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Full text of "Geschichte der römischen Litteratur bis zum Gesetzgebungswerk des Kaisers Justinian"

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HAJ^DBUCH 

DER 

KLASSISCHEN 

AUERTÜMS-WISSENSCHAE ' 

in systematischer Darstellung 

mit besonderer Rücksicht auf Geschichte und Methodik der einzelnen 

DiszipUnen. 



In Verbindung mit Gymn.-Rektor Dr. Autenrieth (Nürnberg), Prof. Dr. Ac 
Bauer (Graz), Prof . Dr. Blass (Halle), Prof. Dr. Brugmann (Leipzig), Prof.D) 
Busolt (Kiel), Geh.-Rat. Dr. v. Christ (München), Prof. Dr. Gleditseh (Berlin 
Prof. Dr. 0. Gruppe (Berlin), Prof. Dr. Günther (München), Prof. Dr. Heerdege 
(Erlangen), Prof. Dr. Hommel (München), Prof. Dr. Hübner (Berlin), Priv.-Dos 
Dr. Judeich (Marburg), Prof. Dr. JuL Jung (Prag), Prof. Dr. Krumbache 
(München), Prof. Dr. Larfeld (Remscheid), Dr. Lolllngr t (Athen), Prof. Di 
Niese (Marburg), Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Nissen (Bonn), Prof. D] 
Oberhummer (München), Priv.-Doz. Dr. Öhmichen (München), Prof. Di 
Pöhlmann (Erlangen), Gymn.-Dir. Dr. 0. Richter (Berlin), Prof. Dr. Schan 
(Würzburg), Geh. Oberschulrat Prof. Dr. Schiller (Giessen), Gymn.-Db 
Sehmalz (Tauberbischofsheim), Prof .Dr. Sittl (Würzburg), Prof. Dr. F. Stenge 
(Berlin), Prof. Dr. Stolz (Innsbruck), Priv.-Doz. Dr. Traube (München), Pro! 
Dr. ünger (Würzburg), Geh.-Rat Dr. v. ürllchs f (Würzburg), Prof. Dr. Morlt 
Voigrt (Leipzig), Gymn.-Dir. Dr. Volkmann f (Jauer), Prof. Dr. Windelbam 

(Strassburg), Prof. Dr. Wlssowa (Halle) 

, herausgegeben von 

Dr. Iwan von Müller, 

ord. Prof. der klaasischen Philologie in München. 



■* <■» 



Achter Band, Dritter Teil. 

Geschichte der römischen Litteratur 

bis zum Gesetzgebungswerk des Kaisers Justinian. 



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MÜNCHEN 18de 
C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG 

OSKAR BECK. 



GESCHICHTE 



DER 



RÖMISCHEN LITTERATÜR 





1 







Von 



Martin Schanz, 

ord. Profenor an der ünivenität WünbnrK. 



Dritter Teil: 



Die Zeit von Hadrian 117 bis anf Constantin 324. 




cr_a>m>a>«,4tia 



^«*D<2*> 



HÜNGHEN 1896 
C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG 

OSKAR BECK. 



V.3 



Alle Rechte vorbehalten 



0. II. Deck'üche BnchflrHckerei in NonlUngen. 



Vorrede. 



Später als ich gedacht habe, kann ich den dritten Teil meiner 
römischen Litteraturgeschichte dem Publikum vorlegen. Verschiedene 
Umstände traten einem früheren Erscheinen hindernd in den Weg. 
Die Ausgabe der platonischen Apologie mit Kommentar nahm meine 
Kräfte längere Zeit in Anspruch; es kam hinzu die Ausarbeitung 
einiger neuen Vorlesungen; endlich musste ich mich mit den Haupt- 
ergebnissen der Theologie bekannt machen, um ein Verständnis der 
zu behandelnden Autoren zu erzielen. Diese Studien waren zwar sehr 
zeitraubend, allein sie gewährten mir, wie ich offen gestehe, das grösste 
Interesse. Werke wie: Pfleideeier, Geschichte des Urchristentums, 
BlTSCHL, Geschichte der altkatholischen Kirche, Harnack, Dogmen- 
geschichte, Weizsäcker, Das apostolische Zeitalter der christlichen 
Kirche, HaüSRATH, Neutestamentliche Zeitgeschichte, Zahn, Geschichte 
des neutestamentlichen Kanons, DÖLLINGER, Hippolytus und Kallistus, 
Hagemann, Die römische Kirche, Hatch, Die Gesellschaftsverfassung 
der christlichen Earchen im Altertum, Hatch, Griechentum und Christen- 
tum, um nur einige hervorragende zu nennen, haben mir reiche Be- 
lehrung und grossen Genuss verschafft. 

Der Schwerpunkt des vorliegenden Bandes liegt in der patri- 
stischen Litteratur, da in unserer Periode kein nationaler Schrift- 
steller ersten Hanges auftritt. Was die Behandlung der christlichen 
Autoren anlangt, so stand mir von vornherein fest, dass dieselben 
zwar gesondert von den heidnischen, aber nach denselben Grundsätzen 
wie diese besprochen werden müssen. Ein Eingehen auf theologische 
Fragen war unvermeidlich; es ist z. B. ganz unmöglich, TertuUian zu 



VI Vorrede. 

verstellen und zu würdigen, wenn man nicht eine klare Einsicht von 
dem Wesen des Montanismus gewonnen hat. Selbstverständlich dürfen 
in einer Litteraturgeschichte die theologischen Probleme sich nicht vor- 
drängen; ich hoffe die richtige Grenze eingehalten zu haben. 

Der Druck des Bandes hat sich durch äussere Umstände, die 
meinem Willen entrückt waren, sehr verzögert; er hat nahezu ein 
Jahr in Anspruch genommen. Ich glaube dies bemerken zu müssen, 
damit mir das Fehlen der inzwischen erschienenen Litteratur nicht zur 
Last gelegt werde. Bei der schwierigen Korrektur haben mich mehrere 
Freunde bereitwilligst unterstützt; zweien dieser Freunde muss ich 
öffentlich meinen Dank aussprechen, es sind dies der Herr Gymnasial- 
lehrer Dr. Hermann Sörgel in Nürnberg, der mir bereits früher 
nützliche Bemerkungen, die sich aus dem Studium des ersten Bandes 
meiner Litteraturgeschichte ergaben, mitgeteilt, und Herr Privat- 
dozent Dr. Karl Weyman, den alle Fachgenossen als feinen Latinisten 
und ausgezeichneten Kenner und Forscher auf dem Gebiete der patri- 
stischen Litteratur schätzen. Sörgel hat bei der Revision eines Teiles 
der Druckbogen freundlichst mitgewirkt, während Weyman sämtliche 
Bogen durchzusehen die grosse Güte hatte. 

So möge denn dieser Band hinausgehen und die gleiche Gunst 
und Beachtung finden, wie die zwei vorausgehenden. Der vierte Band 
dürfte, so Gott will, in kürzerem Zwischenräume folgen. 

Zum Schlüsse möchte ich noch alle Benutzer meiner Litteratur- 
geschichte bitten, ihre Bemerkungen mir gefälligst zukommen zu lassen. 
Besonders für den ersten und zweiten Band wären mir solche Mit- 
teilungen, die mir übrigens bereits von mehreren Seiten zur Verfügung 
gestellt wurden, sehr willkommen. Denn da von dem ersten Bande 
alle Exemplare und von dem zweiten nahezu alle vergriffen sind, so 
muss eine zweite Bearbeitung in nicht allzuferner Zeit in Angriff 
genommen werden. 

Nur durch das Mitwirken der geehrten Fachgenossen kann mein 
Werk zu einer relativen Vollkommenheit gebracht werden. 

Würzburg im Monat April 1896. 

Professor Martin Schanz. 



A. 

Inhaltsverzeichnis zum dritten Band. 



Seite 

EInleitong. 

503. Allgemeine Übersiebt 1 

504. Gliederong 2 

Zweiter Teil. 
Die römlBOlie Iiitleratur In der Zeit der Honareliie. 

Zweite Abteilung. 
Die Zeit Ton Hadrian (117) bis auf Constantin (824). 

A. Die nationale Litteratur. 

Die Stellung der Kaiser zur nationalen Litteratar. 

505. Hadrianufl (117-138) 7 

506. Hadrians Scbriftstellerei 9 

507. Die Antonine 11 

508. Septimius Severus (193-211) 15 

509. Alexander Severus (222—235) 17 

510. Die Gordiane 19 

511. Die übrigen litterariscben Kaiser 20 

a) Die Poeaie. 

1. Die po6tae neoterici. 

512. Die Richtung der po&ae neoterici ......... 21 

513. Die einzelnen Dichter der Schule 22 

Annisno«' FeMsenoinl und FallBca 8. 22; Sepilmins Serenua* opuicula ntraUa S. 23; 
Alphloa Avlttu* UM exc^Uenthtm & 24; HarUnns mit seinen Lnperoali» B. 24. 

2. Terehtianns Maurus. 

514. Die versifizierten Lehrbücher der Metrik von Terentianns .... 25 

3. Q. Serenus. 

515. Die versifizierten Rezepte des Q. Serenus 27 

516. Der Verfasser des Gedichts 28 

4. M. Aurelius Olympius Nemesianus. 

517. Die C^negetica des Nemesianus 29 

518. Die vier Eklogen des Nemesianus 31 

5. Die Spruchdichter. 

519. Die Disticha des sog. Cato 32 

520. Würdigung der Disticha . 34 

521. Das Fortleben der Disticha 35 

522. Die Monosticha - 36 

6. Andere anonyme Dichter. 

523. Zerstreute Gedichte 36 

Dm Gebet zum OceAnnaaS?; D«e Buderlied 8. 87 ; PonticA8. 87; Epiatola Didonla 
•d Aeneftm 8. 87 ; Yerba AckilUs in p«rihenone, com tnbun Diomedla «udiret 8. 37. 



VIII InhaltsverzeichniB zum dritten Band. 

Seite 

7. Vespa. 

524. Yespas Wettstreit zwischen Koch und Bäcker 38 

8. Reposianus 

525. De concuhUu Martis et Veneris 39 

9. Pentadius. 

526. Versus echoici und Epigramme des Pentadius 40 

10. Hosidius Geta. 

527. Die Tragödie Medea, ein vergilischer Cento 40 

Andere Dichter des Zeitalters: T. Gaonliis Taurinus S. 41; Q. Tullius Maximna 8. 41; 
ürsus 8. 41 ; Jnllus Paulus 8. 41 ; der Mlmograph Leotulns 8. 41 ; Der Mlmograpb HosUlltia 8. 41 ; 
Der Mlmograph Marullus 8. 41; Der Epiker Glemcus 8. 41 ; Toxotius 8. 41 : Albinus 8. 41; M. 
Caeciiins NovatillianuB 8. 41 ; Modestinus 8. 41. 

b) Die Prosa. 

of) Die Historiker. 

1. G. Snetonius Tranquillus. 

528. Sein Leben 42 

€() Die erhaltenen Schriften Suetons. 

529. Suetons XII Kaiserbiographien (de vita Caesarum) 43 

530. Charakteristik der Eaiserbiographien ...:.... 44 

531. De grammaticis et rhetoribus 46 

Die tita Terentlnl 8. 47; Die vita HoraU 8. 47; Die viUt Lucani 8. 47; Die Erörte- 
rungen über die Gattungen der Poesie 8. 47; Die vita Paasieni Criapi 8. 47; Die vita des älteren 
Plinius 8. 47. 

ß) Nichterhaltene Schriften Suetons. 

532. Die verlorenen Schriften Suetons nach Suidas 48 

Ueber die Spiele der Griechen 8. 4tf; üeber die römischen Festspiele 8. 4tl; Ueber das 
römische Jahr 8. 49; Üeber die Zeichen in den Schriften 8.50; üeber die Ciceronische Schrift 
vom Staate 8. 50; üeber die Kleider 8. 50; Ueber Schmäh Worte 8. 50; über römische Gebräuche 
und Sitten 8. 51. 

533. Andere verlorene Schriften 51 

üeber die öffentlichen Aemter 8. 51 ; üeber die körperlichen Gebrechen 8. 51 ; üeber 
berühmte Hetären 8. 51 : üeber die Könige 8. 51 ; üeber Verschiedenes 8. 52. 

534. Suetons Roma und Pratum 52 

535. Rückblick 53 

536. Nachleben Suetons 54 

2. P. Annius Florus. 

537. Bellorum Romanorum libri duo 56 

538. Charakteristik 58 

539. Der Dichter Florus 60 

540. Pervigilium veneris (die Nachtfeier der Venus) 61 

541. Der Rhetor Florus 62 

542. Verhältnis der drei Flori 63 

3. Lucius Ampelius. 

543. Der über memoricUis des Ampelius 65 

4. Granius Licinianus. 

544. Römische Geschichte von Licinianus 67 

5. Marius Maximus und Junius Cordus, 
die vornehmsten Quelienschriftsteller der historia augusta, 

545. Einleitendes 69 

546. Die Eaiserbiographien des Marius Maximus 70 

547. Die Kaiserbiographien des Cordus 72 

6. Die übrigen von den scriptores historiae augustae citierten Autoren. 

548. Andere Quellen der historia augusta 73 

Lollius Ürbicus 8. 74 ; Volcaclus Terentianus 8. 74 : Aemillns Parthenianus 8. 74 ; Acho- 
lius 8. 74; Fabius Oeryllianus 8. 74; Valerius Marcellinus 8. 74; Curlus Fortunatianus 8. 74; Fa- 
bius Marcellinus 8. 74; Statins Valens 8. 74; Aurellus Vems 8. 74; Septimius 8. 74; Enoolplus 
8.74; Aurellus Philippus 8. 74; Palfurlus 8ura 8. 74; Suetonius Optatianus 8. 74; Aurellus 
FestlTUs 8. 74; Oneslmus 8. 74: Fnlvius Aitprianus 8. 74; Claudius Eusthenius 8. 75: Helius 
Blaurus 8. 75; Aelius Sablnus 8. 75; Caelestinus 8. 75; Maeonius Astyanax 8. 75: Julias Athe- 
rianus 8. 75; Oallns Antlpater 8. 75; Asclepiodotiu 8. 75; Oomelius Oapitolinos 8. 75; Dagellios 
ruscus 8. 75; M. Salyidlenus 8. 75. 



InhaltBTerBeichniB znin dritten Band. IX 

Seite 
ß) Die Redner. 

1. M. Cornelias Fronto. 

549. Sein Leben 75 

550. Die Entdeckung der Frontonianischen Briefsammlung 77 

551. Die Bestandteile der Überlieferten Korrespondenz Fron tos . . * . 78 

Die KorrespoDdenz Frontoe und des ThroDfolgen MarcuB 8. 78; die Korreapoudenz 
Frontoe mit dem Kaiser Msrcos 8. 78; Der Briefwechsel mit Verus 8. 79; Bhctoriscbe Spesial- 
korreapondenz mit dem Kaiser Ifarcas de orationibu$ 8. 79; Die Korrespondenz mit Antoninus 
Pins 8. 79 ; Korrespondenz mit den Freunden 8. 79 ; Princinia kiiloriae 8. 79 ; Laude» fwmi et 
pmheriM und taudee negkgentiae 8. 79; De belle Fartkiee 8. 79; De feriU AUientibu» 8. 80; De 
mepete mmiue 8. 80; Arion 8. 80; Oriechische Stüclce 8. 80. 

Verlorene Beden: Lobreden auf den Kaiser Hadrlan im Senat 8. 80; Daukreden an 
Plus für die Erteilung des Konsulats 8. 80; Dankrede für die Karthager 8. 81; Die Bede für 
die Bitbyner 8. 81 ; Bede für die Einwohner yon Ptolemais 6. 81 ; Bede gegen Herode« Attious 
8. 81 ; Die Bede für Demonstratus Petilianus 8. 81 : Beden für Saenius Pompeianus 8. 81 ; Bede 
gegen Pelops 8. 81 : Die Schrift Frontoe gegen die Ohrtaten 8. 81. 

Apokryphe Schriften 8.81. 

552. Gbarakteristik Frontos 81 

2. Apuleius aus Madaura. 

553. Sein Leben 85 

554. Uebersicht der Apnleischen Schriftstellerei 87 

1. Die Metamorphosen. 

555. Orundriss des Romans 88 

556. Die Quelle des Romans 91 

557. Die Einlagen des Romans 93 

1. Die Bache der Zauberin Merod an Sokrates 8. 94; 2. Die Verstümmelung Tclypfarona 
8. 94; 8. Die Heldenthaten der drei umgekommenen Bäuber Lamaohus, Alcimus und Thrasyleon 
8.94; 4. Amor und Psyche 8 94; 5. Die Heldenthaten des thraclBchen B&ubers Haemus 8.94; 
6. Die Bache der Charite 8. 94; 7. Die grausame Bestrafung eine« ehebrecherischen Sklaven 
8. 94; 8. Die List einer Frau, die ihren Oalan in ein Fass versteckt 8. 94; 9. Das ehebrecherische 
Liebesabenteuer des Philetaerus 8. 94; 10. Der versteckte Liebhaber H. 94; 11. Die Ba<>he der 
von ihrem Stiefeohn mit einem Liebesantrag zurückgewiesenen Mutter und ihre Bestrafung 
8. 94; 12. Die grausen Thaten einer Oiftmiscberin 8. 94; 13. Der Schwank des Pytias 8. 94; 
14. Der Tod des boshaften Knabf^n S. 94 ; 15. Die Geschichte von dem Drachen S. 95 ; 16. Der 
Tod des Müllen 8. 95; 17. Der schreckliche Tod der drei Brüder 8. 95. 

558. Das Märchen von Amor und Psyche 95 

559. Charakteiistik des Romans 97 

2. Die Reden. 

560. Die Apologie des Apuleius 99 

561. Die Florida des Apuleius 101 

3. Die philosophischen Schriften. 

562. De Piatone et eins dogmate 103 

563. De deo Socratis 106 

564. De mundo 108 

4. Die verlorenen Schriften. 

565. Verlorene Gedichte 109 

Lmdicra; Carmina amateria; JlysMi in Ae»cuUq^ium; Canun de tirhiHbut Orfiti; MetrlBche 
Üebersetzungen. 

566. Der Roman Hermagoras 110 

567. Historisches 111 

568. Verlorene Reden 111 

Die Bede über Aesoulap; Die Bede über die für ihn beantragte Mtatue; Die Bede, die 
Apuleius vor dem Prokonsul von AfHka, LolUanos Avitua, hielt; Danksagung an die Karthager 
für die ihm zuerkannte Statue. 

569. Verlorene wissenschaftliche Werke 111 

Naturale» qmaeiHenee 8. 111 a) de »iicibtu fi) de arberibua Y) de re nuHca d)medieitMUa 
8) astronomisches; De arilkmeiiea 8. 112; De wuuiea 8. 112. 

570. IJehersetzung des platonischen Phaedo 113 

5. Die apokryphen Werke. 

571. Asclepius 113 

572. De herbarum medicaminihus ^ 114 

578. De remediis salutaribus 115 

574. Physiognomonia 115 

575. Rückblick 116 

576. Fortleben des Apuleius 117 



X InhaltsyerEeichnis sum dritten Band« 

Seite 
3. Julius TitianuB, Vater und Sohn. 

577. Die SchriftoteUerei der beiden Titiani 120 

Der Bhetor ^tonlvi Jnlianna. 

4. Die Panegyriker. 

578. Die Sammlung der Panegyriker 121 

579. PanegyrikuB an Maximian von 289 (10 = II) 123 

580. Der Genethliacus Maximiani (11 = III) 123 

581. Des Eumenius Rede für den Wiederaufbau der Schulen in Autun (9 = IV) 125 

582. Die Rede vor Gonstantius (8 = 7) 126 

583. Die Rede zur Feier der Hochzeit des Gonstantin und der Fausta (7 = VI) . 128 

584. Lobrede auf Gonstantin (6 =: VII) 129 

585. Dankrede an Gonstantin im Namen von Augustodunum (5 = VIII) . . 130 

586. Beglückwünschnng des Gonstantin zu seinem Siege über Maxentius (12 = IX) 131 

587. Der Panegyrikus des Nazarius auf Gonstantin (4 = X) . . . . 132 

588. Die Autoren der zweiten Sammlung 133 

589. Die Reden des Eumenios 133 

590. Die übrigen anonymen Reden 135 

591. Gharakteristik der Panegyriker 136 

5. Der Deklamator Galpurnius Flaccus. 

592. Die Auszüge aus den Deklamationen des Galpurnius Flaccus . . 138 

DeetamaÜo in L, Serfmm CoHUnam 8. 189. 

y) Die Fachgelehrten» 

1. Die Grammatiker und Metriker. 

1. L. Gaesellius Vindex. 

593. Die Gassiodorischen Excerpte 139 

2. Q. Terentius Scaurus. 

594. Terentius über die Orthographie 140 

595. Verlorene Schriften des Scaurus 142 

3. VeliuB Longus. 

596. VelioB Longus de orthographia 143 

4. G. Sulpicius ApoUioaris. 

597. Die metrischen Argumente und die grammatischen Untersuchungen des Sul- 
picius Apollinaris 144 

5. Aemillus Asper. 

598. Die Kommentare des Aemilius Asper 146 

6. Flavius Gaper. 

599. Die unter dem Namen Gapers überlieferten Schriften 147 

Verlorene Bohriften 8. 148. 

7. Statillus Maximns. 

600. Sammlung von Singularia 148 

T. StettliQB MazüniiB Serems 8. 149. 

8. Helenius Acro. 

601. Die Schriften Acres. Pseudoacron 149 

9. Pomponius Porphyrie. 

602. Der Horazkommentar Porphyrios 151 

10. G. Julius Romanus. 

603. Die atpoqfjiaL des Julius Romanus 152 

11. Marius Plotius Sacerdos. 

604. Aeussere Geschichte der Grammatik des Sacerdos 153 

605. Würdigung der Grammatik des Sacerdos 154 

Die übrigen Grammatiker 8. 156; ürbanus, P. Lavlniitf, Yellas Oeler, Aellns MeUaras, 
Aimntlaa Oebn», Polllo. 

Der sog. Apuleina minor 8. 156. 

12. Der Metriker Juba. 

606. Das metrische Handbuch Jubas 1^6 



InhaltaYeneiohnia zum dritten Band. 



XI 

Seite 



2. Die Antiquare. 

1. A. Gellios. 

607. Sein Leben 158 

608. Die noctes ÄUicae 159 

609. Gharakteriatik 161 

2. Sammonicus Serenus. 

610. Die gelehrten Schriften des Sammonicus Serenus 162 

3. Cornelius Labeo. 

611. Labeos Schriften über Sakralaltertümer 168 

BruUina 8. 164. 

3. Die Juristen. 

612. Allgemeines 164 

1. Salyius Jnlianns. 

613. Die Redaktion des edictum perpetuum 167 

614. Die selbständige Schriftstellerei des Salvius Julianus 169 

2. Sex. Pomponius. 

615. Das Enchiridion des Pomponius 170 

3. L. Volusius Maecianus und andere zeitgendssische Juristen. 

616. Das metrologische Hilfsbüchlein des Volusius Mäcianus 171 

Andere Jartoteu euc der Zeit der Antonine S. 172; Terentiue demene, Jonius Metiri- 
danne, Yennleiai Sfttumlniu, Ulplns lEaroelliu. 

4. Gaius. 

617. Biographisches 173 

618. Die Entdeckung der Institutionen des Gaius 174 

619. Skizze der Institutionen des Gaius 175 

620. Charakteristik 176 

5. Q. Cervidius Scaevola und andere zeitgenössische Juristen. 
619 ^ Die Schriften des Q. Cervidius Scaevola 178 

Andere Eeitgenteiache Jnrieten 8. 179; Papirios JoBtua, Turrutenliu Fatemns, Floren- 
tinna, Faplrioa Fronto. 

6. Aemilius Papinianus und andere zeitgenössische Juristen. 
620*. Die Schriften des Aemilius Papinianus ' . . 179 

Andere zeitgentelache Jnrlaten: Oalliatratna S. 181; Clandiua Tryphoninua B. 181; Ar- 
rlna Menander 8. 188; TertaUümna S. 182. 

7. Domitius Ulpianus. 

621. Die Schriftstellerei Ulpians 182 

623. Ulpians liber singularis regularum 184 

624. Die Institutionen ulpians 185 

Die ftbrlgen Schriften Ulpiana 8. 185. 

8. Julius Paulus. 

625. Die Schriftstellerei des Julius Paulus 185 

626. Sententiarum ad ßium l. V 186 

Die übrigen Schriften Paolna & 187. 

9. Herennius Modestinus und andere zeitgenössische Juristen. 

627. Die Schriften des Herennius Modestinus 188 

Die übrigen Schriften dea Herennint 8. 189. 

Andere seitgenöaaiaohe Jnrlaten 8. 189; Aelioa Mardanua, Aemlllna Ifacer, Jnlina Aqnila, 
Fnrlna Anthianna. 

10. Gregorius und Hermogenianus. 

628. Der Codex Gregorianus 189 

629. Der Codex Hermogenianus, die Ergänzung des Codex Gregorianus . 190 

11. Anonyme juristische Schriftsteller. 

630. Anonyme juristische Fragmente 191 

1. De grüÜhu» (aber die Verwandtachaftagrade; 8. 191 ; 2. Db iure (Ud (über daa Becht 
dea Flakna) 8. 192; 8. Fragmenhm Dotilkemum oder fragmenhim äe imrit ipeeiebut et uumu- 
miBtiamUm 8. 192; 4. Fragmentim de iuäidii B. 192; 5. Daa ProrinaialTerselohnia vom Jahre 297 
8.198. 

631. ROckhlick, Die verschiedenen Formen der juristischen Litteratur . 193 



Xn InhaltsverzeichniB zam dritten Band. 

Seite 
4. Die Schriftsteller der realen Fächer. 

1. Censorinus. 

632. Des Censorinus Geburtstagsschrift (de die natali) 196 

633. Das sog. Fragmentum Censorini 198 

2. Q. Gargilius Martialis. 

634. Das landwirtschaftliche Werk des Gargilius Martialis 198 

635. Die erhaltenen Auszüge aus dem Werke 200 

3. C. Julius Solinus. 

636. CoJlectanea rerum memorabilium 201 

B. Die C'hrlstliehe Liitcraiur. 

637. Einleitung 204 

a) Der Kampf des ChrlBtentnms mit der Staatsgewalt. 

638. Die rechtliche Stellung des Christentums 205 

639. Nero (54-68) 206 

640. Domitian (81- 96) 208 

641. Traian (98-117) 208 

642. Hadrian (117-138) 210 

643. Antoninus Pius (138-161) 212 

644. Marcus Aurelius (161—180) 214 

645. Septimius Severus (193—211) 216 

646. Maximinus Thrax (235-238) 217 

647. Decius (249—251) 218 

648. Valerianus (253—260) 219 

649. Diocletian (284—305) 220 

650. Constantinus (306—324) .221 

651. Rückblick 224 

ß) Der Kampf des Cbristentuma mit der heidnischen Weltanschauung. 

652. Die heidnischen lateinischen Schriftsteller und das Christentum . . . 225 

Die einzelnen Werke der christlich-lateinischen lAtteratur, 

653. Vorbemerkungen 228 

1. M. Minucius Felix. 

654. Allgemeines 229 

655. Inhalt des Octavius 230 

656. Tendenz und Zeit der Schrift 233 

657. Charakteristik des Dialogs 236 

2. Der römische Papst Victor I. 189—199. 

658. Die Schriftstellerei Viktors 239 

3. Quintus Septimius Florens TertuUianus. 

659. Biographisches 240 

660. Anordnung der Schriften Tertullians 241 

A. Vormontanistische Werke. 
a) Antinationale Schriften. 

661. üebersicht 242 

662. Ad nationes 242 

663. Äpologeticus 246 

664. De testimanio animae (vom Zeugnis der Seele) 249 

665. Ad martyras (Trostschrift an die Märtyrer) 249 

666. De spectaculis (über die Schauspiele) 250 

667. De idololatria (über den Götzendienst) 251 

668. De cultu feminarum l. II (gegen den Frauenputz) 252 

ß) Christlich-praktische Schriften. 

669. üebersicht 253 

670. De haptismo (über die Taufe) 254 

671. De oratione (über das Gebet) 254 

672. De poenit^ntia (über die Busse) 255 

673. De patienfia (über die Geduld) 256 

674. Ad uxorem l. II (über Aufrechterhaltung des Witwenstandes) . . . 256 



InhaltaTeneiohnis siim dritten Band. TTTT 

Seite 
y) Antibftretische Schriften. 

675. üebersicht 258 

676. De praescriptione haereticorum (Ober die Einrede gegen die Häretiker) 258 

677. Adversus ludaeoa 259 

B. Werke aus der montanistischen Zeit. 

678. Der Montanismns 260 

a) Antinationale Schriften. 

679. üebersicht 262 

680. De Corona (gegen die Bekränzung der Christen) 262 

681. Ad Scapulam (an Scapula gegen die Verfolgung der Christen) 263 

682. De fuga in peraecutione (über die Flucht bei einer Christen Verfolgung) . 264 

683. Scorpiace (gegen die gnostische Verwerfung des Martyriums) 265 

ß) Christlich-praktische Werke. 

684. üebersicht 265 

685. De pallio (Schutzschrift für das Tragen des Philosophenmantels) . 266 

686. De virginibus telandis 267 

687. De exhortatione caatitatis (Erm&hnvmg zur Züchtigkeit) .... 268 

688. De monogamia (über die Einehe) 269 

689. De ieiunio adversus psychicos (über das Fasten) 269 

690. De pudicUia (über die Keuschheit) 270 

y) Antihäretische Werke. 

691. üebersicht 271 

692. Die Gnosis 271 

693. Adversus Hermogenem (gegen die Ewigkeit der Materie) .... 273 

694. Adversus VaJentinianoH (gegen die valentinianische Gnosis) .... 274 

695. Die Häresie Marcions 276 

696. Der Antimarcion 278 

1. Adtersut Marciontm /. / (gegen die Annahme zweier Gottlieiten) 8. 278; 2. Adverau» 
Marcionem L II (Identität des alttostamentliohen Ootteii mit dem guten Gott) 8. 279; S AdvtrtuM 
Mareümem I. III (gegen die ChriRtologlo Marolona) 8. 280; 4. Adeertua Mareionem l. IV (gegen 
das Evangelium Marciona 8.281; 5. Adrernu Mareionem I. V (gegen daa ApoatoUcum Marclonit) 
a281. 

697. Adversus Praxeam (gegen den Monarchianismus in der Trinitätslehre) . 283 

698. De anima (über die Natur der Seele) 285 

699. De earne ehristi (über den Leib Christi) 290 

700. De resurrectione carnis (über die Auferstehung des Fleisches) . 291 

701. Die verlorenen Schriften Tertullians 292 

1. De ipe Melimm (über die HolTnung der Gläubigen) B. 2^; 2. De parudiso (von dem 
Paradies) B. 298; S. Adtertua ApelteiacoM (gegen die Anliänger des Apelles) 8. 293; i. De eeiuu 
MtsM« adtertUB HenHogenem 8. 294; 5. De falo 8. 295; 6. De eesioMt Ubri VII 8. 295; 7. De Aaren 
teMtihm* 8. 296; 8. Lt6er ad amicum philetopkum 8. 296; 9. De carne et anima 8. 297 ; 10. De animae 
sukmi$$iene 8. 297; 11. De $uper$HUone $aeculi 8. 297; 12. De $peclaculi» 8. 297; 13. De bapii$mo 
8. 297 : 14. De nrginibma veiandii 8. 297. 

702. unechte Schriften 297 

1. Frag$nenUm Vatieamm {de eieerandit gentium diia) 8. 297 ; 2. Fragmenitm Fuldeme 8. 298 ; 
3. LiMlu» adeersnn emnee kaereae$ 8. 2^9. 

703. Charakteristik Tertullians 299 

704. Fortleben Tertullians 801 

4. Thascius Caecilius Cyprianus. 

705. Quellen zum Leben Cyprians 302 

706. Biographisches 303 

707. Die Schriftstellerei Cyprians 306 

a) Cyprians Traktate. 

708. Ad Donatum (gegen das Heidentum für das Christentum) .... 308 

709. De habitu virginum 810 

710. De lapsis (über die in der Verfolgung Abgefallenen) 810 

711. De eatholieae ecclesiae unitate (über die Einheit der katholischen Kirche) 311 

712. De dominica oratione (über das Gebet des Herrn) 313 

713. Ad Demetrianum (gegen die Verleumdung des Christentums) . 313 

714. De martalUate (Trostschrift über den Tod) 315 

715. De opere et eleemosynis (über Wohlthätigkeit und Almosengeben) 310 

716. De hono patientiae (über den Wert der Geduld) 316 

717. De zelo et livore (über die Scheelsucht und den Neid) 317 



XIV 



718. 
719. 
720. 

721. 
7?2. 



723. 

724. 
725. 
726. 

727. 

728. 
729. 
730. 
731. 
732. 
733. 
734. 
735. 
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740. 
741. 
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743. 

744. 
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748. 



749. 
750. 
751. 

752. 
753. 

754. 
755. 
756. 

757. 
758. 
759. 

760. 



Inlialtsverzeiolmis snm dritten Band. 

Seife 

Äd Fartunatum de exhartatione martyrii (Aufmunterung zum Martyrium) . 318 

Ad Quirinum (Testimoniorutn libri III) 318 

Quod idola dii tum sint (über die Nichtgöttlichkeit der Götzen) . . 320 

ß) Gyprians Briefe. 

Uebersicht 320 

Briefe aus der Zeit der Flucht Gyprians (250—251) 321 

1. Das Oorpna der dreizehn Briefe 8. 821 ; 2. Die Korrespondenz mit Born 8. 828; 8. Die 
übrigen yor du Scbisma fallenden Briefe 8. 824; 4. Die auf das Schisma des Feliolsslmns sich 
beziehenden Briefe S. 824. 

Der Briefwechsel mit dem römischen Bischof Cornelius. — Das Schisma des 

Novatianns 325 

Der Streit Gyprians mit Stephanus von Rom (Briefe 67—75) . . . 326 

Briefe aus der Zeit der letzten Verbannung 328 

Briefe ohne Zeitangaben (1 -4 und 63) . 329 

Fttnf Briefe in vulgärer Sprache 330 

y) Apokryphes. 

Uebersicht 331 

De spectactdia (gegen den Besuch der Schauspiele von Seiten der Christen) 331 

De hono pudicUiae 332 

De laude martyrii 333 

Ad Novatianum (gegen Novatianus* Ansicht über die lapai) .... 334 

De rebaptismate 335 

Adversua aleeUares (gegen die Würfelspieler) 335 

De montibus Sina et Sion 337 

Adveraus ludcteoa 337 

De pascha camptäus 338 

Charakteristik Gyprians 339 

Fortleben Gyprians 340 

5. Novatianus. 

Biographisches 342 

Zwei Briefe Novatians 344 

De trinUate 346 

De cibis ludaicis (gegen das jüdische Speisenverbot) 348 

6. Commodianus. 

Persönliches 349 

Die instructiones Commodians 351 

Das Carmen apologeiicum 852 

Charakteristik 354 

7. Victorinus von Pettau. 

Leben und Schriftstellerei des Victorinus von Pettau 356 

1. Der Kommentar zur Apokalypse 8. 356; 2. De fabrica mwndi 8. 357 ; 3. Libellui advertut 
omnei hturesei S. 857. 

8. Arnobius. 

Biographisches 357 

Skizze des Werks 358 

Charakteristik 361 

9. L. Caecilius Firmianus Lactantius. 

Sein Leben 363 

Uebersicht der Schriftstellerei des Lactantius 364 

a) Erhaltene Schriften. 

De opificio Dei 365 

Aeussere Geschichte der Institutionen 367 

Inhaltsübersicht der Institutionen 368 

Die Epitome 374 

De ira DH 375 

Das Fragment de motibua animi 376 

ß) Verlorene Schriften. 

Die erste Gruppe der verlorenen Schriften 376 

1. 8.vropoiiion 8.376; 2. Dan Bodooporlenm 8.376; 3. Orammatlcus S. 377; 4. Ai Asciepiadem 
libri U 8. 877. 



InhaltflYeneiohniB sam dritten Band. XV 

Seite 

761. Die zweite Gruppe der verlorenen Schriften (Brief bücher) .... 377 

1. Aä Frpbmm ephlmUrmm UM lY 8. S77 ; 8. Ai Demetriamm epi$tularmm UM 11 S. 877 : 3. Ad 
Se9enm epiituUvmm UM 11 8. 878. — Angekündigte Sohriften 8. 878. 

y) Angezweifelte Schriften des Lactantios. 

762. De mortibus perseeüiorum 378 

763. Ueber den Autor der Schrift 380 

764. De ave Phoenice 383 

765. Charakteristik des Lactantius 385 

766. Fortleben des Lactantius 387 

10. Reticius von Autun. 

767. Die Schriften des Reticius 389 

Die Martyrien. 

768. Allgemeines 389 

769. Acta martyrum SeiUitanorum (die Prozessakten der Märtyrer von Scilli) 391 

770. Das Martyrium der Perpetua und der Felicitas (Passio S. Perpetuae et Fe- 
lieitatis) 392 

Uehersetzungen. 

771. Allgemeines 394 

772. Vorhieronymianische Hibelflbersetzungen. — Afra und Itala .... 395 

773. Die Fragmente der vorhieronymianischen lateinischen Bibelübersetzung 397 

774. Die übrigen Uehersetzungen 401 

1. Der ClemeiMbirief B. 401 ; 2. Der Banutltubrief 8. 402 : 8. Die Ignatiiubrlefe 8. 402 ; 4. Der 
Polykarpbrief 8. 403; 5. Pmil^r Herwtae 8. 403; 6. Irenäoe' Widerlegung der Hireeien 8. 403; 
7. Die Chronik dee HippolTtns 8. 404; 8. AnmtolU Über de rmüene patckali 8. 405; 9. Lehre der 
xwölf Apostel (Didache) 8. 405; 10. Dm ThomM-BYangeliain 8. 405; 11. Canon Mnratorlanui 
8.405. 

775. Rückblick. - Die Formen der christlichen Litteratur 408 



B. 

Zeittafel 



117—138 Hadrian. Redaktion des edictum perpetuum durch Salvius Jolianus (vor 129). 
Der Über memorialis des Ampelius. Aufnahme des Redners Fronte in den Senat. 
G. Calpumius Flaccus Legat in Lusitanien, wird mit dem in den Digesten vor- 
kommenden und mit dem Deklamator Calpurnius Flaccus identifiziert. Andere identi- 
fizieren den Deklamator mit M. Calpurnius Flaccus, Konsul vom Jahre 96. — 
Grammatiker: L. Caesellius Vindex, Qu. Terentius Scaurus und Velins Longus. Bald 
nach Hadrian ist die Blüte der Poetae neoteriei anzusetzen. 

119 Lohrede des Hadrian auf die Matidia. 

119 — 121 C. Septicius Glarus praefectus praetorio. Abfassung der vita Caesarum durch 
Sueton. 

126 Ballspieler Ursus, Verfasser einer metrischen Inschrift. 

128/9 Die adloctUiones Hadrians an seine Soldaten in Lambaesis in Afrika. 

136 Poetische Inschrift des T. Caesius Taurinus auf seinen Vater und poetische Inschrift 
des T. Statilius Maximus Severus auf der Memnonsstatue. 
c. 137 Bellorum Romanorum lihri duo des Florus. 

138—180 Antonine; um diese Zeit blühte der von Tertullian bekämpfte Häretiker Marcion ; 
der Historiker Granius Licinianus. In die Zeit des Antoninus Pius oder in die Zeit 
Hadrians fällt der Octavius des Minucius Felix. Die Juristen: Terentius Clemens. 
Junius Mauricianus, Venuleius Saturninus, Ulpius Marcellus. 

138—161 Antoninus Pius Das erste Buch der Institutionen des Gaius und der Anfang 
des zweiten wird bei seinen Lebzeiten abgefasst, das folgende nach dessen Tode. 
Unter ihm lebte der von Tertullian bekämpfte Gnostiker Valentinus. 

143 Der Redner Fronte Konsul, 
c. 150 Der Metriker Juba. 
C. 155 — 158 Apologie des Apuleius. 
c. 160 Qu. Sept. Florens TertuUianus geboren. 

161 — 180 Marcus Aurelius. Noctes Atticae des Gellius (c. 169). Der Mimograph Ma- 
rullus. Marcus Cornelius Fronte, Lehrer des Marcus Aurelius und Lucius Verus. 
Briefwechsel. Tod des Salvius Julianus. Zeitgenossen des Salvius Julianus : die 
Juristen Sex. Caecilius Africanus und Sex. Pomponius. 

163 Apuleius hält eine Lobrede auf den Prokonsul Scipio Orfitus. 

166/7-174/5 Papst Soter. 

169 Tod des L. Verus. 

174 Das Regen wunder im Markomannenkriege, 
c. 175—189 Papst Eleutherus. 

175 L. Volusius Maecianus, Lehrer des Marcus Aurelius in der Jurisprudenz, beteiligt 
sich an dem Aufstande des Cassius in Aegypten und wird hiebei erschlagen. 

177 Reskript des M. Aurelius gegen neue Kulte. 

179 Tarrutenius Patemus, der erste Bearbeiter des Militärrechts, kommandiert als prae^ 
fectu8 praetorio in dem Krieg gegen die Markomannen. 

180—192 Commodus. Papirius Justus publizierte unter demselben die Sammlung kaiser- 
licher Konstitutionen. 

180 (17. Juli) Prozess der Märtyrer von Scilli vor dem Prokonsul P. Vigellius Saturninus. 



Zeittafel XVIl 

189-198;9 Papst Victor I. 
c. 190 Die Grammatiker Aemilius Asper und Flavius Caper, Helenius Acre. 

198 -211 Septimitts Severus. Herum recondUarum lihri des Sammonicus Serenus. Der 

Jurist Qnintus Cervidius Scaevola, Lehrer des Sept. Severus und des Papinian. 
193 Pertinajc. Sein Lehrer 6. Sulpicius Apollinaris. Didius Julianus. 
197 Schlacht bei Lyon (19. Februar). Chnstenverfolgung in Afrika. Tertullians Apolo- 

getictts. 
201/202 Reskript des Septimius Severus gegen die Christen. 

201 Septimius Severus verbietet den Ueber&itt zum Judentum. 

202 Ausbruch der Christenverfolgung unter Septimius Severus. 
202/3 (7. Mftiz) Martyrium der Perpetua und der Felicitas. 

203 Ausbruch des Vesuvs; nach diesem Jahr ist das Erscheinen der Schrift Tertullians 
^dtf anima" anzusetzen. 

207 Das erste Buch des .Antimarcion* Tertullians in dritter Auflage. 
208—211 (wahrscheinlich 208) Tertullians Schrift „de palJio**, 
c. 210 Grammatiker Pomponius Porphyrie. Nach ihm lebte, jedoch noch im dritten Jahr- 
hundert, der Grammatiker C. Julius Romanus. 
210—240 Wahrscheinliche Entstehungszeit der afrikanischen Bibel. 
211 — 217 Antoninus Caracalla. 
211—212 Christenverfolgung in Afrika. 

211 (4. Februar) Severus Antoninus und Geta gewähren nach dem Tode des Sept. Sev. 
dem Volk eine Spende. 

(August oder September) Tertullians Schrift „de corona**, 
*;. 212 TeHuUians Schrift „ad Scapulam", 
212—217 Alleinregierung Caracallas. In diese Zeit fällt der grösste Teil der Schriften 
Ulpians („de officio procommlis"), 

212 Tod des älteren Sammonicus Serenus durch Caracalla. Aemilius Papinianus, der 
unter Septimius Severus praefectus praetorio war, wird von Antoninus Caracalla und 
Geta hingerichtet. Zeitgenössische Juristen: Callistratus, Claudius Tryphoninus, Anus 
Menander, Tertullianus. 

c. 218 Abfassung der sieben Bücher Tertullians „de ecatasi**, 

217—222 Elagabal und Papst Callistus. 
c. 217 sind anzusetzen die Scnriften Tertullians „de monogamia^ de ieiunio, de pudicitia", 

217 Macrinus. 
c. 218 Solinus. 

222—285 Alexander Severus. Die Juristen Domitius Ulpianus und Paulus unter ihm 

praefecti praetorio. Der jüngere Serenus Sammonicus. 
223 L. Marius Maximus Perpetuus Aurelianus, der wahrscheinlich mit dem Verfasser der 

Kaiserbiographien identisch ist, zum zweitenmal Konsul. 
226 — 244 fällt das urteil des Herenins Modestinus in dem Prozess der Walker. Zeit- 
genossen des Heren. Modest, sind die Juristen: Aelius Marcianus, Aemilius Macer, 
Julius Aquila, Funus Anthianus. 
228 Tod des praefectus praetorio Domitius Ulpianus durch die Prätorianer. 
235 Dejportierung der zwei Gegenbischöfe Pontianus und Hippolytus auf die Insel Sardinien. 
235—288 Maximinus; Julius Titianus sein Lehrer. 
288 Gordianus I. Censorinus „de die natali". 
288-244 Gordianus III. 

243 Abfassung der Schrift „de pascha eomptUus'^. 
244—249 Philippus Arabs. 

248 Das Millenarfest des römischen Staates. Die zwei ersten Bücher der Testimonia 
Cyprians. 

248/9 Cyprian wird Bischof. 

249—251 Decius; die Christenverfolgung unter ihm wird als die siebente gezählt. 

249 Abfassung des Apologeticum Commodians. Um diese Zeit lebte auch der Historiker 
Aelius Cordus. 

250-260 Grosse Pest in Karthago. 
250—251 Cyprian im Exil. 

250 Hinrichtung des Papstes Fabianus (20. Januar) ; die Goten überschreiten aufs neue 
die Donau. 

250 21. Januar— 251 Anf. März. Sedisvakanz zu Rom. Novatian richtet zwei Briefe an 
Cyprian. 

251—253 Gallus, Ausbruch der. Christenverfolgung (Juli 252). 

251 Cyprian kehrt (April) nach Karthago zurück. Bald nach Ostern Konzil in Karthago. 



XVin ZeittafeL 

c. 251 (vor der Ostersynode) schreibt Cyprian das Schriftchen „de lapsis*^; Abfassung < 
Schrift „ad Demetrianum" , 

252 Synode za Karthago. 

253 Aemilianus; (Mitte Juni) Tod des Papstes Cornelius. 

253 — 260 Valerianus. Cfisar des Yalerian: Valerianus iunior; Gardepräfekt BalHsta. 
253—257/8 Die Schrift „ad Navatianum*' . 
253—254 Papst Lucius. 
254—257 Papst Stephanus. 

255 Konzil in Karthago über die Ketzertaufe. 
255—256 fällt die Schritt „de rehaptismate*' , 

256 Zwei Konzile wegen der Ketzertaufe (Frühjahr und September). 
257—258 Papst Xvstus II. (Sixtus). 

257 Beginn der Christenverfolgung des Yalerian. In diesem Jahre erschien sein ersi 
Edikt gegen die Christen. Verbannung des Cyprian nach Curubis (September). 

258 Zweites Edikt Valeriana gegen die Christen. Verhaftung des Cyprian (13. Sept 
Hinrichtung desselben (14. Sept.). 

260 (26. Mftrz) wird dem Quintus Gargilius Martialis, der wahrscheinlich identisch 

mit dem gleichnamigen Historiker und landwirtschaftlichen Schriftsteller, ein Den 

mal gesetet. 
260-268 Gallienus. 
c. 260— 350 Wahrscheinliche Entstehungszeit der italischen Bibelübersetzung. 
268—270 Claudius IL 

270—275 Aurelianus, Gegner Firmus, 2ienobia, Tetricus senior. 
275 Tacitus. 

276—282 Probus, Gegenkaiser Satuminus. 
282-283 Carus. 

283 — 284 Cynegetica des Marcus Aurelius Olympius Nemesianus. 
284 Carinus und Numerianus. 
284—305 Diokletian; Sammlung der constiiutiones im codex Gregorianus. Etwas vc 

Diokletian f&llt die Schriftstellerei des Grammatikers Marius Plotius Sacerdos. 
289 Panegyrikus an Maximian. 
291 Der Genethliacus Mazimiani. 
297 Provinzialverzeichnis. Die Rede vor Constantius; des Eumenius Rede für den Wiedei 

aufbau der Schulen in Autun. 
c. 300 Der Dichter Reposianus. 
303 (23. Februar) Zerstörung der Kirche in Nikomedien ; (24. Februar) Anfang der die 

kletianischen Christenverfolgung. 

303 (März) erstes Edikt des Diokletian gegen die Christen. Ein Opfer der diokletianische 
Christen Verfolgung ist Victorinus von Pettau. Nicht lange nach derselben schreib 
Amobias sein Werk „adversua nationes**. 

303/4 Lactantius verfasst die Schrift de opificio. 

304 Der allgemeine Opferzwang wird eingeführt. 
304—311 Abfassungszeit der Institutionen des Lactantius. 
305/6 Abwesenheit des Lactantius von Bithynien. 

306 Tod des Constantius (25. Juli). Revolution des Maxentius. 
306 — 324 Constantinus im Kampfe um die Alleinherrschaft. 

307 Vermählung des Constantin mit der Fausta. Konferenz in Camuntum (11. November] 
Gefangennahme des Severus. Rede zur Feier der Hochzeit des Constantin und dei 
Fausta. 

310-314 Papst Melchiades (Miltiades). 

310 Constantm feiert seine Quinquennalien. Lobrede auf Constantin, gehalten in Trier. 
Toleranzedikt des Galerius wird abgefasst. 

311 Dankrede an Constantin im Namen von Augustodunum. Das Edikt des Galerius 
wird publiziert. 

312 (Oktober) Ende des Krieges des Constantin mit Maxentius. 

313 Mailänder Toleranzedikt des Constantin und Licinius in Sache des Christentums. 
Rede zur Beglückwünschung des Constantin zu seinem Siege über Maxentius. Con- 
stantin gewährt den Klerikern der katholischen Kirche Befreiung von den Personal- 
lasten. Synode von Rom in Sache der Donatisten. 

314—324 fällt erste Ausgabe des Codex Hermogenianus. 

316 Constantin verbietet die Brandmarkung der Verbrecher im Gesicht. 

317 (1. März) Crispus und der jüngere Constantin werden zu Cäsaren ernannt. Um 
diese Zeit wird Lactantius von Constantin nach <jallien als Erzieher des Crispus 
berufen. 



ZeitWeL XIX 

318 Coustantin verleiht den Bischöfen Gerichtsharkeiti verbietet die Entfährung eines 
Mädchens und regelt die Thätigkeit der Magier. 

319 Die Züchtigung der Sklaven wird von Constantin genau normiert. 

320 Beseitigt Constantin die Hindernisse, welche den ehelosen Klerikern in Bezug auf 
Erbrecht entgegenstehen, unterstellt das Recht des Vaters in Bezug auf Verkauf 
der Kinder einer Revision und regelt den Dienst der Haruspices. 

321 Einführung des Sonntags. Constantin verleiht der katholischen Kirche das Recht, 
Vermächtnisse anzutreten und Manumissionen vorzunehmen. Der Panegyrikus des 
Nazarius auf Constantin. Seine Tochter eine berühmte Rednerin. 

323 Der Opferzwang wird von Constantin aufgehoben. 

324 Niederlage des Licinius. Constantin Alleinherrscher des Reichs. Vor dem Kriege 
des Licinius mit Konstantin erschien die Schrift des Lactantius „de nwrtibus 
peraectUorum" , 

365 Letzte Ausgabe des Codex Uermogenianus. 



Berichtigungen und Zusätze. 

10 Z. 5 von unten füge hinzu: Dbhner, Laudatio Matidiae ed, Neuwied 1891. 
84 Mitte lies die .einzelnen* statt die .einzenen*. 
133 Note 1 lies .Sachs' statt .Saghs*. 
138 Anmerkung. Diese zwei noch unedierten Deklamationen des Chisianus sind jetzt von 

Otto Schwab herausgegeben im Archiv f. latein. Lexikogr. 9 (1896) p. 547. 
152 füge hinzu Lanoqraf, Ueber die Latinität des Horazscholiasten Porphyrion (Archiv 
für lai Lexikogr. 9 [1896] p. 549), der den Porph3rrion auch in die erste 
Hälfte des 3. Jahrhunderts setzt. 

178 lies 619« statt 619. 

179 ,620* , 620. 

223 Z. 15 von oben lies: .So verbot er unter schwerer Strafe". (Die drei letzten Worte 

sind bei der Korrektur an falsche Stelle geraten.) 
223 Anm. 3 lies 465 statt 165. 
290 Z. 10 von oben lies 202/3 statt 203. 
296 Z. 3 von unten lies virginitate statt virginate. 



Einleitung. 

503. Allgemeine Übersicht. Im vorigen Teil haben wir die Ge- 
schichte der römischen Litteratur bis auf Hadrian geführt. Mit diesem 
Kaiser tritt ein Wendepunkt in der litterarischen Produktion ein; das 
freie Schaffen fängt an zu erlöschen, die Reproduktion und die Nachahmung 
werden massgebende Faktoren der Litteratur. Den Verfall des geistigen 
Lebens charakterisiert besonders die Erscheinung, dass wir in unserem 
Zeitraum eine dichterische Leistung, welche diesen Namen verdient, nicht 
verzeichnen können. Auch in der Prosa haben wir in den Fächern der 
Geschichte und Beredsamkeit kein Werk ersten Rangs, kein Werk, das 
sich in die Weltlitteratur einreihen Hesse. In der philosophischen Pro- 
duktion aber ist völlige Ebbe. Die dem Schönen zugewandten Fächer 
trieben also keine Blüten mehr, ihre Wurzeln starben ab. Mit diesem 
Niedergang der schönen Litteratur ging Hand in Hand die Verschlechterung 
des Stils. Die geistige Öde fand hier einen ganz besonders prägnanten 
Ausdruck. Mit Hadrian erhob sich nämlich eine Richtung, welche längst 
abgestorbene Ausdrücke und Wendungen aus den alten Schriftstellern zu- 
sammensuchte, um mit denselben dem Stü einen pikanten Reiz zu verleihen. 
Der Stil wurde also buntscheckig und maniriert. und dieses Gtesetz des 
archaisierenden Stils wurde von einer ganzen Schule, welche in Fronte 
ihr geistiges Haupt verehrte, festgehalten. Sammlungen abgestandener 
Phrasen gehörten jetzt zu dem Handwerkszeug des Schriftstellers. Einer 
solchen Verkehrtheit konnte eine längere Zukunft nicht beschieden sein; 
sie musste wie ein Rauch sich verlieren. Aber eine andere für die Litte- 
ratur bedeutungsvolle Erscheinung erhielt Konsistenz, die Zweisprachigkeit. 
Nur in einer Sprache kann der Schriftsteller es zu voller Meisterschaft 
bringen. Bei zweisprachigen Autoren müssen sich die beiden sprachlichen 
Ideenkreise verschieben. Es ist bekannt, dass selbst die herrliche Sprache 
Chamissos den französischen Ursprung des Dichters nicht ganz verleugnen 
konnte, auch in Gibbons Englisch will man Spuren seines langen Aufenthalts 
in der Fremde wahrnehmen. Mit Recht hat daher der berühmte französische 
Pamphletist unserer Tage es vermieden, während seiner Verbannung eng- 
lisch zu reden, um seinen Stil, seine einzige Macht, nicht zu verderben. 
Diese Zweisprachigkeit nahm in unserem Zeitraum bedenkliche Dimensionen 

itoDd1»«Mli der Ua«. AltertimwwtoNiiMhaft. YlII. 8. TeU. 1 



2 BOmisolie LitteratQrgesohiohte. 

an. Die griechische Sprache wird neben der lateinischen fast gleichberec - 
tigt. Born wird ein Sitz der griechischen Litteratur. Nicht bloss kom 
es vor, dass derselbe römische Autor sowohl in lateinischer als in griec 
scher Sprache schriftstellert, das noch merkwürdigere Faktum tritt u ^ 
entgegen, dass Römer nur in griechischer Sprache schreiben. Zeigt seh > 
dieses Übergreifen der griechischen Sprache die beginnende Entnation^ • 
sierung der römischen Litteratur, so weist noch ein anderes Phänom 
darauf hin, dass dieselbe in ihren Grundlagen erschüttert ist. R< . 
büsst in unserem Zeitraum seine zentrale Stellung in der Litteratur e . 
Bisher war die römische Litteratur Stadtlitteratur, das litterarische Schafl 
war an Rom gebannt, Rom übte auf die Schriftsteller eine Anziehungskr 
aus wie in unsern Tagen, wenngleich nicht in so hohem Grade, Paris i 
die Autoren französischer Zunge. Allein auf die Länge der Zeit war di( 
Präponderanz Roms in der Litteratur nicht aufrecht zu erhalten. Je 
finden wir in Afrika eine Stätte litter arischen Schaffens, und gegen ( <. ^ 
Ende unseres Zeitraums wird auch Gallien ein hervorragender Sitz ( -«^ 
litterarischen Unterrichts und eines Zweigs der lateinischen Litterat 
Aber trotz dieser Symptome des Verfalls war die Kraft des römisch • 
Geistes noch nicht gebrochen ; noch einmal raffte er sich zu einer That a 
welche die ganze Menschheit in Staunen setzen sollte, diese That war < 
abschliessende Gestaltung des Rechts. Jahrhunderte hatten mit treuer Sei 
falt an der Rechtsbildung gearbeitet, jetzt galt es, das grosse Werk zu krön< 
Es geschah dies durch die grossen Juristen, welche das römische Re( t 
zu der Vollendung führten, in der es seinen Lauf durch die Welt antret '. 
konnte. Auch bei diesen Meistern bestätigte sich der Satz, dass Fo: 
und Inhalt sich gegenseitig durchdringen müssen. Ihre scharfsinnigen C - 
danken tragen auch das Gewand einer klaren und durchsichtigen Re< 
Diese eminente Schöpfung ist das letzte Aufflackern des römisch-nat - 
nalen Geistes. Sie ist die Abendröte, die eine untergehende Kultur l - 
scheint. Denn schon zeigen sich die Vorboten einer neuen Welt, welc .» 
die alte römische zertrümmern sollte, das Christentum tritt in das römisc " 
Reich ein und damit gelangt die römische Litteratur an den Wendepun :t 
ihres ganzen Seins. Die Litteratur hat zunächst eine Sprache zur Vorai • 
Setzung, sie hat aber auch zur Voraussetzung den Ideengehalt eines Volki ^. 
Mit dem Christentum zieht jedoch eine ganz neue Ideenwelt, welche u 
SteUe der NationaUtät die Gotteskindschaft setzt, in die römische Gese - 
Schaft ein. Die Zeit des Kampfes . beginnt, anfangs unbeachtet oder, ric - 
tiger gesagt, verachtet ergreift das Christentum immer weitere Krei ^ 
und dringt auch in die Litteratur ein. Der Kampf endete mit dem Si * 
der christlichen Ideen. Die Sprache blieb dieselbe, der Inhalt war e . 
anderer, die Form war die lateinische, der Geist war der christliche. 

