
Baruch, qui vulgo editioni Septuaginta copulatur, nee habetur apud Hebraeos et tffepd-
enlyQatpoy epistolam Jeremiae nequaquam censui disserendam, sed magis Jeremiae ordinem,
librariorum errore confusum, multaque quae desunt ex Hebratis fontibus digertre ac eom-
plere. Er verweist auf einen Ausspruch Sp. 681 M.: ipsos Commentarios tarn veterum Script
torum esse quam nostros. Praef. zu 1. 2 Sp. 717 M. nee nimia longitudine extendentes opuii
nee immoderata brevüate auferentes intelligentiam. Praef. zu 1. 4 Sp. 793 M. muJtis et
de toto huc orbe conftuentium turbis et sanctorum Fratrum monasteriique curis occu-
patus Commentarios in Jeremiam per intervalla dictabam. Praef. zu 1. 6 Sp. 865 M. nos
sequentes auctoritatem apostolorum et evangelistarum et maxime apostoli Pauli, qtädquid
poptUo Israel carnaläer repromittitur, in nobis spiritualiter completum esse monstramut
hodieque compleri.
Ausg. Daniel: Vallarsi 5 Sp. 617; Migne 25 Sp. 491. Isaias: Vallarsi 4Sp. 1;
Migne 24 Sp. 17. Ezechiel: Vallarsi 5 Sp. 1; Migne 25 Sp. 15. Jeremias: Vallarsi
4 Sp. 833; Migne 24 Sp. 679.
984. Der Commentar zum Prediger und andere alttestamentliche
Erläuterungsschriften. Als Hieronymus in Rom weilte, interpretierte er
Paulas Tochter Blaesilla den Prediger, um ihr die üeberzeugung von der
Vergänglichkeit alles Irdischen beizubringen. Die fromme Jungfrau fand
Gefallen an der Exegese und bat daher Hieronymus, ihr seine Erklärungen
niederzuschreiben. Schon war Hieronymus mit der Ausführung eines
Commentars beschäftigt, als Blaesilla, die den Schleier genommen hatte,
unerwartet starb. Das Unternehmen ruhte nun; erst in Bethlehem, zwi-
schen 387—390, schritt er zur Ausführung desselben. Er widmete sein
Werk dem Andenken der V^ erstorbenen und der Paula und Eustochium.
Bemerkenswert ist, dass er sich besonders an den hebräischen Urtext an-
schloss. Diese Leistung des Hieronymus ist keine erfreuliche, da zu viel
in den Prediger hineingeheimnisst wird.
Wir reihen an den Commentar zum Prediger noch eine Reihe exe-
getischer Abhandlungen zum alten Testament. Als Hieronymus im Jahre
381 in Constantinopel weilte, schrieb er über die Vision von den Sera-
phim und der glühenden Kohle im 6. Capitel des Isaias einen Traktat,
den er in reiferen Jahren lediglich als eine Studie bezeichnete. Das Werk-
chen widmete er dem Papst Damasus. An denselben Papst richtete er
auch eine Abhandlung über das hebräische Wort „Osanna**. Damasus
hatte nämlich über dieses Wort bei Matthaeus (21, 9) verschiedene Aus-
legungen gefunden und wünschte von dem des Hebräischen kundigen Mann
eine authentische Interpretation. In einem anderen Briefe legte der wiss-
begierige Papst dem Kirchenvater fünf Fragen über schwierige Stellen
der Genesis zur Beantwortung vor. Von diesen fünf Fragen schaltete aber
Hieronymus zwei aus, indem ev Aarawi \\\\v«\^ä^ ^«ä^ ^\<öi^^^<b\v\i^^'»^ ^<^\w
Hieronymiui. (§984.) 421
Tertullian, Novatian und Origenes behandelt worden seien ; es blieben also
noch drei Fragen zur Beantwortung übrig, nämlich: 1. Wie die Stelle
der Genesis (4, 15) aufzufassen sei: wer Cain totschlägt, das soll sieben-
flUtig gerochen werden. 2. Warum Gen. 15, 16 Gott zu Abraham ge-
sagt habe, dass die Söhne Israels in der vierten Generation aus Aegypten
zurückkehren würden, während er Exodus 13, 18 von der fünften Generation
spreche. 3. Warum Isaak, der gerechte und Gott wohlgefällige Mann,
nicht dem, den er wollte, sondern dem, den er nicht wollte, irrtümlich
seinen Segen spendete. Bezüglich der zweiten Frage bemerkt Hieronymus,
dass der hebräische Grundtext nicht von der fünften Generation spreche,
sondern nur die Uebersetzung der Septuaginta.
Abfassungszeit des Commentars zum Prediger. Der GommeDtar fällt vor
392. Hieronymas schreibt ihn ungefähr fünf Jahre, nachdem er in Rom der Blaesilla den-
selben erkl&rt hatte. Der römische Aufenthalt wilhrte von 382 — 385; also muss der Com-
mentar in die Zeit von 387—390 fallen.
Zur Charakteristik. Praef. Sp. 1009 M. memini me ante hoc ferme quinquennium,
cum ctdhuc Romae essem et Ecclesiasten sanctae Blesülae legerem, ut eam ad contemptum
istitM saeculi provocarem rogatum ah ea, ut in moretn Commentarioli obscura quaeque
dissererem, ut absque me posset intelligere, qtute legebat. Itaque quoniatn in procinctu
nostri operis subita morte subtiacta est et non meruimus, o Paula et JEustochium, talem
vüae no$trae habere consortem tantoque vulnere tunc perculsus obmutui, nunc in BethUem
positus . , , . et ülius memoriae et vobis reddo quod debeo. Hoc breviter adtnonens, quod
nuUiuB auctoritatem aecutus 8um, sfd de Hehraeo transfcrens magis me Septuaginta Inter-
pretum consuetudini coaptavi, in his dumtaxat, quae non muUum ab Hebraicis discre-
pabant. Inter dum Äquilae quoque et St^mmachi et Theodotionis recordatus sum, ut nee
novüate nimia lectoris Studium deterrerem nee rursum contra conscientiam meam fönte
veritatis omisso opinionum rivulos consectarer. Vgl. Zöckler, Hieron3rmus p. 166.
Ausg. bei Yallarsi 3 Sp. 381; Migne 23 Sp. 1009.
Abhandlung über Seraphim. Comment. in Isaiam 6, 1 (24, 91 M.) de hac visione
ante annos circitei' tnginta, cum essem Constantinopoli et apud virum eloquentissimum
Gregorium Nazianzenum, tunc eiusdem urbis episcopum, sandarum Sciipturarum studiis
erudirer, scio me brevem dictasse subitumque tractatum, ut et experimentum caperem in-
genioli mei et amicis iubentibus obedirem. Diese Stelle bezieht Amelli (Hieronymi tractatus
contra Origenem de visione Esaiae. Montecassino 1901) auf einen anon3rmen Traktat über die
Seraphim gegen Origenes, den er aus zwei Handschriften von Montecassino, 342 s. Xll und
345 s. XI, herausgegeben und dem Hieronymus vindiziert hat. Allein wenn Hieronymus im
Jahre 381 in Constantinopel einen Traktat gegen Origenes geschrieben hätte, so würde er
sicherlich in seinen Streitigkeiten mit Rufinus sich auf denselben berufen haben; vgl. Grtttz-
m ach er, Theolog. Litteraturzeitnng 1901 Sp. 501. Der Traktat ist also entweder nicht von
Hieron3rmus oder, wie Grützmacher will, erst nach den Streitigkeiten mit Rufinus geschrieben.
Morin (Revue d'hist. eccl^s. 2 (1901) p. 810) hält den Hieronymus fQr den Verfasser dieser
Homilie und setzt sie ins J.402 (p. 825); vgl. auch Mercati, Rievue biblique 1901 p. 385 (skep-
tiBch). Epist. 18, 1 Sp. 362 M. sicut manifestum esse poterit his, qui voluerint legere Temporum
lihrum, quan nos in Latinam linguam ex Graeco sermone transtulimtis (die eusebianische
Chronik). Das exegetische Stück steht in der Briefsammlung unter No. 18 (1, 44 V.; 22, 361 M.).
Abhandlung über das hebräische Wort „Osanna*. Epist. 19 des Papstes
Damasus an Hieronymus Sp. 375 M. dilectionis tuae est, ut ardenti ülo strenuitatis ingenio
abscisis opinionibus ambiguitatibusque supplosis quid se habeat apud Hebraeos, vivo sensu
(Osanna) scribas. Da Damasus 384 starb, fällt der Brief vor dieses Jahr. — Ausg. bei
Yallarsi 1 Sp. 63; Migne 22 Sp. 375.
De tribus quaestionibus legis veteris. Epist. 35, 2 des Damasus an Hierony-
mus Sp. 451 M. accingere igitur et mihi quae subiecta sunt dissere, sei'vans utrobique
moderamen, ut nee proposita solutionem desiderent nee epistola brevitatem. Hieronymus
sagt in seiner Antwort (epist. 36, 1 Sp 453 M.): ravta aoi ia^Bdiaan duabus tantum Quae-
stiunctdis praetermissis, non quo non potuerim ad illas aliquid respondere, sed quod ab
eloquentissimis viris, TertuUiano nostro scilicet et Novatiano latino sermone sint editae,
ei si nova voluerimus affen'e, sit latius disputandum .... et Origenes in quarto Pauli ad
Romanos i^rjyijaetDy tomo de drcumcisione magnifice disputavit. üeber die Abfassungs-
zeit gilt das gleiche, was im vorigen Passus gesagt wurde. Die Abhandlung steht unter
den Briefen aIb No. 36 (1, 158 V.; 22, 452 M.). Vgl. OitLUm^^cV^t ^.*tfÄ.
422 Hieronymiui. (§985.)
985. Scholien zum Psalter. Unter dem Namen des Hieronymos
lief ein Breviarium in psalmos^) um. Längst hatte man erkannt, dass
zwar in diesem Werk viel Hieronymianisches stecke, dass aber die ganze
Compilation nicht von Hieronymus herrühren könne. Was die hierony-
mianischen Bestandteile anlangt, so führt eine genaue Betrachtung des
Breviarium zu der Einsicht, dass sich dieselben in zwei Gattungen teilen
lassen, in kurze Scholien und in homiletische Betrachtungen. Der Ver-
such, diese Bestandteile glatt herauszuheben, schien jedoch aussichtslos;
glückliche Entdeckungen des Benediktiners Morin brachten Hilfe. Er
fand sowohl die Scholien als die Homilien des Hieronymus zu den Psalmen«
Die Scholien lagen in Handschriften als Excerpta vor; man hielt sie f&r
Excerpta aus dem Breviarium. Allein das Verhältnis war ein umgekehrtes,
diese sog. Excerpta lagen dem Compilator des Breviarium vor, die zu Psalm
138 hat er einfach herübergenommen; auch den Prolog verleibte er seinem
Werke ein, aber von den Scholien Hess er manche weg, manche kürzte
er, manche interpolierte er. Ueber die Entstehung dieser Scholien unter-
richtet uns der Prolog. Hieronymus hatte mit einem Freunde — viel-
leicht war es Rufinus — das Enchiridion des Origenes zu den Psalmen ge-
lesen. Beide Freunde fanden, dass manches zu kurz behandelt sei, dass
anderes fehle, das Origenes anderswo auseinandergesetzt habe. Den Bitten
des Freundes entsprechend wollte Hieronymus diese Mängel des origenisti-
schen Werkes ausgleichen, wobei natürlich die übrigen Schriften des
Alexandriners herangezogen wurden. Da die Autorität des Origenes in
dieser Schrift so stark hervortritt, müssen wir ihre Abfassungszeit vor
Ausbruch des Streites mit Rufinus über Origenes, also vor 391, setzen.
Das neue entdeckte Werkchen ist mit Freuden zu begrüssen, weil es uns
wieder ein Stück der commentierenden Thätigkeit unseres Kirchenvaters
vor Augen führt und uns Beiträge zur Geschichte des Psaltertextes
liefert, 2) dann weil es uns auf das Enchiridion des Origenes Rückschlüsse
zu machen gestattet, endlich weil es über die Zusammensetzung des Bre-
viarium Licht verbreitet. Es war jetzt viel leichter, auch die homiletischen
Bestandteile aus dem Breviarium auszuscheiden. Allein auch hier kamen
handschriftliche Funde zu Hilfe. In einer Reihe von Handschriften findet
sich eine Sammlung von Homilien über 59 Psalmen, welche dem Compi-
lator des Breviarium ebenso vorlagen wie die Excerpte. Diese Homilien
sind jetzt veröffentlicht, aber bereits ist ein neuer Fund angekündigt,
eine neue Sammlung von Homilien über die Psalmen, die noch der Ver-
öffentlichung harrt. Wir werden über diese Homilien unten (§ 996) im
Zusammenhang handeln.
Abfassungszeit der Excerpta de psalterio. Da Origenes in den Excerpta
noch als massgebende Person erachtet wird und auch Lehren von ihm angeführt werden,
welche mit der kirchlichen Auffassung nicht übereinstimmen, müssen die Excerpta vor dem
Ausbruch der origenistischen Streitigkeiten, also vor 391 entstanden sein. Im Katalog ist
^) Vallarsi 7 Appendix Sp. 1; Migne i relegens semel tanttim scriptum repperi.
26 Sp. 821; vgl. Paucker, De latinitate i p. 12 M. cum vetustum Origenis Jiexaplum
Hieronymi p. 18. [ psalterium rerolverem, quod ipsius manu
'^) Wichtig ist, dass Hieronymus die ' fuerat emendatum. Morin hat p. 105 die
üexapla des Origenes benutzte ; vgl. p. 5 Morin Lesarten der Hexa\ila zusammengestellt
i^aTtkovf Origenis in Caesaricfisi bibliothcca ^
Hieronymns. (§ 986.) 428
4mB Werk wahrscheinlich deshalb nicht aufgeführt, weil die Autorschaft dem Hieronymus
i^ftter unbequem war; vgl. Morin p. XV.
Zur Charakteristik der Excerpta. Prolog, p. 1 Morin proxime cum Origenis
ptaUtrium, quod Euchiridian Ule vocabat, strictis et necessariis interpretationibua adno-
fmtum in commune iegeremua, aimul uterque deprehendimus nonnulfa eum vel praestrinxisse
Umier, vel intacta penitus reliquissef de quibus in alio opere latissime disputavit .... Igitur
studiose et seduU postulastif ut quaecumque mihi digna memoria videbantur, aignitt
qmbuadam potiua quam inierpreialionibus adnotarem; et ita in psaUerii opere latis-
9imo quasi praeteriens aliqua persiringerem quae in tomis vel in omiliis ipse disaeruit,
vH tgo digna arbitror leetioney in hunc angustum commentariolum referam,
üeberlieferung der Excerpta. Dieselben wurden von Morin in folgenden
Handschriften gefunden: 1. Im cod. Spinaliensis (in Epinal) 68, geschrieben 662 oder 744;
vgl. Delisle, Notice sur un mannscrit m^rovingien de la Bibliothdque d'üjpinal, Paris 1^8;
dieser Codex bildet die Grundlage des Textes. 2. Im cod. Parisinus 1862 s. X. 8. Im cod.
Pariainus 1863 s. X. 4. Im cod. Gratianopolitanus (Grenoble) 218 s. Xlf. Dazu kommt noch
fllr die Stellen, welche aus den Excerpta in das Breviarium aufgenommen sind, der cod.
Namurcensis (Namur) des Breviarium 54 s. X.
Ausg. der Excerpta von G. Morin in Anecdota Maredsolana vol. 8 pars 1 (1895).
986. Hebräische Studien zur hl. Schrift. Unter dem Namen Philos
gab es ein Wörterbuch, welches die hebräischen Namen des alten Testa-
ments nach dem Alphabet etymologisch erläuterte. Origenes ergänzte
dieses Onomasticon dadurch, dass er die hebräischen Namen des neuen
Testaments hinzufügte. Von diesem Onomasticon gab es in den Biblio-
theken viele Exemplare, aber sie wichen stark voneinander ab, und auch
die Anordnung war vielfach gestört. Hieronymus konnte daher nicht an
eine einfache Uebersetzung des Onomasticon herantreten, sondern musste
eine Redaktion desselben vornehmen. In dem vorliegenden Lexikon sind
die hebräischen Namen aus den einzelnen Büchern der hl. Schrift zu-
sammengestellt, alphabetisch angeordnet und etymologisch erläutert. Da
nicht bloss das alte, sondern auch das neue Testament herangezogen wird,
ist es klar, dass Hieronymus die Bearbeitung des Origenes zu Grunde
gelegt hat. Die Etymologien stehen natürlich auf sehr schwachen Füssen,
da eine Etymologie ohne Sprachvergleichung und Sprachgeschichte ein
leeres Spiel ist. Hervorzuheben ist noch, dass unter den Schriften des
neuen Testanients auch der Barnabasbrief erscheint. Eine andere Schrift
dieser Art ist das Onomasticon über die topographischen Namen der
Bibel. Auch dies ist kein Originalwerk, sondern Hieronymus hat nur eine
uebersetzung nach einer Schrift des Eusebius gegeben. Ergänzungen und
Weglassungen wurden hierbei vorgenommen; die Anordnung ist ebenfalls
eine alphabetische. Das Buch des Eusebius war zwar schon früher latei-
nisch bearbeitet worden, allein diese Bearbeitung war nach der Ansicht
des Kirchenvaters ein elendes Machwerk. Für die biblische Archäologie
und Topographie ist das Büchlein von Bedeutung. Eine hebräische Studie
ist auch das Werk, welches „Hebräische Fragen zur Genesis** betitelt ist.
Ziel dieser Schrift ist, verschiedene Uebersetzungen und Deutungen mit
dem hebräischen Urtext zu vergleichen und darnach ihren Wert zu be-
urteilen. Wir haben also eine kritische Leistung vor uns, welcher der Ver-
fasser darum grossen Wert beilegt, weil sie eine neue litterarische Er-
scheinung darstelle. Merkwürdig ist, dass Hieronymus sein doch unbedingt
richtiges Verfahren noch besonders zu verteidigen genötigt ist.
Liber de nominibQS hebraicis. Ueber seine Vorlage sagt Hieronymi
8p. 771 M.): Philo, vir disertissimua Judaeorum^ Origent« <[uoque U»\ViiM«^ «
424 HieronymaB. (§ 987.)
edidisse lihrum Hebraicorum Noniinum eorumque etymologias iuxta ordinem lUterarum t
latere captUasse, Qui cum vulgo habeatur a Graecis et bibliothecas orbis impfeverit, gtudU
nostri fuit in Latinam Hnguam eum vertere Ac ne forte consummato aedifiHo quasi
extrema deesset manus, novi Testamenti verba et nomina tnterpretatus lum, imitari voUnt
ex parte Origenem, quem post apostolos ecclesiarum magistrum nemo nisi imperitus negabk.
Inter cetera enim ingenii sui praeclara monumenta etiam in hoc laboravit, ut quod Philo
quasi Judaeus omiserat, hie ut Christianus impleret. Vgl. dazu Harnack, Gesch. der ali-
chriflÜ. Litt. 1 (Leipz. 1893) p. 385. Nach der Vorrede könnte es scheinen, als ob Hiero-
nvmus neben der Bearbeifoing des Origenes auch den Philotext vor sich gehabt hfttte;
allein das ist doch sehr fraglich; Zahn, Gesch. des neutestamentl. Kanons 2, 2 (Erlangen
u. Leipz. 1892) p. 950 wird Recht haben, wenn er sagt: ,Es ist Oberwiegend wahrschein-
lich, dass Hieronymos von der Arbeit Philos überhaupt nur durch Origenes weiss, und daas
alles, was er über seine Vorlage sagt, sich auf das eine, ihm als Werk des Origenes fiber-
lieferte chiistliche, aber der Grundlage nach philonische Onomasticon bezieht.* Das Werk
will Hieronymus hortatu fratrum Lupuliani et Valeriani geschrieben haben. — Ausg. bei
Vallarsi 3 Sp. 1; Migne 23Sp. 771; Lagarde, Onomastica sacra, Göttingen' 1887, p.25.—
Glericus, Quaest. Hieronymianae, Amsterdam 1719; C. Siegfried, Die Aussprache des
Hebräischen bei Hieronymus (Zeitschr. für die alttestamentl. Wissensch. 4 (1884) p. 34).
Liber de situ et nominibus locorum hebraicorum. Sp.859M. Eusebius...,
post Chorographiam terrae Judaeae et distinctas tribuum sorteSf ipsius quoque Jerusalem
templique in ea cum brevissima expositione picturam ad extremum in hoc opusculo labont-
Vit, ut congregaret nobis de sancta Scriptura omnium paene urbium, montium, fluminum,
viculorum et diversorum locorum vocabuUtf quae vel eadem manent vel immutata sunt postea,
vel aliqua ex parte corrupta, ünde et nos admirabilis viri sequentes Studium seeundum
ordinem Htterarum^ ut sunt in Graeco posita^ transtulimus, relinquentes ea, quae digna
memoria non videntur, et pleraque mutantes. Zöckler, Hieronymus p. 169. — Ausg. bei
Vallarsi 3 Sp. 121; Migne 28 Sp. 859; Lagarde, Onomastica sacra, Göttingen' 1887,
p. 117. — Glericus, Eusebii Onomasticon cum versione Hieronymi, Amsterdam 1707; Lar-
sow und Parthey, Eusebii Pamphili Onomasticon urbium et locorum sanctae Scripturae,
graece cum lat. Hieronymi interpretatione, Berl. 1862; E. Elostermann, Eusebius* Schrift
TisQi Tioy ronix(oy oyofittKoy, Leipz. 1902; M. Spanier, Exegetische Beitr. zu Hieronymus'
Onomasticon, Magdeb. 1896; Nachträge und Berichtigungen, ebenda 1898.
Liber hebraicarum quaestionum in Genesim. In der praef. de nominibui
(Sp. 771 M.) charakterisiert er das Werk also: Libros Hebraicarum Quaestionum nunc in
manu haheo, opus ttovum et tarn Graecis quam Latinis usque ad id locorum (Vallarsi
vermutet femporum) inauditum. — Ausg. bei Vallarsi 3 Sp. 301; Migne 23 Sp. 935;
Hieronymi quaestiones hebraicae in libro Geneseos e recogn. P. de Lagarde, Leipz. 1868. —
M. Rahm er, Die hebräischen Traditionen in den Werken des Hieronymus durch eine Ver-
gleichung mit den jüdischen Quellen kritisch beleuchtet 1. Teil, Breslau 1861.
Zur Chronologie der drei Schriften. De nominibus praef. Sp. 772 M. si quis et
illos (libros hebraicarum quaestionum) et praesens volumen^ librum quoque Locorum^ quem
edifurus sum, habere voluerit, parvipendet ructum et nauseam Judaeorum. -Die Quaestiones
waren schon in Angriff genommen, als er De nominibus schrieb; vgl. auch seine üeber-
setzung der Homilien über Lucas (26 Sp. 219 M.) praetermisi paululum Hebraicarum Quae-
stionum libros. Dadurch werden wir in die bethlehemitische Zeit verwiesen, und auf sein
Einsiedlerleben weist die Vorrede zu den Quaestiones hin. Da nun die drei Schriften im
Catalog erwähnt sind, fallen sie vor 392.
987. Commentar zu vier paulinischen Briefen. Paula und Eusto-
chium ersuchten Hieronymus, Commentare zu den paulinischen Briefen zu
schreiben; dies geschah bald nachdem Hieronymus und die beiden from-
men Frauen sich dauernd zu klösterlichem Leben in Bethlehem nieder-
gelassen hatten, also bald nach 386. Zwar war schon ein ausgezeichneter
Commentar zu den paulinischen Briefen vorhanden, allein da derselbe
allem Anschein nach von dem verhassten Juden Isaak herstammte, wurde
er in christlichen Kreisen totgeschwiegen, i) Der Kirchenvater kam dem
Ansinnen der beiden Freundinnen nach und nahm sich die paulinischen
Briefe an Philemon, an die Galater, an die Epheser und an Titus zum
Gegenstand seiner Exegese. Viel Zeit konnte er auf die Arbeit nicht
V Vgl § 945.
Hieronymna. (§ 987.)
425
verwenden; innerhalb weniger Monate wurde sie zu Ende geführt. Zu-
erst behandelte er den Philemonbrief und sprach sich in einer Einleitung
gegen die Angriffe auf die Echtheit desselben aus. Als er den Galater-
brief in Angriff nahm, traf von Rom die Nachricht in Bethlehem ein, dass
Älbina, die Mutter seiner Freundin Marcella, aus dem Leben geschieden
sei. Da Marcella eine eifrige Freundin des Bibelstudiums war, glaubte
Hieronymus, ihr einen Trost dadurch zu erweisen, dass er ihr seinen
C!ommentar zugehen liess.^) Nach dem Galaterbrief kam der Epheserbrief
an die Reihe ; beide Gommentare sind von grossem Umfang und bestehen
ans je drei Büchern. Der Commentar zum Titusbrief, den er auch zu
verteidigen hatte, schloss das Werk. Wie bereits angedeutet, wurden die
Gommentare in unglaublich kurzer Zeit abgefasst; er diktierte sie einem
SchDellschreiber, und es kam vor, dass an manchem Tage 1000 Zeilen
niedergeschrieben wurden. Von ernstlichen Studien kann bei einer sol-
chen Hetzjagd keine Rede sein. In dem Vorwort zu dem Commentar des
Galater- und des Epheserbriefs gesteht er offen ein, dass er sich zum
grössten Teil an Origenes angeschlossen habe. Auf die stilistische Durch-
f&hrang konnte bei dieser Arbeitsweise auch kein besonderes Gewicht ge-
legt werden, und der Verfasser versäumt nicht, wiederholt zu erklären,
dass man bei seinem Werk nicht Glätte des Stils suchen solle.*)
Yeranlassiiiig der Gommentare. Prolog, zum Gomm. des Epheserbriefs (Sp. 440 M.)
Bcitia ei ipsae (Paula und Eustochium) quod ad hoc me explanationutn opus invitum et re-
traetantem compuleritis.
Abfassangszeit der vier Gommentare. «) Es steht fest, dass die vier Gom-
mentare in wenigen Monaten nacheinander hingeworfen wurden. Im Prolog zum Galater-
brief aagt er (Sp. 807 M.): Paucis admodum dies sunt, ex quo epistolam Pauli ad Phile-
manem interpretatus, ad Galaias transcenderam. Im Prolog zum Epheserbrief heisst es
(Sp. 441 M.): Et guia iam ad Galatas orantibus vobis ante paucos dies quid nobis videretur
expressimus, nunc ad Ephesios transeundum est. Es ergibt sich also die Reihenfolge:
Philemon-, Galater-, Epheserbrief; der Titusbrief muss zuletzt commentiert sein. Auch der
Commentar zum Titusbrief schloss sich rasch dem vorausgehenden an; vgl. Gomm. in Tit. 1, 11
(Sp. 570 M.): et nos ante paucos menses tria volumina in epistolae ad Galatas explanatione
dictavimus. ß) Fflr die chronologische Fixierung der in kurzer Zeit zusammen verfassten
Gommentare haben wir folgende Belege. Die Gommentare sind in Bethlehem geschrieben;
TgL Sp. 477 M. in monasterii solitudine constitutus et illud praesepe contra videns, in quo
vagientem parvulum festini adoravere pastores, Gontra Rufin. 1, 22 (28, 416 M.) deeem et
octo ferme anni sunt, ex quo istos dictavi libros (Gommentar zum Epheserbrief). Da diese
Apologie 402 geschrieben ist, würde die Abfassungszeit der Gommentare etwa 384 fallen.
Rafin. Apol. in Hieronym. 1, 36 (21 Sp. 574 M.) setzt die Abfassung des Gommentars zum
Epheserbrief vor etwa 15 Jahren an: da die Apologie Rufins ins Jahr 401 gesetzt wird,
wfire der Gommentar etwa 886 geschrieben. Zwischen beiden Angaben können wir uns
nur für die letzte entscheiden, da Hieronymus 384 noch in Rom war. Vgl. Grütz-
macher p. 61.
Quellen. Prolog, zum Gomm. des Galaterbriefs (Sp. 308 M.) Origenis commentarios
»um seeutus. Scripsit enim ille vir in epistolam Pauli ad Galatas quinque proprie Volu-
mina et decimum Stromatum suorum librum commatico super explanatione eius sermone
eompUvitf Tractatus quoque varios et Excerpta, quae vel sola possint sufficere, composuit.
^) Wenigstens wird sie noch im Epheser-
brief neben Paula und Eustochium angeredet
(Sp. 489 M.): Quamobrem obsecro tarn vos
(d. h. Paula und Eustochium) quae in prae-
sentiarum estis, quam sanctam Marcellam;
vgl. noch Sp. 477 M.; Sp. 513 M. Von der
Üebersendung der einzelnen Bücher nach Rom
spricht er in der Ebüeitang zum 2. Bach des
MmeßeTCommentan,
1
') Bezüglich des Galaterbriefs entstand
eine Gontroverse zwischen Hieronvmus und
Augustinus über Gal. 2, 14; vgl. dazu J. A.
MOhlers Ges. Sehr, und Aufsätze herausg.
von Döllinger 1 (Regensb. 1839) p. 1;
Fr. Overbeck, Ueber die Auffassung des
Streites des Paulus mit Petrus in Antiochien
(Gal. 2, 11 ff.) bei den Kirchenvätern, Basel
1871.
426 Hieronymos. (§ 988.)
Praetennitto Didymum, videntem meum, et Lciodieenum {ÄpolliHarium) de eecUgkt ntiper
egressum et Älexandrum veterem haeretieumy Eusebium quoque Emesenum et Theodarum
HeracUoteHf qui et ipai nonnuUos super hac re Commentariolos reliquerunt, E quibus si
vel pauca decerperem, fieret aliquid quod non penitus eontemneretur. Itaque ut simpUdUr
fatear, legi haec omnia, Prolog, zum Comm. des Epheserbriefs (Sp. 442 M.) sciatis OH-
genem tria volumina in hatte epistolam conscripsiasef quem et nos ex parte eecuti sumu»;
Apollinarium etiam et Didymum quoadam commentariolos edidisse, e quibus licet pauea de-
cerpsimus. Die Fragmente bestätigen die Abhängigkeit des Hieronymos von Origenes; vgl
Zahn, Gesch. des neutestamentl. Kanons 2, 2 (Erlangen u. Leipz. 1892) p. 427 Amn. 2. Inter-
essant int das abfällige Urteil, das er über den Rhetor C. Marins Victorinas fällt (Sp. 308 M.).
Zur Composition. Prolog, zum 2. Buch des Ephesercomm. (Sp. 477 M.) sciatis me
non cogitatum diu Umatumque proferre sermonem^ sed ad revelanda mysteria Scriptutarum
uti rerbis paene de trivio et interdum per sinaulos dies usque ad numerum mille versuum
pervenire. Ueber die Benutzung des Schnelfschreibers (accito noiario) vgl. Sp. 309 II.
Sp. 399 M. omnem sermonis elegantiam et latini eloquii venustatem Stridor Uctionis Hebraicae
sordidarit.
Ausg. der Commentare: a) zum Philemonbrief: Yallarsi 7 Sp. 741; Migne 26
Sp. 599. ß) zum Galaterbrief: Yallarsi 7 Sp. 367; Migne 26 Sp. 307. y) zum Epheser-
brief: Yallarsi 7 Sp. 537; Migne 26 Sp. 439. d) zum Titasbrief: Yallarsi 7 Sp. 685;
Migne 26 Sp. 555.
988. Andere neutestamentliche Commentare. Ausser dem Com-
mentar zu den Paulusbriefen schrieb Hieronymus noch andere exegetische
Schriften über das neue Testament. So verfasste er auf Ersuchen des
Papstes Damasus eine Abhandlung über das Gleichnis vom verlorenen
Sohn. Ueber dieses Gleichnis waren nämlich entgegengesetzte Deutungen
in Umlauf; die einen bezogen den jüngeren Sohn auf das Heidentum, den
anderen auf das Judentum, wollten also die Parabel durchaus allegorisch
erklärt wissen. Die anderen verstanden unter den beiden Söhnen den
Gerechten und den Sünder. Beide Auffassungen führten aber nach der
Meinung des Papstes zu Schwierigkeiten, und er wünschte eine Auf-
klärung von Seiten des Hieronymus. Allein dessen Abhandlung hat sicher-
lich dem Papste die gewünschte Aufklärung nicht gebracht; denn seine
Auffassung ruht nicht auf festem Boden und schwankt hin und her. Als
Eusebius von Cremona im Jahre 398 vom hl. Land nach Rom zurück-
kehrte, wünschte er sich von Hieronymus als Reisegeschenk einen kurzen
Conimentar zum Matthaeusevangelium. Die Aufgabe war für den
Kirchenvater keine leichte; er hatte eine schwere dreimonatliche Krank-
heit durchgemacht und fühlte sich noch sehr schwach; auch hatte er zur
Ausarbeitung des Commentars nur zwei Wochen Zeit, da das Wetter dem
Eusebius die Abreise nahelegte. Von der reichen Litteratur über Mat-
thaeus, die er früher durchstudiert hatte, konnte er jetzt nur wenig Ge-
brauch machen; er beschränkte sich daher auf die historische Inter-
pretation, die Eusebius auch verlangte. Doch mischte er, wie er sagt,
auch „Blüten des geistigen Verständnisses" in seine Exegese; eine alle-
gorische Auslegung des ganzen Evangeliums versparte er sich für spätere
Zeiten; sie kam aber nicht mehr zu stände. Gerade durch das Zurück-
treten der allegorischen Auslegungsweise hat der Commentar für uns In-
teresse, und wir finden nicht wenige gute Bemerkungen in demselben.
Freilich darf nicht übersehen werden, dass der Exeget doch nicht selten
den Origenes eingesehen und verwertet hat. Endlich hatte sich Hiero-
nymus auch mit der Apocalypse zu befassen. Anatolius schickte ihm
nämlich den Apocalypsecommentar desNYe\»oYm\3ÄNo\v'^^\XÄ.>\, \i<^x>fcA^O^^s^-
vaier konnte an donselbeii k^ r^t« G«f«lkn find«^n; <^» kumon durin
ehiliastische Gedanken vc«-, die damak nicht mehr gern gehArt wtmion,
Hieronymns untenog dah^ dietsa» Commentar einer rmarheitung, indom
er den chiliastisehen Sdünss abschnitt und ein eigene«!^ Machwerk hu
dessen Stelle setzte« anch sonst sich Eingriffe ertaubte. Dieser lugi^stutjtte
Text fand Verbreitung, auch wurde er umgearbeitet und erweiterte so daHs
uns zwei Recensionen des Commentars^ eine kürzere und eine lilngt^re,
entgegentreten; doch ist auch ein Exemplar mit dem echten Si'hhiss auf
die Nachwelt gekommen. In dem Prolog, mit dem Hieronymus das zu-
rechtgerichtete Werk dem AnatoUus zuschickte^ stellt er einen grosseren
selbständigen Commentar in Aussicht. Auch diesen wollte man gef^mden
haben; allein der Fund scheint ernster Prüfung doch nicht Stand zu haiton.
Abbrnndlnng de frvgi et Ivxvrioso filiia. In der Eiiileitang 1^ HierMiymii«
dem Paprt Danusns die Weite in den Muid 1% 3^0 M.^: ^^i« mmfh»s im hac IMiont (laic.
15, 11) dittrsa dixutty et fratrem tmmiorem Jmdaftim^ mimortm fxisHmasft OtntiUm |h>;)n-
tum. Sed quaero, quatmcdo Jmduito p^pmfo pofifit «pi^H .... 4^* tittttm^ «f <tM, c^< iuMo H
p^ecaiore rotuerimus mtf pmrahoimm, iwiio «om ptiieHt oMtnrntnr, n/ dt Mfrnte «ktrim^ H
Moartm« fratriM comtriMHnr. Zeididi ftUt die Abliandliiiig vor d«s Todesjahr des Pupet««
(S84). Sie steht nster den Briefoi als Xo. 21 < 1. 6S T: 22. 379 M).
Abfassnngsieit desCommentars lam Matthaeasevangelium. Ausaugehen
ist Ton der TfaatsaGhe, dass Enaebiiis von Cremona bei seiner Rückreise aus dem Orient in
den Ocddent den Commentar miterhielt. Diese Rückreise fiUlt nacb Hieronvm. Apol. in
Bufin. 8, 24 (23, 475 M.) in das Jahr 398. E|^t 73, 10 (2*2. 6S1 M.> e^o poH hm^m «f^rro-
taiioMem vix in Qmadragemmae diebuf fehri rarere potmi et cum afteri me of^ri jirn^/Ht-
rarem, paueo» dies qui fuptreramt im Matikaei erpattitiome comsnmipui. Der Commentar
fftllt also vor Osten; Tgl. Tallarsi bei Migne 22 Sp. LXX.
Zur Charakteristik. Prolog. ^. 20 M. satisqme miror, Km^tehi ditectiititme, <*Nr
Romam subito marigaturus hamc tibi a me quasi sitarriam dari roiueris^ ut Matthaeum
breviter expamems verbis sirimgerem, semsibus dihtarem .... Legisse me fatför amte ctiimi»;«
piurimos in Matthaeum, Origemis rigimti quimque rdumima et tctidem eius liomiUos f'iiw-
matieumque imterpretatiomis gemus; et TkeopkUi Amtiochemae urbis episrofn Cimtmemtarios^
Hippolyti quoque marttfris et Theodor i EeracUotae Äpoilimarisque Laodictmi ac IMd^mi
Alexandrini; et Laiinorum HtJarii, Virtorini, Fortunatiami opusruht e quibus etiamsi |»<trni
carperem, dignum aliquid memoria srriberetur. At tu in duabus hebdomadibus immin tnte
iam Pascha et spirantibus ttntis dictare me rogis maxime cum »cia$ me ita tribus
mensihus languisse, ut rix nunc ingredi incipiam .... Igitur amissa auctoritate Vetci'um,
quos nee legendi nee sequendi mihi facultas data est^ historicam interpretationemy quam
praeeipue postulasti, digessi breviter et interdum spiritualis intelligentiae flores misrui f^r-
feetum opus resertfans in posterum. Vgl. Zock 1er p. 210. - Ansg. bei Vallarsi 7 Sp. 1;
Migne 26 Sp. 15.
Hieronymus und des Victorinas Ton Pettau Apocalypsecommentar. Du^ea
YerhAltnis wird beleuchtet durch den prologus beati Jeronimi preshiteri in lihrum Virtivrini
super apocalipsim, abgedruckt bei Haussleiter, Zeitschr. f&r kirchl. Wissonach. und kirchl.
Leben 7 (1886) p. 243 Anm. 1. Der echte Schluss des Commentars ist aus dorn Vatioauus-
Ottobonianus 3288 A s. XV veröffentlicht von Haussleiter, Theolog. Litteraturbl. 16 (1S9:0
Sp. 195. Im Prolog heisst es am Schluss: Si vita nobis comes fuerit et dominuif stiHttatem
dederit, tibi nostrum in hoc volumine potissimum sudabit ingenium, Anatholi raris^^itHC, Aus
diesen Worten muss man schliessen, dass Hieronymus einen grosseren Commentar xur
Apocalypse schreiben wollte. Haussleiter hat denselben in der summa dicendonim des
Beatus von libana finden wollen, doch mit Unrecht; vgl. § 958 p. 852.
De monogramma Christi. Im Anschluss an den von Hieronymus boarboitoton
Victorinuscommentar zur Apocalypse findet sich im cod. 26 dos Morton Collcgt« 1«. XV ivin
Schriftstück, welches eine spfttere Hand am Rande betitelt: Hieronimu^ dr momtgriitHtna
Christi, Dasselbe Stück bietet auch in derselben Aufeinanderfolge cod. Harloianua 8049
s. XV und zwar ohne Titel und ohne Scheidung vom Vorhergehenden, am Schlu'
vollständig. Der Entdecker dieses Bruchstücks G. Morin schreibt dasselbe w'^
dem Hieron3rmus zu (Revue B^n^dictine 20 (1903) p. 227). Für diese Autorsohall
gefOhrt, dass in einer Münchner Handschrift 14276—7 s. VIII/IX, welAb« Q
hl. Schnft enthält, das Citat vorkommt: Hieronymus de mont>grammate (
macht Morin (p, 232) glaublich, dass wir in demldem^nTtwaX ra«
428 Hieronymna. (§ 989.)
die HieronymnB zum Apocalypsecommentar des Victoriniis gemacht hat. Der Text ist herrai-
gegeben von Morin p. 282.
989. Bttckblick. Hieronymus betrachtete das Bibelstudium als dk
schönste Aufgabe des Menschen, und die exegetischen Arbeiten zur KL
Schrift reichten bis zu seinem Lebensende. Auch that der Kirchenlehrer
alles, um sich für die Bibelexegese vorzubereiten. Er erlernte von Judei
das Hebräische, so hart ihm dies auch ankam; daneben vervollkommnete
er auch seine Kenntnisse in der griechischen Sprache. Sein Ziel war,
zum Urtexte vorzudringen und sich von den üebersetzungen möglichst
unabhängig zu machen. Manche Probleme vermochte er dadurch zu lösen
und manchen Fehler der Siebzig zu rügen. Auch auf den Bestand der
hl. Schrift richtete er sein Augenmerk und kämpfte nicht selten gegen die
den hl. Büchern angeschlossenen apokryphen Produkte. So sehr wir es
also zu rühmen haben, dass er die Notwendigkeit der philologischen Grund*
läge für das Bibelstudium erkannte, so können wir andererseits auch nicht
verschweigen, dass weder seine Sprachkenntnisse noch seine philologische
Methode höheren Anforderungen entsprechen. Allein wir dürfen nicht den
Massstab der Neuzeit anlegen; die Hauptsache bleibt, dass eine Ahnung
von den festen Grundlagen der Schriftinterpretation in den Geistern auf*
dämmern musste. Noch in anderer Beziehung waren der Bibelauslegung
neue Wege vorzuzeichnen. Die Allegorie hatte hier ihren Thron auf-
geschlagen, der buchstäbliche Sinn wurde verächtlich beiseite geschoben
und an seiner Stelle das sog. geistige Verständnis gesetzt. Damit kam
eine entsetzliche, aller Beschreibung spottende Willkür in die sakrale Exe-
gese hinein, da es ja galt, nicht das zu erklären, was da stand, sondern
etwas aufzufinden, was nicht da stand, also seine eigenen Gedanken zn
unterschieben. Hieronymus erkannte zwar und sprach es öfters aus, dass
die historische Interpretation die Voraussetzung des Verständnisses bilde;
allein er konnte sich doch nicht von der allegorischen und typischen Er-
klärungsweise lossagen und auf die „Blüten des geistigen Verständnisses*
verzichten. Diese Inconsequenz sollte sich bei seinen exegetischen Arbeiten
bitter rächen, sie nahm ihm den festen Boden unter den Füssen weg.
Seine exegetischen Werke stehen daher weit hinter der Schrift seines
Zeitgenossen, dem sog. Ambrosiaster, zurück. Es kommt hinzu, dass der
Kirchenlehrer sich in keines der von ihm erläuterten Werke so vertiefte,
dass er Wohldurchdachtes geben konnte; die Eilfertigkeit, mit der er zu
Werke ging, ist wahrhaft erstaunlich. Seine Arbeit bestand der Haupt-
sache nach aber auch nur darin, dass er die Commentare der griechischen
Meister, besonders des Origenes, abschrieb. Bei einem solchen Verfahren
ist es nicht verwunderlich, dass er oft nicht Zeit fand, den verschiedenen
Deutungen gegenüber eine sichere Entscheidung zu treffen. Durch diese
Methode hat Hieronymus uns manches aus verlorenen Schriften gerettet,
zugleich aber seiner Interpretationskunst ein Armutszeugnis ausgestellt. ^I
0 G. Hoberg, De Hieronymi ratione i berg 1903 (Festrede); E. Mangenot, Les
interpretandi, Bonn 1886; A. Röhrich, Essai I mss. grecs des evangiles employ^s par S. J^
8ur St. Jöröme exögöte (Thöse), Genf 1891; i röme (Revue des scienceseccl^siastiques 19ÖÜ
K. Härtung, Der Exeget ffieronymus, Bam- \ ^. b^Y
Hieronymiui. (§ 990.) 429
^Dogmatisch-polemische Schriften and Uebersetznngen dogmatischerWerke.
990. üeber die immerwährende Jungfrauschaft Marias gegen
Helvidins. Als Hieronymus 382—385 in Rom weilte, um dem Papst
Damasas als Berater in wissenschaftlichen Dingen zur Seite zu stehen,
trat ein gewisser Helvidius mit einer Schrift gegen die immerwährende
Jungfrauschaft Marias auf. Er war Laie und seine Bildung nicht so be-
schaffen, dass er ein sprachlich korrektes Werk liefern konnte. An der
Hand der hl. Schrift suchte er nachzuweisen, dass Joseph nach der Geburt
des Herrn mit Maria ehelichen Umgang gepflogen habe und dass aus
diesem Umgang Kinder entsprossen seien. Ausser der Schrift zog er auch
die Tradition heran und berief sich auf Tertullian und Yictorinus von
Pettau. Nicht ein vorwiegend dogmatisches Interesse war es, das Hel-
vidius auf diese Frage brachte, sondern vielmehr ein soziales; er wollte
der Ueberschätzung der Ehelosigkeit entgegentreten, indem er den Haupt-
st&tzpunkt für diese Meinung, die immerwährende Jungfrauschaft Marias,
hinwegzuräumen suchte. Die Schrift des Helvidius war schon einige Zeit
in Umlauf und scheint in den asketischen Kreisen doch eine gewisse Be-
unmhigung hervorgerufen zu haben. Man drang in den Kirchenvater,
polemisch gegen den Häretiker vorzugehen. Hieronymus that dies auch
und schrieb eine Broschüre gegen den ihm persönlich gänzlich unbekannten
Mann. Er schlug einen übermütigen Ton an und suchte den Gegner
lächerlich zu machen. Auch er ging auf die Schriftstellen ein, erklärte
sie aber anders als Helvidius; das Thema, dass der jungfräuliche Stand
höher zu achten sei als die Ehe, berührte er ebenfalls. Der Mangel an
rahiger Haltung und die Geringschätzung des Gegners, gegen den er
sogar Schimpfworte schleuderte, lassen kein rechtes Behagen an dem
Sehriftchen aufkommen; es gesellt sich hinzu, dass Hieronymus über das
eheliche Verhältnis von Maria und Joseph nicht mit der nötigen Zartheit
handelt^)
Zeugnisse ttber Helvidius. Gennadius de vir. ill. 33 Helvidius, ÄuxetUii disci-
pulus, Symmachi (vielleicht des Ebioniten) imitator, scripsit religionis quidem studio, sed
nan aeamdum scientiam, librum neque sermone neque ratione nitidutn, cuius opere ita
Sanctarum Scripiurarum sensum ad suam perversüatem flectere conatus est, ut earwn
tcftimoniis adserere voluerit, sanctam Mariani post natwitatem Domini, quem virgo pcpent,
Joseph ^onso suo iunctam et ex eius consortio filios suscepisse, qui fratres Domini ap-
pelluti sunt; [cuius pravitatem Hieronymus arguens libeUum documentis Scripiurarum
suffieienter (satiatum) adverstM eum edidit.}] vgl. dazu Czapla, Gennadius als Litterar-
historiker (Kirchengeschichtl. Sind. 4. Bd. 1. Heft (1898) p. 70). Aus den Worten (Sp. 183 M.)
solus m universo mundo sibi et laicus et sacerdos muss man schliessen, dass er Laie war;
denn das ungeheuerliche liegt darin, dass ein Laie sich wie ein Priester geberdete. Hiero-
nym. c. 16 Sp. 200 M. praetermitto vitia sermonis, qnibus omnis liber tuus scatet. Taceo
ridieulum exordium: 0 tempoi'a! o mores!
Abfassungszeit. Die Schrift ist in Rom geschrieben; vgl. c. 16 Sp. 200 M. cum
m eadem tecum Urbe consistam (wie Helvidius). Sie wurde zu Lebzeiten des Papstes
Damasas geschrieben; vgl. epist. 48, 18 (22, 508 M.) dum adcireret sanctae memoriae Da-
WM8H8, librutn contra Helridium de beatae Mariae rirginitate perpetua scripaimus. Da
Hi^roDymus 382—385 in Rom weilte und Damasus Ende 384 starb, fällt die Schrift in
diesen Zeitraum. In einem in der ersten Hälfte des Jahres 884 geschriebenen Brief an
Eostochium (epist. 22, 22; 22, 409 M.) sagt er: Quantas molesiias habeant nuptiae et quot
soUicitudinibtu vinciantur, in eo libro, quem adrersus Helvidium de beatae Mariae per-
petua virginitiUe edidimus, puto breviter expressum. Da zwischen dem Erscheinen der
9 Vgl. c. 8 8p, 191 M.
430 Hieronymos. (§991.)
Schrift und der Beantwortong des Hieronymas ein längerer Zeitraum lag (c. 1), komuMii
wir in das Jahr 382 oder 383.
Zur Charakteristik der Schrift. Sp. 185 M. non campum rhetoriei desideramm
eloquii, non dialecticorutn tendiculas, nee Ariatotelis Rpineta conquiHmus: ipsa Scripte- ^
rarum rerba ponenda sunt. c. 22 Sp. 206 M. rheioricati awnus et in moretn dedamatanm
pnululum lusimus. Interessant ist die Schilderung einer römischen Hausfrau c 20 Sp. 204 M.
Vgl. Zöckler. Hieronymus p. 94; Grtltzmacher p. 269; A. v. Lehner, Die MarienTer-
ehrung in den ersten Jahrhunderten, Stuttgart' 1887, p. 104.
Ausg. hei Yallarsi 2 Sp. 205; Migne 23 Sp. 183. Auch abgedruckt in Hurten
sanctorum patrum opusc. sei., ser. XII.
991 . Die zwei Bücher gegen Jovinianus. Auch nachdem Hieronymus
sich in die Einsamkeit nach Bethlehem zurückgezogen hatte, blieb er mit
den kirchlichen Bewegungen in Fühlung. Es fanden sich immer Leute,
die dem Einsiedler über schwebende Streitigkeiten Bericht erstatteten und
um seine Hilfe nachsuchten; besonders über die Begebenheiten in Rom
wurde Hieronymus durch seine Freunde immer auf dem Laufenden ge-
halten. So wurden ihm bald nach 392 Broschüren eines gewissen Jovinianus
überschickt, damit der kampfbereite Mann eine Widerlegung derselben
schreibe. Zwar waren die Häresien Jovinians bereits im Jahre 390 von
Papst Siricius verdammt worden, auch Ambrosius hatte gegen den Häre-
tiker und seine Freunde feste Stellung genommen, allein trotzdem scheinen
die Jjehren Jovinians immer noch Anhänger genug gehabt zu haben, so
dass die streng kirchlichen Kreise besorgt werden mussten. Die S&txB
standen allerdings in starkem Gegensatz zu dem asketischen Oeiste der
Zeit; auch waren dogmatische Sätze aufgestellt, welche das Christentum
absolut nicht zulassen konnte. Die vier Hauptsätze, in denen Jovinianus
seine Lehre formulierte, waren: 1. Jungfrauen, Witwen und verheiratete
Frauen, welche die Taufe empfangen haben, können, wenn sie sich sonst
nicht unterscheiden, dasselbe Verdienst in Anspruch nehmen. 2. Die in
vollem Glauben in der Taufe Wiedergeborenen können von dem Teufel
nicht zu Fall gebracht werden. 3. Das mit einem Dankgebet vollzogene
Essen ist so viel wert als das Fasten. 4. Die, welche ihre Taufgnade
bewahrt haben, erhalten im Himmel den gleichen Lohn.
Wie in der Schrift gegen Helvidius, so verhöhnt auch in diesem
Pamphlete Hieronymus den Stil Jovinians; er geisselt ihn als einen von
Felllern strotzenden und unharmonischen. Der Widerlegung sind zwei
Bücher gewidmet, in denen die vier Hauptsätze Jovinians der Reihe nach
besprochen werden. Das ganze erste Buch umfasst die Widerlegung
der ersten These. Es handelt sich ja hier um Rettung des asketischen
Ideals, für w^elches Hieronymus so grosse Begeisterung hegte. Die drei
übrigen Häresien füllen das zweite Buch, und zwar wird die zweite in
Kap. 1—4, die dritte in Kap. 5—17, die vierte endlich in Kap. 18—34
erörtert. Nach einer kurzen Recapitulation schliesst das Ganze mit einer
Apostrophe an Jovinian und seine Anhänger, sowie an Rom. Die Kraft
der beiden Bücher liegt in der Exegese von Stellen der hl. Schrift; doch
wird jedem Buch auch „weltliche Weisheit" hinzugefügt, und dadurch ge-
winnt die Streitschrift des Hieronymus ein über das Dogmatische hinaus-
gehendes Interesse. Im ersten Buch benutzte er die von den antiken
Schriftstellern oft behandelte MatexVe üXi^Y 'SJcv^ \«i^^^^Kv^^«v^^^.,vKv'üH^si^ssfc.
Hieronymiis. (§ 99L) 43]
[gestattete der dritte Satz vom Fasten einen Excurs auf die verschiedene
Lebensweise der Völker und auf Beispiele von Enthaltsamkeit.
Die Schrift verletzt uns oft durch den leidenschaftlichen Ton und
iurch die Roheit, die nicht selten zu Tage tritt. Auch bei ihrem Er-
scheinen erregte sie Anstoss, weil die Ehe zu sehr in den Hintergrund
geschoben und der jungfräuliche Stand zu sehr ins Licht gestellt wurde. ^)
Hieronymus griff nochmals zur Feder, um seine Ansicht über die Ehe zu
verteidigen; es geschah dies in einem Brief an Pammachius (epist. 48),
der als eine Ergänzung zu seinem Pamphlet anzusehen ist; auch ein
Brief an Domnio (epist. 50), der übrigens einen persönlichen Charakter
trägt, verdankt diesen Angriffen seine Entstehung.
Zeugnisse ttber Joviniauas. Gennadius de vir. ill. 76 Pauhis presbyter meminit
Jovmiani, haeretici et voluptatum ac libidinum praedicatoi'is, cui in tantum continentis et
eastcie vüae institutio contraHa fuerit, ut intef' luxurioaaa ep^ilaa animam eructaret. Ad-
versuB Jovinianum 1, 40 (Sp. 268 M.) cum monachum esse se iactitet. Epist. 48, 2 (22, 494
M.) te (seil. Pammachius) .... faciente damnalus est, quod atisits sit perpetuae castitati
fnatHmonium comparare. Die Verdammung erfolgte von Papst Siricius im Jahre 390; vgl.
Ambrosina epist. 6 (16 Sp. 898 Migne). lieber seine Vertreibung aus Mailand durch Am-
brosius vgl. epist. 25 (Sp. 1040 M.). Vgl. Lindner, De Joviniano et Vigilantio, Leipz. 1889,
p. 24. Ueber seinen Stil vgl. adversus Jovinianum 1, 1 (Sp. 211 M.).
Die Hauptlehren Jovinians. Der Inhalt wird also angegeben 1, 8 (Sp. 214 M.):
Dicä, virgines, viducis et maritatas, quae semel in Christo lotae sunt, si non discrepetit
eeteris operibus, eiusdem esse meriti. Nititur approbare eos, qui pleno fide in baptismate
renati sunt, a diabolo non pobse subverti (abgeschwächt lautet der Satz 2, 1 Sp. 281 M., wo
nur von tentari gesprochen wird). Tertium proponit vnter abstinentiam ciborum et cum
grittiarum actione perceptionem eorum nuUam esse dislantiam, Quartum quod et exiremum
esse omnium qui suum baptisma servaverint unam in regno coelorum r emuner ationem.
YgL Harnack, Zeitschr. fÜrTheol. und Kirche 1891 p. 138; W. Haller, Jovinianus. Die
Fragmente seiner Schriften, die Quellen zu seiner Geschichte, sein Leben und seine Lehre
(Texte und Untersuchungen 17 N. F. 2, 2, Leipz. 1897).
Veranlassung der Streitschrift 1, 1 (Sp. 211 M.) pauci admodum dies sunt,
quod sancti ex urbe Borna fratres cuiusdam mihi Joviniani Commentai'iolos transmiserunt,
rogantes, ut eorum ineptiis responderem et Epicurum Christianorum evangelico atque
apostolico vigore conterrerem.
Abfassungszeit. Die Schrift ist nach dem Catalog geschrieben, der 1, 26 (Sp. 247
M.) citiert wird. Andererseits ist dieselbe vor dem Jonacommentar verfasst, also vor
etwa 395, da sie hier in der Praef. erwähnt wird. Da in der zweiten Ausg. des Catalogs
die Schrift am Schluss hinzugefügt wird (vgl. § 978), fällt die Abfassungszeit bald nach 392.
Quellen, üeber seine Quellen im 2. Teil des 1. B. (c. 41) äussert er sich also:
1, 49 Sp. 280 M. scripsenmt Aristoteles et Plutarchus et noster Seneca de matrimonio libros,
ex quibus et superiora nonnulla sutit, et isla quae subicimus. Ueber die Entlehnungen
aus Plutarchs praecepta coniugalia vgl. Bock, Aristoteles Theophrastus Seneca de matri-
monio (Leipz. Stud. 19 (1899) p. 6). Bezüglich der übrigen Quellen fasst Bock seine An-
sicht also zusammen (p. 50): „Reliqua omnia accepit ab eodem auctore, quo praeter eum
usus est Hugo Victorius (s. XI) in libro quem scripsit de nuptiis priore (Migne 176 Sp. 1208).
Auetor autem ille Hieronymi et Hugonis, quem esse TertuUianum (in libro de nuptiarum
angustiis quem misit ad amicum philosophum; vgl. epist. 22, 22) est verisimile, exscripsit
Senecae librum de matrimonio. Seneca denique adhibuit daos Graecos scriptores, et Aristo-
telem et Theophrastum, ita ut illius proferret sententias, huius ipsa verba.** Die Auf-
stellungen werden zum Teil bekämpft von Prächter, Hierokles der Stoiker, Leipz. 1901,
p. 122. Bezüglich des im 2. Buch eingestreuten Materials aus antiken Schriftstellern fehlt
66 noch an einer Untersuchung. Ueber Benutzung des Porphyrius vgl. J. Bernays, Theo-
phrastos' Schrift über Frömmigkeit, Berl. 1866, p. 82; p. 185. 2, 6 (Sp. 293 M.) legat qui
mdt Äristotelem et Theophrastum prosa, Marcellum Sidetem et nostrum JBlavium hexa-
metris versibus disserentes: Plinium quoque Secwndum et Dioscoridem etc. 2, 13 (Sp.302 M.)
*) Epist. 48, 2 (22, 494 M.) reprehendunt \ matrimonii, in tantum pudicüiam praedi-
me quidam, quod nimius fuerim vel in care, ut nulla videatur inter uxorem et vir-
laude virgmum vel in sugülatione nuptarum; ginem comparatio derelinqui,
et aiunt condemnationem quodammodo esse '■
432
Hieronymiui. (g 992.)
Dicaearchus in libris Äntiquiiatum et descrf'ptione Graeciae refert, 2, 14 (Sp. 308 M.) J«-
8ephu8 in secunda Judaicae captivücUis histaria et in octavo decimo AntiguiUUwH Utn
et contra Apionem duohua voluminibus tria describü dogmata Judaearum ; such luA |^
andere Autoren werden citiert.
Zur Charakteristik der Schrift des Hieronymus. 1, 4 Sp. 214 M. $eq^
restigia partitionis expositae et ndverstis singülas proposiiionea eius Scripturarum td
maxime nitur testimoniis, ne querultis garriat se eloquentia magis quam veritate »uperahm.
Quod si explevero et illum utriusque instrumenti nube oppreasero, cusumam exempla mtot-
laris quoque litteraturae, ad quam et ipse provocat (vgl. 1, 41).
Ausg. bei Yallarsi 2 Sp. 237; Migne 23 Sp. 211.
992. Die Streitschriften gegen Johannes von Jerusalem und
Bufinus. Wie aus einer Reihe von Stellen ersichtlich, liess sich Hiero-
nymus von Origenes in seinen theologischen Anschauungen stark beein-
flussen. Da kam der Bischof Epiphanius von Salamis, ein starker Eiferer,
im Jahre 894 nach Jerusalem, um dem auch hier wuchernden Origenismos
den Boden abzugraben ; in Jerusalem zeigten nämlich der Bischof Johannes
und Rufinus origenistische Neigungen. Durch das Eingreifen des Epi-
phanius entbrannte ein Kampf, in dem sich Hieronymus von seinen Freunden
Johannes und Rufinus trennte und aus einem Verehrer ein Bekämpfer des
Origenes wurde. Es kam noch ein Eingriff des Epiphanius in die bischöf-
lichen Rechte des Johannes hinzu; er weihte nämlich ohne Vorwissen des
Johannes den Bruder des Hieronymus, Paulinianus, zum Priester. Auch
der Bischof Theophilus von Alexandria griff in den Streit ein; sowohl
Hieronymus als Johannes wandten sich an ihn. Das Schreiben des Johannes
an Theophilus,^) in dem er sich gegen den Vorwurf der Ketzerei ausf&hr^
lieh verteidigte und den Streit beleuchtete, fand auch im Occident Ver-
breitung. Der Freund des Hieronymus, Pammachius, glaubte daher, unseren
Kirchenlehrer benachrichtigen und aufmuntern zu sollen, sich litterarisch
zu wehren ; ^) dies that auch Hieronymus 399 in einem langen Briefe, der
zwar an Pammachius gerichtet, aber sicherlich fär die Oeffentlichkeit be-
stimmt war. Das Aktenstück, das am Schluss eine Verstümmelung er-
fahren, ist von der grössten Leidenschaft durchzogen. Wahrscheinlich
kam dieser bösartige Ausfall dem Johannes gar nicht zu Gesicht, so dass
schliesslich doch noch eine Aussöhnung zwischen Johannes und Hieronjrmus
eintrat, die Bestand gehabt zu haben scheint. >) Anders ging es mit
Rufinus. Auch er hatte sich mit Hieronymus versöhnt, ehe er vom hl.
Land nach Italien zurückkehrte; allein die friedliche Stimmung währte
nicht lange. Als Rufinus nach seiner Rückkehr das Hauptwerk des Ori-
genes „Ueber die Prinzipien'' ins Lateinische übertrug und zu seiner
Deckung sich auf das Beispiel des Hieronymus berief, welcher ebenfalls
Schriften des Origenes übersetzt hatte, brach der alte Hader wieder aus.
Hieronymus, der allerdings früher zu Origenes mit grosser Verehrung
emporblickte, hörte später, als er Antiorigenist geworden war, nicht
mehr gern von dieser Verehrung. Die Erbitterung wurde durch die römi-
schen Zuträger des Hieronymus noch genährt. In doppelter VtTeise er-
öffnete er den Kampf gegen Rufinus; in einem an Pammachius und
Oceanus gerichteten Brief*) suchte er sich vom Origenismus zu reinigen
*) c. 37 Sp. 389 M. scribit {Johannes) ad
Tlieophüum episcopum apologiam, cuius istud
e.rordiuni est.
^) c. 1 Sp. 855 M. provocatus litteris tmif.
») Vgl. Zöckler, Hieronymna p. 249.
*) Epist. 84 (22, 748 M.).