504. Qliedemng. Unser Vorsatz ist, die Geschichte der römisch' i 
Litteratur bis zum Gesetzgebungswerk Justinians zu führen. In diese letz r 
Grossthat des römischen Geistes mündet sie am besten aus. Ganz schai \^ 
Grenzen können ja selten in der litterarischen Entwicklung, die allm&hli< - 
verläuft, gezogen werden. Selbstverständlich ist der Zeitraum von Hadrij ' 
bis auf Justinian zu gross, um zu einer einzigen Abteilung zusammengefai^ 



Einleitung. 3 

zu werden. Wir müssen uns daher nach einem Teilungspunkt umsehen. 
Derselbe ergibt sich, wie wir glauben, naturgemäss aus dem Verhältnis, 
in welchem die christliche Litteratur zur nationalen steht. Die christ- 
liche Litteratur muss mit der nationalen auf Tod und Leben kämpfen, aus 
diesem Entscheidungskampf geht als Siegerin die christliche Litteratur 
hervor. Als die christliche Religion unter Konstantin „aus dem Schatten 
in das Licht*' getreten war, konnte der Untergang der vom nationalen 
Geiste getränkten Litteratur nur noch eine Frage der Zukunft sein, die 
heidnische Litteratur konnte sich noch einige Zeit durch energische De- 
fensive halten, allein um ihre Herrschaft war es geschehen. Wir werden 
also zwei Perioden zu unterscheiden haben, die eine, in der die nationale 
Litteratur dominiert und die christliche Litteratur sich ihre Stellung 
erkämpfen muss; die andere, in der die christliche Litteratur vorwiegt 
und die nationale um ihre Existenz ringt. Die Grenzscheide bildet die AUein- 
regierung Konstantins. Dem entsprechend werden wir in dem vorliegenden 
Teil die litterarischen Erzeugnisse von Hadrian bis Konstantin (117 — 324) 
behandeln, in dem folgenden die von Konstantin bis auf die Zeit Justinians. 
Diese beiden letzten Teile haben also das mit einander gemein, dass sie 
neben der nationalen Litteratur noch die christliche darzustellen haben, 
während die beiden ersten es lediglich mit dem auf nationalem Boden 
erwachsenen geistigen Schaffen zu thun hatten. Was endlich den Zeitraum 
von Hadrian bis Konstantin anlangt, so umfasst derselbe über zwei Jahr- 
hunderte. Derselbe ist also so gross, dass man gern noch einen zeitlichen 
Einschnitt machen würde. Allein ein naturgemässer wiU sich nicht heraus- 
stellen. Für die politische Geschichte bildet die Regierung Diokletians den 
scharfen Einschnitt, da jetzt der Prinzipat in die eigentliche Monarchie 
übergeht. Dieses wichtige Ereignis hat jedoch auf die Entwicklung der 
Litteratur nur eine geringe Wirkung ausgeübt. Würden wir aber in me- 
chanischer Weise etwa hundert Jahre in unserer Darstellung zusammen- 
fassen, so würden meht'ere wichtige Litteraturzweige auseinandergerissen 
werden. Bei dieser Sachlage haben wir von einer weiteren zeitlichen 
Teilung abgesehen. Dagegen war die Trennung der nationalen und 
der christlichen Litteratur, von denen jede ihre eigenen Wege geht, 
unbedingt geboten. Der vorliegende Teil wird daher in zwei Hälften 
zerfallen. Die erste Hälfte wird die Geschicke der nationalen Litteratur 
von Hadrian bis Konstantin zu schildern versuchen, die zweite Hälfte die 
Entwicklung der lateinischen christlichen Litteratur von ihren Anfängen 
bis auf Konstantin darlegen. 



Zweiter Teil. 



Die römische Litteratur 



in der Zeit der Monarchie. 



Zweite Abteilung: 

Die Zeit tod Hadrian (117) bis anf Konstantin (324). 



A. Die nationale Litteratur. 

Die Stellung der Kaiser zur nationalen Litteratur. 

605. Hadrianus (117—138). Der Kaiser Hadrian wollte ein Fürst 
des Friedens sein, er brach daher mit der kriegerischen Politik seines 
Vorgängers und gab die Provinzen, welche nur durch schwere Kriege dem 
romischen Reich erhalten werden konnten, auf. Man sollte danach er- 
warten, dass sich unter dem neuen Regiment die Künste des Friedens 
emporschwingen würden. Und es lässt sich nicht leugnen, dass Hadrian 
es hier an Thaten nicht fehlen liess. Auf seinen Wanderungen durch 
das grosse Reich folgten ihm seine Bauleute und überall gaben Strassen, 
Brücken, ganze Städte, prächtige Theater von dem emsigen Schaffen des 
kaiserlichen Baumeisters erfreuliche Kunde. Auch in der Litteratur ist 
eine Ruhmesthat von ihm zu verzeichnen; er liess das prätorische Edikt 
durch den grossen Juristen Salvius Julianus redigieren; dadurch ward jetzt 
ein festes Werk geschaffen, welches der Rechtsentwicklung andere Bahnen 
anwies und wie einst die zwölf Tafeln der Mittelpunkt der juristischen 
Studien wurde. In seinem Konsilium sassen die angesehensten Juristen 
und durch weise Neuerungen beteiligte er sich selbst an der Fortbildung 
des Rechts, besonders nach der humanen Seite hin. Allein zur vollen 
Blüte konnte unter diesem Kaiser weder Kunst noch Wissenschaft ge- 
langen. Es fehlte seinem Wesen der feste sittliche Kern, welcher allein 
wahrhaft Grosses schaffen kann. Die verschiedensten Eigenschaften waren 
in diesem seltsamen Menschen vereinigt, ein launenhafter und reizbarer 
Charakter war er in seinen Entschlüssen unberechenbar. Ein krankhafter 
Zug der Zerrissenheit, der sich gegen Ende seines Lebens bis zur Unver- 
träglichkeit steigerte, durchzieht sein ganzes Thun. Was ihn aber besonders 
hindert, das geistige Leben seiner Nation mit fruchtbringenden Keimen 
zu erfüllen, war sein ganz unrömisches Wesen. Ein Mann, der den Ätna 
besteigt, um das wunderbare Schauspiel des Sonnenuntergangs zu gemessen, 
ist kein Römer mehr. Ebensowenig ist es ein Mann, dessen Sinn mehr 
nach den Provinzen als nach Rom stand, ein Mann, den eine solche Vor- 
liebe für das Griechentum erfasst hatte, dass ihm Athen mehr galt als 
die Hauptstadt seines gewaltigen Reichs. Auf einem solchen ungesunden 
Boden muss Unkraut emporschiessen. Und krankhafte Erscheinungen treten 



8 Römisohe LitieratiirgeBohiohie. IL Die Zeit der Konarchie« 8. 

uns bei Hadrian sowohl auf dem Gebiete der Kunst als der Litteratur ent- 
gegen. Seine Villa zu Tibur war das bizarreste Bauwerk, das sich denken 
lässt, ein sprechendes Abbild seines unharmonischen Seins. Selbst der 
vielbewunderte Typus des Antinous spendet uns nicht das Gefühl be- 
seligender Schönheit, sondern weckt in uns eine Stimmung des Welt- 
schmerzes. Aber auch an dem Baum der Litteratur wollten duftige Blüten 
nicht hervorspriessen. Sicherlich war der Kaiser hochgebildet; seine viel- 
seitige Natur machte sich hier geltend, er schrieb Prosa wie Poesie, er 
gebot über die lateinische wie die griechische Sprache, den fremdländischen 
spanischen Accent im Lateinischen hatte er sich durch beharrlichen Fleiss 
abgewöhnt. Er hatte sich in den verschiedensten Wissenschaften umge- 
sehen, selbst die Künste waren ihm nicht fremd, er dilettierte im Malen, 
Singen, Zitherspielen und zeichnete Pläne zu seinen Bauwerken. Er ver- 
kehrte aufs eifrigste mit den verschiedensten Gelehrten, er beteiligte sich 
an ihren Disputationen, in Alexandrien stellte er selbst Fragen zur Lösung 
und Hess sich solche stellen;^) er kämpfte mit ihnen im litterarischen 
Wettstreit und des Dichters Plorus Verse*) 

ego nolo Caesar esse, 
amlmlare per Brüannos, 
Scffthicas pati pruinas, 

parierte er in folgender feiner Weise: 

ego nolo Florus esse, 
anihulare per tdbemas, 
latüars per popinas, 
ctUices pati rutundos. 

Aber auch den Gelehrten gegenüber konnte der Kaiser sein wider- 
spruchsvolles Naturell nicht verleugnen. Äusserlich war er gegen die- 
selben herablassend und leutselig, innerlich verachtete er sie, er beschenkte 
sie reichlich, aber trieb mit ihnen ein frivoles Spiel, indem er sie mit ver- 
fänglichen Fragen quälte. Auch verliess seine Umgebung niemals das Ge- 
fühl der Furcht vor diesem reizbaren Mann. Einer seiner Günstlinge, der 
Sophist Favorinus, wagte nicht gern einen Widerspruch, er meinte, der 
Mann, der über dreissig Legionen gebiete, sei gelehrter als er.^) Den 
Philosophen Heliodor beleidigte er durch eine Schmähschrift, auch die 
Ärzte, die ihm nicht helfen konnten, verhöhnte er durch ein Pamphlet. 
Den Freigelassenen Phlegon zwang er, seinen Namen zu der von ihm ver- 
fassten Selbstbiographie herzugeben. Man sieht, den Kaiser beseelte keine 
wahre Liebe zur Wissenschaft. Er besass auch kein gesundes ästhetisches 
Urteil. Ihm galten nichts die -alten Meister, an denen das römische Volk 
mit seinem Herzen hing, Cicero, Vergil, Sallust, seine Lieblingsautoren 
waren der alte Cato, Ennius und Caelius Antipater. Er leitete also die 
archaistische Litteraturströmung in Rom ein. Auch über die Grössen der 
griechischen Litteratur urteilte er verkehrt, er sah geringschätzig auf 
Homer und Plato herab, dafür bewunderte er den dunklen Dichter Anti- 
machus. Eine solche Geschmacksverirrung ist das deutliche Symptom 



Spart. Hadr. 20, 2. 
^) Spart. Uadr. 16, 3. 



>) Spart Hadr. 15, 3. 



BadrianoB. 9 

eines verschrobenen Geistes, und gegen das Ende seines Lebens, als noch 
schwere Krankheit hinzukam, verdüsterte sich das Gemüt des Kaisers 
immer mehr, seine Reizbarkeit steigerte sich, das Leben wurde ihm zur 
Qual, er sehnte sich nach dem Tode und doch wollte ihm dieser Erlöser 
nicht erscheinen. Aber noch auf dem Totenbett überkam ihn eine zwischen 
Ernst und Scherz hin und her schwebende Stimmung, und in dieser dichtete 
er die berühmten Zeilen:') 

animula vagtUa, hlandula 
hospes eomesque corporis, 
quae nunc abibis in loca 
pallidula, rigidüla, nt*dula 
nee ut 8ole8 dabis ioeoet 

Eine treffliche Gharakteiistik Hadrians gibt Spart. Hadr. 14, 11 idem aeverus 
laetus, eomie gravis, laseivus eunetator, tenax liberalis, Simulator ^verus*, saevus Clemens et 
semper in omnibus Partus. 20, 7 ioca eius plurima extant; nam fuit etiam dicaculus. 

üeber seine umfassende Bildung. Spart. Hadr. 14, 8 fuit poematum et litterarum 
nimium studiosissimus, arithmeticae, geometriae, pieturae peritissimus, iam psaUendi et 
eantandi seientiam prae se ferebat; 15, 10 2*^^^ ^^ oratione et versu promtissimus et 
in omnibus artibus peritissimus, 

üeber seine astrologischen Kenntnisse vgl. 16,7; Spart Helius 3, 9. 

Ueber seinen Verkehr mit Gelehrten und Eflnstlern. Spart. Hadr, 15,10 
professores omnium artium semper ut doctior Hsit contempsit obtrivit, cum his ipsis profes- 
sortbus etphUosophis libris vel earminibus invicem editis saepe certcmt; 16, 8 quamvis esset in re- 
prehendendis musieis, tragicis, comicis, grammaticis, rhetoribus facilis, tarnen omnes profes- 
sores et honoravit et dipües fecit, licet eos quaestionibtu semper agitaverit; 16, 10 in summa 
famüiaritate Iknetetum (zu beziehen auf Hadrians Aufenthalt in Nikopolis vgl. Düsa p. 56; 
Zahh, der Stoiker Epiktet p. 39, 10), et Heliodorum phHosophos et, ne nominatim de omnibus 
dicam, grammaticos, rhetores, musicos, geometras, pictores, astrologos hctbuit, prae eeteris, 
ut muUi adseruni, eminente Fav^no . doctores, qui professioni suae inhcibiles videbantur, 
ditatos honoratosque a professione dimisit. 

Seine ästhetischen urteile. Spart. Hadr. 16,5 amavit genus vetustum dicendi; 
16, 6 Cieeroni Catonem, Vergilio Ennium, Salustio Coelium praetulit eademgue iactatione de 
Homero ae Piatone iudieavit; 16, 2 Catachannas libros obscurissimos Äntimachum imi- 
tando scripsit. 

Litteratur. Gregorovius, Der Kaiser Hadrian, 2. Aufl., Stuttg. 1884 (ein unkritisches 
Buch). Vortrefflich handelt Hausbath in der Neutestam. Zeitgesch. 8, 445 (Heidelberg 
1874) Aber Hadrian. Dübb, Die Reisen des Kaisers Hadrian (Abb. des arch.-epigr. Seminars 
in Wien 2. Heft). 

506. Hadrians Schriftstellerei Auch als Schriftsteller entbehrte 
Hadrian des festen Centrums, wir finden ihn daher auf den verschiedensten 
Gebieten thätig. Er machte gelegentlich den Dichter, allein ihn trieb 
nicht zum Dichten die Begeisterung und ein überquellendes poetisches Ge- 
fühl; die Poesie war ihm vielmehr ein Werk des Spiels, die Sprache war 
ihm daher gleichgültig, es liefen sowohl griechische wie lateinische Tän- 
deleien von ihm um. Freilich ist hier seine Autorschaft vielfach nicht ohne 
Zweifel. Ein Werk seiner Eitelkeit war seine Autobiographie. Um 
seine Darstellung in den Augen der Zeitgenossen objektiver erscheinen zu 
lassen, liess er sie unter fremdem Namen publizieren; der bekannte Phlegon 
gab sich dazu her, mit seinem Schilde den Kaiser zu decken. Allein der 
wirkliche Autor des Buchs konnte der Nachwelt doch nicht verborgen 
bleiben. Auch als Redner hervorzutreten, hatte Hadrian vielfach Gelegen- 
heit. Es gab Sammlungen seiner Beden, eine, die zwölf Stücke umfasste, 



') Spart Hadr. 25, 9. 



10 Römische Litteratargeschiohte. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilnng. 

lag den lateinischen Grammatikern vor, eine zweite kannte Photius. Durch 
Inschriften haben sich Fragmente von zwei Reden erhalten, einmal von 
der Rede, welche Hadrian auf die Matidia gehalten. Diese war die Tochter 
der Marciana, der Schwester Traians, die Gattin des L. Vibius Sabinus 
und die Mutter der Sabina, der Gattin Hadrians. Es ist eine Lobrede 
auf die reichen Tugenden der Schwiegermutter, welche im Jahre 119 ge- 
halten wurde. Dann sind Fragmente aus den Armeebefehlen [ad- 
locutiones) gefunden worden, welche Hadrian im Jahre 128 oder 129 im 
Lager zu Lambaesis in Afrika erlassen hatte. Dass Hadrians vielseitiger 
Geist auch den grammatischen Fragen, welche in damaliger Zeit sehr be- 
liebt waren, nicht fem bleiben konnte, lässt sich von vornherein erwarten; 
er scheint mit dem berühmten Grammatiker Terentius Scaurus gram- 
matische Probleme verhandelt zu haben, aber auch schriftstellerisch ver- 
suchte er sich auf diesem Gebiete. Er schrieb ein Werk mit dem Titel 
Sermones (Unterhaltungen), zum mindesten aus zwei Büchern bestehend; 
hier erörterte er z. B. ob obiter lateinisch sei und trat Scaurus ent- 
gegen. Auch andere dunkle Bücher veröffentlichte er; sein Ehrgeiz 
war, es der Gelehrsamkeit des von ihm bewunderten Dichters Antimachus 
gleichzuthun. Schon der Titel war monströs; er nannte sein Werk „Ca- 
tachannae''. Da catachanna ein mit verschiedenen Zweigen inokulierter 
Baum ist, so werden wir den Titel als eine gesuchte Bezeichnung von 
Miscellanea zu betrachten haben. Bekannt ist, dass Hadrian eine tiefe 
Abneigung gegen die Ärzte, die ihm nicht helfen konnten, besass; seiner 
Abneigung gab er sogar, wie bereits erwähnt, Äurch eine eigene Schmäh- 
schrift gegen die Ärzte Ausdruck. Endlich wird in der Historia 
augustn auch ein Brief des Kaisers an Servianus über die Ägypter mitge- 
teilt. Allein dieser Brief ist ein unechtes, unterschobenes Produkt. 

Hadrian war, wie schon gesagt, ein Bewunderer der alten Schrift- 
steller, allein in den Fragmenten der Reden tritt ein archaistischer Zug 
keineswegs hervor; sie geben im ganzen eine reine Latinität. 

Die Schriften Hadrians. Dio 69, 3 (Bekkrb II 323) <fvaei if^ {'Adgiat^og) q^Xö^ 
Xoyog iv ixtcriQff xß yXüiaajj - xai nva xai nc^d xal iy ineoi noiijfiara nayfodand xata- 
)LeXoi7t€y. üeber die Sprache Hadrians Wölfflin, Münchn. Sitzungsber. 1886 p. 282. 

1. Hadrians Selbstbiographie. Spart. Hadr. 1, 1 Hadria arto8 maiores suas 
apud Italicam Scipumutn temporibus resedisse in lihria vitae auae Hadrianus ipse com- 
memorat; 1,2 ut ipse in vita aua dicit; 3,4 in quo magistratu ad perpetuam tribu^ 
niciam potestatetn omen aibi fctfium adserit; 3, 3 indulsisse vino se dicit Traiani moribus 
ohsequentem. Dio 69, 11 co^ 'ASqiavog ygdfpei. Ueber ihre Publikation: Spart. 16, 1 famae 
celehris Hadrianus tarn cupidtts fuit, ut lihros vitae suae scriptoa a se libertis suis 
litteratis dederit, itibens ut eos suis nominibus pubJicarent, nam et Phlegontis libri Hadriani 
esse dieuntur, Vopisc. Satam. 7, 6 vgl. p. 11, 8/9. 

2. Die Trauerrede auf die Matidia ist uns zum Teil aus einer jetzt verlorenen 
Inschrift erhalten. Matidia wurde am 23. Dezember 119 konsekriert. Die Inschrift 
befand sich im 16. Jahrhundert in Tibur, wahrscheinlich hatten die Tiburtiner der Matidia 
eine Statue errichtet und auf dieselbe als Inschrift die laudatio funebris Hadrians gesetzt. 
— MoMMSBN, Abb. der Beri. Akad. 1863 p. 483; Rüdorff, ebenda 1868 p. 240 (Zeitschrift 
för Rechtsgesch. 9 [1870] p. 295); Vollmer, Laudationum funebrium hist, Fleckeis. Jahrb. 
18. Supplementb. p. 516. 

3. Die adlocutiones Hadrians an seine Soldaten in Lambaesis in 
Afrika; die Inschrift wird in das Jahr 128 (Wilhakms Comment. Momms. p. 209) oder 
in das Jahr 129 gesetzt (Dübb, Die Reisen des Kaisers Hadrian Abb. des Wiener arch.- 
epigr. Seminars 2. Heft, p. 40); „nominatur titulus vulgo ,oratio Latnbaesitana* ; sed 



Die Anionine. 11 

neque est una oratio neque uno loeo unove tempore hahita, sunt plures non ortUiones, sed 
adloeutiones' (Dsbkbb, Hadriani reliquiae part, I, Bonn 1883 p. 10); CJL. 8, 2532. 

Ausser diesen Fragmenten gab es noch andere Reden. Cfaaris. GL. 1, 222, 21 citiert 
eine Sammlung von 12 Reden, ditma Hadrianus oratUmum XII; Gell. 16, 13, 4 divus Ha- 
drianus in oratione g^m de Italicensibus, unde ipse ortus fuit, in eenatu habuit. 
Phoiius bibl. 1, 86 Bekkbb *JdQiayov xov ßaciX^tog fjLsXixai, dwtpoQOi eig xo fjiixqiov xov Xoyov 
arijyfjiiyM xai ovx atjdetg, 

4. Sermon es. Chans. GL. 1,209, 12 Obtter divus Hadrianus sermonum I qucterit 
an Latinum sU ,quamquafn, inquit, ,apud Laberiutn haec vox esse dicatur' et 
cum Scaurus Latinum esse neget, addit etc. 

5. Cataehannae. Spart. Hadr. 16, 2 Cataehannas libros obscurissimos Antimaehum 
imitando seripsit, üeber den Namen vgl. Bbbnhabdy (catachanas) Zeitsch. f. d. Altertumsw. 
1834 n. 141, BsBOK (catachenas) ebenda 1835 n. 37. Fronte p. 35 N. me commemini cum 
paire meo a vindemia redeunte in agrum Pompei Falconis devertere, Ibi me videre arborem 
muüorum ramorum, quam iUe suum nomen catachannam nominahat; p. 155 confusaneam 
ego eloquentiam cataehannae ritu partim iligneis nucibus Catonis, partim Senecae moU 
libus et febriculosis prunuleis insilam, subvertendam censeo. Also danach Misceüanea. 
BERNHARDT, Röm. Litteratorgesch." 8 p. 297 und Ribbbck, Gesch. d. röm. Dicht. 3, 315 halten 
sie f&r Gedichte. 

6. Invective gegen die Aerzte. Epiphanins negl fiex^wy 14 (Migne gr. 259 C) 
und Invective gegen den Philosophen Heliodorus ^SparL Hadr. 15,5 Heliodorum 
famosissimis litteris ktcessivit). 

7. Dichtungen. Spart. Hadr. 14,7 et GraeH quidem volente Hadriano cum {ÄtUi- 
noum) eonsecraverunt oracida per eum dari adserentes, quae Hadrianus ipse conposuisse 
dicitur — (9) de suis düectis multa versibus conposuit. 

o) Lateinische. Von Spartianus wird mitgeteilt die aUercatio mit Floms 16,3; 
dann 25, 9 die im Text stehenden Verse animula etc, endlich ein Pentameter Apnl. apol. 11. 
BIhbbks teilt PLM. 4, 111 dem Hadrian zu nr. 123 (= Anth, tat, Riese 392, welche die nr. je- 
doch Traian zuteilt), 124 (= Anth. lat. 393), 125 (= Anth. tat, 660), 126 (= Anth. lat 903), 
ein Gedicht auf ein verstorbenes Pferd Hadrians vgl. Dio Cass. 69, 10; allein die Autor- 
schaft Hadrians ist hier nicht ausreichend bezeugt; darQber vgL Bähbbns p. 14 fg., p. 40, 
dagegen L. Mülleb, Rutil. Namat. p. 26. 

p) Griechische. Die Anthologie Palatina führt unter seinem Namen auf: 6,332; 
7, 674; 9, 17 (hier auch Germanicus als Autor genannt); 9, 137; 9, 387 (auch hier Germanicus 
als Autor genannt). Acht Hendekasyllaben auf einer Inschrift von Thespiae bei Eaibbl, 
Epigr. gr. 811. — Analyse bei Ribbbok, Gesch. d. röm. Dicht. 3, 316. 

Die Sammlung bei Dositheus. Mit der Grammatik des Dositheus sind ausser 
anderen Uebungsstücken verbunden &Biov 'Adq^avov änotpäaen xai iTnaxoXai 
BöcKiBG, Dosith. liber III p. 1—21. 

8. unechtes, a) Dass mit Unrecht dem Hadrian eine griechisch geschriebene 
Taktik beigelegt wird, führt R. Fobbstbb aus (Hermes 12 [1877] p. 449). 

ß) Der unechte Brief Hadrians. In der vita Satumini 8, 1 wird ein Brief 
Hadrians an den Konsul Servianus mitgeteilt, angeblich aus Phlegon entnommen (7, 6 Hadriani 
epistolam ponam ex libris Phlegontis liberti eius prodUam); derselbe urteilt sehr abfällig 
über den Charakter der Aegypter. Dass aber der Brief ein unterschobenes Machwerk ist, 
geht daraus hervor, dass sich der Kaiser in demselben über die gegen seinen ,Sohn" 
Vems geschleuderten übelen Nachreden beklagt, während doch feststeht, dass Servianus, 
an den der Brief gerichtet ist, im Jahre 136 hingerichtet wurde, weil er Gegner der 
Adoption des Verus war. (Mommsen, Rom. Gesch. 5 p. 576. Einen unkritischen Vermittlungs- 
versuch macht Gregorovius Hadrian' p. 164.) Vgl. noch Dübb, Reisen Hadrians p. 88; Pbteb, 
Gesch. Roms IIP p. 546 ; Wölfflin, Münchner Sitzungsb. 1886 p. 283 und p. 285 ; Habnaok, 
Gesch. der altchnstl. Litt. 1,866; Havsbath, Neutesinm. Zeitgeschichte 3,535; Pbteb, Die 
Script, hist, aug,, Leipz. 1892 p. 188. 

507. Die Antonine. Der Nachfolger Hadrians Antoninus Pius 
(138 — 161) beteiligte sich, abgesehen von den Reden, die er halten musste, 
und von denen es eine in ihrer Echtheit angezweifelte Sammlung gab, 
nicht aktiv an der Litteratur, aber er begünstigte sie durch die öffentliche 
Fürsorge für die Rhetoren und Philosophen, denen Ehren, Gehalte und 
wertvolle Privilegien verliehen wurden. Auch der Fortbildung des Rechts 
widmete er sein volles Augenmerk, die tüchtigsten Juristen standen ihm 
zur Seite. 



12 BOmiaohe Lüteratnrgesohiohte. n. Die Zeit der Monarohie, 2. Abieüang. 

Ein viel stärkeres Interesse für die Litteratur zeigte sein Nachfolger 
Marcus Aurelius (161 — 180), der Philosoph auf dem Thron. Marcus er- 
hielt in seiner Jugend einen sehr ausgedehnten Unterricht; viele Lehrer, 
Griechen sowohl wie Römer, Grammatiker, Rhetoren, Musiker, Maler, Philo- 
sophen waren ihm beigegeben. Am meisten flihlte er sich zu den Philosophen 
hingezogen, und von diesen waren es wieder die Stoiker, deren Lehren er 
mit Begeisterung in sich au&ahm. Schon im zwölften Lebensjahre trug er 
den Philosophenmantel und übte sich in der Kunst des Entsagens in so ernster 
Weise, dass seine Mutter abwehrend eingreifen musste. Doch hatte es eine 
Zeit lang den Anschein, als ob der für die Philosophie so begeisterte Mann 
ins rhetorische Fahrwasser geraten sollte. Der bekannte Redner Fronte 
hatte seinen Zögling ganz für sich gewonnen, mit fast schwärmerischer 
Liebe hing derselbe an seinem Lehrer. Li den uns erhaltenen Briefen 
überschüttet Marcus den Redemeister mit den überschwänglichsten Prä- 
dikaten (p. 29) und es ist rührend zu lesen, wie besorgt der junge Herr 
über des alten Fronte äusseres Wohlergehen wachte und mit welcher Ehr- 
furcht er zu ihm emporblickte. Aber auch der gutmütige Lehrer hatte 
seinen Schüler ganz in sein Herz geschlossen, und aufs eifrigste war er 
bestrebt, Marcus immei' tiefer in die Geheimnisse seiner edlen Kunst ein- 
zuweihen; war er doch überzeugt, dass er damit dem geliebten Zögling 
seinen grössten Schatz anvertraute. Der Briefwechsel gewährt uns einen 
Blick in diese kleinliche Welt, in der sich der Lehrer wie der Schüler 
mit gleicher Virtuosität bewegt ; und nicht selten überkommt uns ein (be- 
fahl des Unwillens, dass der künftige Herrscher eines grossen Reichs in 
einer solchen Schattenwelt festgehalten wird. Was für nichtige Dinge 
sind es doch, welche in diesen Briefen mit dem grössten Ernst verhandelt 
werden! Da entwickelt der alte Schulmeister dem Marcus in gravitätischer 
Weise die Theorie von dem Bilde im Stil (p. 46), da fordert er ihn auf, 
eine Gnome in mehrfacher Weise zu variieren (p. 48), da ermuntert er zu 
eifriger Lektüre der Alten, da gibt er eine Liste der Autoren, welche den 
reichsten Gewinn abwerfen, d. h. ungewöhnliche und ihres Eindruckes nicht 
verfehlende Worte und Phrasen spenden (p. 62). Und wie der Meister, 
so der Jünger. Der gibt freudige Kunde dem Lehrer, wenn er einen 
recht alten Autor durchgearbeitet, und aus ihm die Phrasen exzerpiert 
hatte. Bald ist es der alte Gate, bald sind es die Reden des Gracchus, 
bald ein anderer vergessener Schriftsteller, der in den Kreis der Lektüre 
tritt und ausgezogen wird. Eines Tags konnte Marcus die erfreuliche 
Mitteilung machen, dass er sich 60 Rollen exzerpierte, und darunter waren 
die fabulae Ätellanae des Novius und die Reden des Scipio (p. 34). Wie mochte 
da dem alten Mann das Herz in Wonne aufgegangen sein ! An kleinen Auf- 
merksamkeiten liess es Fronte nicht fehlen ; als ihm Marcus einst den Sota 
des Ennius geUehen hatte, schickte er die Schrift in einem besseren 
Exemplar zurück (p. 61). So liess sich erwarten, dass Marcus eine Zierde 
der Frontonianer werden würde, und in der That, wenn man seine Briefe 
liest und mit denen des Meisters zusammenhält, so gleichen sie den- 
selben wie ein Ei dem andern, in beiden dieselbe Abgeschmacktheit, Nichtig- 
keit und Fadheit. Und doch sollte der alte Rhetor noch erleben, dass 



Die Antonine. 13 

sein mühsam errichtetes Gebäude ins Wanken geriet. Als Marcus das 
f&nfundzwanzigste Lebensjahr erreicht hatte, fielen ihm die Schriften des 
(Stoikers) Aristo in die Hlüide ; ihre Lektüre erschütterte ihn aufs stärkste ; 
es dämmerte in ihm die Einsicht auf, dass er bisher an nichtige Dinge 
sein Leben gesetzt; jetzt kamen ihm die rhetorischen Exerzitien schal vor 
(p. 75). Der alte Rhetor witterte die Gefahr, er ward nicht müde, den 
Abgrund mit kräftigen Farben auszumalen, in den die Philosophie mit 
ihren Finessen, Fangschlüssen und Dunkelheiten ihre Jünger stürze. Aber 
seine Mahnungen drangen nicht mehr durch; die alte Liebe zur Philosophie 
brach sich bei Marcus unaufhaltsam Bahn. Die Philosophen hatten jetzt 
sein Ohr. Besonders war es der Stoiker Busticus, der auf die Seele des 
ernsten Mannes den tiefsten Eindruck machte. Als der Kaiser später in 
rührender Weise schilderte, was er alles seinen Angehörigen und Lehrern 
verdanke, wird bei Busticus unter anderem hervorgehoben, dass er ihn 
ans der Sophistik herausgerissen^ und ihn von Bahnen abgezogen, wo to 
avYYifo^^i'V n€^ t£v x^cwQrjfAorwv ^ nQotQSjrvixd Xoyaqia iutXäysad-cti i) Auf- 
gabe ist, während er dem Fronte >) nur nachrühmen kann, dass er von 
ihm gelernt habe, welcher Neid, welche Verschlagenheit und Heuchelei mit 
der Herrschaft verbunden sei, und wie wenig edel oft der sogenannte Adel 
sei. Diese Abkehr des Marcus Aurelius von der Rhetorik hatte auch eine 
veränderte Stellung desselben zur Litteratur zur Folge; er trat durch die 
Philosophie in die griechische Litteratur ein, denn er schrieb seine Selbst- 
betrachtungen in griechischer Sprache. Er rechnete also vorzugsweise 
auf Leser des griechischen Ostens, dieser war, wie es scheint, in seinen 
Augen die eigentliche Stätte der Kultur, und besonders Athen lag ihm 
sehr am Herzen, dies sollte nach seinen Intentionen die Hochschule für 
Philosophie werden, alle Hauptsysteme sollten ihre Vertreter haben, ^) und 
die Stellen in freier Konkurrenz nach Würdigkeit besetzt werden. Doch 
zeigte der philosophische Kaiser keine tadehiswerte Einseitigkeit, nicht 
bloss den Philosophen, sondern auch den Rhetoren, Granmiatikem, Ärzten 
wendete er seine Huld zu, indem er die Privilegien, die ihnen Antoninus 
Pins gewährt hatte, *) nicht nur bestätigte, sondern sogar noch erweiterte. 
Auch in Bezug auf die Jurisprudenz trat er in die Fusstapfen seines Vor- 
gängers. 

Ein innigeres Verhältnis des Kaisers zur römischen Litteratur bildete 
sich jedoch nicht heraus; und während uns berichtet wird, dass der be- 
rühmte griechische Grammatiker Herodianus auf Anregung des Kaisers 
seine allgemeine Prosodie schrieb, fehlen uns Nachrichten von einem ähn- 
lichen Einfluss auf einen römischen Autor. Die eingehende Würdigung 
seiner Selbstbetrachtungen gehört der Geschichte der griechischen 
Litteratur und der Geschichte der Philosophie an. Wir müssen uns hier 
mit der Bemerkung begnügen, dass die Aphorismen gewiss gut gemeint 
sind und ein hochadliges und wohlwollendes Gemüt verraten, allein dem 
Leser will doch dünken, dass der Hauch, der durch diese Gedankenwelt 



>) Ausg. der eommentarii von Stich p. 2. *) Luc. Eunuch. 8. 

^ ebenda p. 4. «) Dig. 27, 1, 6, 8. 



14 Bömisohe Litteratnrgesolüohte. IL Die Zeit der Xonarohie. 8. Abteilnng. 



zieht, kein erfrischender ist, und dass ein Mann, der sich in solche Betrach- 
tungen einlullt, nicht die feste Hand hat, um ein grosses Reich zu regieren. 
Auch der Mitregent des Marcus Aurelius L. Yerus wurde durch 
hervorragende Lehrer unterrichtet; zu denselben zählte auch Fronte; 
und wie zwischen Marcus und Fronte, so bildeten sich auch zwischen ihm 
und dem Rhetor engere Beziehungen heraus, wovon die Korrespondenz 
zwischen beiden Zeugnis ablegt. Auch auf diesen Zögling ist der Lehrer 
stolz. Als vom Kriegsschauplatz ein Brief desselben beim Senat eintraf, 
und dann auf denselben Marcus Aurelius in einer Rede entgegnete, konnte 
Fronte sich vor Freude kaum fassen, so gut hatten die beiden Regenten ihre 
Sache gemacht. Und als er später die beiden Produkte in die Hände be- 
kam, schwamm er in einem Meer von Seligkeit. Jetzt konnte er ruhig 
von hinnen scheiden, er hatte sich ja mit unsterblichem Ruhm bedeckt, er 
hatte aus dem Lucius Yerus und dem Marcus Aurelius tüchtige Redner ge- 
macht. Die Kriegsthaten des Yerus verschwinden natürlich in den Augen des 
Rhetors, denn was ist ein Feldherr ohne die mächtige Redekunst? ^) Freilich 
gingen sonderbare Gerüchte, wie sie sich schon bei dem Yater des Lucius 
Yerus*) erhoben hatten, es fehlte nicht an Leuten, welche die Autorschaft 
des jungen Yerus bei seinen Schriftstücken anzweifelten und an die Hilfe 
der gelehrten Umgebung glaubten. Allein ein solcher Gedanke ist dem 
Fronte kaum aufgestossen; auch schon früher hatte er einer Rede des 
L. Yerus Lob gespendet und dabei noch besonders betont, dass der Redner 
für die Abfassung wenig Zeit übrig hatte, es war eine an Antoninus Pius 
gerichtete^) Danksagung. Die Briefsammlung Frontos enthält auch Briefe 
des Yerus an Fronte. Auch sie überströmen von Aufmerksamkeiten für 
den Lehrer; auch sie verleugnen nicht die Schule des Briefschreibers. Am 
interessantesten ist aber der Brief,*) in dem Yerus den Fronte ersucht, 
seine Thaten im parthischen Krieg, über den der Rhetor schon früher in 
der Schrift de bello Parthico Phrasen zusammengestellt hatte, ^) der Nach- 
welt zu verkünden; er bietet ihm zur Lösung der Aufgabe ein reiches 
Material aus der Operationskanzlei an, femer Denkschriften, welche Avidius 
Gassius und Martins Yerus in seinem Auftrag verfasst hatten, auch ist er 
bereit, auf Wunsch Frontos selbst Hand anzulegen und für irgendeine 
Partie Material zu liefern, er macht auf die Zuschriften an den Senat und 
die Armeebefehle aufmerksam, ja selbst die Reden, welche er an die Bar- 
baren gerichtet, sollen bereit gestellt werden. Nicht genug, auch für die 
Anlage des Werkes gibt Yerus seine Direktiven, natürlich, wie er sagt, 
nur zur Erwägung. Er wünscht nämlich eine eingehende Erörterung über 
die Entstehung des Kriegs und die Niederlagen, welche die römischen 
Heere vor seiner Ankunft erlitten hatten; das Letzte ist notwendig, um seine 
eigenen Thaten in hellerem Lichte erglänzen zu lassen. Mit der feinen 
Wendung schliesst er einen Brief: meine Thaten werden so gross sein, 



») Fronto p. 120. 

") Spart. Hei. 4, 7 cum de provincia 
Helius redisaet atque orationempulcherrimam, 
qu€te hodieque legitur, sive per se aeu per 
acriniorum aut dieendi magiatroa parasaet, 
qua kalendia Januariia Hadriano patri gra- 



iiaa ageret, aceepta potione, qua ae aeatimaret 
iuvari, kaiendia ipaia Januariia perit, 

«) Fronto p. 87. 

*) Fronto p. 131. 

^) MonsBN, Hermes 8, 213. 



Septimiiui SeTems. 15 

als du sie darstellst. Und wirklich machte sich der Meister an die Arbeit; 
noch ehe die in Aussicht gestellten Materialien bei ihm anlangten, schrieb 
er einen Traktat, der die Geschichte des parthischen Kriegs einleiten 
sollte, es sind die principia historiae, welche auf eine Yergleichung 
der parthischen Feldzüge des Traian und des Yerus hinauslaufen; dass 
bei dieser Yergleichung Traian den Kürzeren zieht, ist selbstverständlich. 
Nach dieser Probe muss man staunen über die grosse Selbsttäuschung, in 
der sich Lehrer wie Schüler wiegte ; der eine, indem er glaubte, auch das 
Feld der Geschichte mit seinen Phrasen beherrschen zu können, der andere, 
indem er von Frontos abgeschmacktem Gerede die Unsterblichkeit erhoffte. 
Wahrlich es wäre die gerechte Nemesis gewesen, wenn L. Yerus, der in 
dem parthischen Krieg selbst nichts gethan hatte, in einem Geschichts- 
werk Frontos jenes Lob eingeheimst und so den Fluch der Lächerlichkeit 
auf sich geladen hätte. L. Yerus starb 169. 

Hatte schon Lucius Yerus wenig Beziehungen zur Litteratur, so 
fehlen solche ganz bei Conunodus, dem Sohn des Marcus Aurelius, der nach 
des Yaters Tod 180 — 192 regierte und nur mit körperlichen Übungen 
und Ausschweifungen sein Dasein ausfüllte. 

Antoninus Pias. Capitol. Anton. Pias ll, 3 rhetoribus et philosophis per omnes 
pravincias et hanores et salaria detulit. Orationea plerique alienaa dixerunt, quae auh eius 
namiue feruntur; Marias Maximtts eius proprias fuisse dieit; 12, 1 multa de iure sanxit 
Msusque est iuris peritis Vindio Vero, Salvio Valente, Volusio Maeeiano, ülpio MareeUo et 
Diavoleno. Fronio p. 87 (schreibt M. Aarel) : oratianem patris mei. Zwei Briefe des An- 
toninus Pias an Fronto gibt der Briefwechsel Frontos p. 163 and p. 167. 

Marcus Aurelias. Ueber seinen Lehrer Capitol. Marc. 2,2 usus est magistris 
ad prima elementa Euforiane lOteratare et Gemino eomoedo, musico Andrane eodemque 
geometra — (3) usus praeterea grammaticis, Graeco Alexandra Cotiaensi, Latinis Trosio Apro et 
Polione et Eutychio Proculo Siceensi . oratoribus usus est Graecis Aninio Macro, Caninio 
Celere et Herode Attieo, Latino Frontone Comelio. — (7) usus est etiam Commodi magistro 
ApoUonio Ckaicedonio Stoico philosopho; 3, 2 audivit et Sextum Chaeronensem Plutarehi 
nepotem, Junium Rusticum, Claudium Maximum et Cinnam Catulum, Stoieos . Peripatetieae 
vero studiosum audivit Claudium Severum et praecipue Junium Rustieum, quem et reveritus 
est et sectatus, qui domi militiaeque polUhatf Stoieae diseiplinae peritissimumf cum quo 
omnia communicavit publica privataque consdia — (6) studuit et iuri audiens Lucium Fo- 
lu*ium Maeeianum. — (8) frequentavit et declamatorum scolas publicas; 4, 9 operam prae- 
terea pingendo sub magistro Diogeneto dedit. (Vgl. Zblleb, Phiios. der Griech. IIP, 754, 2). 
Im ersten Buch seiner Kommentare zählt er auf, was er seinen Angehörigen und seinen 
Lehrern verdankt; es sind genannt Diognetos, Rusticus, ApoUonios, Sextus, Alexander der 
Grammatiker, Fronto, Alexander der Platoniker, Gatalas, Olaudias Severus, Maximas. 

üeber die Commentarii des Marcus Aarelias {ttHy sig iavroy ßißXla aß') 
vgl. Zblleb, Phiios. der Griechen 3, 1', 754; Bbaünb, M. Aurels Meditationen in ihrer Einheit 
und Bedeutong, Leipziger Diss. (Altenburg) 1878; KGnigsbbgk, De stoicismo M. Antoniniy 
Königsberg 1861; Rbvan, M. Aur. et la fin du monde antique {Origines du Christ. VII). 

L. Veras. Capitol. Ver. 2, 4 educatus est in domo THberina, audivit Scaurinum gram- 
matieum Latinum, Scauri fUium, qui grammatieus Uadriani fuit, Graecos Telephum atque 
Hefaestionem, Harpocrationem, rhetores ApoUonium, Celerem Caninium et Herodem Atticum, 
Latinum Cornelium Frontonem; philosophos ApolUmium et Sextum, hos omnes amavit unice, 
atque ah his invicem dilectus est, nee tamen ingeniosus ad litteras, amavit autem in puerUia 
versus faeere, post orationes, — (8) nee desunt qui dicant eum adiutum ingenio amicorum 
atque ab aliis ei üla ipsa, qualiaeumque sunt, scripta, si quidem multos disertos et eruditos 
semper seeum habuisse dicitur. educatorem habuit Nicomedem. 

Commodus Antoninus. Lampr. Comm. 1,5 mortuo fratre Commodum Marcus et 
suis praeeeptis et magnorum atque optimorum virorum erudire conatus est. habuit littera' 
torem Graecum Onesicratem, Latinum CapeUam Antistium; orator ei Ateius Sanctub fuit. 
sed tat disciplinarum magistri nihil ei profuerunt. 

606. SeptimioB Sevems (198—211). Von den auf Commodus fol- 
genden Kaisern regierten Pertinax und Didius Julianus so kurze Zeit, 



16 BömiBohe IdtteratnrgeBohiohte. n. Die Zeit der Monarohie, 8. Abteilung. 

dass sich keine tiefer gehenden Spuren ihrer Wirksamkeit ausprägen 
konnten. Zur Litteratur hatte Pertinax ausgesprochene Neigungen; gern 
zog er zu seinen gewöhnlichen Mahlen einen Yalerianus bei, um mit ihm 
gelehrte Gespräche zu führen, und selbst in den StOrmen seiner kurzen 
Regierung konnte der Vortrag eines Dichters sein Interesse erregen. Er 
hatte ja unter Sulpicius Apollinaris die Grammatik studiert und eine Zeit 
lang selbst diese Kunst ausgeübt; aUein da es hier nicht recht vorwärts 
gehen wollte, wandte er sich der militärischen Laufbahn zu, welche ihn 
auf den Thron brachte. Auf Didius Julianus folgte der tüchtige Kaiser 
L. Septimius Severus. Derselbe war in Leptis in Afrika geboren und 
Zeitlebens merkte man ihm, wenn er sprach, den Ainkaner an. Seine 
Muttersprache war ohne Zweifel die punische; als seine Schwester nach 
Rom kam, konnte sie nur mit Mühe sich in lateinischer Sprache unter- 
halten. Aber Septimius Severus wurde schon in der Heimat in der latei- 
nischen und griechischen Litteratur unterrichtet, mit achtzehn Jahren 
deklamierte er öffentlich. Später ging er zum Zweck seiner Ausbildung 
nach Rom, alsdann suchte er Athen auf, wahrscheinlich um seine Kennt- 
nisse in der Philosophie zu vertiefen. Auch mit der Astrologie beschäftigte 
er sich aufs eifrigste. Von den ihm gegenüberstehenden Kronprätendenten 
zeigte Glodius Albinus, ein Afrikaner wie Septimius Severus, starke lit* 
terarische Neigungen, als eifriger Landwirt schrieb er Georgica, allem An- 
schein nach ein Gedicht. Die Metamorphosen des Apuleius, seines Lands- 
mannes, las er mit besonderer Freude, und es liefen unter seinem Namen 
auch Erzählungen in der Art und Weise des Apuleius um, die jedoch nur 
mittelmässig genannt werden konnten. Freilich war seine Autorschaft 
nicht zweifellos. Auch Septimius Severus trat als Schriftsteller auf, er 
schrieb seine Autobiographie. Wenn es auch zweifellos ist, dass dieses 
Werk nicht völlig objektiv war, so bedauern wir doch mit Niebuhr*) 
ausserordentli9h dessen Verlust; denn er war ein grosser Mann, scharfen 
Blickes, unbeugsamen Willens, als Feldherr wie als Herrscher ausge- 
zeichnet. 

HelviuB Pertinax. Gapitol. Pert. 1,8 daUus etiam Graeco grammatico atqtM inde 
Stäpieio Äpollinari, post quem idem Pertinax gratnmaticen professus est, aed cum in ea 
minus quaestus proficeret, per LöUianum Avitum, ccnsularem tdrum, patris patronum, 
ducendi ordinis dignüatem petit; 11,3 Pertinax eo die processionem, quam ad Athenaeum 
paraveratj ut audiret poetam, ob sacrificii praesagium distulU; 12,7 cum sine amieis 
eenaret, adhibebat uxorem suam et Valerianum, qui cum eodem dacueral, ut faindas Ut- 
teratas haheret» 

Septimius Severas. Spart. Sev. 1, 4 priusquam Latinis Oraecisque litteris im-- 
bueretur — (5) octavo decimo anno publice declamavit . postea studiorum causa Bomam venit, 
latum clavum a divo Marco petit et accepU; 3, 7 post hoc Athenas petit studiorum saerorum- 
que causa et operum ac vetustatum, — (9) ipse quoque matheseos (d. h. der Astrologie) peri- 
tissimus; 18, 5 phüosophiae ac dicendi studiis satis deditus, doctrinae quoque nimis cupidus; 
19, 9 canorus voce, sed Afrum quiddam usque ad seneetutem sonans; 15, 7 cum soror sua 
Leptitana ad cum venisset vix Latine loquens, Aur. Vict. epit. 20, 8 Latinis litteris 
sufficienter instructus, Graecis sermonibus eruditus, Punica eloquentia promtior, quippe 
genitus apud Leptim provinciae Africae, 

Seine Autobiographie. Spart. 18, 6 vitam suam pritKUampuhlicamque ipse conposuit 
ad fidem, solum tarnen fdtium crudelitatis excusans; 3, 2 uxorem tunc (unter Marcus Aurelius) 
Marciam duxit, de qua tacuU in histaria pitae privatae. Spart. Pescenn. 4, 7 in vita sua 

*) Yorles. fiber rOm. Gesch. hgg. von Isler 8, 250. 



Alezander Sevems. 17 

Sererus dieit; Gapitol. Clod. Alb. 7, 1 u/ Severua ipse in vUa 8ua loquUur; Bio 75, 7 Xfyto 
ydq ovx oaa 6 Isvrjgog fygatpsyy aXX' oca dXijdms iyiyexo. 

Das Schreiben des Severus an den Senat. Gapitol. Clod. Alb. 12,5 extat epi- 
stula Severi, quae ostendit animum 8uum, missa ad senatum, cuiua hoc exemplum est, 
NiSBüHB (Vorlea. Ober rOm. (Tesch. hgg. von Isler 8, 250) sagt: ,wir haben nur einen einzigen 
sicheren, sehr leidenschaftlich geschnobenen Brief von ihm, der sehr gat geschrieben ist". 
Allein das Schriflstflck ist nicht echt vgl. Pbteb, die Script, bist. aug. p. 206. 

Glodius Albinns. Gapitol. Glod. Alb. 11, 7 agri edUndi peritissimus, ita ut etiam 
Geargica seripserü. In dem nngierten Schreiben an den Senat sagt Septimius Severus 
(12, 12): nuiior fuit dolor, quod iüum pro litterato laudandum plerique duxistis, cum ille 
neniis guibusdam anüibus oeeupatus inter MUesias ÄpuJei sui et ludicra lUteraria con^ 
seneseeret, 

509. Alexander Sevems (228—886). Von den Kaisern, welche 
nach Septimius Severus das römische Reich beherrschten, hatten wenige 
ernstliche Berührungspunkte mit der Litteratur. M. Aurelius Antoninus, 
Garacalla (211 — 217) genannt, stand derselben ganz ferne, ja er ver- 
achtete die Gelehrten.^) Etwas besser stand es in dieser Beziehung mit 
seinem Bruder Antoninus Geta; der war bewandert in den alten Autoren, 
von den modernen bevorzugte er den gelehrten Sanmionicus Serenus, doch 
trieb er auch seinen Spass mit den Männern der Wissenschaft, so exa- 
minierte er die Grammatiker über die Worte, welche die Tierstimmen be- 
zeichnen.^) Dieses Dilettieren finden wir auch bei Macrinus (217); er 
zahlte seinen Gegnern, die Spottverse gegen ihn schleuderten, mit gleicher 
Münze heim.^) Dagegen scheint ihn ein ernstes Interesse an die Juris- 
prudenz gefesselt zu haben, er trug sich sogar hier mit Reformideen, allein 
er nahm dieselben mit ins Grab. Von dem Wüstling Elagabal (217 — 222) 
kann die Litteraturgeschichte nur berichten, dass er Schriftsteller zwang, 
in ihren Biographien über Diadumenus Antoninus zu schmähen,^) dass er 
Spöttereien bei der Weinlese, meistens in griechischer Sprache, verfasste, ^) 
und dass er den Rechtsgelehrten Ulpian und den Rhetor Silvinus verfolgte.^) 
Erst bei Alexander Severus kann wieder von einem Verhältnis zur 
Litteratur gesprochen werden. Eine ganze Reihe hervorragender Lehrer, 
sowohl Griechen wie Römer, führte ihn in die verschiedenen Disziplinen, 
besonders Grammatik, Rhetorik, Philosophie, ein. Auch die Astrologie 
hatte er sich angeeignet, Haruspizin und Vogelschau kennen gelernt, 
endlich auch die Künste der Musik und Malerei betrieben. Seine Fort- 
schritte waren im Griechischen grösser als im Lateinischen; noch später woUte 
man aus seinen Reden, deren er als Kaiser sehr viele hielt, ^) den unge- 
übten Latinisten erkennen. Seine Vorliebe für die griechische Litteratur 
bethätigte er, wenn dem Berichterstatter Glauben beizumessen ist, durch 
griechische Gelegenheitsverse.®) Ob seine metrischen Elegien auf die 
guten Regenten lateinisch oder griechisch geschrieben waren, wird nicht 
berichtet. Die Litteratur war ihm Herzenssache. Gern erholte er sich 
von den Arbeiten des Berufs durch Lektüre lateinischer und griechischer 
Autoren. Von den griechischen Schriftwerken zog ihn am meisten die 
Platonische Republik an.^) Seine Lieblingsschriften in der lateinischen 



*) Die 77, 11, 2 p. 409 Bekker. 

') Spart Anton. Gfeta 5. 

>) CapitoLMacr. 11,5; 14,8. 

^) LÜaprid. Heliog. 8, 5. 

») Ebenda 11,6. 

B^ndbnch der kla«. AlUniumnnflMuachAft. vm. ». Teil. 



*) Lamprid. Heliog. 16, 4. 
^) Lamprid. Alex. 25, 11. 
•) 18,5; 88,6. 
•) 30, 1. 



18 Römiflohe LitteratiirgeBöhichte. IL Die Zelt der Monarchie. 2. Abteilung. 

Litteratur waren Ciceros Republik und die Büclier über die Pflichten ; doch 
auch die lateinischen Redner und Dichter las er; von den älteren Dichtern 
bevorzugte er Vergil und Horaz, den Vergil nannte er den Plato der 
Dichter; in seiner Kapelle stand sein Bildnis wie das Ciceros;') von den 
zeitgenössischen Poeten las er am liebsten die Gedichte des ihm befreun- 
deten Sammonicus Serenus. In der historischen Litteratur erregten die 
Werke sein Interesse, welche das Leben seines Helden, des grossen mace- 
donischen Alexander erzählten. Seine Freude an der Lektüre war so 
gross, dass er selbst bei Tisch, wenn er ohne Gäste speiste, in einem 
Buch, meistens in einem griechischen, las.') Auch den Recitationen der 
Redner und Dichter wohnte er fleissig bei;*) sprach ein Redner über 
seinen Alexander den Grossen oder über die grossen Römer der alten 
Zeiten, so war ihm das ein Fest; Schmeichlern ging er aus dem Weg. 
Selbst die Gerichtsreden verfolgte er mit Aufmerksamkeit. Mit den Ge- 
lehrten verkehrte er sehr gem. Er zog sie oft zu seiner Tafel, xnn mit 
ihnen gelehrte Gespräche zu führen;^) das war für ihn die grösste Er- 
holung. Er schätzte auch sehr ihren Rat, den er sich nicht selten in 
Staats- und Privatangelegenheiten erbat, und fürchtete ihre Feindschaft.^) 
Seinen Sinn für das geistige Leben bethätigte er durch seine Fürsorge 
für die äusseren Verhältnisse der Gelehrten und Künstler. Diese Fürsorge 
erstreckte sich nicht bloss auf Rom, sondern auch auf die Provinzen. So 
Wurde der Kaiser der belebende Mittelpunkt der Litteratur. Zu seinem 
EJreise gehörte unter anderen der angesehene Redner Claudius Yenacus, 
der gelehrte Gatilius Severus, der Jurist Aelius Gordianus, der Historiker 
Encolpius,^) der grosse Rechtsgelehrte Julius Paulus. Doch am nächsten 
stand ihm die Leuchte der Rechtsgelehrsamkeit Domitius ülpianus, der das 
wichtige Amt eines praefedus praetorio bekleidete und den grössten Ein- 
fluss auf den Kaiser ausübte, bis er im Jahre 228 von den Prätorianem 
getötet wurde. Auch der Kaiser wurde von den Soldaten ermordet. Sein 
Tod wurde verhängnisvoll für das römische Reich; obwohl ein Orientale, 
weckte er doch im Gegensatz zu den orientalisierenden Bestrebungen 
Elagabals den alten römischen Geist zu neuem Leben. 

Macrinns. Capitol. Macr. 13, 1 fvU in iure nan inccillidus, adeo ut statuisset 
omnia reacripta veterum principum tollere, ut iure, non rescriptis ageretur, nefcis ease 
dicens, legea videri Cammodi et Caracalli et haminum inperitorum voluntates, cum Traianua 
nunquam libelUs reaponderit, ne ad aliaa cauaaa facta praeferrentur quae ad gratiam con- 
poaita viderentur; Herod. 4, 12, 1 rcJv di iv dyoq^ ovx anai^tas et/ff *ai (Atthaxa yo/jiay 
inurxijfÄfjs, Dagegen Dio 78, 11, 2 p. 424 Bbkker td re rofAt/Lia ovx ort tag dx^tßuis ^niotato 
(OS Tturrtog fieraxaigiCero; Capitol. 13, 5 adhibuit convivio litteratoa, ut loquena de atudiia 
Uberalibua neceaaario abatemiua eaaet. 

Alezander Severus. Lamprid. 3, 2 in prima pueritia liUeratorea hdbuit Valerium 
Cordum et Titum Veturium et Äurelium Phüippum libertum patria, qui vitam eiua poatea 
in Utteraa miait, grammaticum in patria Graecum Nehonem, rhetorem Serapionem, philo^ 
aophum Stilionem, Romae grammaticoa Scaurinum Scaurini filium, doctorem celeherrimum, 
rhetorea Julium Frontinum et Baebium Macrianum et Julium Oranianum, cuiua hodieque 
declamatae feruntur. aed in Latinia non muUum profeeit, ut.ex eiuadem orationibua ap' 
paret, quaa in aenatu hahutt vel in eontionibua apud milUea vel apud populum, nee valde 
amavit Latinam facundiam; 27, 5 facundiae Graecae magia quam Latinae nee verau in- 



') Lamprid. Alex. 31, 4. 
«) 34, 7. 
») 35, 1. 



') 84, 6. 
») 8, 5. 
•) 17, 1. 



Die Gordiane. Igt 

venustus et ad musleam pronuSf mätheaeos peritus, et ita quidetn, ut ex eiua iussu mathe- 
matici puHiee praposuerint Ramae ae Hnt professi, ut doeerent, haruapiHnae qttoque perU 
tiasimus fuit, ameo8capoa magnus — geometriam feeit, pinxit mire, cantavü nobÜiter, 
9td numquam alio ednaeio niH pueris suis tesHbus. vüm principum bonorum verHhus aeri- 
paU, lyra, tibia, organo ceeinit, tuba eUam — palaestea primua fuU; 44,4 rJietoribua, gram~ 
maticia, medieia, haruapieibua, maihetnaticia, meehanicia, architectia aalaria inatituU et 
audiioria deerevit et diacipuloä cum annonia pauperum fUioa, modo ingenuoa dari iuaait, 
etiam in provineiia oratoribua forenaibua multum detulit, pleriaque etiam annonaa dedit, 
quoa ematUiaaet gratia agere; 68, 1 ut aeiaa, qui viri in eiua eonailio fuerint: Fabiua Sabinua, 
Sabini inaignia viri filiua, Cato temporia aui, Domitiua ülpianua, iuria peritiaaimua ; 
Aeiina Oordianua, Gordiani imperatoria filiua acientia iuria inaignia; Juliua Paulua, iuria 
peritiasimua; Claudiua Venacua, orator ampliaaimua; Catiliua Severua, cognatua eiua, vir 
omnium doctiaaimua; Äeliua Serenianua, omnium vir aanetiaaimua; Quintüiua Marcellua, 
quo nuliarem ne hiatoriae quidem continent. 