Hieronymiui. (§ 993.) 438
und Rufinus zu verdächtigen ; weiterhin übersetzte er ebenfalls das Haupt-
werk des Origenes ^Ueber die Principien", uro die Häresien des Origenes,
die Rufinus bei seiner üebersetzung ausgemerzt hatte, zu Tage treten zu
lassen, und dadurch eine Handhabe zum Angriffe gegen seinen Gegner
wegen seines Origenismus zu erhalten. Auch der Papst wurde von den
Anhängern des Hieronymus gegen Rufinus in Bewegung gesetzt. Rufinus
musste jetzt zu seiner Verteidigung schreiten; er that dies in einer aus
zwei Büchern bestehenden, gegen Hieronymus gerichteten Schrift. Eiligst
waren die Anhänger des Hieronymus bei der Hand, Auszüge aus derselben,
die eigentlich nur für den Freundeskreis Rufins bestimmt war,^) nach
Bethlehem zu schicken. In seiner Leidenschaftlichkeit wartete Hieronymus
nicht die üebersendung der Schrift selbst ab, sondern verfasste eine eben-
falls zwei Bücher umfassende Invective gegen Rufinus. An Bosheit und
Gehässigkeit wird sich dieses Produkt nicht leicht überbieten lassen. Die
Origenesfrage ist das Fundament der Anklageschrift. Als Rufinus die
Schmähschrift des Hieronymus zu Gesicht bekam, schrieb er an ihn einen
scharfen Brief und übersandte ihm zugleich mit diesem Schreiben seine
Bechtfertigungsschrift, die Hieronymus, ohne sie gesehen zu haben, be-
kämpft hatte. Zu welch hohem Grad die Erbitterung gestiegen war, geht
daraus hervor, dass Rufinus drohte, er wolle, wenn Hieronymus von seinen
Angriffen nicht ablasse, seine Schandthaten, die ihm bekannt seien, ver-
öffentlichen.') Aber Hieronymus war auch jetzt nicht zum Schweigen zu
bringen; er schrieb wiederum eine Schmähschrift gegen Rufinus, die ge-
wöhnlich als drittes Buch der Apologie gezählt wird. Auch dieses Ela-
borat strotzt von Gehässigkeiten und Bosheiten. Rufinus erwiderte nichts
mehr. Hieronymus liess aber seinem Hasse die Zügel schiessen, selbst
als Rufinus in der Erde ruhte.
Abfassungszeit der Streitschrift gegen Johannes von Jernsalem. Es
sieben ans folgende Daten zur Verfügung: 1) c. 17 Sp. 369 M. citiert er: Ante anno8 ferme
deeem in Commentariis Ecclesiastae. Da der Commentar zum Prediger 387—390 ge-
acbrieben ist, kommen wir in die Jahre 397—400. 2) Hieronymus (c. 41 Sp. 393 M.) be-
rechnet etwa seinen Aufenthalt in Bethlehem bis zum Eintritt der Wirren mit Johcmnes
auf 18 Jahre; da er 386 sich in Bethlehem niederliess, kommen wir auf das Jahr 399 als
Abfassnngszeit der Schrift.
Ausg. bei Vallarsi 2 Sp. 407; Migne 23 Sp. 355.
AbfasBungszeit der Apologie gegen Rufinus. 2, 23 Sp. 446 M. unde eliam
ante annos ferme decem cum Dexter amicus meus, qui praefecturam administravit prae-
torü, me rogasset, ut auctarum nostrae religionis ei indicem texerem. Die Apologie ist
also zehn Jahre nach dem Catalog, der 392 abgefasst wurde, sonach im Jahre 402 ge-
schrieben. Nicht lange Zeit nach den zwei Bttchem wird das dritte geschrieben sein, doch
laset sich die Zeit nicht genauer bestimmen.
Ausg. bei Vallarsi 2 Sp. 457; Migne 23 Sp. 397.
993. Streitschrift gegen Yigilantius. Ein gallischer Priester, den
Hieronymus einen Calagurritaner nennt, kam mit einem Empfehlungs-
schreiben des Paulinus von Nola nach Bethlehem.») Dieses Empfehlungs-
schreiben verschafifte dem Gallier eine günstige Aufnahme im Kloster des
^) Vgl. 3, 3 Sp.459 M. sagt Hieronymus: { mina, quae tihi sali amicissimo sim confessus^
Dicis te accuaaiionem meam ad eos tantum i et haec in medium prolaturum,
miaisse, qui meis ve%^ laesi fuerant, et non \ ') (^ennadius berichtet, dass derselbe der
ad plurea, j Diözese von Barcelona angehörte. Wahr-
') 3, 41 Sp. 487 M. scire te iactaa cri- , scheinlich wurde er dahin vertrieben.
Huidbuoh der Umi. AltertimuiwlHeiMolian. vm, 4. 28
434 Hieronymas. (§ 998.)
fiieronymus. Aber er erwies sich undankbar ; denn nach seiner Rückkehr
verbreitete er die Nachricht, dass Hieronymus Anhänger des Origenes m.
Die Ausstreuungen kamen dem Kirchenvater zu Ohren; er sah sich daher
veranlasst, ein Schreiben^) an ihn zu richten und den Vorwurf der ori-
genistischen Ketzerei zurückzuweisen. Wenn er in vielen Punkten den
Origenes bewundere, so ergebe sich daraus nicht, dass er auch dessen
Irrtümer annehme. Der Ton des Briefes ist gereizt und wird mitunter
persönlich. Yigilantius trat bald als kirchlicher Neuerer auf. Er be-
kämpfte die Reliquien Verehrung, bemängelte das Vigilienunwesen, er stritt
gegen das Mönchsleben und verwarf den C!oelibat; auch die brennenden
Kerzen beim Gottesdienst waren ihm anstössig, und über die Wund«-
zeichen bei den Oräbem der Heiligen machte er sich seine eigenen Ge-
danken. Diese neuen Sätze scheinen auf viele Gemüter einen tiefen Ein-
druck gemacht zu haben, so dass selbst Bischöfe nicht wagten, dagegen
einzuschreiten. Den streng christlichen Kreisen wurde bange. Ein Priester,
Namens Riparius, der die Umsturzbestrebungen mit eigenen Augen sehen
konnte, wandte sich an den Mönch von Bethlehem, von der richtigen Er-
wartung ausgehend, dass dessen Autorität dem Treiben des Revolutionärs
ein Ende bereiten könne. Der mit Yigilantius persönlich verfeindete Hiero-
nymus kam zweifelsohne diesem Auftrage gerne nach und richtete im
Jahre 404 einen geharnischten Brief) an Riparius, in welchem er dem
Häretiker entgegentrat und die Reliquienverehrung verteidigte. Selbst-
verständlich war diese Epistel für weitere Kreise bestimmt. Aber sie
sollte nur die Einleitung zum eigentlichen Kampfe bilden, in den erst nach
Uebersendung der Schriften eingetreten werden konnte. Der Priester
Riparius, dem sich Desiderius anschloss, Hess auch die Schriften des Vigi-
lantius durch Sisinnius an Hieronymus gelangen. Damit hatte der Kirchen-
lehrer die Basis für seine Invective gegen Vigilantius erhalten. Dieselbe
strotzt von Bosheiten und persönlichen Beleidigungen. Um nur ein Bei-
spiel vorzuführen, verkehrte er den Namen Vigilantius, weil sein Träger
die Vigilien bekämpfte, in Dormitantius. Kein Leser kann an diesem Pro-
dukte seine Freude haben. Derselbe Sisinnius, der die Schriften des Vigi-
lantius übermittelt hatte, brachte im Jahre 406 auch die Schmähschrift
des Hieronymus nach Gallien; sie scheint ihren Zweck erfüllt zu haben,
Vigilantius wurde mundtot gemacht. Auf die Autorität des bethlehemiti-
schen Mönohs gestützt, konnten die Kirchenbehörden die revolutionären
Bewegungen leicht unterdrücken.
Zeugnisse über Vigilantius. Hieronymus sagt in einem Brief an Yigilantias
(epist. 61, 3; 22, 605 M.): Credidi sancti presbyteri Paulini epistolis et illius super nomifie
tuo non putavi errare iudicium. Et licet statim accepta epistola aavyaQTtjroy sermonem
tuum intelligerem, tarnen rusticitatem et simplicitatem magis in te arbitrabar quam recor-
diam. Epist. 58, 11 (22, 586 M.) sanctum Vigilantium presbyterum qua ariditate susceperim,
melius est ut ipsius rerbis quam meis discas litteris: qui cur tarn cito a nobis profectus
sit et nos reliquerit, non possum dicere, ne laedere quempiam videar, üeber Vigilantius
und Rufinus vgl. Apol. in Rufin. 3, 19 (23, 471 M.). Ueber die Heimat des Vigilantius vgl.
c. 4 der Streitschrift. C. 6 (Sp. 345 M.) redet er ihn an: ad radices Pyrenaei habitas riet-
nusque es Jheriae. c. 1 Sp. 340 M. nennt er ihn caupo Calagurritanus. Gennadius de vir.
ill. 36 Vigilantius presbyter, natione Gallus, Hispaniae Barcelonensis parochiae ecclestam
\) Epist. 61. \ """i ^¥^^"<- ^^^^-
Hieronymiui. (§ 994.) 435
Umtdi, SeripsU ei ipse zdo quidem religionis aliqua, sed victus humana laude et prtie-
wmimeiM tt/^pra vires auae; homo lingua polittu, fwn sensu Scripturarum exercitcUus, ex-
pomni pravo ingenio Secunäam Danielis visionem, et cUia locutus est frivola, quae
m caiaiogo haeretiearum necessario exponentur, W. Schmidt, VigüaDÜus, sein Verh<iiis
aun hl. HieroDjmua und zur Eirchenlehre damaliger Zeit, MOnsier 1860; G. Nijhoff, Vigi-
lantins, Dias. Qroniiigen 1897.
Lehrsfttze des Vigilantias. c. 1 Sp. 339 M. qui (seil. Vigilantius) Marty-
rwm neget septdcra veneranda, damnandas dicat esse vigüias: numquam nisi in Pascha
AUduia eantandum: eantinentiam haeresim, pudicitiam Uhidinis seminarium. Ueber seine
Angriffe gegen den Gebrauch der Kerzen beim Gottesdienste vgl. c. 7 Sp. 345 M. Ueber
Widerspruch gegen die Sammlungen für Jerusalem vgl. c. 13 Sp. 349 M.
Veranlassung der Schrift, c. 3 Sp. 341 M. aiActores sunt huius dictatiunculae
(der Schrift gegen Vigilantius) sancti presbyteri Riparius et Desiderius, qui paroecias
vidnia isHus scribunt esse maculatcu, miseruntque libros per fratrem Sisinnium, quos
ere^^lam stertens evomuit. Et cuserunt repertos esse nofmuüos, qui faventes vitiis
iüius blasphemüs acquiescant, c. 17 Sp. 352 M. haec, ut dixi, sanctorum preabytc-
mortem rogatu unius noctis IvuMÖnUione dictavi festinante admodum fratre Sisinnio et
fTopter sanctorum refrigerxa ad Äegyptum ire properante.
Abfassungszeit. Hieronymus erwähnt contra Vigilantium c. 9 Sp. 347 M. des
Briefes, den er an Riparius schrieb, und zwar mit der Bei^gnng, dass dies vor etwa zwei
Jahren geschehen sei. Da der Brief ins Jahr 404 gesetzt wird, fällt unsere Streitschrift
ins Jahr 406. Dieses Jahr kann auch in anderer Weise gewonnen werden. Sisinnius, der
die Streitschrift nach Gallien überbrachte, ist derselbe Sisinnius, der im Jahre 406 den
Zachariacommentar dem Bischof Exuperius von Toulouse brachte; vgl. oben § 982, 3.
Ausg. bei Vallarsi 2 Sp. 387; Migne 23 Sp. 339.
994. Die Dialoge gegen die Luciferianer und Pelagianer. Merk-
würdig ist, dass Hieronymus auch den Dialog in seinen dogmatisch-pole-
mischen Schriften anwendete. Es geschah dies zuerst in einer Bestreitung
des luciferianischen Schismas.^) Die Einkleidung ist folgende. Ein Luci-
ferianer und ein Orthodoxer waren auf einer Strasse — der Ort ist nicht
näher bezeichnet — aneinander geraten und traktierten sich mit gemeinen
Schimpfreden. Der Luciferianer nannte die katholische Kirche ein Huren-
haus, der Orthodoxe hielt seinem Widersacher höhnisch entgegen, ob er
denn glaube, dass Christus wegen des sardinischen Bischofs auf die Welt
gekommen sei. Die einbrechende Nacht setzte der in ungeeigneter Weise
stattfindenden Disputation ein Ziel. Erbittert gingen die Gegner aus-
einander; jedoch waren sie übereingekommen, am nächsten Morgen in einer
abgelegenen Säulenhalle die Unterredung fortzusetzen, dieselbe aber zugleich
vom SchneDschreiber nachschreiben zu lassen. Nach dieser Einleitung be-
ginnt der Dialog, der sich um die Frage dreht, wie es mit der Aufnahme
der Arianer in die Kirche zu halten sei. Die Luciferianer vertraten in-
sofern eine strengere Richtung, als sie einen Unterschied zwischen den
Bischöfen und Laien machten und den Verlust der bischöflichen Würde
bei den ehemaligen Arianern ausgesprochen wissen wollten; ja der Diakon
Hilarius wollte sogar die von den Arianern gespendete Taufe nicht als
gültig erachten.*) Hieronymus entscheidet sich för die Praxis der ortho-
doxen Kirche, welche den reuigen Bischöfen ihre Würden beliess und
die von den Arianern gespendete Taufe anerkannte, und lässt das Ge-
spräch mit dem Sieg des Orthodoxen enden. Freilich fügt der Gegner am
Schluss hinzu, die Luciferianer Hessen sich leichter besiegen als überreden.
Der Dialog ist die einzige Streitschrift, in der Hieronymus die persönlichen
1) Eine Anahrse bei Gratzmacher, | *) Vgl. c. 21 Sp. 175
HieronjrmoM p, 202. \
486 Hieronymiui. (§ 994.)
Ausfälle vermeidet und durch einen ruhigen sachlichen Ton sich aua- |"
zeichnet. Ueber die Zeit, in der derselbe entstanden ist, sind wir nicht
ganz sicher unterrichtet; nur das eine wissen wir bestimmt, dass er vor
392, d. h. vor Abfassung des Catalogs, geschrieben ist. Am besten passt
der Dialog für den Aufenthalt des Hieronymus in Rom, als er dem Papst
Damasus als Ratgeber zur Seite stand.
Gegen Ende seines Lebens hatte Hieronymus noch den Kampf gegen
Pelagius und seine Anhänger durchzufechten. Pelagius hatte seine Häresie
412 nach Palaestina getragen, und zwischen ihm und Hieronymus gab es
manche Reibereien.*) Im Jahre 415 leitete Hieronymus das Vorgefecht mit
einem Brief an Ctesiphon ') ein, wo er den Hauptsatz des Pelagianismus, der
Mensch könne, wenn er wolle, ohne Sünde leben, bestritt und auf die Stoa
zurückführte. Schon hier kündigt er eine eingehendere Schrift gegen die
Pelagianer an.>) Sie liess auch nicht lange auf sich warten; auch für sie
wählte er die Form des Dialogs, indem er die RoUe des Katholiken dem
Atticus, die des Pelagianers dem Critobulos zuteilte. Es sind drei Bücher,^)
die nicht in dem ruhigen Tone abgefasst sind wie der Dialog gegen die
Luciferianer. Das Werk des Kirchenlehrers rief grosse Aufregung unter
den Gegnern hervor. Die Pelagianer drangen sogar in das KJoster von
Bethlehem gewaltsam ein, Hieronymus konnte sich nur durch Flucht vor
dem Tode retten.^) Aber auch litterarisch suchte man den Hieronymus
niederzuwerfen. Ein Diakon Annianus von Celeda trat für die pelagianische
Sache ein;^) selbst der grosse antiochenische Theolog Theodorus von
Mopsuestia veröffentlichte eine Schrift gegen die, welche behaupten, der
Mensch sündige von Natur und nicht aus freiem Willen,^) und verhöhnte
den Hieronymus unter dem Spottnamen «Aram*. Andererseits aber erntete
Hieronymus grosses Lob für seine Arbeit von Augustin. ^)
Abfassangszeit der Altercatio Luciferiani et Orthodoxi. Im Catalog steht
sie zwischen der Epistel an Heliodor und der Chronik. Der Brief an Heliodor (No. 14) ist in
Jahre 373, also während des Aufenthalts in der chalcidischen Wüste geschrieben, die
Chronik fällt in den Aufenthalt des Hieronymus zu Constantinopel, also um 380. Die
älteren Gelehrten haben nun angenommen, dass der Dialog in der Zeit des zweiten antio-
chenischen Aufenthalts, also um 879, geschrieben sei. Allein die chronologische Ordnung
ist nicht immer in dem Catalog der hieronymianischen Schriften gewahrt. Neuere Geehrte
wollen den Dialog geschrieben wissen, als sich Hieronymus 382—885 in Rom befand; dort
hätte er am besten das vereinzelte Auftreten des Hilarius kennen lernen können. Auch
würde sich dann leichter erklären, warum Hieronymus in seiner Chrom'k den Lucifer ohne
jede Feindseligkeit anführt (vgl. z. J. Abraham 2871; 2378), einmal sogar belobt; vgl. s. J.
2386 = 369: qui nusquam se Äirianae miscuit pravUati, — Krttger, Lucifer voo
^) Vgl. Jeremiascomment. Prol. (24, 680 nione maculari. Ausführlicher erzählt die
M.) ut nuper indoctus calumniator erupit, Yorf&lle Augustiin. de gestis Pelagii.
qui Commentarios meos in epistülam Pauli \ ^) Epist. 148, 2 an Alypius und Augostiii
ad Ephesios reprehendendoa putat. \ (22, 1181 M.) qttod autem quaeritis, utrum
^) Epist. 133 (22, 1147 M.). | rescripserim contra libros Anniani Pfeudo-
') Epist. 133, 13 (22, 1160 M.) in pro- diacani Celedensia, qui copiosissime paseitur,
misso opere pleniua {si gratiam dominus ut alienae blasphemiae verba fricola sub-
dederit) dicturus sum. i ministret.
*) Analyse derselben bei Zö ekler. Hie- ^) Vgl. Photius biblioth. cod. 177. Frag-
ronymus p. 423. mente bei Marina Mercator, auch abgedruckt
/) Epist. 188 an Riparius (22, 1165 M.) bei Migne 23 Sp. 589.
nobis melius visum est locum mutare, quam ^) Opus imperf. contra Julian. 4, 88 (45,
fidei veritatem, aedificiorumque et mansionis 1389 M.) mira et ut talem fidem decebat
amoenitatem nmittere, quam eorum commu- , venustate composuit.
Hieronymus. (§§ 995, 996.) 437
Salaris, Leipz. 1986, p. 58; Grtttzmacher, Die Abfassungszeit der Altercatio Luciferiani
»i Orthodozi des Hieronymos (Zeitschr. für Kirchengesch. 21 (1901) p. 1).
Ausg. bei Vallarsi 2 Sp. 171; Migne 23 Sp. 155.
Abfassungszeit des Dialogus adversns Pelagianos. Augustinus schickte Oro-
mm nach Bethlehem zu Hieronymus. Während dieses Aufenthalts schrieb Hieronymus die
Dialoge. Hier nahm Orosins an der Synode von Jerusalem teil, welche Ende Juli 415 statt-
Cuid. Frühjahr 416 kehrte Orosius nach Afrika zurück. Die Streitschrift ist also vor 416
geflchrieben, wahrscheinlich 415.
Ausg. bei Vallarsi 2 Sp. 679; Migne 23 Sp. 495.
995. Die Uebersetzung der Schrift des Didymus vom hl. Geist.
Papst Damasus wünschte, wie die Vorrede besagt, von Hieronymus eine
Untersuchung über den hl. Geist. Der Kirchenlehrer konnte dieser Ein-
ladung nicht wohl aus dem Wege gehen, aber da Hieronymus fühlen
mochte, dass seine spekulative Kraft für eine solche Aufgabe nicht aus-
reiche, entschloss er sich zu einer Uebersetzung eines Werkes des Alexan-
driners Didymus.^) Dieser war sein Lehrer und hatte in der theologischen
Welt einen grossen Namen; gerade seine Monographie über den hl. Geist
wird von den Fachmännern als eine höchst gediegene Leistung charak-
terisiert. Hieronymus machte sich also an die Uebersetzung, die er dem
Papste widmen wollte. Allein die Arbeit kam ins Stocken. Da Hierony-
mus sich schon damals bei dem römischen Klerus missliebig gemacht
hatte, schlug dieser Lärm und verdächtigte den einflussreichen Mann wegen
Ketzerei; denn es war bekannt, dass Didymus stark unter dem Einfluss
seines Vorgängers Origenes stand. Ein um die gleiche Zeit geschriebener
Brief des Hieronymus an Paula') gibt ebenfalls Kunde von jener anti-
origenistischen Strömung; er leitet sie aus den Neidgefühlen gegen die
grosse Beredsamkeit und das Wissen des Alexandriners ab. Als Hierony-
mus nach Bethlehem sich zurückgezogen hatte, nahm er besonders auf
Andringen seines Bruders Paulinianus und der frommen Nonnen Paula
und Eustochium das Werk wieder zur Hand und führte es noch vor 392
zu Ende.') Da Papst Damasus bereits im Grabe ruhte, widmete er jetzt
die Uebersetzung seinem eben genannten Bruder. Das Werk des Didymus
wurde, wie es scheint, in der gelungenen Uebersetzung^) lieber gelesen
als im Original; die Folge war, dass letzteres verloren ging.
Ausg. bei Vallarsi 2 Sp. 105; Migne 23 Sd. 101; Patrol. gr. 39 Sp. 1031.
Ueber die Uebersetzung der Haaptscnrift des Origenes, negl «Qx^^yj
ist bereits oben mehrfach die Rede gewesen.
s) Homilien und Briefe.
996. Die Homilien des Hieronymus. Es ist bekannt, dass Hiero-
nymus keine praktische Seelsorge ausübte und seine Lebensaufgabe in der
Askese und in dem Studium erblickte. Allein der homiletischen Thätig-
keit entschlug sich der Heilige nicht. Er predigte seiner Mönchsgemeinde;
diese Vorträge wurden, wie es scheint, von Zuhörern eifrig nachgeschrie-
ben und kamen so auf die Nachwelt. Erst in neuerer Zeit wurde über
n Den Vorgang, wie er hier dargestellt «) Epist. 83, 4 (22, 447 M.).
ist^ Rauben wir ans den Worten der Vor- *) Es steht im Catalog zwischen de
rede (Sp. 103 M.) malui alieni operü inter- hebraicis nominibus und den Lacashomilien.
pres existere, quam {ut quidam faciuni) in- ^) Widersinnig war dieselbe in drei Bü-
formis comicula alienis tne colorünu adar- , eher zerlegt; mit Recht hat Vallarsi diese
nare erschliessen zu sollen. Einteilung beseitigt.
438 Hieroiiymiui. (§ 996.)
diese geistige Thätigkeit des Kirchenvaters helles Licht verbreitet; jedod
sind noch nicht alle Schätze gehoben. So sind die neuerdings entdeckte
fiomilien über 14 Psalmen noch nicht der Oeffentlichkeit übergeben. Den
Grundstock der veröffentlichten Homilien bilden 60 Reden über die
Psalmen. Die Sammlung blieb, wie bereits oben gesagt, unbeachtet,
weil man sie für eine kürzere Fassung des alten, aber nicht dem Hiero-
nymus angehörigen Breviarium in psahnos hielt. Nachdem dieser Orond-
stock festgestellt war, konnten auch andere Homiliensammlungen mit Fug
und Recht dem Hieronymus vindiciert werden. Eine Sammlung von Ho-
milien über das Marcusevangelium war in Drucken unter dem Namen
des Johannes Chrysostomns verbreitet. Allein schon der familiäre Stil er-
innerte an die Homilien über die Psalmen, es kamen dazu eine deutliche
Beziehung der beiden Homiliensammlungen aufeinander und ein Zeugnis
Cassiodors. Jeder Einsichtige musste erkennen, dass diese Homilien nicht
dem Johannes Chrysostomus, sondern dem Hieronymus angehören; damit
war eine zweite Sammlung von zehn Homilien als hieronymianisch fest-
gestellt. An diese beiden Gruppen konnte eine Gruppe über verschie-
dene Themata angereiht werden; auch diese waren unter dem Namei
des Johannes Chrysostomus, Augustins oder auch des Hieronymus ver^
breitet; es sind zehn Stücke und ein Fragment.
Die vor uns liegenden Predigten sind Improvisationen, welche sich
an einen bestimmten Kreis, an Klosterbrüder, richten.^) Dadurch wird
Form und Inhalt bestimmt. Die Sprache ist eine familiäre und gestattet
sich die Freiheiten, wie sie im Umgang üblich sind; die Homilien haben
daher vielfach ein anderes stilistisches Gepräge als die ausgearbeiteten
Schriften des Hieronymus. Auch sachliche Nachlässigkeiten und Un-
richtigkeiten finden sich; sie mögen eine Folge des Alters sein; denn es
unterliegt keinem Zweifel, dass die Predigten in die letzte Lebenszeit des
Kirchenvaters fallen. Allein trotz dieser Gebrechen hat sich doch die
Individualität des Hieronymus deutlich ausgeprägt. Wir erkennen sofort,
dass man es mit einem philologisch geschulten, in der hl. Schrift sehr
bewanderten, aller Ketzerei abholden und die weltliche Weisheit verachten-
den Manne zu thun hat; auch die Sprache bildet trotz des familiären
Charakters Berührungspunkte genug mit den für die Oeffentlichkeit zu-
recht gerichteten Werken des Hieronymus, und es fehlt nicht an Stellen,
in denen der Heilige auf der vollen Höhe seines stilistischen Könnens
steht. Unter allen Umständen müssen wir uns freuen, dass ein Schatz
gehoben ist, der uns Hieronymus von einer neuen Seite kennen lehrt. An
interessanten Einzelheiten gebricht es nicht. Wir heben nur eine her-
vor, nämlich, dass Hieronymus gegen die Praxis des Orients, welche den
Geburtstag des Erlösers auf das Epiphanienfest verlegte, für den 25. De-
zember eintrat.*)
*) p. 229, 9 monachi dicimur, et licet \ gelio dixerimuSj tarnen debemus et de psal-
non sumns quales esse debemiis, tarnen dici- terio quaedam dicere: ut aliis saturatis (ün
mur. AUem Anschein nach sprach Hierony- ieiuni non redeant.
mus manchmal auch griechisch zu seinen , *) p. 396, 4 nos tractemus in corde no-
Brüdern; vgl. p. 278, 19 propter eos qui ig- stro^ quod hodierna die Christus miscitw.
norani latinam linguam, licet multa de cvan- y Alii -putant qxwod. m "E^\i^\v(wv>ää ■WiaÄ<2«äi.>«\
HieronymoB. (§996.) 439
Zep^nisse üler die homiletische Thfttigkeit des Hieronvmas. Dass Hiero-
nymiis pjtnea Kloster jenoesen gepredigt, sagt er Apol. in Rofin. 2, 24 (28, 448 M.): Egone
eonirr. Septuoffinta inierpretea aiiquid sutn locutus, quos ante annos plurimoa düigentü-
Mir^e emendatos mea*: linguae studiosis dedi, quos quotidie in conventu fratrum edissero?
^JDgastmiis (epist 14i), 13) bezeugt, dass die Vorträge schriftlich fixiert wurden, da er daraus
^^ttteilniig macht: Ae multa eommemorando maiorea moms faciam, hoc unum sancti
JL'ieronymi mterpanc Cum ergo iüe vir in scripturis doctiasimus PsaJmum exponeret,
itit didum est „InU'üigüe ergo qui insipientes estis in popido" (vgl. Anecdota 3, 2
p. 129, 9). Iste loeu.^, inquit, adversus eos nuucime faciL qui Änihropomorphitae sunt ,,. ,
w^embra tulit, efficief.ti€U dedit.
Die Psalmeihomilien. Behandelt sind folgende Psalmen: 1, 5, 7, 9, 14, 66, 67,
74—78, 80-84. 8ß, 89—91, 93, 95-98, 100—111, 114, 115, 119, 127, 128, 181-183,
135—187, 189—143, 145—149, im Anhang 50. Mit der nachträglich zugefügten Homilie
■nd es im gmzen 60
Die Homiliei über das Marcusevangelium beziehen sich auf 1, 1—12; 1, 13
-31; 5,80-48; 8, 1-9; 8, 22—26; 9, 1—7; 11, 1—10; 11, 11—14; 11, 15-17; 18, 32-33
nnd 14, 8—6.
Zeugnis über die Marcushomilien. Cassiodor. in Psalt praef. c. 1 (70 Sp. 12 M.)
unde et sanctus Hiero*iymus exponens evangelistam Marcum in loco ubi aü de Joanne.
Cassiodor bezieht sich, wie die vorhergehenden Worte zeigen, auf Homilie 1 p. 325 M.
Beziehungen zwischen den Psalmen- und Marcushomilien. In der Ho-
milie über Marcus 14 6 (p. 370 Morin), gehalten an Eatechumenen in der Fastenzeit heisst
es am Schluss: Idee haec de evangelio pauca diximus. Et opportune quartus decimus
pgdimus lectus est, 4 oportet fios de psalmo dicere \\ Ps. 14 (p. 27 M.) oportune quarto-
decimus pscdmus Uctus est. Beide Reden wurden also von demselben Rredner nacheinander
^^•prochen.
Di« Homilien über verschiedene Gegenstände. 1. Ueber Matth. 18, 7—9;
2. Ueber Luc. 16, 19—31 (de Lazaro et divite); 3. Ueber Job. 1, 1—14; 4. De nativitate
domini (Morin, Revue p. 414); 5. De obedientia; 6. De persecutione Chiistianorum ; 7. De
Ezodo, in vigiliiBi paschae; 8. Ueber Psalm 41 ad neophytos; 9. — 10. Zwei Homilien : In die
dominica paschae. Dazu kommen noch Fragmenta de ubro Numerorum.
Abfassungszeit der Homilien. Der terminus post quem ist die Zerstörung des
Seraneums im Jahre 389; vgl. zu Ps. 96 p. 142, 4 nubs tsta deatruxit Serapium in Ale-
xanaria. Der terminus ante quem tat ein 413 geschriebener Brief Augustins, in dem die
Homilie über Ps. 98 (p. 129, 9) citiert wird. Schon aus dem Intervallum 389 — 413 ergibt
■Ich, dass die Homilien in die bethlehemitische Zeit fallen. Morin (p. 409) glaubt noch
ein bestimmteres Datum ermitteln zu können, indem er in der Stelle p. 254, 3 ante viginti
annos omnes htts ecclesicu haeretici possidebant erblickt ,une allusion ä T^it de Thöodose
ordonnant aux Antinic^ens de tout Tempire de restituer les ^glises aux catholiques." Die
Anspielung wäre sonach im Jahre 401 gemacht worden.
Die Ueberlieferung der Homilien über 59 Psalmen. Morin hat folgende
Handschriften herangezogen: Cantabrigiensis collegii Pembrochiani H. 2 s. X, Audomaropoli-
tanus 89 s. IX, Parisinus 12152 s. X, Sangallensis 109 s.VIII, cod. Musaei Britann. 4. A. XIV
•. YIII, Pariainus 2675 s. IX/X, 2676 s. IX, Sangallensis 108 s. IX, femer den Codex des
Breviarium s. X. Es kommt noch hinzu Casinensis LVII s. XI, aus dem Amelli die Homilie
aber Psalm 50 mitgeteilt hat; vgl. Anecdota p. 421.
Die Ueberlieferung der Homilien über das Marcusevangelium ruht auf
folgenden Codices: Parisinus 12140 s. X, 2651 s. XI, Oxoniensis Bodl. Laud. 452 s. X, und
auf der Ausg. des Johannes Chrysostomus von Erasmus 2 (Venedig 1549) fol. 263.
Die Ueberlieferung der übrigen Homilien. Vgl. Morins Noten zu den ein-
zelnen Homilien. Ausser den schon genannten drei Handschriften über Marcus kommen
noch bei einzelnen Homilien hinzu: Parisinus 12141 s. X, Lipsiensis I. 58. a. s. XII, Darm-
stadiensis sign. 206 — 230, instrum. 228 s. XV, Ashbumhamensis Barrois 57 s. VI/VII, cod.
Mosaei Britannici 30853 s. XI, Sessorianus LV s. VII/VIII, Vaticanus 344 und cod. Musaei
Britann. 4. A. XIV s. VIII, Bobiensis- Vaticanus 5758 s. VII und ältere Ausgaben.
Die neuen Traktate über 14 Psalmen. Der Entdecker Morin hat für diese
Traktate vier Handschriften benutzt. 1. Vaticanus 317 s. XVI. 2. Vaticanus-Ottobonianus
478 s. XVI; derselbe stammt aus demselben Original wie die vorige Handschrift, bietet
aber einen fehlerhafteren Text. 3. Venetus-Marcianus class. I, XCIV s. XII. 4. Lauren-
tianus Medic. 18, 20 s. XI. Von den 14 neuen Traktaten sind uns neun durch die drei
tum damnamus aliorum opinionem, nostram phanOs renatus est. Ueber die ganze Fraxe
sequimur doctrinam. p. 397, 5 nos didmus vgl. Usener, ReligionsgeschichÜ. Up'
^nna hoäie Christus natus est, post in Epi- Buchungen 1 (Bonn 1889) p. 214.
440 Hieronymus. (§ 997.)
ersten Handschriften aberliefert, nftmlich zu Psalm 10, 1 5, 82, 84, 87, 88, 89, 92, 96. Yos
diesen neun Traktaten stehen sechs auch im Laurentianus, nämlich die zu Psalm 82, 84, i
87—89, 92. Weiterhin bietet dieser Codex noch fünf neue Traktate zu Psalm 83, 90, 91, |
98, 95 ; auch gibt er den Schluss von 87 und 88 in abweichender, aber authentischer Form, j
Ftb* die Autorschaft des Hieronymus liegt ein Selbstzeugnis vor in dem Commentar za I
Psalm 15, wo es heisst (vgl. Morin p. 121): ut in libro quoque hehraicarum qaeiestionum
diximus. Hieronymus citiert in seiner Schrift de vir. ilL 135: In psalmoa a decimo n»qw \
ad sextum decitnum tractatiM Septem. Morin (p. 180) dachte einen Augenblick dann, id
dem Traktat zu Psalm 15 einen dieser sieben Traktate zu erblicken, allein nach genauer |
Erwägung gab er diesen Gedanken auf; denn ,notre TractattM a öt^ prononc^, comme les
autres qui nons restent, une dizaine d'annöes aprto la composition du De viris.* 2m
Charakteristik der Sammlung bemerkt Morin, nachdem er eine Anzahl Einzelheiten Aber
dieselbe mitgeteilt hat (p. 144): «Elle (la sörie) nous apporte un appoint nouveau et trte
appr^ciable, pour mieux saisir la mani^re simple, familiäre, et pourtant ^rudite, dont le
Saint pr^tre J^röme expliquait de vive voix les divines iScritures ä son auditoire monastique
de Bethl^m.* — G. Morin, Quatorze nouveaux discours In^dits de saint J^r6me sur les
psaumes (Revue B^n^dictine 19 (1902) p. 113).
Ausg. von Morin, Anecdota Maredsolana vol. 3 pars 2 (1897). Die noch fehlenden
Prolegomena werden vorläufig ersetzt durch seine Abhandlung: Les monuments de la pr<6-
dication de saint J^röme (Revue d'histoire et de litt^ratnre religieuses 1 (1896) p. 393).
997. Die Correspondenz des Hieronymus. Bei der angesehenen
Stellung, welche Hieronymus in der christlichen Gesellschaft einnahm, war
eine rege Correspondenz etwas Selbstverständliches.^) Schon während
seines Lebens hatte der Kirchenvater bereits zwei Sammlungen erscheineji
lassen; nach seinem Tode wurde eine neue veranstaltet, welche in
ihrem jetzigen Bestand 150 Stücke enthält. Darunter sind aber auch
Briefe, die von anderen herrühren, auch einige unechte.') Dem Hiero-
nymus selbst gehören 116. Sie reichen von 370—419, also bis zum vor-
letzten Lebensjahr des Kirchenvaters, unter den Adressaten finden wir
ganz hervorragende Persönlichkeiten, wie Papst Damasus, Augustinus, Pau-
linus von Nola u. a. An Paulinus von Nola enthält die Sammlung drei
Stücke. Paulinus knüpfte durch Uebersendung einiger Geschenke Be-
ziehungen mit Hieronymus an. Es scheint dies geschehen zu sein, als
sein Entsehluss, der Welt zu entsagen, noch neu war. Hieronymus ant-
wortete in einem gezierten, mit Berechnung geschriebenen Brief (Nr. 53),
in dem er das Studium der hl. Schrift bespricht und eine kurze Ein-
leitung in die hl. Bücher gibt. In falscher Bescheidenheit erklärt er, er
wolle dem Paulinus bei Erforschung der Bibel nur Genosse, nicht Führer
sein. 3) Man sieht es aber dem Brief förmlich an, wie sich Hieronymus
bei Paulinus in ein günstiges Licht zu setzen sucht. Bald folgte ein
zweiter Brief des Paulinus an Hieronymus, in dem er ihn um eine An-
*) Vgl. epist. 85, 1 (22, 752 M.) uno ad ' Er neigt sehr dazu, diese Briefe als ein Pro-
occidentem navigandi tempore tantae a me \ dukt des Hieronymus anzusehen. Weiterhin
simul epistolae flugitantur, ut st ctmcta ad tritt für die Echtheit des Briefs No. 18 ad
singulos velim rescribere, occurrere nequeam. Praesidium de cereo paschdli (30, 182 M.)
Unde accidit, ut omissa compositione ver- Morin (Revue Bönödictine 8 (1891) p. 20;
borum et scribentium sollicitudine dictem 9 (1892) p. 392) ein. Derselbe (1. c. 8 p. 97)
quidquid in buccam renerit.
^) Ausserdem ist noch ein ganzes Corpus
unechter Briefe erhalten (Migne 30 Sp. 13);
aus dieser Collektion untersucht zwei Briefe
ad amicum aegrotum, von denen man den
zweiten mit Entschiedenheit dem Bischof
Maximus von Turin zuteilen wollte, P au c k e r ,
Zeitschr. für die österr. Gymn. 31 (1880) p. 891.
will No. 12 de Septem ordinibus ecclesiae (30,
148 M.) dem Bischof Faustus von Reji zu-
weisen; vgl. dagegen Engelbrecht, Patri-
stische Analecten 1892 p. 5.
») Vgl. c. 9 Sp. 549 M. sed velU fateor:
sedenti me praefero, magistrum renuetiSf
comitem spondeo.
mMronymiui. (§ 997.) 441
vir eisung zum christlichen Leben ersucht. Der Einsiedler redet natür*
lieh der Einsamkeit das Wort ;^) auch hier ist wieder falsche Bescheiden-
heit eingemischt. Interessant ist, dass Hieronymus dem Paulinus über den
Stil seines Briefes und eines übersandten Panegyricus auf Theodosius
Oomplimente macht. Der üeberbringer des paulinischen Briefes war Yigi-
lantias, gegen den Hieronymus später sein erbittertes Pamphlet erliess.
Unsere Sammlung enth< noch einen dritten Brief an Paulinus (Nr. 85),
in dem Hieronymus dem Adressaten einerseits Aufschluss über Gefragtes
erteilt« andererseits auf seine Uebersetzung der origenistischen Schrift
sUeber die Prinzipien* hinweist. Was den Inhalt der Briefe anlangt, so ist
derselbe ein sehr verschiedener. Charakteristisch ist, dass oft die Abhand-
lung in die Form eines Briefes gekleidet ist. Wir haben diese Erscheinung
bereits bei den exegetischen Schriften und bei den Nekrologen kennen
gelernt. Aber damit sind diese Abhandlungen in Briefform noch nicht
erschöpft; gern wählt Hieronymus auch den Brief, um für seine Lebens-
ideale einzutreten. Wir rechnen hierher das Büchlein über die Bewah-
rung der Jungfräulichkeit, welches Hieronjrmus in Form eines Briefes
an Eustochium im Jahre 384 zu Rom verfasste (Nr. 22). Eustochium,
die jugendliche Tochter der Paula, hatte sich entschlossen, im jungfräu-
lichen Stand zu verharren. Das Schreiben, das der Kirchenlehrer ihr
nridmete, sollte keine Lobrede auf ihren erhabenen Entschluss sein, son-
iem ihr vielmehr Anleitung geben, wie sie ihre Jungfräulichkeit erhalten
kOnne; von den Nachteilen der Ehe, die Hieronymus dem jungfräulichen
Stande weit nachstellte, sollte hierbei nicht die Rede sein. Seine Aufgabe
lOste der Kirchenvater, indem er einerseits der Jungfrau vorhielt, was sie
EU vermeiden habe, um nicht der Jungfräulichkeit verlustig zu gehen,
andererseits ihr auseinandersetzte, was die fromme, Christus verlobte Jung-
frau zu thun habe. Hieronymus zeichnet hier das Ideal eines asketischen
Lebens für Jungfrauen. Er kam damit den Neigungen der damaligen vor-
nehmen Frauenwelt in Rom entgegen, und ihr zuliebe fügt er auch einen
Excurs über das ägyptische Mönchsleben seiner Broschüre ein. In seinem
Schreiben nahm der Autor zugleich die Gelegenheit wahr, gegen die Sitten-
verderbnis, die im römischen Klerus und in der christlichen Frauenwelt
um sich gegriffen hatte, zu kämpfen. Die Farben werden hier stark
realistisch aufgetragen, und der gute Geschmack würde es heutzutage ge-
radezu verbieten, solche Bilder einer heranwachsenden Jungfrau vorzu-
führen. Das Büchlein musste in der römischen Gesellschaft die grönsto
Sensation hervorrufen; denn der Autor ging sogar so weit, dass er eine
Figur aus der Gesellschaft heraushob und sie so zeichnete, dass sie gewiBs
allen kenntlich war.*) Es ist ein alter Rou6, der sein Leben miiViHiton,
die er sich jeden Tag genau festsetzt, zubringt, der, wenn er etwuH KohI-
bares bei seinen Besuchen entdeckt, es so lange bewundert, hin or m er-
hält, der seine besonderen Leckerbissen hat, dessen Mund zu fürchion
ist, der sich gross im Verbreiten von Neuigkeiten, die er zum Tt^il Hollml
^) Der Brief (No. 58) ist nach den Bfl- ; ') Vgl. c. 28 8p. 414 M. r.r tfuihun unum,
ehern gegen Jovinian geschrieben, welche qui huius ariin eM prinr.rpH, hirntn ntnc*
c. 6 Sp. 588 IL erwilioi werden. timqtie dtBcrUtam,
442 Htmmtjmiuu (§ 997.)
fabriziert, erweist und der mit Pferden und Wagen Sport treibt. Das
skandallüsterne Publikum griff eifrig nach dem Büchlein. Die Erbitterang |
gegen Hieronymus nahm solchen Umfang an, dass seines Bleibens in Rom j
nicht mehr länger sein konnte. Ein Seitenstück zu der besprochenen ^
Broschüre bildet der Brief an Nepotianus (Nr. 56). Derselbe, ein Neffe I
des Bischofs Heliodor, hatte dem Militärstand, der ihm eine glänzende
Karriere in Aussicht stellte, entsagt und war Kleriker geworden. Als I
solcher bat er den Einsiedler von Bethlehem wiederholt, ihm eine An- {
leitung zum rechten Leben zu schreiben. EUeronymus hatte noch nicht
vergessen, obwohl 10 Jahre verstrichen waren, welchen Hass er sich
durch seinen Brief an Eustochium zugezogen hatte; allein er machte sich
trotzdem an das Werk und schrieb in seiner Zelle aus einer wesentlich
ruhigeren Stimmung heraus diese Hodegetik für den geistlichen Stand. Es
ist ein goldenes Büchlein und verdient noch heute das Vademecum eines
jeden Priesters zu sein. Es sind Lebensregeln aus einer reichen Erfahrung
geschöpft; wenn auch manche trübe Seiten aus dem Leben der Geistlichen
hervorgekehrt werden mussten, so geschieht dies doch ohne Bitterkeit und
Härte. Nur einmal, als er gegen die Erbschleicher sich wendet, artet
seine Rede in eine boshafte Satire aus. Die nächste Stelle nach dem {
jungfräulichen Stand nimmt der Witwenstand ein. Der Kirchenvater
wünscht keine zweite Ehe einer Witwe, sondern verlangt von ihr ein
keusches gottgeweihtes Leben. Wie in dem Brief an Eustochium eine |
Anweisung für die Jungfrauen, gibt er in dem Brief Nr. 79 eine solche ■
für die Witwen. Die Adressatin ist Salvina, eine Tochter des Mauri- I
tanerfürsten Gilde; durch ihre Ehe mit Nebridius war sie dem kaiser-
lichen Hofe des Theodosius nahe getreten. Als sie ihren Gatten nach der
Geburt zweier Kinder durch den Tod verlor, wandte sich der Einsiedler
an sie, obwohl sie ihm persönlich unbekannt war. An den Panegyricus
auf Nebridius schliesst sich die Aufmunterung, in dem Witwenstand zu
verbleiben, und die Anweisung für ein frommes Witwenleben. Aus der
Sehnsucht nach der Einsamkeit, die Hieronymus oft beschleichen mochte,
als er im Getümmel der Weltstadt verweilte, ging der Brief an Marcella
hervor (Nr. 43); er enthält ein Lob des einsamen Lebens auf dem
Lande und reiht sieh so den Briefen an, welche für die asketische Lebens-
führung eintreten. Von kulturhistorischem Interesse ist der Brief an
Laeta (Nr. 107), weil er uns ein christliches Erziehungsideal für
Mädchen vorführt. Laetas Vater war Heide geblieben, während sie eine
fromme Christin war. Sie hatte den einzigen Sohn der uns bekannten
Paula, der Freundin des Hieronymus, Toxotius zum Ehegatten. Die fromme
Frau hatte ihr Kind noch vor der Geburt Gott geweiht. Als nun Paula
geboren wurde, war die Mutter um die Erziehung des jungen Sprösslings
recht besorgt, auch drückte sie das Heidentum ihres Vaters. In ihrer
Herzensangst wandte sie sich an den Mönch von Bethlehem, und dieser
spendete ihr einerseits Trost wegen ihres Vaters, andererseits Belehrung
wegen ihres Töchterchens. Wir erfahren, wie die damalige Mädchen-
erziehung in christliche Bahnen gelenkt wurde. Beachtenswert ist, dass
auch das Griechische ein UntemcYvlaiacÄi ^ä.t\ \Ai^\ Yx^-^^w >\\A %Oox<^\Vi<5.\s.
Hieronymiul. (§997.) 443
teilt uns der Autor manches aus der damaligen Pädagogik mit. Auch die
christliche Lektüre ist geregelt; es wird ausgeführt, in welcher Ordnung
die hl. Schriften zu lesen seien und welche christliche Autoren neben der
hl. Schrift gelesen werden sollen. Ausserdem werden viele moralische
Regeln gegeben, die mitunter auch psychologischen Tiefblick verraten.
Das Endziel für die jüngere Paula soll natürlich das Kloster zu Bethlehem
sein, wo ihre Grossmutter Paula und ihre Tante Eustochium weilten. Ein
interessantes Problem behandelt der Brief Nr. 70. Magnus, der orator
urbis Romae genannt wird, fragte bei Hieronymus an, warum in seinen
Schriften die heidnische Litteratur so viel herangezogen wäre. Damit war
eine Frage aufgeworfen, welche immer und immer wiederkehren sollte.
Zu einem tieferen Eingehen in das Problem gelangt die Antwort des
Hieronymus nicht; sein Hauptargument ist, dass auch die früheren christ-
lichen Schriftsteller die heidnische Litteratur nicht ausser acht gelassen
hätten. Doch macht er auch auf die formale Schönheit der nationalen
Litteratur aufmerksam. Bezeichnend für den Briefschreiber ist, dass am
Schluss der Verdacht ausgesprochen wird, Rufinus stecke hinter der Sache.
Wir schliessen unsere Auswahl mit einem Briefe über dieüebersetzungs-
kunst.^) Ein äusserer Anlass führte zu diesem Rechtfertigungsschreiben.
Hieronjrmus hatte einen griechischen Brief, den Epiphanius an den Bischof
Johannes von Jerusalem wegen der origenistischen Streitigkeiten gerichtet
hatte, ins Lateinische übertragen, und zwar auf Bitten des Eusebius von
Cremona und lediglich für seinen Gebrauch. Diese eilig hingeworfene
Uebersetzung hatte ein Mönch dem Eusebius entwendet und in die Hände
der Gegner, des Johannes und des Rufinus, gespielt; diese übten harte
Kritik an dem Elaborat und wollten Fälschungen des Urtextes nachgewiesen
haben. Da die Sache grosses Aufsehen machte, rechtfertigte sich Hiero-
nymus in einem Schreiben an Pammachius (Nr. 57), in dem er ein-
wandte, dass er nicht angestrebt habe, wörtlich zu übersetzen, und dass
es ihm nur auf den Sinn angekommen sei,^) und zeigte, dass dieses Ver-
fahren sogar in den hl. Schriften angewendet worden sei.
Die Briefe bilden einen höchst wertvollen Bestandteil der hierony-
mianischen Schriftstellerei. Sie verbreiten ein helles Licht über die christ-
lichen Ideen und das christliche Leben an der Grenzscheide des vierten
und fünften Jahrhunderts; sie lassen uns tiefe Blicke in den Charakter
des Kirchenvaters thun, sie machen uns auch mit dem Denken und Fühlen
anderer Persönlichkeiten bekannt. Die stilistische Kunst des Briefschreibers
tritt uns in diesen Erzeugnissen mit besonderer Kraft entgegen. Der
^) Hier erw&hnen wir noch die Ueber- ; wird die Uebersetzung gegen Ende 404 fallen,
tragnng der EQosterregeln des Pachomins, i Eine Analyse dieser Dokumente gehört selbst-
Theodor nnd Orsiesius, der Mahn werte des i redend nicht zu unserer Aufgabe. Vgl. Grütz-
Pachomius, mehrerer Briefe des Pachomius i mach er, Pachomius und das älteste Eloster-
and eines des Theodorus aus dem Grie- I leben, Freib. i. Br. u. Leipz. 1896; Ladeuze,
chischen (Migne 28 Sp. 61). Die Ueber- I iStude sur le c^nobitisme Pakhomien pendant
tragung wurde nach dem Tode der Paula, ' le IV® si^cle et la premi^re moiti^ du V®
aJso nach dem 26. Januar 404 gemacht. Da ' (Diss.), Louvain-Paris 1898.
Hieronymus infolge des Schmerzes ttber den ; ') Vgl. c. 6 Sp. 572 M., wo er den w^
Verlust der Freundin die erste Zeit nach dem i nen Satz ausspricht: Ut nihil desit ex Ml
Tode nicht littenuriacb wirksam sein konnte, | cum cUiquid desit ex \)«Tb\%.
444 HieronymM. (§ 997.)
Briefcharakter ist fast stets gewahrt, der Adressat wird immer in Be-
ziehung zu dem Stoff oder dem Autor gesetzt. Wie Ambrosius in der
Predigt die litterarische Gattung gefunden, die seinem Geiste am meisten
entsprach, so ist bei Hierotiymus das seinem Geiste adäquateste Produkt
der Brief.
Verschiedene Briefsammlungen des Hieronymus. In seinem Catalog (c 1S5)
erwfthnt er folgendes: Epiatularum <id dwersos litfrum unum ....ad MarceUam epiMht-
larutn librum unum epistularum atUem ad Paülam et Eustochium, quia cotüdie saru
buntur, incertus est numerus.
Der Brief an Eustochinm oder das Büchlein von der Bewahrung der
Jungfrftalichkeit (No. 22). Ueber die Abfassnngszeit Iftsst sich folgendes feststelleo.
Epist. 52, 17 ad Nepotianam (22, 539 M.) coegisti me, Nepotiane carissüne, lapidaio iam
Virginitatis lihello, quem sanctae Eustochio Romae scripseram, post cmnos dicem rursus
BetMeem ora reserare. Da dieser Brief etwa ins Jahr 394 gesetzt werden kann, ftllt die
Abfassung unseres Briefes in das Jahr 384. Sie fiLllt femer nach der Schrift gegen Hd-
vidius, da auf dieselbe (c. 22) verwiesen wird. Einen Ubellus nennt auch das Büchlein
Rufinus (Apol. in Hieronym. 2, 5; 21 Sp. 587 M.). üeber das Ziel der Schrift vgl. c. 2 Sp. 895 M.:
Haec idcirco, mi damina Eustochium, scribo ut ex ipso principio lectionis agnoseeres,
non me nunc laudem Virginitatis esse dicturum, quam probcati optimam et canseaUa es:
nee enumeraturum molestias nuptiarum .... sed ut inteUigeres tibi exeunti de Sodowia
timendum esse Lot uocoris exemplum. NuUa est enim in hoc libello adulatio NuBa
erit rhetorici pompa sermonis. üeber den Erfolg des Büchleins vgl. Rofin. Apol. in Hiero-
nym. 2, 5 (21 Sp. 587 M.): Quem libeüum omnes pagani et inimici dei, apostatae et perse-
cutores et quicunque sunt, qui Christianum nomen odio Juibent, certaHm stbi describebcaU
pro eo, quod omnem ibi ülmstianorum ordinem, omnem gr<»dum, omnem profe^sifmem
universamque parüer foedissimis exprobratianibus infamavit ecdesiam. Epist. ISO, 19 (22,
1122 M.) ante annos circiter triginta de Virginiiate servanda edidi librum, in quo neeeste
fuit mihi ire contra vitia et propter instrucHonem virginis, quam monebam, diaboii m-
sidias patefacere. Qui sermo offendü plurimos, dum unusquisque in se inteüigens quod
dicebatur, non quasi monüorem libenter audioit, sed quasi criminatorem sui operis aver-
satus est.
Der Brief an Nepotianus oder Anweisung für die Kleriker (No. 52). üeber
die Veranlassung vgl. c. 1 Sp. 527 M.: Crebro petis, ut tibi brevi volumine digeram prae-
cepta vivendi, et qua ratione is, qui saeculi müitia derelicta vel monachus coeperit esse
vel clericus, rectum Christi tramitem teneat, ne ad diversa vitiorum diverticula rapiatur.
Zur Charakteristik vgl. c. 4 Sp. 530 M. : Ne a me quaeras puerües declamcUiones, senten-
tiarum flosctdos, verborum lefwcinia et per fines capitulorum singuiorum acuta quaedam
brevüerque conclusay qiiae plausus et clamores excitent audientium. Im weiteren Verlauf
nennt er den Brief einen libellus. Bezüglich der Abfassungszeit ist zu bemerken, dass
nach c. 17 Hieronymus, als er das Schriftchen schrieb, in Betiblehem weilte. Dasselbe fällt
nach dem Katalog, also nach 392, ist aber vor dem Commentar zu Jona geschrieben, der
um das Jahr 395 entstand. Damit bekommen wir für den Libellus das Intervallum 392 — 395.
Wahrscheinlich liegt aber die Abfassungszeit dem Endtermin näher, weil die Aufzählung
der Schriften im Prolog zum Jonacommentar allem Anschein nach eine chronologische ist.
Der Brief an Laeta oder die christliche Mädchenerziehung (No. 107). Der
Brief ist vor dem Tod der Paula geschrieben, da dieselbe als lebend vorausgesetzt wird,
also vor dem 26. Januar 404. Der terminus post quem ergibt sich daraus, dass das Werk
gegen Jovinianus erwähnt wird (c. 10 Sp. 875 M.); dies ist aber bald nach 392 verfasst. Noch
mehr zieht sich das Intervallum zusammen, wenn wir die Worte c. 2 Sp. 870 M. ins Auge
fassen: Mamas Gazae luget inclusus et eversionem templiiugiter pertimescit. 401 erlangte
der Bischof Porphyrius von Gaza die kaiserliche Ermächtigung, das Heiligtum des Mamas
zu zerstören. Also ist der Brief um diese Zeit, um 401, geschrieben.
Der Brief an Pammachius oder die beste Art zu übersetzen (No. 57). üeber
die Zeitverhältnisse ist zu bemerken, dass das griechische Original zwei Jahre vor dem
Brief an Pammachius geschrieben wurde (vgl. c. 2 Sp. 569 M. ante hoc ferme biennium
miserat Joanni episcopo stipradictus papa Epiphanius Utteras) und dass die lateinische
üebersetzung Vji Jahre in den Händen des Eusebius blieb, bis sie gestohlen und bekannt
wurde; vgl. 1. c. res ita anno et sex mensibus transiit: donec supi'adicta interpreiatio de
scriniis etus novo praestigio Jerosolymam commigravit. Da der Brief in dem Katalog nicht
erwähnt ist, kann er nicht vor 392 geschrieben sein, und da er dagegen in der Vorrede
zum Jonacommentar erwähnt ist, der um 395 abgefasst wurde, muss er zwischen 392 und
395 geachriehen sein.
Hieronymiis. (§ 998.) 445
üeber den Brief an Paula, der eine Vergleichung der Schriftatellerei des Ori-
les und des M. Terentins Varro enthftlt, vgl. § 188. Ueber die Epistel 46 {Paulae et
^8toehi^ epist. ad Marceüam de locis sanctis) vgl. § 9t$3 p. 366.
Ausg. der Briefe bei Vallarsi 1; Migne 22; epistolae selectae bei Harter, S. pa-
im opnsc. sei. ser. XI; Lettres choisies, texte et traduction parCharpentier, Paris 1900.
Litteratur. Schubach, Ueber die Briefe des hl. Hieronymus, Coblenz 1855; J. A.
5hl er, Hieronymus und Augustinns im Streit über 6al. 2, 14 (Ges. Sehr, und Aufefttze
9g. von DOllinger 1 (Regensb. 1839) p. 1); F. Overbeck, Aus dem Briefwechsel des
igustin mit Hieronymus (Sybels Hist. Zeitschr. 42 (1879) p. 222); Ebert, Allgem. Gesch.
r Litt des Mittelalters 1* (Leipz. 1889) p. 192.
998. CharaMeristik des Hieronjrmos. Wer sich mit Ambrosius
»Bchäftigt, wird nicht bloss den thatkräftigen grossen Mann bewundern,
•ndem sich auch von dessen edlem Charakter angezogen fühlen. Wer
sh in Hieronymus vertieft, wird zwar auch nicht umhin können, dem
elseitigen gewandten Schriftsteller seine ungeheuchelte Anerkennung zu-
immen zu lassen, aber er wird sich zu dem Manne nicht hingezogen
hlen, und es werden sich zwischen ihm und seinem Autor keine goldenen
iden spinnen; an seinem Charakter kleben zu viele Flecken. Sein Hass
)gen seine Gegner ist grenzenlos; er belegt sie mit den niedrigsten
(himpfworten, und selbst die Stille des Grabes übt keine versöhnende Wir-
mg auf ihn aus.^) Als Rufinus in Sicilien gestorben war, wurde er noch
m seinem Gegner geschmäht. Bei seinen Angrififen kümmert es ihn
cht, ob die von ihm Verfolgten früher von ihm bewundert wurden. Er
)hörte einst zu den Verehrern der vornehmen frommen Melania; als er
it Rufinus in Zwist geraten war, charakterisierte er sie mit Anspielung
if ihren Namen als eine schwarze Seele. ^) In seiner Chronik hatte er
ufinus') und Melania^) mit lobenden Prädikaten angeführt, in einer
>äteren Auflage tilgte er die anerkennenden Worte. Nicht minder gross
8 sein Hass war seine Bosheit, die sich besonders gegen Ambrosius
andte. Als er die Homilien des Origenes über Lukas in lateinischer
earbeitung herausgab, machte er einen versteckten Ausfall auf den Mai-
.nder Bischof, der kurz vorher einen Commentar zu Lukas der Oeffent-
shkeit übergeben hatte; er verglich ihn mit einem krächzenden Raben,
3r, obwohl selbst ein Finsterling, sich über die Farben aller übrigen
ögel lustig mache. ^) In seinem Dialog gegen die Luciferianer hat er
ine Zweifel auch bestimmte Persönlichkeiten im Auge, wenn er von
ischöfen spricht, die vom Studium Piatos weg zum Episcopat gelangen
fid die, statt in die hl. Schrift sich zu vertiefen, durch die Floskeln der
eklamatoren in ihren Predigten die Menge gefangen nehmen.^) Sein
3rühmter Brief an die Eustochium ist reich an Invektiven auf den
(mischen Klerus; auch hier zeichnet er uns eine Figur in geradezu sen-
') Vgl. z. B. die gegen Rufin geschleu-
rten bei Zöckler, Hieronymus p. 262.
>) Epist. 133, 3 (22, 1151 M.) cuiu» (seil,
elaniae) nomen nigredinis testatwr per-
liae tenebras.
•) Vgl. Schoene p. 111.
^) Vgl. Schoene p. 105.
^) Homilien des Origenes ni Lukas Prolog.
6, 220 M.) cum a siniairo oscinem carvum
tdiam crocüantem et mirum in modum de
cunctarum avium ridere coloribus, cum totus
ipse tenebro8U8 »it. Vgl. ZO ekler, Hierony-
mus p. 174.
») Dial. contra Lucif. 11 (23, 166 M.) ex
litteratis quicumque hodie ordinantwr, id
habent curae, nan quomodo Scripturarum
meduUas ebibant, sed quomodo aures populi
declamatorum fhsctdis mülceant. Vgl. epist.
53, 7 (22, 544 M.).
446 Hieronymiui. (§ 998.)
sationeller Weise. Ein versöhnlicher Zug war diesem Charakter fremd;
nicht leicht vergass er eine ihm zugefügte wirkliche oder scheinbare B6»
leidigung; nach Jahren holte er sie wieder hervor.^) Auch der Neil
hatte in seiner Seele seinen Sitz aufgeschlagen.^) Ein sehr bezeichnender
Fall ist sein Verhalten gegen Ambrosius in seinem Catalog christlicher
Schriftsteller; während er im letzten Kapitel es nicht fQr unziemlich er-
achtet hat, seine eigene Schriften in recht ergiebiger Weise aufzuzählen,
nennt er zwar den Ambrosius, führt aber kein Werk von ihm an, angeb-
lich weil er sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, er sei ein Schmeichle
oder ein ungerechter Tadler. Andere missliebige Persönlichkeiten, wie
der Jude Isaak, werden in seinem Catalog gänzlich übergangen. Als er
den Commentar zum Galaterbrief schrieb, konnte er es nicht übers Ren
bringen, seinen ausgezeichneten Vorgänger, den sog. Ambrosiaster, zu er-
wähnen. Bei solchen Eigenschaften ist es nicht zu verwundem, wenn er
in seinem Leben Katastrophen zu verzeichnen hatte. Schon in jungen
Jahren vertrieb ihn, wie er sagt, ein Wirbelwind aus seinem Heimatland
Italien. >) Er gedachte Ruhe in der chalcidischen Wüste zu finden; er fand
sie aber nicht, denn die wegen des Schisma von Antiochia ausgebrochenoi
Streitigkeiten, in welche auch die Einsiedler hineingezogen worden, ver^
leideten ihm so den Aufenthalt, dass er die Wüste verliess. Als er in Rom
durch die Gunst des Damasus zu hohem Einfluss gelangt war, machte er
sich durch seine Satiren auf den römischen Klerus und durch das schroffe
Eintreten für das asketische Leben so verhasst, dass er selbst einsah,
sein weiteres Verbleiben in Rom sei unmöglich. Endlich noch gegen Ende
seines Lebens rief er durch seine Streitschrift gegen die Pelagianer einen
Sturm der pelagianisch gesinnten Mönche auf sein Kloster in Bethlehem
und eine Bedrohung seiner eigenen Person hervor. Eine sehr unange-
nehme Beigabe seiner Schriften ist auch die Unzartheit, mit denen er die 1
geschlechtlichen Ausschweifungen behandelt; es wird dem modernen Leser |
immer unverständlich bleiben, wie man einer heranwachsenden Jungfrau, |
wie es Eustochium war, solchen sittlichen Schmutz darbieten kann. Auch i
sonst noch wirkt manche Unzartheit ungemein störend auf uns; ein be- •
sonders charakteristisches Beispiel möge hier noch Platz finden. Da die |
genannte Eustochium sich den Heiland zum Bräutigam erkoren hatte, i
machte er deren Mutter Paula das blasphemische Kompliment, sie sei die ^
Schwiegermutter Gottes geworden.*) |
Die Kirche hat über alle diese Schwächen hinweggesehen und ihn |
unter ihre Heiligen aufgenommen; sie hat Recht daran gethan; denn
das, was menschlich schwach an Hieronymus war, ist längst von der
Zeit getilgt, aber die Verdienste, die er sich um seine Kirche erworben
hat, sind unvergänglich. Sein Blick ^ war fest auf den Stuhl Petri ge-
richtet, und ohne jede Scheu gab er frühere Meinungen und Grundsätze
auf, wenn er erkannte, dass sie der kirchlichen Autorität zuwiderliefen.
') Vgl. epiat. 112, 22 (22, 930 M.). *) Epiflt. 3, 3 (22, 333 M.).