510. Die Gordiane. Je weiter wir in der Oeschichte der Kaiser 
fortschreiten, desto dürftiger werden unsere, überdies aus der trüben 
Quelle') der scriptores historiae augnstae stammenden Nachrieb ten. Ma- 
ximinus (235 — 238) war selbst ein ungebildeter Mann, dagegen liess er 
seinen Sohn sehr sorgfältig unterrichten. Eine litterarische Persönlichkeit ist 
wieder Gordianus I. (238). In seiner Jugend versifizierte er viel. Zuerst 
nahm er sich fünf Gedichte Ciceros vor, Marius, Aratus, Halcyones, Uxorius, 
Nilus und arbeitete sie um, indem er die Stoffe in ein modernes Gewand 
kleidete. Aber sein Streben ging noch höher, er wollte ein Werk schaffen, 
das der Aeneis Vergils und der Achilleis des Statins an die Seite gesetzt 
werden konnte. Er schrieb also eine Antoninias; in dreissig Büchern 
waren in gebundener Bede Leben und Thaten des Antoninus Pius und des 
Marcus Aurelius verherrlicht. Allein das waren Jugendversuche. Im reiferen 
Alter trug er im Athenäum Controversiae vor; auch ein Geschichtswerk 
verfasste er, alle Antonine, die vor ihm regiert hatten, waren in dem- 
selben behandelt. Den Verkehr mit der Litteratur hielt er fortwährend 
aufrecht, von den Griechen waren seine Freunde Plato und Aristoteles, 
von den Römern Cicero und Vergil.*) Sein Sohn hatte zum Lehrer den 
jüngeren Sanmionicus, der ihm die reiche Bibliothek seines Vaters bei 
seinem Tode hinterliess. Von ihm zirkulierten im Kreise seiner Verwandt- 
schaft litterarische Produkte, sowohl in Poesie als in Prosa, wie der Be- 
richterstatter sagt. Mittelgut, das Werk eines spielenden Geistes. Von 
dem dritten Gordianus, dem Enkel des älteren (238 — 244) sind keine 
litterarischen Thaten zu berichten; in seiner vita steht ein Brief an den 
Senat, worin er seinem Schwiegervater Furius Timesitheus, der für ihn 
das Steuerruder des Staates führte, Lob spendet. Allein dieser Briefe) ist 
sowenig echt, wie der an seinen Schwiegervater gerichtete; sie „tragen 
den Stempel der Rhetorschule an der Stirne''.^) 

Maximinas iunior. Gapitol. Maximin. 27, 5 grammaiico Latino uaua eat Philemone, 
iuria perito Modestino, oratore Titiano, filio Titiani aenioria, gp*i provinciarum libroa ptU- 
cherrimoa acripait et qui dictua eat aimia temporia aui, quod euncta eaaet imitatua. habuit et 
Graecum rhetorem Eugamium aui temporia darum vgl. 29, 8. 



*) Wer gezwungen ist, ans diesen Autoren 
zn schöpfen, wird gefohlt haben, was Momm- 
8BX sagt (Hermes 25,281): ,Wie sie jetzt 
vorliegen, ist man hei dem Qehrauch des 
ebenso gefährlichen wie nnentbehrlichen 



Buches in stetiger Verlegenheit und Ün* 
Bioherheit' 

•) Capitol. Gord. 7, 1. 

*) MonisBN, R. Gesch. 5,421,2. 

^) Pbtbr, Die acript. hiat» aug. p. j214. 

2* 



20 BOmisohe Litteratnrgeschiohte. ü. Die Zeit der Monarohie. 8. Abteilung. 

Gordia tfn 8 I. Capitol. Gord. 8,2 poemcUa scripsU, quae omnia extatU, et ^idfm 
cuneta iUa quae Cicero, id est Marium et Aratum et Halcyonas et üxorium et 
Nitum. quae quidem ad hoc scripsit, ut Ciceronis poemata nimis antiqua vidererüur. 
acripeit praeterea, quemadtnodum Vergilius Aeneidos et Statius AchVleidos — ita etiam iUe 
Antoniniados, hoc est Antoninum IHum et Antoninum Marcum veraibue disertiesimis libris 
triginta vitam ührum et hella et publice privatimque gesta perscribens, et haec quidem 
puerulus, poetea vero uhi adülevit, in Athenaeo controversias declatnavit; 4,7 scripsit et 
laudes soluta oratiime omnium Antoninorum, qui ante eum fuerunt. 

GordianuB iunior. Capitol. 18, 2 Sereno Sammonico, qui patris eius amicissimus, 
sibi autem praeceptor fuit, nimis acceptus et carus usque adeo ut omnes libros Sereni Sam- 
tnonici patris sui, qui eensebantur ad sexaginia et duo milia, Gordiano tninori moriens ille 
relinqueret, quod eum ad caelum tulit, si quidem tantae bibliothecae copia et splendore 
donatus in famam hominum litterarum decore pervenit; 20, 6 extant dicta et soluta oratione 
et versihus Gordiani iunioris, quae hodie ab eius adfinibus frequentantur, non magna non 
minima, sed media et quae appareat hominis esse ingeniosi, sed Itixuriantis et suum 
deserentis ingenium, 

GordianuB tertins. Die unechten Briefe stehen 25 und 27; Timesitheus wird hier 
irrtfimlich Misitheus genannt. 

611. Die übrigen litterarischen Kaiser. Kaiser auf Kaiser folgten 
einander. Die Legionen besetzten in der Regel den Thron der römischen 
Cäsaren, die erwählten Führer hatten wenig Berührung mit der Litteratur, 
das Schwert war ihre Welt. Erst mit Gallienus (260 — 268) stossen wir 
wieder auf einen litterarischen Kaiser. Dem wird sowohl Redner- wie 
Dichtergabe zugesprochen. Von seiner Dichterkunst ist eine schwache 
Spur auf uns gekommen; er dichtete, als die Söhne seines Bruders Hoch- 
zeit machten, ein Epithalamion und unter den vielen griechischen wie 
lateinischen Gedichten, welche zu dieser Feier gesprochen wurden, wurde 
sein Werk als das vorzüglichste anerkannt. Es sind folgende Verse 
daraus erhalten: 

Ite, agite, o pueri, pariter sudate meduilis 
Omnibus inter voa, non murmura vestra columbae, 
brachia non hederae, non vincant oscula conchae, 
ludite: sed vigües nolite extinguere lychnoa: 
omnia nocte vident, nil cras meminere lucernae. 

Der Berichterstatter lobt den Dichter Gallienus, fügt aber hinzu, dass 
an einen Imperator andere Anforderungen gestellt werden als die, ein 
guter Dichter oder Redner zu sein; wir können in sein Lob nicht ein- 
stinmien, denn die Verse entquollen keiner frischen Dichterbrust, und Gal- 
lienus, so können auch wir sagen, hätte seine Zeit besser ausfüllen können. 
In der Biographie Aurelians (270 — 275) werden „ephemerides illius viri*' 
und „bella charadere historico digesia'^ erwähnt.') Allein die Quelle ist zu trüb, 
um etwas auf diese Nachricht zu geben. Nach dem Tod Aurelians wird 
Tacitus für einige Monate auf den Thron erhoben; er gewinnt dadurch 
eine Bedeutung für die Litteratur, dass er sich die Verbreitung der Werke 
seines Vorfahren, des grossen Historikers, sehr angelegen sein Uess. 
Vielleicht verdanken wir dem Eingreifen des Kaisers die Erhaltung des 
Geschichtschreibers.*) Von den Nachfolgern ist wiederum Numeri anus 
(284) auf dem Gebiet der Litteratur thätig. Dieser Sohn des Kaisers 
Carus, der Bruder des Carinus, soll ein ausgezeichneter Redner gewesen 
sein, er trug öffentlich vor, auch waren Schriften von ihm im Umlauf, 
deren Stil stark deklamatorisch war. Aber auch als Dichter wurde er 



') Vopisc. Aurel. 1, 6, I ') § 439 p. 380. 



Die podtae neoterid. 21 

sehr gerühmt; er nahm es mit den zeitgenössischen Dichtern auf, mit 
Olympius Nemesianus, dann mit Aurelius Apollinaris, der in Jamben die 
Thaten des Carus gefeiert hatte, und besiegte sie. 

Es kommt die Zeit Diocletians (284—305), die für die Entwick- 
lung der römischen Verfassung von tiefeinschneidender Bedeutung war, 
aber auch an der Litteratur nicht ganz ohne Spuren vorüberging. Eine 
neue Litteraturgattung, freilich keine erfreuliche, der Panegyrikus trieb 
unter diesem Regiment seine Blüten. Dort in Gallien lebte ein rede- 
frohes Volk, dem des Festes schönste Würze die Festrede war. Eine 
Schar von Festrednern tauchte auf, deren Eigentum nicht immer leicht 
geschieden werden kann. Die Bewegung ist merkwürdig, weil sie uns das Er- 
starken des provinziellen Geistes in der Litteratur handgreiflich zeigt. Nicht 
mehr musste man nach Rom wandern, um sich in der lateinischen Sprache 
auszubilden; in Gallien gab es hochangesehene Schulen mit hochangesehenen 
Lehrern, welche die Jugend in den Feinheiten der lateinischen Rede unter- 
richteten. Die centrifugalen Kräfte, die das Reich seiner Einheit beraubten, 
beginnen in unserem Zeiträume auch ihre Wirksamkeit in der Litteratur. 

Gallienns. Trebell. GaUien. ll, 6 fuU Oallienus — oratiane, poemate atque omnibus 
ariibua elarus. huius illud est epithalamion, quod inter centum poetaa praeeipuum fuU, 
nam cum frairum suarum fUios lungeret et omnes poetae GrMci Latinique epithalamia 
dixissent, idque per dies plurimas, iUe, cum manus spansorum teneret — ita dixisee fertur 
(vgl. die Verse oben), longum est, eius versus oratianesque conectere quibus suo tempore 
tarn inter poeUis quam inter rhetares emieuit. sed aliud in imperatore quaeritur, aliud in 
oraiare velpoeta flagitatur, Thomas, üeber das Epithalamium des Gall.» Münchner Sitzungs- 
ber. 1862 2, 41. Die zwei letzten Verse sind aus dem jetzt nicht mehr vorhandenen 
Kodex des Binetus hinzugekommen. Anthol, tat, von Risse 711; BIhbbks, PLM. 4, 103. 

Tacitus. Die Stelle ist abgedruckt § 439 p. 380. 

Numerianus. Vopiso. Num. 11, 1 Numerianus, CarifUius — eloquentia etiam prae- 
pollens, adeo ut publice deelamaverit, feranturque iüius scripta nobUia, declamationi tarnen 
magis quam TuUiano adcommodaiiora stUo . versu autem talis fuisse praedicatur, ut omnes 
poetas sui temporis vicerit . nam et cum Olympia Nemesiano contendit, qui dXievnxdy xvy^ 
ystuta et ravrixd scripsU quique (f&r inque) omnibus coronis (fttr colonis) itHustrcUus 
emieuit, et Aurelium ÄpcUinarem iamborum acriptorem, qui patris eitis gesta in litteras 
reitulit, isdem quae recitaverat editis veluti radio solis citexit . huius oratio fertur ad 
senatum missa tantum habuisse eloquentiae, ut Uli statua non quasi Caesari, sed quasi 
rhHari decerneretur — cui subscriptum est: Numeriano Caesari, oratori temporibus suis 
potentissimo, üeber die Unglaubwürdigkeit dieser letzteren Angabe vgl. Pbtbb, scriptor, 
histor. aug, n. 229. 

Diocletianns. Pbbüss, Kaiser Diokletian und seine Zeit, Leipz. 1869. Sbbck, Gesch. d. 
Untergangs d. antik. Welt I p. 1 ; p. 405. Sein Preisedikt aus dem J. 301 in GJL. III SuppL; 
BLthorBB, Der Mazimaltarif d. Diokl. 1893; BOohbb, Zeitschr. f. Staatsw. 50 (1894) p. 189, p. 672. 

a) Die Poesie. 

1. Die poStae neoterici. 
512. Die Bichtung der poBtae neotericL Bei dem Grammatiker 
Diomedes ist gegen den Schluss des dritten Buchs mehrmals von poetae 
neoterici die Rede. Von vornherein werden wir an eine Dichterklasse mit 
bestimmter Richtung zu denken haben. Was nun Diomedes von ihnen 
berichtet, sind metrische Eigentümlichkeiten, die sich, genau besehen, als 
Spielereien charakterisieren. So machten sie, um einen hervorstechenden 
Fall anzuführen, versus reciproci, d. h. Verse, die auch rückwärts gelesen 
wieder Verse geben. Diomedes führt als Beispiel an (GL. 1, 516, 25) : 

versu Veto, Liber, tua praedicentur acta, 
acta praedicentur tuq, IM>er, volo versu. 



22 BOmisohe litteratargesobiolita. IL Die Zeitjder Monarohie. 8. Abteilung, 



Vorwärts und rückwärts gelesen, immer erhalten wir einen Sotadeus. Ja, 
diese Neoterici gingen sogar soweit, dass sie diese Künstelei auf zwei 
Verse ausdehnten (GL. 1, 517, 4) : 

Nereides freta sie verrentea eaertUa tranant, 

fiatnine confidena ut Notua Icarium. 
Icarium Notus ut confidens flamine, tranant 

caenUa verrentea sie freta NerMes, 

Namentlich von einem Dichter S er onus werden bei Diomedes neue me- 
trische Gebilde mitgeteilt. Auch bei Terentianus Maurus, der ein Lehr- 
gedicht über Metrik schrieb, ist von novelli poetae^), von nova exempla*), 
von metrischer novüas^), von novare*') die Rede. Wir werden vermuten 
dürfen, dass diese novelli poetae des Terentianus und die neoterici bei Dio- 
medes dieselbe Dichterklasse bezeichnen. Diese Vermutung wird dadurch 
wahrscheinlich, dass bei beiden Septimius Serenus mit diesen metrischen Neue- 
rungen und Künsteleien in Verbindung gebracht wird. Ist diese Vermutung 
begründet, so ist auch für die Zeit dieser Dichter etwas gewonnen. Sie 
können nicht später als Terentianus gesetzt werden. Von einem Dichter 
Annianus wissen wir, dass er Zeitgenosse des Gtollius war. Es ist daher 
wahrscheinlich, dass die ganze Schule bald nach Hadrian ihre Blüte hatte. 
Ihre Eigentümlichkeit aber bestand, wie aus dem Gesagten erhellt, vor- 
zugsweise in der Handhabung künstlicher Formen. 

Litteratur: Vgl. den Anhang zu L. Mflllers Ausgabe des ClaadioB Rutilius Nama- 
tianus; Schultz, Hermes 22 (1887) p. 274. Ribbbck, Qesch. d. röm. Dicht. 3, 321. 

513. Die einzelnen Dichter der Schule. Die Nachrichten über 
diese neoterici sind spärlich; da ihren Produkten kein wahrhaft poetischer 
Oehalt innewohnte, so konnten sie die Zeit nicht überdauern. Wir können 
folgendes feststellen: 

1. Annianus' Fescennini und Falisca. Unsere Kenntnis von 
diesem Dichter gewinnen wir hauptsächlich aus Gellius, der mit ihm be- 
freundet war. Der Dichter besass ein Landgut auf faliscischem Gebiet*) 
in Etrurien, wo er ein heiteres Leben führte. Wie Gellius, so besass auch 
Annianus ausgesprochene Neigungen für die alten Autoren und für sprach- 
liche Probleme; gern führte er mit seinen Freunden eine Unterhaltung 
über solche Dinge. So, erzählt uns GeUius, habe er einmal über die Be- 
tonung von dffatim gesprochen und sich für die Betonung der ersten Silbe 
jenes Wortes auf den Vortrag eines plautinischen Verses berufen. An 
einer anderen Stelle berichtet Gellius, dass Annianus und seine Freunde 
an Vergil rühmend hervorgehoben, dass der grosse Dichter es vortrefflich 
verstanden (Aen. 8, 401), geschlechtliche Vorgänge in zarter Weise anzu- 
deuten. An einer dritten Stelle des Gellius unterhält sich Annianus mit 
seinen eingeladenen Gästen über die Austern, deren Fülle mit dem wach- 
senden Mond in Zusammenhang gebracht wird. Als Beweis hiefÜr werden 
Verse aus Lucilius beigebracht. Und dieser Einfluss des Mondes auf die 



') GL. 6, 400, 2528. 

«) 384, 1973. 

») 383, 1922. 

*) 385, 1994. 

^) Also wird des Dichters Heimat auch 



Etrurien gewesen sein. «Der Name Annia- 
nus klingt etmskisch' 0. Müllbb-Desokb 
2, 298 Amn. 13. Vgl. Bobkahit, CIL. 11, 
p. 465 und 11 nr. 8121. 



Die po^tae neoterioL. - 23 

Dinge wird noch weiter mit gelehrten Citaten erörtert. Von seinen Ge- 
dichten d. h. seinen poetischen Spielereien erwähnt Ausonius eine Samm- 
lung mit dem Titel ^Fescennini'^; Ausonius führt sie an, um die Ausge- 
lassenheit seines Gento nuptialis zu entschuldigen. Wir haben also unter 
den Fescennini des Annianus lüsterne Hochzeitsgedichte zu verstehen. Ein 
Fragment ist uns daraus nicht erhalten. Etwas mehr Kunde ist uns von 
einem zweiten dichterischen Werk des Annianus zugeflossen. Terentianus^) 
spricht von einem poeia Faliscus, aus dessen „ludkra cartnina'^ er zwei 
Fragmente mitteilt; es sind Paroemiaci, welche sich auf das ländliche 
Leben beziehen. An einer anderen Stelle ') seines Gedichtes spricht Teren- 
tianus von „doda Falisca^ und fährt daraus einige Zeilen an, um das 
inetrum Ckdabrium zu belegen: 

Quando flageüa iugas, ita iuga 
Vitis et ulmus uti simtU eant: 
nam nisi sint paribus frtUieibtu, 
umbra necat teneras Ämineas. 

Die Bezeichnung „Fcdisca*^ scheint auf den poeia Faliscua hinzudeuten, und 
es ist sehr wahrscheinlich, dass also ihm die ausgehobenen Verse gehören, 
nicht dem Serenus, wie einige Autoren wollen. Und wenn wir uns er- 
innern, dass Annianus ein Landgut auf faliscischem Gebiet besass, so 
werden wir vermuten, dass die Gedichtsammlung von diesem Landsitz 
ihren Namen hatte und, wie die Fragmente ausweisen, ländliche Stoffe in 
heiteren Worten und wohl auch mit gelehrten Anspielungen behandelte. 

Zeugnisse Aber das Leben des Annianus. Gell. 6,7, 1 Annianus poeia praeter 
ingenii amoenUates litterarum quoqtie veterum et rationum in litteria oppido quam peritua 
fuU et sermoeinabatur mira quadam et seita suavUate (es folgt dann die Auseinander- 
setzung Aber die Betonung von affatim) — § 3 «e audiente Prdbum grammaticum hos versus 
in Plauti Cisteüaria legisse dicU; 9, 10, 1 (über Vergil); 20, 8, 1 Annianus poeia in fundo 
suo, quem in agro Falisco possidebat, agitare erat solitus vindemiam hilare atque amoeniter. 
Ad eos dies me et quosdam, item alios famüiaris pocavit. 

Seine Gedichte, a) Fescennini. Auson. cento nupt, p. 145 Seh. feseenninos 
amat celehritas nuptialis verhorumque petulantiam notus vetere instituto ludus admittit; p. 146 
(um die lascivia seines cento zu entschuldigen): quid Anniani Feseenninos, quid anti- 
quissimi poitae Jjaevii Erotopaegnion lihros loquarf quid Euenum, qttem Menander sapientem 
voeapit? quid ipsum Menandrum? quid comicos omnesf quibus severa vita est et laeta 
materia, BIhbbhs vermutet (FPR. p. 374 Anm.), dass daraus manches in den herrenlosen 
dichterischen Fragmenten stecke. 

ß) Falisca. Dem Serenus schreibt die mitgeteilten Verse zu Marius Victorinus 
(Aphthonius) GL. 6, 122, 10 metrum, quod Graeci calabrion appellant, — usurpatum a pa- 
storibus Calabris, qui decantare res rusticas his versibus solent, quod genus metri Annianus 
faliseum Carmen inscribit — ut est illud apud Septimium Serenum, Quando flagella 
etc.; ihm folgt Laghhanv, Terent. p. XIIL VgL dagegen L. MOlljeb, Rutil. Namat. p. 36 
und p. 39; Serv. Aen. 4,291 (vgl. L. Müllbb p. 37). 

Die Fragmente bei MOlleb L c. p. 42 und Bahbbns FPR. p. 374. 

2. Septimius Serenus' Opuscula ruralia. Ein zweiter Dichter 
der Schule, Septimius Serenus hat ungleich mehr Beachtung gefunden als 
Annianus. Nicht bloss Terentianus Maurus, sondern auch Servius, Nonius, 
Diomedes und andere haben ihn gekannt Es sind uns daher soviel 
Fragmente erhalten, dass wir eine ziemlich deutliche Vorstellung von seiner 
Dichtungsart erhalten. Auch ihr Grundzug ist die metrische Spielerei. 



GL. 6, 379, 1816. | >) 385, 1998. 



2i BOmiflobe Litieratargea9hio]ite. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abieilnng. 

Er wandelte also auf denselben Bahnen wie Annianus. Dem Altertum lag 
diese Verwandtschaft klar vor, wie sie sich in dem Vers ausspricht (Serv. 
Centim. GL. 4,465,6): 

docta FcUisca, 8er ene, r eparas. 

Diese Verwandtschaft erstreckte sich nicht bloss auf die metrische Form, z. B. 
auf die Vorliebe für das anapästische Metrum, sondern, wie es scheint, auch 
auf den Inhalt. Die Gedichtsammlung des Septimius Serenus wird unter 
dem Titel „Opuscula ruralia^ angeführt; die Fragmente beziehen sich 
auf das ländliche Leben, auch die Liebe ging nicht leer aus. Also wird 
er sich in diesem Werk auch inhaltUch an die Falisca des Annianus an- 
geschlossen haben. Von den Fragmenten gewinnt manches den Leser 
durch seine ZierUchkeit, wie fr. 16 B 

anitnüla miaeruta properiter abiit, 

ein Vers, der uns an die bekannten Hadrians erinnert, oder durch seine 
Lebendigkeit, wie fr. 10 B 

inquü amicua ager domino: 
,9% bene mi facias, meminV, 

Von des Dichters Persönlichkeit schweigen die Quellen, nur das eine 
besagen sie uns, dass er ein Zeitgenosse des Terentianus war, der mit 
„nuper" auf des Septimius Serenus Gedichte als vor kurzem erschienene 

hinzeigt. 

Titel der Gedichtsammlang. Nonius 589, 10 oitiert Serenoa opusculorum 
Ijb. I; 212, 23 citiert er Serenns ruralibus. Terentian. GL. 6, 384, 1978 nemo tarnen culpet, 
8% 8umo exempla novella; \ nam et melius nostri servarunt metra minores; \ Septimius, 
docuit quo ruris opuscula libro \ hoc genere adsidue cecinit. 

Zeit des Septimias Serenus. GL. 6, 882, 1891 dulcia Septimius qui scripsü 
opuscula nuper. 

Die Angaben der Stellen mit Fragmenten siehe bei BXhbbns, FPR. p. 384. Es kommen 
hinzu die zwei Citate: Ap. Sid. carm. 9. 260 Stella et Septimius Petroniusque (carm. 14 praef.j 
und Hieron. ep. 53 CatuUus et Serenus, 

Die Fragmente ausser bei BIhbeks auch bei Wernsdobf, PLM. 2, 279; L. Müller, 
Rutil. Namat p. 44; de re metrica* p. 93. Analyse von Ribbbck, Gesch. d. r6m. Dicht. 3, 323. 

3. Alphius Avitus' libri excellentium. Terentianus gedenkt in 
seinem Lehrgedicht^) auch des Alphius Avitus, der in iambischen Dimetern 
Stoffe der römischen Geschichte behandelte. Das Gedicht umfasste mehrere 
Bücher, aus dem zweiten teilt Priscian ^) folgendes Fragment mit, das wir 
zur Yeranschaulichung seiner Dichtung ausheben: 

tum litterator credüos 
ludo Faliseum liberos, 
causatus in eampi patens 
exteraque muri ducere, 
spatiando paulatim trahit 
hostüis ad valli latus. 

Die Erwähnung des Dichters bei Terentianus mit pridem (2447) rückt 
denselben in die Nähe der Dichter Annianus und Septimius Serenus. 

Fragmente bei BXhbeks, FPR. p. 383. Vgl. Ribbbck, Gesch. der röm. Dicht. 3, 322. 

Vielleicht dürfen wir hieher auch stellen: 

4. Marianus mit seinen Lupercalia. Es ist uns ein einziges Frag- 
ment erhalten bei Philarg. Yerg. Ecl. 1, 20, ebenfalls in iambischen Dimetern 
geschrieben. 



») GL. 6, 398, 2448. | «) GL. 2, 427, 1. 



Ter^ntianns lUiinui. 25 

2. Terentianus Maurus. 
514. Die versifizierten Lehrbttcher der Metrik von Terentianus. 
Im Kloster Bobio wurde im Jahre 1493 Terentianus aus Mauretanien mit 
anderen grammatischen Schriften von Georg Galbiatus, dem Sekretär des 
Georg Morula, aufgefunden und im Jahre 1497 in Mailand herausgegeben. 
Weder diese Handschrift noch eine Kopie des ersten Herausgebers hat 
si9h erhalten. Die edüio princeps ist unsere einzige Quelle der Schrift- 
stellerei des Terentianus. In dieser Ausgabe wurde alles als ein einziges 
Werk unter dem Titel de litter is, syllabis et metris Horati gegeben; 
allein es sind drei Lehrbücher, 1) de litteris, 2) de syllabis, 3) de 
metrisj welche nicht zu einer Einheit verbunden wurden. Wir charak- 
terisieren dieselben im folgenden: 

1. De litteris. In sotadeischem Yersmass wird von den Lauten der 
lateinischen Sprache und ihren Zeichen und über die Art und Weise ihrer 
Artikulation gehandelt. Zuerst werden in diesem Sinn die Vokale erörtert, 
Vs* 186 folgen die Konsonanten, zuerst die mutae^ dann die semiplenae 
f, I, m, n, r, s, x. Der Traktat berührt zuletzt die Geltung der Buch- 
staben als Zahlen und die mystische Anwendung auf Worte durch Sum- 
miening der durch die Buchstaben ausgedrückten Zahlen. Im ganzen 
sind es etwa 278 Sotadeen. 

2. De syllabis. Die zweite Schrift wird eingeleitet durch die tro- 
chäischen Tetrameter: ^) 

Syüahas, quae rüe metro canffruunt heraieo, 
eaptus ut meus ferebat, disputatas attuli 
versibus, sane modarum qiio 8onora levUas 
addUa stili levaret siccicria taedium. 

Der Autor legt seine Schrift seinem Sohne Bassinus und seinem 
Schwiegersohn Novatus zur Prüfung und Verbesserung vor. Von ihrem 
Urteil macht er ihre Veröffentlichung abhängig. Das Gedicht beginnt 
wiederum mit einer Lehre von den Lauten und den Lautzeichen und zwar 
ausführlicher und vielfach nach anderen Gesichtspunkten (z. B. Verbindung 
der Konsonanten miteinander) als in der Schrift de litteris. Bis 777 wird 
von den Vokalen und Diphthongen gehandelt, mit 778 beginnt die Be- 
trachtung der Konsonanten. Mit 997 geht er zu der Lehre von den Silben 
über; mit 999 treten aber an die Stelle der trochäischen Tetrameter Hexa- 
meter, weil die Prosodie der Silben mit Rücksicht auf den heroischen 
Hexameter untersucht wird. Am Schluss unterstellt Terentianus sein 
Elaborat nochmals dem urteil seines Sohnes und seines Schwiegersohnes 
und fügt bei, dass er, als er es in der Zeit von zehn Monaten schrieb, 
zwischen Tod und Leben schwebte. Das Buch gefiel offenbar den Kunst- 
richtem und wurde daher veröffentlicht. Terentianus schrieb noch ein 
Vorwort in stichischen Glykoneen, in dem er sich einem olympischen Sieger 
vergleicht; wie dieser noch in seinen alten Tagen körperliche Übungen 
vorgenommen, so habe auch er im Alter nicht aufgehört zu schaffen und ^) 

quia iam dicere grandia 
rnaturum ingenium negat, 
nee spirarU animas fibrae 

*) OL. 6, 384, 279. | *) GL. 6, 326, 52. 



26 ROmiaohe litteratiirgeBoliiohte. ü. Die Zeit- der Mouftrohio. 2. Abteilung. 

sich in diesen niedrigeren Stoffen versucht. Diese Vorrede gehörte zu 
dem Buch de syUabis, wie die Inhaltsangabe^) 

quid Sit littera, quid duae, 
iunetae quid sibi ayüabae 

darthut. Als die drei Schriften vereinigt wurden, erhielt sie ihre Stelle 
vor dem Buch de liUeris. 

3. De metris. Das Gedicht nimmt nach einer kurzen Einleitung 
(über die Vokale, ihre Länge und Kürze, über die Silben, Positionslängen 
und über Diphthonge) zuerst die Füsse vor. Mit 1580 beginnt die spezielle 
Metrik. Es werden zwei sechsfussige Metra angenommen, ein herous (der 
daktylische Hexameter) und der iambische Trimeter, und beide auf dieselbe 
Quelle zurückgeführt. Von diesen beiden Grundmetren werden die übrigen 
abgeleitet. In vier Abschnitten wird die ganze Lehre entwickelt; zuerst 
werden der heroische Vers und die aus ihm erwachsenen Metra besprochen 
(1580 — 2180); es kommt dann der iambische Trimeter daran und die aus 
ihm abgezweigten Metra (2181 — 2538); auf diese Partie folgt der Abschnitt 
über den Phalaecius und seine Derivata (2539 — 2913); den Schluss bildet 
die Betrachtung der noch nicht abgehandelten horazianischen Metra. Allein 
dieser Teil liegt uns nicht vollständig vor; dies erhellt deutlich aus 
dem, was der Verfasser im Eingang ankündigt. Dieses dritte Gedicht 
ist in verschiedenen Massen geschrieben, indem der Verfasser die von ihm 
behandelten Metra zugleich nachbildet. Die Quelle anlangend, aus der 
Terentianus seine Metrik geschöpft, so ist die wohlbegründete Vermutung 
aufgestellt worden, dass seine Hauptquelle in letzter Instanz der Metriker 
Caesius Bassus war; dass seine Vorlage auch griechische Beispiele ent- 
hielt, schhesst man aus 2128. Seiner Vorlage fügte er aber auch Neues 
hinzu, so die Beispiele aus den poetae novelli, wie er selbst sagt. Über 
die Quellen des ersten und zweiten Buchs sind noch keine Vermutungen 
geäussert worden. In der Versifikation besitzt Terentianus unleugbar 
grosse Gewandtheit, dagegen sind seine eigenen metrischen Kenntnisse 
gering. Trotzdem ist das Gedicht für die Geschichte der Metrik nicht 
ohne Wichtigkeit. Vielbenützt wurde die erste und dritte Lehrschrift von 
Marius Victorinus oder vielmehr von seiner Quelle Aphthonius. 

Die Zeit des Terentianus Maurus kann nur vermutungsweise bestimmt 
werden, er gehört wahrscheinlich ans Ende des zweiten Jahrhunderts. 

lieber die Lebenszeit des Terentianus wurden die verschiedensten Ansichten 
aufgestellt (vgl. Santbn in s. Ausg. praef. lll). Am meisten Anklang fand die Ansicht 
Lachxakns {praef. p. XI): aetatem Terewtiani dico finem saeeuli poat Christum natum tertii, 
nam quod eum muUi Domitiano imperante vixisse existimarunt, nitnis crassus error est, 
argumentis confirmatus, ut Niebukrius rede censet (Kl. Sehr. 1, 347), futilibus, Ruhnkenius 
certe, cum de Terentiani aetate scriberet ad Mallium Theodorum p. 21, quali genere scribendi 
poeta grammaticus usus esset, tum non videtur reeardatus esse: adeo et vocabulis et parti- 
cularum usu et ipsa verborum coUocatione ab iüis felicioris aetatis poetis recedit . prae- 
terea versu 2136 Annaeum Senecam et Pomponium Secundum tragicos antiquos dicit, Pom- 
ponio autem versu 1974 sui temporis ,minores' apponit. Petronii earmina tum vulgo cani 
sclita esse dicit v. 2492; ita iamen ut huius versiculum medium ponat inter antiquissimum 
Naevii et ,novellV p(Mae carmen v. 2528 — 2534 . itaque si verum est, quod mihi certe Nie- 
buhrius persuasit, Petronium medio saeculo tertio scripsisse, vix dubitari potest quin et 
Terentianus et Uli novi poUae circa finem eiusdem saeeuli vixerint. Dieser von Laobjcann 
angenommene terminus post quem ist unrichtig, da darflber, dass Petronius zur Zeit Neros 

') 326, 89. 



Q. SerenoB. 27 

gelebt hat, jetzt kaum mehr ein Zweifel besteht. Den richtigen ierminus post quem gibt 
vielmehr der von Terentianus erwähnte poeta Faliscus (879, 1816), d. h. Annianos, der ein 
Zeitgenosse des Qellius war. Also lebte Terentianus nach 150. Der terminua ante quem 
ist nur vermutungsweise zu bestimmen; nicht viel hilft uns die Erkenntnis, dass er vor 
Diomedes, Marius Yictorinus und anderen Grammatikern (vgl. Keil p. 322) lebte. Teren- 
tianus schrieb als Zeitgenosse des Dichters Serenus (882, 1891). Allein die Zeit des Serenus 
Iftsst sich nicht sicher bestimmen. Lebten die pclHae neoterici zu derselben Zeit, was aller- 
dings sehr wahrscheinlich ist, war also Serenus ein jüngerer Zeitgenosse des Annianus, 
so könnten wir Terentianus ans Ende des zweiten Jahrhunderts rücken. Aber so sicher, 
wie ScHiTLTZ meint (Hermes 22 [1887] p. 277), ist der Ansatz keineswegs. Wie uns 
scheint, liegt doch das fiauptkritenum im Sprachlichen, und wären genaue Untersuchungen 
hierüber erwünscht. 

Ueber die Komposition vgl. Laohmanh p. VIII; Ebil, GL. 6, 819; Wbstphal, 
Allgem. griech. Metrik, Leipzig 1865 p. 56 (2. Aufl. 188). 886, 848 de syUabis quod recepi 
nunc legendum scheint auf den Über de litteris hinzuweisen. Aus dem Itber de syUabie 
sind sieben Verse in den liber de metrie übergegangen, vgL 13Ö6--1812 = 857—864 (aus- 
gelassen 859). Dass der Schluss verloren ging, statuiert Ebil p. 821 ; über kleinere Lücken 
Kbl ebenda. LAOBXAiiir (p. X) hält das Gedicht für nicht vollendet. 

Ueber die Quelle. VgL ausser Laghhann, Keil p. 828 p. 250, Wbstphal 1. c; 
die Quelle Caesius Bassus lag aber wahrscheinlich nicht direkt, sondern bearbeitet, dem 
Terentianus vor (Lbo, Hermes 24 (1889) p. 288 Anm.). 

Ausgaben von L. Santbn-Lbnnbp ütr. 1825 (mit Kommentar), von Gaisfobd Hephaest. 
Ozf. 1855 1,215; 2,849 (Anmerkungen). Massgebende Ausgabe von Laghmanh Berl. 1886; 
auch in Keils GL. 6, 818. — Charakteristik bei Monobauz, Lee Äfrieains, Par. 1894 p. 888. 

3. Q. Serenus. 
615. Die versifizierten Bezepte des Q. Serenus. Die eifrig ge- 
übte Kunst der Yersifikation, in unserem Zeitraum fast der einzige Über- 
rest der Poesie, war nicht sehr wählerisch in ihren Stoffen; ein Teren- 
tianus schrieb drei langweilige Gedichte de litteris, syllabis, märis, ein 
Quintus Serenus gab eine versifizierte Bezeptensammlung heraus. Wie 
er sie betitelte, ist nicht ganz sicher, in der einen Quelle wird sie einfach 
mit liber Quinti Sereni bezeichnet, in der andern heisst sie genauer liber 
tnedicinalis Quinti Sereni. Der Yersifikator ging dabei so zu Werke, dass 
er nach einer Anrufung des Phoebus mit dem Kopf begann und mit dem 
Fuss aufhörte. So gelangte er bis zu dem 41. Rezept; das 42. leitet einen 
neuen Abschnitt mit den Worten ein: 

naturae vitiie medicas obieeimua artes; 
nunc et fortunae iaeulia obsietere par est. 

Er geht jetzt zu den Verwundungen über, die durch äussere Insulte her- 
vorgerufen wurden, daran reiht er die Mittel gegen die verschiedenen 
Fieber,* es folgen die Brüche und Luxationen und noch andere äusserliche 
Krankheiten (Zahnweh, Brandwunden u. s. w.), doch streut er auch Mittel 
gegen die Schlaflosigkeit der Kranken, gegen Lethargie, gegen die hin- 
fallende Krankheit, gegen die Gelbsucht {regius morbus) und Antidota ein. 
Er schliesst mit einem Mittel gegen die Warzen und einem Mittel gegen 
die Hämorrhoiden. So brachte er 63 Bezepte in 1107 Hexametern zusammen. 
Der Autor gibt sich nirgends als Fachmann, er gesteht, seinen Stoff 
aus Büchern zu schöpfen (785): 

non audita mihi fas sü, aed lecta referre. 

Seine Quelle ist vor allem die Naturgeschichte des Plinius, in zweiter 
Linie steht Dioskorides. Plinius wird in dem Gedicht selbst citiert (53, 845). 
Hie und da treten auch andere Autoren auf, so Livius bei einem Rezept 
gegen den Karbunkel {parbo 720): 



28 Bömisohe Litteratorgesohiolit^. II, Die Zeit der Honarphie. 2. Abteilang. 

hunc veteres olim variis peptdere medellis, 
Tertia namque TUi aimtd et centesitna Livi 
carta docet. 

Ebenso umständlich wird auf das vierte Buch des grossen Lucretius 
hingewiesen (606). 

In einem Kapitel über die erkrankte Milz heisst es (425): 

düleia Flautus ait grandi minu8 apta lienis. 

Auch von der sententia senis Varronis ist die Rede (844), von einer Vor- 
schrift des Togatendichters Titinius (1037) und von Democritus (568), es 
macht dem Versifikator Freude, ein Mittel mit einem Vers des Horaz 
(sat. 2,4,48) zu geben (528): 

Qitadque tuis melitts verbis dicemiut, Harati, 
mitulua et pües peUent obstatUia eonchae. 

Auch Krankheiten berühmter Männer werden bisweilen zur Erläuterung 
angefahrt, so die von Pherecydes (59), von Sulla ^) (62) und von Ennius. 
Über des letzteren Gicht heisst es (706): 

Enniu8 ipae pcUer, dum pocuJa siceat iniqua, 
hoe vitio talea fertur meruisse dolores. 

Die Mittel sind grösstenteils dem Pflanzenreich entnommen, doch müssen 
auch die Tiere beisteuern (z. B. 633, 209) und zum Teil sehr Schmutziges 
(727, 740, 285 u. s. w.). Aber auch höchst abergläubische Mittel finden 
sich in der Sammlung. Zwar bemerkt er einmal (930): 

nam febrem vario depeUi carmine passe 
vana superstitio credit trernukieque parentes. 

Allein er hält doch auch seinen Zauberspruch, natürlich zur rechten Zeit, 
bereit, sein mit abracadabra beschriebenes Papier (935). Auf die Erprobt- 
heit der Mittel weist der Autor nachdrucksam hin, experto crede ruft er 
366, einmal versichert er sogar allen Ernstes, dass ein Gott ihm den sicheren 
Erfolg verbürgt habe (472). Einen Hieb erhalten auch die geldsüchtigen 
Arzte (518): 

muUos prcteterea medici eomponere sueos 
adsuerunt; pretiosa tarnen cum veneris emptum, 
faüeris frustraque immensa nomismata fundes. 

Er eifert gegen die teueren Medikamente und will sie von seiner Dar- 
stellung ausgeschlossen wissen, die seien ja doch nur für die Reichen be- 
bestimmt (394): 

at nos pauperibus praecepta dicamus amica. 

516. Der Verfasser des Qedichts. In den Handschriften wird das 
Gedicht, wie bereits gesagt, einem Quintus Serenus zugeschrieben. Wer 
ist dieser Quintus Serenus? Aus seinem Gedicht erhalten wir keine Nach- 
richten über sein Leben, nur so viel können wir daraus abnehmen, dass 
der Verfasser kein Praktiker war, dass er aber das schulmässige Vers- 
machen gelernt hatte, denn er gibt uns regelrecht gebaute Hexameter. 
Auch die Rhetorschulen scheint er fleissig besucht zu haben. Aber er ist 
weder ein Dichter noch ein Gelehrter. Nun werden wir später einen 
Sammonicus Serenus aus der Zeit des Septimius Severus, der unter Gara- 
calla 212 ums Leben kam, kennen lernen, mit ihm haben manche Forscher 
unseren Dichter identifiziert. Aber der war ein gelehrter Mann und wird 
nirgends Dichter genannt. Seine Autorschaft ist daher wenig wahrschein- 

») Plin. 26, 138. 



IL AnreliiiB Olympina HemeBiannB. 



29 



lieh. Allein dieser Gelehrte hatte einen Söhn, welcher seines Vaters grosse 
aus 62,000 Bänden bestehende Bibliothek seinem Schüler, dem jungen Gor- 
dianus (238) bei seinem Tode hinterliess.^) Dieser junge Serenus Sam- 
monicus war ofiFenbar derselbe, der mit Alexander Severus (222 — 235) in 
vertrauten Beziehungen stand; denn es heisst von dem Kaiser in der 
rito, dass er unter den zeitgenössischen Dichtem den Sammonicus Serenus 
besonders gerne las.^) Die vüa rückt aber die Bekanntschaft des Kaisers 
mit Sammonicus Serenus in die Vergangenheit, der Dichter musste also 
vor dem Jahre 235, in welchem Alexander Severus starb, von hinnen ge- 
gangen sein. Dieser jüngere Sammonicus Serenus, der ausdrücklich 
Dichter genannt wird, ist wahrscheinlich der Verfasser der Rezept- 
sammlung.') 

Die Ueberliefemng. AUe unsere Handschriften gehen, wie es scheint, anfeinen 
im Anftrag Karls des Grossen von einem Jacobos zusammengeschriebenen Miscellankodex 
zorQck, der naturwissenschaftliche und arzneiwissenschaftliche Schriften enthielt. Daraus 
wurden zwei apographa gemacht, eines ist uns erhalten im Turicensis 78 s. IX, ein zweites 
ist die Quelle einer grösseren Anzahl von Handschriften geworden, z. B. des Vossianus 
L. Q. 33 s. X, des Senensis s. XI, des Mutinensis (Gobtz, obs. crit., Jena 1883) u. a. Vgl. 
BlHBSfs, PLM. 3, 103; J. Schmidt, Hermes 17 (1882) p. 239. Die Wichtigkeit eines jetzt 
verschollenen Paderboraensis betont A. Baub, Qtiaeat. Samtnonteetie, Giessen 1886; vgl. p. 15. 

Ausgaben von Kbuohbb Amsterd. 1706, Aokkbmann Leipz. 1786, BIhbbns PLM. 
3, 107. 

Zur ErUuterung. Morgagni Epistolae duae in Serenum Sammonicum {Opuac. 
miseeü. Neap. 1763 1, 191); Tbibrfbldbr, Des Q. S. S. Lehrgedicht in Ettchenmeisters 
Zeitschr. f&r Medizin 5 (1866) p. 116; Mbtbb, Gesch. der Botanik 2,209. 

4. M. Aurelius Olympius Nemesianus. 

617. Die Gynegetica des Nemesianus. Die mythologischen Stoffe 
waren in der römischen Dichtkunst bis zum Überdruss behandelt worden; 
es musste schliesslich das Interesse an dieser stationären Scheinwelt er- 
löschen. Diese Übersättigung machte sich der karthagische Dichter M. 
Aurelius Olympius Nemesianus zu Nutzen, um die Gunst der Leser 
für sein Gedicht über die Jagd zu gewinnen. In breitspuriger Weise 
zählt er die traditionellen mythologischen Sujets auf und bekennt, dass 
hier alles ausgeschöpft sei (46): 

hiiec tarn magnorum praecepU copia vatum, 
amnis et antiqui vulgata est fabula saecli. 

Diesen abgegriffenen Thematen will er nun die Bilder des frischen 
Jagdlebens gegenüberstellen. Allein der Dichter hat noch Grösseres vor; 
seine Blicke richten sich sehnsüchtig von Karthago nach Rom; ein dilet^ 
tierender Dichter Numerianus war mit seinem Bruder Garinus Kaiser ge- 
worden, und es ist zweifellos, dass bereits Dichtungen des gefeierten Neme- 
sianus die Aufmerksamkeit des Numerianus erregt und ihn zur Nachahmung 
veranlasst (vgl. p. 21); jetzt wendet sich dieser Nemesianus an die Söhne 
des Kaisers Carus, Garinus und Numerianus, und verspricht ihnen, sobald 
es ihm vergönnt wird, ihr „heiliges Gesicht '^ zu schauen, ein Gedicht über 
ihre Heldenthaten zu überreichen. Dann geht er zu seinem Thema über. 



>) Vgl p. 20. 
«) Vgl. p. 18. 
*) FrOhnxb, Krit. Anal. (Philol. 5. Sup- 



plementband p. 60) nennt den Dichter 



s 



SerenioB («die gens Serenia erscheint anf 
Inschriften*) und bestreitet demnach die Iden- 
tifizierung. 



30 BftmiBohe litteratorgeaohiohte. II. Die Zeit der Konarohie. 2. Abteilnng. 

Aber das erste, was uns geboten wird, ist doch wieder eine abgenutzte Oestalt, 
es ist die Phoebe, die in herkömmlicher Weise von dem Dichter geschiU 
dert und angerufen wird. So fest war die usuelle poetische Maschinerie, 
dass sich selbst der auf die mythologischen Spielereien scheltende Poet ihr 
nicht entziehen konnte. Endlich mit dem Vers 103 beginnt die Darlegung 
des eigentlichen Stoffes; die erste Materie, welche behandelt wird, ist die 
Aufzucht der Jagdhunde; Körung, Ernährung, Abrichtung, Krankheiten, 
Ra9en werden besprochen. Dann kommen die Jagdpferde an die Reihe, 
ihre Eigenschaften, die verschiedenen Rafen, ihre Ernährung und Pflege; 
der letzte Gegenstand sind die Jagdgeräte, Netze, Garne und Yogelfedem. 
Nach diesen Vorbereitungen sollte das Jagdgeschäft beginnen, allein mit 
dem Hexameter 325 bricht das Gedicht ab. Das Übrige ist verloren ge- 
gangen, indem sich von dem Archetypos einige Blätter ablösten. 

Das Gedicht ist mit gewandtem Formtalent geschrieben, allein es ist 
im Grunde genommen doch nicht viel mehr als versifizierte Prosa. Der 
Lichtstrahl der Poesie dringt nicht aus demselben, und wenn der Dichter, 
um die Schnelligkeit seines Jagdpferdes zu schildern, einen Vergleich mit 
dem thracischen Boreas einflicht, so wirkt er fast komisch (272). Ebenso 
sonderbar mutet uns an, wenn er dem Satz, dass den geschilderten Pferden 
die Jugendlust auch noch im ausgedienten Alter nicht verloren geht, die 
salbungsvollen Verse hinzufügt (281): 

nam quaecumque suis tHrtus bene floruü annis, 
non prius est animo quam corpore passa ruinam. 

Seiner Diktion hängt er einigemal ein archaistisches Mäntelchen um, 
so begegnet uns 264 ein oUis, 317 ein tnage. Doch dies stört nicht, denn 
sonst ist seine Rede rein und lässt die Nachwirkungen des Vergirschen 
Stils erkennen. Gelesen wurde das Gedicht noch in der Zeit des Mittel-^ 
alters; ja der Bischof Hincmar von Rheims hatte es als Schulbuch.^) 

Zeugnis Aber die Gedichte. Vopisc. Numer. 11,2: {Numerianus) cum Olympia 
Nemesiano contendit, qui dXtsvuxd, xvyrjytiixd et vavxixd scripsU quique (fOr inque) 
Omnibus colonis (f&r coronis vgl. p. 21) itUttstratus emicuit. Hier sind also die Cynegetica 
erwähnt, dagegen ist von den dÜisvxvxd nnd vavtixd nichts erhalten. Statt yavnxd hat 
Bbrnhabdy iisvTixd (d. h. die Kunst des Vogelfangs), Bahbbks Pontica vermutet, ohne 
stichhaltigen Grund. Die Bucolica sind nicht genannt, weil der Berichterstatter nur die 
wichtigsten Gedichte des Nemesianus geben woUte; wenn übrigens nicht alles trügt, so 
scheint diese Gedichte Nemesianus leise anzudeuten Cyneg. 58: 

talique placet dare lintea cursu, 
dum non magna ratis, vicinis sueia moveri 
litoribus tutosque sinus pereurrere remis, 
nunc primum dat vela notis portusque fideles 
linquit et Adriacas audet temptare proceVas. 
Hier stellt er doch den ersten grösseren Versuch den früheren kleineren gegenüber. 

Zeit der Cynegetica. Der terminus ante quem ist das Jahr 284, denn anfangs 
September dieses Jahres kam Numerianus und gegen Ende dieses Jahres Garinus ums 
Leben. Das Gedicht muss also vor September 284 geschrieben sein. Der terminus post 
quem ist der Tod des Vaters der beiden Kaiser, des Garns, der Dezember 283 den Tod 
fand (ScHiLLBB, Gesch. der rOm. Kaiserzeit 1, 884). 

Dass die Ünvollständigkeit des Gedichtes auf Blätterabfall des Archetypos be- 
ruht, behauptet Hatjpt, op. 1, 405, indem er nachweist, dass der letzte Vers unseres CFedichts 
(325) den Schluss eines Blattes bildete. 

Die Ueberlieferung. Actius Sincerus Sannazarius (Jacopo Sannazaro 1458 — 1530) 
brachte eine Handschrift, die in langobardischer Schrift Ovids Halieutica, des Grattiua 

') Die Stelle ist abgedruckt bei BIhbbks, PLM. 3, 174 Anm. 



IL AnreliuB Olympius KemenanuB. 31 

Cynegetica nnd des Nemesianus Cynegetica enÜiielt, ans Frankreich nach Italien; von 
dieser Handschrift ist ein Teil erhalten im cod, Vindobonensis 277 s. IX, nämlich Ovids 
Halieutica nnd Grattins' Cynegetica. Vom Nemesianus dagegen ist nur eine Ahschrift im 
Codex Vindobonensis 8261 s. XVI vorhanden. Ausserdem ist das Gedicht noch fiberliefert 
im Partsinus 7561 s. X und im Parisinus 4839 s. X. 

518. Die vier EUogen des Nemesianus. Mit den Eklogen des 
Calpumius waren lange Zeit^) vier Eklogen verbunden, welche ihm nicht 
angehörten, sondern einem Nemesianus. In der ersten Ekloge fordert 
der junge Hirte Timetas den alten Tityrus zum Gesang auf, der lehnt 
diese Aufforderung ab, die Zeit des Singens sei für ihn vorbei, dagegen 
stehe dies dem jungen Timetas an, zumal seine Oesangskunst siegreich 
erprobt sei; er fordert ihn auf, das Lob des dahingegangenen Mehboeus 
zu singen. Timetas folgt und preist den Meliboeus als einen rechtschaffenen, 
biederen Mann, der mit Weisheit die Streitigkeiten der Landleute ge- 
schlichtet, der andere zur Gesangeskunst ermuntert und sie selbst gepflegt 
habe, und den jetzt alles feiert. Li dem zweiten Stück erhalten wir zwei 
wetteifernde Gesänge auf die von ihren Eltern eingeschlossene Donace, 
den einen von Idas, den anderen von Alcon. Beide geben ihrer Sehnsucht 
nach der Geliebten Ausdruck. Die dritte Ekloge enthält den Preis des 
Bacchus aus dem Munde des Pan. Drei Hirtenknaben fanden den Pan 
schlafend unter einer Ulme, sie bemächtigten sich seiner Hirtenflöte, allein 
es gelang ihnen nicht, schöne Töne derselben zu entlocken; über ihren 
Versuchen erwacht Pan und singt ein Lied auf den Weingott. Liebes- 
lieder bietet wiederum die vierte Ekloge. Mopsus klagt über seine spröde 
Meroe, Lycidas über seinen spröden Jollas. Es ist ein Wettgesang mit 
dem Refrain: 

cantel, amat guod quisque: levant et earmina curas, 

Dass diese Gedichte nicht von Calpumius herrühren können, ergibt 
sich schon aus inneren Kriterien. Wir finden nämlich in denselben Ab- 
weichungen von der Prosodie des Calpumius, Abweichungen in der Be- 
handlung der Elision und Abweichungen in der Cäsur; also eine ganz 
andere Technik. Hiezu kommt, dass die Überlieferung selbst auf einen 
anderen Dichter bei den vier Eklogen hinweist, nämlich auf den Aurelius 
Nemesianus Carthaginiensis. Es müsste ein wunderbarer Zufall sein, 
wenn dieser Aurelius Nemesianus nicht identisch wäre mit dem Verfasser 
des Cynegeticon M. AureUus Nemesianus. Beide Dichter stammen aus 
Karthago, beide haben die Namen Aurelius Nemesianus gemeinsam. Zu 
der äusseren Wahrscheinlichkeit gesellt sich die innere. Gewisse Eigen- 
tümlichkeiten der Eclogae finden sich auch in dem Jagdgedicht, so dass 
wir in beiden Werken denselben Dichter erkennen müssen. Auch die 
Wertschätzung der beiden Produkte hält sich auf gleicher Linie, beide 
bekunden eine achtbare Mittelmässigkeit. Die Eklogen gewähren uns 
übrigens einen Blick in die Werkstätte des Dichters, wir lernen ihn als 
Nachahmer des Calpumius kennen und zwar als sklavischen Nachahmer. 
Ein Vergleich der dritten Ekloge des Calpumius mit der zweiten Ekloge 
des Nemesianus zeigt, dass er den Calpumius zu Rate gezogen, -ja ganze 



<) Vgl. § 385 p. 280. 



32 Bömisohe LitteraiiirgeBoliiohte. n. Die Zeit der M ona r clii e . 8. Abteilung. 

Verse herübergenommen hat. Allein seine Nachahmung war eine unge- 
schickte, was im Original ganz passend war, ist in der Kopie absurd und lächer- 
lich. Auch Lesefrüchte aus Statins machen sich bemerkbar und zwar sowohl 
in den Eklogen als in den Gynegetica. Der Dichter Nemesianus steht unter 
Calpumius. Doch auch unserem Dichter ist einmal ein guter Wurf ge- 
lungen. Tn der dritten Ekloge gibt er uns durch den Mund des Pan zwei 
liebliche Bilder aus dem Leben des Weingottes. Da steht vor unseren 
Augen der alte Silen, den kleinen Gott auf seinen Armen, bald bringt er 
das Kind zum Lachen, bald zum Schweigen, selbst die Gastagnette schlägt 
er mit seinen alten Händen, um seinem Schützling eine Freude zu machen. 
Bacchus aber zupft an der zottigen Brust des Silen, er zieht an den Ohren, 
streichelt Kopf und Kinn und zwickt die Nase. Das zweite Bild ist die 
Weinlese. Da sehen wir, wie die Satyrn geschäftig keltern, wie sie auf 
alle mögliche Weise sich der Gottesgabe bemächtigen, wie sie weinbe- 
rauscht die fliehenden Njnnphen einzuholen suchen, wie der alte Silen des 
Guten zu viel gethan hat und wie Bacchus selbst seine Panther aus dem 
köstlichen Mischkrug trinken lässt. Dieses Bacchanal ist, wie ein fein- 
sinniger Kenner sagt, eines der letzten antiken Werke von lebendiger 
Schönheit. ^ 

Die Scheidung des Galpurnius und Nemesianus hat in einer mustergültigen 
Abhandlung durchgeftlhrt M. Haupt, opusc, 1, 358; vgl. oben § 385 (II 280). 

Ueber die Eigentümlichkeiten des Nemesianus in der Technik im 
Gegensatz zu der des Calpumius handelt Haupt p. 359; H. Sghbbkl in seiner Ausgabe 
p. aXXI. Sie betreffen 1. Prosodisches (Eüne von o in expecto und anderen Verbis); 

2. die Elisionen, welche bei Calpumius sparsamer zugelassen werden als bei Nemesianus; 

3. die Cäsur (vgl. auch Birt, hist, hexatn, tat. p. 63). Ueber die Nachahmungen des 
Nemesianus vgl. Haupt p. 366 und die Ausgabe Sohenkls. 

Die zwei Fragmente bei dem Statiusscholiasten. Lactanb'us zu Stat. Theb. 
5, 389 gibt das Fragment: sie in Olympio ,abiungere Luna Juniee^; zu Theb. 2, 58: po9tae 
denique omnes CLsaerunt leonem de his polis artum, quem Hercules prostravit, ut etiam Olym-' 
piu8 ait, qtuui (quare: Babbens) proximus sU terris et uUimus. Aus welchem Gedicht 
diese Citate sind, wissen wir nicht (Babbens, PLM. 3, 203). 

Ueber die Ueberlieferung vgl. §386 (II 283). 

Ausgaben. Die Eklogen werden in der Regel mit denen des Calpumius ver- 
bunden, so bei Ugoletus (Parma), bei Beck, Leipz. 1803, Glaesbb, QOtt. 1842, bei H. Scbbnkl, 
Prag 1885. Sie stehen in Webnsdobfs, PLM. vol. II und in BIbbens' PLM. 3, 176. — Die 
Cynegetica werden in der Regel mit Grattius' Gynegetica verbunden. Hauptausgabe von 
M. Haupt (zugleich mit Ovids Halieutica) Leipz. 1838. Dann bei Webnsdobf und BIbbshb 
I. c. p. 190. — Charakteristik bei Monceaux, Les Africains, Paris 1894 p.S75. 

Das Fragment de aucupio. Gybertus Longolius schreibt in seinem dialogus de 
avibus (Köln 1544; vgl. Babbens, PLM. 3, 203): Nemesiani poetae authoritcu, qui de 
aucupio Latinis versibus conscripeit, me in hanc sententiam perduxit (nämlich tetracem 
esse urogallum) . descripserat autem furtim in hibliotheca porcorum Salvatoris Bononiensis 
versus aliquot Hieronymus Boragineus Lubecensis, magnae spei adolescens, cum quo 
Bononiae et Ferrariae iUiquamdiu communi vita vixi . ex iis ego quosdam cum opus erit 
historia, tibi recitabo; er teilt uns 18 Verse über den tetrax (wäirscheinlich der Auerhahn) 
mit Weiterhin Iftsst er 10 Verse über die seolopax, d. h. die Schnepfe folgen. Der ganze 
Bericht ist verdächtig: „nescio sane utrum sit mentitus Boragineus an nomen tantum Neme^ 
siani faUaci opinione excogitatum, sed Nemesiani Uli versus esse non possunt*' 
(M. Haupt 1. c. p. 372). 

5. Die Spruchdichter. 
619. Die Disticha des sog. Gato. In einer Zeit, in der das Christen- 
tum noch nicht das römische Volkstum niedergerungen hatte, verfasste 

^) Bubckbabdt, Gonstantin- p. 149. 



Die Bpraohdioliter. 33 

ein uns unbekannter Mann eine Sammlung von Lebensregeln. Er wählte 
die gebundene Bede und legte sich ausserdem noch den Zwang auf, dass 
er fOr jede Lebensregel zwei Hexameter bestimmte, also seine Lehren in 
lauter Distichen gab. Da dieser Zwang natürlich nicht ohne Einfluss 
auf die dichterische Gestaltung bleiben konnte, entschuldigte er sich am 
Schluss mit den Worten (4, 49): 

miraris veraua nudis me acribere verhis? 
hoc hrevUcu fecü, sensu uno iungere hinos. 

Die erste bestimmte Spur von dem Dasein der Sammlung liefert ein Brief 
des cotnes archiatrorum Yindicianus an Yalentinian (f 375), in dem 11 22 er- 
wähnt wird.^) Dieser Brief zeigt also, dass die Sammlung im 4. Jahrhundert 
allgemein bekannt war. Den Dichter der Sprüche kennen wir nicht; diese 
tragen vielmehr den Namen »Cato' an der Stirn. Gato war der weise 
lebenserfahrene Mann, der seinem Sohn praktische Lebensregeln erteilt 
hatte, und von dem es ein carmen de moribus gab;^) Cato hat also hier nur 
eine typische Bedeutung. 