«) Palladius bist. Laus. c. 78 (34, 1180 M.) | *) Epist. 22, 20 (22, 407 M.) socrus dri
ToaavTtjy ea^ey ßctaxayiayy (os vno ravirjg , esse coeptsti.
xttXv7iT6(Tf^ai T(oy Xoytay xrjy u^eiijv. \
Hioronymus. (g 998.) 447
Sobald die Stellung des Origenes zum Dogma festgelegt war, wurde er
ans einem feurigen Bewunderer des Alexandriners ein ebenso heftiger
Bekftmpfer desselben. Auf die Ketzer schlug er mit eiserner Faust, und
treffend gibt ihm deshalb die Kunst einen Hammer in die Hände. Für
, das asketische Lebensideal hat er mit der ganzen Macht der üeberzeugung
gearbeitet und demselben eine dogmatische Unterlage zu geben gesucht.
Doch den grössten und unvergänglichsten Schatz hat er der Kirche mit
seiner Bibelübersetzung und Bibelrevision geleistet. Mit sicherem Blicke
eifauinte er, dass das Zurückgehen auf den Urtext der Leitstern des
Bibelstudiums sein müsse. Uns scheint dieser Grundsatz jetzt selbstver-
stftndlich ; allein damals scheuten ängstliche Gemüter vor jeder Aenderung
der überkommenen lateinischen Uebersetzung zurück, er musste einen
Kampf kämpfen, wie ihn Lachmann gekämpft, um diesen falschen Conser-
vativismus, der in Wahrheit eine Untreue gegen das göttliche Wort in sich
flchliesst, zu brechen. Auch die weitere Forderung, dass der Schrifttext
die schöne Form ertragen könne, war gerechtfertigt. Durch die lateinische
Bearbeitung der Bibel hat Hieronymus der Einheit der Kirche den grössten
Vorschub geleistet; sie erhielt von ihm das göttliche Wort in einer festen
einheitlichen Gestalt, und so grossen Widerstand man dieser Arbeit auch
entgegenstellte, ist sie doch siegreich durchgedrungen. Nicht minder
machten seine exegetischen Arbeiten in der kirchlichen Litteratur Epoche ;
de ruhten auf einer Sprachkenntnis, wie sie damals nur selten vorkam,
nnd betonten doch schon mehr die historische Erklärung. Auch war es
ein grosser Wurf, dass Hieronymus sich die Exegese der ganzen hl. Schrift
znm Ziele setzte und an dieser Aufgabe sein ganzes Leben hindurch thätig
war. Als Dogmatiker dagegen tritt Hieronymus in den Hintergrund;
ihm fehlt die spekulative Anlage; wir finden ihn daher von Autoritäten
abhängig; in seinen jungen Jahren stand er unter dem Einfluss des blinden
Didymus und des Origenes, in seinen reifen unter dem des Epiphanius,
and in den letzten Lebensjahren übte die mächtige Spekulation Augustins
einen bestimmenden Einfluss auf ihn aus. ^) Nach der praktischen Seite des
Christentums hin muss als eine grosse That des Kirchenvaters bezeichnet
werden, dass er die gelehrte Arbeit auch dem Klosterleben zugänglich
gemacht hat.
Als Schriftsteller verfügte Hieronymus über die Kunst der Rede in
nicht gewöhnlichem Masse, und sichtlich legt er auf das formale Element
den höchsten Wert. Er sieht sich die fremden litterarischen Produkte
genau auf ihren Stil an und rügt gern die stilistische Mangelhaftigkeit,
die er in ihnen vorfindet.^) Andererseits ist er bestrebt, jeden Tadel seines
Stiles von vornherein auszuschliessen, indem er vorgibt, auf die rhetorische
Form keinen Fleiss verwendet zu haben. Nicht selten erscheint diese
Phrase auch in Werken, an welche die grösste Feile angelegt wurde, wie
z. B. in dem bekannten Brief an die Eustochium. In der natio*"^!'»* T.it.
') Ueber die Beziehiuigeii zwischen Hie- beobachtang beiPk^l*
ronymns und AnguBtiiius vgl. die litterahir i (Nathanael J«bHM
ra den Briefen § 997; K. Höhne, Hierony- | >) Y^ |
jDOf aad AugttBtinBa über die GesetiM- l
448 Hieronymiui. (§ 999.)
teratur der Römer ist er sehr bewandert, und Cicero, Horaz, Vergil, die
Komiker und andere Autoren werden von ihm nicht selten angeführt^)
Zwar will er durch ein Traumgesicht,') in dem er vom göttlichen Richter-
stuhl aus harte Worte darüber hören musste, dass er Ciceronianer und
nicht Christ sei, veranlasst worden sein, die Lektüre der heidnischen
Klassiker gänzlich aufzugeben ; allein fast möchte man glauben, dass dieser
Traum in seiner sorgfaltigen Stilisierung nur ein rhetorisches Feuerwerk
ist.') unter den litterarischen Erzeugnissen des Hieronymus behaupten
die Briefe, wie bereits ausgeführt, die erste Stelle. Ihnen zunächst stehen
die Mönchslegenden. Einen niedrigeren Platz nehmen die exegetischra
Commentare ein, da der Autor hier zu kompilatorisch und zu eilfertig zu
Werke gegangen ist. Die unterste Rangstufe wird den polemischen Schriften
anzuweisen sein, da dieselben wegen ihrer Gehässigkeit und ihrer Ver-
drehungssucht den Leser abschrecken.
Ueber den Stil. Für seine Jagend gibt er den rhetorischen Stil ausdrücklich n
epist. 52, 1 (22, 527 M.): In ülo opere (seil, epist. ad Heliodonim) pro aetcUe tunc lusimmi
et calentibus adhuc rhetorum sttidiis atque doctrinis quaedam schoUistico flore depinximut.
Die Aeasserung, dass er den Redeschmack hintansetze, kehrt in seinen Schriften oft wieder;
nur einige Beispiele: in der stilistisch sehr durchgearbeiteten Epistel 22 an Enstochhmi
heisst es (c. 2; 22, 895 M.): Nulla est in hoc libello ctdtUatio NuUa erü rhetoriei
pompa sermonis. Epist. 86, 14 Sp. 459 M. smt alii diserti, laudentur, ut voluni, et mfUUi$
biiccis spumantia verba trulinent: mihi sufficü sie lo^i, ut inteüigar, tU de scriptmrii
disputans Script urarum imiter simplicitatem, Beiträge zum Wortschatz gibt Pancker,
Zeitschr. für östeiT. Gymn. 81 (1880) p. 881; vgl. auch Rhein. Mus. 37 (1882) p. 556; De
latinitate beati Hieronymi observationes ad nominum verbonunque usum pertinentea, Beri
1880; H. Goelzer, iStude lezicogr. et gramm. de la latinit^ de S. Jördme, Paris 1884
999. Fortleben des Hieronjrmus. Was bei vielen grossen Männern
eintrat, dass ihre menschlichen Schwächen nach dem Tode vergessen
wurden, die Werke ihres Geistes aber Jahrhunderte hindurch fortlebten,
ist auch bei Hieronymus eingetreten. Die grossen Schattenseiten seines
Charakters verflüchtigten sich in der Erinnerung, der Glanz des erleuchteten
Kirchenlehrers und Bibelexegeten heftete sich an seine Persönlichkeit. Wir
finden daher, dass die nachfolgenden kirchlichen Schriftsteller des Hiero-
nymus mit den grössten Lobsprüchen gedenken. Auch die Kunst erblickte
in dem berühmten Mönch ein geeignetes Objekt für ihre Darstellungen:
von selbst ergab sich der Typus eines vor einer aufgeschlagenen Bibel
sitzenden Einsiedlers. Es gesellten sich noch Attribute hinzu. So sehen
wir ihn in der Gesellschaft eines Löwen, dem er, wie die Sage geht, einst
den Dorn aus dem Fusse gezogen hat.*) Auch den Totenkopf als Symbol
des Vergänglichen finden wir mit seinem Bilde vereinigt.*) Sein Ansehen
reichte sogar über den Occident hinaus nach dem Orient; schon bei seinen
Lebzeiten hatte Sophronius eine Reihe von Werken des Meisters ins Grie-
chische übertragen, ö) Wie hochbedeutend der Einfluss des Heiligen war,
^) Vgl. £. Lübeck, Hieronymus quos ' logener Rhetorik, mühsam ausgesonnener Be-
noverit scriptores et ex quibus hauserit, Leipz. geistening und unechter Frömmigkeit*.
1872; M. Hertz, Analecta Horat. 4 p. 21. ' *) Vgl. die AbbUdung bei Otte, Hand-
«) Epist. 22, 30 (22, 416 M); vgl. Zie- | buch der kirchl. Kunst- Archäol. des deutschen
linski, Cicero im Wandel der Jahrhunderte, \ Mittelalters 2* (Leipz. 1884) p. 772.
Leipz. 1897, p. 71. «^j Menzel, Christi. Symbolik 2« (Regensb.
») Schoene (Die Weltchronik des Eu- I 1856) p. 502.
sebius, Berl. 1900, p. 240) nennt diesen Traum | *) Hieronym. de vir. ill. 134 opuscula
»eines der ärgerlichsten Musterstlicke vet- \ mea in Gtoäcuw, %em\.o?af5\xt eXe^axvX\%»c«M.
Hieronymns. (§ 999.) 449
geht auch daraus hervor, dass sich um seinen Namen eine grosse Menge
von Litteraturprodukien gruppierte. Die Zahl der apokrjrphen, den Namen
des Hieronymus tragenden Schriften erreicht einen Umfang fast wie die
echten. Von den einzelnen Werken des Hieronymus übten die grösste
Nachwirkung seine üebersetzung der hl. Schrift, seine Bearbeitung der
eusebianischen Chronik, sein Buch über die berühmten kirchlichen Schrift-
steller und die Mönchslegenden auf die Nachwelt aus. Seine üebersetzung
der hl. Schrift lag mit der sog. Itala Jahrhunderte im Kampf, allein sie
drang schliesslich siegreich durch, und noch heute vermittelt sie in der
katholischen Kirche grösstenteils die Kenntnis des göttlichen Wortes. Die
lateinisch bearbeitete Chronik des Eusebius wurde das Fundament für
neue Bearbeitungen; sein Buch über die berühmten Männer eröfifnete in
der christlichen Litteratur eine neue Gattung und regte neue Bearbeitungen
an; endlich seine Mönchslegenden waren eine überaus beliebte Lektüre,
und sein Leben des Paulus ^) wurde die Grundlage für spätere Biographien
des Einsiedlers. Durch seine Briefe hat er sowohl im Mittelalter als in
der Renaissance belebend und befruchtend auf den Briefstil gewirkt. Im
Mittelalter stieg der Ruhm des bethlehemitischen Einsiedlers noch höher;
OS bildeten sich Ordensgenossenschaften, die sich ihn zum Vorbild nahmen.^)
Auch die mittelalterliche Litteratur zehrte von seinen geistigen Schätzen.
Die Reformation dagegen stand dem Kirchenvater nicht günstig gegen-
über, so dass selbst seine Vorzüge verdunkelt wurden. Die späteren Zeiten
urteilten wieder objektiver über den Kirchenlehrer, und heute steht das
Urteil ziemlich fest: Er war ein reiches Talent, aber kein sympathischer
Charakter.
Zeugnisse über Hieronymus. Augusiin. contra Julianum 1, 34 (44, 665 M.) Graeco
ei ZioUno inauper et Hehraeo eruditus eloquio ex ocddentcUi ad orientalem transiens ec-
eleaiam m locis sanctis atque in lüteris eacris usque ad decrepitam vixit aetatem, Hyda-
Uns Cliron. z. J. 415 (Chron. min. ed. Mommsen vol. 2 (1894) p. 19) Hieronymus qui supra
praeeipuua m omnibua, elementorum quoque peritissimus äebraeorum, in lege domini,
quod scriptum est, diuma noctumaque meditatione continuus, siudia operis sui reliquit
innumera. ad ultimum Pelagiani sectam cum eodem auctore adamantino verüatis malleo
etmtriüU, adversus hos et adversum alios haereticos exstant eius probatissima monimenta.
Sedulius Carmen paschale praef. (p. 8 Huemer) nee Hieronymi divinae legis interpretis et
ettelestis bibliothecae cultoris exemplar pudeat imitari. Cassian de incamatione 7, 26 (1
p. 884 Petschenig) Hieronymus catholicorum magister, cuius scripta per Universum mu^-
dum qwui divinae lampades rutilant, Prosper de ingratis Ys. 56 (51, 98 M.) Hehraeo simul
et Graio Laiioque venustus \ eloquio, morum exemplum mundique magister \ Hieronymus,
Apollin. Sid. epist. 9, 2 (p. 204 Mohr) neque enim, cum Hieronymus interpres, dialecticus
Augustinus, culegoricus örigenes gravidas tibi spiritalium sensuum spicas doctrinae salu-
bris messe parturiant; vgl. noch p. 75 M. Marcellinus Comes z. J. 892 (Chron. min. ed.
Mommsen vol. 2 (1894) p. 63) innumeris libris apostolorum prophetarumque construc-
tianibus editis immobilem catholicae turrem ecclesiae contra perfidorum iactUa consummavit,
Cassiodor. de inst. div. litt. c. 21 (70, 1135 M.) beatus etiam Hieronymus Latinae linguae
dikUaior eximius, qui nobis in translatione divinae Scripturae tantum praestitit, ut ad
Hebraeum fontem paene non egeamiM accedere Planum, doctus, dulcis, parata copia
sermonum ad quamcumque partem convertit ingenium. Vgl. Migne 22 Sp. 213.
trcmstülit, PscUterium quoque et Prophetas, arbeitung des Sophronius als Grundstock
quos nos de Hebraeo in Latinum vertimus. zurückgeführt. Vgl. Van den Yen, S. J4-
1) Weiterhin wird eine vita Hilarions röme et la Yie du meine Malchus, Louvain
▼on Papadopulos-Eerameus (^AyaXexta 1901, p. 110.
UgoaoXvfAiUTifjg araxvoXoyias 5, St. Petersb. ') Ygl. Zö ekler, Hieronymus p. 472.
1898) Mof die bieroDjrmianiache in der Be-
HuMdhaeb der kJam. AltertumBwiaaenmibtJt, Till. 4. ^
450 BttokbUQk. (§ 1000.)
Unechte Schriften. 1. Qaaestiones hebraicae in libros Regum et Para-
lipomenon. Sie stammen, wie wir aus Hrabanus Maunu ersehen, von einem gesetzea- |
kundigen Juden spftterer Zeit; mit Hieronymus haben sie nichts gemein. — Ausg. bei Val-
larsi 3 Sp. 755; Migne 23 Sp. 1329. — S. ßerger, Quam notitiam lingoae Hebraicae ha-
buerint Christiani medii aevi temporibus in Gallia, Nancy 1893, p. 1; L. Ginzbarg, Die
Haggada bei den Eorchenvätem, T. 1 : Die Haggada in den pseudo-hieronymianischen Qaae-
stiones, Heidelberg 1899. 2. Expositio interlinearis libri Job. Hieronymns hat keinen
Commentar zu Job geschrieben. Die vorhandenen expositiones sind in mehreren Recenaionea
verbreitet, von denen eine auf den Schüler des Hieronymus, Philippus, zurückzugehen and
weiterhin von Beda überarbeitet zu sein scheint. — Ausg. bei Vallarsi 3 Sp. 833; Migne
23 Sp. 1407; Spicileg. Casinense 3, 1 (1897) p. 335. 3. De benedictionibas Jacob pa-
triarchae. Sie rühren von Alcuin her. — Ausg. bei Vallarsi 3 Sp. 733; Migne 23 Sp. 1307.
4. Liber nominum locorum, ex Actis, wahrscheinlich von Beda. — Ausg. bei Vallarsi
3 Sp. 721; Migne 23 Sp. 1297. 5. De decem tentationibus populi Israel in deserto.
Ausg. bei Vallarsi 3 Sp. 741; Migne 23 Sp. 1319. 6. Commentarius in Canticam
Debborae. Die zwei letzten scheinen von einem Verfasser herzurühren. — Ausg. bd
Vallarsi 3 Sp. 745; Migne 23 Sp. 1.821. 7. Tractatus in lamentationes Jeremiae;
scheint ein von Beda verfasster Cento zu sein. — Ausg. bei Migne 25 Sp. 787. 8. Ho-
milia ad Monachos. Vgl. Vallarsi bei Migne Sp. 311: „Collectio haec sententianun
est, maxime quae ad probe instituendam monachorum vitam spectant, ex Hieronymi epi-
stolis ac libris ab studioso quopiam adomata.** — Ausg. bei Migne 30 Sp. 311. 9. Regals |
Monachorum. Die Schrift ist von dem Prior Lope de Olmedo in Spanien im 15. Jahr- 1
hundert aus den Schriften des Hieronymus zusammengestellt. — Ausg. bei Migne 30 Sp. 319.
Hierzu gesellt sich eine Regula Monacharum (Sp. 391 M.). 10. Expositio quataor
evangeliorum, ein elendes Machwerk. — Ausg. bei Migne 30 Sp. 531. 11. Common-
tarii in epistolas sancti Pauli. Dieser Commentar ist aus dem des Pelagius (vgl
epist. ad Demetriadem virginem, 30, 15 M.; 38, 1099) zusammengearbeitet; vgl. Zimmer,
Pelagius von Irland, Berl. 1901, p. 212. — Ausg. dieses Commentars bei Migne 30 Sp. 64^.
•12. Liber Comitis sive Lectionarius per circulum anni. Das Werk geht unleogbar
auf die hieron3rmiani8che Zeit zurück. — Ausg. bei Migne 30 Sp. 487. 13. Ad Geruntii
filias de contemnenda hereditate. Der Verfasser dieses Briefes kann ermittelt werden
durch ein Zeugnis des Gennadius (de vir. ill. 50): Eutropius presbyter scripsit ad duas I
sorores, ancillas Christi, quae ob devotionem pudicitiae et amorem religionis exheredatat I
sunt a parentibuSf Epistulas in modum libellorum consolatorias eleganti et aperto »er-
mone duas, non solum ratione, sed et testimoniis Scripturarum munitas. üeber die Zeit
des Briefes gibt Aufschluss die Stelle c. 5 (Sp. 48 M.): Jstud sibi sepulcrum et PautintLs
noster nuper ipse divitiis cum sua matrefamilias comparavit, qui convcrsatione saecuii
morientes a mundialibus operibus tarn quiescunt. Auch Gennadius führt den Eutropius
nach Paulinus von Nola auf. Wir haben es also mit einem Zeitgenossen des HieronjTnus
zu thun. — Ausg. bei Migne 30 Sp. 45. Der Indiculus de haeresibus wurde herausgegeben
von Fr. Oehler, Corpus haereseologicura 1 (Berl. 1856) p. 281 (vgl. p. XII).
Die Ueberlieferung ist noch nicht methodisch erforscht und klargelegt. — L. De-
lisle, Note sur un ms. de St. J^röme acquis ä Lyon (Biblioth^que de l'öcole des chartes
59 (1898) p. 136). Ueber eine Handschrift des Hieronymus für den Danielcommentar in
Madrid vgl. Bratke, Beatus von Libana, Hieronymus und die Visio Hesdrae (Zeitschr. für
Kirchengesch. 23 (1902) p. 428).
Gesamtausg. Aeltere von Erasmus, Basel 1516 — 1520 und öfters, 9 Bde.; Ma-
rianus Victorius, Bischof von Rieti, Rom 1565 — 1572 und öfters, 9 Bde.; von den Mau-
rinern Martianay und Pouget, Paris 1693 — 1706, 5 Bde. Die Hauptausgabe ist die von
Vallarsi, Verona 1734—1742, 11 Bde., 2. Aufl. 1766—1772, 11 Bde., freilich ist die Ueber-
lieferung in ihr noch sehr wenig untersucht; vgl. Rei ff er scheid, Bibl. patr. lat. Ital. I
p. 66; (fiese 2. Aufl. ist bei Migne 22—30 abgedruckt.
Uebersetzungen. Ausgewählte Schriften des hl. Hieronymus, Kirchenlehrers, nach
dem Urtexte übersetzt von P. Leipelt 2 Bde., Kempten 1872/74 (Bibliothek der Kirchen-
väter). Oeuvres de St. Jörome, publiees par B. Matougues, Paris 1858 (ebenfalls Aus-
wahl); W. H. Fremantle, Select Library of the Nicene and Post-Nicene Fathers of the
Christian Church Ser. 2 vol. 6, New York 1893.
1000. Rückblick. Wenn wir auf die durchlaufene Periode der christ-
lichen Prosa unseren Blick zurückwerfen, so erkennen wir, wie die Fächer,
welche die nationale Litteratur ausgebildet hatte, in christliche Bahnen
übergeleitet wurden. In der QescVv\c\vt§»eVvt^\Vi\3L\i^ \svweÄtÄ die Kirche
BttokbUck. (§1000.) 451
neben dem Staate ihr Recht fordern. Schon die dogmatischen Streitig-
keiten bedurften oft einer historischen Grundlage, z. B. eine Geschichte
der Synoden; bei Hilarius ist uns diese historische Thätigkeit entgegen-
getreten. Die eigentliche Eirchengeschichte wurde den lateinisch Sprechen-
den durch Rufins Uebertragung der Kirchengeschichte, welche den Eu-
sebius von Caesarea zum Verfasser hatte, und ihre Fortsetzung vermittelt.
Die Fasten erhielten im kirchlichen Leben ihr Gegenstück durch die Mar-
tyrologien. Der Synchronismus der Geschichte fand durch das Christen-
tam eine besondere Pflege, da mit der biblischen Geschichte ein festes
Zentrum gegeben war; das Werk des Eusebius wurde hier epochemachend,
den Christen lateinischer Zunge war es in der Bearbeitung des Hierony-
mus zugänglich. Auch die biographische Form der Geschichtschreibung
ist von den christlichen Schriftstellern verwertet worden. Das damals zur
höchsten Blüte sich entfaltende Mönchsleben musste dazu reizen, bedeu-
tende Persönlichkeiten der Askese herauszuheben und ihre Wunderthätig-
keit zu schildern. Die Mönchslegenden des Hieronymus befriedigten das
Lesebedürfnis des Publikums in glänzender Weise. Auch die Geographie
wurde vom christlichen Geiste durchdrungen. Die Sehnsucht, die hl. Stätten
mit eigenen Augen zu sehen, ergriff viele Gläubigen; es begannen die
Wallfahrten nach Palästina, und an sie schlössen sich die Walifahrts-
berichte und die Beschreibungen der hl. Orte. Die Beredsamkeit fand
ihren sprechendsten Ausdruck in der Predigt. Durch sie kamen auch
Leute in die Litteratur, welche derselben sonst fremd geblieben wären.
Zum Teil geschah die Veröffentlichung der Predigten ohne Wissen und
Willen der Autoren, da sie von Stenographen aufgenommen und verbreitet
wurden. Ambrosius gab der christlichen Beredsamkeit den höchsten Glanz;
auch bildete bei ihm die Predigt die Grundlage für seine litterarische
Produktion, indem die Predigt in die Form der Abhandlung oder des Buchs
übergeführt wurde. Auch die Trauerreden konnten an die nationale Lit-
teratur anknüpfen, freilich der Geist musste ein anderer sein. Aus dem
alten Elogium wuchs der Nekrolog heraus, mit dem sich nicht selten die
Consolatio verband. Eine reiche Entwicklung hat in unserer Periode der
Brief erfahren und einen glänzenden Vertreter in Hieronymus gefunden.
Die Briefform wurde so beliebt, dass sich selbst die Abhandlung derselben
bediente. Da an die Stelle des Philosophems das Dogma getreten war,
nahm dementsprechend auch die philosophische Prosa eine neue Rich-
tung; es wurde die dogmatische Schriftstellerei ein hervorragender Zweig
der christlichen Litteratur. Hilarius und Ambrosius leisteten hier Aus-
gezeichnetes. Da die Hauptaufgabe des Dograatikers war, die dem Dogma
entgegenstehenden häretischen Meinungen zu bekämpfen, erhielt die dog-
matische Litteratur unwillkürlich einen polemischen Zug. Die Häresien
der Arianer, Donatisten, Priscillianisten, Pelagianer mussten eine reiche
dogmatisch-polemische Litteratur im Gefolge haben. Bei der grossen Er-
bitterung, mit der die Glaubenskämpfe gefuhrt wurden, kam es nur zu
leicht vor, dass die Polemik in die Invective umschlug, deren unrühm-
licher Meister Hieronymus ist. Auch die christliche moralische Abhand-
lung konnte sich an die heidnische vielfach anlehnen. Das berühmteste
452 Büokbliok. (§1000.)
Beispiel dieser Art ist die üeberfiihrung der ciceronischen Schrift de offi-
ciis in den christlichen Gedankenkreis durch Ambrosius. Doch gab es
auch zahlreiche Themata, welche eine spezifisch christliche Behandlung
erforderten, die aber in der Form sich an der nationalen isagogischen und
protreptischen Litteratur emporranken konnten. Merkwürdig ist, dass die
Compositionsform, welche der philosophischen Prosa von Hause aus eigen-
tümlich war, der Dialog, auch in dieser Litteraturgattung vereinzelt an-
gewendet wurde; Hieronymus hat nämlich zwei seiner Streitschriften, eine
gegen die Luciferianer und eine gegen die Pelagianer, dialogisch gestaltet,
und da öffentliche dogmatische Disputationen stattfanden, wie die Alter-
catio Heracliani laici cum Germinio, episcopo Sirmiensi beweist, war der
Dialog als Kunstform ganz an seinem Platze. Was die gelehrte Lit-
teratur anlangt, findet die Philologie, wie in der heidnischen Welt in
Vergil, so in der christlichen in der Bibel ihren Mittelpunkt; sie erfor-
derte die üebersetzung und die Exegese. Auf beiden Gebieten erwarb
sich die grössten Verdienste Hieronymus, in der Exegese waren nicht un-
rühmlich auch Hilarius und Ambrosius thätig. Die Exegese krankte noch
an der Allegorie; denn wie einst bei Homer urfd Vergil, so erachtete es
auch hier die Interpretation als ihre Hauptaufgabe, den versteckten Sinn
aufzuschliessen. Allein wie bei den profanen Autoren, so musste schliess-
lich auch bei der Bibel die gesunde historische Interpretation im Kampf
mit der allegorischen den Platz behaupten. Eine bewunderungswürdige
Leistung dieser Art liegt uns in einem Commentar zu den paulinischen
Briefen, dem sog. Ambrosiaster, vor. Die üebersetzungsthätigkeit führte
notwendigerweise zur Betrachtung der Ueberlieferung und damit zu einer
kritischen Thätigkeit, die auch von den kritischen Zeichen Gebrauch machte,
wie sie Aristarch und Valerius Probus bei ihren Recensionen eingeführt
hatten. Die üebersetzungsthätigkeit leitete aber auch im alten Testament
zum hebräischen Urtext zurück und erweiterte dadurch das Sprachstudium.
Trotz aller Mängel hat hier Hieronymus reformatorisch eingegriffen, und
seine üebersetzung bezw. Bearbeitung der hl. Schrift, die sog. Vulgata,
ist den wichtigsten litterarischen Erzeugnissen aller Zeiten beizuzählen.
An die Philologie reiht sich die Litteraturgeschichte, die in dem
Catalog der berühmten kirchlichen Schriftsteller von Hieronymus ver-
wirklicht worden ist; auch hier war die nationale Litteratur mit ihrem
bekannten Werk Suetons vorbildlich geworden. In dem Ketzercatalog
des Philastrius haben wir eine Litteraturgattung, welche mit den in
den beiden antiken Litteraturen üblichen Zusammenstellungen der philo-
sophischen Lehrmeinungen in Zusammenhang steht. Aus diesen Elementen
gestaltete sich einerseits die Dogmengeschichte, andererseits die Ge-
schichte der Philosophie heraus. Auf dem Gebiete des Rechts ist die
Collatio zu verzeichnen, welche darzulegen sucht, dass die berühmten
Rechtssätze der Römer bereits im alten Testament ausgeprägt sind. Da-
mit hat das Christentum begonnen, auch das Recht mit christlichen An-
schauungen zu durchdringen.
Was den inneren Gehalt der christlichen Prosa anlangt, so sind die
Lateiner noch immer von dem Geist öi^v Q^Tiedti^w ^\>äxv^%. \^\ä*^<^ ^
Rückblick. (§ 1000.) 453
ngigkeit spricht sich in den üebersetzungen griechischer Werke aus;
! bahnbrechenden Uebersetzer unserer Periode sind Rufinus und Hiero-
mus. Aus der Notwendigkeit dieser üebersetzungen ergibt sich auch
gleich, dass zwischen Occident und Orient sich schon eine grosse Kluft
Fgethan hatte. Während aber der lateinische Occidentale seine Blicke
ch dem griechischen Orient richtete, trat das umgekehrte Verhältnis
r selten ein, wie, wenn Sophronius Werke des Hieronymus ins Grie-
ische übertrug. Erst mit Augustinus übernimmt die occidentalische Welt
t Führung in der christlichen Spekulation.
Nachträge und Berichtigungen.
p. 8 füge zur Litteratnr über Julian, deren Vollständigkeit hier nicht beabsichtigt sein
kann, hinzu: Allard, La religion de Tempereur Julien (Rev. des Qaeat. bist 1902
p. 349); Negri, L' imperatore Giuliano T Apostata, Mailand 1901; Allard, Julien
r Apostat 3 Teile, Paris 1902; Un pr^curseur du Sionisme, Julien T Apostat et ies
Juifs (Le correspondant 1901 p. 530); L'exp^dition de Julien coutre Constance (Revue
des Questions historiques 69 N. F. 35 (1901) p. 409); Cochet, Julien TAposUt (These).
Montauban 1899; Voller t, Kaiser Julians religiöse u. philosophische Ueberzeugnog
(Beitr. zur Förderung christl. Theol. 3 (1899) p. 5); Dessau, Sur un nouvel ^dit de
Tempereur Julien (Revue de philol. 1901 p. 285); £. Müller, Kaiser Flavius Clau-
dius Julianus, Hannover 1901.
p. 17 Z. 20 V. o. füge zu den Worten „in einem im Jahre 387 publizierten Commentar'
noch hinzu: zum Titusbrief 1, 12 (26, 572 Migne).
p. 32 füge im Absatz «Ausonius und Paulinus* am Schluss hinzu: Ueber die Priorität von
P. 10 vor A. 25 vgl. Rauschen, Jahrb. der christl. Kirche unter dem Kaiser Theo-
dosius d. Gr., Freib. i. B. 1897, p. 548.
p. 32 Z. 5 V. u. füge zu p. 140 noch hinzu: p. 155, p. 169.
p. 33 Z. 5 V. o. lies statt ,4, 2 p. 3 Hartel" : 4 (2 p. 3 Hartel).
p. 39 füge zum Absatz «Ausonius und das Christentum" noch hinzu: J. Ziehen, PhiloL
57 (1898) p. 413.
p. 48 Z. 9 V. u. fü^e noch zum Absatz „Litteratur zur Hist. Aug.* : Ueber das 5. Heft vgl
noch Bollettino di filol. class. 9 (1902) p. 34.
p. 102 Z. 3 V. u. in dem Abschnitt „Die Autorschaft der Uebersetzung' lies statt , Archiv":
Archiv für lat. Lexikographie.
p. 108 Z. 1 V. o. ist im Absatz „Biographisches'* noch zu verweisen auf § 876 p. 238.
p. 117. Eine Charakteristik des Symmachus gibt auch Puech, Prudence, Paris 1888, p. 19".
p. 138 Z. 4 V. o. ist zu den Worten Cassiodors Victorinus ex rhetore episcoptis zu be-
merken, dass Harnack (Zeitschr. für wiss. Theol. 1876 p. 114 Anm. 4) behauptet,
diese Worte bezögen eich nicht auf Victorinus Afer, sondern auf Victorinus von
Pettau; vgl. auch Waitz, Das pseudotertullianische Gedicht gegen Marcion, Danii-
stadt 1901, p. 83.
p. 144 füge nach dem Absatz „Commentar zu Paulus" noch hinzu: Vgl. Hieronym. Com-
ment. ad Galat. Prolog. (26, 308 Migne).
p. 147 Absatz „Der Terenzcommentar'* kann noch auf Karsten im Album gratulatorium
in honorem van Herwerden, Utrecht 1902 verwiesen werden, der in den Scholien des
Donat zu Terenz Spuren eines Philosophen erkennen will; vgl. dagegen Kroll, Berl.
philol. Wochenschr. 1903 Sp. 142.
p. 168 füge zum Absatz „Andere Rhetoren** No. 1 hinzu: J. Scaliger, Lectiones Au^o-
nianae I 10; vgl. noch J. Bernays, Ges. Abh. 2 (Berl. 1885) p. 90 Anm. 9.
p. 193 zum Absatz „Fortleben des Juvencus" füge noch hinzu: Geyer, Adamnanus 1
(Augsburg 1895) p. 40.
p. 195 zum Absatz „Die Echtheit der Damasusepigramme* füge am Schluss hinzu: Ver-
einzelt werden die 8 Hexameter über die vier Fvangelisten, welche in einigen Hand-
schriften dem Juvencus voraufgeschickt sind, im Cantabrigiensis F f IV 42 (No. 1280
als prologus Damast unserem Dichter zugeschrieben; vgl. darüber Marold, Prolei:,
seiner Juvencusausg. p. VII Anm. 3.
p. 203 Z. 1 V. u. in dem Absatz „Abfassungszeit'' füge nach „spricht sich" noch hinzu:
aus prosodischen Gründen.
p. 206 ist zum Abschnitt „Allgemein orientierende Schriften über die christl. Hymnen* noch
hinzuzufügen: J. Huemer, Untersuchungen über den jambischen Dimeter bei den
christl. -lat. Hymnendichtem der vorkarolingischen Zeit, Wien 1876; Untersuchungen
über die ältesten lat.-christl. Rhythmen, Wien 1879; N. Spiegel, Untersuchungen
über die ältere christl. Hymnenpoesie 2 Teile, Würzburg 1896/97; John J. Schlicher.