Eine Spruchsammlung erhält sich nur schwer in ihrer Integrität ; dem 
einen gefallen diese Sprüche, dem anderen jene, es werden sich daher 
bald Epüomae bilden. Auf der anderen Seite reizt ein solches Buch für 
das Leben auch zur Nachahmung; es wird sich daher Neues mit dem 
Alten verbinden. Doch ist seit dem 9. Jahrhundert unsere Sammlung in 
einer Reihe von Handschriften in einer individuellen Gestalt vorhanden, 
und von dieser haben wir auszugehen. Die Disticha sind in vier Bücher ein- 
geteilt, die, das dritte ausgenommen, ziemlich gleichen Umfang haben, das 
erste umfasst nämlich 40, das zweite 31, das dritte 24, das vierte 49 Disticha. 

Dem zweiten, dritten und vierten Buch gehen in Hexametern Pro- 
loge voraus, deren gemeinsamer Grundgedanke der ist, für die Lehren die 
Leser einzunehmen. Sie stellen ihm daher Weisheit, glückliches, ange- 
nehmes Leben, Befreiung von Lrtümem in Aussicht. Diese Prologe werden 
allgemein als unecht angesehen. Eingeleitet wird die Sammlung durch 
einen Brief in Prosa und 57 ganz kurze, meist aus zwei Worten be^ 
stehende Sentenzen z. B. nihü mentire, lüterctö doce u. a. Die Sen- 
tenzen können nichts mit dein Verfasser der Disticha gemein haben, 
dieses verbietet schon die prosaische Form, auch haben diese Sätzchen 
gegenüber den Disticha keinen Zweck. Dagegen könnte die prosaische 
Vorrede, die aber in etwas wechselnder Gestalt überliefert ist, am Ende 
echt sein. 

Die Ueberlieferung bernlit einerseits auf dem cod. Matritensis s. IX, von dem 
sich eine Abschrift in Berlin befindet (L. F. 448), andrerseits auf dem Turicensis 78 s. IX, 
dem Mantepessttlanus 306 s. IX, dem Vassianus L. Q. 86 s. IX, dem Ätnhrosiantis C 74 s. X. 
Hieca kommt ein Veronensis 163 s. IX, der aber die Sammlang in zertrümmerter und ver- 
kfixzter Gestalt bietet Vgl. NimsTHT ' p. 8. lieber die Handschriften in Montpellier Fon- 
TAiKB, Bevue de philologie 4 (1880) p. 177; über die Handschriften in Paris Bonubt, Revue 
de pkiMagie 7 (1883) p. 23; über die Handschriften in Verona Cipolla, Rivista di fUoIogia 
8, 517 ; über den Vossianus H. J. Mt^LLEB, Symbolae ad emendandos scriptares UU,, 
BerL 1876. 

Cato. Im Veron, 168 werden die Disticha eingeführt ak: Dicta Marci Catonis 
ad filium suum, hier liegt also deutlich die Identifizierung des Cato mit dem alten Cato 

') Benutzt ist die Sammlung schon von Commodian (Makitixjs, Rhein. Mus. 46, 150). 
') Vgl. § 66 p. 102. 

HudlraQh der Uim. Altertuniwiaeiiichaft. VIU. 8. TelL 3 



S4 Bömiflohe Lüteratnrgesohiohte. n. Die Zeit der Honarohie« 2. Abteilmig. 

vor. Aach im McUritensis heisst es: Mar ei Catonis ad filium salutetn; dagegen im 
MotUepes8ulanu8: libri Catonis philoaophi. Im Parisinua 8320 s. X tritt Cato als 
Chrduhensis auf, was wohl auf eine Verwechslung mit Seneca hinauskommt. Jos. Soaliobb 
erwähnt ans einer Handschrift des Fälschers Simeon Bosins die üeberschrift: Dionysii 
Catonis diaticha de tnoribu8 ad filium. Haupt {opusc, 1,376) erklärt ricbtig, .Dio- 
nysius" sei dadurch zu Gate hinzugekommen, dass in demselben codex ausser Cato noch die 
von Priscian ins Lateinische Übersetzte Feriegesis Dionysii steht und dieser Periegesis Dio- 
nysii unmittelbar die Catonis disticha folgen. Unrichtig glauben BIhbbks (p. 205) und 
BisoHOFF (p. 11), dass der Verfasser der Disticha wirklich Cato geheissen. 

Die Vorrede. Die Fassung des Veronensis vgl. bei BIhbbks p. 206, verbessert 
von L. MüLLBB, Berliner Philol. Wochenschr. 13 (1893) Sp. 15 und Sp. 1327. L. MOllbb hält 
die Vorrede fOr echt und folgert aus derselben, dass die Disticha ursprünglich einem 
Mazimus gewidmet waren. 

Die breves sententiae. Die Anordnung derselben ist in den QueUen verschieden; 
Bahrbks gibt sie in der Ordnung des Matritensis, Bischoff stellt über dieselben ProUg. 
p. 54 folgenden Satz auf: «Die ^breves sententiae' sind überschriftartige kurze Inhaltsangaben 
einer kleinen Distichensammlung, die aus einem umfangreichen corptis Catonianum stunmt 
und sich von der unsrigen (in vier Bücher geteilten) ausser der bedeutend geringeren An- 
zahl der Distichen nicht wesentlich unterschieden hat." Allein diese Behauptung, dass 
die Sentenzen sämtlich Inhaltsangaben der Distichen sind, ist nicht strenge erweisbar; 
es lassen sich auch andere Anlässe dafür denken. Ganz verkehrt ist die Ansicht, welche 
die Disticha als versifizierte Sentenzen betrachtet, also die Sentenzen als das Prius 
ansieht. 

Ausgaben von Abntzbk ütr. 1754 (wegen der sachlichen Erläuterungen und der 
beigegebenen Dissertationen Bozhobns, Cannegieters und Withofs beachtenswert) ; Haüthal 
Berl. 1869 (wo über die älteren Ausgaben das Nötige gegeben wird); Bahbbns, PLM. 3, 205; 
N^MBTHY Budapest 1892, 2. Aufl. 1895 — E. Bibohoff, Proleg. zu Dionysius Cato, Erlanger 
Diss. 1890. 

520. Würdigung der Disticha. Die Sprüche ruhen nicht auf dem 
Boden der christlichen Weltanschauung. Es ist von Göttern die Rede (2, 2) : 

an di sint caelumgue regant, ne guaere doeeri: 
cum sis mortalis, quae sunt mortalia, cura. 

Und wenn an anderen Stellen deus im Singular erscheint, so beweist dies 
natürlich keine christliche Gesinnung. Ebensowenig ist dies der Fall, 
wenn hie und da gegen heidnische Anschauungen Stellung genommen wird 
z. B. 2, 12: 

quid deus intendat, noli perguirere sorte: 
quid statuat de te, sine te deUberat Ule, 

Oder 4, 38 : 

iure deum plaea, vitulum sine crescat aratro: 
ne credas gaudere deum, cum caede litatur. 

Auch lassen die Sprüche nicht eine philosophische Weltansicht des 
Verfassers erkennen. Sie stammen vielmehr aus der Erfahrung des 
Lebens und formulieren die Regeln der Alltagsklugheit. Sie dringen auf 
Arbeitsamkeit, Vermeidung von Streitigkeiten und Schweigen, sie mahnen, 
im Glück des Unglückes nicht zu vergessen, nicht auf fremden Tod zu 
rechnen, die Armut geduldig hinzunehmen, die Kinder etwas Tüchtiges 
lernen zu lassen, das Erworbene zusammenzuhalten, sich nicht der Todes- 
furcht hinzugeben, den abgethanen Streit endgültig zu vergessen, im Un- 
glück die Hoffnung nicht zu verlieren, recht zu leben und sich nicht um 
das Gerede böser Menschen zu kümmern, aus dem Beispiel anderer zu 
lernen, die Sklaven auch als Menschen zu behandeln u. s. w. Man sieht, 
lauter triviale Sätze. Nur hie und da leuchtet auch einmal ein pikanterer 
Satz auf, wie (1, 8): 

nü fernere uxori de servis crede querenti: 
semper enim mülier, quem coniux diligii, odit 



Die Spraohdiohter. 35 

Oder 3, 20: 

eoniugis iratae noli tu verha timere; 

natn lacrimis struit insidiaa, cum femina plorat. 

Dieses Distichon erinnert uns an einen Spruch des Publilius Syrus. ^ 
Der Standpunkt, den der Sittenprediger einnimmt, ist im ganzen ein 
niedriger, hie und da sogar ein tadelnswerter, z. B. wenn er uns die Lehre 
empfiehlt (1, 26): 

cum simülat verbis nee corde est fldus amietis, 
tu quoque fae eimules: sie ara deludUur arte. 

Oder wenn er einen Rat hartherzig ausklingen lässt (3, 12): 

uxorem fuge ne dueas eub nomine dotia, 
nee retinere velis, si coeperit esse molesta. 

521. Das Fortleben der Disticha. Es gibt Bücher, deren grosser 
Erfolg uns wunderbar erscheint. Zu diesen gehören die catonischen Di- 
sticha. Sie traten einen Siegeslauf in der abendländischen Welt an; und 
doch ist der innere Gehalt derselben, wie wir gesehen haben, nur ein ge- 
ringer. Allein gerade dem niederen, leichtfasslichen Standpunkt, den sie 
einnahmen, und dem geringen Hervortreten des Heidentums scheinen sie 
den grossen Erfolg zu verdanken. Den Einfluss der Disticha in der Eultur- 
welt darzulegen, ist eine Aufgabe fiir sich. Hier kann es sich nur um 
einige Striche handeln. Vor aUem befruchteten die Disticha die Spruch- 
weisheit, üms Ende des 6. Jahrhunderts stellte der irische Mönch Co- 
Imnban') Praecepta vivendi zusammen; es sind Monosticha,^) allein sie 
haben viel aus dem Gato geschöpft, wie es scheint, aus einem reicher aus- 
gestatteten, und da diese Sprüche sich klar von dem Eigentum Ciolumbans 
abheben, so hat man eine Reihe von Sentenzen dem vulgären Gato hinzu- 
gefügt.^) Doch die Hauptwirksamkeit des Spruchbuchs wickelte sich auf 
dem Feld der Schule ab. An dem Gato lernte die Jugend die Regeln 
der lateinischen Grammatik. Aber bald stellte sich auch die Notwendig- 
keit heraus, das Original in die Landessprachen zu übertragen. Das konnte 
in verschiedener Weise geschehen. Man konnte die Bedürfnisse der Schule 
ins Auge fassen und die Übertragung als einen Weg zum Original be- 
trachten; man konnte sich höhere Ziele setzen und eine Neuschöpfung in 
Prosa geben; hier war es also lediglich auf den Inhalt abgesehen; man 
konnte aber endlich auch in der Form mit dem lateinischen Dichter wetteifern 
und die Sprüche in passende Verse des Landesidioms umdichten. Alle 
diese Versuche sind gemacht worden; es liegt eine reiche catonische Lit- 
teratur aufgespeichert da, für den Sprachforscher eine wichtige Quelle. 
Die neuere Zeit hat die Sprüche bei Seite gelegt; sie macht höhere An- 
sprüche. Nicht einmal zu einer abschliessenden Ausgabe ist es gekommen, 
obwohl eine solche ein Bedürfnis ist. 

Litteratnr: Im aUgemeinen Manitins FhiloL 51 p. 164. Zabhckb, Der deutsche 
GatOy Gesch. der deatschen Uehersetzmigen der im Mittelalter unter dem Namen Gato be- 
kamdten Distichen, Leipz. 1852. üeber eine vierte Umarbeitung der sog. Disticha Catonis, 
den sog. Chto leoninus, in dem die Distichen in leoninische Hexameter umgegossen sind, 
Nkbab, Der altenglische Gato, Götting. Dias. 1879; Gk»LDBBRO, Die catonischen Distichen 
wShrend des Mittelalters in der englischen und französischen litt, I. Teil Der englische 



>) S42 muUebris lacrima candimentum 
est maUtiae. 

') üeber die Echtheit Mavitiits, Ghristl. 



lat. Poesie, Stuttg. 1891 p. 392. 
s) BlBBBNs, PLM. 3, 213. 
«) Vgl. BlHBBNS, PLM. 8, 240. 

8* 



36 BOmiciolie Lüteratnrgesoliiohte. n. Die Zeit der Monarohie. 2. Abteilnng. 

Gato, Leipziger Dias. 1883; Tobleb, Die altvenezianische UeberBetznng der Sprüche des 
Dionysins Gate («hier hat man es angenscheinlich mit einem Lehrmittel zum Lateinanter- 
richt zu thtin") Abh. d. Berl. Akad. 1888 p. 4); vgl. auch die Nachweise anderer ital. (und 
altfranz.) Uebersetzungen p. 8 Anm. 2. Ulrich, Eine altlothring. Uebersetzung des Die- 
nysius Gate, Zeitschr. f. roman. PhiloL 19 (1895) p. 85. Fufalik, Der altböhm. Gate. Alt- 
böhm. Reimsprttche, Sitzungsber. der Wiener Akad. 1861 p. 211 (vgl. dens. Anm. 1 p. 212 
über polnische Bearbeitungen und eine magyarische). Bebts Über den niederlftnd. Gato (in 
hell. Sprache) Groningen 1888. 

522. Die Monosticha. Ausser den Disticha existieren in Hand- 
schriften auch Monosticha mit wechselndem Bestand. Diese Mono- 
sticha sind verschieden betitelt, sie heissen sententiae gener ales in 
singulis versibus, proverbia Catonis^ proverbia Catonis philo- 
sophi,^) proverbia philosophorum, monosticha de moribus incerti. 
Diese Verschiedenheit der Titel zeigt, dass die Sprüche, obwohl sie auf 
eine Quelle zurückgehen, doch keine so feste IndividuaUtat gewonnen 
haben wie die Disticha Catonis. Es fragt sich, wie dieselben entstanden 
sind. Da die Disticha Catonis in zwei Hexametern, also in zwei ganz 
gleichen Teilen abgefasst waren, so ergab sich nicht selten, dass der eine 
oder der andere Teil, ja manchmal sogar beide, für sich einen selbständigen 
Gedanken gaben. Hatte man einmal angefangen, solche einzeilige Lebens- 
sprüche aus der Sammlung herauszuschälen, so lag es weiter sehr nahe, 
auch die zweizeiligen Sprüche in einzeilige zusammenzudrängen. Dies 
konnte wohl manchmal mit geringen Änderungen der Vorlage durchgeführt 
werden, öfters musste jedoch der vorliegende Gedanke in eine ganz neue 
Form umgegossen werden. Der letzte Schritt war dann die Formulierung 
neuer Gedanken in Monosticha. So in dieser verschiedenen Weise mag 
sich unsere Sammlung gebildet haben. Sie hält sich auf einem höheren 
Niveau als die Disticha; schon die Form des Monostichon eignet sich 
besser für den Spruch als zwei Hexameter, welche keine äussere Einheit 
bilden. Die Gedanken sind oft scharf und packend. Wir begegnen 
mancher Sentenz, die auch in unserem Spruchschatz die Form 'des Sprich- 
worts erhalten hat, z. B. für „Hunger ist der beste Koch" lesen wir (39): 

candU fercla fames, plenia insuavia cuncta, 

üeher die Monosticha vgl. Bischoff p. 12. 

Ueberliefernng. BIhrkns benutzt die Handschriften Vatieano-PalcAinus 22^% 8. X, 
Vaticano-Reginensis 711 s. XI, Vaticano-Beginensis 800 s. XI, Parisinus 8069 8. XI, Fo- 
rauensis 111 s. XII und den Turanensis 164. 

6. Andere anonyme Dichter. 
528. Zerstreute Oedichte. Die Kunst der Yersifikation war in der 
Kaiserzeit eine verbreitete, sie bildete einen Teil der allgemeinen Bildung. 
Und es wird nicht leicht einen vornehmen Römer gegeben haben, der nicht 
wenigstens ein Epigramm geschmiedet hätte. Aus Sueton ersehen wir, 
wie viele solcher Gedichte zirkulierten. Nicht wenige sind auf uns ge- 
kommen, die meisten ohne den Namen des Dichters; sie sind zerstreut, 
die Jetztzeit hat sie aber in Sammlungen vereinigt. Auch manches Frag- 
ment eines grösseren Gedichts hat sich zu uns herübergerettet. Endlich 
bergen auch die Steine eine Reihe dieser ephemeren dichterischen Pro- 
dukte. Es ist selbstverständlich, dass die Litteraturgeschichte diese Er- 

Vgl. Änthol UU. ed. Ribse nr. 716. 



Ander« anonyme Dichter. 37 

Zeugnisse einer grösstenteils spielenden Muse nicht sämtlich verzeichnen 
kann; sie muss sich mit einer Auswahl zufrieden geben. Die Zeit dieser 
fliegenden Blätter ist meist nur schwer zu bestimmen. Ein Kriterium zur 
Einreihung der Gedichte in unseren Zeitraum ist der Durchbruch heidnischer 
Vorstellungen. Ausserdem können auch sprachliche und metrische Erschei- 
nungen zur chronologischen Fixierung beitragen. Wir geben folgende Auswahl: 

1. Das Gebet zum Oceanus. Der Betende schildert zuerst die 
Macht und Wirksamkeit des Oceanus und ninmit dieselbe auch für sich 
in Anspruch; er bittet, Oceanus möge seinem Schiff, wohin es auch immer 
steuere, eine gute Fahrt verleihen, und stellt ihm den gebührenden Dank 
dafür in Aussicht. 

Ueberliefert durch den Parisiniis 13026 s. IX/'X. — Anthol. lat. ed, Rusb nr. 718 
(2, 167); BiHRBirs, PLM. 8, 165. 

2. Das Ruderlied. Der Sturm ist vorüber, die Wogen sind geglättet, 
es ist also Zeit, die Ruder einzusetzen, es geschieht dies mit dem Refrain: 

Heia, viri, nastrum reboans eeho sanet heia, 
ueberliefert durch den Berolinensis (Dibz B 66) s. YIII/IX; ÄnthoL lat, ed. Riesb 
nr. 888^; BIhbbks, PLM. 8, 167. 

3. Pontica. In einigen Handschriften ist mit Solin der Anfang 
eines Gedichts verbunden, welches über die Geschöpfe des Meeres handeln 
sollte und die Venus um ihren Beistand anfleht: 

Ihetya tnarmoreo feeundam pandere ponto 
et salis aequorea epirantis mde catervas 
quaegue sub aestifluia Thetis umida eontinet antris 
coeptantem, Venus alma, fove 
Ueberliefert im Parisinus 6810 s. X, Parisinas 6831 s. X, Parisinas 4873 s. XI a. a. 
▼gl. MoimsKN, Solin p. XXXIX. -- Anthol, lat, ed. Risse nr. 720; Bahbens, PLM. 3, 172. 

4. Eptstola Didonis ad Äeneam. Der Abschiedsbrief der Dido 
an Äneas wird eingeleitet durch eine Vorrede, in der sich der Dichter 
bescheiden als mpdicus poeta vorstellt. Sein Gedicht ist ein rhetorisches 
Kunststück, dessen Glanzpunkte zwei oft wiederkehrende Yersteile sind: 
8ua taedia solus faUere nescü amor und cui digna rependes, si mihi dura 
paras? Beide Sentenzen geben dem Poeten reichlich Gelegenheit, die 
Antithese zu kultivieren und auf sie ist es im Gedicht ohne Zweifel ab- 
gesehen. Dem nicht weichenden Gram der Liebe wird der stete Wechsel 
in der Natur in einer Reihe von Bildern gegenübergestellt, die Schilderung 
alles dessen, was Dido für den geliebten Mann gethan, wird immer und 
immer wieder durch die vorwmfsvoUe Frage unterbrochen: cui digna re- 
pendeSf si mihi dura paras? Der Dichter lebt im Heidentum, unmutig 
ruft er aus (121): 

esse deos natura doeet; non esse timendos, 
renim facta prcibant. 
Quelle der Salmasianus s. Parisinas 10318. — Anthol. lat. ed. Ribse nr. 83; BIhbbns, 
PLM. 4, 271. 

5. Verla Ächillis in parthenone, cum tubam Diomedis audiret, 
ein Monolog Achills, der entschlossen ist, jetzt die Weiberkleider abzu- 
werfen und die Laufbahn des Helden zu betreten, denn ihn dürstet nach 
ewigem Ruhm; vielleicht wegen der prosodischen und metrischen Fehler 
eine Schularbeit. 

Quelle der Salmasianus. — Anthol. lat. ed. Riese nr. 198; Babbeks, PLM. 4, 322. 



38 Bömlflohe IdUeratiirgeBoliiöhte. IL Die Zeit der Xonarohie. 2. Abteilmig. 

7. Vespa. 
524. Vespas Wettstreit zwischen Koch und Bftcker. Ein Vespa, 
dem die Musen bei seinen Vorträgen in verschiedenen Städten hold waren, 
erbittet sich jetzt wieder die Unterstützung der Göttinnen für die Dar- 
stellung eines Wettkampfes, der zwischen einem Koch und einem Bäcker 
unter dem Vorsitz des Vulcanus stattgefunden. Der Dichter lässt zuerst 
den Bäcker auftreten; dieser spricht vor allem seine Verwunderung darüber 
aus, dass der Koch es wage, sich mit ihm in einen Wettstreit eimnilassen ; 
er schildert seine edle Kunst, die allen bekannt sei, welche die Satumalien 
feiern, er fragt erstaunt: Was wäre die Welt ohne die Gaben der Ceres? 
was die Kochkunst ohne Brot? er beruft sich auf Pythagoras, der die 
blutige Fleischkost verpönt habe, ja er vergleicht sogar seine Hantierungen 
mit dem Thun der Götter und erinnert schliesslich an die verschiedenen 
Kuchen. Nachdem er pathetisch ausgerufen: 

noverunt otnnes pistorum düfeia facta: 
noverunt müUi cruddia facta eoeorum, 

werden der Kochkunst einige Hiebe versetzt und ihr sogar die schreck- 
lichen Mahlzeiten des Thyestes und des Tereus aufgebürdet. Hierauf er- 
greift der Koch das Wort ; er legt auf die Vielseitigkeit seiner Kunst den 
Hauptnachdruck, mit wie wenig Material operiert der Bäcker, mit wie 
viel er? Wald, Meer, Luft spenden ihm ihre Produkte, was den Göttern 
heilig ist, steht ihm zu Diensten! Wie der Bäcker, so vergleicht auch er 
sein Schaffen mit dem göttlichen und verkündet, dass er allen Heroen etwas 
bieten kann, dem Tantalus Wasser, der Danae die Goldforelle, der Leda den 
Schwan u. s. w. An Vulcanus ist es nun, seinen Schiedspruch zu fällen. 
Der ist aber klug und macht sowohl dem Bäcker wie dem Koch sein 
Kompliment, erklärt sie für gleichwertig und ermahnt sie zur Eintracht, 
andernfalls droht er, ihnen ihr unentbehrUches Element, das Feuer, zu 
entziehen. 

Es ist ein « herzlich abgeschmacktes^ *) Gedicht, aUein es ist wichtig 
für die Erkenntnis des Entwicklungsganges der Litteratur. Das Drama 
war abgestorben, aber aus seinem Grabe sprosste doch noch eine dürftige 
Blume hervor, der Wettstreit, der aber nicht mehr gespielt, sondern 
nur noch vorgetragen wird. Schon aus der Zeit des Tiberius lernten wir 
einen solchen Wettkampf kennen ; derselbe fand zwischen dem Champignon 
und der Feigendrossel, der Auster und dem Kranmietsvogel statt und ge- 
fiel dem Tiberius so, dass er den Dichter Asellius Sabinus reichlich be- 
schenkte. ') Es liegt in der Natur der aÜerccUio, dass sie sich zwischen 
Lob und Tadel bewegt, zwischen dem Lob der eigenen Sache und dem 
Tadel der fremden. Durch Personifizierung lebloser Gegenstände bekommen 
diese Wettkämpfe einen gewissen Reiz, allein ein solches Kraftmittel war 
unserem sehr mittelmässigen Dichter, der als fahrender Sänger im Lande 
herumzog und seine Vorträge hielt, schon zu hoch, er hielt sich an das 
Alltagsleben und war zufrieden, sein mythologisches Wissen anbringen und 
einige schlechte Witze machen zu können. Da der Dichter ganz in heid- 



») Haupt, opuac. 3, 20. | «) Suet Tib. 42; vgl. § 357 p. 237. 



Yespa. — fiepoBianns. 



39 



nischen Anschauungen lebt, wird er vor der Erstarkung des Christentums 
anzusetzen sein. 

Die Ueberlieferang beruht aaf dem Salmasianua und auf dem Parisinus-Thuaneus 
8071 8. IX/X. >- ArUhol, lat, ed. Risse mr. 199; BIhbbnb, PLM. 4,326; Trüffel, Stud. 
und Charakt.^ p. 458. Ueber die Litteraturgattnng im allgemeinen Hense, Die Synkrisis in 
der antiken Litteratur, Freib. 1898. 

8. Reposianus. 

625. De concubita Uartis et Yeneris« In einer vorwurfsvollen Ein- 
leitung beklagt es der Dichter, dass niemand seiner Liebe froh werden 
könne, nicht einmal Venus, so sehr habe es Amor auf Triumphe abge- 
sehen, selbst der Ejiegsgott müsse ihm dienen. Die Musen werden an- 
gerufen, es folgen verschiedene Reflexionen über das Ereignis; endlich 
kommt der Dichter zur Erzählung selbst ; er führt den Leser in einen aur 
mutigen Hain, der so recht geschaffen ist für das liebende Paar. Hier 
harret Venus des grimmen Gottes, bis zu seiner Ankunft vertreibt sich 
die Göttin die Zeit mit graziösen Aktionen, die malerisch geschildert wer- 
den. Endlich erscheint der längst sehnlich erwartete Mars in voller Waffen- 
rüstung, wie er uns dargestellt wird, ein plumper Geselle. Seine Erzäh* 
lung unterbricht auch hier der aufgeregte Dichter durch Ausrufe und 
Einwürfe. Während Mars und Venus ihr Beilager halten, macht sich 
Gupido mit den Waffen des Mars zu schaffen, er probiert sie, er schmückt 
sie mit Blumen und stellt Vergleiche zwischen dieser und seiner Wehr an. 
Diese Figur ist die gelungenste des Gedichts. Doch Phoebus hatte die 
Liebenden entdeckt, und zum Entsetzen des Dichters bricht die Nemesis 
über sie herein. Der Sonnengott meldet die Geschichte dem Vulcan. Als 
der wutentbrannt heranstürmte, versteckte sich Cupido unter einem Helm. 
Die Liebenden werden zusammengebunden, sie erwachen, Mars getraut 
sich nicht die Fesseln zu sprengen, aus Furcht, er möchte die Arme der 
Venus verletzen ; Venus denkt aber bereits an Rache, sie erblickt dieselbe 
in einer Liebe des Phoebus. Zunächst muss die Tochter des Phoebus 
Pasiphae den Zorn der Göttin erfahren. ^) 

Dieser letzte Hinweis lässt fast vermuten, dass unser Gedicht nur 
die Einleitung zu einem grösseren Epos war, in dem noch andere Liebes- 
geschichten der Götter erzählt werden sollten.*) Das Eigentümliche des 
Gedichts ist das fortwährende Eingreifen des Dichters in den Gang der 
Erzählung. Man sieht, ein schon bekannter Stoff kann nur durch eine 
neue Art der Behandlung auf die Teilnahme der Leser rechnen. Dass 
der Dichter z. B. die Tanzspiele der auf Mars wartenden Venus ausmalt, 
hat nur darin seinen Grund. Die Zeit des Dichters kann nicht mit Sicher- 
heit bestimmt werden, er wird wohl etwa um 300 anzusetzen sein. 

BvBCKHABDT, Eonstantiu ' d. 148; BJIhbenb will ihn zu einem Zeitgenossen des Dra- 
contios machen (Rhein. Mos. 81, 605) — ÄnthoL lat. ed. Riese nr. 253; BIhbevs, PLM. 4, 348. 



') Serv. Aen. 6, 14 indiccUo a Sole 
aduUerio Martis et Veneris Vulcanus tninu- 
iissimis eatenis leetufum cinxit, quüms Mars 
et Vemu ignarantea inplieoH tmnt et cum 
ingetUi turpitudine resciuti sub teetimanio 



cunetorum deorum . quod factum Venus ve- 
Tiementer dolens siirpem omnem Solls per- 
sequi infandis amoHhus eoepU . igiiur Po' 
sip9Me, Solis fUia, — tauri amare flagravit. 
^) RoHDB» Grieoh. Rom. p. 108 Anm. 1. 



40 Bömiaohe LitieratnrgeBoldohte. ü. Die Zeit der Monaroliie. S. Abteilmig. 

9. Pentadius. 

526. Versus echoici und Epigramme des Pentadius. Bereits bei 
den poetae neoterici haben wir gesehen, dass die edle Dichtkunst in un- 
würdige Spielerei ausartet. Dichter ist nicht der, welcher, vom heiligen 
Feuer der Begeisterung ergriffen, ins Menschenherz greift, sondern der, 
welcher die künstlichsten Yersarten hervorbringt. Diese Spielereien nehmen 
mit der Zeit inmier grösseren umfang an. Zuletzt werden Gedichte ge- 
macht, um irgend einen Gegenstand z. B. ein Beil räumlich darzustellen. 
Zu diesen Verskünstlem gehört auch Pentadius, vielleicht der frcAer^ 
dem Lactantius seine epüome instUutionum widmet. Von diesem Pentadius 
werden in der Anthologie drei Gedichte mitgeteilt, welche als versus echoici 
geschrieben sind. Es sind Disticha, die aber so gebaut sind, dass die 
Anfangsworte des Hexameter am Schluss des Pentameter wiederkehren, z. B. 

Daedalua arte 8ua fugit Minoia regna, 
amisU natum DtiediUus arte sua. 

Auf dieser Künstelei ruhen seine drei Gedichte: über das Geschick, 
auf das Nahen des Frühlings und auf Narcissus. Das erste Gedicht nimmt 
seine Beispiele fast aUe aus der Mythologie. Die Spielerei ermüdet den 
Leser furchtbar, am gelungensten ist noch das Gedicht De adventu veris. 
Ausser diesen drei Gedichten sind uns noch drei Epigramme von ihm auf- 
bewahrt; auch diese sind nur mittelmässig. 

Ueber die versus echoici vgl. L. MOllbb, De re metriea^ p. 583; die Gedichte 
des Pentadius stehen Anthol lat. ed. Riesb nr. 234. 285. 265-268; BIhbens, PLM. 
4, 343 und 358. Die Ueberlieferung beruht auf dem Salmasianus. 

10. Hosidius Geta. 

527. Die Tragödie Medea, ein vergilischer Cento. Eine andere 
Spielerei war der Cento, das Flickgedicht, d. h. ein Gedicht, welches aus 
Versen und Yersteilen eines anderen Dichters so zusammengestoppelt wird, 
dass ein ganz neuer Inhalt herauskommt. Selbstverständlich kann man 
ein solches Flickwerk nur aus einem Dichter machen, der vöDig in 
Fleisch und Blut übergegangen ist. Ein solcher Dichter war aber in diesen 
späteren Zeiten Vergil. Und der vergilischen Gentonen entstand im 
Laufe der Zeit eine grosse Menge, selbst in die christliche Litteratur gingen 
sie über. Sie hatten schon vor dem Kirchenvater Tertullian begonnen, 
ihm lagen bereits mehrere vor, darunter eine Tragödie, welche er dem 
Hosidius Geta zuschreibt, und eine lateinische Bearbeitung des Gemäldes 
von Cebes. Uns ist durch den codex Salmasianus wirklich eine Medea 
erhalten, welche aus Vergil zusammengestoppelt ist. Freilich erscheint sie 
dort anonym. Allein ich sehe keinen Grund, der gegen die Identifizierung 
der von Tertullian genannten Tragödie mit der im Salmasianus überlieferten 
spräche. Das Gekünstelte, Geschraubte verleugnet sich auch in diesem 
Cento nicht ; die Personen sprechen in Hexametern, doch sind auch einige 
Chöre in lyrischen Massen eingelegt. Die Handlung verläuft rasch, die 
Botenerzählungen enthalten den Kern der Tragödie. 

TertuU. de praescript, heueret, 39 vides hodie ex Vergilio fabulam in totum aUam 
componi, materia aecundum versus, versibus secundum tnateriam c&ncintuUis, denique Ho^ 
sidius Geta Medeam tragoediam ex Vergilio plenissime exsuxit, meus quidatn propinquus 



PeatadiuB. ^ Hosidios Geta« 41 

ex eodem poeta inter cetera stÜi »ui otta pifMcem Cebetia explicuU, Vgl. § 247 p. 63. — 
Authol. lat, ed. Rose nr. 15; Bähbenb, PLM. 4, 219. 

Andere Dichter des Zeitalters sind: 

1. T. Caesias Taurinns hat im Jahre 136 der Fortuna Primigenia auf dem Eapitol 
(Pbbllsb, Rom. Mythol.* p. 555) ein Bildnis seines Vaters, eines Fruchthändlers, mit 23 Hexa- 
metern auf seinen Wunsch gesetzt. Die Unsterblichkeit, die er dem Andenken seines 
Vaters sichern wollte, hat er allerdings erreicht. BOghblbb, Carmina epigr. fttsc. I nr. 249 
p. 117. 

2. Q. Tullius Maximus „rector Ugionia Hiberae", Weihgedichte auf Diana und 
zwar Hexameter, Trimeter, iambische und trochäische Dimeter, nicht jQnger als Hadrian. 
WiLMAHirs, Exempla inscriptionum lat, nr. 147; CJL. 2,2660. 

8. UrsuB. In 19 Trimetem erzählt der Ballspieler Ursns auf einer ihm bei Leb- 
zeiten gesetzten Statue seine Erfolge und schliesslich seine Niederlage, die ihm a ter 
constäe, Vera patrano (126) zugefügt wird. Wilmanns nr. 574; Büghblbb, Can». epigr. 
nr. 29. 

4. Julius Paulus. Von diesem Dichter erzählt uns Gellins und bezeichnet ihn als 
einen vir bonas et rerutn literarumque inpenae doctus (19, 7, 1); vgl. 16, 10, 9; 5, 4, 1; 
I, 22, 9. Möglicherweise ist er sogar mit dem Erklärer des Antipater (Gharis. GL. 1, 143, 9) 
und des Airaniua (Gharis. GL. 1, 241, 2) identisch. 

5. Der Mimograph Lentulus. TerttiU. de pcXlio 4 pugü Cleomachus — mimo- 
grapho Lentuto in Catinensibus commemaratua, 

6. Der Mimograph Hostilius. TertttlL apolog, 15 diapieite Lentidarum et HO' 
stiliorum venustaUs, utrum mimos an deos vestrae in ioeia et strophis rideatis: moechum 
Anübim et maseulafn Lunam et Dianam flagellatam et Jovie mortui teatatnentum recitatum 
et tres Hercules famdieoa inrieoe. 

7. Der Mimograph Marullus war thätig zur Zeit der divi fratres. Gapitol. Marc. 
8, 1 adepti imperiutn ita civiliter se ambo egerunt, ut lenitatem Pii nemo deaideraret, cum 
eos MarvUue, 9ui temporis mimografus, eavillando inpune peretringeret; Serv. Aen. 7, 499 
quod Maruüua mimograpkus dixit tu Hectorem imitaris: ab ilio nunquam recedia, 
cum degufoao diceretf adluait ad civitatia nomen; nam „ab üi*' debuit dicere. Serv. buc. 
7, 26 (Haupt, opuac, 1, 51). Galenus nagl dyaxofAixwv iyxBi^aBtay VII 12 (IV p. 161 
Chart.) o MuQvXkov xov fiifAoyqdfpov natg i^sganait&jj xal (ß yvv hi, xaitot yvfiytoheicijs 
avT^ noxa t^g xtx^w (Haupt, opuac, 8, 387). Hieronym, adv, Bufin, 2, 20 (2 p. 514 Vall.) 
quaai mimum PhUiationia vel Lentuli ac Marulli atropham eleganti aermone confictam, Ma- 
Hmus, Rhein. Mus. 50, 153. 

8. Der Epiker Giemen s. Apul, florid. 7 p. 7, 13 Er. Älexandri {acU. magni) 
multa aubUmia facinora et praeclara edita faiigaberia admirando vel belli auaa vel domi 
provisa, quae omnia adgreaaua est meua Clemena, eruditiaaimua et auaviaaimua poetarum, 
pulcherrimo earmine inluatrare. 

9. Toxotius. GapitoL Maxim. 27, 6 Toxotiua, eiuadem famUiae aenator, qui perit 
poat praeturam, cuiua etiam poemata extant, 

10. Albinus. Von ihm tlberliefert Priscian. GL. 2, 304 unter dem Gitat rerum 
Bomanarum I folgende drei Hexameter: 

iüe, cui temia Capitolia celaa triumphia 
aponte deum patuere, cui freta nuUa repoatoa 
abacondere ainua, non tutae maentbua urbea. 
Wegen des Gebrauchs des cu» als lambus weist L. Mülleb {de re metr.^ p. 819) den 
Dichter dem dritten oder vierten Jahrhundert zu. Dieser Albinus kann daher nicht mit 
Albinovanus Fedo identifiziert werden (Haubb, de carm, ep, p. 40). Möglich wäre es dagegen, 
daas er, wie Bahbbns annimmt (FPR. p. 406), mit dem Dichter identisch ist, von dem zwei 
Hexameter de metria überliefert sind (Victor. GL. 6, 212). Die Vermutung (Hennio, De 
Ovidii aodalibua, Berl. 1883 p. 13), dass in dem Albinus .Balbinus" stecke, der Kaiser von 
288, von dem Gapitol. Maxim, et Balb. 7, 5 sagt: eloquentia clarua, poeta inter aui temporia 
poetaa pra^cipuua, lässt sich nicht näher begründen. 

11. M. Gaecilius Novatillianus wird in einer Inschrift von Benevent „orator 
et poeta itduatria" genannt (GJL. 9, 1572; Wilhanns 662; Dbssau, Inacript, lat, nr. 2939). 

12. Modestinus. 11 Hexameter auf den schlafenden Amor. Die Schatten der 
durch ihre Liebe umgekommenen Frauen erscheinen und beratschlagen sich, wie sie sich 
rächen sollen, Amor erwacht und fliegt davon. — Änthoh lat, ed, Ribsb nr. 273; BXhbens, 
PLM. 4, 860. 



42 BOmlBohe litieraturgMohiohta. IL Die Z«it dar Xoiiareltie. 2. Abteilung. 

b) Die Prosa. 

a) Die Historiker. 

1. G. Suetonius Tranquillus. 

628. Sein Leben. Über das Leben des Sueton sind nur sehr spär- 
liche Nachrichten vorhanden. Weder sein Geburtsjahr ist überliefert, noch 
sein Todesjahr. Auch seine Heimat ist nicht bekannt. Sein Vater war, 
wie uns gelegentlich berichtet wird, (Otho 10), tribunus angustidavius 
der 13. Legion imd machte als solcher im April 69 die Schlacht bei Be- 
triacum mit. Des Historikers Jugendzeit fiel in die Regierung Domitians, 
und aus dieser Zeit erzählt er uns einige Erlebnisse, wie die rücksichts- 
lose Untersuchung eines neunzigjährigen Greises, um festzustellen, ob der- 
selbe Jude sei, und das Auftreten des falschen Nero ; auch mit dem zwischen 
Deklamation und Disputation wechselnden Lehrkursus des Princeps macht 
er uns bekannt. Reicher fliessen die Daten aus dem späteren Leben Sue- 
tons. Hier konmien uns die Briefe des jüngeren Plinius zu Hilfe. Meh- 
rere derselben beschäftigen sich, sei es direkt oder indirekt, mit dem 
jicontubernalis" Sueton. 1, 18 ersucht dieser, durch einen Traum geschreckt, 
um Verschiebung der Verhandlung in einem Prpzess. Daraus ersehen wir, 
dass Sueton auch als Sachwalter in Rom thätig war. Li einem zweiten 
Brief (1, 24) bittet Plinius einen Freund, sich für Sueton bei einem Dritten 
zu verwenden, damit der „scholasticus*^ ein Landgütchen um billigen Preis 
erstehen könne. Ein dritter Brief (3, 8) gibt uns eine zusagende Antwort 
auf eine Bitte Suetons, das Militärtribunat, das ihm Plinius von Neratius 
Marcellus erwirkt hatte, auf seinen Verwandten Caesennius Silvanus zu 
übertragen. 5, 10 dringt Plinius in Sueton, doch endlich einmal seine 
Schriften herauszugeben und damit wahr zu machen, was des Briefschrei- 
bers Hendekasyllaben längst in Aussicht gestellt hatten. Auch in dem 
Briefwechsel mit Traian ist von Sueton die Rede ; Plinius richtet die Bitte 
an den Kaiser, dem Sueton, der aus seiner Ehe keine Kinder hatte, das 
iu8 trium liberorum zu verleihen (94), was Traian durch ein Handschreiben 
genehmigte (95). Diese aus Plinius über Sueton fliessenden Nachrichten 
bewegen sich in dem Intervallum von etwa 96 bis etwa 112. Aus der 
späteren Lebenszeit Suetons erfahren wir nur noch ein Faktum, seine 
Verwendung im Amte der Briefe, d. h. in der kaiserlichen Kanzlei unter 
Hadrian. Vermutlich erhielt er diese Stelle durch den Einfluss seines 
Gönners, des C. Septicius Clarus, der praefectus praetorio 119 — 121 war. 
Allein diese Stelle verlor er, wie Septicius Clarus die seinige, als Hadrian 
nach seiner Rückkehr aus Britannien die höfische Etikette gegenüber seiner 
Gemahlin, der Sabina, in strengere Formen brachte und es daher für 
geraten hielt, alle Persönlichkeiten, die mit seiner Gemahlin in der alten 
freieren Weise verkeluii hatten, vom Hofe zu entfernen. Nach der Ent- 
lassung aus dem Amte widmete Sueton alle seine Müsse wissenschaftlichen 
Arbeiten. Wir können aber die Entstehung derselben nicht genau ver- 
folgen; es fehlen die Nachrichten, denn aus der zweimaligen Erwähnung 
des Sueton im Briefwechsel Frontos (p. 118. 182) lernen wir in dieser Hin- 
sicht nur das Eine, dass Fronte einen Teil des Pratum kannte. 



Baeionius Tranqnilliui. 43 

Das Zeugnis über Snetons Vater lautet Suet. Otho 10 interfuU huic hello paier 
m£U8 Sueionius *LaetU8, tertiae decimae legimis tribunua angusticlavitta. 

üeber Suetons Jugendzeit. Domit. 12 itUerfuiaae me adulescentulum tnemini, 
cum aproeuratore freguentUsimoque consüio inapiceretur nonagenarius aenex, an circumaectua 
easet; Nero 57 911«» etiam Vologcteaua Parthorum rex, miaaia ad aenatum legatia de in- 
atauranda aoeietate, hoc etiam magno opere aravit, ut Neronia memoria coleretur. Denique 
cum poat viginti annoa aduleaeente me extitiaaet conditiania ineertae qui ae Neranem eaae 
iactarei etc.; gramm. 4 me quidem adtUeacenttiio repeto quendam Principem nomine altemia 
diebua declamare, äUemia diaputare, nonnuHia vero mane diaaerere, poat meridietn remoto 
pulpiio declamare aoHtam. 

Sneton in den Briefen des Plinius. Ausser den angefahrten Briefen be- 
schäftigt sich noch 9, 34 mit Sueton. Plinius fragt nämlich bei Sueton an, ob er seine 
Verse durch einen Freigelassenen vorlesen lassen solle, da er Verse sehr schlecht vortrage. 
Die Bücher 1, 3, 5, 9, in denen die Briefe an Sueton vorkommen, werden ins Jahr 96/7, 
101/2, 106, 108/9 gesetzt (vgl. § 447 p. 392). Der Brief des Plinius an Traian fällt unge- 
fähr in die Zeit von 111/13. 

Suetons Amt ah epiatulia (Fbiedlandbb, Sittengesch. 1^ 185). Spart. Hadr. 11,3 
Septicio Claro praefeeto praetorii et Suetonio Tranquillo epiatularum magiatro miiUiaque 
aiiia, quod apud Sabinam uxarem iniuaau eiua familiariua ae tune egerant quam reverentia 
domua aulieae foattUabat, aucceaaorea dedit. Wenn Sueton hier magiater epiattUarum ge- 
nannt wird, so ist eine spätere Ausdrucksweise auf eine frühere Zeit übertragen; denn die 
Inschriften des zweiten Jahrhunderts kennen diese Titulatur noch nicht (FbibdlIndbb 1. c). 
Ueber die Entf^Sung' des Sueton vom Hofe lirteltt richtig Rankb, Analekten p. 320 (Welt- 
geech. ni Teil, 2. Abteil.). In die Zeit dieser amtlichen T^ätigkeit fällt wohl auch was Suet. 
Aug. 7 erzählt: quae (imago Auguati) dono a me principi data inter cubiculi Larea colitur. 

Litteratur: Roth, praef. p. VI; J. Rbgent, De C. SueUmii T. vUa et acripHa, Bresl. 
Dissert 1856. 

a) Die erhaltenen Schriften Suetons. 

629. Snetons Zu Eaiserbiographien (de vita Caesamm). Sueton 
war ein sehr fleissiger Gelehrter und die Zahl seiner Schriften ist sehr 
gross. Allein nur zwei Werke sind auf die Nachwelt gekommen, das eine 
bis auf den Eingang vollständig, von dem anderen nur der letzte Teil und 
selbst dieser in verstümmeltem Zustand. Die übrigen Schriften kennen 
wir nur aus den Zeugnissen und den Spuren, welche sie in der Litteratur zu- 
rückgelassen haben. Das erste der erhaltenen Werke sind die Kaiser- 
biographien; behandelt sind die Kaiser von Cäsar bis Domitian, also 
im ganzen zwölf Persönlichkeiten, welche in acht Büchern untergebracht 
sind. Das erste Buch nimmt Julius Cäsar ein, das zweite Augustus, das 
dritte Tiberius, das vierte Caligula, das fünfte Claudius, das sechste Nero, 
das siebente Galba, Otho, Yitellius, das achte Yespasian, Titus, Domitian. 
Diese Bucheinteilung ist rein äusserlich. Gewidmet hat Sueton seine Bio- 
graphien dem praefedus praetorio Septicius Clarus, demselben, welchem 
auch Plinius seine Briefe dediziert hatte. Wir haben von dieser Widmung 
erst durch die im Jahre 1812 publizierte Schrift des Jo. Laurentius Lydus 
de magistratibus reip. Eomanae Kenntnis erhalten. Damit ist aber auch 
die Zeit der Abfassung gegeben, denn Septicius Clarus war praefedus prae- 
torio von 119 bis 121. Aber nach dem Wortlaut der Stelle bei Lydus 
müssen wir annehmen, dass dieser noch die Widmung in der Ausgabe 
gelesen. Es ist damit der Beweis geliefert, dass in der That, wie schon 
der Augenschein zeigt, der Anfang der Biographien durch die Abtrennung 
einer Blätterlage verloren ging. Der Verlust umfasste den Titel des Wer- 
kes, die Widmung an Septicius, vielleicht auch einen Stammbaum des 
Julisch-CIaudischen Hauses, den Anfang der Biographie Cäsars, welcher 
über die Julische Familie, über die Gfeburt Cäsars, über seine erste Er- 



44 Römische Litteratnrgesohiohte. II. Die Zeit der Monarohie. 8. Abteilung. 

Ziehung, über die Vorzeichen seiner hohen Bestimmung handelte. Diese 
Dinge werden wohl einen Quatemio eingenommen haben. Dieser Quatemio 
muss sich in der Zeit vom sechsten bis zum neunten Jahrhundert vom 
Werk abgelöst haben, denn im sechsten Jahrhundert schrieb Lydus, aus 
dem neunten Jahrhundert aber stammt unsere älteste HandschriiPt. 

Jo. Lydns Aber die Widmung an Septicius Claras. De magistr. 2, 6 p. 102 
Fnss. TQayxvXXog xovg tav KtucaQwv ßiovs iy ygafjifiaaiy anoxiyaty £entixi<fi, % ^y vnaqx^ 
rtay nQaiXtaqiav^y onetQcSy iti' avrov, 7tQalg>€Xioy avioy TtSy TtQairtoQiayioy tay(iatwy »ai 
tpaXdyytoy tjyeftoya xvyx^ye^y i&^Xotaey. 

530. Charakteristik der EaiserbiographieiL Durch die Eonzentrie- 
rung der Regierungsgewalt in einer Hand war auch eine tiefgreifende 
Umgestaltung der Oeschichtschreibung bedingt. Unwillkürlich musste der 
Historiker jetzt sein Augenmerk auf den Regenten richten und denselben 
zum Mittelpunkt seiner Erzählung machen. Allein diese Art der Geschicht- 
schreibung barg die Gefahr in sich, dass das Biographische zu sehr in den 
Vordergrund trat und d^rUber der Blick auf das grosse Ganze verloren 
ging. An diesem Gebrechen leiden die Eaiserblog^aphien in starkem Masse. 
Sueton hat keinen Sinn fiir die geschichtliche EniiwibiLlung und kein Ver- 
ständnis für die Triebfedern der Geschichte; selbst die einschneidendsten 
Ereignisse weiss er nicht zu würdigen. Wir haben also in dem Werke 
keine wahre Zeitgeschichte. Aber auch keine Biographie, welche diesen 
Namen verdienen könnte ; denn auch das organische Wachstum einer Per- 
sönlichkeit auf Grund einer gegebenen Naturanlage ist von ihm nie ver- 
standen worden; und in die weitfverzweigten Regungen des menschlichen 
Herzens hat sein trübes Auge niemals geblickt. Sueton ist weder Histo- 
riker noch Biograph, er ist nichts als ein fleissiger Notizenisammler; er 
vermag einzelne Ztfge zu einem Bilde zu liefern, aber ein BQd selbst zu 
schaffen, dazu fehlt ihm die schöpferische Phantasie. Er arbeitete nicht 
mit dem Geiste, sondern wesentlich mit den Händen. Er las aufs einigste, 
was über einen Kaiser geschrieben war und notierte sich alles, was ihm 
irgendwie merkwürdig erschien ; auch amtliche Dokumente und litterarische 
Arbeiten der Kaiser, wie mündliche Berichte beutete er aus. Auf diese 
Weise bekam er einen reichen Stoff zusammen. Statt diesen Stoff aber 
kritisch zu verarbeiten, liess er sich vielmehr nur von dem Gedanken leiten, 
wie die von ihm gesammelten Notizen zu einem Ganzen zu verbinden 
seien. Er machte sich daher ein Schema und nach diesem Schema stellte 
er seine Exzerpte zusammen. Das Grundschema ist im wesentlichen, 
dass zuerst die Zeit bis zum Prinzipat vorgenommen wird, dann der Prin- 
zipat als Ganzes ohne Unterschied der Zeit, und dass hier wieder zwischen 
öffentlichem und Privatleben unterschieden wird. Innerhalb dieser zwei 
Fächer treten natürlich wieder verschiedene Rubriken auf, z. B. innegehabte 
Ämter, Kriege, Verdienste um die Stadt und die Bürgerschaft, dann Ver- 
kehr mit den Fremden, Fehler, Tugenden, Körperpflege, Studien, Wunder, 
welche den Tod andeuten u. s. f. Für die Chronologie ist b^i dieser Be- 
handlungsweise fast kein Boden vorhanden; in der That beschränkt sich 
Sueton regelmässig auf die Angabe des Geburts- und des Todesjahrs. Hie 
und da findet sich ein Ansatz der Kritik, indem der Wert der Berichte 
untersucht wird; allein damit ist nicht viel gewonnen. Vor allem wäre 



Saetoniiu Tranqnilliui. 45 

notwendig gewesen, die Quellen seilest auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu 
untersuchen ; aber einer solchen Aufgäbe entschlug sich Su^ton. Das Pam- 
p^ilet ist. ihm soviel wert als das Aktenstück, beide liefern ihm ja die un- 
entbehrlichen Notizen. Es kommt. ihm daher auch nicht darauf an, seine 
Quellen stets ^enau zu bezeichnen; gar oft begnügt er sich mit ganz all- 
gemeinen Angaben. Lobende ui\d schmähende Quellen arbeitet er in eins 
zusammen. Dass uns manches scnätzbare Material geboten wird, wollen 
wir nicht leugnen, besonders Auszüge aus Aktenstücken sind für uns sehr 
wertvoll. Allein andrerseits müssen wir viel zu viel E3atsch, mit in den 
Kauf nehmen ; und es ist zu beklagen, dass auch das nichtswiirdigste Ge- 
rede, wie es sich um all^ in dem Vordergrund stehenden Männer anzii- 
sanuneln pflegt, der Vergessenheit entrissen wurde. Leider kann man die 
Vermutung kaum unterdrücken, dass der Autor selbst nicht ohne Behagen 
diese Klatschereien, besonders wenn sie ins Obscöne gingen, sammelte. 
Auch für Wundergeschichten, welche für die damalige Zeit charakteristisch 
sind, scheint er eine .jerosse Vorliebe bösessen zu haben. Wie nach der 
Arbeitsweise nicht ^anders erwartet werden kann, steht Suetoq den von 
ihm gescnilderten Personen ohne ein wahres persönliches Verhältnis gegen- 
über; er registriert mit, gleichem Eifer das, was für sie, wie^ das, was 
gegen sie spricht. Zeichen von Abneigung und Zuneigung treten nicht 
hervor und, können nicht hervortfeten, weil sich der Schriftsteller nicht 
in die Seele seiner Personen versenkt hat. E^ , sind nicht aUe Biographien 
gleich gearbeitet, allein die Verschiedenheit wiifzeft nicht in der verschie- 
denen Stellung, die der Autor zu den einzelnen Kaisern einnimmt, sondern 
in dem reicheren oder ärmeren Quellenmaterial; daher kommt es, dass 
Augustus, über den bereits' eine umfassende Litteratur vorhanden war, 
un^eich besser dai'gestellt ist al» die Kaiser des fiavischen Hauses. 

Der Stil, in dem die Kais^rbiographien geschrieben sind, verdient 
durchai^L9^; er ist kurz und gelängt, sowie einfach und klar. Es ist 
ein geschi£rtsmässiger Stil, wie er für die kaiserliche Kanzlei passend war. 
Wenn man bedenkt, welche falsche Wege in der Stilbildung die Fronto- 
nianer in der damaligen Zeit eingeschlagen hatten, so wird man den guten 
Gteschmack Suetons um so mehr bewundern müssen. 

Methode. Nero 19 haee partim nulla reprehensione, partim etiam non mediocri 
laude digna in unum eontuli, ut secernerem a probris ac seeUrüma eius, de quibue dehine 
dieam; Aag. 9 proposiita vitae eius velut summa partes singillatim neque per tempora, 
sed per species exsequar, quo distinctius demonstrari cognosdque possint; 61 quoniam, 
quaiis in imperis ac magistratibus regendaque per terrarum orbem pace beUoque republica 
fuerU, exposui: referam nunc interiorem ac familiärem eius vitam, quibusqtu mortbus atque 
fortuna domi et inter suos egerit a iuventa usque ad supremum vitae diem; 94 et quoniam 
ad haec ventum est, non ab re fuerit subtexere; Tib. 61 singillatim crudeliter facta eius 
exsequi longum est: genera velut exemplaria saevitiae enumerare sat erit; Galig. 22 haetenus 
quasi de principe: reliqua ut de monstro narranda sunt. Ueber die Eompositionsweise 
Snetons handelt eingehend Wilh. Sohxidt, De Bomanorum imprimis Suetonii arte bio- 
graphicoy Marburg 1891. Eine besondere Einwirkung des Monnmentum Ancjranmn auf die 
Bchematische Geschichtschreibnng (ygl. Nibsbh, Rh. Mus. 41, 481) hat nicht stattgefanden 
(vgl. ScBinDT p. 8 und Waghsicvth, Einleit. in die alte Oesch. p. 685 Anm. 2). 

Ansätze von Kritik. Tib. 21 adduci tarnen nequeo quin existimem circumspectiS" 
simum et prudentissimum principem, in tanto praesertim negotio, nihil temere fecisse. 
Calig. 8. 

Qa eilen. Die Forschung ttber die Quellen Suetons ist darum so schwierig, weil uns 
diese nicht als geschlossene, festbegrenzte Massen entgegentreten und weU er uns oft 



/' 



46 Bömische LitteratnrgeBcliiohte. ü. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

mit allgemeinen Angaben abfindet. Es siod daher nnr sebr geringe Resultate erzielt 
worden. Eine ganz allgemeine Uebersicht der Quellen durch alle tntae hindurch liefert 
SoHWBiOBB, De fofUibus atque auetoritate vUarutn XII ttnperatorutn Suetoni, Gott. 1830 
(Kbaüsb, De C, Suetonii T. fontihus et auetoritaU, Berlin 1831). Tiefer geht die Unter- 
suchung Bankbs in den Analekten p. 319 (Weltgeschichte 111 Teil, 2. Abteilung), der 
ebenfalls alle tfiUie einer Kritik unterstellt (lieber zwei ganz entgegengesetzte Schriften 
als Quellen im Tiberius vgl. p. 335). Glason, Tacitus und Sueton, Breslau 1870 (über Nero 
p. 20, über Claudius p. 47, über Tiberius p. 53, über Galba, Otho, Vit«llius, Vespasian 
p. 100). — DEDEBiisrG, De Suetoni vita Caesaris pars I, Jenaer Dissert 1871 ; Thaioc, De 
fontibua ad Tiberii histariam pertinentibus, Halle 1874 (Suetonius et Tacitus p. 33, Sue- 
toniua et Dio p. 42); Lehmann, Claudius p. 39; Begkubtb, Zur Quellenkritik des Tacitus, 
Sueton und Cassius Dio: Das Vierkaiseijahr, Jenaer Diss. 1880; Ekaüss, De vitarum im' 
peratoria Othonis fide guaestiones, Zweibrücken 1880 (p. 17). 

Die Ueberlieferung. Die älteste und zuverlässigste Quelle der Kaiserbiographien 
ist der cod, Memmianua s. IX, der seinen Namen von Henri de Mesmes, seinem ersten 
Besitzer führt. Von Memmius kam er in den Besitz des Emmerich Bigot, nach dessen 
Tod gelangte er im Jahre 1706 in die Nationalbibliothek zu Paris (nr. 6115). Obwohl der 
Memmianus der älteste und der beste Codex ist, so ist er doch nicht unsere einzige Quelle ; 
denn Caes. 49 fehlt der dritte Vers im Memmianus, während andere Handschriften den- 
selben haben. Diese Lücke hat mit ihm gemein Laurentianus 68, 7 (Medicens III) s. XI. Auch 
der Vaiicanua LipHi s. XI/XU steht dem Memmianus sehr nahe. Vertreter der zweiten Klasse 
der Ueberlieferung sind: Laurentianus 66, 39 (Mediceus I) s. XIII, Parisinus 6116 s. Xlf, Lau- 
rentianus 64, 8 (Mediceus II) s. XIII. Die zahlreichen Handschriften des saee, XV sind 
für die Kritik wertlos. Eine genauere Klassifizierung der Suetonhandschriften fehlt noch. 

Ausgaben. Die ältesten sind zwei edit, Romanae vom Jahre 1470, eine besorgt 
von Jo. Antonius Campanus, die andere von Jo. Andreas Aleriensis episcopue und eine, die 
1471 in Venedig erschien. Es folgten die Ausgaben von Philipp Beroaldus 1493 und 
1506 (mit wertvollem Kommentar), von Desid. Erasmus 1518, R. Stephanus 1543, Is. Ca- 
saubonus 1595 und 1610 (wohl die bedeutendste Ausgabe, dieser sind die Erläuterungen 
einer Reihe von Gelehrten, Beroaldus, Laevinus Torrentius, Glareanus u. a. beigegeben), 
J. Aug. Emesti 1748 und 1775, Fr. Oudendorpius 1751, F. A. Wolf Leipz. 1802, Banm- 
garten-Crusius Leipz. 1816—1818, Bremi (eriäutert) Zürich' 1820, C. L. Roth Leipz. 1862. 
— Uebersetzung von Ad. Stahr Stuttg. 1857. 