The origin of rhytmical verse in late Latin, Chicago 1900 (über den Wortaccent und
Versictus).
Nachträge und Beriohtigangen. 455
208. Ueber die Echtheit der Hymnen des Ambrosius liegt jetzt die umfassende Arbeit
von A. Steier, Untersuchungen über die Echtheit der Hymnen des Ambrosius
(Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 28 (1903) p. 553) vor. Sie bildet eine Ergänzung zu
den Arbeiten Biraghis und Dreves, indem er besonders die sprachliche Unter-
suchung betont. Von den ausser den vier sicher bezeugten, von Biraghi als echt
anerkannten 14 Hymnen leugnet Steier die Echtheit von 'Jesu Corona virginum\
'Rector potens, veraz Dens', 'Nunc sancte nobis Spiritus' und 'Rerum Dens, tenax
vigor*; für nicht ganz gesichert hält er 'Amore Christi nobilis' und 'Aetema Christi
munera'; bei den übrigen erkennt er die Autorschaft des Ambrosius an.
210 ist zu Absatz , Metrik und Versbau** noch hinzuzufügen: Steier 1. c. p. 644.
250. Ueber Prosodie und Metrik des Paulinus handelt jetet in eingehender Weise Adal-
bero Huemer, De Pontii Paulini Nolani re metrica (Dissertationes philol. Yindob. 7
pars 1, 1903). Er kommt zu dem Schlussergebnis (p. 75): «Paulinum Nolanum artem
metricam magna diligentia coluisse propeque in ea re accedere ad optimorum poe-
tamm rationem."
253 Z. 6 V. u. § 886 füge noch zu Vigilius: (537-555).
261 Absatz «Tractatus in Job* hätte vielleicht noch bemerkt werden können, dass der
bei Lommatzsch (Ausg. des Origenes 16 p. 1) mitgeteilte Traktat nichts mit Ori-
genes zu thun hat
270. Ueber den tractatus contra Arianos, auf den neuerdings Mercati (Studi e Testi
5 (Rom 1901) p. 102) die Aufmerksamkeit gelenkt hat, ist jetzt noch die Abhand-
lung von G. Morin, Deux fragments d'un Trait^ contre les Ariens attribuö parfois
ä Saint Hilaire (Revue B^n^dictine 20 (1903) p. 125) zu vergleichen. Derselbe (p. 131)
teilt die Handschrift mit Mercati und Traube erst dem 6. Jahrhundert zu. Morin
leugnet, dass dieser Traktat den Hilarius von Poitiers zum Verfasser habe, und ist
geneigt, dem Decimius Hilarianus Hilarius, den er neuerdings für den Verfasser des
Ambrosiaster hält, auch diesen Traktat beizulegen. Weiterhin will er mit den Frag-
menten des Wiener Papyrus verbinden die Partie Obiciunt nobis Arriani bis zum
Schluss aus Sermo 246 Append. Augustin. Die Beweise für die Identität des Autors
der Fragmente mit dem Hilarius des Ambrosiaster sind so wenig durchschlagend,
dass selbst Morin (p. 131) diese nur als eine mögliche bezeichnet.
272 füge zum Abschnitt „Hilarius als Theologe** noch hinzu: A. Beck, Die Trinität des
hl. Hilarius von Poitiers, Mainz 1903.
272 kann noch auf das Verhältnis zwischen Hilarius und Priscillian verwiesen werden;
vgl. Schepss, Pro Priscilliano (Wien. Stud. 15 (1893) p. 12) und den Index seiner
Priscillianausg. p. 168.
282 Z. 1 V. u. in dem Abschnitt „Zeugnisse über Eusebius* füge nach hominis noch
hinzu: (seil. Origenis).
308 Abschnitt „Fortleben des Commentars' ist nach den Worten „Ueber das Verhältnis
des Hieronymus zum Commentar vgl. Schenkl p. XV* noch hinzuzufügen: vgl.
§ 998 p. 445; § 981 p. 414.
325. Bezüglich der Morin sehen Hypothese, dass der Staatsmann Decimius Hilarianus
Hilarius der Verfasser des Ambrosiaster sei, möge kurz hier folgendes bemerkt
werden. Morin legt grosses Gewicht darauf, dass der Ambrosiaster in der Ueber-
lieferung einem Hilarius zugeteilt ist, und da Hilarius von Poitiers, unter dessen
Namen Augustin den Ambrosiaster las, und andere Hilarii den Ambrosiaster nicht
verfasst haben können, sieht er sich nach einem anderen Hilarius um und findet
einen solchen in Decimius Hilarianus. Zum Beweise dafür wird angeführt, dass sich
der Autor des Ambrosiaster als ein Mann von hoher sozialer Stellung erweise; dieses
Moment und die Zeit passe zu dem genannten Hilarius. Allein die Stellen, die den
hohen Rang des Autors erweisen sollen, erscheinen mir nicht beweiskräftig. Auch
wäre es wunderbar, dass Hieronymus in seinen Schriften niemals von diesem Com-
mentar des Hilarius spricht, während sein Schweigen über den Juden Isaak sich
leicht erklärt. Schon das Fundament, auf dem die Morin sehe Hypothese ruht, ist
morsch. Es ist bekannt, dass Hilarius, Ambrosius und Hieronymus mit ihren Namen
eine Masse von fremden Produkten deckten. Es ist ein Gesetz der Litteratur, dass
eine bedeutende Persönlichkeit der Sammelpunkt für weniger bedeutende Autoren
ist und ihre Namen verdrängt. Würde Morin zeigen können, dass sein Hilarius
auch ein Schriftsteller ist, so würde seine Hypothese eine Stütze haben und die
Namensgleichheit würde ein beweiskräftiges Moment darstellen. Allein so wie die
Sache jetzt steht, schwebt diese Hypothese in der Luft.
366 No. 5 füge zur Diss. Geyers noch hinzu: Bellanger, In Antonini Piacentini Itinerarium
grammatica disquisitio, Paris 1902; vgl. Wochenschr. für klass. Philol. 1903 No. 45.
Alphabetisches Register.
Die Ziffern besiehen sich auf die Seiten ; die mit * bezeichnete Seite bedeatet die Haaptetelle. Die mit Klam-
mern versehenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Machträge und Berlchtignngen.
Abraham u. Firmicus Mater-
nus 121.
Achilles Tatius u. Firmicus
Matemus 121.
Acilius Glabrio, Lehrer in
Bordeaux 22.
Adamantius, Dialoge, u. Ru-
finus 380.
Adamuanus, Abt, s. Bericht
über das hl. Land 365, 366 * ;
u. Baeda 366; u. Hegesip-
BUS 103.
Adrastus, Peripatetiker, u.
Chalcidiüs 127.
Aelius Donatus s. Donatus.
Aelius Lampridius, Historiker,
8. Schriftstellerei 47, 50*.
Aelius Spartianus, Historiker,
s. Schriftstellerei 47, 50*.
Aesopische Fabeln bei Pseudo-
dositheus 161.
Aesopus u. der Alexander-
roman 44.
Afranius (L.), Togatendichter,
u. Auson 40.
Agape, Priscillianistin 887.
Albinos, Dichter bei Priscian
130 ; vielleicht identisch mit
dem Metriker.
Albinus, Commentator des
Priscian 180.
Albinus, der Adressat im
Centimetrus des Servius
130.
Albinus, Philosoph 130.
Albinus, Metriker 180.
Albinus, Platoniker, u. Chal-
cidiüs 127.
Alcimus, Dichter von Epi-
grammen 43.
Alcimus Avitus, Bischof von
Vienne, u. Prudentius 282.
Alcuin u. die unechten Schrif-
ten des Hieronymua 450;
n. Prudentius 233; u. C.
Julius Victor 168.
Aldhelmus, Abt u. Bischof,
u. Damasus 196; u. Pru-
dentius 233.
Alethius (Latinus Alcimus)
rhetor, Lehrer Julians, u.
Auson 33, 43.
Alexander Ephesius Avxyog
u. die origo 62.
Alexander Numenius, Rhetor,
u. Aquila Romanus 163.
Alexander Trallianus, Arzt, u.
Plinius Valerianus 184.
Alexanderepitome, die Metzer
46.
Alphius Avitus, poeta neote-
ricus als Vorbild Aviens 19.
Altercatio Heracliani laici cum
Germinio, episcopo Sir-
miensi 281.
Amantia u. Priscillian 343.
Ambrosiaster, der 324*, 452,
(455); u. Faustinus 280; u.
Hieronymus 428, 446; u.
Hilarius v. Poitiers 273; u.
Hilarius, Diakon von Rom
280; u. der Arianer Maxi-
minus 284.
Ambrosius, Bischof von Mai-
land, Biographisches 286;
als Hymnendichter 206*,
37 1 , (454) ; Schriften : «) exe-
getische 290, (455), ß) mora-
lisch-asketische 308, y) dog-
matische 315, ö) Reden und
Briefe 319, e) Apokryphes
824; u. de lapsu virginis
consecratae 369; Charakte-
ristik 330; u. der Ambro-
siaster 324, 825 ; u. Cic. de
officiis 452; u. die collatio
Mosaicarum et Romanarum
legum 328, 329*; u. der
Altar der Nictotia. %, ^^^\
u. de fide orthodoxa contra
Arianes 280; u. Septem hbri
de trinitate 280; u. die
Synode von Aquileia 284;
u. Amsianas Messius 165;
u. Chromatius 333; u. Cicero
327; u. der 1. lat Clemens-
brief 386; u. Gaudentios
359, 360; verglichen mit
Hieronymus 445 ; s. Lucas-
commentar a. Hieronymus
414, 445; u. der Catalog des
Hieronymus 406, 446; o.
Hilarius 269; u. die Ueber-
setzung von Josephs jüd.
Krieg 101, 102; u. Jovinian
430. 431; u. Liberius 334.
u. Maximinus 284 ; u. Paula
Eustochium 414; u. die
Predigt 451 ; u. Priscillian
338, 342; u. Prudentius
216,218Anm.5,225Anm.l,
226, 230, 232 * ; u. Symma-
chus 110, 116, 225.
Ammianus Marcellinus, Histo-
riker, Leben 85; s. Werk
87; Charakteristik 92; s.
Verhältnis zur Religion 39,
96 ; u. der Anonymus Valesii
100; u. Aurelius Victor 66;
u. die sog. epitome Caesa-
rum 69; u. Festus 75, 76;
u. die Chronik des Hievo-
nymus 403; u. Lucius Au
relius Avianius Symmachus
109.
Ampelius (L.), Verfasser eines
liber memorialis, u. de viris
ill. 63, 64, 65.
Anastasius L, Papst 333, 334*;
I u. Rufinus 372, 374, 382,
883; u. Origenes 384.
Anatolius u. die exegetischen
l Schriften des HieronjTnns
Alphabetisches Register.
457
Anatolius, griech. landwiii-
schaftl. Schriftsteller, u. Pal-
ladius 178.
Annianus von Celeda, Ver-
teidiger des Pelagianismos
436.
Anonymus Bobiensis s. ex-
cerpta Bobiensia.
Anonymus Cuspiniani a. der
Chronograph v. J. 354, p. 58.
Anonymus de attributis per-
sonae et negotio u. Marias
Victorinus 143.
Anonymus de Constantino
eiusque matre Helena 8.
Anonymus de planetis u. Fir-
micus Matemus 122.
Anonymus de viris ill. 59, 63*.
Anonymus Norisianus 57.
Anonymus Valesii 99.
Antias (Yalerius), Historiker,
u. de viris ill. 64.
Antiochia u. der Hymnenge-
sang 371.
Antoninus Martyr, s. Reise
nach dem hl. Land 365,
366*, (455).
Antonius, angeblicher Ver-
fasser eines Gedichtes des
Paulinus 240.
Apelles, Schfiler Marcions, u.
Ambrosius 294.
Aphthonius (Aelius Festus),
Metriker, u. Marias Victo-
rinus 138, 139*; u. s. me-
trisches Handbuch 139.
Apollinaris Sidonius, Bischof
von Clermont, u. die Sprüche
der 7 Weisen 35 ; u. Auso-
nius 40; u. Prudentius 282.
Apollinarius von Laodicea u.
Hieronymus 388, 390.
Apollodorus, Mythograph, u.
Septimius 81.
Apollonius vonTyanau. Virius
Nicomachus Flavianus 88.
Apsyrtus, Veterinär, u. Pela-
gonius 174; u. Vegetius 178
Anm. 3, 179, 180, 181.
Apuleius von Madaura u. die
Allegorie 224; u. Ammian
97; u. Au8on40; u. Nonios
132;a.PaUadiu8l71,173*;
u. Zeno 834, 335.
Aquila, der Grammatiker u.
Orthograph (?) 164.
Aquila Romanus, Rhetor 162;
u. Julius Rufinianus 164.
Aquila, Bibelttbersetzer, u. das
alte Testament 409.
Aquilius (?) u. C. Julius Victor
168.
Arator, Dichter, u. Damasus
196. I
Aratus, Verhältnis zu Avien
17; als Gedichttitel 17.
Arborius (Aemilius Magnus),
Lehrer Ausons 20, 22, 33.
Arcadius, Kaiser, u. das Chri-
stentum 4; u. die Luciferi-
aner 278; u. die Cento-
dichterin Proba 199.
Arculfus u. 8. Wallfahrtsbe-
richt 365, 366.
Arethas, Erzbischof, u. Dictys
81.
Arianer, als Schriftsteller 283.
Aristarchus u. die krit. Zeichen
452.
Aristoteles, s. Kategorien u.
Praetextatus 128; u. der
Alexanderroman 44 ; u.
Aquila Romanus 163; u.
Marina Victorinas 137, 141,
143*; u. Palladius 172; u.
der Peplos 28.
Anstoxenus, Rhythmiker, u.
Aphthonius 140.
Arnobius aus Sicca u. Dama-
sus 196.
Arrianus (Flavius), Historiker,
u. das Itin. Alexandri 106.
Arruntius Celsus = Arruntias
Claudius 162.
Arruntias Claudius, Gramma-
tiker 162.
Arusianus Messius, Rhetor
164; u. Ambrosius 298; u.
Symmachus 113.
Arzygius u. Pelagonius 174.
Asarbus, Priscillianist 344,
847*.
Asmonins, Grammatiker und
Metriker 130.
Asper, Grammatiker, u. der
Terenzcommentar des Donat
146; u. der Vergilcommen-
tar des Servius 157.
Asteriscns u. die Vulgata 410.
Aterbius u. die Händel mit
Hieronymus u. Rufinas 372,
373.
Athanasius u. Hieronymus
895; u. Lucifer 276; n. der
Arianer Potamius 283, 284* ;
u. Septem libri de trinitate
280.
Atilius Fortunatianus, Metri-
ker 136.
Attalas, Kaiser, u. das Heiden-
tum 4.
Atticns (T. Pomponius) u. de
viris ill. 64.
Aadax,Granunatiker, u. Marius
Victorinus 141.
Aufidius u. die origo 63.
Aagustinus(Aarelias),Stellung
zum Christentum 6 ; als Be-
kämpfer des Amxdsnix]^
284, 285, 286; Kategorien
a. Praetextatus 128; a. der
Ambrosiaster 325; u. Am-
brosius 290, 295, 305, 808,
881, 832; n. die Hymnen-
dichtung des Ambrosius 207,
208*; u. die exhortatio ad
neophytos de symbolo 318;
u. der Donatist Cresconius
353; u. die donatistische
Aktensammlung 356 ; u.
Eutrop 73 ; u. Hierius 119;
u. Hieronymus 447; u. H.
de vir. ill. 405; u. H. Streit-
sehr, gegen die Pelagianer
486; u. H. Homilien 488;
biblische Kontroverse zwi-
schen A. u. H. 425 Anm. 2 ;
Briefwechsel zwischen A.
u. H. 440 ; u. der lat. Irenäus
386; u. Marius Victorinus
144, 145; u. Paulinus 247,
248; u. Philastrius 357,
358; n. der Priscillianismus
341, 347; u. Prudentius 232,
285*; u. Rufinus 385; u.
Simplicianus 833; u. die
Theologie des Abendlandes
453; n. die Septem libri de
trinitate 280; u. Tyconius
850, 851, 352.
Augustus, die Constitutionen,
u. Faternus 177.
Aulalaria sive Querolas 41.
Aureb'us Victor, Historiker
59; Caesarea 59, 60, 65*;
u. die viri iUustres 64; u.
die bist. Aug. 54; a. Eutrop
72; u. die Chronik des Hie-
ronymus 403.
Ausgaben im Altertum 28.
Ausonius (Decimus Magnus),
Dichter 20; s. Leben 20; als
Erzieher Gratians 8 ; u. Theo-
dosiu8 9; u. das Christentum
39, (454); Ause. im Alter-
tum 23; s. Werke 27; Mo-
seila 36*, 89; Griphns 80,
85 *, 39 ; Technopaegnion
80, 85*, 38; grat. actio
86*, 89; cento nuptialis 8,
29, 35*, 88; versus pascha-
les 89; oratio matutina 89 ;
8. Stil u. 8. Metrik 40; u.
die appendix Vergiliana 86 ;
u. Avien 19; u. adversus
Marcionem 203 ; u. Latinius
Pacatus Drepanius 108,
109*;a. Paulinus 236, 237,
239, 244, 248, 249, 250, (454);
u. Flavius Afranius Syagrins
43; u. Q. Aurelins Symma-
chus 110, 111; u. Tiberia-
V HUB 42.
458
Alphabetisches Register.
284, 285*; als Verfasser
des Lacascomraentars u.
der dogmatisch-polemischen
Abhandlungen von Bobbio
285.
Auxentius, arianischer Bischof
von Mailand, u. Philastrius
857.
Avellana collectio 253 ; a. Isaak
825.
Avienus (Rufius Festas), Dich-
ter 13; der Dichter u. der
Verfasser des Breviarinm
1 7 ; Aratabersetzang 13, 1 7 ;
Uebersetzung der Periegese
des Dionysius 14, 17; ora
maritima 14, 17; ein poeti-
scher Brief 15, 19; ver-
lorene Gedichte 19; Chrono-
logie d. Gedichte 17; Apo-
kryphes 19; u. die Weih-
inschrift auf Noitia 13, 16*;
u. d. Historiker Festus 75;
u. Livius 15; u. Sallust 15,
19; u. Vergil 16.
Avienus, Sohn des Dichters
bei Macrobius 17.
Axius Paulus, Verfasser eines
Delirus, u. Querolus 41; u.
Auson 26, 31*; u. der
cento nuptialis Ausons 30.
B.
Baeda venerabilis, Bericht
über das hl. Land 365, 366 * ;
u. Eutrop 73; u. Hegesip-
pus 103; u. die unechten
Schriften des Hieronymus
450; u. Paulinus 250; u.
Paulus Diaconus 73 ; u. Pe-
trus Diaconus 865 ; u. Pru-
dentius 233; u. Tyconius
352.
Barachus, Philosoph 129.
Barnabasbrief, lat. Uebersetz-
ung 387 ; u. Hieronymus 423.
Basilius d. Gr. u. Ambrosius
290, 291, 292, 298, 301,
302, 303, 306. 331; u. der
lat. Isaiascommentar 387 ;
u. 8. Uebersetzer Rufin 374,
377*.
Basis capitolina 59.
Beatus von Libana, s. summa
dicendorum u. Hieronymus
427; u. Tyconius 351, 352.
Beda s. Baeda.
Benedikt von Aniane u. Ruiins
Uebersetzung von Euagrius-
schriften 380.
Bentley u. Nonius Marcellus
131.
Bibliotheca Ulpia u. Flavius
Vopiscus 49.
Blaeailla, Tochter der Paula,
u. Hieronymus* Uebers. d.
Origenes 413; u. die exe-
getischen Schriften des Hie-
ronymus 420, 421.
Bobbio u. die arianischen Frag-
mente 284, 285.
Boethius (Anicius Manlius
Severinus) n. Marius Vic-
torinns 141, 142; u. Por-
phyrius bezw. Marius Vic-
torinus 143.
Bonifatius u. die Recension
der Chronik des Hierony-
mus 404.
Bonosus, Bischof, u. Ambro-
sius 314.
Breviarinm in psalmos 422,
438.
Breviarius de Hierosolyma
366.
Bruno, Erzbischof, u. Pruden-
tius 233.
C.
Caecilianus, Bischof von Kar-
thago, u. der Donatismus
849.
Caecilius (Statins), Palliaten-
dichter, u. Julius Rufinianus
164.
Caesar (C. J.) u. Ammian 91;
u. Julius Rufinianus 164.
Caesar (L.) u. die origo 63.
Caesarea u. die sog. Epitome
68.
Caesius Bassus, Dichter und
Metriker, u. Aphthonius
138, 140; u. Atilius Fortu-
natianus 136; u. Diomedes
154 ; u. die metrischen Sy-
steme 138.
Callisthenes u. d. Alexander-
roman 44; u. die Metzer
Alexanderepitome 46.
Calpumius (L.) Piso, Annalist,
u. de viris ill. 64.
Candidus, Arianer, u. Marius
Victorinus 143. 144*, 283,
284.
Caper (Flavius). Grammatiker,
u. der Vergil commentar des
Servius 157.
Capito, Uebersetzer Eutrops
71, 72*.
Capitolinus (Julius) s. Julius.
Carmen de evangelio 206.
Carminius, Grammatiker 162;
u. der Vergilcommentar des
Servius 157.
Cassianns (Joannes) in Mas-
silia u. Rufinus 385; u.
Tyconius 352.
Cassiodorius (Magnus Aure-
Amsianas MesaiuB 165; u.
Diomedes 154; u. Donat
149; u. Eutrop 73; u. For
tnnatianns 166; n. Oargi-
lius Martialis 184; a.Hege-
sippus 101 ; n. die biblischen
Schriften des Hieronymus
420; n. die Homilien des
Hieronym. 438, 439; o. daa
martyrol. Hieronym. 398,
899, 400; u. die livius-
epitome 77 ; u. Marias Vic-
torinus 142; u. Tyconius
852; u. die Vnigata 409
Anm. 3.
Catalogus grammaticomm
Bemensis 162.
Cato (M. Porcina) n. Julius
Rufinianua 164; u. Vegetius
175.
Catnllus, Dichter, u. Auson
40.
Celsus (A. Cornelius) u. s.
Philosophencatalog 357,
858; u. PelagoniuB 174; n.
Vegetius 175.
Celtes, Humanist, u. die Cento-
dichterin Proba 198.
Centonen 197; aus Hilarios
273 Anm. 2; aoB Vergil
199.
Chalcidius , Uebersetzer des
platonischen Timäus 126.
Charisius (Aurelius Arcadiusi.
Jurist 170.
Charisius (Flavius Sosipater ,
Grammatiker 149; die sog.
Excerpta Charisii u. die
Glossen des Servius 168;
u. Comminianus 129, 130*;
u. Diomedes 152; u. Donat
146, 147*; u. Dositheus
160; u. Marius Victorinus
140.
Charistus = Charisius 149.
150*.
Chiron, Veterinär, u. Vegetius
178 Anm. 3, 179, 180, 181.
Christentum u. d. Chronograph
V. 354, p. 57.
Cbromatius, Bischof v. Aqui-
leia 333; u. Hieronymus
398, 399; die exegetischen
Schriften des Hieronymus
415, 416; u. Rufinus 375.
378, 385; u. die Vulgata
411.
Chronica Horosii 58.
Chronicon Alexandrinum 58.
Chronograph v. J. 354 p. 57;
u. Eutrop 72.
Chrysostomus (Johannes) u.
Gaudentius 360, 361 ; u. die
AlpbuboUsoh«« lUgiatar.
Cicero (M. ToIUub) a. Am-
l)roaiue302, 30i», 310, 327,
452 u. Ämmian ü4. 97;
n. AquiU Romaniie IßS;
n. Äriisiitiiiis Meesius )65;
n. AoBonioB 40; Aratea n.
Avieo 19; a. Fortunatlanus
166; u. Hieron^na 448;
n. JolioB Rufini&nus 164;
n. Lacifer 277; n. Pacisnus
837 u. TrobelliuB Pollio
49; u. Symmachus 118; n.
derplatonieche Timfiua 126 ;
n. TnUiiiB bei Nonius 134;
n. C.Julius "Victor 168; U.
Uarius Victor! »US 141, 148;
de inTentiooe u der Com-
mentar de« Marina Vict«ri-
ntiB 142.
Cicero (Q. Tullias) n. Anao-
ClaudianaBi ClHudiaa). Dichter,
II. die Allegorie 224; u.
AaeoDiiia40; u. Pradentins
232; u. Ps-Damasua 105.
ClaadioB, Gramm ntik er 162;
Claudins Sacerdoa 1 62.
CUadioB Antonius , praef .
praet. im J. 376 and Redner,
yielleicht anch Tragödien-
dichter 119
Claiiiliiip Hi'i iniTPsu. die mulo-
mt-rürinft .\l..iiii,:,.risis 181.
Claudiua MameiÜDUB, Redner
107.
Cledonina, Commentar luDonat
146, 147'.
Clemena Alex. d. d. Chrono-
graph V. J. 354 p. 58.
Clemens tod Uetz u. Pni-
deneiiiB 285.
Clemena vön Rom (Recogni-
tionen) Dbera. von Rufin
$75, 879*.
Clemens VIII., Papst, n. die
VulgaU 412.
Clemensbrier, der erat«, n. die
!at. Uebers. ;i85, 386*.
Clemcntianus n. Nicomachna
Ilpxter f<y>-
Clemeutina, die Vnlgats 412.
Clementjnen a. Clemens von
Clodianus u. die Schrift de
atatibna 166.
Cod. Gregorianus u. die Frag-
menta vaticana 170.
Cod. Hcrmogenianus a. die
Fragmenta vaticana 170.
Collatio (Moeaicarum ptRoma-
narum logum) 327.
Collectin Avellana 2.^8; u.
Ct^amlMtaas als AntiuiuieT
Colamella (L. Jnnioa Mode-
ratus] u. die Rhetorik in
der Lendwirtachaft 171;
ab Dichter 1 7 1 ; u. Polladiua
171, 173*; u. Pelugoniua
174; u. der Veterinär Yege-
tina 179.
Cominianna, Crammatiker, n.
Charieins 129, ISO, 150,
151'; ^ Charisina IbO; n.
Diomedi>3 11S0; n. die ex-
cerpta Üobiensia 151.
Coniinentn Eiuäidlenüia u. die
Donattoiiimentare 146,147.
Conimodiumisu. adveraus M ar-
Consolatio. chrlstliclie 451 ;
Tj. Ambrosius 820.
Conatans, Kaiser, d . d.Christen-
Conetantin, Eaiaer, n. daa
Christentum 1; n. die Lit-
teratuT 6; n. der Dichter
PnbliUna Optatiauns Por-
fyrins 6, 10.
Constautiaa, Kaiser, u. das
Christenlnm 1; n. die Lit-
teratnr 7 ; u. Euaebiue Ton
Vercellae 282; u. Hilariue
261, 262, 263; n. Lnoifer
27h, 276, 277.
ConatitutioDes u. die collatjo
Mosaic. et Roman, legnm
Conaularia Ravennatia 58.
Corippus u. Pruiieiitiiis 234.
ConeliuB Nepoa n. FirmicDS
Matemus 122; n. de viiis
iU. 04.
CreaconiuB, Donatiat ä58.
Cuiaciua, Jurist, n. Pa.-Doai-
theua 160 Anm. 1.
Curiosnm urbis lioiuiie 59.
Curtius. Hiaturikor, n. die
Metzer A]e*anderelHtome
46;u.HegeBippusl01Anm.2;
a. das Itinerariuiii Ali^xnn-
dri 106
CyprianuB(Thaaciii» (aecilius)
□. de cnire 1-1.^; u. die
Gedichte Sodoma u. de Jona
188, 190; u. die InTektive
gegen einen Senator 201,
202; u. Firmicus Haternus
125; u. HilariuB 257; n.
Lucifer 276; u, Pticianna
336,337; u. Prüde r tili e 220.
221, 231 ; n. daa syniltolum
apDstolomm Rufina 3»i.
Cyprianu«,Hisi:liofvr,iiT<jiilüii.
u. daa Te deum 371.
Cyrillna Ton jerasalam m. &a-
fintu 383.
D.
Damasua, Papst, Epgrammen-
dichter 193; n. HierooTmnB
388, 390, 891, 429, 486,
437, 446; n. die eieget.
Schriften des fi. 420, 426,
427; u. H. Debers. dea
Origenea 413; im Brief-
wechsel des H. 440; u. die
In vertive gegen NifOiilBchiiB
200Äum.l;u.PauliQU8y45;
u. PriaciUian 338, 342, 344;
u. Pnidentins217,^l8,230;
n. die Vulgata 408, (454).
Dante u. Prudentius 224.
Decretum GelaBiBnum n. die
Oentodichterin Proba l96.
De e
De Jona, altchriatl. Gedieht
189.
Deipbidius, Rhetor, Tater dea
fülgondeii 1«8, (454).
Delphidius l Attius Tirol. Sohn
des obigen. Rbetor. Epiker
u. Gerielitgredner I'iW; u.
AuBonioB 33.
Democritus u. Palladins 172.
Depoaitio episcoporum 57, 58*.
De Bancta trinitate confessio
n. Eusebius von Vercellae
283.
DescriptioparodiiiieJerusaleni
366.
Desideriua, Ab t , spfltercr Papat
Victor III., II. HiWiuB 261.
De trinitate (aeptem libri),
Traktat 280.
De verbi incamstione, Ver-
plcento 199.
De viria illustribns 59, 63*.
I.)i':ii|']Mis. i;riech. Historiker,
II, ,i. ijisl. Aii!:.52, 54.'
Dexior, pmcf. praet., u, llie-
ronymus de vir. ill. 335
Anm. 2, 404, 406.
Dialog, chrietl. 452.
Dictiniua, Priacillianist 347*,
348.
DidymuB, der Blinde, o. Am-
brosiuB 316; n. Ilieronymna
388, 391, 447; Obers, von
Hieronymns 437 ; n. Rnfinua
371, 373.
Diodorus, griech. Historiker,
die Metzer Alexnnderepit.
4l};u.dasItin.Al^xandril0d.
Diokles von Karystos u.
Vindicianns 185.
Diomedea, Grammatiker 152;
u.Atiliu8Fortunatianusl86;
460
Alphabetiaches Register.
u. Dositheos 160; u. Marina
Victorinus 140.
Dionysias Exiguus u. die
collectio Avellana 253.
Dionysius der Perieget o.
Avienus 14, 17 ; u. IMscian
14.
Dionysias Telmaharensis u.
die Chronik des Hieronymns
401.
Dittochaeon, Bedeutung des
Wortes 229.
Domitins u. die origo 63.
Domnio n. die Schrift des
Hieronymns gegen Jovinian
431.
Donatianns (Tiberius Claudias
Maximus), vielleicht Ver-
fasser des Donatiani frag-
mentum 152.