531. De grammaticis et rhetoribns. Mit den beiden Schriften des 
Tacitus, dem Dialog und der Oermania, ist uns noch ein Traktat über- 
liefert, welcher den Titel de grammaticis et rhetoribus führt und dem 
Sueton beigelegt wird. Der Traktat beginnt mit einem Verzeichnis der 
Grammatiker und Rhetoren, welche behandelt werden sollten, geht dann zu 
einer Einleitung über, in welcher das Aufkommen der Grammatik in Rom 
und ihre Entwicklung, die sprachlichen Bezeichnungen für die Grammatiker, 
endlich die Verbindung der Grammatik mit der Rhetorik erörtert werden, 
und lässt schliesslich die Besprechung der einzelnen Grammatiker folgen, 
beginnend mit Sevius Nicanor, sclüiessend mit M. Valerius Probus. Auch 
der sich daran anschliessende Abschnitt über die Rhetorik enthält zuerst eine 
kurze Betrachtung über die Schicksale dieses Fachs bei den Römern und 
über die Methode des rhetorischen Unterrichts, dann kommen die einzelnen 
Rhetoren; allein es sind deren nur wenige, da der Schluss der Schrift ver- 
loren ging. Welche Persönlichkeiten noch besprochen wurden, ersehen wir 
aus dem Verzeichnis, welches dem Traktat vorausgeschickt ist. Schon zu 
der Zeit, als Henoch von Ascoli jene drei Schriften aus Deutschland nach 
Italien brachte, erkannte man, dass hier nur ein Teil .eines grösseren Werkes 
vorliege und zwar des Werkes, welches sich Hieronymus für sein Buch 
de viris iUustribus, d. h. über die kirchlichen Schriftsteller zum Vorbild 
genommen hatte. Sonach musste auch Sueton Über berühmte Männer, aber 
mit Einschränkung auf das Gebiet der Litteratur gehandelt haben. Allein 
die Einschränkung ging noch weiter, er besprach in dem Werk nur her- 



Sneioniiui Tranqnilliui. 47 

vorragende Persönlichkeiten der römischen Litteratur. Der Titel des 
Werkes scheint de viris illustribua gewesen zu sein. Dieses Werk, 
dessen Verlust wir sehr beklagen, hat Hieronymus noch bei einer andern 
Arbeit benutzt. Er entnahm demselben die litterarhistorischen Zusätze, 
die er zu der von ihm übersetzten Chronik des Eusebius machte. Dadurch 
ist uns die Möglichkeit gegeben, das verloren gegangene Buch einiger- 
massen zu rekonstruieren. Betrachten wir diese Auszüge, so scheint das 
Werk fünf Rubriken umfasst zu haben, Dichter, Redner, Qeschicht- 
schreiber, Philosophen und die eine Klasse bildenden Grammatiker 
und Rhetoren. Über die Reihenfolge der Fächer lassen sich nur Ver- 
mutungen äussern. Von der Methode der Behandlung können wir uns 
ein Bild aus dem Erhaltenen machen. Damach waren in jedem Fach 
drei Teile gegeben, das Verzeichnis, Einleitung und die Schilderung 
der berühmten Männer. Ausser den Auszügen des Hieronymus sind uns 
auch aus anderen Quellen grössere Fragmente erhalten und zwar aus der 
Abteilung der Dichter: 

1. Die Vita Terenti. Dieselbe steht in dem Kommentar des Donat 
und wird von ihm ausdrücklich dem Sueton zugeschrieben. 

2. Die vita Horatu Diese trägt zwar nicht den Namen des Sueton 
an der Spitze oder am Ende. Allein dass sie von Sueton herrührt, geht 
daraus hervor, dass die Scholien unter dem Namen des Sueton Dinge an- 
führen, welche sich in unserer vita finden. Die Überlieferung dieser vita 
ist aber bei weitem weniger treu als die der Terenzianischen. 

3. Die viia Lucani. Für den' Suetonischen Ursprung liegen hier 
keine äusseren Zeugnisse vor, aber innere Indicien machen diesen sehr 
wahrscheinlich. Sie ist am Anfang verstümmelt. Auch im Innern sind 
Lücken. 

Ausserdem wird auch mit gutem Grund 

4. die Erörterung über die Gattungen der Poesie, welche sich 
bei dem Grammatiker Diomedes GL. 1, 482 findet, als Einleitung zu diesem 
Buch Suetons angesehen. 

Aus der Abteilung der Redner haben uns die Scholien zu Juvenal 
gerettet : 

5. die vita Passieni Crispi. 

Endlich aus der Kategorie der Historiker ist uns durch Plinius- 
handschriften erhalten: 

6. die vita des älteren Plinius. 

Da Hieronymus in seinen Excerpten keinen Redner vor Cicero und 
keinen Historiker vor Sallust anführt, so wird die Vermutung zulässig 
sein, dass Sueton die Biographien der Redner und der Historiker erst mit Ci- 
cero und Sallust begonnen und über die älteren Redner und Historiker 
nur summarisch in den Einleitungen gehandelt. Wie er in den Kaiser- 
biographien mit Domitian schliesst, so scheint er auch die Lebensbeschrei- 
bung berühmter Männer nicht über die Zeit Domitians hinaus verfolgt zu 
haben. Juvenal, Tacitus und der jüngere Plinius fehlten also in dem Werk. *) 



») Roth, ji^raef. p. LXXVII. 



48 BAmiflohe LitteratnrgeBohiohte. IL Die Zeit der Konarohie. 8. Abieünng. 

Seine Quellen waren in erster Linie Bücher, es standen ihm hier zur Ver- 
fügung das gelehrte Werk Yarros über die Dichter, dann die Autoren, 
welche über die berühmten Männer im allgemeinen geschrieben hatten, 
Santra, Nepos, Hyginus. Auch die Kommentatoren der Schriftsteller, welche 
in ihren Einleitungen auf die Lebensverhältnisse der Autoren eingingen, 
konnten benützt werden. Dass Sueton eine reiche Buchgelehrsamkeit ent- 
faltete, zeigt besonders die Biographie des Terenz. Wann das Werk ab- 
gefasst wurde, wissen wir nicht. Vielleicht ist es das, wie Plinius etwa 
im Jahre 105 (ep. 5, 10) schreibt, von den Freunden sehnlichst erwartete. 

Das Verhältnis des Hieronymus za Sueton. Hieronym, de vir, iU. praef, 
Hortaris, Dexter, ut Traf%qumum sequens ecclesiastieoa seriptorea in ardinem digeram et, 
quod ille in enumerandis gentilium litterarum viria feeit inlustrünu, ego in nostris hoc 
faeiam .... fecerunt quidem hoe idem apud Qr<ueos Hertnippua peripatetieus, Antigonus 
Caristius, Satyrus, doctue vir, et lange omnium doetiseimus Äristaxenus musieus. Apud 
LcUinos autem Varro, Santra, Nepae, Hyginus et ad euiue noa exemplum provoeaa, 
Tranquillua; Ep. 47 ad Desiderium (I p. 211 Vall.) acripai librum de illuatribus 
viria ab apoatolia uaque ad noatram aetatem imitatua TranquiUum Oraecumque ApoÜonium; 
praef. ad Euaeb. ehronieum p. 8 Scb. Itaque a Nino et Abraham uaque ad Traiae eaptivi^ 
totem pura graeca tranalatio eat. a Troia autem uaque ad XX CSnatantini annum nunc 
addita, nunc mixta aunt plurima quae de Tranquillo et ceteria inluatribua hiato- 
ricia curioaiaaime excerpai. Zum erstenmal machte Jos. Scaliger auf Hieronymos als 
eine Quelle ffir die yerlorenen Teile des Suetonianischen Werkes de viria iUuatribua auf- 
merksam. AUein seine Beobachtung blieb unberficksichtigt, bis Ritschi wiederum den Wert 
derselben stark betonte (Rh. Mus. 2 [1843] p. 615, Pabebga I p. 607); Rbiffbbsobbid p. 364). 

Der Titel des Werks. Dass der Titel des Werkes de viria iUuatribus war, zeigt 
die erste Stelle des Hieronymus. Die Vermutung des Casaubonus, der Titel sei de viria 
in litteria iUuatribua gewesen, wird daher abzuweisen sein. 

Die Ueberlieferung ist dieselbe wie die der Taciteischen Schriften Dialog und 
Qermania vgl. § 428 p. 361. 

Litteratur. Die massgebende Ausgabe ist C Suetani TranquiUi praeter Caeaarum 
libroa reliquiae ed. Auo. Rbiffkbsoheid Leipz. 1860 ; die vita des Terentius ist von Ritschi 
bearbeitet und kritisch kommentiert (p. 481). Dobbobns, Ueber Suetons Werk de viria ü- 
luatribua, Leipzig 1857; Suetons Lebensbeschr. berfihmter Männer. Text mit Uebers. und 
Erläui Leipz. 1863. 

ß) Nichterhaltene Schriften Suetons. 

532. Die verlorenen Schriften Suetons nach Suidas. Durch das 
Verzeichnis der Schriften Suetons, welches bei Suidas unter TQOYxvXXog 
steht, sind wir ziemlich gut über seine verlorenen Schriften unterrichtet. 
Freilich vollständig ist dasselbe nicht, auch scheinen öfters Teile von 
Werken als selbständige Werke aufgeführt zu sein. Es sind folgende: 

1. Über die Spiele der Griechen (ttc^i twv na^f "EXXrjCi naiSmv 
ßißUov d). Diese Schrift wird auch von Tzetzes erwähnt. Auszüge aus 
derselben geben uns eine von Miller bei Earyes aufgefundene Handschrift 
(s. Xm), aber ohne Bezeichnung des Autors; der Laurentianus 80, 13 s.XIY, 
ebenfalls anonjnm; endlich der Parisinus 1630 s. XIY; hier ist aber Sueton 
als Autor am Rande bezeichnet. Auch Eustathius hatte das Werkchen 
vor sich und beutete es aus. Aus diesen vier Quellen können wir die 
Schrift einigermassen restituieren. Dass dieselbe in griechischer Sprache 
abgefasst war, zeigen die Excerpte. 

Die Excerpte aus dem von ihm aufgefundenen Codex hat Millbb publiziert in den 
Milangea de liU^ature grecque, Paris 1868 p. 435. Das Verhältnis der vier QneÜen und 
die Zuteilung der Fragmente an bestimmte Autoren hat Fbbsekius untersucht De Xä^my 
Ariatophanearum et Suetonianarum excerptia Byzantinia, Wiesbaden 1875 p. 78. Tzjmsa 
Hiat, var, VI 874 (fr. 183 Rbiffsbsoh.) T^yxvXXog Sovrjtiyos rif iy nai^H 'ElX^ymy; 



Suetonius Tranqnillas. 49 

Eustath. Od. 1, 107 (fr. 182 B.) o rd ti^qI 'EXktjyix^g nat&uig yqu^pag. Die Autorschaft des 
Saeton ist im Parisinus durch die Marginalnote tqa = TgayxvXXov und rov nvtov be- 
zeugt (Frbsbhitts p. 75). 

2. Über die römischen Festspiele {neql tSv naQd^PcofAaioig-d'soDQ- 
icSv xal äyüivav ßißUa ß>). Es ist dies dieselbe Schrift, welche Gellius als 
ludicra historia citiert (9, 7, 3). Dieselbe war ohne Zweifel in lateinischer 
Sprache abgefasst. Ihren Aufbau lernen wir durch Tertullian kennen, der in 
seiner Abhandlung de spednculis die ludicra historia zur Grundlage genommen. 
Danach behandelte Sueton die vier Gattungen von Spielen, die Zirkusspiele, 
die scenischen Aufführungen, die (gjrmnischen) Agonen und die Gladiatoren- 
spiele. Da nach Suidas das Werk aus zwei Büchern bestand, so wird er 
im ersten Buch die Zirkusspiele und die scenischen, im zweiten die Ago- 
nen und die Gladiatorenspiele erörtert haben. Aßt der Darlegung der 
Spiele war eine Geschichte der Feste, an denen sie gegeben wurden, ver- 
bunden. Auch auf griechische Spiele wurde Rücksicht genommen. Die 
Agonen waren ja eine griechische Einrichtung. 

Aus zwei stellen, Serv. Aen. Y 602 (fr. 197 R.) td ait Suetanius Tranquülua, lusus 
ipse, quem vulgo pyrrkicham appellant, Troia vocatur, cuius originem expressU in libro de 
puerorum lusibus; Pseudoacro in Horat. a.pdH, 417 (fr. 198 R.) üa enimpueri currentes aiunt: 
oecupet Scabies in extreme remanentem — Scabies Ittdus puerorum est, ut hohes in Suetonio 
hat Reifferscheid schliessen wollen, dass Sueton auch fiber die Enabenspiele der Römer 
gehandelt habe, er woUte daher in den Worten des Suidas h^^aijfs ne^l tcSy nag* ISXXtjffi 
ntuduSy ß^ßXioy a ' negl xtoy na^d 'Patfiaioig &saiQuay jcal aytoyay ßißXia /}', schreiben: 
negl itSy nag^ "EXktiai natdteSy xal dytoytoy ßißXia ^ ' nsgl twy naqd ytofMiloig natditoy 
xai ^€»giwy ßißXla ß\ Allein diese Ansicht ist irrig. Was an jenen zwei Stellen be- 
richtet wird, konnte sehr gut in der Schrift über die griechischen Enabenspiele stehen, so 
z. B. konnte der ludus Troiae bei der Pyrrhiche erwähnt werden, um die Verwechslung 
der beiden Spiele, welche unsere Stelle andeutet, zu beseitigen. Das an zweiter Stelle ge- 
nannte Spiel konnte aber auch bei den Griechen vorkommen vgl. P. J. Mrisb, De gladiatura 
Bomana p. 2. Ausser Tertullian sind für die Rekonstruktion des Buches noch Quelle Isid. 
orig, XYIII 16 — 59, Cassiodor. var. III 51 und die Schollen zu Juvenal vgl. Mbieb p. 7. 

3. Über das römische Jahr {neQl tov xazd ^PcojuiaCovg ivuxvTov 
ßißXiw d). Über das römische Jahr finden wir eine im wesentlichen iden- 
tische Darstellung bei Macrobius (1, 12 — 14), bei Gensorinus (c. 19) und 
bei Solinus (I 34 — 48), so dass wir den Schluss ziehen müssen, dass diese 
drei Autoren auf eine gemeinschaftliche Quelle zurückgehen. Selbst im 
lateinischen Ausdruck hat man Ähnlichkeiten entdeckt, so z. B. zwischen 
Macrobius und Gensorinus. Als diese gemeinschaftliche Quelle wurde mit 
grosser Wahrscheinlichkeit das Buch Suetons über das römische Jahr er- 
kannt. Dieses Werk ruht, wie wir nach den Auszügen schliessen müssen, 
besonders auf den Forschungen Yarros und des Yerrius Flaccus. 

Macroh. 1, 12, 37 sagt, nachdem von den Namensänderungen der Monate, welche Domitian 
▼orgenommen, die Rede war: cautio postea principum ceterorum diri ominis infausta vitantium 
mensibus a Septenibri usque ad Decembrem prisca nomina reservavit. Der Schreiber dieser 
Zeilen weiss also noch nichts von den neuen Namen, welche Commodus an Stelle der 
alten Monatsnamen setzte (Herod. 1, 14, 9), er hat daher zwischen Domitian und Commodus 
gelebt Um diese Zeit lebte aber auch Sueton, der nach dem Zeugnis des Suidas ein Werk 
fiber das rOmische Jahr schrieb. Auf dieses Werk weist auch Gensorinus deutlich hin 
(20, 2): sed magis Junio Oracchano et Fulvio et Varrani et Suetonio aliisque credendum, 
wo aliis ein wülkürlicher Zusatz des Gensorinus ist (cf. Macrob. 1, 13, 20). Vgl. Reiffbb- 
0CHSID p. 484 und die umsichtige Erörterung von Wissowa, De Macrobii Saturnaliorum 
fontibus, Berl. 1880 p. 22, der im Anschluss an Reifferscheid noch andere Teile des Ma- 
crobius als die oben bezeichneten (1, 12 — 14) auf Suetons Schrift über das Jahr zurück- 
znf&hren sucht üeber die Aehnlichkeiten im lat. Ausdruck vgl. Gens. 20, 6 = Macrob. 
1, 13, 9; Gens. 22, 17 = Macrob. 1, 12, 37; Gens. 22, 12 = Macrob. 1, 12, 19 (Wissowa p. 19). 

nmdlmdi der Uasi. AlterhinuiwlnenBchaft. vm. 8. Teil. 4 



50 Bdmische LitteratnrgeBcliiohte. n. Die Zeit der Honarchie. 2. Abieilnng. 

4. Über die Zeichen in den Schriften (TteQl nüv iv %oTq ß$ßXi<Hg 
ai]HB((ov a). Im Jahre 1845 veröffentlichte Bergk ein Anekdoten über die 
kritischen Zeichen, welches Th. Mommsen in der Pariser Handschrift 7530 
aus dem Jahre 780 gefanden hatte. Zuerst werden die einzelnen 21 Zeichen 
mit ihren Namen aufgeführt, dann hinzugefügt, dass diese Zeichen allein 
die Grammatiker in ihren Ausgaben gebrauchten, ganz besonders wird 
dies von Probus' Ausgaben des Vergil, Horaz, Lucrez bezeugt. ^ Es folgt die 
Lehre von der Anwendung dieser Zeichen, die meisten beziehen sich auf 
die emendatio. Öfters wird von dem Gebrauch der griechischen Gram- 
matiker ausgegangen und dann hinzugefügt, dass der gleiche usus bei den 
römischen Grammatikern, besonders bei Probus zu finden sei. Darauf 
folgt ein zweites Notenverzeichnis, in dem der ästhetische und rhetorische 
Gesichtspunkt vorwiegt. Das Anecdoton stellt uns einen Auszug aus einem 
grösseren Werk dar, in dem die von Suidas citierte Schrift Suetons 
über die Zeichen erkannt wurde. Die Spuren dieser Schrift finden wir 
auch bei Isidor. 

Ueber die ZnrÜckffihrang des Anekdoten auf Saeton vgl. Bbbgk, EI. 
philol. Schriften 1, 593. Rbiffebsghsid (p. 419) nimmt an, dass Saeton im Anhang zn den 
viri iUuatrea nicht hloBS Aber die notae im weitesten Sinne des Wortes, sondern auch fiber 
Bibliothek- und Buchwesen gehandelt. Es ist nicht klar, in welchem Verhältnisse Reiffer- 
scheid sich diese Dinge zu der von Suidas citierten Schrift denkt. — Das Anecdoton de 
notis ist abgedruckt bei Reiffebscheid p. 137, Keil GL. 7, 573, mit Erörterungen bei 
Bkbgk, El. philol. Schriften 1, 580. Ueber die Spuren bei Ismon Traube, Gonmi. Wölfil. p. 198. 

5. Über die Ciceronische Schrift vom Staat {TtsQi r^g KixäQwvog 
Ttohzefag ßißXiov a). Der berühmte Grammatiker Didymus hatte sechs 
Bücher gegen Cicero geschrieben. Da nun Ciceros Werk über den Staat 
auch sechs Bücher umfasste, so wird angenommen, dass sich der gelehrte 
Grammatiker gegen die einzelnen Bücher jener Schrift wandte. Ihm trat wie- 
derum Sueton entgegen. Wahrscheinlich war das Antiquarische stark betont. 

Suidas fOgt in seinem Katalog hinzu: dynXiysi di r^ JM/it^, Ammianus Mar- 
cellinus 22, 16, 16 inter quos Chalcenierus eminuü Didymus^ muUiplicis aeieniiae copia 
memorabüis: gut in iUis sex Hbris, übt nonnunquam imperfecte {loeutum f&gt O. Jahn 
hinzu) Tuüium reprehendit siUographos imitatus acriptoree mcUedicoa, iudicio doctarum 
aurium incuaatur ut immania frementem leonem piUredulis vocihua cania cattdua longiua 
circumJatrana. (M. Schmidt, Didymi fragm. p. 899.) 

6. Über die Kleider {neql ovofiarwv xvq(<ov xal iiiag itf&rjuctvdov 
xal vnodriiimwv xal xSv akhav olg Ttg äfig>iävvvTai), Auch Servius citiert 
diese Schrift mit dem einfacheren Titel: liber de genere vesHum. In 
diesem Werkchen wurden die verschiedenen Kleidungsstücke mit ihren 
eigentlichen Bezeichnungen vorgeführt; aber nach den Fragmenten zu 
urteilen, handelt es sich nur um die römischen Kleider. Der Traktat 
gehörte also zur Gattung der Onomastica. 

Um durch ein Beispiel den Charakter der Schrift zu veranschaulichen, heben wir 
die Stelle aus Serv. Aen. 2, 683 aus: Suetoniua tria gener a pilleorum dixU, guibua aacer^ 
dotea utuniur: apicetn, tutulum, galerum: aed apicem pilleum autüe circa medium 
virga eminente, tutulum pileum lanatum metae figura, galerum pileum ex peUe hoatiae caeaae, 

7. Über Schmähworte {nBQl Svtrgn/jgKov lä^etov i^oi ßi,a(rq>r)fiuiv 
xal no^ev ixMirj). Aus dieser Schrift haben wir das umfangreiche Bruch- 
stück in der von MiUer aufgefundenen Handschrift. Das Werkchen beginnt 

^) Bemays will daf&r Lucilius (vgl. § 59 p. 94); ich hahe später diese Vermutung auf- 
gegeben (vgl. § 477 p. 432). 



SaeioniiiB TranqnilluB. 51 

mit den Schmähworten bei Homer. Dann folgen die späteren, aus Autoren 
oder aus dem Leben geschöpften, Schmähworte, nach Oruppen abgeteilt, 
welche durch Überschriften charakterisiert sind. Das Buch nahm seinen 
Stoff aus griechischen Quellen, wohl besonders aus Didymus' Xä^ig xoofiixrj, 
und war auch in griechischer Sprache abgefasst. 

Die Schrift wird in dem MiLLXB'Bchen Codex (vgl. M^lakobs p. 418) mit lovrjtlyov 
TgoyxvXu (sie) neQi ßXaatptjfutSy xal no&ey kxdcxti eingefttlirt. ^ Im Etym. M. p. 151, 35 steht 
Tf^yxvXktoy tibqI ßXaatpvJiAViy (sie). Die Gruppen sind: inl ap^gtSy dxoXdattoy, inl yvyair- 
mmry hti htSe&ijjtrifjiiviay xal i^tjgtjfiiyotv (Miller i^tjraiQfjfiiyoiy, Naüok HtjvXrifiiyiüy) 
d^Qäywy, sie noytiQove, sig dXatoyas, eis dyoQaiovg xal noXvngdyfioyas xal KpiXByxXtfuoyai^ 
bU fit^ovf xal sv^^sifj sk TiQsaßvxag, eis ayQoUmg^ eis svteXste ütQoiuatasy sie dnXtjüTovSy 
sie dotXove, Anch bei Eostaihias finden wir Aaszüge ans dieser Sammlung Suetons, vgl. 
die ZusammensteUung bei FBBSBiriüB p. 129. 

8. Über römische Gebräuche und Sitten (jtsql ^iMiirjg xal %äv 
iv €tvT^ vo/itfimv xal ^^v ßißXCa ß'). 

Dies sind die nicht erhaltenen Schriften, von denen wir aus dem Ver- 
zeichnis des Suidas Kenntnis erhalten. 

533. Andere verlorene Schriften. Suidas hat nicht alle Schriften 
des Sueton verzeichnet, aus anderen Quellen ist uns noch Kunde über 
folgende nicht erhaltene geworden: 

1. Über die öffentlichen Ämter {de instUutiane officiorum). Unter 
Hadrian fand eine Neuorganisation der öffentlichen Ämter statt, welche 
sich mit unwesentlichen Änderungen Konstantins lange Zeit erhielt. Eine 
Darlegung der Entstehung derselben und des Wirkungskreises war daher 
sehr am Platz. Vielleicht hat Sueton, als er in der kaiserlichen Kanzlei 
beschäftigt war, das Werk verfasst. 

[Anrelins Victor] epit. 14 officio sane publica et palatina nec non müttiae in eam 
formam statuU, in qua paucis per Ckmstcmtinum immutatia Hodie perseverant. Die Schrift 
wird namentlich citiert Yon Priscian 6, 41 (GL. 2, 231). 

2. Über die körperlichen Gebrechen {de vüüs corporalibus). Das 
Buch war ähnlich wie das Buch über die Kleider angelegt. Die einzelnen 
Körpergebrechen mit ihren eigentümlichen Bezeichnungen wurden vorgeführt. 

Die Schrift citiert Servins Aen. 7, 627 in libro de vitiia corporälihus; eclog. 3, 8 in 
vitiia corporalibus, 

3. Über berühmte Hetären {TrcQl inurijfKov noQvSv), Aus einer 
Stelle des Lydus ersehen wir, dass Sueton hier sogar auf die mythischen 
Zeiten zurüd^ging, indem er die Omphale heranzog. Da an der Stelle 
weiterhin berichtet wird, dass auch Apuleius diese Geschichte behandelt 
hat, so vermute ich, dass das Sueton'sche Werk griechisch geschrieben 
und von Apuleius lateinisch bearbeitet war. 

Lyd, de mag, 3, 64 p. 268 Fuss ist von dem durchsichtigen leinenen Eleid der lydi- 
sehen Frauen (aaytfvl) die Rede; dann heisst es xotovtt^ roy ^gaxXia /»roii^» nsq^ßaXovca 
'^(jufdXfi noti aiax^S iqmyxa nags^iqXvys ' tavtjn xal Xay^tay ^HgaxX^e dyriyix^y f^e 
"jinovX^'Coe 6 'Pwfiatoe tpiXoaotpos iy t<^ intyQag>ofiiy(^ iQtotun^i, xal TQayxvXXof dk tiqo avtov 
ip Tfi nsql htiarifiViy noqytSy dysyrjyoxaffiy. 

4. Über die Könige {de regU>us). Pontius Paulinus hatte in einem 
Briefe an Ausonius ein Exerzitium beigelegt, in dem er die drei Bücher 
Suetons über die Könige in Verse gebracht hatte. Offenbar suchte er 
den Heister, der die Kaiserbiographien Suetons ebenfalls zu metrischen 
Übungen benutzt hatte, nachzuahmen. Aus dem Gedicht führt Ausonius 
in einem Schreiben, in dem er den Empfang der Sendung anzeigt, mehrere 



52 BOmis^lie Litieraturgesohiofate. IL Die Zeit der Monarohie. 8. Abteilnng. 

Verse an, die er ausserordentlieh lobt. Wir erhalten dadurch einen Ein- 
blick in den Aufbau des Suetonischen Werks. Die Könige waren nach 
den drei Weltteilen (Europa, Asien, Libyen) angeordnet. 

Aason. ep. 19 p. 180 Schekkl his (Utteris) longe iueundissimum poema 8ubdider<u, 
giiod de tribus Suetoni libria, quos ille de regtbus dedit, in epUomen ccH^isti, tanta elegatUia, 
solus ut mihi videare adsecutus, guod contra naturam est, hrevitaa ut obscura non esset, 
(Reiffbbsoheid korrigiert quo für qiwd und streicht in vor epitomen „non enim ille de 
tribus Suetoni Itbris carmen in epitomen cö^gerat: immo epitomen de eis earmine coegit" p. 458). 

5. Über Verschiedenes {de rebus variis). Die erhaltenen Fragmente 
betreffen nur Grammatisches. 

Charis. GL. 1, 236, 17 Suetonius TranquUlus de rebus variis „pratepositiones, inquit, 
omnes omnino sunt Graece duodeviginti** . 

Die angebliche Schrift Snetons fiber die Bürgerkriege. Ans zwei Stellen, 
Qell. 15, 4, 4 eundem Bassum (d. h. P. Yentidium Bassum, vgl. Über denselben 0. £. Sohiodt, 
Philol. 51, 198) Suetonius Tranquillus praepositum esse a M, Antonio provinciis orientdUbus 
Parthosque in Syriam introrumpentis tribus ab eo proeliis fusos scribit eumque primum 
omnium de Parthis triumphasse et morte obita publico funere sepuUum esse; Serv. Georg. 
4, 127 et per transitum tangit historiam a Suetonio memoratam, Pompeius enim victis 
piratis Cüicibus partim ibidem partim in Graecia partim in Calabria agros dedit, schliesst 
Reiffebscheid p. 469, dass Sueton auch eine Geschichte Über die Zeit des Antonius und 
Pompeius geschrieben habe. Nun findet sich in den Zusätzen des Hieronymus zur Chronik 
des Eusebius eine Gruppe historischer Notizen, welche sich auf die Zeit von Pompeius bis 
auf die Schlacht bei Actium beziehen. Auch diese Notizen betrachtet Beifferscbeid als 
Auszüge aus dem von ihm supponierten Werk, das er auf Grund dieser Zuweisungen als 
eine Geschichte der Bürgerkriege (von Cäsar bis Antonius) charakterisiert Allein 
H. Haupt hat gezeigt, dass diese Zusätze des Hieronymus auf Livius oder vielmehr auf eine 
Epitome Limana zurückgehen, und dass sich die zwei Stellen Gell. 15, 4, 4 und Serv. Georg. 
4, 127 ihrem Inhalt nach in das von Reiflferscheid falsch konstruierte Pratum, d. h. richtig 
in die Roma einreihen lassen (Philol. 44, 291). 

534. Suetons Boma und FratmiL Diese zwei Werke machen eine 
eigene Behandlung notwendig, weil sie encyklopädischer Natur sind. Wenn 
wir die verschiedenen Schriften Suetons nach der Überlieferung über- 
blicken, so erkennen wir, dass mehrere sich dem Inhalt nach berühren. 
So finden wir eine Reihe von Schriften, welche über Rom handeln. Es 
sind dies: 1. über die römischen Festspiele; 2. über das römische Jahr; 
3. über die (römische) Bekleidung; 4. über römische Gebräuche und Sitten. 
Es ist gewiss sehr wahrscheinlich, dass diese vier Werke zu einer Ein- 
heit verbunden waren. Den Beweis hiefür liefert uns Suidas, denn er 
führt die letzte Schrift mit den Worten ein: nsgi ^Pciixrjg xal täv iv avry 
vofiifAwv xal rj&wv ßißid'a ß'. Aus diesen Worten können und müssen wir 
den Schluss ziehen, dass Suidas das genannte Werk als Teil einer Ency- 
klopädie, welche „Roma* betitelt war, einführte. Diese „Roma" war 
natürlich in lateinischer Sprache geschrieben. Ein zweites Werk ist das 
Pratum. Obwohl dieses Werk reiche Spuren bis ins Mittelalter hinein 
zurückgelassen, so sind doch namentliche Erwähnungen desselben sehr 
selten. Doch ermöglichen diese CState, sorgfaltig erwogen, ein Bild von 
dieser Encyklopädie zu gewinnen. Sie handelte in drei Teilen über den 
Menschen, die Zeit und die Natur. Der Teil über den Menschen er- 
örterte die Zeugung, die Körperteile, die Krankheiten und den Verlauf 
des menschlichen Lebens; der Abschnitt über die Zeit begann mit einer 
allgemeinen Erörterung des Zeitbegriffs und ging dann zu den Zeitab- 
schnitten über, indem hiebei von den höheren zu den niederen fortge- 



Snetoniiui Tranqnillna. 53 

schritten wurde; endlich der letzte Teil handelte zuerst über das Uni- 
versum, dann über die Tiere und vielleicht noch über die Pflanzen und 
^Mineralien. Auch dieses Werk war, wie die Roma, in lateinischer Sprache 
geschrieben. 

Ueber den Namen Pratum. Suidas s. v. ndfjupiXos — JsyQa^s Xe$fJi(öya . itn^ 
^k noixiXtjy niQioxfj. 

Zeugnisse über den Titel Pratum. Ausdrücklich wird das Pratum citiert von 
Isidor an zwei Stellen {de natura rerum c. 38 und c. 44) beidemale in pratia. Ein 
weiteres ausdrückliches Citat liefert ein Traktat, der überschrieben ist: differentiae ser- 
monum Remmi Pcdaemonis ex libro Suetoni TranquiUi qui inscribitur Pratum. Auch 
Priscian kennt dieses Werk, es liegt vor 8, 20; 8, 21 (GL. 2, 387) und 18, 149 (GL. 
3, 275); zwar wird hier praetorum gelesen, allein schon Bahb erkannte, dass pratorum 
zu verbessem sei (Gesch. d. röm. Lit. 2^, 257, 25), und an der letzten SteUe bieten auch 
einige Handschriften die richtige üeberlieferung. 

Die einzelnen Bücher des Pratum. Die Zeugnisse hierüber sind folgende: 

Das IV. Buch. Priscian. 8, 21 (GL. 2, 387, 23) Suetanius autem passive (nämlich 
stipnlari) protülit in IUI pratorum: Laetoria (Reifferscheid : Plaetoria) quae vetat minorem 
annis viginti quinque stipulari. 

Das VlIL Buch. Priscian. 8. 20 (GL. 2, 387,2) Suetonius in VIII pratorum: Fasti 
dies sunt, quibus ius fatur, id est dicitur, ut nefasti, quüms non dicitur. 

Das IX. Buch. Isidor, de natura rerum c. 38 signa tempestatum navigantibus Tran- 
quiüus in partes non libertis sie dicit, wo Becker sehr scharfsinnig in pratis nono libro 
herstellt, indem er von der Ansicht ausgeht, dass non libertis aus der Abkürzung non, lib. 
entstanden sei, welche nicht verstanden wurde, weil der Titel des Werks nicht mehr vor- 
lag. Ebenso ist durch Konjektur von Reifferscheid hergestellt Isidor, de natura rerum 44: 
in pratis nono libro (überliefert ist in pratis in annalibus) Tranquillus sie adserit dicens: 
extremum mare oeeanus est etc. 

Das X. Buch. Schol. Bern. Verg. Georg. 4, 14 meropes gatbeoli ut putat Tran- 
quillus . heu genitores suos recondunt iam senes et alere dieuntur in similitudinem ripariae 
Ovis, quae in specu ripae nidifieat, ut in libro X ostenditur, Roth hat richtig erkannt, 
dass der lü>er X auf das Pratum sich bezieht. 

Dies sind die Stellen, an welchen einzelne Bücher des Pratum erwähnt werden und 
welche das Fundament für die Einreihung der Fragmente bilden müssen. Durch eine 
falsche Auffassung der ersten Stelle ist Reäferscheid zu einer unmöglichen Rekonstruktion 
des Pratum gelangt. Jene Stelle zeigt, dass nicht, wie Reifferscheid will, in dem 4. Buch 
die römischen Gesetze vorgeführt wurden, sondern dass über die verschiedenen Stufen 
des menschlichen Lebens, sonach Über den Menschen, gesprochen wurde. Weiterhin zeigt die 
zweite Stelle, dass in dem Werk von der Zeit, und endlich die dritte und vierte, dass von der 
Natur die Rede war. Damit tritt schon der Charakter des Werks in seinen Grundzügen 
klar hervor. Mit anderen Notizen kombiniert ergibt sich mit ziemlicher Sicherheit die Re- 
konstruktion des Werkes, wie sie der Text dargestellt hat und wie sie eine demnächst 
erscheinende Abhandlung noch genauer begründen wird. 

535. Bückblick. Wenn wir die Schriftstellerei Suetons noch einmal 
im Geiste überschauen, so finden wir fiir dieselbe charakteristisch, einmal 
dass der Schriftsteller in zwei Sprachen schreibt, in der griechischen und 
in der lateinischen, dann dass seine Wirksamkeit eine so ausgedehnte ist, 
indem sie vier Gebiete umfasst, wie folgende Übersicht darthut: 

A) Historisches. 

1. Die Kaiserbiographien; 

2. Ueber berühmte Römer auf dem Gebiet der Litteratur; 

3. Ueber berühmte Hetären; 

4. Ueber die Könige. 

b) Antiquarisches. 

1. Ueber Rom (Roma) 

a) Sitten und Gebräuche, 
ß) Das römische Jahr, 
y) Die römischen Festspiele, 
(f) Die Kleider; 

2. Ueber die Spiele der Griechen; 

3. Ueber die öffentlichen Aemter; 

4. Ueber die Ciceronische Schrift vom Staat. 



54 BOmisohe Litteraiiirgesohiohte. IL Die Zeit der Xoiuuröliie. 2. Abteilung. 

G) Natarhistorisches (das Pratum). 

1. Ueber den Menseben (de vüiis corpardUbua); 

2. üeber die Zeitbestimmungen; 

3. Ueber die Nator der Dinge. 

D) Grammatisches. 

1. üeber griechische Schmfthworte; 

2. Erörterungen Aber granmiatische Fragen {de rebus variiey,^) 

3. Ueber die Zeichen in den Schriften. 

Gewiss ist diese litterarische Thätigkeit Suetons eine umfassende 
und staunenerregende. Allein unsere Bewunderung schränkt sich gewaltig 
ein, wenn wir die Qualität seiner Schriftstellerei ins Auge fassen. Kurz 
gesagt, wir haben im wesentlichen Buchgelehrsamkeit. Schon 
bei der Betrachtung der Eaiserbiographien ergab sich, dass Sueton sich 
aus vielen Büchern Notizen gemacht hatte, welche er dann nach einem 
Schema zusammenstellte. Wir sahen, dass dem Autor aller Sinn für die 
Entwicklung abging. Diese Beobachtung bestätigt sich, soweit wir nach 
den Fragmenten urteilen können, auch für die antiquarischen Schriften. 
Auch hier ist es nicht die Erfassung des Ganzen, um das es ihm zu thun 
ist, auch hier hängt er sich an die Einzelheiten und an die Oberfläche. 
Er geht nämlich so zu Werk, dass er für irgendeinen Zweig die Ausdrücke 
sammelt und diese dann sachlich erklärt. Also das philologische Inter- 
esse ist der Ausgangspunkt der Untersuchung und auch das Endziel, da 
ja die sachliche Erläuterung zugleich über den richtigen Gebrauch des 
Wortes belehrt. Ganz denselben Weg schlug er in der Erörterung der 
Naturgegenstände ein, es interessieren ihn z. B. die Namen der Winde, die 
eigentümlichen Ausdrücke für die Tierstimmen und für die körperlichen 
Gebrechen. An Naturbeobachtung von seiner Seite ist also nicht zu 
denken, sondern wir bekommen auch hier Auszüge aus Büchern nach be- 
stimmten Rubriken. Solche Schriften gehören in die Kategorie der Ono- 
mastica; Sueton ist also ein Bealphilolog. Zwar hat er auch Fragen der 
Grammatik nicht ganz ausser acht gelassen, allein diese Disziplin hat 
sicherlich nicht den Mittelpunkt seiner Studien gebildet. Die sprachlichen 
Forschungen der Frontonianer konnten ihn daher niemals fesseln, auch 
er durchstöberte die alten Autoren, aber er suchte nicht nach Aus- 
drücken, um seinen Stil zu verbrämen, sondern um reale Gelehrsamkeit 
zu entfalten. Sein Stil blieb von den Thorheiten des Frontonianismus 
völlig unberührt. 

536. Nachleben Suetons. Von den historischen Schriften Suetons 
wirkten besonders stark auf die kommenden Geschlechter die Eaiser- 
biographien. Und zwar ging dieser Einfluss nach zwei Seiten hin, sie 
wurden für die Form der Geschichtschreibung massgebend und wurden als 
eine wichtige historische Quelle betrachtet. Was die Form anlangt, so 
wurde durch die Kaiserbiographien die schematische Methode in der Folge- 
zeit die herrschende. Sie lag den historischen Werken des Marius Ma- 
ximus und der sog. scriptores historiae augustae zu Grunde. Auch in der 
einschlägigen kirchlichen Litteratur wirkte das Vorbild Suetons; so zeigt 

Vielleicht standen in diesem Werk auch nr. 1 nnd 3. 



Buetoniiw Tranquilliui» 



65 



z. B. die Biographie des Ambrosius von Paulinus denselben Aufbau wie 
die vüae des Sueton. Selbst im Mittelalter wurde die Historiographie noch 
durch Sueton beeinflusst, wie wir dies bei der vüa Karls des Grossen von 
Einhard auf deutlichste sehen. Aber nicht bloss in Bezug auf die Kom- 
position, sondern auch in Bezug auf den Wortschatz haben die Späteren 
sich an Sueton gebildet. Eutrop, Aurelius Victor, Orosius lassen die 
Spuren der Suetonlektüre in ihren Schriften ^ in einem Grade zu Tage treten, 
dass sie selbst für die Texteskritik verwertbar sind. Dass das Werk 
Suetons stets eine vielbenützte Quelle für die Kaisergeschichte war, lässt 
sich von vornherein erwarten, und wirklich Griechen wie Römer, Polyaen, 
Cassius Dio, Aurelius Victor, Eutropius Orosius, Lydus u. A. schöpften aus 
diesem Born. Auch excerpiert wurde das Werk, endlich von Ausonius 
sogar zu einer metrischen Übung benutzt, indem er jede Kaiserbiographie 
in drei Hexameter brachte. 

Die Nachwirkungen der übrigen historischen Schriften Suetons sind 
zwar nicht so weitgreifend wie die der Kaiserbiographien, aber immerhin 
bedeutend genug. Das litterarhistorische Buch regte Hieronymus zu 
einer ähnlichen Arbeit auf dem Gebiet der kirchlichen Litteratur an, auch 
benutzte er dasselbe für seine Zusätze zu der von ihm lateinisch be- 
arbeiteten und fortgesetzten Chronik des Eusebius. Die Schrift über die 
Hetären bearbeitete Apuleius. Aus dem Werk über die Könige 
schöpften die christlichen Chronographen z. B. Julius Africanus, auch diente 
dasselbe wie die Kaiserbiographien zu metrischen Exerzitien. 

Eine reiche Fundgrube wurden fttr die späteren Generationen die 
antiquarischen und die naturhistorischen Schriften Suetons. Ihre 
Wirkung erstreckte sich nicht bloss auf die Römer, sondern auch auf die 
Griechen, ja selbst auf das Mittelalter. Bei den Griechen waren die anti- 
quarischen Schriften, wie aus dem Verzeichnis des Suidas erhellt, sehr be- 
kannt; und den Byzantinern verdanken wir sogar manche Beste dieser 
Schriften. Im Mittelalter wurde die naturhistorische Schriftstellerei Suetons 
der Ausgangspunkt für eine zahlreiche Litteratur, welche sich unter den 
Titeln de naturis rerum oder de proprietatibua verum einführte.*) Wir 
können nicht alle Spuren Suetons verfolgen, wir begnügen uns mit einigen 
Andeutungen aus der römischen Litteratur. Zuerst ist hier Sueton be- 
nutzt worden von TertuUian, der seine Monographie de spectaculis auf 
die verwandte Schrift desselben gegründet hatte. Aus Sueton schöpften 
femer die Antiquare Censorinus, Solinus und Macrobius. Femer haben 
die Kommentatoren Servius, die Scholiasten zum Germanicus, zu Juvenal und 
zu Horatius für ihre Kommentare bei dem gelehrten Vorgänger Anleihen 
gemacht. Auch die Grammatik zog Nutzen aus den antiquarischen und 
naturhistorischen Werken. So bot die scharfe Darlegung des Gebrauchs 
der einzelnen Ausdrücke und Wendungen der Synonymik manches Material, 
das sich in den sog. differentiae absetzte. Besonders erfolgreich fUr 
das Fortleben Suetons wirkte der Bischof von Sevilla Isidorus (Anfang des 



') tantam eopiatn verborum Suekmia- 
narum deaeripaerunt, ut vd ad emendationem 



illorum adhibendi aint (Roth p. XVII). 
^) Rbiffbbsghbu) p. 448. 



56 Bömiache Litteratargeflohiohie, IL Die Zeit der Monaröhie. 8« Abteilung. 

7. Jahrhunderts), denn er stellt das Band zwischen den naturhistorischen 
Studien Suetons und denen des Mittelalters dar. 

lieber das Fortleben Suetons im allgemeinen vgl. RsiFFEBSOEBn) p. 473. 

Ueber das Fortleben der historischen Schriften vgl. Roth p. XVI; Ranke, 
Analekten p. 845; W. Schmidt, De Romanorum imprimis Saetonii arte biographiea, Mar- 
burg, 1891 p. 46 (in Bezug auf die Komposition). 

Die flxcerpte aus den Eaiserbiographien. Roth hat drei Exemplare be- 
schrieben: 1. die Leipziger Excerpte s. XIV; 2. die Pariser n. 8818 s. XI; 3. die Excerpta 
von Notre-Dame 188 s. XUI. Nr. 1 und 2 enthalten dieselben Excerpte; Nr. 3 bietet 
reichlichere Excerpte (Roth p. XXXII). 

Versifikationen nach Sueton. Wir haben gesehen, dass die historischen Werke 
Suetons zu metrischen Uebungen benutzt wurden, Ausonius nahm sich die vitae Caesarum 
vor, Paulinus das Werk de regibus. Aber auch das Pratum bot geeigneten Sto£f zu Vers- 
ttbungen dar. So wurden die Namen der Tage, der Monate in Verse gebracht (vgl. die 
Zusammenstellung bei Rbiffebsohbid p. 297, auch hier finden wir Ausonius th&tig). Selbst 
in das Mittelalter erstreckten sich diese Uebungen hinein. Am wichtigsten sind die Hexa- 
meter über die Winde, weil uns hier der Suetonische Ursprung überliefert ist durch den 
Titel: versus de XII ventis Tranquilli physici. Dieses metrische Exercitium fand 
Oehler in dem Brüsseler Codex n. 10721 s. XII. Zuerst publizierte die Verse Ritscbl, 
Rhein. Mus. 1 (1841) p. 180 = opuse. 3, 835; ihm folgte Becker, Isidor de not. rerum 
p. XVIIII und Reiffebsoheid p. 304. Neumann fand nach einer Mitteilung von Götz 
(Fleckeis. Jahrb. 117 [1878] p. 768) in einem Venetus s. XV (class. XII cod. 69) dieselben 
Verse. 

2. P. Annius Florus. 
637. Bellomm Bomanonun libri duo. Augustin spricht einmal 
von Historiken, deren Ziel gewesen' sei, nicht sowohl die Kriege des 
römischen Volkes zu erzählen, als das römische Reich zu loben. Er hat 
Florus im Auge. Sein Buch ist in der That kein Geschichtswerk, 
das diesen Namen verdient, sondern ein Panegyrikus. Gewiss musste 
jeden Römer die grossartige Geschichte seines Volkes, das von kleinen 
Anfängen aus sich die Herrschaft über die Welt errungen hatte, mit hoher 
Bewunderung erfüllen. Bisher hatten die römischen Historiker jedoch 
ihre Aufgabe darin erblickt, die Leserwelt zu unterhalten und zu belehren; 
jetzt tritt ein Mann auf, der seine Leser begeistern und zum Staunen hin- 
reissen will. Auf die Grossthaten des römischen Volkes ist daher 
sein Blick vor allem gerichtet, und als Grossthaten betrachtet von jeher 
der grosse Haufe nicht die stille segensreiche Arbeit auf dem Gebiet der 
Wissenschaft, Kunst und der staatlichen Institutionen, sondern die sieg- 
reichen Kriege. Des Florus Geschichtswerk musste daher im wesentlichen 
eine Geschichte der von den Römern geführten Kriege werden. Aber ein 
Panegyrikus braucht einen Helden. Unser Panegyriker schuf sich einen 
solchen in dem populus Romanus, Er sagt also nicht, der oder jener 
Konsul hat diesen oder jenen Sieg erfochten, sondern der populus Romanus 
hat unter dem oder jenem Konsul da oder dort glorreich gesiegt, und so 
sehr beherrschte den Autor sein Held, dass dieser nicht selten als selbst- 
verständliches Subjekt einer Schilderung angesehen wird. Aber noch 
mehr. Jedem, der auch nur einen Blick in die römische Geschichte ge- 
worfen, musste der Auf- und Niedergang in derselben vor Augen treten. 
Auch unserem Florus waren diese Wandlungen nicht entgangen, und er 
zog daraus die Konsequenzen für seine Helden. Er vermenschlichte 
seinen populus Romanus noch mehr und gab ihm Kindheit, Jünglingsalter, 
Mannesreife und Greisenalter. Die Kindheit des populus Romanus ist 



P. Annins Flonw, 57 

die Eönigszeit, das Jünglingsalter die Zeit von der Vertreibung der 
Könige bis zur Unterwerfung Italiens; die Mannesreife umschliesst die 
Epoche von der Eroberung Italiens bis auf Augustus; es sollte dann das 
Greisenalter folgen, allein die Eaiserzeit stellt der Panegyiiker nicht 
mehr dar. Hier war für seinen populus Romanus kein Platz mehr, an 
seine Stelle hätte jetzt der imperator treten müssen und wirklich sehen 
wir bei den Kriegen des Augustus, wie der Held von der Bildfläche ver- 
schwindet und durch den imperator ersetzt wird. Aber es wäre doch eine 
grosse Rücksichtslosigkeit gegen den Herrscher gewesen, dessen Regie- 
rung in die senectus einzureihen. Er macht ihm daher das Kompliment, 
dass nach einem langen Hinsiechen der populus Romanus jetzt sich wieder 
verjünge. Wer ist dieser Kaiser? Es ist Hadrian, denn Florus rechnet 
von (der Oeburt des) Augustus (63 v. Ch.) bis zum Jahre, in dem er das 
Werkchen schrieb, etwas unter 200 Jahre. Damit kommen wir etwas 
vor 137 n. Ch. Und damit stimmt, dass Traians Regierung als abge- 
schlossen erachtet wird. 

Das Büchlein hat in den Quellen eine verschiedene Einteilung er- 
fahren, die Heidelberger zählt vier Bücher, die Bamberger zwei. Die 
letztere ist die richtige, denn sie kann als eine von dem Autor gewollte 
aufgezeigt werden. In dem ersten Buch stellt er nämlich die infantia und 
adulescentia ganz dar, aus der iuventus aber nur die auswärtigen Kriege 
bis auf Pompeius und Cäsar, dem zweiten Buch weist er die inneren Un- 
ruhen dieses Zeitraums zu, beginnend mit den Gracchen, und gibt noch 
als Anhang die von Augustus geführten Kriege. Den Schluss des Pane- 
gyricus bildet die Überreichung der römischen Fahnen durch die Parther, 
die Schliessung des Janustempels und der Hinweis auf die Konsekration 
des Augustus. 

Auch der Titel des Werkchens wird in den beiden Quellen nicht 
identisch überliefert. Keine der beiden Überlieferungen ist authentisch. 
Am wahrscheinlichsten erscheint nach der oben angezogenen Stelle Augustins 
der Titel: BeUorum Romanorum libri duo, 

Dieüeberlieferung, die wir gleich hier behandeln müssen, weil ihre Kenntnis 
fflr das Folgende von Wichtigkeit ist, beruht vorzugsweise auf zwei Quellen, dem Bam- 
bergensis s. IX und dem Nazarianus s. IX in Heidelberg. Die grosse Schar der übrigen 
Handschriften hat man bisher als zu getrübte Quellen vernachlässigt, in jüngster Zeit hat 
man angefangen, auch diesen AufmerKsamkeit zuzuwenden; allein diese Untersuchungen 
sind noch nicht zu einem befriedigenden Abschluss gebracht. Vgl. J. W. Beck, Comment. 
Wöl£n. p. 161; Observ, erü, et palaeogr,, Groningen 1891; Sohxidinobb, Fleckeis. Jahrb. 
Sappl. 20 p. 806. 

Der Titel des Werkes ist im Bambergensis: epUhoma Juli Flori de TUo 
LMo, Bellorum omnium annorum eeptingentarum libri n. duo; im Nazarianus: L. Annei 
Flori epitoma de TUo Livio in vier Büchern. August de civit. dei III 19 secundo atUetn 
hello Pitnico nimia Umgum est commemorare clades duorum popuhrum tarn longe secum 
lateque pugnantium, ita ut his quoque fatentibus, qui non tarn narrare hella Romana 
quam Bomanum imperium laudare instituerutU, simUior victo fuerit iUe qui vicü. 
Danach meint Spbngbl p. 834 Anm. 1, dass Augustin den Titel, welchen die Bamberger 
Handschrift trägt, epitoma — bellorum omnium annorum DCC kannte; Müller, Fleckeis. 
Jahrb. 1871 p. 568 vermutet als Titel: historia bellorum Romanorum annontm DCC. 
Richtig wohl Waohsmuth, Einleit. in die ^te Gesch. p. 610: Bellorum Romanorum 
libri duo. 

Die Abfassungszeit ergibt sich aus der Stelle Praef. 8: a Caesar e Augusto in 
saeeulum nostrum haut muUo minus anni dueenti, qruibus inertia Caesarum quasi consenuU 



58 Bömisohe Litteratnrgesohiohte. IL Dio Zeit der Xonaroliie. 8. Abteilung. 

atque decoacit, niH quod 8ub Traiano principe movü kicertoa et praeter spem omnium se- 
nectus imperii quasi reddita iuventute reviruü (Nazar. : revirescü). Wir können daher nicht 
GossRAü Deipflichten, welcher die Entstehung des Werkchens unter Traian ansetzte {De 
Flari qua vixerit aetate, Qnedlinb. 1837), auch nicht Ungbb, der es unter Marcus AureUus 
(um 167) entstanden sein lässt (Philol. 43, 443). Die absurde Ansicht Titzes, dass die 
Schrift unter Augustus verfasst und durch spätere Zusätze entstellt sei, verdient kaum eine 
Erwähnung. — Vgl. Miodönski, Anz. d. Krakauer Akad. 1891 p. 219. 

Die Gliederung des Stoffs. Prooem. 5 prima aetas sub regibus fuit prope per 
annoe quadringentos, quibus circum urhem ipsam cum finitimis luetatue est, haec erit eius 
infantia, sequens a Bruto Collatinoque consutUms in Äppium Claudium Quintum Fulvium 
cansules centum quinquaffinta annis patet, quibus Italiam suhegit. hoc fuit tempus viris armis 
incitatissimum, ideoque quis aduleseentiam dixerit, deinceps ad Caesarem Augustum 
centum et quinquaginta anni, quibua totum orbem pacavit . hie iam ipsa iuventus imperii 
et quasi r^msta maturitas. a Caesars Augusto in saeeulum nostrum haut müUo minus anni 
ducenti, quibus inertia Caesarum quasi consenuit atque decoxit, nisi quod sub Traiano prin- 
cipe movit laeertas et praeter spem omnium senectus imperii quasi reddita iuventute re- 
viruit (Naz.: revirescit). Die infantia wird 1, 2 durch eine anacephdtaeosis abgeschlossen; 
die adulescentia 1, 17. Es beginnt die iuventus; 1, 34 heisst es: si quis hanc tertiam 
eius aetatem transmarinam, quam ducentorum annorum fedmus, dividat, centum hos priores, 
quibus Africam, Macedoniam, Syriam, Hispaniam domuit, aureos, sicut poHae canunt, iure 
meritoque fcUeatur, centum sequentes ferreos plane et cruentos et si quid immanius. Auf 
das beUum Parthicum (47) folgt eine anacephalaeosis; hier heisst es: posiert centum (anni), 
quos a Carthaginis, Corinthi Numantiaeque excidiis et Attali regis Asiatica hereditate de- 
duximus in Caesarem et Pompeium secutumque hos, de quo dicemus, Augustum, Dessen 
auswärtige Kriege werden dem zweiten Buch zugewiesen. Weiterhin sagt er am Schlnss 
des Kapitels: hos omnis domesticos motus separatos ab externis iustisque bellis ex ordine 
persemumur. Damit macht er einen festen Einschnitt. Das zweite Buch hebt an mit den 
gracchischen und anderen Unruhen und geht zu den Bürgerkriegen über, die 21 be- 
endet werden: hie finis armorum civilium: reliqua adver sus exteras gentes; 22 be- 
handelt das bellum Noricum, 

538. Charakteristik. Florus darf nicht als Historiker beurteilt 
werden; sein Werkchen hat zur Voraussetzung die römische Geschichte, 
aber es ist keine eigentliche Darstellung derselben. Vorwiegend die 
Ruhmesthaten des römischen Volkes sind die Welt seines Buches. Aber 
da diese Welt keine Welt der Erkenntnis sondern der Bewunderung ist, 
liegt dem Autor an der genauen Feststellung des Thatsächlichen sehr 
wenig, historische Schnitzer hat er in Hülle und Fülle verbrochen. Ent- 
legene Quellen wurden von ihm natürlich nicht aufgesucht, für seine Ziele 
genügten die landläufigen Geschichtsbücher, vor allem Livius, vielleicht 
sogar nicht einmal im Original, sondern in einem Auszug.^) Allein es ist nicht 
seine einzige Quelle und wenn in der Überlieferung sein Panegyrikus als 
eine Epitoma de Tito Livio genannt wird, so entspricht diese Bezeichnung 
weder den thatsächlichen Verhältnissen, noch den Intentionen des Ver- 
fassers. Diese ist vielmehr nur daraus zu erklären, dass Livius in den 
späteren Zeiten als der Geschichtschreiber der republikanischen Zeit an- 
gesehen wurde. Ausser Livius hatte er auch Sallust gelesen; dass er 
weiterhin Senecas des Vaters Werk über den Bürgerkrieg benutzte, ist 
wahrscheinlich, denn auch bei Seneca fand sich die Betrachtung der 
römischen Geschichte nach Lebensaltern, wenngleich in etwas anderer 
Fassung. Selbst Dichter mussten dem wenig skrupulösen Mann Material 
liefern, wie Lucanus. Also dem Geschichtsforscher bietet unser Werkchen 
wenig oder nichts. Sein litterarischer Wert ruht lediglich in der Dar- 
stellung. Und diese verrät den geistreichen, poetisch angehauchten, aber 

*) Waghbxuth, Einleit. in die alte Geschichte p. 610. 



P. AaniiiB Flonui. 59 

masslosen und durch keinen reinen Geschmack ausgezeichneten Stilisten. 
In Bildern soll die römische Geschichte vor den Augen des Lesers vorüber^ 
ziehen. Diese Bilder recht wirksam zu gestalten, ist sein vorzüglichstes 
Ziel. Er braucht daher Anschaulichkeit, und um diese zu erzielen, ist 
ihm der Vergleich ein notwendiges Hilfsmittel. Die Metaphern durchziehen 
das ganze Werkchen und verleihen der Erzählung ein dichterisches Kolorit. 
Aber nicht bloss bilderreich ist Florus' Darstellung, sondern auch sehr 
oft epigrammatisch zugestutzt. Wendungen wie hodie Samnium in ipso 
Samnio requiratur (1, 11, 8) werden noch in unseren Tagen gern nachgeahmt. 
Auch die Wärme und die Begeisterung thut uns wohl, mit der der Hi- 
storiker seinen Stoff erfasst hat; er kennt nichts Höheres als das römische 
Beich, das er sich nur durch das Zusanmienwirken der Yirtus und der 
Fortuna entstanden denken kann. Aber trotz seines Enthusiasmus für 
Rom und seine Geschichte wahrt er sich doch das Recht, Ereignisse vom 
höheren Standpunkt der Sittlichkeit aus zu beurteilen ; er teilt auch Tadel 
aus und — obwohl die Römer in seinen Augen in der Regel die Ange- 
griffenen waren und ihnen ihre Kriege aufgezwungen wurden — entfährt ihm 
doch einmal das Geständnis von der Schuld der Römer. Diese Eigenschaften 
würden sicherlich ausreichen, den Panegyrikus zu einer recht fesselnden 
Lektüre zu machen ; allein sie treten in den Schatten durch die Masslosig- 
keit des Autors, dem der Sinn für das einfach Schöne verschlossen blieb. 
Seine Bilder häuft er in einer Weise, dass sie nicht mehr die Anschau- 
lichkeit, sondern die Ermüdung des Lesers hervorrufen, und manche Bilder 
wie die Kriegsfackel sind stationär geworden; selbst seine sprachlichen 
Mittel hetzt er zu Tode, so hat man ihm nachgerechnet, dass er in 
der kleinen Schrift nicht weniger als 125mal quasi und 75mal quippe 
gebraucht.^) Seine Aper9us sind oft zu spitzig und verfehlen dadurch 
des Eindruckes. Die Sucht, geistreich zu sein, führt ihn häufig auf die 
Bahn der Geschmacklosigkeit. Sein Enthusiasmus für seinen Helden hindert 
den ruhigen Fluss der Erzählung, indem er fortwährend seine Ergüsse der 
Bewunderung einstreut, und gestaltet sich zu einer Quelle zahlloser Über- 
treibungen. Endlich sind auch nicht selten seine Urteile wie über die 
Tribunen, die Gracchen, Livius Drusus schief, weil sie nicht aus der Tiefe 
historischer Erkenntnis gewonnen sind.^) 

So stehen sich Licht- und Schattenseiten bei diesem Schriftsteller 
gegenüber und man begreift, dass die Beurteilung desselben zwischen Lob 
und Tadel schwanken konnte. Allein kein Zweifel, die Schattenseiten sind 
stärker als die Lichtseiten. 