Donatiani fragmentum 152.
Donatisten, Donatismus 349.
Donatistische Aktensanunlung
353, 356*.
Donatus (Aelius),Grammatiker
145, Lehrer des Hieronymus
387 ; Terenzcommentar 146,
147*, (454); u. Servius 157 ;
Vergilcommentar 146, 147*;
s. artes 147 ; s. rhetorische
Schrift 149; s. Teilung der
ars 152; u. Diomedes 153,
154; u. Dositheus 160, 161;
u. Servius 155 Anm. 1; u.
der Vergilcommentar des
Servius 157.
Donatus (Tib.Claudius), Gram-
matiker 162.
Donatus der Grosse 349, 350*.
Dositheus, Grammatiker 159;
u. die exccrpta Bobiensia
151; u. Charisius 151; u.
Marius Victorinus 140.
Dracontius (Blosius Aemilius)
u. adversus Marcionem 203;
u. Damasus 196; u. Pruden-
tius 234.
Drepanius (Latinius Pacatus)
s. Pacatus.
Dungalus u. Paulinus 250.
Duoda u. Prudentius 235.
E.
Ebediesus, Metropolit, u. die
Mosaic. et Roman, legum
collatio :H29.
Ebrius — Hebrius u. der Vergil-
commentar des Servius 157.
Egnatius u. die origo »33.
Einhart u. das Itinerarium
Antonini 105.
Elogia u. de viris ill. 64.
Elogium des cod. Corbeiensis
197.
Ennius (Q.) u. Auson 40; u.
Julias RufinianuB 164; u.
Septimias 81.
Epicurus u. Ambrosius 298
Anm. 1.
Epiphanius, Bischof von Sa-
lamis, u. Hieronymus 372,
373, 447; s. Brief tt. Hilarion
394, 395; Brief an Johannes
übers, von Hieronymus 443 ;
u. der origenistische Streit
432; u. Philastrius 358, 359,
360; u. Rufmus 372, 373.
Epitome Caesamm 60, 67*;
u. Eutrop 68, 73.
Epitome Liviana u. Festus 75,
76*.
Erasmus u. Ambrosius 303,
304; u. die griech. Uebers.
von Hieronymus de vir. ill.
407, 408; u. Hilarius 269.
Euagrius von Antiochia u. die
lat. Vita des Antonius von
Athanasius 395.
Euagrius Ponticus u. Rufinas
375, 379*.
Euanthius, Grammatiker 161;
n. der Terenzcommentar des
Donat 148; u. Hieronymus
149.
Eucherius, Bischof von Lyon,
8. Wallfahrtsbericht 365; u.
Baeda 366; u. Hegesippus
103.
Euchrotia, Priscillianistin 338,
339.
Eugenius, Usurpator, u. d.
Christent. 3 ; u. die Litteratur
9; u. die Invektive gegen
Nicomachus 200.
Eugenius Toletanus u. Dama-
sus 196.
Eugippius, der Biograph Seve-
rins, u. der Anonymus Vale-
sii 99, 100.
Euhemerismus u. Firmicus
Matemus 124, 125.
Eumelus u. Pelagonius 174.
Euripides u. Septimius 81.
Eusebius, Metriker 137.
Eusebius von Caesarea, s.
Psalmencommentar bearbei-
tet von Eusebius von Ver-
cellae 282; s. Chronik u. ihr
Einfluss 451; s. Kirchen-
gesch. u. ihr Einfluss 451;
s. biblisches Onomasticon u.
Hieronymus 423 ; übers, von
Rufinus 375, 378; Apologie
des Origenes, übers, von
Rufinus 375; u. Ambrosius
308; u. die Chronik des Hie-
ronymus 401 ; u. de vir. ill.
des H. 406 ; u. das maityrol.
Hieron. 398.
Euse\)ma von CxeTcxowÄ m. ^^\
Brief des Epiphanias an Jo-
hannes von Jerusalem 443,
444; u. die exegetischen
Schriften des Hieronymus
418, 426, 427.
Eusebius von Vercellae 282*,
(455); u. Septem libri de
trinitate 280.
Eustathius, Philosoph 129.
Eustochium, Tochter derPanla,
u. Ambrosius' Lucaseom-
mentar 414; u. Hieronymus
388, 391, 396; o. die exe-
getischen Schriften des
Hieronymus 415, 418, 420.
424 ; u. Hieronymos' Uebera.
des Didymos 437; o. de
virginitate des Hieronymns
441*, 444, 446; u. die Vul-
gata 411.
Eutropius, Historiker 69; n.
die Caesares 67 ; u. die sog.
epitome Caesarum 69; o.
Festus 74, 76; u. die Chro-
nik des Hieronymns 402,
403; u. die hist Aog. 54;
u. die Liviosepitome 77.
Eutropius (Fl.), Emendator des
Vegetius 176, 178.
Eutropius, Priester, a. die un-
echten Schriften des Hie-
ronymus 450.
Excerpta Bobiensia n. Cha-
risius 151, 152; u. die Gram-
matik des Dositheus 160;
u. A tilius Fortunatianus 1 86 ;
u. Paulinus 248.
Excerpta Charisii u. die sog.
Glossen des Servius 158.
Excerpta Parisina 151.
Exhortatio ad neophytos u.
Eusebius283;u. Lucifer277.
Explanationes Donati u. Ser-
vius 158.
Exuperius, Bischof, u. die exe-
getischen Schriften des
Hieronymus 416.
Fabiola, Nekrolog des Hie-
ronymus 396, 398.
Fabius (Q.) Lauren tius a.
Marius Victorinus 142.
Famax u. die mulomedicina
Monacensis 181.
Fasti capitolini 57.
Faustinus, Luciferianer 278;
u. der Ambrosiaster 325.
Faustus, Bischof von Reji, a.
der Briefwechsel des Hie-
ronymus 440 Anm. 2.
Faventinus (M. Cetius) u. Pal-
ladius 172.
Favonius u. Chalcidius 127.
Alphabetisches Register.
461
u. Ammianus 91; u. Eutrop
73; u. die Chronik des Hie-
ronymus 403 ; u. die Livius-
epitome 77.
Füastrios s. Philastrius.
Filocalus (Furius Dionvsius),
Kalligraph, u. der Chrono-
graph y . J. 354 p. 56 ; u. Da-
masos 194.
Firmicns (Julios) Maternus
119; asi3t)logi8che8 Werk
119, de errore profanarum
religionnm 123.
FlacciUa, Kaiserin, ii. der Lu-
ciferianer Faostinus 279.
Flaccns Rehias a. s. Donai-
biographie 147.
Flayianos, Grammatiker 150;
= Charisius 150; = Nico-
machus 150.
Flavianus Myrmeicus u. Avien
19.
Flavianus (Virius Nicomachos)
0. Nicomachos.
Flavios Joseph US s. Josephus.
Flavius Vopiscus, Historiker
47; 8. Persönlichkeit 49;
8. Schiiftstellerei 51.
Florilegien u. Briefe des Sym-
machus 115, 116 Anm. 3.
Florus, Historiker, u. Ammian
97; u. Festus 75, 76; u. de
▼ir. ill. 64, 65.
Fortunatianus (Atilius), Metri-
ker 136.
Fortunatianus (C. Chirius),
Rhetor 166.
Fortunatus ( Venantius) als Bio-
graph des Hilarius 255; u.
Hilarius 273; u. Prudentius
2'M; u. Rufinu8 383.
Fragmenta vaticana (juristi-
sche) 168.
Fragmentum de manumissioni-
busboi Pseudodositheus 161.
Fredegar 58.
Frontinus (Sex. Julius) u. Ve-
getins 175.
Fronto (M. Cornelius) ver-
glichen mit Ausonius 39;
u. Symmachus 118.
Fulgentius u. die Periochae
des Ausonius 34; u. Nonius
134.
Furius Dionysius Filocalus
8. Filocalus.
Q.
Gaius inst. u. die Mosaica-
rum et Romanarnm legum
collatio 329.
Grargilius Martialis u. Palla-
dius 171, 173* ; u. die medi-
cina Plinii 182; u. Plinius
ValerisDaa 184,
Gaudentius, Bischof von Bres-
cia 360; Rede auf Phila-
strius 357; Echtheit der-
selben 359,361 ; u.derKetzer-
katalog des Philastrius 358;
u. Rufinus 375, 379, 385.
Gelenius (S.) u. Ammian 97.
Gellius (A.) u. Ammian 94,
97; u. Nonius 132, 133*; u.
der Vergilcommentar des
Servius 157; u. Symmachus
118.
Gennadius, Redner 119.
Gennadius, kirchl. Schrift-
steller, u. Rufinus 385.
Germanicus u. Avien 19.
Gervasius u. Theodosius' Be-
richt über das hl. Land 365.
Gildo von Afrika u. d. Hei-
dent. 4.
Glossar des Nonius 134.
Glossen des Servius 156.
Gordian, Kaiser, u. s. Arat-
übersetzung 13.
Gratian, Kaiser, u. d. Christen-
tum 2; u. die IJtteratur 8;
u. Ambrosius 315,316, 330 ;
u. Ausonius 20, 22, 29, 30, 39 ;
u. der cento nuptialis des
Ausonius 35; u. die gratia-
rum actio des Ausonius 36;
u. Priscillan 338, 339.
Gregor I., der Gr., u. das mar-
tyrologium Hieronym. 399,
400; u. Philastrius 360.
Gregor XIV, Papst, u. die Vul-
gata 412.
Gregor von Cordova u. die
Martyrerverehrung 398.
Gregor von Elvira, Luciferi-
aner 279, 280; u. Eusebius
von Vercellae 282.
Gregor von Nazianz u. de fide
orthodoza contra Arianes
280; u. Hieronymus 388,
390; u. s. Uebersetzer Rufin
874, 377*.
Gregor von Nyssa u. Hierony-
mus 388, 390.
Gregor von Tours u. Paulinus
250; u. die Briefe des Pau-
linus 248; u. Prudentius
234 ; u. Theodosius' Bericht
fi. d. hl. Land 365.
H.
Hadrian, Kaiser, s. sententiae
et epistolae unter den
Pseudodositheana 161 ; s.
Constitutionen u. Patemus
177.
Hebrius=Ebrius u. der Vergil-
commentar des Servius 157.
Hegesippus, Historiker 100;
u. Baeda 3Ö6; u. SaWviBll^.
Heiric, Mönch, u. die sog.
ambrosianischen tituli 210.
Heliodor. Bischof, u. Hierony-
mus 398, 399; u. die Vul-
gata 411.
Helpidius, Rhetor,Priscillianist
337.
Helvidius (über die Jungfrau-
schaft Marias) u. Hierony-
mus 429.
Heptateuch u. Juvencus 192
Anm. 1.
Heraclianus, altercatio cum
Germinio, episcopo Sirmi-
ensi 281.
Herculanus grammaticus u.
Ausonius 33.
Hermagoras, Rhetor, u. C. Ju-
lius Victor 168.
Herodianus, Historiker, u. Am-
mian 97; u. Eutrop 72; u.
die hist Aug. 52, 54*.
Hesperius, Sohn des Ausonius
21; als Herausgeber Au-
sons 23, 25 ; u. die Caesarea
28, 34; u. die fasti consu-
lares 28.
Hesychius von Mllet, Epitome,
ihre Abfassungszeit 407.
Hierius, Redner, u. Augustin
119; u. die quintil. Deklam.
119.
Hierokles u. Apsyrtus 181.
Hieronvmus (Eusebius), Bio-
graphisches 387 ; Schriften :
a) historische 392; ß) Re-
vision u. Uebers. der hl.
Schrift 408; y) exegetische
413; d) dogmatisch-polemi*
sehe u. Uebers. dogmati-
scher Werke 429 ; b) Homi-
lien u. Briefe 437 ; Charak-
teristik 445 ; Fortleben 448 ;
u. die profane Litt. 5 Anm. 1 ;
H. in der Kunst 448; Bibel-
übers, u. Hegesippus 101
Anm. 1; u. die collatio Mo-
saic. et Roman, legum 828,
329*; u. de vigiliis servo-
rum dei 371; u. die epistola
ad Celanciam 248; u. die
historia monachorum 880;
u. die origo gentis rom. 61,
62; u. d. Ambrosiaster 325;
u. Ambrosius 308; u. Au-
relius Victor 66; u. die
summa dicendorum desBea-
tus von Libana 352 ; u. Cha-
risius 149; u. Chromatius
383; u. Damasus 193; u.
Donat 145; u. Epiphanins,
Bischof von Salamis aof
Cypem 372, 373; u. Eab
73; u. Isaak 326; u. Ji
462
Alphabetisches Register.
tatas 855, 356; u. die Ho-
milien des Origenes zur Ge-
nesis 378; u. Paulas Wall-
fahrtsbericht 365, 866; u.
Paulas DiacoDus 73 ; u. Phi-
lastrius 859; u. die Canones
Priscillians 340; u. Pruden-
tius 232; u. Rufinus 371,
372, 373, 375, 377, 382,
383, 884, 887 ; u. die Streit-
schrift gegen Rufinus 438;
u. Tyconius 351 Anm. 3.
Hilarius (Decimius Hilarianus)
als Verfasser der A.mbro-
siaster 825, (455).
Hilarius, Diakon von Rom,
Luciferianer 274, 279*, 280;
u. d. Ambrosiaster 825; u.
die Eetzertaufe 435, 436.
Hilarius von Arles u. de
fratribus Maccabaeis 145;
u. in genesin 206.
Hilarius von Poitiers, Bio-
graphisches 258; als Hym-
nendichter 204; ft) exege-
tische Schriften 256 ; ß) po-
lemische Sehr. 261 ; Charak-
teristik 270, (455); Fortleben
272 ; u. die christl. Geschicht-
schreibung 45 1 ; u. d. Ambro-
siaster 325 ; u. in genesin 206;
u. Priscillian 846, (455); u.
Rufin 387; u. d. Apologeticum
des Tiberianus 348, (455).
Hinkmar von Rheims u. die
Mosaicaiiim et Romanarum
legiim collatio 328, 329*.
Hippiatrikcru.Pelagonius 174.
Hippolytus u. Ambrosius 291,
293 ; s.Clironik u. der Chrono-
graph V. J. 354 p. 58; u. Da-
masus 194, 195, 196*; u.
adversus Marcionem 208 ;
u. Philastrius 858, 360; u.
Prudentius 218.
Historia Augusta s. Scriptores
Hist. Aug.
Historia miscella 7 1,72*; u. die
sog. epitome Cacsarum 69.
Historia tripertita u. Aurel.
Victor 59, 60.
Homerus u. die Allegorie 452;
u. die Periochae Ausons 29;
u. Juvencus 190; u. Septi-
mius 81.
Honorius, Kaiser, u.d. Christen-
tum 4.
Honorius von Autun u. Firmi-
cus Maternus 120 Anm. 8.
Horatius (Q.) Flaccus u. die
Hymnen des Ambrosius 207 ;
u. Auson 40: u. Avion 19;
u. Damasus 196 ; u. Hierony-
mus 448; u. Julius Rufini-
anus 164; u. Juvencus 192;
u. Latinius Pacatos Drepa-
nius 118 Anm. 1 ; u. Manns
Victorinus 188, 141*; u.Pa-
cianus 387 ; u. Paulinus 242,
250; u. Prudentius 231 ; u.
Symmachus 118.
Horus, Philosoph 129.
Hosius, Bischof von Corduba,
Antiarianer 283.
Hrabanus Maurus, Auszug
aus dem kriegswissensch.
Werk des Vegetius 178;
u. die unechten Schriften
des Hieronymus 450 ; u. Pru-
dentius 288 ; u. der lai Theo-
dor von Mopsuestia 274.
Hydatius, Bischof von Emerita,
Gegner Priscillians 337, 388,
389, 842, 844, 845.
Hyginus, Mythograph, s.
Uebungsstücke u. Dositheus
160 Anm. 2; u. Pseudodosi-
theus 161; u. de vir. ill. 64,
65; u. Paulinus 241; u.Sep-
timius 81.
Hyginus, Bischof von Corduba,
u. Priscillian 337, 888, 842.
Hymnen, christl. 206, (454).
I.
Ignatiusbriefe, lat. 387.
In genesin, Carmen 206.
Instantius, Priscillianist 837,
338, 339, 342.
Interpretamenta sive igutjysv-
fiata Pseudodosithei 161.
Invective gegen Nicomachus
199, 200* ; gegen einen vom
Christentum abgefallenen
Senator 20 1 ; christliche 45 1 .
Johannes, Bischof von Jerusa-
lem, u. die origenistischen
Streitigkeiten 372, 873, 432,
433; u. Auastasius I. 334;
u. Hieronymus .S91.
Johannes Chrysostomus s.
Chrysostomus.
Johannes Diaconus u. Tyco-
j nius 352.
I Johannes Saresberiensisu.He-
I gesippus 103; u.d.Querolus
42.
I Johannes v. Antiochia u. die
I Eutropübers. Capitos 72.
Johannes von Sevilla u. Am-
brosius 318.
Jona (de), altchristliches Ge-
dicht 189.
Jordanes u. der Anonymus
Valesii 99; u. Eutrop 73; u.
Festus 75, 76; u. Paulus
Diaconus 73.
Josophus ( Flavius), jüdische
Gesch. u. lle^eavß\>\3Ä \^\
u. das sog. 4. Maccabaecr
buch 299; a. Rufin 381.
Joviales u. derTerenzcommen
tar 148.
Jovianus, Kaiser, u. d.Christen
tum 2.
Jovim'anus, Haeretiker 431
u. Hieronymus 480.
Jovius, Dichter bei Paulis 240,
Irenaeus von Lyon u. die lat
üebers. 385, 386*.
Isaak, der Jude 324, 825; a.
die Mosiacarum et Bomi-
narum legnm collatio 829;
u. Hieronymus 446; u. der
Conunentar zu den psoliiD-
sehen Briefen 424.
Isidorus, Bischof von Sevilla,
u. Eutrop 78; n. Festos 75;
u. Hegesippus 101, 103; n.
Marina Victorinus 142; o.
Paulus Diaconus 78; u. der
Vergilcommentar des 8er-
vi US 157; u. Tyconios 352.
Itacius, Bischof von Ossonal»!,
Gegner Priscillians 838, 339,
342, 344, 345, 347, 348*.
lUla u. die Vulgata 408, 409,
410, 449; u. Juvencua 191,
192.
Itinerarium Alexandri 105:
u. Julius Valerius 45.
Itinerarium Antonini 103, 104*.
Itinerarium Hierosolymitanuin
sive Burdigalense 103, 104.
105*, 364.
Itinerarium maritimum 104.
105.
Jubabei Priscian 180; u. Atilias
Fortunatianus 136; u. die
metrischen Systeme 138; u.
Aphthonius 138, 139, 140.
Jucundus grammaticus freier
Leonti u. Ausonius 33.
Julianus, Anhänger des Pe-
lagianismus 241, 242.
Julianus, Kaiser, u. d. Christen-
tum 1; u. die Zurück beruf ung
der Bischöfe 274; u. die
Litteratur 8; u. die öffeDt-
liehen Schulen 2; u. Am-
mianus Marcellinus 89, 91;
u. der Panegyriker Clau-
dius Mamertinus 107; n.
Hilarius 262; u. Prudentius
222, (454).
Julianus von Toledo, Com-
mentar zu Donat 146, 147*.
Julius Africanus u. die syn-
chronistische Geschichte
401.
Julius Capitolinus, Historiker
47; s. Schriftstellerei 50:
als Redaktor d. Hist. Aug.
Alphabetiflohes Begiater.
463
Julius Obsequens 76.
Julius Romanus, Grammatiker,
a. 8. Aasschreiber 129; a.
Gharisins 150, 151.
Julius Rafinianos, Rhetorl64;
u. Aquila Romanos 162
Anm. 1, 163, 164*.
Julius Valerius, lateinischer
Bearbeiter des Ps.-Callis-
thenes 44; u. das Itin. Alex.
106.
Julius (C.) Victor, Rhetor 167 ;
a. Aquila Romanos 163
Anm.l ;a.Fortunatiana8 166.
Junius Cordus, Historiker, o.
d. Hist Aog. 52, 53.
Justina, Kaiserin, u. Ambro-
fflOB 286, 288, 331.
Jostinianos, Kaiser, o. d.
Christent. 4.
Juvenalis (D. Jonios), Sati-
riker, o. Ammian 92; o.
Auson 40; u. Prodentios
281; u. Symmachos 118.
Jovencos (G. Vettios Aqoili-
nus). Dichter der evange-
liorom libri 190; n. laodes
domini 188; o. adversos
Marcionem 203; o. Proden-
tius 232. (454).
Kaise^eschichte, verlorene
67; o. Eotrop 72; u. Festos
75, 76*; u. die ffist. Aog. 54.
Kalender des Chronographen
V. 854 p. 57.
Karl d. Gr. o. Juvencus 192.
Kameades, Philosoph, o.Firmi-
cus Matemos 122.
Keulenverse (versus rhopalici)
des Aosonins 36, 88, 39.
Konsolarverzeichnis d.Chrono-
graphen v. 354 p. 57.
L.
Lachmann (K.) u. die Ueber-
lieferong der hl. Schrift 447 .
Lactantios (L. Caecilios Firmi-
anos) o. der 1 . lat. Glemens-
briefd86; o. Prodentios 231.
Laeta o. Hieronymus* Anwei-
sung für Erziehung der
Mftdchen 442, 444.
Lampridins (Aelios) s. Aelios.
Landolfos Sagax, Verfasser
der Hist. misc. 73.
Lanfranc, Erzbischof, o. die
Yolgata 412.
Latronianos, Priscillianist 338,
347*, 348.
Laodes domini, altchristl. Ge-
dicht 188.
Laorentios, Bischof, o. Rofin
382.
Leo, Archipresbyter, o. d. Ale-
xanderroman 44, 45*.
Leontios grammaticos cogno-
mento Lascivos o. Aosonios
33.
Lessing o. Firmicos Matemos
120 Anm. 4.
Lex convivalis hinter dem
Qoerolos 42.
Libanios, Rhetor, o. Ammianos
87, 88, 90*.
Libellos fidei o. Phoebadios
281.
Libellos precom, Bittschrift
der Lociferaner 279.
Liber generationis 58.
Liber miraculorum S. Fidis o.
Pi-odentios 234.
Liber poniificalis o. d. Chrono-
graph V. 354 p. 57, 58.
Liberias, Papst 333, 334*; vier
onechte Briefe 267; o. das
Papstelogiom des cod. Cor-
beiensis 197; o. Ambrosios
de virginibos 311.
Licinios Rofinos, Jorist, o. die
collatio Mosaicarom et Ro-
manamm legum 828, 329*.
Livios (T.) u. Ammian 91, 97;
o. Avien 15; o. de viris ill.
60, 64 ; o. die Nicomachi 84,
85; o. Symmachos 118.
Liviosepitome o. Eotrop 70,
71; o. Firmicus Matemos
122; o. die Chronik des
Hieronymus 403; o. Jolios
Obsequens 76, 77*.
Lope de Olmedo, Prior, o. die
onechten Schriften des Hie-
ronymos 450.
Locanus (M. Annaeos), Dichter,
o. Aoson 40; o. Jovencos
192; o. Prodentios 231;
o. Symmachos 118; Com-
menta in Locanom o. Ser-
vius 157.
Locifer von Calaris 274; o.
die exhortatio ad neophytos
desymbolo 318; o. Hierony-
mos 436; Hilarios 256, 264.
Lociferianer 275, 278*; o. Hie-
ronymos 435, 436, 445.
Lociliofl, Satiriker, o. Aoson
40; o. Jolios Rofinianos 164.
Locios Septimios, Verfasser
des Dictysbochs 77.
Locretios (T.) Caros o. Aoson
40; o. Avien 19; u. Dama-
sos 196; o. Jovencos 192.
Lotatios o. die origo 63.
Lother o. die Geschichte der
aegyptischen Mönche 376.
Lycosthenes (C.) o. Jolios
Obseqoens 77.
Lydos (Johannes) o. Aorel.
Victor 66.
Lykophron o. Septimios 81.
Macaronische Poesie o. Aoso-
nios 38.
Maci'obios Theodosios o. Am-
brosios 296; o. Servios 155,
156*; o. Praetextatos 128.
Magnus von Carrhae u. Am-
mianus 89, 92.
Magnos, orator orbis Romae,
o. Hieronymos* Brief über
die Lektüre der alten Klas-
siker 443.
Mago o. Palladios 173.
Malalas o. die Erzählong des
Dictys 79 ; o. Septimios 82.
Malmesberiensis (Goilelmos)
o. Hegesippos 103.
Mamertinos(Claodios), Redner
107.
Manichäer, die, o. Ambrosios
294.
Manilios (M.), astrologisches
Werk 119; o. Firmicos Ma-
temos 120, 122*.
Marcella o. Hieronymos 372,
374, 388, 390, 442; o. die
exegetischen Werke des
Hieronymos 418, 425; o.
der Nekrolog aof sie 395,
397.
Marcellina, Schwester des Am-
brosios, o. Liberios 334.
Marcellinas, Lociferianer 278.
Marcellos, Grammatiker, bei
Aosonios 132.
Marcellos, Mediziner, o. die
medicina Plinii 182, 183*.
Marcion o. das Gedicht ad-
versos Marcionem 202.
Marcios Salotaris o. Charisios
151.
Marcomannos o. C. Jolios
Victor 167, 168*.
Maribados, Arianer 347.
Marios Maximos, Historiker,
Kaiserbiographien 47, 52*;
o. Ammian 92; o. die hist.
Aog. 53; o. die sog.epitome
Caes. 69.
Marios (C.) Victorinos Afer,
Rhetor ond Philosoph 137;
o. adversos Marcionem 203;
o. adversos Marcionitas 145 ;
o. Atilius Fortonatianos 136 ;
o. der Arianer Candidas 283 ;
o. Charisios 151 ; o. Hiero-
nymos 426.
Martialis (M. Valerios) o. Ao-
son 40.
Martianos Capeila o. Aqoila
Romanos 163.
464
Alphabetisohes Register.
Martin von Tours u. Priscil-
lian 338.
Martyrologien u. d. Chrono-
graph 57, 58.
Matemus (Julius Firmicus) s.
Firmicus.
Mavortius (Vettius Agorius
Basilius) u. Prudentius 235 ;
u. der cento de ecclessia 199.
Maximinus, Arianer 284; als
Verfasser der dogmatisch-
polemischen Abhandlungen
von Bobbio ^85; vielleicht
Verfasser des opus imper-
fectum 286.
Maximus, Bischof von Turin,
u. die Schriften de sacra-
mentis, explanatio symboli
ad initiandos 318; u. der
Briefwechsel des Hierony-
mus 440 Anm. 2.
Maximus, Kaiser, u. Ambro-
sius 286, 288; u. Priscillian
338, 339.
Maximus Planudes u. die Eu-
tropUbersetzungen 72.
Maximus (o. Maximinus) Victo-
rinus u. de ratione metro-
rum u. de finalibus metro-
rum 139, 141*.
Medicina Plinii 181.
Melania u. Hieronymus 402,
445; u. Rufinus 371, 372,
373.
Melito von Sardes u. ein lat.
kirchl. Glossar 386.
Memnonius, Grammatiker, u.
Asmonius 130.
Merobaudes u. Ps.-Damasus
195.
Messius (Arusianus), Rhetor
164; u. Ambrosius 298; u.
Symmachus 113.
Metrische Systeme, die beiden
des Altertums 138, 140.
Metrorius, der sog., u. de fi-
nalibus metrorum 139, 141*.
Mi 1 ton u. Prudentius 224.
Minervius (Tiberius Victor)
orator u. Ausonius 33.
Minucius Felix u. Firmicus
Maternus 125.
Miracula S. Clementis u. Pru-
dentius 235.
Modestinus.(Herennius) u. die
Mosaic. et Roman, legum
collatio 329.
Modestus, der sog., de voca-
bulis rei militaris 178.
Mommsen (Th.) u. die origo
gentis romanae 61.
Mosaicarum et Romanarum
legum collatio 327.
Mulomcdicina Monacensis la-
tina 181.
Musonius (C.) Rufus, Stoiker,
u. Avienus 13, 16.
N.
Namatianus (Rutilius) s. Ru-
tilius.
Naucellius, Dichtern. Antiquar
42.
Nechepso u. Firmius Matemus
121.
Nemesianusu. dieinvektive ge-
gen Nicomachus 200 Anm. 1.
Neoterici (poetae) u. Ausonius
27, 39, 40.
Nepos (Comelius) u. Firmicus
Matemus 122; u. de vir.
ill. 64.
Nepotianus, Kleriker, u. Hie-
ronymus 397, 398, 442, 444.
Nero, Kaiser, u. die Erzäh-
lung des Dictys 78, 80.
Neuplatoniker, die, u. Marius
Victorinus 137, 141, 144.
Nicaeus, Schüler des Servius
u. Juvenalherausgeber 155,
156.
Niceas, angeblich Bischof von
Romatiana 367.
Niceta(s), Bischof von Reme-
siana 367 ; Namensform 870 ;
als Hymnendichter 370; u.
das Propempticon des Pau-
linus241, 242, 244; u. die
Schrift de lapsu virginis
consecratae 315.
Nicetas, Bischof von Aquileia
367, 368.
Nicetius, Bischof von Trier,
u. de vigiliis servorum dei
u. de psalmodiae bono 370,
371; u. das Te deum 371.
Nicolaus von Rom, Kardinal,
u. die Vulgata 412.
Nicomachi, die, u. die alten
Autoren 128; u. die Hand-
schriften 5 Anm. 2; u. die
Symmachi 85.
Nicomachus (Appius) Dexter
u. Virius Nicomachus Fla-
vlanus 84; u. Livius84, 85*.
Nicomachus (Virius) Flavianus
83; die Schrift de vesti-
giis etc. 84 ; Invektive gegen
ihn 199,200*; u. der Gram-
matiker Flavianus 150.
Nicomachus Flavianus, Sohn
des Virius Nie. Flav., der
Recensent des Livius 85.
Niebuhr (B. G.) u. die origo
gentis romanae 61.
Nonius Marcellus, Gramma-
tiker 181.
Notitia regionum 59.
Novatiauismvis, d^t, \i. Anv-
Novatianus u. der tractatos
Origenis de libris s. scrip-
turarum 280.
Numa u. seine Religioiiab&cher
79 Anm. 4.
Nomenius n. Chalcidios 127.
0.
Obelus u. die Vulgata 410.
Octavius (M.) a. die origo 63.
Odo von Glugny o. Prudentius
235.
Olympius, Gegner der Mani-
chäer u. der Priacillianistep
347. 348*.
Optatus, Antidonatist 353; u.
Tyconius 352.
Opus imperfeetam in Mat-
thaeum, arianische Schrift
284, 286.
Oribasius u. Ammianas 92.
Orientius u. das Gedicht ad
Deum 246.
Origenes u. der tractatus de
libris s. scripturarom 280;
u. Ambrosius 290, 291, 293,
297, 306, 307, 808; u. Ana-
stasius I. 334; u. Chalcidius
126; u. Hieronymus 415,
425, 426, 428, 432, 434,
437, 447; s. enchiridion in
psalmos u. Hieronjrmus 422 ;
s. Hexapla u. Hieron. 409,
410; s. Homilien übersetzt
von Hieron. 413; u. Hilarius
258, 259, 261; u. die ex-
planatio symboli des Nicetas
368 ; u. Philos Onomasticon
423, 424; u. s. Uebersetzer
Rufin 372, 374, 376, 377 *.
384.
Origo gentis romanae 60, 61*;
u. Paulus Diaconus 72.
Orosius (Paulus), Historiker,
u. der Anonymus Valesii
99, 100; u. Eutrop 73; u.
Hieronymus 437; u. Paulus
Diaconus 71, 73; u. Priscil-
lian 340, 341, 347.
Ovidius (P.) Naso u. Auson
40; u. Damasus 196; u. in
genesin 206; u. Juvencus
192; u. Prudentius 231; u.
Septimius81 ; u. Symmachus
118.
Orsiesius, Klosterregeln, übers,
von Hieronymus 443 Anm. 1 .
Pacatus (Latinius) Drepanius,
Redner 108; u. Auson 29.
30, 35; u. (?) PauUnus 237.
Pacianus, Bischof von Barce-
lona. 335; u. Prudentius 225
AlphabeÜaoheB Register.