Gelesen wurde das Schriftchen viel, Orosius und Jordanes haben 
daraus geschöpft, selbst die Byzantiner wie Malalas^) sind nicht an ihm 
vorübergegangen, die Zahl der Handschriften ist daher sehr gross. 

Die Lebensalter des röm. Volkes bei Lactantius. Inst div. 7, 15, 14 non inscüe 
Seneea Bomanae urhia tempora distribuit in aetatea . pritnam enim dixit infantiam sub 
rege Ramulo fuieee, a quo et genita et qwiei educata eit Roma; deinde pueritiam eub 
ceUris regibus, a quibue et aucta sU et diseip^inis pluribue institutisque formata: at vero 
Tarquinio regnante, cum tarn qitasi aduita esse coepisset, servitium non tulisse et reiecto 



? 



SpnroK. p. 826. •) 8 p. 211, 2 Bonner Ausg. 

Spihqsl p. 888. 



60 BömiBohe Litteratargeaohioliie. IL Die Zeit der Monarcliie. 2. Abteilnng. 

auperbae dominoHonis iugo maluisse legibus obtemperare quam regibus, eumque esset adu- 
lescentia eius fine Punici belli terminata, tum denique confirmatis viribus eoepisse iuvenes- 
eere , sublaia enim Carthaginet quae diu ctemuia imperii fuit, manus sucts in totum arbem 
terra marique parrexit, donec regibus cunctis et nationibus imperio subiugatis, cum tarn 
bellorum materia deficeret, viribus suis male uteretur, quibus se ipsa eonfeeit . haec fuit 
prima eius senectus, cum bellis lacerata civüibus atque intestino malo pressa rursus ad 
regimen singularis imperii reecidit quasi ad alteram infantiam revoluta, amissa enim liber- 
tate, quam Bruto duce et auctore def enderat, ita consenuit, tam4juam sustentare se ipsa nan 
valeret, nisi adminiculo regentium niteretur. Die Einteilungen des Lactantius und die des 
Florus decken sieb, wie man sieht (vgl. Vossiüs, De hist. 1 c. 80), nicht. Manche Gelehrte 
halten trotzdem an der Ansicht fest, dass Lactantius nur irrtflmlich Seneca genannt habe, 
und dass seine Einteilung die des Florus ist So Salmasius, Spbnobl p. 346, Ungbb, Philol. 
43, 439. Allein da eine Verwechslung des Seneca und Florus dem Lactantius schwer zu- 
zutrauen ist, werden wir doch daran festhalten müssen, dass zuerst Seneca der Vater (vgl. 
334 p. 200), dann Florus jenen übrigens sehr naheliegenden Vergleich in Anwendung ge- 
bracht hat (Rossbach, Bresl. Stud. 2 Bd. 3 H. p. 165). 

Ueber Florus als Historiker: Hbyn, De Floro historico, Bonn 1866; Riese, üeber 
die Glaubwürdigkeit des Florus, Eorrespondenzbl. der Westd. Zeitschr. 9, 216; Spbnobl 
p. 340; Rebbr, Das Geschichtswerk des Fl. p. 18 (historische Verstösse des Autor); Eussbbb, 
Philol. 37 (1877) p, 132. 

Zu den Quellen gehört in erster Linie Livius: EOhleb, Qua ratiane T, Livii anna- 
l^ms usi sint, Gott. 1860 ; (Trattbb, Rhein. Mus. 40, 154). Ferner sind Lucanus (Wbstbbbübo, 
Rhein. Mus. 37, 35) und wahrscheinlich auch Seneca der Vater, vgl. Rossbach 1. c. benutzt. 
Ueber das Verhältnis des Florus zu Sallust vgl. Maürbnbbbchbb, Sali, hist. rel. p. 38, p. 42. 

Ueber die Darstellung des Florus vgl. Spbngel, Ueber die Geschichtsbücher des 
Florus (Abb. der Münchn. Akad. 9 Bd. 2. Abt. p. 319); Rbbbb, Das Geschichtswerk des 
Florus, Freising 1865 (bes. 4. Stilistische Form des Werks p. 41); Eüssnbe, Philol. 37 
(1877) p. 133; Waohsmüth, Einl. in die alte Gesch. p. 610. Eine Uebersicht der Beurtei- 
lungen des Florus gibt Rbbbb p. 33. 

639. Der Dichter Florus. Der Biograph Hadrians Spartianus berichtet 
von einem Dichter Florus, welcher scherzhafte Gedichte mit dem Kaiser 
wechselte. So schrieb er einst dem Kaiser: „Ich möchte nicht der Kaiser sein, 
nicht durch Britannien wandern und nicht die skythische Kälte aushalten". 
Hadrian entgegnete: „Und ich möchte nicht Florus sein, nicht durch die 
Schenken wandern, nicht in den Kneipen mich verstecken, nicht die runden 
Mücken leiden". Durch Grammatikerzeugnis lernen wir den vollständigeren 
Namen dieses mit Hadrian verkehrenden Dichters, kennen, er wird Annius 
Florus genannt. In der lateinischen Anthologie begegnet uns ebenfalls ein 
Florus, an einer Stelle werden von ihm 26 Tetrameter, an einer anderen 
5 Hexameter angeführt. Es ist kaum zweifelhaft, dass der Florus der Antho- 
logie der Hadrianische Dichter ist. Wir kennen wenigstens keinen anderen 
Dichter Florus als diesen. Die trochäischen Tetrameter, welche von ihm 
die Anthologie aufbewahrt hat, sind zierlich; es sind grösstenteils allge- 
meine Gedanken über das Leben. Vom Weib sagt er, dass es in seiner 
Brust ein Gift verborgen hat und dass, mag die Rede noch so süss sein, 
doch das Innere verdorben ist. Die Menschen sind in seinen Augen sämt- 
lich gut von Natur aus, erst der Umgang macht sie bös. In einem anderea 
Gedicht verkündet er uns, dass es gleich schlimm ist, Geld zu haben und 
kein Geld zu haben, gleich schlimm stets zu wagen und stets bescheiden 
zu sein, gleich schlimm viel zu schweigen und viel zu reden, ^eich schlimm 
die Freundin draussen und das Weib zu Hause, und, obwohl jedermann 
dies Alles weiss, handle doch niemand danach. Das Bömertum stellt er 
sehr hoch; ein Kato ist ihm lieber als dreihundert Sokratesse. Ein 
Ehrenplatz gebührt dem Dichter. Neue Konsuln und Prokonsuln, heisst 



P. Aimias Flonw. 61 

es, bringt jedes Jahr hervor, dagegen ein König und ein Dichter wird 
nicht in jedem Jahr geboren. Auch Wein und Liebe sind unserem Dichter 
nicht fremd. Sehr anmutig feiert er Apollo und Bacchus als Spender von 
Wärme in dem Sonnenstrahl und in der Weinrebe, und als Spender von 
Licht, denn der eine verscheucht die Finsternis der Nacht, der andere 
die Finsternis des Herzens. In junge Bäume schnitt er den Namen der 
Geliebten ein; mit diesen Bäumen wuchs aber auch seine Liebesglut. Die 
fünf Hexameter malen uns das Emporkommen der Rose; am vierten Tag 
ist die volle Blüte da; der Dichter mahnt, sie am Morgen zu pflücken, 
ihrer warte noch heute der Tod. 

Die ttberlieferten Verse des Florus. Die mit Hadrian gewechselten Verse 
teilt Spartianos mit (16, 3). Wir haben sie oben (p. 8) ausgeschrieben. Schwierigkeit 
macht, dass den drei Versen des Floms vier Verse Hadrians gegenübergestellt werden. 
Man hat auf zweifache Weise die Symmetrie herzustellen versucht, einmal durch Annahme 
des Ausfalls eines Verses bei Florus nach der zweiten Zeile, oder (Sfbnobl p. 347) durch 
Streichung der Worte latUare per papincut. Den letzten Vers euliees pati nUundos hält 
mit Unrecht Etssbfhabdt, Hadrian und Florus, p. 30 Anm. 5 f&r verdorben. 

Der Grammatiker Charisius nennt diesen mit Hadrian in Beziehung stehenden 
Dichter (GL. 1, 53, 14 und 140, 6) Annius Florus. Im Salmasianus der lat. Anthologie 
nr. 10318 werden unter der üeberschrift Flori de qualitate viiae 26 trochäische Tetra- 
meter aufgeführt Dass im Thuaneus (Parisinus 8071) statt Flori geschrieben steht Flo- 
ridi, kann kein Anlass sein, an Florus als Dichter der Epigramme Zweifel zu hegen, 
da das Verderbnis durch den Einfluss des folgenden Wortes entstanden ist. Im Salma- 
sianus tragen femer noch fünf Hexameter die Üeberschrift Flori. Auch hier lassen sich 
Zweifel gegen Florus nicht begrttnden ^vgl. 0. Mülleb p. 12). — Abgedruckt sind die 
Verse des Florus bei 0. Mülles, De P. Ännio Floro pcita p. 34 und bei L. M&llbb in 
seiner Ausgabe des Rutilius Namatianus p. 28. Die troch. Teti'ameter und die Hexameter 
siehe Anthol, lat, ed. Risse nr. 245 fg. und nr. 87, BIhbbns, PLM. 4, 346 und 279. 

540. Pervigiliiun Yeneris (die Nachtfeier der Yenus). Noch 
ein anderes Gedicht hat man auf eine unbegründete Vermutung hin 
dem Florus beigelegt, das Pervigilium Yeneris. Es sind 93 Tetrameter, 
welche durch den Schaltvers 

crcis amet qui nunqttam amavit quique amavit crots amet 

in Strophen von ungleicher Grösse geteilt sind. Der Dichter fordert zu 
einer Festfeier im Frühling zu Ehren der Yenus auf. Die Göttin lässt 
selbst die Nymphen in den Myrtenhain entbieten, Amor ist da, aber ohne 
Waffen; auch Ceres und Bacchus fehlen nicht. Delia wird gebeten, ihr 
blutiges Werk während des Festes einzustellen (46): 

detinenda tota nox est, pervigHanda canticis; 
regnet in silvis Dione: tu recede, Delta, 

Als Lokalität für die Feier wird Sicilien gedacht; denn Hybla wird 
aufgefordert, allen Blütenschmuck des Jahres zu entfalten. In die Auf- 
forderung zum Festjubel klingt die Schilderung vom Walten der Yenus 
hinein. Sie ist dem Dichter die universelle Göttin, welche im Hinunel, 
auf der Erde und im Meere segensreich waltet (65). Sie ist es, die im 
FrQhling die Natur zum neuen Erwachen bringt. Anschaulich wird ge- 
schildert, wie die Göttin die Knospen anschwellen lässt, wie sie den Thau 
spendet und wie sie durch das Nass der Knospen Liebreiz löst. Merk- 
würdig ist der Schluss des Gedichtes, in dem der Yerfasser in melancho- 
lischer Weise, wie wenn eine unglückliche Liebe ihn bedrücke, von sich 



62 BOmisphe IdtteratargeBohiohie. n. Die Zeit der Honarchie. 2. Abteilung. 

spricht. Nachdem er der Nachtigall Liebesklagen im Schatten der Pappel 
erwähnt, fahrt er fort: 

(Ha caiUat: nos tacemua . quando ver venU meum? 
quando faciam tUi ehelidan, ut tacere deainamf 
perdidi Musam tacendo, nee me Phoebtts respieU, 

Es scheint also, dass der Dichter eine Zeitlang der Poesie entsagt hatte 
und sich jetzt einen neuen Liederfrühling ersehnt. 

Das Gedicht, einst viel bewundert, verdient diese grosse Bewunderung 
nicht. Es fehlt demselben die Ruhe, die Harmonie und die Klarheit; es 
leidet an Wortschwall; der Stil ist affektiert. 

Der Autor und die Zeit des Gedichts ist nicht zu emieren. An Floms dachte 
zuerst Wemsdorf. Auch Ribbbok meint, dass das Gedicht von Florus sein könne (G^sch. 
der r5m. Dicht. 8,321). Ueber die Zeit des Gedichts bemerkt Büohblbb (p. 51): acquies- 
cendum in hoc erit, ut media UUer Florutn et Nemesianum tempore h, e. seeundo vel tertio 
p, Ch. n. aaeetdo eonditum Pervigilium esse statuamus. In das Jahr 123 setzt es Latk6cry 
in einem Vortrag auf der Wiener Philologenversammlung. «Das Pervigilinm Veneris ist 
ein Gelegenheitis^edicht für ein Fest» das am 6. April des Jahres 123 zu Hybla gefeiert 
wurde, als Kaiser Hadrian es besuchte.* Als Autor wird Florus a^enommen (vgl. Ver- 
handl. der Wiener Philologenvers. (1893) p. 255, wo aber nur das Ergebnis des Vortrags 
mitgeteilt wird). Andere Gelehrte wie L. Müllbb, BIhbsns (PLM. 3, 48; üned. lat Gedichte 
p. 36; Fleckeis. Jahrb. 105 [1872] p. 55) verlegen das Gedicht in eine viel spätere Zeit. 

Die üeberlieferung des Pervigilium. Im Salmasianus-Parisinus 10318 trägt 
das Gedicht die üeberschrift: liber grammaton explieit XVI . incipU perviffiUum Veneris 
trocaico metro . sunt vero versus XXIL Die letzten Worte sollen bedeuten, dass die be- 
treffende Abteilung, welche mit dem Pervigilium beginnt, 22 Gedichte (dies heisst hier 
versus) enthält (Riese, ÄnthoL 1, XXIII). Auch durch den Thuaneus-Parisinus 8071 ist das 
Gedicht ttberliefert. 

Ausgaben. Die editio prineeps von Pithoeus Par. 1577 (Okont, Revue dephüologie 
9, 124); mit Kommentar von Fb. Schultzb Gtött. 1812, lat. und deutsch mit Anmerk. von 
MoEBiüS Soest 1816. Änthohlat, ed.^isAit nr. 200; BIhbens, PLM. 4,292; in Obslus 
Phaedrusausgabe p. 215; Separatausgabe von Büohblbb Leipz. 1859. 

Erläuternde Schriften. Paldamus, De Pervigilio Veneris, G[reifiBwald 1830; 
HEiDTMAinf, De carmine latino, quod Pervigilium Veneris inscribitur, Greifsw. 1842; Otto 
Müllbb, De P. Annio Flaro poeta et carmine quod Pervigilium Veneris inscriptum est, 
Berlin 1855; Bebok, Commentatio de Pervigilio Veneris, Halle 1859; Jaoobi, De Pervigilio 
Veneris in Acta univers. Lund. 1867; Hobnig, G. A. Bflrgers Nachtfeier der Venus und 
Schillers Triumph der liebe in ihrem Verhältnisse zu dem lateinischen Pervigilium Veneris 
Fleckeis. Jahrb. 150 (1894) p. 177. 

541. Der Bhetor Florus. Vor mehreren Dezennien fand öhler in einer 
Brüsseler Handschrift ein Fragment, welches die Einleitung zu der Unter- 
suchung, ob Vergil als Eedner oder als Dichter zu betrachten sei, bildet. 
Wer die Geschichte des Vergilkultus kennen gelernt hat, wird sich über 
dieses Thema nicht wundem. Nachdem man sich einmal daran gewöhnt 
hatte, in Vergil den Inbegriff alles Wissens zu erblicken, lag es auch nahe, 
den Dichter als den grössten Redner zu feiern. Im Eingang des fünften 
Buchs des Macrobius wird die Frage aufgeworfen, ob der Redner mehr 
aus Cicero oder mehr aus Vergil lerne, und zu Gunsten des Dichters ent- 
schieden. Ja ein Erklärer des Vergil, Tiberius Claudius Donatus machte 
sogar den Gedanken von der oratorischen Meisterschaft des Dichters zum 
Fundament seines Kommentars zur Aeneis und zeigte in demselben die 
rhetorischen Vorzüge des Werks. ^) Das Paradoxon, dass Vergil mehr 
Redner als Dichter sei, war aber wahrscheinlich auch in dem verlorenen 
Traktat abgehandelt; demselben war die erhaltene Einleitimg vorausge- 



>) Vgl. § 248 p. 66. 



P. Anxkivs Florns. 



68 



schickt, in dem Flonis seine Lebensgeschichte in kurzem ümriss vorführt. 
Er geht aus von einem Zusammentreffen mit einem Spanier, der von Rom 
in seine Heimat Baetica reisen wollte und durch widrigen Wind an den 
Wohnort des Plorus verschlagen wurde. Dieser Wohnort wird nicht ge- 
nannt, aber in einer Weise umschrieben, dass wir Tarraco als denselben 
hinstellen können. Der Fremde hat das Gef&hl, als ob er Florus schon 
irgendwo gesehen habe. Im weiteren Verlauf des Gesprächs stellt sich 
heraus, dass dies in Rom der Fall war, als Florus in jungen Jahren in 
dem kapitolinischen Wettkampf sich um den dichterischen Lorbeer bewarb, 
aber durch den Neid des Kaisers Domitian, welcher Afrika, der Heimat 
des Dichters, den Ruhm nicht gönnte, einen Misserfolg erlitt. Der Bätiker 
spricht alsdann sein Erstaunen über das Verweilen des Florus an einem 
entlegenen Orte der Provinz aus, da doch sein Platz vielmehr in Rom sei, 
wo seine Gedichte gesungen werden und die Fora von dem Jubel über 
den dacischen Triumph — es ist der Traians im Jahre 102 oder 106 ge- 
meint — wiederhallen. ') Darauf entgegnet der Dichter, der Schmerz über 
die erlittene Niederlage habe ihn aus Rom in fremde Länder getrieben, 
er habe Sicilien, Kreta bereist und dabei auch die Gycladen berührt, 
dann sei Rhodos und Ägypten das Ziel seiner Wanderschaft gewesen. Die 
Rückkehr nach Italien brachte eine Pause in die Reisen. Dann lenkte 
der reiselustige Dichter, wie wir weiter hören, seine Schritte nach dem 
Norden, um die dort lebenden Völker kennen zu lernen, von den nörd- 
lichen Ländern wandte er sich nach dem Westen, setzte über die Pyre- 
näen und liess sich endlich in Tarraco, dessen Vorzüge er mit Wfirme 
ausführt, zur Ruhe nieder. Hier verdiente er sich seinen Lebensunter- 
halt durch Unterricht. Anfangs war ihm diese Thätigkeit recht verhasst, 
allein nach fünf Jahren gewöhnte er sich allmählich an seinen Beruf, ja 
er wurde für denselben sogar begeistert. Mit einer enthusiastischen 
Schilderung der Lehrthätigkeit schliesst das Bruchstück, welches durch 
die lebhafte Darstellung und den warmen Ton jeden Leser entzückt. 

Die Scene des Fragments P. ^fint» Flori. Vergilius orator an poeta 
wird durch folgende Worte bestimmt: eivitaa ipsa generosissimis auspieiis instituta: nam 
praeter Caesaris vexüla, quae partant triumphos, unde nomen aeeepit. Diese letzten 
Worte finden ihre befriedigende Erklärung durch Beziehung auf Tarraco, welches als 
römische Kolonie den Namen Colonia JuUa vietrix fQhrte. Auch was Florus über Lage 
und Fruchtbarkeit seines Wohnortes sagt, passt auf Tarraco (HObnbb, Hermes 1, 97). 

Die Hypothese Schopens über das Fragment geht dahin, dass einer für das 
Publikum bestimmten Sammlung der Gedichte des Flonis das prosaische Stück, dessen 
Schluss uns fehlt, als Vorrede oder Einleitung nach dem Beispiele anderer Dichter der 
späteren Zeit (Statius, Avianus, Martialis, Ausonius — aber in Briefform) yorangestellt 
war (RiTsoHL 1. c). 

Die Ueberliefernng. Das Fragment ist lediglich durch den cad, Bruxeü. 10677 
8. Xn erhalten. 

Ausgaben. Zuerst wurde das Stück von Ritsorl, Rhein. Mus. 1, 802 {Opuec, 3, 729) 
publiziert. JBs findet sich auch in den Florus- Ausgaben von Jahn s. XLI und Halm p. 106. 

642. Verhältnis der drei FlorL Wir haben drei Männer des Namens 
Florus kennen gelernt, einen Historiker, einen Dichter und einen 



>) quid tu, inquU, tarn diu in hae pnh 
9incia? nee in nastram Baetieam exeurria 
nee urhem iUam revieis, übi versus tui a 



lectoribus coneinuntur et in faro omni da- 
rissimus iUe de Dada triumphus exuUat? 



64 BOmlBohe LitteratargeBohichte. IL Die Zeit der Monmrohie. 2. Abteilung. 



Rhetor. Es fragt sich, in welchem Yerhältnis diese drei Persönlichkeiten 
zu einander stehen. Wir gehen von dem Dichter aus. Fest steht, dass 
zu Hadrian ein Annius Florus in näherem Yerhältnis stand. Sicher ge- 
hören diesem Dichter die in der Historia augusta mitgeteilten Verse an, 
ego nolo Caesar esse,^) welche Hadrian geschickt parierte.^) Aber auch 
die in der Anthologie unter dem Namen des Florus stehenden Gedichte 
diesem im Kreis des Hadrian verkehrenden Poeten zuzuteilen, haben wir 
allen Grund, so lang nicht die ünmögUchkeit davon dargethan wird. Da- 
gegen scheint das anonym überlieferte Pervigilium Yeneris nicht von 
Florus zu stammen; hier glauben wir eine ganz andere Dichterindividualität 
wahrzunehmen. Wir kommen zum Rhetor. Auch dieser war ein Zeit- 
genosse Hadrians und ebenfalls Dichter; er war in einem Wettkampf 
unter Domitian aufgetreten. Ist er mit dem Florus identisch, welcher 
Hadrian jenes ego nolo Caesar esse entgegenrief? Es steht dieser Identi- 
fizierung nichts entgegen. Wenn Florus als junger Mensch sich unter 
Domitian in jenen Wettkampf einliess, konnte er als reifer Mann noch 
unter Hadrian dichterisch thätig sein. Für die Identität des Rhetors und 
des hadrianischen Dichters spricht überdies der gemeinsame Gentilname 
Annius. Der Dichter und Rhetor hiess also P. Annius Florus. Es 
bleibt noch der Historiker übrig. Auch der schrieb seinen Panegyricus 
unter Hadrian, lebte also zu derselben Zeit wie der Dichter und Rhetor 
P. Annius Florus. Sein Werkchen ist durch und durch poetisch ange- 
haucht, ja es lassen sich sogar manche Kongruenzen im Stil zwischen 
beiden erkennen.^) Es spricht also alles dafür, dass der Dichter und 
Rhetor zugleich der Historiker ist. Eine Schwierigkeit bleibt allerdings übrig. 
Im Bambergensis heisst der Geschichtschreiber Julius Florus, im Naza- 
rianus dagegen lesen wir L. Annei Flori epitoma. Von der Über- 
lieferung des Bambergensis führt keine Brücke zu der des Nazarianus. 
Man hat das Julius als eine Yerschreibung aus Lucius, andererseits aus 
einem Missverständnis erklären wollen,^) ich neige mich dazu, das Wort 
für eine Interpolation zu halten. Ein Leser mochte sich aus Horaz des 
Julius Florus erinnert und diesen Namen an den Rand beigeschrieben 
haben, von wo aus er in den Text kam und den echten verdrängte. Wir 
werden daher auf den Nazarianus als die reinere Quelle geführt. Yon 
dessen Überlieferung L. Anneus Florus gelangen wir aber nicht allzu- 
schwer zu P. Annius Florus, denn da Annius und Anneus nahezu zu- 
sammenfallen, bleibt nur die Yerschreibung von P in L. 

Steht die Identität des Historikers, des Rhetors und des Dichters 
fest, so brauchen wir nur die zerstreuten Züge zu sammeln, um ein Bild 
von dem Leben des Florus zu erhalten. Er war ein Afrikaner. Sein 
Leben wickelte sich aber nicht in seiner Heimat ab. Seine Jugendzeit 
verbrachte er unter Domitian in Rom, der Misserfolg bei dem kapitolini- 
schen Agon trieb ihn in die Fremde; es folgte die Periode seiner Lehiv 
thätigkeit in Tarraco — und hier mag er seinen Panegyricus für seine 



>) Spart Hadr. 16, 3. 
«) Spart. Hadr. 25, 9. 
») EüssKEB, Philolog. 34, 173; Wölpflot, 



Archiv 6, 2. 

*) SomoDiNOBB, üntersachtmgeii fiber 
Florus, Jahrb. Fleckeis. 20. Suppl. p. 781. 



Laoins Axnpelias. g5 

Schüler geschrieben haben — ; ^) endlich als reifer Mann taucht er wieder 
in Born auf, wo er mit dem Kaiser Hadrian in Beziehungen kam. 

lieber die Identität des Historikers, Rhetors und Dichters vgl. Eussnbb, 
Philolog. 34, 173: 37, 145; Rbbbr p. 66 (bes. 68); Westebbubq, Rhein. Mus. 37, 47; Wölfp- 
Liv, Archiv fOr lat Lexikogr. 4, 9; 6, 1; 8, 452; Mttnch. Sitzungsber. 1880 p. 413. 

Ausgaben. Steht die Identität der drei Flori fest, so muss eine künftige Aus- 
gabe — eine solche soll 0. Rossbach vorbereiten — alles aufnehmen, was den drei Flori 
zugeschrieben wird. Jetzt sind wir noch auf verschiedene Quellen angewiesen. Ueber die 
Ausgaben der Bella vgl. Eussnbb, Philolog. 34, 167. Editio princepa, Paris 1470. Den 
Nazarianus benutzten Jan. Gbittbb (Heidelberg 1597) und C. Salmabius (Heidelberg 1609). 
Die Sanunelausgaben von Gbabvius (Utrecht 1680) und Dukbr (Leyden 1722) sind wichtig 
f&r die Erklärung. Seebode zog zuerst den Bambergensis heran, aber nicht methodisch (Leipz. 
1821). Die erste krit. Ausgabe von 0. Jahn Lpz. 1852. Revision von Halm Leipz. 1854. 
Zur Zeit sucht man über die von Jahn geschaffene Grundlage durch Erforschung der sogen, 
interpolierten Handschriften hinauszukommen. — H. Sauppe, De arte eritica in Flori 
beüis reete facienda, G5tt. 1870. 

Die Geschichte Gäsars von Juventius Martialis. Apoll. Sid. ep. 9, 14 p. 230 
MoBR «f omittantur quae de titulis dictatoris invicti (vorausgeht Caesaris Julii) scripta 
Patavinis sunt wluminibus, quis opera Suetonii, quis Juventii Martialis historiam 
quiwe ad extremum Bdthi ephemeridem fando adaequaverit? Die Zeit dieses Juventius 
Martialis lässt sich nicht näher bestimmen. 

3. Lucius Ampelius. 
543. Der über memorialis des Ampelius. Im Jahre 1638 ver- 
öffentlichte zum erstenmal der berühmte französische Philolog Salmasius 
im Anhang zu seinem Florus ein kleines, sehr verdorbenes Büchlein ency- 
klopädischer Natur, den liber memorialis des Ampelius, aus einer Hand- 
schrift von Dijon. Dieser codex Divionensis ist leider verloren gegangen, 
doch besitzen wir die Abschrift, die sich Salmasius gemacht hatte, sie be- 
findet sich in der Staatsbibliothek zu München. Das Büchlein wird ein- 
geleitet mit einem kurzen, den Plan desselben angebenden Brief an Ma- 
crinus, für den das Büchlein bestimmt war. Macrinus will sich Kenntnis 
von allem verschaffen, und diesem Verlangen kommt Ampelius nach, indem 
er in 50 Kapiteln das für die allgemeine Bildung Wissenswerteste in 
knapper Form darstellt ; er beginnt mit dem Weltgebäude, den Sternbildern 
und den Sternen, lässt darauf die Aufzählung der Winde folgen, dies führt 
ihn zur Betrachtung der Erde, der Länder und Meere, woran sich die 
Weltwunder schliessen. Daran reiht sich ein euhemeristisch gehaltenes 
Kapitel über die Götter. Mit dem zehnten Kapitel beginnt der Abriss 
der Geschichte. Derselbe geht von den sieben Weltreichen, den Reichen 
der Assyrier, Meder, Perser, Lacedämonier, Athener, Macedonier und 
endlich der Römer aus; es werden die Regenten und die hervorragenden 
Führer aufgezählt. Mit Kapitel siebenzehn mündet die Darstellung in die 
römische Geschichte ein; der Stoff wird in verschiedene Rubriken ge- 
bracht; dabei findet der Autor auch Anlass, die Geschichte der Völker, 
welche mit den Römern in Berührung kamen, zu streifen, er führt die 
Genesis des mithridatischen Reiches vor, gibt die Regenten der Parther, 
die von Kappadokien und Armenien, die von Asien und Pergamon, von 
Pontus und Bithynien, von Alexandrien, die Könige und Feldherrn der 



^) Vgl. dagegen Schmidinoer p. 787. 

Bandlmeh der klMs. AltertnmBwlBacDachanv Vm. 8. Teil. 5 



66 BOmisohe Litteraiiurgesoliichte. IL Die Zeit der Honarchie. 2. Abieilimg. 

Karthager, die Könige von Numidien und Mauritanien. Den Schluss bilden 
einige Kapitel aus dem römischen Staatsrecht. 

Das Büchlein verfolgt nicht etwa das Ziel, einen Abriss der Geschichte 
in zusammenhängender Form zu geben, sondern der Stoflf wird in 
Rubriken nach persönlichen oder sachlichen Rücksichten in knapper Weise 
behandelt, z. B. welche Römer sich hochverräterischer Bestrebungen schuldig 
machten, mit welchen Völkern das römische Volk Krieg führte, die römi- 
schen Revolutionen u. s. w. Es sind Fragen, wie sie noch heutzutage der 
Lehrer zusammenstellt, um die Kenntnisse der Schüler in der Geschichte 
zu prüfen. 

Die historische Partie beschränkt sich auf die Zeit der Republik, 
nur an einigen Stellen wird darüber hinausgegriflfen. Diese sind aber ein 
Fingerzeig für die Bestimmung der Lebenszeit des Ampelius. Die Regierungs- 
zeit Traians ist das letzte, was erwähnt wird. Wenn nun der Autor ein 
Kapitel (47) überschreibt: „welche Völker bis zur Regierung Traians von 
den Römern besiegt wurden und durch welche Feldherrn?* und die Siege 
Traians bis zum Ende seiner Regierung führt, so muss man schliessen, 
dass er bald nach Traians Tod, also unter Hadrian seinen liber tnemoricdis 
schrieb. 

Plan des Werkchens. Die Vorrede an Macrinns lantet: volenti tibi omnia nasse 
seripsi hunc librum memorialein, ut naris, quid sU mundus, quid elementa, quid orbis ter- 
rarum ferat, vel quid genus humanuni peregerit. lieber Lficken und Yerwimiitgen des 
Textes vgl. Wölpplin, De Lucii Ampelii libro memoriali, Göttingen 1854 p. 14. — Die 
massgebende krit. Ausgabe ist von Wölffliit (Leipz. 1853 hinter dem Floms von Halm); 
einen Kommentar gibt die Ausgabe von Tzscbuckb Leipz. 1826. 

Zeit des Ampelius. Unter Traian setzt den Anapelius Zink» Eos 2 (1866) p. 237 
an. Etwas weiter herab geht Wölfflin p. 49, der den Autor in das Ende der Regierung 
Hadrians oder lieber noch in die Regierung des Antoninus Pius versetzen möchte, indem 
er, wie mir scheint, ein unbegründetes Gewicht auf c. 50 legt: atä sub regum sunt patestate, 
ut Seleucia Parthorum, welche Worte nur für die Zeit des Hadrian und Antoninus Pius 
Geltung hätten. Glasbb, Rh. Mus. 2 (1843) p. 146, will in Macrinus den späteren Kaiser 
(217) erblicken; Rohdek, De mundi miraculis, Bonn 1875 p. 3 Anm. 3, verlangt einen 
späteren Ansatz für die Zeit des Schriftstellers als Wölfflin und Glasbb, gibt aber 
keine Beweise. Emmank, Philol. 4. Supplementb. p. 498, meint, A. gehört in das diocletia- 
nisch-konstantinische Zeitalter, allein was er beibringt (p. 496), hat keine Beweiskraft. 

Quellen frage. In der Untersuchung der Quellen sind die verschiedenen Teile 
des Werkchens auseinander zu halten und zwar 1. die kosmologische Partie, 2. das Geo- 
graphische mit den Weltwundem, 3. die Göttergenealogien, 4. die historischen Partien. Feste 
Resultate sind nur wenige erzielt und werden sich bei der Natur des Werkchens auch 
schwer erzielen lassen. Einen festen Punkt bildet die Benutzung des Nigidius Figulus in 
den Sternbildern c. 8; vgl. Wölfflik p. 24; Bücheleb, Rhein. Mus. 13, 179; Swoboda, ^i- 
gidii Figuli reliquiae, Wien 1889 p. 39. Die Quelle der miraeula mundi bestimmt Rohden 
1. c. p. 28 als eine alexandrinische des 2. Jahrk. v. Gh., die dem Ampelius bei Nigidius vor- 
gelegen; als Quelle der eingeschobenen Partie (18—23) will er (p. o) Yarro annehmen. — 
Vgl. noch Schott, De Septem orbis spectacuJis, Ansbach 1891 p. 19. lieber die Götter> 
genealogien vgl. J. B. Matob in seiner Ausg. von Cicero de not. deorum, Bd. III p. 199. 

Was die historischen Partien anlangt, so ist anscheinend für die nichtrömischen 
Teile Cornelius Nepos und Trogus benutzt worden („Nepos ist in den Kap. 10—16 durch- 
weg zu Grunde gelegt, aber in allen gleichmässig aus Trogus ergänzt worden* GuTSCionD, 
Kl. Sehr. 5, 171). Für den römischen Abschnitt hat er denselben Historiker wie der auetar 
de viris illustribus benutzt (Hygin oder Cornelius Nepos). , Daneben scheint jedoch in 
grösserem Umfange für die römische Geschichte noch em Historiker herangezogen zu sein, 
und in diesen Partien finden sich vielfache Berührungen mit Frontin und Florus' (Waohs- 
KUTH, Einleitung in die alte Gesch., Lejpz. 1895 p. 127); Haupt, De auctoris de tfir. Ul. 
libro, Würzb. Diss. 1876; Philol. Anz. 10, 403; Hildbbheimeb, De libro de vir, ill, Berl. 
1880; Rosekhaueb, Symb, ad quaest. de fönte libri de vir. Hl, Kempten 1882; Philol. Anz. 
Suppl. 1, 742; Ekmahh 1. c. p. 476; Vinkbsteyn, De fönt libri de vir. Ul., Leyden 1886. 



Oraniiui Lidnianiui. g7 

4. Oranius Licinianus. 
544. BOmische Geschichte von Licmianus. In das britische Museum 
kamen im Jahre 1847 etwa 500 Handschriften aus einem Kloster Ägyptens. 
Unter denselben entdeckte Paul de Lagarde im Jahre 1853 einen codex 
reseriptus nr. 17212, der zu oberst die syrische Übersetzung der griechi- 
schen Homilien des Johannes Chrysostomus enthielt. Pertz fand, von 
Lagarde aufmerksam gemacht, in den ausgelöschten Zügen einen römischen 
Historiker. Eine genauere Untersuchung ergab aber, dass die Blätter, 
welche diesen römischen Historiker enthielten, dreimal beschrieben waren, 
zu oberst stand die syrische Schrift, dann stiess man auf einen lateinischen 
Grammatiker, endlich auf den Historiker. Die Fragmente des Historikers 
liess Pertz dann durch seinen Sohn Carl Pertz entziffern, der aber leider 
der Aufgabe nicht gewachsen war. Es waren zwölf Blätter, von denen 
mehreren Liciniani beigeschrieben war. Man hatte damit den Histo- 
riker Licinianus gefunden. An einer Stelle glaubte der ältere Pertz 
Grani Liciniani lesen zu können, allein der Sohn konnte das Grani nicht 
mehr sehen. Bezüglich des Vornamens Gaius war schon der Vater Pertz 
unsicher. Es ist höchst wahrscheinlich, dass der neu entdeckte Histo- 
riker identisch ist mit dem Granius Licinianus, den Macr. 1, 16, 80 und 
Serv. Aen. 1, 737 nennen. Von den zwölf Blättern sind mehrere gar nicht 
zu entziffern. Das Erhaltene bezieht sich auf Ereignisse, von denen die 
datierbaren in der Zeit von 164') bis 78 liegen. Die wichtigsten Dinge 
dieser Blätter sind die Schilderung des Antiochus Epiphanes (p. 9 Bonn.), der 
Anteil des P. Lentulus an der Domänenfrage ^) (p. 15), die Thaten des 
Gn. Mallius Maximus und des M. Aurelius Scaurus im Cimbemkrieg (p. 17), 
Mitteilungen über Cinna und Marius aus dem Jahre 87 ^) (p. 23 fg.), Sullas 
Thaten in Griechenland und Asien (p. 33), endlich einiges über die Lepi- 
danische Revolution*) (p. 43). Als der Autor den Tod Sullas berichtet 
hatte, erwähnt er plötzlich Sallust, dessen Historiae ja mit der Zeit nach 
dem Tod Sullas ihren Anfang nahmen, und lehnt ihn ab mit der Moti- 
vierung, Sallust sei nicht als Historiker zu lesen, sondern als Redner, 
denn er tadele die Laster seiner Zeiten, streue Reden in seine Erzählung 
ein und gebe Schilderungen von Örtlichkeiten. Licinianus tritt also einer 
etwaigen Erwartung der Leser, die Erzählung würde jetzt dem Sallust 
folgen, entgegen. Damit deutet er aber seine Arbeitsweise an, er gewinnt 
seinen Stoff nicht aus Quellenstudien, sondern er excerpiert eine Quelle. 
Welches war diese Quelle bis zum Jahre 78? Es konnte keine andere 
sein als Livius. Die Geschichte des Licinianus ist also im wesentlichen^) 
als eine Epitome aus Livius zu betrachten. Der Autor verfährt anna- 
listisch, allein es ist ihm ganz besonders um Kuriositäten, Wunder und 
moralische Beispiele zu thun, nicht um die Darstellung der grossen poli- 
tischen Ereignisse. Der Stil ist ziemlich roh und ungelenk. Aus der er- 



') Madtio, EL Sehr. p. 894. 

*) MonsBir, R. Qesch. 2* p. 92 hat diesen 
Bericht benntzt 

') Sie liegen der Darstellnng Mohmsrhs, 
R. Gesch. 2« p. 307 zu Grund. 



^) MoiofSEy, R. Gesch. 3« p. 25 folgt 
hier in seiner Erzählung Licinianus. 

*) Wurde die Qeschichte Ober Livius 
hinausgefOhrt, so musste natürlich eine andere 
Quelle an seine Stelle treten. 

5* 



68 ROmiBohe Litteratnrgesohiohte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abieilnng. 

wähnten Stelle fallt aber auch ein Lieht auf die Zeit des Schriftstellers. 
Wenn dieser schreibt: „Sallust tadelte seine Zeit^, so ist klar, dass die 
Zeit des Schreibenden eine andere war, als die des Sallust. Er wird aber 
einer Zeit angehören müssen, in der man den Sallust nicht aus historischen 
Rücksichten, sondern aus stilistischen studierte. Das ist aber die Zeit 
der Antonine. In diese Zeit passt auch ganz gut die epitomierende 
Thätigkeit, in diese Zeit passen auch einige archaische ^ Formen, welche 
in den Blättern erscheinen. Dass der Historiker nach Hadrian gelebt 
hat, beweist die Art und Weise, wie er der Erbauung des ol3rmpi8chen 
Tempels in Athen durch Antiochus Epiphanes gedenkt; er fügt nämlich 
die bezeichnenden Worte bei,^) dass derselbe lang unvollendet blieb; also 
hat der Autor die Vollendung dieses Tempels durch Hadrian erlebt, sonach 
nach Hadrian geschrieben. Dieser Granius Licinianus kann also nicht 
mit dem zu Cäsars Zeit lebenden Antiquar Granius Flaccus identifiziert 
werden, sondern er ist, wie bereits gesagt, wahrscheinlich derselbe, der 
auch bei Macrobius und Servius vorkommt. Bei Macrobius wird er far 
die Streitfrage, ob die nundinae als feriae zu betrachten seien, herange- 
zogen, indem da der Leser auf das zweite Buch eines nicht genannten 
Werks verwiesen wird, in dem der Grund, warum jene Frage so ver- 
schieden beantwortet werde, auseinandergesetzt sei. Bei Servius wird für 
den Gebrauch, dass die Frauen der alten Römer nur an gewissen Tagen 
aus religiösen Rücksichten Wein tranken, ebenfalls auf Granius Licinianus 
hingedeutet; hier wird aber ein Werk genannt, Coena, nur fehlt die 
Buchzahl; das Werk scheint, nach dem Titel zu schliessen, gelehrte Er- 
örterungen an eine Tischunterhaltung geknüpft zu haben. Allem Anschein 
nach haben wir den Antiquar Granius Licinianus auch bei Solinus. Frei- 
lich wird er dort einmal Licinianus genannt (37, 12), das zweitemal (44, 18) 
Granius. Aber an beiden Stellen ist von antiquarischen Dingen die Rede, 
an der ersten Stelle von der Erklärung des Namens Messapia, an der 
zweiten von der mythologischen ahfa für die stummen Gikaden bei den 
Reginern, Ein stichhaltiger Grund, diesen Antiquar von dem Historiker zu 
trennen, lässt sich nicht absehen. 

Die Hypothese der Bonner Herausgeber (p. XVini): quas acripserat lAci^ 
nianus ScUlustio aequdlia ah urbe condita annales, ex eis Antoninorum ctetate virum media- 
criter doctum suis admixtis adnotationibus ea excerpsisse quorum hos nunc tenemus reli- 
quias, ist durchaus unhaltbar und allgemein aufgegeben. 

Die Hypothese Madvigs (Kl. Schriften p. 398): «Die Schrift war ein ohne Zweifel 
dem dritten oder vierten Jahrhundert n. Ch. angehörender, fQr Schulzwecke bearbeiteter 
Auszug der römischen Geschichte, wesentlich nach und aus dem Livius, mit bes. unver- 
hältnissmftssiger Hervorhebung von Wunderzeichen, Anekdoten und Memorabilien, die einen 
l'latz in der Schultradition erhalten hatten, sonst aber nur einen unzusammenhängenden 
Umriss und rohe Bruchstücke der grossen Begebenheiten enthaltend, in welchen selbst in 
dem wenigen, was aufbewahrt worden ist, merkwürdige Irrungen sich nachweisen lassen, 
•mit Hinzufügung einzelner antiquarischer Notizen.* 

Des Licinianus Urteil über Sallust. p. 43 SaUusti opus nobis aeeurrit, sed nos 
ut instituimus' moras et non urgentia omittemus. nam SaUustiutn non ut hisiaricum sunt 
(puto Madvig, senlio Linker) sed ut orätarem legendum . nam et tempora rqprehendit sua 
et' delteta carpit et contiones inserit et dat in censum (MADVia: et dai praeceptaet) loca 
montes, flumina et hoc genus alia explicat et comparat disserendo (das letzte mit Madyio). 

M Z. B. Archelauus p. 38. 

^) p. 9 aedes nobilissitna Oli^mpH Jovis Atheniensis diu inperfecta permansit. 



Marina. Mazimna tind Janina .Cordmu. 



69 



Licinianns als Antiquar. Macrob. Sat. 1, 16, 30 catMam huiua varietatis apud 
Granium Licinianutn libro aeeundo düigens lector inveniei; Serv. Verg. Aen. 1, 737 sie 
Granius Li^inianus eoenae suae; Solin. p. 37,12 Liciniano placet a Messapo Graeco Mea^ 
sapiae daiam originem; p. 44, 15 Cicad<u apud Reginas mutae — caiuas Graniua tradit» 

Ausgaben von Pebtz Berlin 1857, von der Bonner Heptas Leipz. 1858. 

Littoratur über Granius Licinianus. Lutkeb, Fleckeis. Jahrb. 77 (1858) p. 635; 
Maovio, Ueber den Granius Licinianus (lÜ. Schriften p. 391). 



5. Marius Maximus und Junius Cordus, 

die vornehmsten Quellenschriftsteller der historia augusta. 

545. Eiiileitende& Nach Sueton fing die lateinische Historiographie 
an zu versiegen. Plorus war Rhetor und Dichter, Ampelius und Lici- 
nianus waren Epitomatoren. Das nächste uns erhaltene Geschichtswerk 
ist die sogenannte Historia augusta, eine Sammlung von Eaiserhiographien 
von Hadrian bis Numerian (117 — 284), jedoch mit einer durch Blattaus- 
fall in der Mitte (und wahrscheinlich auch im Anfang) entstandenen Lücke. 
Die Biographien werden unter sechs Autoren verteilt, welche unter Dio- 
cletian und Constantin gelebt haben sollen. Über diese Eaisergeschichte 
ist in der neueren Zeit ein heftiger Streit entbrannt. Dessau^) hat die 
Behauptung aufgestellt, die Sammlung sei das Werk eines Fälschers aus 
dem Ende des vierten Jahrhunderts, der seiner Fälschung den Schein 
einer früheren Entstehung hätte geben wollen. Damit ist eine für die 
Benutzung dieser scriptores historiae augustcie sehr wichtige Frage in Fluss 
gekommen. Stimmen sind für und wider laut geworden; auch wir müssen 
Stellung nehmen. Wir werden das jedoch erst im nächsten Teile thun, 
denn unter allen Umständen scheint festzustehen, dass die Biographien 
als Ganzes erst in der folgenden Epoche erschienen sind. Wir haben 
uns daher hier nur mit den Quellen, welche in jener Sammlung benutzt 
sind, zu beschäftigen. Es ist eine grosse Schar ganz obskurer Persönlich- 
keiten, deren Existenz nicht einmal bei allen zweifellos ist; wir haben 
eine übersichtliche Zusammenstellung derselben gegeben. Zwei Quellen- 
schrifteteller treten aber schärfer hervor, so dass sich eine eingehendere 
Betrachtung derselben als notwendig erweist. Es sind^ dies Marius 
Maximus und Junius Cordus. Zwar wollte Mommsen den letzteren als 
eine fingierte Persönlichkeit ausgeschieden wissen, er meint, der Biograph, 
der ihn benutzte, habe „in diesem Pseudo-Gordus sich zugleich einen Ge- 
währsmann und einen Prügelknaben geschaffen".») Allein diese Hsrpothese 
ist irrig. Junius Cordus ist zwar ein dunkler Ehrenmann, aber er hat 
Fleisch und Bein. Klar ausgeprägt ist dagegen die Persönlichkeit des 
Marius Maximus. Zwar die scriptores historiae augustae schweigen fast 
ganz über sein Leben, allein hier kommen uns die Inschriften zu Hilfe. 
Sie berichten uns von einem L. Marius Maximus Perpetuus Auxe- 
lianus, der eine Reihe der höchsten Ämter in der Civil- und Militär- 
karriere bekleidete. Zum zweitenmal war er Konsul im Jahre 223, also 



>) Hermes 24 (1889) p. 337 ; Mokmsbn 
ebenda 25 (1890) p. 228; Sbbck, Fleckeis. 
Jahrb. 141 (1890) p. 609; Elbbs, Rhein. Mus. 
45 (1890) p. 436; 47 (1892) p. 1; Wölpflik 



MOnchn. Sitzungsber. 1891 p. 465; Pstbb, 
Script, hist. Äug,, Leipz. 1892; Sbeck, Rhein. 
Mus. 49 (1894) p. 208. 

«) Hermes 24 (1890) p. 272. 



70 



Litteratargeeohioliio. 



unter Alexander Severus. Unser Historiker lebte aber in derselben Zeit, 
er hatte sich an den Spottversen gegen Commodus beteiligt, war also 
damals wahrscheinlich ein junger Mann. Da er die Biographie des Ale- 
xander Severus nicht mehr schrieb, so wird er unter demselben gestorben 
sein. Die Identität des Historikers und jenes auf den Inschriften») figu- 
rierenden hohen Staatsbeamten ist daher wegen dieser Gleichzeitigkeit 
höchst wahrscheinlich. 

Ausser Marius Maximus und Junius Cordus wird noch als eine wich- 
tige Quelle der historia augusta eine anonyme Kaiserchronik be- 
trachtet.*) Dieselbe soll die Kaiser von Augustus bis Diocletian umfasst 
haben und der diocletianischen Zeit angehören. Sie würde daher, ihre 
Existenz vorausgesetzt, in unseren Zeitraum fallen. Allein da diese Chronik 
aus Aurelius Victor und Eutrop abgeleitet wird, Autoren, die erst im 
nächsten Teil besprochen werden können, und da auch eine Fortsetzung 
dieser Kaisergeschichte statuiert wird, haben wir es für angezeigt erachtet, 
auch dieser Frage, um Zusammengehöriges nicht zu trennen, erst später 
nahe zu treten. 

Die Inschriften über M. Maximus sind zusammengestellt bei Wilmakns, Inseript. 
lat. unter nr. 1208 a b c d e. Die Hauptinschrift lautet: L. Mario L. f. Quir. Maximo Per- 
petuo Aureliano ca8,, sacerdoti fetiali, leg, Äugg. (= Augtuiorum), pr(o) pr{aetore) provinc. 
Syriae Coele, leg, Augg, pr, pr, provinc, Germaniae inferioris, item provinc. Belgiau, duci 
exerciti Mysiaci aptU Byzantium et aput Lugdunum, leg. leg. I Italic., cur. viae latinae, 
item reip. Faventinorum, allecto inter pr<ietario8, trib. pleb. candidato, quaestori urbano, trib. 
laticl. l^. XXII primig., item IIL Italicae, IUI viarum eurandarum etc. Auch oraefeetus 
urhi war er unter Maximus (217—218) vgl. Inschr. 1203 c und Die 78, 14. Näheres bei 
BoBGHBsi, Oeuvres V p. 455; Clebo, De rebus Thyat. p. 86. Gegen die Identifizierung 
Mt^LLKB, Der Geschichtsohreiber Mar. Max. in BCdinobbs Untersuch, zur römischen Kaiser- 
gesch. 8, 82. 

546. Die Eaiserbiographien des Marius Hazimus. Der vornehme 
Marius Maximus schrieb Eaiserbiographien von Nerva bis Elagabal. Die 
Kaiserbiographien Suetons schlössen mit Domitian; Marius Maximus fing 
also da an, wo Sueton aufgehört hatte. Er ist aber nicht bloss Fortsetzer 
Suetons, sondern er ist auch sein Nachahmer. Wie dieser, stellt er das 
Persönliche der Kaiser in den Vordergrund seiner Darstellung und hat 
kein Auge filr die entscheidenden Bewegungen der Zeit und für die all- 
gemeinen Interessen des Reichs. Auch in der Behandlung des Stoffes 
folgte der Schüler seinem Meister. Nicht von innen heraus entwickelte 
er das Leben seiner Persönlichkeiten, sondern er beschrieb dieselben nach 
gewissen Rubriken. Bei diesem Verfahren kam natürlich die Chronologie 
zu kurz. Aber der Fluch der Nachahmung erfüllte sich auch an Marius 
Maximus. Bei allem aufgestapelten Anekdotenkram hielt sich Sueton doch 
in einer anerkennenswerten Kürze und Bündigkeit. Bei Marius Maximus 
trat das Gegenteil ein, er verfiel in eine unerträgliche Weitschweifigkeit. 
Das Leben des Kaisers Marcus Aurelius wuchs ihm unter den Händen zu 
zwei Teilen heran. Selbst über Nebenpersonen konnte er sich nicht kurz 
fassen, über Geta hatte er im Leben des Septimius Severus so ausfuhrlich 



') und bei Dio Gassius 78, 36. 
') Vgl. Einuinf, Eine verlorene €re- 
schichte der römischen Kaiser. Phüologus 



4. Supplementbd. p. 337 ; Pbtbr, Script, hist. 
aug. p. 89. 



MuriiiB MaximuB und JaniaB Gordiw. 71 

geredet, dass sich der Stoff, nach einem Citat zu schliessen, durch eine 
ganze Reihe von Seiten zog. Diese grosse AusfÜhrhchkeit floss nicht bloss 
aus der Redseligkeit des Autors, sondern auch aus der Komposition. Er 
wollte jede Biographie als ein abgeschlossenes Ganze geben, er musste 
daher manches wiederholen, was schon in anderen Vitae gesagt war. 
Femer gab er zu seinen Biographien Aktenstücke in vollem Wortlaut. 
Dies war eine wichtige Neuerung. Bisher hatte die kunstmässige Historio- 
graphie fast stets das Gesetz beobachtet, Aktenstücke in freier Bearbeitung 
in das Geschichtswerk aufzunehmen, um die Einheit des Stils aufrecht zu 
halten. Sueton führt zwar auch Aktenstücke in seine Biographien ein, 
doch gibt er in der Regel nur die entscheidenden Stellen. Marius Maxi- 
mus teilt uns dagegen die vollständige Urkunde mit, aber er wagte sie 
doch noch nicht seiner Darstellung einzuflechten, er verwies sie daher in 
den Anhang, so dass jetzt die Biographie unorganisch wurde und in 
einen darstellenden und in einen urkundlichen Teil zerfiel. Dieses Be- 
streben, urkundliches Material zu stellen, verdient unsere volle Beachtung. 
Freilich darf man daraus nicht auf kritischen Sinn des Historikers schliessen. 
Dazu war die Zeit nicht angethan und unser Autor erregte durch seine 
unwahrscheinlichen Erzählungen selbst den Unwillen anderer kritikloser 
Autoren; es scheint vielmehr, dass er nur Seiten füllen wollte; denn kri- 
tische Sichtung des Materials lag ihm nicht am Herzen. Seine Erzählung 
war reich an S3atsch, und dieser strömte in vielen Kanälen durch die 
Acta urbis. Diese Stadtzeitung diente den jeweiligen Interessen des 
Hofes, der natürlich seine Leser nicht in die Staatsgeheimnisse einführen, 
sondern lieber mit der Chronique acandaleuse unterhalten wollte. Aus diesen 
Acta schöpfte aber Marius Maximus. So war sein Buch reich an pikantem 
Material und fand noch zu Zeiten des Ammianus Marcellinus eifrige Leser. ^) 
Aber trotzdem überdauerte es nicht die Stürme der Zeit, nur die Scriptores 
historiae augustae benutzten es als eine Quelle reichen Stoffes. Eine Re- 
stitution der Biographien ist zwar versucht worden, allein sie ist nicht 
vollkommen gelungen. 

Charakter der Eaiserbiograpbien des Marias. Vopisc. Prob. 2,1 et mihi 
quidem id anitni fuU, ut non SaUustioSy lAvioa, Tacitoa, Trogos atque omnes disertissimos 
imitarer viros in vita prineipum et temportbus disaerendis, aed Mari um Maximum, 
Suetanium Tranquillum, Fabium MarceUinum, Gargilium Martialem eeterosque qui haec 
et talia non tam diserie quam vere memoriae tradiderunt. 

Der Umfang des Werks (Lamprid. Commod. 13,2 de quibus etiam in opere suo 
M. M, gloriatur). Die Citate der scriptores historiae augustae hören mit Elagabalus auf 
(Lamprid. Heliog. 11, 6); sie beginnen mit Traian (Lamprid. Alex. Sey. 48, 6); aber dass 
auch noch Nerva behandelt war, erhellt aus Schol. Juv. IV 53 p. 97 Jahn-Bücbblbb,' wo 
von der Verurteilung des Palfurius Sura nach dem Tode Domitians die Etede ist. Aus 
der Stelle Vopisc. Firm. 1 Marius Maximus Ävidium Marci temporibus, Albinum et Nigrum 
Severi non suis propriis libris, sed alienis innexuit ist zu folgern, dass M. M. sich auf die in 
JRom regierenden Kaiser beschränkte. Das Werk wird also zwOlf Biographien umfasst 
haben, nftmlich Nerva, Traian, Hadrian, Antoninus Pius, L, Veras, M. Aurelius, Commodus, 
Pertinax, Jnlianus, Severus, Caracalla und Elagabal. Direkte Citate haben wir aus den 
vitae des Nerva, Traian, Hadrian, Antoninus Pius, Marcus Aurelius, Commodus, Pertinax, 
Severus, Elagabalus. 

Die innere Verfassung des Werks. Die vita des Marcus Aurelius war in zwei 
Bücher geteilt. Volcac. Avid. Cass. 6, 7 Marius Maximus refert in eo libro, quem secundum 

») 28, 4, 14. 



72 Bömisolie Litteratorgesohiclite. n. Die Zeit der Konarchie. 2. Abteilmig. 

de vita Marei Äntonini edidit vgl. noch 9, 5. Spart. Geta 2,1 de cuius vUa et moribwt in 
vUa Severi Marius Maximus primo septenario aatis copiose rettulit. Da hier ein Citat 
vorliegt, so muss primo septenario gesetzt sein, um die Auffindung des Citats zu er- 
möglichen. Wir werden daher die Worte als eine stichometrische Angabe zu fassen haben. 
Hundert Normalzeilen bildeten die Einheit, sieben solche Einheiten wurden wieder zu- 
sammengefasst; danach würde primo septenario bedeuten «auf den ersten siebenhundert 
Zeilen" (anders Müllbb p. 180). Gapitol. Pertin. 15, 8 horruisse autem illum imperium 
epistula docet, quae vitae illius a Mario Maximo apposita est, quam ego inserere 
ob nimiam longitudinem nolui. Diese Stelle lehrt uns, dass M. M. an seine Biographie des 
Pertinaz Urkunden angeschoben hat. Dass die Urkunden im Anhang standen, scheint mir 
festzustehen vgl. Mülleb p. 119 und Petbb, Script, hist, aug, p. 109. Das Gleiche that 
er in der vita des Gommodus vgl. Lamprid. Commod. 18, 2 (P^bb, Script, hist, aug, p. 108). 

Art und Weise der Behandlung. Vopisc. Finn. 1, 2 Marius Maximus, hämo 
omnium verbosissimus, qui et mythistaricis se voluminibus inplicavit. Vgl. oben Spart. 
Get. 2, 1 satis copiose. 

Seine hauptsftohliche Quelle sind die acta urbis. Lamprid. Commod. 15, 4 
habuit praeterea morem, ut omnia quae turpUer, quae inpure, quae crudeliter, quae gladia^ 
torie, quae lenonie faceret, actis urbis indi iuberet, ut Marii Maximi scripta testantur, 

Litteratur: Plkw, Marius Maximus als direkte und indirekte Quelle der Script, 
hist. aug., Strassb. 1878; Plew, Quellenuntersuchung zur Geschichte des Kaisers Hadrian, 
Strassburg 1890. Die Rekonstruktion, die J. J. Müllbb 1. c. vornimmt, geht vielfach zu 
eilig vor. 

547. Die Eaiserbiographien des Gordus. Die biographische Ge- 
schichtschreibung, wie sie von Sueton eingeleitet wurde, musste tief ab- 
wärts fuhren. Der Kleinkram erstickte den Sinn für höhere Gesichtspunkte, 
der Hof ward wichtiger als der Staat, der kriechende Lakai wichtiger als 
der selbstbewusste Staatsbeamte. Schon bei Marius Maximus lagen, wie 
wir sahen, deutliche Anzeichen der verfallenden Kunst vor; eine Rede- 
fülle war über unbedeutende, ja nichtige Dinge ausgebreitet, dass sie den 
Leser betäubte. Aber den Gipfelpunkt erreichte diese Kleinmalerei mit 
einem Stich ins Schmutzige durch Junius Cor du s. Für den war der 
Hof alles, und hier gab es nichts, was er nicht der Mitteilung fiir wert 
erachtete. Getreulich wurde berichtet, welches die Lieblingsspeisen des 
hohen Herrn waren, welche Kleider er getragen, welche Diener sich um 
ihn bemühten. Die äussere Gestalt desselben wurde peinlich beschrieben 
und wie breit der Daumen des Maximinus war, verzeichnet. Selbst eine 
Schilderung des Liebesgenusses wurde dem Leser nicht erspart. Gesetz 
war überall peinlich genaue Angaben. Da standen z. B. in dem Geschichts- 
werk die welterschütternden Thatsachen, dass Albinus Glodius im nüch- 
ternen Zustand die Kleinigkeit von 500 Feigen, 100 Pfirsichen, 10 Melonen, 
20 Pfund Trauben, 100 Feigenschnepfen und 400 Austern vertilgt habe, 
und dass Maximin, um seinen Hunger zu stillen, 60 Pfund Fleisch nötig 
hatte. Da mochte mancher Leser doch etwas innehalten und sich fragen, 
woher denn die Historiker alles so genau erfahren haben, wer die Pfirsiche 
gezählt und wer das Fleisch abgewogen habe. Es gehört nicht viel Scharf- 
sinn dazu, um zu erkennen, dass diese schönen runden Zahlen erdichtet 
waren. Cordus hatte sich vorgenommen, die Biographien der „obscuriores" 
imperatores zu schreiben. Sein Geschichtswerk war also wahrscheinlich 
eine Ergänzung des Marius Maximus. Dunkel waren aber die Persönlich- 
keiten, weil man von ihnen nicht viel wusste. Das mangelnde historische 
Material musste also die Phantasie ersetzen, man wollte ja zunächst den 
Leser unterhalten, man wog daher nicht ernstlich ab, was wahr und was 



Die übrigoB nm dien «eiiptores hiBtoriae angnstae zitierten Aatoren. 73 

falsch, was verbürgt und was unverbürgt sei. Aber Gordus ging noch 
weiter, er fälschte geradezu. So liess er den Maximinus (12, 7) einen 
rhetorisch gehaltenen Brief an den Senat schreiben, und obwohl es offen 
erlag, dass der ungebildete Mann diesen nicht hatte schreiben können, so 
fügte der Historiker doch die Lüge bei, Maximin selbst habe denselben 
verfasst. Auch durch erdichtete Urkunden suchte er seine Darstellung 
zu heben. ^) Selbst dem Julius Gapitolinus, der ihn von den scriptores 
historiae axigustae allein herangezogen, ward das nichtswürdige Treiben 
zu viel, und er benutzte jede Gelegenheit, um seinem Unwillen über den 
kleinlichen, weitschweifigen und flunkernden Geschichtschreiber Lauf zu 
lassen. 

Der Name. Der Historiker wird genannt Helius Cordus Capitol. Glod. Alb. 5, 10» 
Aelins Gerdas Capitol. Maximin. 12,7, Junius Gerdas an verschiedenen Stellen z. B. 
Maximin. 27, 7. Allein da nicht selten in der hist, aug, der Name Gerdas allein erscheint, 
so mflssen wir unter Aelins Gordas and Janins Gordas dieselbe Persönlichkeit ver- 
stehen. 

Die Zeit des Gordas. Gapitol. Gerd. 33,4 quod de C, Caeaare memariae trtiditum 
€8t, hae etiam de Gordiano Cordus evenisse perscrUnt . nam omnes, quieunque illum gladio 
adpetiverunt — pasiea interemptis Philippia, sua manu suisque gladiis et isdem quibus illum 
percusaerant interemiaae ae dieuntur. Der Zasatz interemtia Phüippia mass von Gordas 
herrfihren; sonach hat er den Tod der beiden Philippi noch erlebt (Pusw, Marios Ma- 
ximoB p. 10). 

Der Umfang des Werkes. Gapitol. Opil. 1,3 et Junio quidem Cordo atudium 
fuU earum imperatorum vit<ia edere, quoa obacuriorea videbat; qui nan muUum profeeit, 
nam et pauca repperit et indigna memaratu, adserena ae minima quaeque peraecuturum, 
quaai vel de Traiano aut Pio aut Marco aciendum ait, quotiena proceaaerit, quando ciboa 
variaverit et quando veatem mutaverit et quoa quando promoverit. Man sollte also meinen, 
Gordus habe aach Traian, Pins und Marcus Aurelius behandelt Allein damit stimmt nicht 
die Gharakterisierung des Werkes im Eingang der Stelle; wir werden daher jene Kaiser 
nur als ungeschickt gewählte Beispiele zu be&achten haben (Anders Plbw p. 11; Rübbl, 
de fontibua quaUuor priorum hiatoriae auguatae acriptorum p. 9). Fragmente sind vor- 
handen aus den Biographien des Glodius Albinas, der beiden Maximini, der Gordiani, des 
MaximuB und Balbinus. 

Die Komposition. Gapitol. Opil. 1, 5 libroa mythiatoriia replevit; Glod. 5, 10 fri- 
vda auper huiua modi ominibua cuncta peraequitur; Max. 31, 4 Ugat Cordum, qui haec 
omnia (omina) uaque ad fabellam acripait; Maxim, et Balb. 4, 5 Cordua tam muUa (con^ 
(igit), ut etiam pleraque et minua honeata peracripaerit; Gerd. 21, 3 non nobia talia dicenda 
sunt, quae Juniua Cordua ridicule ac attäte compoauit de voluptatibua domeaticia ceteriaque 
infimis rebus . quae qui velit scire, ipsum legat Cordum, qui dicit, et quoa aervoa habuerit 
UHuaquisque principum et quoa amicoa et quot paenulaa quotve clamydea, quorum etiam 
scientia nuüi rei prodeat, ai quidem ea debeant in historia poni ab hiatoriografia, quae aut 
fugienda aint aut aequenda. 

Litte ratur: Die direkten Bruchstücke bei Peteb, Hiat, Rom. fragm, p. 343; Dand- 
LiJCXB in Bfldingers Untersuch. 3, 306; Nibhues, De Aelio Cordo, Münster 1885; Klebs, 
Rhein. Mos. 47 (1892) p. 21. Ueber seine Benutzung Rubel, de fönt, IV prior, h, aug 
Script,, Bonn 1892 p. 9; Plbw, Marius Maximus p. 19. 

6. Die übrigen von den scriptores historiae augustae citierten 

Autoren. 

548. Andere Quellen der historia angnsta. Ausser Marius Maxi- 
mus und Junius Gordus') wird ab und zu noch eine Schar historischer Schrift- 
steller von den scriptores historiae augustae citiert. Es sind unbekannte 
Persönlichkeiten, und fast alle nur aus dieser sehr trüben Quelle be- 



^) Pbteb, Script, hiat, aug, p. 235. 

') Üeber Gargilius Martialis handeln wir später. 



74 Bömisohe LitieratnrgeBoliiohte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilimg. 

kannt. Wenn man sich nun erinnert, welcher Missbrauch in diesem 
Werk mit unterschobenen Urkunden getrieben wird, so möchte man Zweifel 
hegen, ob dieses Heer von Schriftstellern wirklich gelebt hat. Allein die 
Fälschung von Aktenstücken schien doch weniger gefährlich als die Er- 
dichtung von Autoren, da hier der Betrug viel leichter entdeckt werden 
konnte. Mag auch der eine oder der andere fingiert sein, sie alle für 
apokryph zu halten, ist unmöglich. Das Höflingswesen erzeugt leicht solche 
Massenproduktionen, die Schriftsteller kommen rasch, verschwinden aber 
auch wieder rasch von der Bildfläche. In der Aufzählung der Autoren haben 
wir einige Kategorien zu Grunde gelegt, wir führen zuerst die allgemeinen 
Geschichtswerke, dann die Biographien der einzelnen Kaiser an; zuletzt 
lassen wir die nicht genauer bestinmibaren Werke folgern Zu bemerken 
ist noch, dass durchaus nicht feststeht, dass alle diese Autoren in lateini- 
scher Sprache geschrieben haben. Von einem derselben kann es dargethan 
werden, dass sein Werk in griechischer Sprache abgefasst war ; es ist dies 
Theoclius, Caesareanorum te^nporum scriptor; denn Yopiscus führt die be- 
kannten Verse miUe-decollavirnt^ mit der Bemerkung ein, Theocles habe sie 
in lateinischem Wortlaut seiner Erzählung beigefügt. Und so mag noch 
mancher unter den Angeführten stecken, der griechisch schrieb. 

a) Allgemeine Geschichtswerke. 

1. Lollius Ürbicns. Lamprid. Diadom. 9, 2 LoUiua ürbicus in historia sui 
temporis. 

2. Volcacius Terentianus. Capitol. Gordian. 21,5 lectum apud Volcaciwn Teren- 
tianutn, gut et ipse historiam mU temporis scripsit. 

3. Aemilius Parthenianus. Volcac. Avid. Gass. 5, 1 apud Aemilium Parthenianum 
qui adfeetcUores tyrannidis iam inde a veteribus historiae tradidit, 

4. Acholius. Yopisc. Aorel. 12,4 (rem) inserendam credidi ex libris Acholi, qui 
magieter admisHonum Vcderiani principis (253—260) fuit, libro actorum eins nono; Lamprid. 
Alex. 64, 5 Achcliumj qui et itUeriara (statt itinera) huius principis scripsit; vgl. 14,6; 48, 7. 

5. F ab ins Cerylliauas, qui tempora Cari, Carini et Numeriani soUertissime per- 
secutus est, Yopisc. Gar. 4, 8. 

6. Valerius Marcellinns. — Saetonius Tranquillns et V. M. Gapitol. Max. et 
Balb. 4, 5. 

7. Gurias Fortanatianus. qui omnem hatte historiam perseripsü Gapitol. Max. 
et Balb. 4, 5. 

ß) Biographien einzelner Kaiser. 

1. Traian (98—117). a) Fabius Marcellinus. Lamprid. Alex. 18, 6; Yopisc 
Prob. 2, 7 führt ihn unter den Autoren auf, die er sich zur mchahmung erkoren, vgl. 
oben p. 71. Ob der GJL. 2, 4121 genannte F. M. derselbe ist, bleibt zweifelhaft; b) Statins 
Yalens, vgl. Lamprid. 1. c. (Laur. Lyd, de mens. 4, 68); c) Aurelius Yerus, vgl. 
Lamprid. 1. c. 

2. Alexander Severus (222—285). a) Septimius. Lamprid. Alex. 17, 2 Septi- 
mius vitam eius {Alexandri) non mediocf*iter executus est; vgl. 48, 7; b) Encolpius. 
Lamprid. Alex. 48, 7 wird er unter den Biographen Alexanders aufgezählt; 17, 1 Encolpius, 
quo üle {Severus) familiarissime usus est; c) Aurelius Fhilippus. Lamprid. Alex. 3, 2. 

3. Gallienus (260 — 268). Palfurius Sura, qui ephemeridas eius vitae eomposuU, 
Trebell. 18, 6. 

4. Tacitus (275). Suetonius Optatianus. Yopisc. 11, 8 legai Suetonium Opta- 
tianum, qui eius vitam adfatim scripsit, 

5. Firmus, Gegenkaiser des Aurelianus 270—275. Aurelius Festivus. Yopisc. 
6, 2 ea quae de iUo Aurelius Festivus, libertus Aureliani, singillatim rettulit, 

6. Prob US (276—282). Onesimus, scriptor vitae Prdbi. Yopisc. Firm. 14, 4; 
13, 1; Gar. 4,2 Onesimus diligentissime vitam Prohi scripsit; vgl. 7, 3; 16, 1; 17, 4w 

7. Garinus (284). Fulvius Asprianus: usque ad taedium gestorum eius (Carini) 
universa dicentem, Yopisc. Garin. 17, 7. 

8. Diocletianus (284—305) und seine drei Gollegen (Maximian, Galerhis, Gon- 



M. Gomelins Fronto. 75 

siaoatiiis). Claudius Eustheniua. Yopisc. Garin. 18, 5 quorum vitam aingiUis libHs 
Clat4diu8 Eu8theniu8, qui Diocletiano ah epistülis fmt, scripsU. 

y) Autoren nicht genau bestimmbarer historischer Werke. 

Oefters finden wir Autoren bei den acriptores historiae augustae erwähnt, ohne dass 
wir feststellen konnten, ob sie aus einer Zeitgeschichte oder einer Biographie entnommen 
sind. Wir führen sie nach den einzelnen Regenten an: 

1. Septimius Severus (193—211). — Helius Maurus. Spart. 20, 1 legisae me 
aptid Helium Maurum, Phlegontis Uadriani libertum, Septimium Severum etc. 

2. Maximinus (285—238). — Aelius Sabinus. Capitol. 32, 1. 

3. Valerianus innior, Cäsar des Valerian (253—260). — Caelestinus. Trebell. 8, 2. 

4. Ballista, Gardeprtfckt des Valerianus (253—260). — Maeonius Astyanax. 
Trebell. XXX tyr. 12, 3. 

5. Victorinus, Cäsar des Postumus, Gegenkaisers des Gallienus (260—268). — 
Julius Atherianus Trebell. XXX tyr. 6,5 «eä aatis credimus Juli Atheriani partem 
Ubri euiusdam ponere, in quo de Victorino sie loquUur, Auch Grammatiker: Macrob. 3, 8, 2 
apud Calvum Aterianus adfirmat leaendum. Mit demselben identifiziert Graefbmhan, Gesch. 
der klass. Philol. 4, 304 den YergiLsoholiasten Haterianus. 

6. Aureolus, Gegenkaiser des Gallienus (260—268). — Gallus Antipater, an- 
ciUa hanorum et historicarum dehanestamentum, Trebell. Claud. 5, 4. 

7. Aurelianus (270-275). — Asclepiodotus. Vopisc. 44, 2. 

8. Zenobia, Gegenkaiserin des Aurelian (270 — 275). — Cornelius Capitolinus. 
Trebell. XXX tyr. 15, 8. 

9. Tetricus iunior, Sohn des Tetricus senior, Gegenkaisers des Aurelian (270 -275). 
— Dagellius (?) Fuscus. Trebell. XXX tyr. 25,2. 

10. Saturninus, Gegenkaiser des Probus (276—282). — M. Salvidienus. Vopisc. 
Firm. 10, 4. 

Die Fragmente siehe bei Pbtbb, Histor. Born, fragm., Leipz. 1883. 

ß) Die Bedner. 
1. M. Cornelius Fronto. 
549. Sein Leben. M. Ciomelius Frouto war ein Afrikaner, denn 
Cirta in Numidien ist seine Heimat. Bezüglich seiner Ausbildung erfahren 
wir, dass Athenodotus und Dionysius seine Lehrer waren. Der Unterricht 
musste sich auf Rhetorik und die damit zusammenhängende Jurisprudenz 
erstreckt haben, denn wir finden, dass Fronto später das Amt eines 
Sachwalters bekleidete. Auch das Oriechische hatte er sich soweit ange- 
eignet, dass er in dieser Sprache, wenn auch allerdings nicht klassisch, 
schreiben konnte, wie uns erhaltene Proben darlegen. Ins reifere Jüng- 
lingsalter getreten, versenkte er sich in die alten Autoren und modelte 
nach ihnen seinen Stil. Dieser barocke Stil machte ihn zum berühmten 
Mann; er wurde der Stimmführer einer ganzen Schule. Auch als Sach- 
walter spielte er seine Rolle; es sind uns mehrere seiner Gerichtsreden 
aus Citaten bekannt. Sein Ruhm führte ihm manchen jungen Mann aus 
vornehmem Hause zu, den er dann für das Forum vorbereitete (p. 188);^) 
sogar der kaiserliche Hof berief ihn zum Lehrer der Prinzen Marcus 
und Verus. Aus dieser Lehrthätigkeit entwickelte sich ein zartes und 
inniges Verhältnis zwischen ihm und seinen Zöglingen, das auch noch an- 
dauerte, als diese zur Regierung gekonmien waren. Auch an sonstigen 
Ehren fehlte es dem berühmten Rhetor nicht; er durchlief die verschie- 
denen Stufen der amtlichen Laufbahn. Unter Hadrian kam er in den 
Senat ; auch hier trat er als Redner auf. Vielleicht ist seine Anklage gegen 

>) Wir oitieren Fronto nach der Seitenzahl der NABSs'schen Ausgabe. 



76 BOmuiche Idtteratiirgesohiohte. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 



die Christen, die damals grosses Aufsehen erregt hatte, eine Senatsrede. 
Das Konsulat bekleidete er im Jahre 143 und zwar für zwei Monate. Auch 
das Prokonsulat war für ihn bestimmt, er sollte die Provinz Asia ver- 
walten ; allein seine Kränklichkeit veranlasste ihn, um Enthebung von dem 
Amte nachzusuchen. Seine Vermögensverhältnisse scheinen glänzend ge- 
wesen zu sein, er besass die Maecenatischen Gärten (p. 23) und konnte sich 
eine Badeeinrichtung im Preise von 300,000 Sesterzien bestellen.^) Viel 
zu schaffen machte ihm aber sein körperlicher Zustand; er litt an Gicht 
und der Klagen über seine Leiden ist kein Ende.*) Über Frontos Fami- 
lienverhältnisse sind uns auch einige Daten überliefert. Seine Gattin hiess 
Gratia, den gleichen Namen führte seine jüngste Tochter (p. 36). Dieselbe 
war mit einem der bedeutendsten Männer jener Zeit, mit C. Aufidius Yic- 
torinus, der nach Marcus' Regierungsantritt den Krieg gegen die Chatten 
führte, vermählt (p. 233). Fünf Kinder weiblichen Geschlechts hatte Fronte 
durch den Tod verloren (p. 132, p. 177). Wie langer lebte, lässt sich nicht be- 
stinmit sagen. Es sind hier nur Vermutungen gestattet. Wir sind auf folgende 
gekommen. L. Yerus hatte nach der Beendigung des parthischen Krieges 
Fronte gebeten, seine Thaten zu beschreiben, und ihm zugleich das hiezu 
nötige Material in Aussicht gestellt.*) Fronte erklärte sich bereit, dieser 
Aufforderung zu entsprechen ; und noch ehe die versprochenen Materialien 
anlangten, schrieb er einstweilen eine Yergleichung der parthischen Feld- 
züge des Traian und des Yerus {jprincipia historiae), erklärte aber zu- 
gleich, dass er die eigentliche Aufgabe sofort nach dem Eintreffen der 
Materialien in Angriff nehmen werde. Allein wir hören nichts weiter 
davon. Da nun wenig wahrscheinUch ist, dass Fronte sein Versprechen 
zu Lebzeiten des Verus nicht gehalten, so wird der Tod bei Fronte da- 
zwischen getreten sein. Es wäre sonach Fronte vor 169 gestorben.*) 

Dass Cirta in Nuimdien Frontos Geburtsort ist, bezeugt Minudus Felix (c 9 vgL 
mit c. 81) und er selbst in einem Briefe, aus dem hervorgeht, dass er municepa Cirtensis 
war (p. 200). 

Als seine Lehrer nennt er Athenodotus, von dem er ad exempla et imaginea quas- 
dam rerum, quas iUe eixorag appelläbat, apte animo eampraehendundus adcommodandlasque 
unterrichtet wurde, vgl. p. 73 und p. 244, und Dionysius „tenuior**, von dem er einen Stroit 
des Weinstockes und der Steineiche mitteilt (p. 154). Vgl. noch p. 244. Ueber die verhält- 
nismässig späte Entstehung seiner antiquariscnen Neigungen vgl. p. 23 qua aetate (22 Jahre) 
ego vixdum quicquam veterum leetionum attigeram. 

Fronte als gerichtlicher Redner. Dio 69,18 Koqytihog ^goyttoy 6 td nqfaxu 
ttuy rote (J. 136) iy dlxais <p€Q6fAsyog; vgl. unten die Gerichtsreden, die er gehalten. 

üeber die amtliche Laufbahn Frontos gibt folgende Inschrift Aufschluss (GJL. 
8,5350): M. Cornelio T, f. Quir. Frontoni III vir, capital, q, provinc. Steil, aedü, pl, 
praetori tnunieipes Cakunenaium patrono, ^ Fronte gelangte unter fladrian in den Senat 



GeU. 19, 10. 

«) Vgl. p. 81, p. 84, p. 87, p. 92, p. 99, 
p. 134, p. 182. 

^) p. 131 vgl. MoMHSEN, Hermes 8 (1874) 
p. 214. 

*) Weiter hinab rückt Momhskn den 
Termin; er bemerkt (1. c. p. 216): «Der letzte 
Brief in der Spezialkorrespondenz mit Mar- 
cus de orationibua ist unzweifelhaft nach 
dem Jahre 175 geschrieben, da hier p. 161 



die Rede ist im Gegensatz zu den nummi 
antiqui von dem nutnmus Antonini out Com* 
modi aut Pii und vor 175 keine Münzen 
mit Gommodus' Namen geschlagen worden 
sind. Denn dass Verus hier, und hier allein, 
mit dem vor der Thronbesteigung geführten 
Namen bezeichnet sei, würde ein dem Fronto 
nicht zuzutrauender Verstoss gegen die Eti- 
kette sein.'' Ob dieser Grund ausschlag- 
gebend ist, erscheint mir doch fraglich. 



H. OomeliiiB Fronto. 77 

(p. 25), bekleidete also vor 138 die Qaästnr und war demnach (röm. Staatsr. 1, 472) vor 
1 13 geboren*^ (Momxsbk, Hermes 8, 216). Das Jahr des Konsulats ergibt sich daraus, dass 
Fronto als Konsul von Marens als 22 jSdirigem Jüngling spricht ; Marcus aber war geboren 
am 26. April 121 ; das Konsulat fällt also ins Jahr 143. Dass es zwei Monate dauerte, 
geht aus p. 34 hervor, wo die Trennung des Konsul Fronto von Marcus, welcher in Neapel 
weilte, auf 2 Monate angegeben wird (vgl. p. 243 ^d^ fAijva devregoy etQyofiat rov ngos 
v/ueg dgo/iioVf wozu vgl. p. 32 und Auson. grat. act. 7 p. 23 Seh.). Seine verspätete Dank- 
rede f&r die Erteilung des Konsulats kündigt er auf die idus Aug. an (p. 25). Aus p. 86 ins 
et aeguam amnibus Asianeia erit apud te paratiasimum erhellt, dass Asia ihm als Prokon- 
sulat zugedacht war; über die Ablehnung des Amtes vgl. p. 169. 

550. Die Entdeckung der Frontonianischen Brie&ammlung. Bis 

zu dem Jahre 1815 waren keine Schriften Frontos vorhanden, denn die 
Produkte, welche seinen Kamen trugen, hatten nichts mit Fronto zu thun ; 
der Schriftsteller war nur aus alten Zeugnissen bekannt. Diese Zeugnisse 
waren aber so glänzend, dass man das Geschick anklagen musste, welches 
uns die Schriftwerke Frontos vorenthalten. Schon die einzige uns berich- 
tete Thatsache, dass Fronto der Lehrer der Prinzen Marcus Aurelius und 
L. Verus war und dass Marcus ihn so hoch stellte, dass er für ihn im 
Senat eine Statue beantragte, musste eine bedeutende Vorstellung von dem 
Manne erwecken. Es kam hiezu das eigene Zeugnis des Marcus, welches 
auch in ethischer Beziehung dem Fronto einen grossen Einfluss einräumte. 
Weiterhin wusste man, dass ein gallischer Panegyriker *) Fronto „do- 
quentiae non secundum, sed aUerum decus" nannte. Endlich war der Be- 
richt des Ausonius^) bekannt, durch den uns die Kunde ward, dass der 
Rhetor sogar zum Konsulat gelangte. Noch andere Zeugnisse, die wir 
übergehen wollen, ergingen sich im Preis Frontos. Das entgegenstehende 
Urteil des Macrobius,^) das dem Fronto ein „siccum genus dicendi^ zu- 
sehreibt, machte, wie es scheint, keinen Eindruck. Frontos geistige Thätig- 
keit anlangend, lagen mehrere Stellen bei Gellius vor ; es sind sprachliche 
Erörterungen, die uns zugleich zeigten, dass die alten Autoren die Welt 
Frontos waren. Auch bei Gellius erschien Fronto als ein angestaunter 
Mann. Die Spannung war daher eine sehr grosse, als verlautete, in der 
Ambrosiana zu Mailand sei ein Briefwechsel Frontos aufgefunden worden. 
In der That hatte der Bibliothekar Angelo Mai einen codex rescriptus mit 
kirchengeschichtlichem Inhalt entdeckt, in dem nach künstlicher Erneuerung 
der ursprünglichen Schrift antike Autoren zum Vorschein kamen. Darunter 
befand sich Fronto. Mai gab das, was er von Fronto entziffert hatte, 
1815 in Mailand heraus. Mit der grössten Ungeduld sah dem Erscheinen 
dieser Ausgabe Niebuhr entgegen, er schwelgte in dem Gedanken, neue 
historische Thatsachen zu erfahren; noch ehe das Buch ihm zu Gesicht 
gekommen war, hatte er beschlossen, den neuen Autor herauszugeben. Die 
Enttäuschung war eine entsetzliche, als die Ausgabe Mais vorlag. Dennoch 
blieb Niebuhr seinem Vorsatz, Fronto von neuem zu edieren, treu, da er 
sah, dass Mai besonders in der Anordnung der Fragmente keine glückliche 
Hand gehabt hatte. Unterstützt wurde er in seinem Werk von Heindorf 
und Buttmann. Die Ausgabe erschien in Berlin 1816. Es vergingen einige 



") Paneg. Conat c. 14 (141, 29 B). «) Sat. 5, 1, 7. 

') grat. act 7 p. 23 Scb. 



78 Bftsüaolie LitieratnrgMchiohte. IL Die Zeit der Xoiuurchie. 2. Abteilimg. 

Jahre; da wurde ein zweiter Fund gemacht. Mai, der unterdessen nach Rom 
an die Vaticana gekommen war, fand dort den anderen Teil des Mailänder 
Codex (Yaticanus 5750) und damit eine Ergänzung der Ambrosianischen 
Überreste; er publizierte die vatikanischen Fragmente zugleich mit den 
ambrosianischen in der römischen Ausgabe vom Jahre 1823 (und später 
1846). Die Bearbeitung der vatikanischen Fragmente ist bedeutend besser 
als die der ambrosianischen; Mai hatte inzwischen im Lesen von Palimpsesten 
Fortschritte gemacht. Seit Mai ist der Frontonianische Palimpsest noch 
von zwei Gelehrten untersucht worden; Du Rieu nahm eine Nachkollation 
vor, ohne zu sonderlich erheblichen Resultaten zu kommen; auch Studemund 
hat Nachträge gegeben. Zuletzt (1867) ist Fronte von Naber herausgegeben 
worden, leider nicht in einer Weise, die berechtigten Ansprüchen voll- 
kommen genügt. 

Der Frontonianische Codex gehört ins 6. Jahrhundert. Die Gesamt- 
zahl der Blätter betrug 340, davon sind erhalten 194 und zwar 53 in 
Rom, 141 in Mailand; es gingen sonach 146 Blätter verloren; allein auch 
die erhaltenen können keineswegs voll gerechnet werden, denn vieles ist 
gar nicht oder nicht in genügender Weise entziffert worden. 

Die testimonia veterum finden sich zusammengestellt bei Nabkb p. XXXIV. Wir 
heben ans : Capitol. Marc. 2, 4 oratoribus usus est (Marcus) Graecxs Aninio Macro, Caniuio 
Celere et Herode Attieo, Latino Frontone Cornelio. Sed muUum ex his Frontoni detulü, 
cui et statuam in sencUu petiit. Ver. 2, 5 audivit (Verus) — rhetores Ap6!lonium, Celerem 
Caniniutn et Herodem AtticMtn, Latinum Comelium FronUmem, — Hos omnes amatit 
unice atque ab his invicem dilectus est, M. Anrel. (1, 11) will von Fronte gelernt haben 
ro inun^aai oVa ij tvqayyixn ßaaxavia xal noixiXia xal inoxQichq xai on] loq ininap ol 
xaXovfisyoi ovrot noQ* rjfity BvnatQidai dino^yoteQoi nmg eial. 

Die Stellen des Gellius, in denen von Fronte die Rede ist, sind 2,26; 13,29; 
19, 8; 19, 10; 19, 13. 

Der codex reseriptus gehörte ursprünglich dem Kloster Bobio an. Ausser Fronte 
hatte man zum Rescribieren noch Terwendet: 1. Reden des Symmachus; 2. den sogenannten 
Scholiasta Bobiensis zu Giceros Reden ; 3. Gothische Fragmente ; 4. einen Tractat Ober die 
arianische Häresie; 5. ein Fragment von Persins; 6. ein Fragment von Juvenal; 7. einen 
Teil des Panegyricus von Plinius. Emendiert wurde der codex Frontonianus von Caecilius, 
wie die subscriptio zum III. B. ad M, Caesarem zeigt (p. 57); Caecilius s{ae^ (r)ogatus 
legi emendavi. Rescribiert wurde der codex s. X. 

551. Die Bestandteile der überlieferten Korrespondenz Frontos. 

Die Sammlung, welche der Palimpsest in sich schliesst, umfasst folgende 
mehr oder weniger erhaltene Teile: 

1. Die Korrespondenz Frontos und des Thronfolgers Marcus. 
{epistularum ad M. Caesarem et invicem libri V). Mit dieser 
Korrespondenz begann die Sammlung. Von den fQnf Büchern hat einen 
eigentümlichen Charakter das letzte, es besteht aus kurzen Billets, 
welche besonders mit Klagen des an allen Gliedern kranken Fronte an- 
gefüllt sind. 

Die sieben ersten erhaltenen Briefe sind vor dem 1. Juli 143 geschrieben. Im 5. Buch 
scheint das chronologische Prinzip nicht massgebend gewesen zu sein, es sind hier wohl 
Billets persönlichen Inhalts aus verschiedenen Zeiten zusammengesteUi 

2. Die Korrespondenz Frontos mit dem Kaiser Marcus. 
{epistularum ad Antoninum imperatorem et invicem libri). Die 
Korrespondenz, die nach dem 7. März 161 fallt, bestand mindestens aus 



M. ComeliuB Fronte. 79 

fünf Bücher, denn das fünfte Buch citiert der Grammatiker Charisius. ^ Er- 
halten der Anfang des ersten Buchs und der Schluss des zweiten, dann 
noch Reste von 11 Briefen, welche „wahrscheinlich teils dem zweiten, 
teils einem späteren Buch angehören." 

3. Der Briefwechsel mit Verus {epistularum ad Verum imp. 
et invicem libri II). Erhalten ist der Schluss eines Buches und der An- 
fang des folgenden. Die erhaltenen Fragmente beziehen sich auf Verus 
als Kaiser. 

4. Rhetorische Spezial-Eorrespondenz mit dem Kaiser Mar- 
cus de orationibus. Dazu gehörte wohl auch ein Stück, welchem Mai 
und Niebuhr den Titel de eloquentia gegeben haben. Die Korrespondenz 
bewegte sich in rhetorischen Fragen und in der Kritik der von dem Kaiser 
Marcus gehaltenen Reden. 

5. Die Korrespondenz mit Antoninus Pius {epistularum ad 
Antoninum Pium liber). Diese kurze Korrespondenz ist fast vollständig 
erhalten. 

6. Korrespondenz mit den Freunden {epistularum ad amicos 
libri). Von derselben haben sich zwei Bücher ziemlich vollständig er- 
halten. Brief I, 2 ist in griechischei* Sprache geschrieben. Das erste Buch 
beginnt mit zehn Empfehlungsschreiben. Die übrigen Briefe smd, einige 
Ausnahmen abgerechnet, nach den Adressaten angeordnet. Das meiste 
Interesse gewährt der Brief 2,7, weil er über die Decurionen handelt. 

7. Principia historiae. Verus hatte, wie aus p. 131 hervorgeht, 
Fronto gebeten, seine Thaten im parthischen Krieg zu beschreiben, zu 
welchem Zweck er ihm das nötige Material in Aussicht stellt und auch 
ganz bestinmite Anweisungen erteilt. Fronto versprach (p. 138), sobald 
das Aktenmaterial in seinen Händen sei, der ihm gestellten Aufgabe nahe 
treten zu wollen. Aber noch ehe das Aktenmaterial in seine Hände kam, 
gibt er einen Prodromus in einem „Principia historiae*' betitelten Traktat, 
der an Marcus gerichtet ist; sobald er die Materialien erhalten, will er sich 
an das eigentliche Werk machen. In den Principia führt er eine Ver- 
gleichung der parthischen Feldzüge des Traian und des Verus in der Weise 
durch, dass alles Licht auf Verus fällt. 

In der Schrift heisst es (p. 202): übt primum frater tuus commentarium tniserit, 
rem eapiose aeribere adgredtemur, H tarnen hoc quod gustui mittimus, tum diaplicdnt, 

8. laudes fumi et pulveris und laudes neglegentiae. Auch diese 
einfältigen Produkte schickt er mit einleitenden Bemerkungen an Marcus. 

Eine ahnliche Spielerei ist eine Rede des Marcus gegen den Schlaf (cf. p. 9), während 
Fronto für den Schlaf eingetreten war; (p. 11, schreibt Fronto pauca quae ego pro aomno 
dixeram tu müUis et eiegantibus argumentis reftUasti). 

9. De bello Parthico hat ebenfalls die Form eines Briefs an Marcus. 
Das rhetorische Exercitium handelt über die Niederlage, welche die Römer 
vor der Expedition des Verus in dem Krieg gegen die Parther erlitten 
hatten. 



>) GL. 1, 223. 



80 BOmiBohe LitteratargeBohiohte« n. Die Zeit der Honarohie. 2. Abteiltmg. 

10. De feriis Alsiensibus. Marcus brachte die Ferien in Alsium 
an der Küste Etruriens zu. Fronte fordert ihn auf, diese Ferienzeit recht 
auszunützen. Eingelegt ist in den 3. Brief eine Fabel „Die Erschaffung 
des Schlafes''. 

11. De nepote amisso. Briefwechsel zwischen Marcus und Fronte, 
als letzterer seinen Enkel verlor. Interessant ist die Stelle, an der er 
eine Selbstcharakteristik gibt (p. 235). 

12. Arion. Die bekannte Geschichte von der wunderbaren Bettung 
des Arion; ein rhetorisches Übungsstück. 

Ein ähnliches Schaustück ist die in de hello Parthico eingestreute Erzfthlnng von 
Polykrates (p. 219). 

13. Griechische Stücke. Es sind zwei Briefe an die Mutter des 
Marcus Lucilla, dann das Fragment eines dritten, nach Niebuhr an He- 
rodes gerichteten, dann ein Brief des Historikers Appian, der Fronte 
zwei Sklaven zum Geschenk angeboten hatte, welche dieser aber zu- 
rückgewiesen hatte; endlich ein iQwtixog^ eine an den platonischen Phae- 
drus sich anschliessende Arbeit, dem zwei lateinische Briefe des Marcus 
als Einleitung vorausgehen. 

Überschaut man die Bestandteile der Sammlung, so sieht man, dass 
einer Generalkorrespondenz Spezialkorrespondenzen gegenübergestellt wer- 
den. Den Mittelpunkt der ganzen Sammlung bildet der kaiserliche Hof, 
denn Briefe an andere Personen {ad amicos) sind nur in verhältnismässig 
geringer Zahl in die Korrespondenz aufgenommen worden, auch sind hier 
fast durchweg die Antworten weggelassen. Die Korrespondenzen mit 
Marcus, Lucius und Pius scheinen nach den Darlegungen Mommsens im 
wesentlichen') streng chronologisch geordnet zu sein. Die rhetorischen 
Exercitien sind als Beilagen der Briefe zu betrachten. Von wem die 
Sammlung zusammengestellt ward, ist nicht bekannt. 

MoMMSBN, Die Chronologie der Briefe Frontos im Hermes 8 (1874) p. 198; Cbosslet, 
The correspond. of Fronto and M. Aurel, Hermathena 6, 67 ; vgl. dessen Ansg. der Medit. 
M, Aurelii, Lond. 1882. 

Verlorene Reden. 

1. Lobreden auf den Kaiser Hadrian im Senat, p. 25 Divom Hadrianutn 
avotn tuum laudavi in aenaiu saepenumero studio inpenso et propenao quoque; et sunt ora- 
tiones istae frequentes in omnium manibus, 

2. Dankreden an Pius für die Erteilung des EonsulatSi im Senat gehalten. 
Fronto hat deren zwei gehalten, eine nach der Designation, die andere nach Antritt des 
Konsulats p. 105 (an Marens): quod vero patris tui laudea a me in senatu designato et 
inito consulatu meo dictcts legisti libenter, minime miror. Aus der ersten Rede teilt er in 
einem Brief an Marcus p. 21 zwei Sätze mit. Die Abhaltung der zweiten Rede, welche die 
eigentliche Danksagung enthielt, verschob er auf den 13. August (p. 25), weil er sie mög- 
lichst vollkommen gestalten wollte und nicht wünschte, dass sie im Senatsarchiv begraben 
werde. Die Rede schickte er an Antoninns Pius, der für dieselbe in einem Schreiben 
dankte fp. 163). Auch Marcus Aurelius sprach sich enthusiastisch über dieselbe aus (p. 28). 
In derselben war auch von Faustina (vgl. p. 164, ob Gattin oder Tochter, erhellt nicht vgl. 
MoMXSEN p. 204) und von M. Aurelius die Rede (p. 105 ; p. 29). Da Pius in seinem Dank- 
schreiben an Fronto von einer tarn trita et tibi aasidua materia spricht, so muss man 
schliessen, dass er noch bei anderen Gelegenheiten auf Pius Lobreden gehalten. Der Autor 
des Panegyr. auf Constantius c. 14 erwähnt, dass Fronto die glückliche Führung des Krieges 
in Britannien dem Antoninus Pius anrechnete, obwohl dieser gar nicht die Stadt verlassen 
hatte. Allein dieses Lob könnte auch nebenbei berührt worden sein. 



Bezüglich des 5. Buchs ad M. Caeaarem ist mir, wie bereits gesagt, die Annahme 
zweifelhaft. 



IL ComeUiiB Fronio. 81 

3. Dankrede für die Karthager, im Senat gehalten. Unverständliche Heste 
haben sich im Palimpsest Palatinns-Vaticanas 24 erbalten (p. 260). 

Ausser diesen politischen Reden gab es von ihm auch Gerichtsreden; wir haben 
von folgenden Spuren: 

4. Die Rede für die Bithyner. üeber den Inhalt gibt Fronto Aufschluss p. 184 
dixeram et prae me tuleram, satia me dUigenter in iata oratione coniecturam, quae in eri- 
mine mandatiie eaedia verteretMr, divisisse argumentis ac refutasse. Die Rede wurde später 
umgearbeitet und erweitert p. 183 in oratione Bithyna, euius partem Jegisae te scHhis, muUa 
9unt novo addita, ut arbitror, non inomate: locus in primis de acta vita, quem tibi placi- 
turum puto. 

5. Rede für die Einwohner von Ptolemais vgl. Chabisiüs, GL. 1, 138, 11. 

6. Rede gegen Herodes Atticus. Marcus kam diese Streitsache sehr ungelegen 
und er schrieb in dem Sinn an Fronto „uti quam honeetissime negotium istud odiosissimum 
transigatur" (p. 41); dieser verspricht wenigstens „nihil extra causam de moribus et cetera eius 
vita (se) dicturum (p. 42). Aber von der causa kann er natürlich nicht absehen : dieendum est 
de h&minibus liberis crudeliter verberatis et spoliatis, uno vero etiam occiso; dieendum est de 
fUio impio et praecum paternarum immemore; saevitia et avaritia exprobranda; camifex 
guidam Herodes in hoc causa est eonstituendus (p. 42). — lUa ipsa de lesis et spoliatis 
hominibus ita a me dicentur, ut fei et bilem sapiant; sicubi graeculum et indoctum dixero, 
non erit intemecivum (p. 43). Auf diese Sache beziehen sicn die Briefe 2, 3, 4, 5, 6 des 
III. B. ad M. Caesarem, 

7. Die Rede für Demonstratus Petilianus. Fronto schickte sie dem Venia. 
Da der Rhetor vernommen hatte, dass Asclepiodotus, der in dieser Rede angegriffen wurde, 
bei Marcus und Veras beliebt sei, hätte er sie gern unterdrückt, allein iam pervaserat 
in manus plurium quam ut aböleri posset (p. 111 und p. 137). 

8. Reden für Saenius Pompeianus (p. 86). Saenius Pompeianus in plurimis 
causis a me defensus, 

9. Rede gegen Pelops. Apollin. Sidon. epist. 8, 10 p. 188 Mohr. M. Fronto cum 
reliquis orationibus emineret, in Pelopem se sibi praetulit, 

Dass aber Fronto auch noch in anderen Prozessen thätig war, ergibt sich aus (p. 169) : 
adeo ut etiam duas amicorum causas non minimi laboris apud te tutatus sim. 

Die Schrift Frontos gegen die Christen, die Minucius Felix bekämpft, hatte 
ebenfaUs die Form der Rede. Minuc. Fei. o,9id etiam Oirtensis nostri testatur oratio; c. 31 
Fronto non ut affirmator testimonium fecit, sed convicium ut orator aspersit. Ob die Rede 
allein die Anklage gegen die Christen zum Gegenstand hatte oder in eine andere Rede 
eingewoben war, lässt sich nicht mit voller Sicherheit entscheiden. Die erste Alternative 
ist die bei weitem wahrscheinlichere. 

Ein grösseres Fragment einer Rede schreibt Marcus in einem Briefe (p. 14) ab; es 
handelt sich hier um die Frage, ut testamenta omnia ex longinquis transmarinisque prO" 
vinciis Romam ad cognitionem tuam (d. h. der kaiserlichen) deferantur, was Fronto be- 
kämnfL Auf Cicilien bezieht den Fall Niebuhr, indem er ad Anton, Pium 8, 5 (p. 169) ver- 
gleicht. 

Apokryphe Schriften. Ohne Grund wurde von Parrhasius dem Fronto beigelegt 
das Schriftchen de nominum verborumque differentiis (Beck de differentiarum scriptoribus 
lat. p. 18); denn in der einzigen Handschrift, dem Neapolitanus s. VII/VlII ist kein Autor 
genannt (KnL, GL. 7, 519). Missverständlich wurden auch die exempla elocutionum des 
Messius Arnsianus dem Fronto zugeschrieben. 

552. Charakteristik Frontos. Fand man in den entdeckten Frag- 
menten nicht das, was man erwartete, eine Fülle historischer Nachrichten, 
wichtige Züge aus dem sozialen Leben, interessante Mitteilungen aus der 
Litteratur, war nach dieser Seite die Enttäuschung eine völlig berechtigte, 
so fand man doch etwas, was trotzdem den Fund wertvoll machte, ein 
Spiegelbild vom Geiste jener Zeit. Wie entkräftet muss eine Epoche ge- 
wesen sein, wenn ein Mann wie sich Fronto in dem Briefwechsel uns dar- 
stellt, die Bewunderung der Zeitgenossen erregen konnte, wenn ein solcher 
Mann zum Prinzenlehrer erkoren wurde! Welche ernste Aufgabe konnte 
ein Geschlecht noch in Angriff nehmen, das in Wortkrämerei eine würdige 
Lebensaufgabe erblickte? Wie tief muss eine Litteratur gesunken sein, 
die ihr Heil in thörichter Wiedererweckung einer abgestorbenen Phraseo- 

Hanatwidi der kU«. AlterimnawineiMchAft. Vm. S. Teil. 6 



82 BömiBohe Litteratargesohiohte. II. Die Zeit der Xonaroliie. 2. Abteüang. 

logie suchte! Es ist ein trauriges Bild, das uns die Fragmente entroüen, 
aber es ist ein völlig klares, das einer anderen Auffassung keinen Raum 
gibt. Frontos geistige Richtung steht fUr alle Zeiten fest. Das Höchste 
im menschlichen Leben ist ihm die Kunst der Rede ; sie ist ihm die wahre 
Herrin des Menschengeschlechts, sie gebietet über Furcht, Liebe, Energie, 
sie besiegt die Frechheit, sie ist unsere Trösterin und Lehrerin (p. 122). 
Dem Herrscher ist das Wort die mächtigste Waffe; selbst der Feldherr 
ist ohne das Wort machtlos (p. 123. 128). Wenn es daher sein höchster 
Stolz ist, die beiden Thronfolger in diese edelste Disziplin eingeweiht zu 
haben (p. 95), so ist es andererseits auch seine unablässige Sorge, das 
Interesse der Prinzen für dieselbe wach zu erhalten (p. 155) und Regungen, 
welche der Redekunst feindlich entgegenstehen, niederzukämpfen. Als 
Marcus Aurelius der rhetorischen Tändeleien satt sich der Philosophie zu- 
wandte (p. 75), geriet der alte Redemeister in eine grosse Erregung, und 
er ward nicht müde, ihm den Abgrund, vor dem er stehe, mit grellen 
Farben auszumalen. Was kann der Philosoph mit seinen gehörnten Trug- 
schlüssen, mit seinen Häufelschlüssen uns bieten (p. 146)? Diese Quäl- 
geister ruhen nicht, bis sie die schlanke Tanne auf den Boden herabge- 
drückt haben (p. 148). Wunderliche Leute (p. 184) diese Philosophen, sie 
reden so dunkel, dass sie ihre Schüler zwingen, fortwährend sich von ihnen 
Aufschluss zu erholen, und sie dadurch zu ewiger Knechtschaft ver- 
dammen (p. 152). Die Rhetorik, spottet er mit einem Anklang an die 
platonische Apologie, ist allerdings nur menschliche Weisheit und muss 
den Anspruch, eine göttliche zu sein, der Philosophie überlassen (p. 174); 
allein welche Schätze vermag die Beredsamkeit ihren Jüngern darzubieten? 
Was geht über ein schönes Prooemium, eine gelungene Narratio? Welche 
herrliche Beschäftigung ist es doch nur z. B. Synonyma zu sammeln, saf- 
tige Ausdrücke aufzuspähen. Lateinisches ins Griechische zu übertragen 
(p. 150)1 Wäre es echte Beredsamkeit, so könnte man die überschweng- 
liche Begeisterung Frontos für seine Kunst sich gefallen lassen. Allein 
es ist ein elendes Zerrbild, das sein Sinnen und Trachten erfüllt; denn die 
Frontonianische Rhetorik sieht fast ganz von der Sache ab und setzt den 
Schwerpunkt in den Kultus der Phrase; sie betrachtet als das Hauptge- 
schäft des Redners, Jagd nach Worten zu machen. Will nämlich der 
Redner, mochte Fronte sich denken, Eindruck auf den Zuhörer machen, 
so darf er nicht mit Worten und Wendungen operieren, welche sozusagen 
Gemeingut geworden sind, das Alltägliche erzielt keine Wirkung, er muss 
etwas Apartes, etwas Pikantes bringen. Hatte man früher allen Wert 
darauf gelegt, durch scharf zugespitzte Gedanken das Publikum für sich 
zu gewinnen, so sollten es jetzt die Worte thun. Wo aber solche finden? 
An geniale Neuschöpfungen dachte natürlich ein Mann wie Fronte nicht, 
auch die lebendige Volkssprache konnte für ihn keine Fundstätte sein, 
denn seine Welt waren die Bücher. Es blieb der bequeme Weg, hier ab- 
gestorbene Worte aufzuspüren und mittels derselben der Rede einen alter- 
tümelnden Anstrich zu geben. Zu dem Zwecke mussten natürlich die alten 
Autoren durchgelesen werden. Dadurch lebte eine Welt, die fast ganz 
vergessen war, wieder auf; von den Dichtem wurden besonders Plautus, 



M. Comeliiui Fronto. 83 

Accius, Lucretius und Ennius, von den Prosaikern Gato, Sallust und Grac- 
chus studiert. 

Schwierig war das Verhältnis Frontos zu Cicero. (}anz bei Seite 
konnte der berühmte Autor nicht gelassen werden, dazu hatte er sich zu 
tief in die Herzen seines Volkes eingegraben, allein das, was man suchte, 
seltene und unerwartete Worte, fand man doch zu wenig bei ihm. Nur 
seine Briefsanmilung bot manches dar und ihre Lektüre konnte em- 
pfohlen werden. Ein absprechendes urteil wagte der Rhetor dem be- 
rühmten Mann gegenüber nicht, ja er musste sogar ihn hie und da loben, 
allein man fühlt trotzdem, dass Cicero nicht sein Mann ist; dagegen tritt 
Fronto offen mit seiner Abneigung gegen Seneca vor, dessen geistreiche 
Manier, dem Gedanken eine Spitze zu geben, dem Wortkrämer nicht zu- 
sagen konnte (p. 155 fg.). Das Ergebnis der Lektüre der alten Autoren 
ist die in einem Heft niedergelegte Phrasensammlung. Ein solches Heft 
(p. 34, 253) war die Fundgrube für den Schrifhsteller, dasselbe gewährte 
ihm die Mittel, der Bede colorem sincerum vetustatis appingere (p. 152). 
Selbstverständlich war mit der Anbringung solcher alten Worte das Werk 
des Stilisten nicht beendigt, es kam auch auf die Stellung der Worte an 
(p. 152); femer waren auch die Kadenzen ins Auge zu fassen, so war 
Fronto bestrebt, in den gerichtlichen Reden die Sätze in der Regel 
schroff und abgebrochen zu schliessen (p. 211). Dann waren schöne Bilder 
und Vergleiche {etxoveg) notwendig. Auch von Bildern legte man sich 
EoUektaneen an (p. 45). Endlich waren schöne Sentenzen {gnomae) kein 
zu verachtendes Mittel, um Eindruck zu machen (p. 106). Eine Vor- 
übung hiefür war die Variierung desselben Gedankens (p. 48).*) Aber 
trotz alledem ist es Fronto nicht gelungen, sich einen originellen Stil zu 
bilden; denn die verschiedenen Mittelchen, die er in Anwendung brachte, 
reichten hiefür nicht aus, auch der Stil verlangt, um originell zu erscheinen, 
Geist; diesen hatte aber Fronto nicht. Seine Korrespondenz bietet uns 
daher ein Gerede ohne Saft und Kraft und ein abschreckendes Muster der 
Geschmacklosigkeit, ohne Spur einer scharf ausgeprägten Individualität. 
Einen noch schlimmeren Eindruck als die Briefe machen die in die Korre- 
spondenz eingestreuten rhetorischen Produkte. Wer lächelt nicht über 
das Lob des Rauchs, des Staubes, der Nachlässigkeit? Nicht mehr 
lächeln, sondern nur noch grollen kann man, wenn der armselige Rhetor 
auch noch der Geschichte ins Handwerk pfuschen will. Selbst griechische 
Exerzitien spendete er, allein diese stehen im Inhalt so tief wie die latei- 
nischen, seine Kenntnis der griechischen Sprache ist keine lebendige, wenn 
er auch gern selbst in seine lateinischen Arbeiten Griechisches geschmack- 
los einstreut.') 

Ist das Bild, das wir aus den Fragmenten von Fronto gewinnen, 
nach der geistigen Seite hin kein erfreuliches, so wird es besser, wenn 
wir den ethischen Massstab zu Grund legen. Wie der Rhetor sich in 



') Ein VeneicIiniB der yytofiai bei Fronto 
siebe bei Sohwikbgziha p. 9. 

') Ein VerzeichniB bei Schwiebozina 
p. 18. Aucb bybride Bildungen erscheinen. 



wie Plautinotato, wie p. 156 ricbiig von 
Hbbtz und Stüdbxund statt des Überlieferten 
Plautinotrato bingesteUt wurde. 

6* 



84 Bömische Litteratargesoluclite. ü. Die Zeit der HonaroMe. 2. Abteilang. 

seinen Briefen gibt, ist er kein böser Mensch, wir können ihm glauben, 
wenn er sagt, dass er in seinem ganzen Leben keine schimpfliche und 
treulose Handlung sich zu Schulden kommen liess, dass er nicht habsüchtig 
war und dass er sich vielen als treuen Freund, selbst in gefahrvollen 
Situationen zeigte, dass er die Ehrenstellen nicht durch unrechte Mittel 
erlangt hatte, dass er ganz seinen Studien lebte, dass er kein Prasser und 
Verschwender war, dass ihn das Gefühl für Wahrheit beseelte, dass er der 
Schmeichelei aus dem Weg ging (p. 235). Auch das Verhältnis zwischen 
Fronte und den Prinzen, wie es uns die Korrespondenz enthüllt, lässt 
Fronte nicht in ungünstigem Licht erscheinen. Vor allem ist es die innige 
Liebe, die Lehrer und Schüler an einander kettet und die nur erklärlich 
ist, wenn der Lehrer ein liebevoller Mensch war. Nur über die Über- 
schwenglichkeit der Liebesergüsse in diesen Briefen kann der Leser ein 
Erstaunen nicht unterdrücken, er findet hier einen ganz unantiken, un- 
römischen Zug, denn die fpiXoatoQyia ist, wie Fronte selbst sagt (p. 135, 176), 
nicht etwas spezifisch Römisches. Allein nicht die ethischen Beziehungen 
sind für den Literaturhistoriker die ausschlaggebenden, sondern die geistigen 
und hier wird es bei dem harten, aber wahren Urteil Niebuhrs sein Be- 
wenden taben: „Fronte war eigentlich dumm und hätte lieber ein mecha- 
nisches Gewerbe als den Beruf eines Redners und Schriftstellers erwählen 
sollen.**) 

FrontoB Nachahmung der Alten, p. 50 sag^ Fronto, aolitis et uaUatts verbis 
non 8um eontentua, p. 63 schreibt er an Marcus über Cicero: in omnibii8 eius orcUianibus 
pauciasima admodum reperiaa ins per ata atque inopinata verha (vgl. p. 98 verba non 
oMa), quae nannisi cum studio atque cura atque tngilia atque multa veterum carminum 
memoria indagantur. Mit alten Münzen werden die alten Worte verglichen p. 161. Die Er- 
läuterung, die er p. 63 hinzufügt: insperatum autem atque incpinatum verbum appello, quod 
praeter spem atque opinionem audientium aut legentium promitur: ita ut si subtrahas atque 
eum qui legat quaerere ipsum iubeas, aut nuüum aut non ita ad signifieandum adcommo- 
datum verbum aliud reperiat harmoniert mit der Praxis keineswegs wie auch sein Rat p. 63. 

Ueber die einzenen Autoren. Die besondere Empfehlung der vier Dichter 
ergibt sich aus p. 224 (an Marcus) : ut aut te Flauto expolires aut Äccio expleres aut Lucretio 
delenires aut Ennio incenderes. Eine grössere Liste der nachzuahmenden Dichter p. 62; 
eine über Verwertung der scenischen Dichtungsgattungen p. 106, 4 und p. 36 ep. 13. Bezüglich 
der Reden vgl. p. 54 oratores veteres, quorum pauei aut praeter Catonem et Gracchum 
nemo tubam inflat; omnes autem mugiunt vel stridunt potius, p. 62 Jf. Poreius eius^ue fre- 
quens seetator C. SaUustius (vgl. p. 149, d. 36). Ein Urteil über den Stil der verschiedenen 
alten Dichter, Historiker und Redner siehe p. 114. 

Verhältnis Frontos zu Cicero. Fronte lobt Cicero als grossen Redner (p. 63, 
184), er erklärt auch alle seine Schriften gelesen zu haben (p. 63); besonders ist er für 
die Rede de imperio Gnei Pompei eingenommen (p. 221); allein Cicero bietet ihm zu wenig 
verba insperata atque inopinata vgl. p. 63 is mihi videtur a quaerendis scrupulosius verbis 
procul afuisse vel magnitudine animi, vel fuga laboris, vel fiducia, non quaerenti etiam 
sibi, quae vix aliis quaerentibus subvenirent, praesto adfutura vgl. noch oben. Am meisten 
lieferte noch der Ciceronische Briefwechsel p. 107: omnes Ciceronis epistulas legendas censeo, 
mea sententia, vel magis quam omnes eius orationes . Epistulis Ciceronis nihil est perfeetius; 
er hatte daher auch die Briefe excerpiert (p. 107); memini me excerpsisse ex Ciceronis 
epistulis ea dumtaxat, quibus inesset aliqua de eloquentia vel phHosophia vel de rep. 
disputatio: praeter ea siquid eleganter (statt eleganti) aut verbo notabili dictum videretur, 
exeerpsi . Quae in usu meo ad manum erant exoerpta, misi tibi . Tres libros, duos ad 
Brutum, unum ad Axium describi iubebis, si quid rei esse videbitur, et remittes mihi: nam 
exemplares eorum excerptorum nuUos feci. Allem Anschein nach meint er auch p. 190 
mit: Cieeronianos emendatos et distinctos hahebis: adnotatos a me leges ipse; in w>lgus enim 
eoa exire quare nolim, scribam diligentius Excerptsammlungen. Allein Cicero war ihm 

>) Kleine Schriften, Erste Samml., Bonn 1828 p. 326. 



Apnleiiis. g5 

niemals eine vöUig sympaihifiche Gestalt und Tullianae episttUae werden den remissiarea 
gleichgestellt (p. ^). 

Litteratur. Zar allgemeinen Beurteilung Frontos und der ganzen Richtung: 
Fbisdb. Roth, Bemerkungen über die Schriften des M. G. F. (Akademierede München 1817); 
auch in dessen Sammlung etl. Vortrftge Frankf. 1851 p. 52; B. G. Nisbühb, Kleine hist 
und philol. Schriften 2, 52; Eckstbik in Ersch und Grubers Encyklop. 1, 51, 442; Aübe, 
histoire des pers^utUmes de Vigliae, La polemique paiSnne ä la fin du II« aUcle, Paris' 
1878 p. 74; Movceaux, Les Africains p. 211. — üeber Frontos Nachahmung der 
Alten handeln Elussmann, Emendat. Fronton, p. 75 und Studbhund in seiner der Kluss- 
mannschen Schrift beigegebenen epist. crit, p. aXX; Schwibbczina, Frontoniana, Bresl. 
Diss. 1883 (p. 8 — 26 de Frontone veterum imitatore; p. 26 —40 de Frontone reeentiorum 
imitaiore); Pbibbb, De M» C, F, imiiationetn prisH sermonis latini adfectante Stettiner Pro- 
gramme 1885 und 1886. 