465
Pachomius , Klosterregeln ,
übers, von Hierooymns 443
Anm. 1.
Paianios, Uebersetzer Eutrops
71, 72*.
Palaemon (Q. Remmius) u.
Cliarisias 150, 151*; u. s.
Allsschreiber 129.
Palladias, griech. Deklamator
in Rom 119.
Palladias, Bischof, u. die lat.
bist. Laus. 387.
FalladiuaRutiliiisTaurasAemi-
lianos, landwirtschaftlicher
Schriftsteller 170.
Palladius von Ratiaria, Arianer,
a. die dogmatisch-polemi-
schen Traktate von Bobbio
285; u. Ambrosias 316; u.
Vigilius von Thapsns 849.
Pammachias u. der origeni-
stische Streit 432; a. Hie-
ronymos 397 ; u. die exeget.
Sdiriften des Hieronymus
416, 4 IQ; u. Hieronymus'
Schrift gegen Jovinian 431 ;
u. Hieronymus' Brief fl. d.
Uebersetzungskunst 443,
444.
Pamphilus, Apologie des Ori-
genes, u. Rufin 375, 378*.
Papinianus (Aemilins), Jurist,
u. die Fragmenta vaticana
169, 170; u. die Mosaicarum
et Romanarum legnm col-
latio 329.
Papyrus, Wiener, u. Hilarius
270.
Parmenianus , donatistischer
Bischof, n. Optatns 353; u.
Philastrius 359 ; u.Tyconius
350, 8Ö3.
Parrbasins, Humanist, u. Am-
sianus Messius 165.
Paschasius Radbertus u Auson
40.
Pasiphilus, Philosoph, u. Pal-
ladius 172.
Passio S. Genesii Arelatensis
248.
Pastor des Hermas u. die lat.
Uebers. 385, 386*.
Pastor, Gegner des Priscil-
lianismus 347, 348*.
Patera, Rhetor 168.
Patemus, Militäijurist, u. die
Constitutionen der Kaiser
Augustus, Trajan und Ha<
dnan 177; u. Vegetius 175.
Paula u. ihr Wallfahrtsbericht
bei Hieronymus 365, 366;
n. Ambrosius' Lukaskom-
mentar 414; u. Hieronymus
388, 391; u. die exeget.
Schriften des Hieron. 415,
418, 420, 424; u. Hierony-
mus' üebers. v. Didymus
437; Nekrolog auf sie von
Hieronymus 396, 397; u.
die varronische Schriftstel-
lerei 445 ; u. die Vulgata 411.
Paula, die jüngere, u. Hierony-
mus 442 ; u. die Vulgata 411.
Paulina, Tochter der Paida,
Nekrolog des Hieronjrmus
397, 398.
Paulinianus, Bruder des Hie-
ronymus, u. der origenisti-
sche Streit 432; u. Hieron.
Uebers. des Didymus 437.
Paulinus, Biograph des Am-
brosius 286.
Paulinus, Enkel des Ausonius,
Verfasser des Eucharisticon
de poenitentia, u. das Ge-
dicht De domesticis suis
calamitatibus 246.
Paulinus Biterreusis u. die
passio S. Genesii Arelatensis
248.
Paulinus von Burdigala 238.
Paulinus von Nola, Dichter,
Biographisches 235 ; Ge-
dichte 238 ; poet. Briefe 289 ;
pros. Briefe 246; Charak-
teristik 248; s. Panegyricus
auf Theodosius 441 ; u. Au-
sonius 21, 38, (454); ihr
Briefwechsel 26, 27, 317*;
u. die Ephemeris Ausons 33 ;
u. das Technopaegnion Au-
sons 30, 85; u. der Brief-
wechsel mit Hieronymus
440; u. Niceta 870; u. Ru-
finus 381, 882, 385; u. Sue-
ton 15, 38; u. Victricius 333,
384; u. Vigilantius 483,
(455).
Paulinus von P^rigueux u.
Damasus 196.
Paulus (Julius), Jurist, u. die
collatio Mosaic. et Roman,
legum 829 ; u. die fragmenta
vaticana 169, 170.
Paulus Diaconus u. die historia
romana72; u. die origo 60,
62 ; u. das Gedicht de dome-
sticis suis calamitatibus '246;
u. Aurelius Victor 66; u.
Eutrop 7 1 ; u. Orosius 7 1 .
Paulus Quaestor, Dichter 43.
Pelagianer u. Hieronymus 389,
891, 486, 437, 446.
Pelagius u. s. professio fidei
349 ; u. Hieronymus 436, 450.
Pelagonius, der Veterinär 178;
u. der Veterinär Vegetius
179; u. der Veterinär Ap-
syrtos 181; u. die m\Ao-
medicina Monacenaia \^\.
ffADdbaob der klum, AJtertoiiMWiaMiitohaft. VUI, 4.
Peregrinus, Bischof, Neubear-
beiter der Canones Priscil-
Uans 840, 341*.
Periplus als Vorlage Ariens 18.
Pervigilium Veneris u. IHbe-
rianus 42.
Petosiris u. Firmicus Maier-
nus 121.
Petrarca u. Juvencus 192.
Petronius Arbiter n. die In*
vektive gegen Nicomachus
200 Anm. 1.
Petronius von Bologna 835.
Petronius u. die historia mon-
achorum 380.
Petrus Chrysologus 284.
Petrus Diaconus, s. Schrift
fiber das hl. Land 865; u.
der Wallfahrtobericht der
sog. Silvia 863.
Phaedrus, Fabeldichter, u.
Prudentius 281.
Philastrius (Philaster), Bischof
von Brescia 357 ; s. Ketzer-
katalog 452.
Philippus, Schaler des Hierony*
mus, u die unechten Schrif-
ten des Hieronymus 450.
Philo von Alexandria u. Am-
brosius 290, 293, 294, 295,
296, 297, 298, 299, 800
Anm. 1, 331, 382; s. Ono-
masticon u. Hieronjrmus 423.
Philocalns (Purins Dionysius)
s. Filocalus.
Philostratus, s. ApoUonius von
Tyana u. Nicomachus 83,
84; u. Septimins 81.
Phoebadius von Agennum,
Antiarianer 281 ; u. de fide
orthodoxa contra Arianes
280; u. Syagrius 349.
Photinus, Häretiker, n. Opta-
tus 355.
Piso (L. Calpumius), Annalist,
u. de viris ill. 64.
Pithoeus (P.) u. Hilarius 265.
Placidus, Sohn des Dichters
Avienus, u. d. Inschr. auf
Nortia 13, 16.
Plato, s. Timaeus u. s. Fort-
leben im Mittelalter 126
(Chalcidius); u. Ambrosius
296, 298, 317; u. Marius
Victorinus 187, 141, 148*.
Plautus (T. Maccius) u. Auson
29, 40; u. Avien 19; u. Ju-
lius Rufinianus 164; u. No-
nius 133; s. Aulularia u. der
Querolus 40.
Plinius, d. Ae., das Medv"'
sehe in seiner nat. hisi. ]
u. Auson 37, 40; u. No
466
Alphabeüaohea Begister.
des ServiuB 157; u. Sym-
machus 118. — Medicina
Plinü 181.
Plinius, d. Jüngere, u. de viris
ill. 60, 64; u. Auson 40;
u. Q. Aoreiias Symmachus
114, 118.
Plinius de moribus et vita
imperatonim 69.
PllniuB (-äoUnos) u. Ammianas
91.
Plinius Valerianus 182, 188*.
Plutarch u. die Schrift des
Hieronymus gegen Jovinian
431.
Poetae neoterici u. Anson 27,
39, 40.
Poggio u. Ammian 97.
PolemioB Silvios u. Eutrop 73.
Pollio(Trebellias) s. Trebellius.
Polycletus u. die mulomedi-
cina Monacensis 181.
Pompeius, s. Commentar zu
Donat 146, 147*, 158.
Pomponius, Centodichter 199.
Pomponius Laetus u. der sog.
Modestus 178.
Pontifices u. die Prodigien 77.
Porfyrius (Pnblilius Optatia-
nus) 10; u. die anacycl.
Verse 11; u. die Keulen-
yerse 12; n. Ausonius 28,
33; u. Kaiser Conslantin 6.
Porphyrius, Bischof von Gaza,
u. die Zerstörung des Heilig-
tums von Marnus 444.
Porphyrius, Neuplatoniker, u.
der Danielcommentar des
Hieronymus 418; u. adv.
Jovin. 431 ; u. Marius Vic-
torinus 137, 141, 142, 143*.
Posidonius, s. Timaeuscom-
mentar u. Chalcidius 126,
127.
Posthumianus u. die historia
monachorum 380.
Postumius (Aulus) u. die origo
63.
Potamius, A rianer 283, 284*.
Praedestinatus u. der Ketzer-
katalog des Philastrius 358,
360.
Praetextutus { VettiusAgorius),
Philosoph 128.
Primae expositiones zu Donat
u. Sergius 158.
Primasius, Bischof von Hadru-
metum, u. Tyconius 352.
Priscianus, Grammatiker, u.
de finalibus 159; u. Aru-
sianus Messius 165; s. Arat-
übers. u. Avien 17, 19; u.
Diomedes 154; u. die Perie-
gese des Dionysius 14; u.
JDonat 148, 149, 152; u.
Euirop 73; a. Nonius 134;
n. Servius 156, 157, 158.
Priscillianisten 337; u. Am-
brosius 331; n. Ausonius
33; u. Philastrius 359.
Priscillianismus u. Prudentius
230.
Priscillianus 837 ; Canones
zu den Briefen des Paulus
340; de anima 340; Würz-
burger Traktate 341 ; Streit-
schnften 344; u. die astro-
logische Symbolik 119
Anm. 1 ; u. Prudentius 223.
Proba, Centodichterin 197;
u. Damasus 196; u. Rufi-
nus 382,
Probus (M. Valerius) u. Diome-
des 154; u. der Terenzcom-
mentar des Donat 146; u.
die kritischen Zeichen 452 ;
u. der Vergilcommentar des
Servius 157.
Probus (Sextus Petronius) u.
Auson 27, 31.
ProculusGrogorius,praef.praet.
im J. 383 u. Redner 119;
u. die fasti Ausons 28.
Prodigien u. die Pontifices 77.
Propertius (Sex.) u. Juvencus
192.
Prosper von Aquitanien u.
das Carmen ad coniugem
246; u. Paulus Diaconus
73; u. Tyconius 352.
Prudentius (Aurelius) Cle-
mens, Dichter 211 ; Biogra-
phisches 211; Schriften:
Apotheosis 221; Catheme-
rinon 214; Dittochaeon 226 ;
Hamartigenia 223 ; Peri-
stephanon 217; Psycho-
machia 224; Gegen Sym-
machus 225 ; Rückblick
229 ; Fortleben 232 ; u. die
sog. ambrosianischen tituli
210; u. Damasus 195, 196*;
u. Juvencus 193; u. Pauli-
nus als Verfasser von tituli
245; Vergleich beider 248,
250; u. Symmachus 110;
u. Tiberianus 42.
Psalterium Gallicanum 409,
410.
Psalterium Romanum 409,
410.
Pseudo - Ambrosius , Ambro-
siaster 324.
Pseudo-Apuleius u. die me-
dicina Pliuii 182, 183*.
Pseudo - Asconius u. Servius
158.
Pseudo - Augustin (Homilien)
u. Tyconius 352.
Pseudo-XxjiäomuB \x. d^ «^%\a&
caelestibos 34; u. die
Sprüche der 7 Weisen 3-5.
Psendo-Callisthenes n. d. Ale-
xanderroman 44; n. die
Metzer Alexanderepitome
46; a. das Itinerariam Al^
xandri 106.
Pseudo-Ghalcidios 127.
Pseudodositheana 160, 161.
Pseudo-Palaemon 140.
Pseudo-Quintilian n. Firmicns
Matemus 125.
Pseudo -Tertollian ad versus
haereses 357; n. ad versus
Marcionem 202. 204, (454);
u. Philastrius 859.
Pseudo- Victorinus u. de cruce
145; u. de fratribus Mac-
sabaeis 145; u. de Jesa
Christo deo et homine 145.
Ptolemaens Chennus o. Septi-
mius 81.
Quaestiones veteris et novi
testamenti 325.
Querolus 40; u. der Delirus
des Axins Paulua 31.
Qoidam sermo Arianorum sine
nomine auctoris soi 286.
Quintilianus (M. Fabius) n.
Fortunatianus 166; n. Hils-
rius 272; u. C. Julius Victor
167, 168*.
Rabanus Maurus s. Hrabanus»
Maurus.
Rampertus u. Philastrius 3H1.
Recitationen u. Ammian b^,
90*, 94.
Reisebecher 103, 104*.
Relationes 114, 115*.
Remedius, Bischof von Chur,
u. die Mosaic. et Roman.
Icgum collatio 329.
Remigius von Auxerre, s.
Donatcommentar 147.
Remmius (Q.) Palaemon u.
s. Ausschreiber 129; u.Oha-
risius 150, 151*.
Rhythmische Prosa 41.
Riparius, Kleriker, u. Hiero-
nymus 434.
Rufinus (Licinius), Jurist, s.
Licinius.
Rufinus (Tyrannius) 371; s.
Uebers. des jüdischen Kriegs
u. Hegesippus 100 Anm. 1 :
unechte Schriften 383; u.
Anastasius I. 384; n. die
collatio Mos. et Rom. let;.
328, 329*; u. Epiphanius
von Salamis 372, 373; u.
Alphabeüftohes Register»
467
402, 422, 433, 443, 445;
IL Origenes 382; n. Vigilan-
ÜQS 434.
Bofius Festoa s. Festos.
Rofiw (Sex.) u. das Ciiriosum
59.
Rmicins n. Prudentius 234.
Batilius Namatianas u. Auson
40; 8. Reisegedicht n. die
Moeella Ausons 37; q. der
Querolus 41.
S.
Sabinas, Bischof von Placen-
tia, Berater des Ambrosias
289.
Sabinas (Jalins Tryfonianus)
u. die Recension des Nonius
134.
Sacerdos (Claudius), Gramma-
tiker, u. Diomedes 153; u.
Dosithens 160, 161.
Sallustius (C.) CrispuB u. Am-
brosias 102, 298; u. Am-
mian 91, 97; u. Arusianus
Messius 165; u. Aurelius
Victor 66; u. Auson 40;
u. der Dichter Avienus 15,
19; u. die Erzählung des
Diciys 78; u. Firmicus
Matemus 122; u. Hegesip-
pus 78; u. Hieronymus 394;
u. Hilarius 272; u. Septi-
mius 81; u. Symmachos
118.
Salvianus, Priscillianist 387,
:^38, 339, 342.
Salvina, Tochter Gildos, u.
EUeronymus* Anleitung für
den Witwenstand 442.
Saresberiensis (Johannes) u.
Hegesippus 103; u. d. Que-
rolus 42.
Satyrus, Bruder des Ambro-
sius, Trauerreden auf ihn
319; Epitaphium auf ihn
320.
Scaliger (J.) u. die Chronik
des Hieronymus 403.
Scaurus (Terentius) u. s. Aus-
schreiber 129; u. Diomedes
154; u. der Yergilcommen-
tar des Servius 157.
Scotus Erigena u. Chalcidius
127.
Script. Hist. Aug. 47; Ver-
teilung d. Vitae unter sie
49; die diokletian. Reihe
d. Biographien 50; die con-
stantin. Reihe d. Biogra-
phien 50; Abfassungszeit
51; ChanÜLteristik 51 ; ihre
Quellen 53; Urkunden n.
Dokumente 52, 54*; die
Hypothese Deaaaxu 55 ;
üeberlieferung 55; u. die
Caesarea des Victor 67 ; u.
die Chronik des Hieronymus
403.
Sedulius, christl. Dichter, u.
adversus Marcionem 203;
u. der Cento de verbi in-
camatione 199.
Seneca (L. Annaeus), Philo-
soph, u. Auson 40; u. Hie-
ronymus 406, 431 ; Sen.Trag.
u. Prudentius 231.
Septem libri de trinitate, Trak-
tat 280.
Septimius Severus u. Aurel.
Victor 66.
Septuaginta 409.
Serenus, poeta neotericus, u.
Auson 27, 33.
Sergius = Servius 155, 156*,
157.
Sergius, Grammatiker 162;
u. die explanationes in artem
Donati 147, 158; u. die
primae ezpositiones zu
Donat 158; u. der sog. Trak-
tat de littefa etc. 158.
Servasius (Sulpicins Lupercus)
iunior, Dichter 43.
Servius = Sergius 155, 156*,
157.
Servius (Maurus Honoratns),
Grammatiker 155; bei
Macrob 155, 156*; s.
Vergilcommentar 155j 156*;
s. Commentar zu Donat 146,
147, 155, 158*; d. Centi-
mefarus 155, 158*; de fina-
libus 155, 159*; de metris
Horatii 155, 159*; Glossen-
sammlung 156, 155*; die
sog. explanationes in artem
Donati 147, 158*; u. der
sog. Traktat de litteraetc.
158; u. der Vergilcommen-
tar des Donat 148; u. der
Querolus 42.
Severus u. Ps.-Damasus 195.
Severus (Sulpicius) u. Hilarius
272; u. Paulinus 245, 247,
248; u. die Priscillianisten
337, 345, 346; u. Prudentias
213.
Sextus Amarcius u. Prudentius
235.
Sextussprttche fibers. von Ru-
finus 375.
Sidonius (ApoUinaris) s. Apol-
linaris.
Silius Italicus a. Juvencus 192 ;
a. Symmachus 118.
Silvia, die sog., ihr Wallfahrts-
bericht 361; u. Petrus
Diaconos 365.
SilviuB u. PB.-D«mas^ \.^T>.
[
Simplicianus, Bischof von Mai-
limd 333 ; u. Anastasios I.
334.
Siricius, Papst 333; u. Jovi-
nian 430, 431; u. Optatos
355, 356.
Sirmond (Jakob) u. der Ano-
nymus Valesii 99; u. Hila-
rius 265.
Sisinnius, Mönch, u. Hierony-
mus 416, 434, 435.
Sisiphus von Eos u. die Er-
zählung des Dictys 79.
Sixtus (Xystus) Sprache u.
Rofinus 375.
Sodoma, altchristliches Ge-
dicht 188.
Solinus (C. Julius) a. d. Ge-
dicht Sodoma 189.
Sopater, Neuplatoniker, u. Con-
stantin 7.
Sophronius, griech. Ueber-
setzer des Hieronymus 448,
449 Anm. 1; u. die griech.
Uebersetzung von Hierony-
mus de vir. ill. 407, 408;
u. die Vulgata 411.
Soranus von Ephesus u. Vin-
didanus 185.
Sotion u. die mulomedicina
Monacensis 181; u. Palla-
dins 173.
Spartianus (Aelius) s. Aelios.
Sixtina, die Vulgata 412.
Sixtus V., Papst, u. die Vul-
gata 412.
Statins (P.Papinius), Dichter,
u. Auson 40; u. Juvencus
192; u. Prudentius 231.
Statius Tullianus, Grammati-
ker 162.
Stephan Harding von Citeaux,
Abt, u. die Vulgata 412.
Stilicho u. Hieronymus 418.
Stoa, die, u. Ambrosius 309;
u. der PelagianismuB 436.
Suetonius (C.) Tranquillus,
u. Ambrosius 292, 293, 321 ;
u. Auson 28, 84, 38; u. die
Stadtgesch. des Chronogra-
phen v.J. 354 p. 58; u. Dio-
medes 154; a. die Vergil-
vita des Donatus 148; u.
die sog. epitome Caesarum
67, 68, 69; u. Eutrop 70,
71 ; u. Hieronymus 402, 403,
404; u. dessen Catalog 452;
u. die Hist Aug. 47, 51, 53;
u. Paulinus von Nola 15,
32, 238; u. der Vergilcom-
mentar des Servius 157.
Sulpicius Severus s. Severas.
Sulpitius Victor, Rhetor 167.
Syagrins, Gegner des Priscil-
468-
Alphabetiaohes Begiiier.
SyagriuB (Flavios Afranins),
Dichter 48.
Symmachi u. d. Hss. 5 Anm. 2 ;
u. die Nicomachi 85.
Sjnnmachus (Q. Aorelins), Red-
ner 109; 8. Briefsammlung
110, 114*, 323; Heraas-
geber u. Zeit der Heraus-
gabe 115; Ueberlieferang
115; 8. Reden 112; Ueber-
lieferang 118; s. Panegy-
rikas 110; Charakteristik
117, (454); a. der Altar der
. Victoria 8,1 10 ;a.Ambrosias
820, 880; a. Anisianas
Messias 165; u. Aasonios
21, 28, 26, 80, 31, 85, 37;
a. das Christentam 110;
a. die EUst. Aag. 48 Anm. 1 ;
u. Maximas 110; a. Lati-
nias Pacatus Drepanias 108,
109*; a. Praetextatas 128;
a. Prudentias 225, 227*;
a. das alte Testament 409.
Symmachas (Q. Fabias Mem-
mius), Sohn des Redners
Symmachas 110, 111, 112*,
114; als Heraasgeber der
Briefe s. Vaters 115; a.
Virias Nicomachus Flavia-
nas 83.
Symmachas (Lacias Aarelias
Avianius), Redner a. Dichter
109, 111*.
Sympronianus, Novatianer, a.
Pacianus 335, 336.
Tacitas (Cornelius) u. Ammia-
nu8 92,94, 96*, 97; u. Au-
relius Victor 67 ; u. Ausonius
40; u. die sog. Epitome 68;
u. Hieronymu8 396; u.Sym-
machus 118.
Tatianus (?) u. C. Julius Vic-
tor 168.
Te deum laudamus u. Niceta
211, 370, 371.
Terentianus Maurus u. Aph-
thonius 138, 189; u. Dio-
medes 154.
Terentius (F.) Afer u. Aru-
sianus Messius 165; u.
Auson 29, 40; u. Julius
Rufinianus 164; u. Nonius
133; u. Symmachus 118.
Terentius Scaurus u. s. Aus-
schreiber 129; u. Diomedes
154; u. der Vergilcommen-
tar des Servius 157.
Tertullianus (Q. Septimius
Florens) u. die alteratio
Heracliani laici cum Ger-
minio, episcopo Sirmiensi
282; a. AinbrosiuB 296; u.
Helvidius 429; u. Hierony-
mas 481; u. Hilarios 257;
a. der lat. Irenaeas 886; u.
die Jurisprudenz 828; u.
Lacifer 278 Anm. 1 ; u. ad-
versus Marcionem 202, 203 ;
u. Pacianus 886, 887; u.
Prudentius 228, 230, 231* ;
u. die Gedichte Sodoma u.
de Jona 188, 190; u. Theo-
philus xaxd Magxitot^og 203 ;
u. Zeno 384 Anm. 2.
Testamentum porcelli 887
Anm. 3.
Tetradias u. Auson 26, 31*;
Satirendichter 81.
Thacomestus, Metriker, u.
Aphthonius 188, 140.
Theodulfus u. die Vulgata
412.
Theodoretus, Bischof von Cy-
rus, u. Ambrosias 817, 818;
u. Rufin 879.
Theodorus, Abt, Klosterregeln,
übers, von Hieronymas 443
Anm. 1.
Theodorus von Mopsuestia,
lateinisch Übersetzt 278; n,
Hieronymas 436.
Theodorus Priscianus, Arzt,
u. Vindicianus 184.
Theodosius d. Gr., Kaiser,
Trauerrede des Ambrosius
auf ihn 321; u. Ambrosius
330, 331; u. Auson 21,
29; u. das Christentum 3;
u. die fides des Faustinus
280; u. die Litteratur 9;
u. die Luciferianer 278; u.
die Martyrerverehrung 398 ;
u. der Panegyriker Latinius
Pacatus Drepanius 108; u.
Prudentius 226.
Theodosius U., Kaiser, u. d.
Christent. 4.
Theodosius (?) u. s. Wall-
fahrtsbericht 365.
Theodotion, Bibelübersetzer,
u. d. alte Testament 409.
Theon u. Auson 26, 31.
Theophilus von Antiochia u.
adversus Marcionem 20--^.
Theophilus, Bischof von Ale-
xandria , u. A nastasius 1.334;
u. der origenistische Streit
432.
Tiberianus, Dichter 42; und
Ausonius 42.
Tiberianus, Priscillianist 344,
346*, 347, 348.
Tibullus (Albius) u. Auson
40; u. Paulinus 243; u. Pru-
dentius 217.
TichoTvinft ». T-^eonm^.
\ TiconixiB a. TycoTusÄ.
Tilias (Joannes) a. Aoson 24. .
Timagenes u. Ammianns 91. I
Timotheus, Erzdiakoo von !
Alexandria, a. die histofii |
monachomm 877. '
Titiana8(?) u. C. Julias Victor |
168. I
Tractatos contra Arianoe o.
Hilarras 270, (455).
Tractatus Origenis de libris
s. scripturanun 280.
Trajanus, Kaiser, die Consti-
totiones u. Patemos 177.
TrebeUiua Pollio, Historiker,
s. Persönlichkeit 47, 49; 8.
Schriftstellerei 51; n. Cod-
stantiua 52.
Taribius, Bischof von Astorga,
Gegner des PriscillianJBnms
347, 349*.
Tychonios s. Tyconias.
lyconius, Donatist 850; a.
Parmenian 853.
U.
Ulfila, GothenbiBehof 284; n.
der Lukascommentar 285.
Ulpianus (Domitias) o. die
Mosaic. et Roman, legam
collatio 329; a. die Frag-
menta vaticana 169, 170.
Uranias, Verfasser von de
obitu Paulini 237.
Urbanus, Grammatiker, u. der
Vergilcommentar des Ser-
vius 157.
ürsulus u. Auson 26, 31.
V.
Valens, Kaiser, u. das Christen-
tum 2; u. Eutrop 69; u.
Festus 74, 75*.
Valentinian I., Kaiser, Ver-
fasser eines cento nuptialis
29; u. Ausonius 20,21,35;
u. Auxentius bezw. Hilarins
264, 265; u. das Christen-
tum 2; u. die Litteratur 8.
Valentinian IL, Kaiser, Trauer-
rede des Ambrosius auf ihn
320; u. Ambrosius 288, 330;
u. das Christentum 3; u.
die Luciferianer 278 ; u. (?)
Vindicianus 184.
Valerius Antias, Historiker, u.
de vir. iU. 64.
Valerius (Julius) Alexander
Polemius 44.
Valerius Maximus u. Ammian
97; u. Symmachas 118.
Valesius (H.) u. der Anony-
mus Valesii 99.
Varro (M. Terentius), s. ephe-
Alphabetiflohe« Register.
469
den u. Ladas Aarelias Avi-
fluüas Sjmmachus 109, 111;
o. die metrischen Systeme
188; o. de vir. ill. 64.
Vegetias (Fl.) Renatas, Mili-
tärsehriftsteller 175; Ve-
terinär 178; Identität beider
180; a. Pelagonias 174.
Velleias (C.) Patercalos a.
Ammian 97.
Venantios Fortonatas als Bio-
graph des Hilarias 255;
n. Hilarias 273; a. Praden-
tiiiB 234; a. Rafinos 883.
Yeranins a. die origo 63.
Veratias a. die origo 63.
Vergilias (F.) Maro u. die Alle-
gorie 452; a. Arasianas
Messias 165; a. Aasonias
29, 34, 38, 40; a. Avien 16,
19; a. de crace 145; a.
Damasos 194, 195*; a. die
Erzählang des Didys 78;
a. Hieronymas 448; a. Ja-
lias Rafinianas 164; a. Ja-
▼eneas 190, 191, 192*; a.
laades domini 188; a. de
fratribas Maccabaeis 145;
o. ady. Marcionem 203;
a. die Invective gegen Nico-
machas 200; a. Pacianas
337; a. Palladias 173; a.
Paulinas 250; a. die Cento-
dichterin Proba 197 ; a. Pra-
dentias 231; a. Septimias
81; n. Servias 155; a. Sym-
machas 118; a. die Troia-
sage 77; a. die ürgesch.
Roms 60; a. der Veterinär
Vegetias 180.
Vergilappendix a. Aasonias 36.
Yergilcentonen 199: Pom-
ponius, de verbi incamatione,
de ecclesia.
Verrias (M.) Flaccas a. Marias
Victorinas 138, 140; u. No-
nias 133; a. die origo gentis
romanae 61, 62.
Veterinärmedizin, eine Mün-
chener Handschrift 181.
Victor f Aarelias) s. Aarelias.
Victor (C. Jalias) s. Jalias.
Victor (Salpitias) s. Salpitias.
Victoria, Altar der, u. der Streit
am denselben 116, 117.
Victorianas a. Livias 85; a.
Nicomachas 83.
Victorinas, de nativitate
Domini a. de lege Domini
204.
Victorinas (C. Marias), Rhetor
a. Philosoph 137; a. Atilias
Fortanatianas 136; a. der
Arianer Candidas 283; a.
Gharisias 151; a. Hierony-
mas 426 ; a. adversas Mar-
cionem 203; a. adversas
Marcionitas 145.
Victorinas (Maximas oder
Maziminas) and de ratione
metroram a. de finalibas
metroram 139, 141*.
Victorinas von Pettan, s.Apo-
calypsecommentar a. Hiero-
njrmas 426, 427*; a. Helvi-
dius 429; u. adversas Mar-
cionem 203; u. der tractatas
Origenis de libris s.scriptara-
ram 280; a. Tyconias 352;
a. Victorinas Afer (454).
Victorias (Hago) a. Hierony-
mas 431.
Victricius, Bischof von Ronen
333, 334*.
Vigilantias, Häretiker 434*,
435; a. Hieronymas 389,
391, 433, 441.
Vigilias von Thapsas a. de fide
orthodoza contra Arianes
280; a. Septem libri de
trinitate 280; n. die Schrift
contra Maribadam 348; a.
Syagrius 349.
VigUias, Bischof v. Trient 333 ;
u. Ambrosins 303.
Vigilias, Papst 253, (455).
Vincentias, Kleriker, u. Hiero-
nymas' üebers. des Ori-
genes 413.
Vindicianas, Arzt 184.
Virgilias, s. Wallfahrtsbericht
366.
Vita Dalmatii episcopi Rnteni
n. Pradentias 234.
Vitalis n. der Amphitrao 42;
n. der Qaerolas 42.
Vitellias, Donatist 353.
Vitravias PoUio a. Palladias
171.
Vopiscas (Flavias) s. Flavias
Vopiscas.
Valcacias (jkkUicanas, Histo-
riker, s. Persönlichkeit 47,
49; s. Schriftstellerei 50.
Valcatias (?) a. die origo 62.
W.
Walahfrid Strabo a. Praden-
tias 233.
Walter von Speyer a. Damasas
196.
Widakind a. Hegesippas 103.
Wilhelm von St. llieoderich,
Cisterciensermönch, n. der
commentarias in cantica
canticoram 308.
Walfila s. Ulfila.
X.
Xenophon, s. Gyropädie a.
Ambrosias 296.
Z.
Zeno, Bischof von Verona 334;
a. Potamias 284.
Zeno, Rhetor, a. SalpitiasVictor
167.
Zosimas a. Ammianas 91; a.
die sog. epitome Caesaram
69.
ZwOlftafelgesetz a. die Mosai-
caram et Romanaram legam
collatio 327.
■ * ■
•I
I
c
I
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Ibettete unb ftatt Detmel^Tte tCuftage. 1903. fit. 8«. Stit mcl^T al« 750 «TbiUbRngni im Xtjsi
nnb ao^treid^rn Seilagen. 3n feinfiem ^alMebetlbanb 15 Jl
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(mit SitelgratJÜte nad^ Sif^bein« Ooetl^e in 3talien). 8.~ft.)(uft. 33 8og. ^n eleg. Seinenbanbe duK;
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47 Sog. 3n eleg. Seinenbanbe 8 ul ; in f. Siebl^alberianb 10uit50^ (6oebenerf(|icnen!)
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lUK 20^
J. Köberle: Natur und Geist nach der Anffasning des alten Testaments, sine Untersuchung
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Sebendfragen. «u« ben $a^ieren eine« 3)enler« bcaibeitet unb l^etaufgegebcn bon «ttf at Ct^etl. 2. «uf<
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C. BL Beok*sche Verlagebüchhandlnng (Oskar Beck) in Mflnchen,
Nene Enrehelnungen (FortMtnmg).
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i^and 8JK; Haibfttuizbaud 8^1 50 «^
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