2. Apuleius aus Madaura. 
563. Sein Leben« Apuleius stammte aus Madaura, das an der Grenze 
von Numidien und Gaetulien lag. Sein Vater nahm als Duumvir eine 
hochangesehene SteUung in der Stadt ein. Selbstverständlich erhielt 
Apuleius eine ausgezeichnete Ausbildung. Nachdem er den Elementar- 
unterricht in Madaura empfangen hatte, studierte er Grammatik und Rhe- 
torik in Karthago ; den Abschluss seiner Bildung brachte ihm Athen. Ich 
habe, sagt er in seinem gezierten Stil, manchen Mischkrug in Athen ge- 
leert, den benebebiden der Dichtkunst, i) den klaren der Geometrie, den 
süssen der Musik, den etwas herben der Dialektik, endlich den unerschöpf- 
lichen Nektartrank der gesamten Philosophie. Auch durch ausgedehnte 
Reisen suchte er seine Kenntnisse zu vermehren und besonders seine 
religiösen Neigungen zu stillen; er liess sich daher in viele Kulte und 
Mysterien aufnehmen. Auch nach Rom kam er von Griechenland aus 
und hier fand er die erste Stätte seiner Wirksamkeit. Er trat als Sach- 
walter auf und begann mit den Metamorphosen seine Schriftstellerei. Später 
kehrte er in seine Heimat zurück und schloss mit einer reichen Witwe, 
Aemilia Pudentilla, von Oea eine Ehe. Allein diese Verbindung zog schwere 
Folgen für ihn nach sich; sie trug ihm eine Klage wegen Zauberei ein; 
die Verwandten der Pudentilla beschuldigten nämlich den Apuleius, er 
habe durch Anwendung von Zaubermitteln die reiche Witwe, die so lange 
unvermählt geblieben, für sich gewonnen. Gegen diese Anklage verteidigte 
er sich in der vorhandenen Apologie. Nach seiner Darstellung war der 
Verlauf der Sache folgender. Apuleius machte auf einer Reise nach Ale- 
xandrien in Oea Halt, wo er seine Freunde „die Appier' aufsuchte. Als 
die Ankunft des Apuleius bekannt wurde, begab sich auch Pontianus, der 
Sohn der Witwe Aemilia Pudentilla, zu ihm, denn beide kannten sich von 
Athen her, wo Pontianus in seinen Studien von Apuleius sehr gefördert 
worden war. Pontianus bestimmte seinen Freund, in das Haus seiner 
Mutter zu ziehen. Diese Einladung erfolgte nicht ohne Hintergedanken. 
Aemilia Pudentilla hatte nämlich vor einiger Zeit sich entschlossen, ihre 
langjährige Witwenschaft aufzugeben und diesen Entschluss dem damals 
in Rom verweilenden Pontianus kund gegeben. Pontianus war deshalb in 
seine Heimat zurückgekehrt, um in dieser für ihn wichtigen Angelegen- 
heit sich keiner Überraschung auszusetzen. Als nun Apuleius in Oea er- 
schien, kam ihm der Gedanke, dass dieser der für seine Mutter geeignete 

') Jahn, Ans der Altertumsw. p. 77. 



86 RömiBohe LitteratnrgeBohiohte. IL Die Zeit der Monarchie. £• Abteiliing. 



Gatte sei. Und diesen Gedanken sprach er dem Apuleius gegenüber offen 
aus, als derselbe einen öffentlichen Vortrag gehalten hatte, der bei den 
Einwohnern von Oea grossen Anklang fand. Allein Apuleius zögerte an- 
fangs; nachdem er aber die Eigenschaften der PudentUla näher kennen 
gelernt hatte, erklärte er sich bereit, eine eheliche Verbindung mit der- 
selben einzugehen. Inzwischen verheiratete sich auch Pontianus mit der 
Tochter des Herennius Rufinus. Damit trat aber ein völliger Umschwung 
in seinem Verhältnis zu Apuleius ein. Während Pontianus früher die 
Verbindung des Apuleius mit seiner Mutter angeregt hatte, bot er jetzt, 
durch seinen Schwiegervater aufgestachelt, alles auf, diese Verbindung zu 
hintertreiben. Erst als er sich überzeugen konnte, dass Apuleius in der 
ganzen Sache sich nicht von egoistischen Motiven leiten Hess, stellte sich 
das ursprüngliche Verhältnis wieder her. Allein der bald eingetretene 
Tod des Pontianus hatte neue Wirren für den Apuleius im Gefolge. Pu- 
dentilla hatte noch einen zweiten Sohn, den Pudens. Dieser begab sich 
nach dem Tod seines Bruders sofort in das Haus seines Onkels Sicinius 
Aemilianus, der, durch Herennius Rufinus aufgereizt, gegen Apuleius, der 
mittlerweile die Pudentilla geheiratet hatte, im Namen des Pudens 
mit einer Klage vorging. Die Klage lief auf die Beschuldigung hinaus, 
Apuleius habe durch Zauberei sich die reiche Witwe ergattert. Auch 
den Tod des Pontianus hatten die Kläger dem Apuleius zur Last ge- 
legt, allein in die Klagschrift wagten sie diesen Punkt nicht aufzu- 
nehmen. Die Verhandlung fand vor dem Prokonsul Claudius Maximus') 
unter der Regierung des Antoninus Pius in Sabrata statt. Der Advokat 
der klägerischen Partei war Tannonius Pudens. Ohne Zweifel erfolgte 
Freisprechung. Über die späteren Lebensschicksale des Apuleius sind wir 
nur mangelhaft unterrichtet. Wir finden ihn später in Karthago; dort 
bekleidete er das Amt eines sacerdos provinciae und hatte als solcher die 
ludi sacerdotales ausgerichtet. Die Karthager ehrten ihren hochangesehenen 
Mitbürger durch eine Statue. Auch in anderen Städten wurden dem be- 
rühmten Wanderredner Ehrenbezeugungen durch Statuen und Dekrete zu 
Teil. Das Todesjahr des Apuleius ist nicht bekannt. 

Quellen. Die Hauptquelle ist die Apologie. Aber auch die Metamorphosen 
kommen in Betracht, da (gegen Ende) der Schriftsteller seine Person an Stelle des 
Helden setzt. 

Name. Das Praenomen Lucius ist unsicher; denn es fehlt ein ausreichendes 
Zeugnis für denselben ; er beruht nur auf junger handschriftlicher üeberlieferung, nicht auf 
einem alten Zeugnis. 

Das Geburtsjahr kann nur durch Kombination ermittelt werden; es handelt sich 
hiebei darum, wie alt Apuleius war, als er, der jüngere, die ältere Pudentilla heiratete. 
Auch das Verhältnis des contubernium, das den Apuleius mit seinem älteren Stiefsohn ver- 
bunden hatte (Apol. c. 72), ist in Betracht zu ziehen. Endlich nennt er sich (Florida p. 24 K.) 
einen Schulkameraden des Aemilianus Strabo, der im Jahre 156 cons. suff, war. Auf 
Grund der Prüfung dieser Momente setzt Rohde als Gebnrtejahr des Apuleius etwa das 
Jahr 124 an (Rhein Mus. 40, 73). 

Heimat und Familie. Apuleius nennt sich selbst einen Madaurensis (Metamorph. 
11, 27 p. 223 E.) und wird auch von andern so genannt (vgl. Augustin de civ. dei 8, 14 
und die Subskriptionen im Florentinus z. B. nach 1. 1 der Apol. p. 76 K.). Von seiner Heimat 



Vielleicht identisch (Teuffbl-Schw abb, 
Gesch. der r9m. Litterat.' § 358, 4) mit dem 
Stoiker, welchen Marcus Aurelius unter den 



Förderern seiner Bildung aufzählt (1, 15), 
und mit dem leg. Äug, Pannoniae des J. 154 
(CJL. 3 p. 881 ; anders Rohdb, Rh. Mus. 40, 67). 



ApoleliiB. g7 

spricbt er Apol. c. 24 {patria — sUa Numidiae et GaettUiae in canfinio) und erzählt in Kürze ihre 
politischen Schickflale. Von seinem Vater heisst es hier: in qua eolonia patrem Iwbui loco 
principia duumviralem cunetis hanaribus perfunetum, Ueber die Wohlhabenheit der 
Familie vgl. c. 23 profiteor mihi ae fratri meo relictum a patre HS. vicies paulo aecus. 

Seine Ausbildung. Florida p. 29 E. pueritia apud vos (Karthager) et ma- 
gistri vos et aecta, licet Athenis Atticis confirmata, tarnen hie inchoata est et vox mea utra^ 
que lingua tarn vestris auribus ante proxumum sexennium probe cognita, Ueber den Unter- 
richt, den er in Athen erhielt» sagt er (p. 33 K.) prima eratera litteratoris ruditate eximit, 
secunda grammatiei doetrina instruit, tertia rhetoris ehquentia armat . hactenus a pleris- 
que potatur . ego et <Uias crater<ts Athenis bihi: poiticae commentam, geometricae limpidam, 
musieae duleem^dicdecticae austerulam, iam vero universae philosophiae inexplebilem seUieel 
et neetaream, Ueber seine Reisen vgl. Apol. c. 23 {longa peregrinatione et ditttinis studiis), 
c. 55 saerorum pUraque initia in Graeeia participavi — ego muUiiuga sacra et plurimos 
ritus et varias eerimonias studio veri et officio erga deos didici . De mundo o. 17 p. 119 G. 
vidi et ipse apud Hierapolim Phrygiae non adeo ardui montis vieinum latus natipi oris 
hiatu reseratum ita. 

Ueber seinen Aufenthalt in Rom handelt er im letzten Buch der Metamor- 
phosen c. 26 u. fg. Dass er dort Rechtsanwalt war, ergibt sich aus c. 28, wo er von sich 
sagt: spiritu faventis Eventus quaesticulo forensi nutritus per patroeinia sermonis Romani; 
c 30 iam stipendiis forensibus bellule fotus. 

Ueber den Aufenthalt in Oea vgl. c. 72 der Apologie. Apuleius hatte bereits 
ein Jahr in Oea zugebracht, als er die Pudentilla heiratete (Apol. c. 73). Zur Zeit des 
Prozesses waren zwei weitere Jahre vergangen (Apol. c. 55 abhinc ferme triennium est, 
cum primis diebus quibus Oeam veneram etc.). Ueber die Heiratsgeschichte vgl. Apol. 
0. 73 n. fg. 

Ueber sein sacerdotium belehrt August, e^. 138 sacerdos provinciae pro magno 
fuH ut munera ederet; vgl. Florida c. 16 docuit (Aemilianus Strabo in seinem Antrag, dem 
Apuleius eine Statue zu verleihen) argumento suscepti sacerdotii, summum mihi honorem 
Carthagini adesse, 

Ueber seine Statuen. Florida p. 24 K (Aemilianus Strabo) poUidtus est se mihi 
Carthagini de suo statuam posUurum — Carthaginienses — libenter decreverunt locum 
statuae — eommemoravit et eUibi gentium et eivitatium honores mihi statuarum et alias decretos, 

554. Übersicht der apuleischen SchriftstellereL Apuleius war 
eine ungemein vielseitige Natur und ein grosses formales Talent. Nicht 
bloss die lateinische Sprache, sondern auch die griechische beherrschte er 
und schrieb in beiden. Der Umfang seiner Schriftstellerei ist ein unge- 
mein grosser; nicht nur auf dem Gebiet der Prosa versuchte er sich, 
sondern auch auf dem der Poesie. Als Prosaiker verfasste er nicht allein 
rhetonsche Produkte, sondern er trat auch als philosophischer Schrift- 
steller auf; und damit noch nicht genug, bearbeitete er auch die ver- 
schiedensten Zweige der Wissenschaft. Er selbst rühmt sich seiner Viel- 
seitigkeit; er will Empedokles, Plato, Sokrates, Epicharmus, Xenophon, 
Krates in einer Person sein und sich dem Dienst aller Musen mit glei- 
chem Eifer weihen. Von dieser ausserordentlich reichen Schriftstellerei 
ist uns verhältnismässig nur weniges erhalten, nämlich 1. von seinen Er- 
zählungen meiamorphoaeon libri XI, ein Roman, in dem die Schick- 
sale des in einen Esel verwandelten Lucius erzählt werden; 2. von seinen 
rednerischen Arbeiten seine Apologia, welche er, der Zauberei ange- 
klagt, gesprochen; die Florida, eine Blütenlese aus seinen Deklamationen; 
3. von seinen philosophischen Schriften de Piatone et eius dogmate, 
eine Darlegung der platonischen Philosophie im Sinne der Zeit; de deo 
Socratis, über die Dämonen mit einem Hinweis auf das Dämonion des 
Sokrates; de mundo, eine freie Bearbeitung der unter dem Namen des 
Aristoteles umlaufenden Schrift negl xocfiov. Von den anderen Werken 
des Apuleius erhalten wir durch Citate oder auch noch durch Fragmente 



gg Bftmiache Litteratnrgesohiohte. IL Die Zeit der Honarohie. 8. Abieilong. 

eine dürftige Kunde. Das Ansehen des Apuleius war ein so gewal- 
tiges, dass unter seinem Namen auch unechte Produkte sich ans Licht 
wagten. 

Die Bchriftstellerisohe Thfttigkeit des Apuleius im allgemeinen. Florida 
p. 12 E. führt er ans, dass er nicht wie Hippias mechanische Fertigkeiten verstehe 
und fährt dann fort: sed pro his praeoptare me f€Ueor, uno ehartario ealatno me reficere 
poemata omnigenus apta pirgae ("= ^dßd^ vgl. Jahn, Aus der Altertumswissensch. p. 80, 
«die Rhapsoden recitierten epische Gedichte mit einem Lorbeerstab in der Hand"), Itfrtie, 
80CC0, cothurno, item satiras ae griphoa, item histarias varias rerum nee non oratianes 
laudatM diftertis nee not» dialogos laudatoa philaaaphis atque haec et alia eiusdem modi tarn 
graece quam kUine, gemino voto, pari studio, aimüi stilo . quae utinam passem equidet» 
non singiüatim ac discretim, sed cunctim et coacervatim tän, proeonsul qptime, offerre. 
8eine litterarischen Wünsche gehen sehr hoch, er mOchte die ganze Poesie, wie die Prosa und 
zwar die Geschichte, die Rede, den philosoph. Dialog (Jabn 1. c. p. 80) umspannen und 
alles noch dazu in zwei Sprachen, der lat. und der griech. Florida p. 34 K. eanit Empe- 
docles carmina, Plato dialogos, Socrates hymnos, Epicharmus modos {gnomas Rohdb, Rhein. 
Mus. 40, 90 Anm. 3, mimos oder comoedias Teuffel), Xenopkon historias (unrichtig mit 
Hinweis auf die Geschichte von Abradatas und der Pantheia von BCegbb, Hermes 23,496 
als Romane gefasst, vgl. Rohde, Rhein. Mus. 40, 90 Anm. 3 und besonders Rhein. Mus. 
48, 131 Anm. 1), Xenocrates (Casaubonus: Xenaphanes, Rohdb, Rhein. Mus. 40, 113: Grates) 
satiras (Casaubonus: sUlos). Apuleius vester haec omnia novemgue Musas pari studio colit. 

Die Chronologie der Schriften des Apuleius. Den festen Punkt bildet die 
Apologie, welche unge&hr in die Jahre 155—158 fällt. Wir erfahren hier, dass die ludicra 
carmina und die naturwissenschaftlichen Schriften zuvor geschrieben sind. Wir können aber 
aus dem Schweigen auch Schlüsse ziehen. Wären die Schriften über Plato schon publiziert 
gewesen, so hatte Apuleius sie angeführt, besonders die Schrift de deo Socratis konnte 
c. 43 nicht übergangen werden. Nach der Apologie müssen auch die Florida fallen, da 
diese eine längere rednerische Thätigkeit zur Voraussetzung haben. Die chronologischen 
Daten, soweit sie ermittelt werden können, führen in die Regierungszeit des M. Aurel und 
L. Verus (Robde, Rhein. Mus. 40, 72). Die Metamorphosen müssen wir nach den An- 
deutungen, die Apuleius dort über seine Person einfliessen lässt, als ein Jugendwerk von ihm 
ansehen (vgl. Rohde 1. c. p. 83). Dass die Gegner des Apuleius bei seinem Prozess wegen 
Zauberei sie nicht kannten, und dass infolgedessen Apuleius von denselben in seiner 
Apologie nichts erwähnte, darf nicht zum Beweis dafür angeführt werden, dass sie da- 
mals noch nicht erschienen waren; denn aller Wahrscheinlichkeit nach waren sie ano- 
nym ans Licht getreten; auch ist es nicht ausgeschlossen, dass der in Rom erschienene 
Roman noch gar nicht nach Afirica gelangt war. Ueber die Abfaasungszeit der Ueber- 
setzung de mundo lässt sich nichts Bestimmtes eruieren. 

1. Die Metamorphosen. 

556. GnmdrisB des Bomans. Der Aufbau des Romans erfolgt in 
der Weise, dass der Held desselben seine Schicksale selbst erzählt; der 
Roman ist also ein sogenannter Ich-Roman. Aber der Roman ist zugleich 
der Rahmen für eine grössere Anzahl von Novellen, welche an verschiedenen 
Stellen eingestreut sind. Wir lassen hier diese Novellen unbeachtet, da 
sie eine gesonderte Behandlung erfordern. 

Ein vornehmer Grieche, Lucius aus Eorinth, machte eine Reise nach 
Thessalien. Sein Ziel ist Hypata. Auf dem Wege begegnet er zwei 
Wanderern, von denen der eine eine grausige, wunderbare Geschichte er- 
zählt. In Hypata angekommen steigt er bei seinem Gastfreund Milo, 
einem geizigen Manne, ab, an den er durch Demeas empfohlen war. Bei 
dem Besuch eines Bades hatte er gleich ein Marktabenteuer mit seinem 
ehemaligen Studiengenossen Pythias. Eine zweite Bekanntschaft machte 
er Tags darauf, er begegnete einer Verwandten mütterlicherseits, der 
Byrrhaena, in deren Haus er nun öfters verkehrte. Byrrhaena warnt ihn 
vor den Zauberkünsten seiner Hauswirtin, der Pamphile, welche es be- 
sonders auf schöne Jünglinge abgesehen habe. Allein diese Warnung 



Apaleiiw. 39 

reizte im Gegenteil die Neugierde des Lucius, doch etwas von diesen ge* 
heimnisvollen Künsten kennen zu lernen. Zu dem Zweck tritt er in nähere 
Beziehung zu der Magd des Hauses, Fotis. Bald sollte er selbst in einen 
Zauberspuk verwickelt werden. Als er nachts von einem Gastmahl bei 
der Byrrhaena heimkehrte, sah er, wie vor der Thtir seiner Wohnung 
drei Kerle einen Einbruch versuchten; er drang auf sie ein und machte 
sie mit seinem Schwerte nieder. Des anderen Tags erscheint die Behörde 
und schreitet zur Verhaftung des Lucius; es findet eine Verhandlung statt; 
Rede und Gegenrede werden gehalten, da wird die Decke von den drei 
Leichen abgenommen — und es stellt sich heraus, dass es keine Menschen, 
sondern drei Schläuche waren; das Ganze war ein Scherz, der dem Gott 
des Lachens an seinem Feste veranstaltet wurde; allein durch Fotis er- 
fuhr er, dass die zauberische Hausfrau bei dem ganzen Spuk ihre Hand 
im Spiel hatte. Er dringt nun in die Fotis, ihm einen Einblick in die 
Zauberei der Pamphile zu gewähren, und erhält eine Zusage. So beobachten 
denn beide, wie sich Pamphile durch eine Salbe, die sie aus einem Büchs- 
chen nimmt, in einen Uhu verwandelt und fortfliegt. Lucius wünscht, 
auch eine solche Metamorphose durchzumachen, Fotis vergreift sich aber 
in dem Büchschen und Lucius wird statt in einen Vogel in einen Esel 
verwandelt. Doch tröstet ihn Fotis, der Genuss von Rosen werde ihm 
die menschliche Gestalt wieder zurückgeben. Da diese nicht gleich zur 
Hand waren, sollte Lucius sich eine Zeitlang gedulden; ein Trost für ihn war 
es, dass er trotz seiner Eselsgestalt den menschlichen Verstand beibehielt. 
Allein es sollte lange währen, bis Lucius seine menschliche Gestalt zurück- 
bekam. Nachts drangen Räuber in den Stall, in den Lucius sich begeben 
hatte, und führten den Esel mit sich fort. Damit beginnen die verschiedenen 
Abenteuer des Lucius. Unter vielen Schlägen erreicht er die Räuberhöhle, 
wo eine Alte die Wirtschaft führte. Hier spielt sich ein neues, für unseren 
Lucius wichtiges Ereignis ab. Die Räuber bringen ein wunderschönes 
Mädchen als Gefangene ein, das über sein Los unendlich unglücklich ist, 
da es von der Hochzeit hinweggeführt wurde. Die Alte sucht die Ge- 
fangene zu trösten und erzählt ihr das herrliche Märchen von Amor 
und Psyche. Lucius machte mit dem Mädchen einen Fluchtversuch, allein 
derselbe misslang, und nun stand beiden ein grausames Ende bevor. Es 
kam aber anders; es erscheint bei den Räubern ein Kerl, der schon etwas 
erlebt haben will, und bietet sich ihnen als Hauptmann an. Einstimmig 
wird derselbe erkoren, es war Tlepolemus, der Bräutigam des gefangenen 
Mädchens, der Charite; er machte die Räuber betrunken, fesselte sie und 
entfloh mit seiner Braut, die er auf den Esel gesetzt hatte. Jetzt schien 
sich auch das Schicksal des Lucius zum Besseren zu wenden. Charite 
drang bei ihren Eltern auf eine gute Versorgung des Esels. Man beschloss 
daher ihn auf den Triften mit den Pferden frei umherlaufen zu lassen und 
ihn zu dem Zweck dem Gestütemeister zu übergeben. Allein sobald der 
Esel aus der Stadt aufs Land gebracht war, begannen wieder seine Leiden, 
er wurde in der Mühle verwendet, er musste Holz von einem Berge 
heruntertragen, wobei ihn ein Bursche mit der entsetzlichsten Grausam- 
keit behandelte. Eines Tages, als wieder Holz aus dem Wald geholt 



90 Bömisohe litteratargeaohichte. II. Die Zeit der Monarohie. 8. Abteilung. 

werden sollte, erscheint ein Bär, der Esel ergreift die Flucht, ein fremder 
Mann bemächtigt sich seiner. Doch die Knechte des Gestütemeisters er- 
kennen den Esel, sie halten den Mann für den Dieb desselben; sie nehmen 
ihn gefangen und bringen den Esel wieder ein. Unterdessen hatte auch 
den Burschen, der den Esel so sehr gequält hatte, die Nemesis erreicht; 
der Bär hatte ihn zerrissen. Eine neue Epoche seiner Schicksale begann 
für Lucius mit dem tragischen Tod der Gharite. Der Oestütemeister 
machte sich nämlich mit dem Esel davon. Nach mehreren Abenteuern 
verkaufte er den Esel, und so kam dieser in die Hände einer Gesellschaft 
von Priestern der syrischen Göttin. Auf ihren Umzügen musste er 
das Bild der Göttin tragen. Wiederum sah und erlebte Lucius manches, 
und mehr als einmal wurde ihm übel mitgespielt, ja sogar sein Leben 
stand auf dem Spiel. Auch diese Leidenszeit kam zu ihrem Ende. Der 
Diebstahl eines goldenen Kelchs brachte die Priester ins Gefängnis, der 
Esel wurde wieder zum Verkauf ausgeboten, es erstand ihn ein Müller. 
Jetzt musste Lucius die Mühlsteine drehen und da erging es ihm recht 
schlecht, da die Müllerin einen grossen Hass auf ihn geworfen hatte. 
Allein eine Katastrophe, welche, durch die eheliche Untreue der Müllerin 
hervorgerufen, den Tod des Müllers zur Folge hatte, befreite Lucius auch 
aus dieser Lage; er kam in die Hände eines Gärtners, bei dem er viel 
frieren und hungern musste. Auf einer Wanderung begegnete der Gärtner 
mit seinem Esel einem Soldaten, der das Tier für sich in Beschlag nehmen 
wollte. Der Gärtner setzte sich jedoch zur Wehr und warf den Soldaten 
nieder. Aus Furcht vor der Strafe versteckte sich der Gärtner mit seinem 
Esel, allein er wurde entdeckt. Der Soldat kommt jetzt wirklich in den 
Besitz des Esels, er macht sich mit ihm auf den Weg und kehrt bei einem 
Decurio ein; dort verkauft er den Esel an zwei Brüder, die bei einem 
reichen Herrn als Zuckerbäcker und als Koch dienten. Jetzt beginnt für 
unseren Esel eine glänzende Zeit, er konnte von den Überbleibseln der 
reichen Mahlzeiten naschen und that dies in ausgiebiger Weise. Als dies 
die Brüder entdeckten, wunderten sie sich sehr über den merkwürdigen 
Esel und teilten es ihrem Herrn, dem Thiasus aus Korinth, mit. Auch 
dieser nahm grosses Interesse an dem merkwürdigen Tier, kaufte ihn den 
Brüdern ab und übergab ihn einem Freigelassenen zur sorgfältigen Pflege. 
Dieser lehrte den Esel verschiedene Kunststücke, die allgemeines Aufsehen 
erregten. Der Esel kam jetzt nach Korinth, dort sollte er zu einem schänd- 
lichen Spiel auf dem Theater verwendet werden ; aber er ergriff die Flucht 
und kam nach Kenchreä. Um Mitternacht erwacht er am Gestade, er sieht 
den Vollmond am Himmel. Siebenmal taucht er im Meer unter und 
richtet ein inbrünstiges Gebet an die Himmelskönigin um Erlösung aus 
der Tiergestalt. Er schläft wieder ein, da erscheint ihm im Traum die 
Göttin Isis und kündet ihm die Erhörung seiner Bitte an, indem sie ihm 
zugleich mitteilt, was er zu thun habe. Für ihre Hilfe verlangt aber 
Isis, dass Lucius ihr fortan sein Leben weihe. Am Morgen kam die 
grosse Prozession zu Ehren der Göttin von Korinth. Der Hohepriester 
hatte einen Kranz von Rosen. Der Esel frass davon und sofort stellte 
sich wieder die menschliche Gestalt ein. Das Volk staunt über das gött- 



Apnleias. 91 

liehe Wunder und der Hohepriester preist die Allgewalt der Göttin und 
fordert Lucius auf, sich ihrem Dienst für immer zu weihen. Dieser 
schloss sich in Andacht der Prozession an, welche sich ans Meer begab. 
Hier wurde ein Schiff eingeweiht, dann kehrte der Zug nach dem Heilig- 
tum der Göttin zurück. Lucius blieb im Dienst der Göttin und wurde 
zuletzt in die Mysterien eingeweiht. Nach der Einweihung reiste er 
nach Rom. Auch hier war er ein fleissiger Besucher des Isistempels. 
Nach Ablauf eines Jahres wurde er auch noch in die Mysterien des Osiris 
eingeführt und nach einiger Zeit erlangte er sogar den dritten Grad der 
Weihe. 

Titel des Romans. Naoh der massgebenden handschriftlichen üeberlieferong ist 
der Titel der Schrift Metamorphoses ; denn die Subskriptionen zu einzelnen Büchern lauten : 
metamorphoseon l, I n. s. w. Der Titel ist von dem griechischen Original (fiBxauoqqstaaBtav 
X6yM Tgl. BÜBOBB, De Lucio PatrenH p. 4) beibehalten. Augustin kennt den Roman 
unter dem Titel ,der goldene Esel" (de civ. d. 18, 17). Der Titel will den mit mensch- 
licher Vernunft ausgestatteten Esel dem gewöhnlichen gegenüber hervorheben. Merk- 
würdig ist, dass in der massgebenden Ueberlieferung der Name des Autors fehlt; es lässt 
dies darauf schliessen, dass der Roman anonym erschienen ist. Auch anderes spricht 
dafär vgl. BObobb, Hermes 23 (1888) p. 496. 

566. Die Quelle des Romans. Der Leser des Romans erkennt 
sofort, dass in demselben griechisclie Luft weht, und der Verfasser selbst 
hat gleich im Eingang einen Wink gegeben, indem er von einer fabala 
Oraecanica spricht. In der That ist zweifellos, dass Apuleius eine grie- 
chische Vorlage bearbeitet hat. Es befindet sich nämlich im Corpus der 
Werke Lucians eine unterschobene Schrift, welche den Titel Aovxioq ij 
avog führt Pseudolucians Esel enthält ganz dieselbe Geschichte wie die 
Metamorphosen des Apuleius, in beiden tritt uns derselbe Held, nämlich 
Lucius, entgegen, in beiden erfolgt die Verwandlung des Helden in einen 
Esel und in beiden stossen wir auf dieselben Abenteuer. Beide Dar- 
stellungen unterscheiden sich aber dadurch, dass die des Pseudolucian 
geradlinig verläuft, während bei Apuleius durch eingestreute Erzählungen 
der Gang der Handlung verlangsamt wird. Weiterhin ist der Ausgang 
des Romans bei Apuleius ein anderer als bei Pseudolucian. Hier verläuft 
die Handlung ganz naturgemäss, der Esel erblickt in dem Theater, wo er 
zu einer obscönen Schaustellung benutzt werden soll, Rosen und wird 
durch den Gtenuss derselben wieder Mensch; ein lustiges Abenteuer schliesst 
sich noch an seine Menschwerdung, dann geht der Held in seine Heimat. 
Bei Apuleius dagegen klingt die Geschichte mystisch aus, nämlich mit 
einer Verherrlichung des Isisdienstes. Nicht im Theater, sondern in Ken- 
chreae erhält der Esel durch das Eingreifen der Göttin seine menschliche 
Gestalt wieder und aus Dankbarkeit widmet er sein Leben jetzt ihrem 
Dienst. Die Verschiedenheit des Schlusses findet darin ihre Erklärung, 
dass Apuleius zuletzt seine eigenen Erlebnisse auf seinen Helden tiberträgt. 
Es entsteht nun die Frage, in welchem Verhältnis die beiden Fassungen, 
die des Apuleius und die des Pseudolucian, zu einander stehen. Auf den 
ersten Blick könnte man meinen, dass der Esel des Pseudolucian die Vor- 
lage für Apuleius gebildet habe. Allein eine genauere Vergleichung der 
beiden Schriften ergibt ein anderes Resultat. Wir finden nämlich, dass 
in dem Esel des Pseudolucian sich Lücken und Unverständlichkeiten finden, 



92 BOmisohe Litteratnrgeschiohie. n. Die Zeit der Honarohie. 2. Abteilung. 

welche in der Darstellung des Apuleius nicht vorhanden sind. Es ist dies 
ein Beweis, dass die Metamorphosen des Apuleius nicht aus dem „Esel'' 
stammen können, sondern dass beide Darstellungen auf eine gemeinsame 
Quelle zurückgehen. Diese gemeinsame Quelle ist uns nicht mehr er- 
halten, sie lag aber noch dem Patriarchen Photius vor. Er schildert uns 
unter seinen gelesenen Büchern auch die Metamorphosen des Lucius von 
Patrae, er gibt an, dass die zwei ersten Bücher sich dem Inhalt nach 
ganz mit dem Esel Pseudolucians berühren, nur dass Pseudolucian die 
Erzählung verkürzt habe, da er alles, was nicht dem Fortgang der Er- 
zählung diente, weggelassen, mit anderen Worten, einen Auszug ange- 
fertigt habe. Da nun Apuleius ganz dieselbe Geschichte erzählt wie 
Pseudolucian, sie aber nicht aus letzterem entnommen haben kann, so 
bleibt nur die Schlussfolgerung übrig, dass beide Darstellungen aus diesem 
Buch des Lucius von Patrae stammen. Damit wäre also die oben er- 
schlossene gemeinsame Quelle nachgewiesen. Der Verfasser dieser Quelle 
soll, wie gesagt, Lucius von Patrae sein; es ist nun sehr merkwürdig, 
dass in den beiden abgeleiteten Werken der Held ebenfalls Lucius heisst. 
Diese Erscheinung findet ihre Erklärung in der Form des Romans, der 
Held erzählt seine Schicksale selbst. Photius hat sich dadurch zu dem 
Schiuss verleiten lassen, dass der Erzähler zugleich der Verfasser sei. 
Aber ohne Zweifel war das Werk anonym erschienen. Nach der Schil- 
derung, welche Pseudolucian von Lucius gibt (c. 55), und die wir auf die 
Quelle zurückleiten müssen, war derselbe ein vornehmer Römer, der zu- 
gleich schriftstellerte und zwar auch auf dem Gebiete des Romans. Es 
ist wahrscheinlich, dass die Metamorphosen des unbekannten Verfassers 
nebenbei auch bezweckten, Lucius wegen seiner Schriftstellerei zu ver- 
höhnen. 

Die zwei Bücher Metamorphosen bei Photius (bibl. cod. 129 p. 96^ 12 
Bbkkbb) : ayeyytua&tj Aovxlov IlarQeias fAexafAOQq)uSa€(iiy Xoyoi duitpoQoi * Icrr» ö^ xfjy qnomv 
aa(pijg je xal xa&agog xal (plXos yXvxvitjios * (psvywy Sk xijy iv Xoyoig xairoiofAiay €is 
vnBQßoXrjy &Maxei rijy iy totg dirjyrjfjiaai regarelay xal i6g tty tig e1[noi, aXXog iffti Aov^ 
xictyog ' ol di ye nqtatov avxov dvo Xoyoi uovov ov fÄSxeyQäfptjaay Aovxi^ ix xov Aovxutyov 
XoyoVf og iniyiyqanxai Aovxig ^ "Oyog . ^ ix xaty Aovxlov Xoywy Aovxiayt^ . eoixB di fjiäXXoy 
6 Aovxiayog fABxayQdq>oyxi, öaoy eixa^eiy, xig yccQ XQ^'^^ nqecßvxBQog, ovn<a ix^/aey yydyai, 
xal yaQ mg and rtXaxovg xtay Aovxlov Xoytay 6 Aovxutyog anoXtnxvyag xal neQuXoiyf d<ra 
lAfj Bdoxci avx(^ TiQog xoy oixetoy /^«rt^a cxoTtoy, avxaig xe Xüeci xal üvyrd^eciy Big iya 
xd Xoind avya^fjLoaag Xoyoy Aovxig rj Vyog ineygaijfe x6 ixei^ey vnoavXrj&iy ' yifABi dk 6 
ixaxsQov Xoyog nXatffidxtoy fiey ftv&ixaiy, ttQQtjxonouag dk aiaxQdg ' nXijy 6 fxky Aovxutyog 
üxmnxmy xat dtaavgtoy xtjy 'B^Xrjytxijy deiaidaifioylay, aiansg xdy xoTg aXXoig, xal xovxoy 
üvyixaxxEy, 6 di Aovxiog ortovdd^tay xe xai nioxdg yofil^my xdg i^ ayd^giantay €*c dXXijXovg 
fiexauoQwtoaeig xdg xe i^ dXoytoy eig dy&guinovg xal dydnaXiv xal xoy äXXoy xtuy naXauay 
f4v&(oy v&Xoy xai qjXrjyatpoy ygatfß naqedldov xavxa xal avyvtpaiyey. Eine Anspielung auf 
die Eselsgeschichie (am Schiuss) will W. Sohmid, Phüol. 50 (1891) p. 814 in Juv. VI 334 
erkennen. 

Aovxiog jj oyog. Es ist jetzt ziemlich allgemein angenommen, dass das StQck 
nicht von Lucian herrfihrt. So z. B. Cobet. var, UcL p. 260 (quicunque acripsU I/Hcium sive 
Asinum, aliquanto seritis quam Luciantut vixit et Graecitate utitur altguanto deUriore 
multa negligenier et plebeüa erroribus eeriptUana); Rohoe, Rh. Mus. 40 (1885) p. 91, der 
früher die Echtheit angenommen hatte; Rothstbin, Quaest, Lucian,, Berl. 1888 p. 128; 
BüBGEB, De Lucio Patrensi p. 54, 1. 

Das Zeugnis Über Lucius. Lucian, de asino 55 xdyw naxiJQ fiey, eiptjy, . .. . 
eaxi fjioi Aovxiog, X(^ di ddeX<p<^ rcJ ifito FaCog * afKpto dk xd Xomd dvo oyo/iaxa xoivd 
Ix^f^^^ ' xdyü) (Ahy laxoQidSy xal äXXtay eifil avyygafpevg, 6 di noifjx^g iXeyeltay 
iaxl xal (jidyxig dya&og . naxglg di ^(uy Jldxgai xi^g 'A^atag, Danach müasen wir an- 



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Apuleias. 93 

nehineii, dass sich unter dem Lucius ein Schriftsteller, und zwar allem Anschein nach ein 
Paradoxograpfa, ein vornehmer Römer verbirgt, der in dem Roman verspottet werden soll. 
Zur Qeschichte der Frage. Das Problem nahm seinen Ausgang von Pseudo* 
lucian und seinem Verhältnis zu dem Lucius von Patrae des Photius. Wibland statuierte 
(Lucians Werke 4 Bd. [Leipz. 1789] p. 296), dass Pseudolucian das Original, Lucius von 
Patrae die erweiterte Kopie sei. Dagegen nahm P. L. Goubieb {La Luciade ou Vdne, 
Paris 1818 p. 3) an, dass der Esel und die 2 B. Metamorphosen von demselben Lucius von 
Patrae herrfihrten. Teuffbl (Lukians Aovxtog und Apuleius' Metamorphosen, Rhein. Mus. 
19, 243, Studien und Charakteristiken^ p. 446) ging von der Vergleichung des Pseudolucian 
und des Apuleius aus und gelangte zu dem Resultate, dass Pseudolucian die Quelle für 
Lucius von Patrae und Apuleius war (p. 454). Der gleichen Ansicht ist Knaut, De Luciano 
libeUi qui inscribüur Lucius aive asinus auctore, Leipz. 1868 p. 25. Dagegen war schon 
frtkher von verschiedenen Gelehrten die umgekenrte Behauptung aufgestellt worden, näm- 
lich dass Lucius von Patrae das Original, Pseudolucian die Kopie sei, so von J. G. Vossius, 
De histar, graec, Leipz. 1838 p. 463, von Oudbkdobp, von Aüo. Rodb in seiner Uebersetzung 
des Esels, Berl. 1790 p. XVIII. Diese Anschauung modifizierte dann Mbinebs, Verm. 
Schriften (Leipz. 1801) VI. 2, 244 in der Weise, dass er die Schrift Pseudolucians als 
eine Parodie des Lucius von Patrae hinstellte, die besonders dadurch zu Tage trat, dass 
er den Verfasser der Metamorphosen selbst als Helden die Verwandlung in den Esel 
durchmachen lässt. Ausführlich vnirde dann dieser Gedanke begründet von Rohdb, Ueber 
Lukians Schrift Aovxio^ tj oyog. Eine litterarhistorische Untersuchung, Leipz. 1869 und 
Rh. Mus. 40, 91 ,Der uns erhaltene Aovxioc ^ "Oyog erzählt in kürzerer Fassung dieselben 
Abenteuer in scherzendem Vortrag: wenn hier Lucius von Patrae selbst der in einen Esel 
Verwandelte ist, so liegt es nahe, anzunehmen, dass der Verfasser des ^ovx^o; die ernst- 
hafte Erzählung so unglaublicher Dinge bei Lucius von Patrae parodieren, diesen selbst 
zum Gegenstand einer Satire machen wollte, die zugleich ein unterhaltendes Scherz- 
märchen ist. Apuleius hat seinem Berichte nicht die ausführlichere, mit gläubiger 
Miene vorgetragene Erzählung des Lucius von Patrae, sondern die kürzere, ins Heitere 
und Spöttische gewendete Darstellung im Aovxiog rj ^yog zu Grunde gelegt* Gegen 
Rohde trat Goldbaohbb (Zeitschr. f. österr. Gymn. 23 [1872] p. 323 und p. 403) auf und 
stellte den Satz hin, dass sowohl Pseudolucian als Apuleius von den Metamorphosen des 
Lucius von Patrae abhängen. Denselben Standpunkt nimmt die sorgfältige Arbeit Bübobbs 
{De Lucio Patrensi sive de- ratione inter Asinum q. f. Lucianeum ApüUique metamorphoses 
intereedente, Berl. 1887) und die Untersuchung Rothstbins, Quaest, Lucianeae, Berl. 1888 
p. 129 ein, vgl. auch W. Schmid, Bemerk, über Lucians Leben und Schriften Philol. 50 (1891) 
p. 313. Singular steht in dieser Frage die ohne Beweis vorgebrachte Aeusserung Diltbbts 
(Göttioger Festrede 1879) p. 12 ,Es lässt sich, wenn ich nicht irre, wahrscheinlich 
machen, dass Apuleius die Metamorphosen zuerst in jüngeren Jahren, und wohl ohne seinen 
Namen griechisch herausgab, später mit vielfachen Aenderungen und etwas ernster ge- 
halten, in lateinischer Bearbeitung. Die griechische Fassung ist verloren gegangen; aber 
der Patriarch Photius las sie noch im IX. Jahrb. und war des guten Glaubens, dass der 
Held der Geschichte Lucius von Patrae, weil er das Ganze in der ersten Person vortrug, 
auch wirklich ihr Verfasser sei. Ein Auszug aus dem griechischen Original ist uns zwischen 
Lucians Schriften unter dem Titel .Lucius oder der Esel* erhalten, aber sicherlich von 
Lucian nicht angefertigt* 

657. Die Einlagen des Romans. Eine Vergleichung der Meta- 
morphosen des Apuleius und des Pseudolucianischen Esels ergibt, dass 
Apuleius die Handlung umfangreicher gestaltet hat. Nicht bloss in Schil- 
derungen und Ausschmückungen zeigt sich dieses Mehr, sondern auch in 
längeren Episoden. Es ist nun die Frage, welche dieser Episoden sich 
im griechischen Original von Lucius von Patrae bereits vorfanden, und 
welche von Apuleius hinzugefügt wurden. Zur Entscheidung dieser Frage 
haben wir kein anderes Kriterium als die Handlung selbst; wir müssen 
prüfen, welche Episoden mit derselben in einem unlösbaren Zusammen- 
hang stehen, welche nicht, welche Episoden Lücken der Erzählung aus- 
füllen und welche Störungen hervorgerufen haben. Wenden wir dieses 
Kriterium mit freiem Blicke an, so werden wir finden, dass weitaus die 
meisten Einlagen erst durch Apuleius hinzugekommen sind. Wir können 
zwei Klassen dieser Einlagen unterscheiden. Einmal haben wir Einlagen^ 



94 ROmisohe Litteratnrgesohiolite. n. Die Zeit der Xonarohie. 2. Abteilung. 

welche sich als Erzählungen von Geschichten geben, die mit der Haupte 
handlung in keinem Zusammenhang stehen. Hier deutet meist schon die 
lose Form der Anknüpfung auf den Einschub hin. Diesen Einlagen stehen 
die gegenüber, welche sich als Teile der Handlung selbst charak- 
terisieren. Hier ist natürUch die Entscheidung schwieriger. Von der 
ersten Klasse sind folgende Geschichten von Apuleius hinzugefügt worden : 

1. Die Rache der Zauberin Meroe an Sokrates (1, 5 — 19) von 
Aristomenes dem Helden auf dem Wege erzählt; 

2. Die Verstümmelung Telyphrons, dem, als er bei einer Leiche 
Nachtwache hielt, von Zauberinnen Nase und Ohren abgeschnitten und 
durch wächserne ersetzt wurden (2, 21—30). Die Geschichte erzählt Tely- 
phron selbst beim Mahle; 

3. Die Heldenthaten der drei umgekommenen Räuber La- 
machus, Alcimus und Thrasyleon (4, 9 — 21). Auch diese werden bei 
einem Mahle erzählt; 

4. Amor und Psyche, die Perle des ganzen Werkes (4, 28— 6, 24). 
Eine Alte erzählt die Geschichte zum Trost eines gefangenen Mädchens. 
Bei der hohen Bedeutung, welche das Märchen auch für die moderne 
Kunst erhalten hat, werden wir dasselbe gesondert behandeln; 

5. Die Heldenthaten des thracischen Räubers Haemus (7,5 — 8). 
Tlepolemus legt sich dieselben bei; 

6. Die Rache der Charite, deren Gemahl Tlepolemus von Thra- 
syllus hinterlistig auf der Jagd ermordet wurde (8, 1 — 14). Die Erzählung 
wird einem Knecht der Charite in den Mund gelegt; 

7. Die grausame Bestrafung eines ehebrecherischen Sklaven 
(8, 22). Die Geschichte hatte Lucius in einem Absteigquartier erfahren; 

8. Die List einer Frau, die ihren Galan in ein Pass ver- 
steckt (9, 5 — 7). Auch diese Skandalgeschichte wurde dem Helden auf 
seiner Reise bekannt; 

9. Das ehebrecherische Liebesabenteuer des Philetaerus, 
der durch eine List sich und den Sklaven Myrmex aus der schwierigen 
Lage befreit (9, 17 — 21). Wir hören die Geschichte aus dem Munde einer 
alten Kupplerin; 

10. Der versteckte Liebhaber, der sich durch Niesen verrät 
(9, 24—25). Ein Mann erzählt die Geschichte seiner Frau; 

11. Die Rache der von ihrem Stiefsohn mit einem Liebes- 
antrag zurückgewiesenen Mutter und ihre Bestrafung (10, 2— 12). 
Diese Schandthat hat der Held wieder auf seiner Reise erlebt; 

12. Die grausen Thaten einer Giftmischerin (10, 23—28). 
Der Held des Romans hatte sie gehört und erzählt sie auch. 

Von den Stücken, welche mit der Handlung selbst verwoben sind, 
werden folgende Zusatz des Apuleius sein: ') 

13. Der Schwank des Pythias (1, 24—25); 

14. Der Tod des boshaften Knaben, der den Esel furchtbar quälte 
(7,24-28); 

') Zweifelhaft ist es, ob die Geschielite vom Ghaldaeer Diophanes (2, 13) hieher gehOrt. 
Vgl. GoLDBACHEB, Zeitschr. f. österr. Gymn. 28, 330; Cbusiüs, Philol. N. F. 1,448. 



ApnleiiiB. 95 

15. Die Geschichte von dem Drachen (8, 18 — 21); 

16. Der Tod des Müllers (9, 30—31); 

17. Der schreckliche Tod der drei Brüder, der sich durch 
Vorzeichen dem Vater ankündet (9, 33 — 38). 

Ausser diesen Einlagen hat Apuleius natürlich mit dem Original 
noch manche Änderungen, die hier nicht ausfuhrlicher behandelt werden 
können, vornehmen müssen. Auch der Einschub neuer Partien machte 
manche Modifikationen in dem Aufbau nötig. Dass es dabei nicht ohne 
Störungen abging, ist begreiflich. 

üeber die Einlagen handeln auf Grand einer sorgfältigen Vergleichnng des 
Pseudolncian und der Metamorohosen Goldbacheb, Zeitschr. f. Gsterr. Gymn. 23 (1872) 
p. 327 und BOroeb in seiner Dissertation, (Rohds, Rhein. Mos. 48, 126, Anm. 1). Vgl. 
auch EvAüT, De Luciano etc., Leipz. 1868 p. 19. 

Die eingelegten Novellen gingen vielfach in die moderne Litterator Aber; 
nr. 8 hat Bocaccio in seinem Decamerone Nov. 2 giom. VII za Grande gelegt (aach La 
Fontaine hat sie benatzt), nr. 10 za ^seiner Nov. 10 giom. V. Eine Aaswahl der Novellen 
ist dentsch von 0. Jahn bearbeitet. (Ans der Altertamsw. p. 89 nr. 1, nr. 3, nr. 6, nr. 9, 
nr. 11.) 

558. Das Märchen von Amor und Psyche. Es war einmal ein 
König und eine Königin, welche drei schöne Töchter hatten; besonders 
die jüngste, Psyche, war so schön, dass alles herbeieilte, um sie anzu- 
staunen und sie wie eine Göttin zu verehren. Darüber ward Venus ganz 
vergessen. Die Göttin sann auf Rache; sie rief ihren Sohn Amor herbei, 
zeigte ihm Psyche und bat ihn, der Nebenbuhlerin Liebe zu einem Un- 
würdigen einzuflössen und sie unglückUch zu machen. Inzwischen hatten 
die Schwestern der Psyche Gatten gefunden; der Psyche, obwohl von allen 
Seiten angestaunt, nahte sich jedoch kein Freier. Der Vater befragt das 
Orakel von Milet, da wird ihm der Bescheid, die Tochter auf einem Felsen 
auszusetzen, hier werde sich ein überirdischer grausamer und gewaltiger 
Freier einstellen. Der Befehl wird traurigen Herzens vollzogen. Ein 
Zephyr kam und brachte Psyche in ein Thal und legte sie auf den Rasen 
nieder. Psyche erblickte einen wunderschönen Palast und begab sich 
hinein. Derselbe ist herrlich eingerichtet, aber kein menschliches Wesen 
lässt sich blicken. Eine Stimme lud sie ein, alles in Freude zu gemessen, 
es deckt sich eine Tafel mit ausgesuchten Speisen und es ertönt wunder- 
volle Musik. Mit einbrechender Nacht sucht Psyche die Ruhestätte auf, 
da naht ihr der unbekannte Bräutigam, mit Tagesanbruch verschwindet 
er wieder. So ging es eine Zeitlang fort. Unterdessen waren die Eltern 
der Psyche in grossen Kummer versunken und die zwei noch übrigen 
Töchter zu ihrem Tröste herbei geeilt. Trotz der eingehenden Warnung 
des unbekannten Gtomahls besteht Psyche darauf, ihre Schwestern zu 
sehen. Der Gatte gewährt ihr die Bitte, mahnt sie aber aufs dringendste, 
sie möge sich nicht durch die Schwestern bestimmen lassen, nach seiner 
Gestalt zu forschen. Die Schwestern werden vom Zephyr gebracht. Sie 
blicken mit Staunen auf die Pracht des Hauses, der Neid regt sich, eine 
der Schwestern erkundigt sich angelegentlich nach dem Gatten der Psyche. 
Diese antwortet verschlagen, beschenkt reichlich die Schwestern und lässt 
sie von dem Zephyr wieder in ihre Heimat zurückbringen. Heimgekommen 
beschliessen sie, ihre Erlebnisse vor ihren Eltern zu verbergen, gegen die 



96 BömiBohe Litteraturgesohiohte. II. Di6 Zeit der Honarchie. 2. Abteilung. 

Schwester aber feindlieh vorzugehen. Der unbekannte Oatte warnt die 
Psyche vor den neidischen Schwestern, allein sie verlangt doch wieder 
nach denselben. Wiederum gibt der Gatte nach. Die Schwestern kommen 
und forschen neuerdings nach dem geheimnisvollen Oemahl. Mit einer 
neuen Lüge entgegnet Psyche und entlässt wiederum reich beschenkt die 
Schwestern. Aber diese, denen die widersprechenden Angaben der Psyche 
nicht entgangen waren, stellen sich schon die nächsten Tage wieder ein 
und bringen der Psyche den Glauben bei, der unbekannte Gemahl sei ein 
Drache. Als Psyche dies hörte, teilt sie den Schwestern mit, dass sie 
ihren Gemahl nicht von Angesicht kenne. Diese fordern Psyche auf, nachts 
den rätselhaften Besuch in listiger Weise zu ermorden und gehen wieder 
auf und davon. Als Psyche nachts die Lampe angezündet, um ihren 
Mordanschlag auszuführen, erblickte sie den holdseligen Liebesgott selbst 
in ihrem Bette liegen und auf dem Boden Köcher und Pfeile. Versunken 
in den Anblick des Gottes Hess sie einen Tropfen öl aus der Lampe auf 
die Schultern des Gottes fallen. Amor erwachte und floh. Psyche hielt 
sich an ihn und wurde eine Zeitlang mit fortgerissen, bis er sich in die 
Lüfte schwang. Von dem Gipfel eines Baumes aus verkündete Amor der 
Psyche, dass Venus ihm befohlen habe, Psyche Liebe zu einem Unwürdigen 
einzuflössen, dass er aber selbst in Liebe zu ihr entbrannt wurde. Es be- 
ginnt jetzt die Leidenszeit der Psyche. Doch nimmt sie zuvor Rache an 
ihren beiden boshaften Schwestern, zu denen sie auf ihrer Wanderschaft 
gelangt; sie teilt jenen das Vorkommnis mit Amor mit, fügt aber bei, 
dass Amor bei der Flucht verkündet habe, er werde sich eine der Schwestern 
zur Gemahlin nehmen. Angelockt durch diese erfreuliche Aussicht begibt 
sich jede der Schwestern auf den Felsen und stürzt sich hinab, wird aber 
diesmal nicht von Zephyr getragen, sondern jämmerlich zerschellt. Während 
Psyche so trostlos umherirrte, lag Amor an der Brandwunde krank dar- 
nieder. Eine Möve verrät der sich im Meere badenden Venus die Liebes- 
geschichte des Amor. Darob ergrimmt die Göttin gewaltig und eilt sofort 
zu Amor; dort bricht sie in heftige Scheltworte und Drohungen gegen den 
jungen Taugenichts aus und stürzt zum Zimmer hinaus. Da begegnen ihr 
Geres und Juno, und sie klagt ihnen ihr Leid; allein diese stellen sich auf 
Seite Amors. Psyche trat auf ihrer Wanderschaft in einen Tempel der 
Geres, trotz ihrer Bitten um Gnade wird sie hinausgewiesen, auch Juno, 
an die sie sich alsdann gewandt hatte, treibt sie aus ihrem Heiligtum. 
In ihrer Hilflosigkeit beschliesst jetzt Psyche sich an die Venus selbst in 
demütiger Bitte zu wenden. Aber die Göttin war unterdessen auf ihrem 
von Tauben gezogenen Wagen zur Burg des Jupiter gefahren; sie erbittet 
sich die Hilfe des Mercur, um die Psyche aufzufinden, welche auch ge- 
währt wird. Mercur erlässt an allen Orten, wohin er kommt, eine öffent- 
liche Aufforderung, den Aufenthaltsort der Psyche anzugeben, und stellt 
eine Belohnung in Aussicht. Alles ist nun bemüht, Psyche aufzusuchen. 
Dieser Vorgang bestärkt Psyche in ihrem Entschluss, sich der Venus selbst 
zu steUen. Mit höhnischer Rede wird sie von Venus empfangen und muss 
schwere körperliche Züchtigung über sich ergehen lassen. Dann werden 
ihr schwere Arbeiten aufgetragen. Zuerst soll sie bis zum Abend einen 



Apnleiiifl. 97 

grossen Haufen von den verschiedensten Früchten auslesen, so dass jede 
Frucht einen besonderen Haufen bildet. Psyche stand da wie gelähmt, 
aber eine Ameise erbarmte sich ihrer, rief alle ihre Schwestern herbei, 
und das fleissige Ameisenvolk liest die einzelnen Früchte des Haufens aus. 
Als Venus abends zurückkam und die Arbeit gethan sah, merkte sie, dass 
hier fremde Hilfe eingegriffen. Sie wirft der Psyche ein Stück Brot vor und 
geht schlafen ; Amor aber liess sie in einem Zimmer streng bewachen, damit 
er nicht mit Psyche zusammentreffen könne. Am andern Tag soll Psyche 
wilden an einem Fluss weidenden Schafen eine Flocke ihres goldenen 
Vliesseö abreissen und der Venus überbringen. Hier half ihr das grüne 
Schilf des Flusses aus der Not. Und so erfüllte die gequälte Psyche auch 
diesen Auftrag glücklich. Aber Venus hatte sich noch nicht in der Bache 
genug gethan; Psyche erhält einen neuen Befehl; sie soll aus einer grausen, 
den stygischen Sumpf speisenden Quelle, an der wilde Drachen lauern, 
eine Urne füllen und diese der Venus überbringen. Es kam ein Adler 
herbei und füllte die Urne. Es folgt die schwerste Arbeit. Bringe diese 
Büchse, befiehlt Venus der Psyche, der Proserpina und bitte sie in meinem 
Namen, in die Büchse einen Teil ihrer Schönheit zu thun, sie habe näm- 
lich, sagt Venus, bei den Wachen am Krankenbett ihres Sohnes viel von 
ihrer Schönheit eingebüsst. Jetzt merkt Psyche, dass es auf ihren Tod 
abgesehen sei und will sich daher von einem Turm herabstürzen. Allein 
der Turm zeigt ihr den gefahrlosen Weg in die Unterwelt und gibt ge- 
naue Verhaltungsmassregeln für die Wanderung; besonders mahnt er sie, 
die Büchse bei der Bückkehr nicht zu öffnen. Psyche folgt den Weisungen 
des Turmes, alles geht gut von statten, aber auf die Oberwelt zurück- 
kehrend, vermag sie die Neugierde nach dem Inhalt der Büchse nicht zu 
bezähmen; sie öfhet dieselbe, aus der Büchse kommt der Schlaf, der sofort 
auf Psyche eindringt; sie föllt nieder und gleicht einer Leiche. Auch 
diesmal naht ihr Hilfe. Der unterdessen geheilte Amor war aus seinem 
Gefängnis entflohen und zu Psyche geeilt. Basch bringt er den Schlaf 
wieder in die Büchse und erweckt durch einen Stich seines Pfeiles die in 
todesähnlichen Schlummer versunkene Psyche, welche die Büchse der 
Venus überbringt. Amor trägt jetzt seine Angelegenheit Jupiter vor, 
welcher ihm seinen Beistand zusicherte. Jupiter berief durch Merkur 
eine öötterversammlung und verkündete feierlich Amors Vermählung mit 
Psyche; um aber die Psyche ebenbürtig zu machen, verlieh er ihr die 
Unsterblichkeit. Sofort wurde das Hochzeitsmahl gefeiert; Psyche genas 
später einer Tochter, die „Wonne* genannt wurde. 

Dass das Mftrchen nicht in seiner Ursprünglichkeit vorliegt, sondern disparate Ele- 
mente in sich aufgenommen hat» zeigt eine genauere Analyse. Es kommen hinzu die stilistisohen 
Zttthaten des Eizählers. Zur Auslegung des Märchens vgl. FbibdlIndbr, Sittengeschichte 
Roms 1 *, 522, iro sich auch eine reichliche Litteratur angefahrt findet Von den modernen 
Bearheitungen hat am meisten Anklang gefunden die von Hamerling. 

569. Charakteristik des Bomans. Wie wir gesehen haben, sind 
die Metamorphosen kein Originalwerk, sondern sie ruhen auf einer grie- 
chischen Vorlage. Aber sie wollen keine blosse Übersetzung sein. Ganz 
abgesehen von einer grösseren Anzahl kleinerer Änderungen, die Apuleius 
mit dem Original vornahm, ging er in weiterem Umfang in zweifacher 

Handbuch der klaas. Altertamswlnenscbaft. VUL 3. Teil. 7 



98 ROmiflclie Idtteratargeschichte. n. Die Zeit der IConarchie. 2. Abteüung. 

Weise über sein Original hinaus. Er betrachtete einmal das griechische 
Werk als einen Rahmen, um noch andere verwandte Erzählungen einzu- 
fügen. Diese Einlagen durchbrechen den einfachen geradlinigen Gang der 
Handlung, wie er in dem griechischen Roman vorlag; die meisten sind 
auch in ganz mechanischer Weise an die Haupterzählung angeschlossen 
worden. Ob Apuleius in diesen Episoden Eigenes oder Fremdes gibt, 
lässt sich natürUch nicht feststellen, wahrscheinlich ist aber, dass ihm 
auch hier fremde Quellen zu Gebote standen. Obwohl also die Kom- 
position des Werks durch diese Einlagen offenbar Schaden gelitten, so 
sind wir doch dem Apuleius für dieselben sehr dankbar; denn er hat da- 
durch neue interessante Züge zu dem Sittengemälde geliefert, welches der 
griechische Verfasser geschaffen. Und diese einschaltende Thätigkeit hat 
uns mit einem der sinnigsten Denkmale des griechischen Geistes, mit dem 
zarten Märchen von Amor und Psyche beschenkt. Aber Apuleius hat 
noch einen zweiten Schritt gethan, das griechische Original zu ver^ 
schlechtem; er liess nämlich am Schluss der Erzählung seine Person an 
die Stelle des Helden treten und flocht seine Lebensschicksale ein. In- 
folgedessen klingt das Ganze mit einem Preis des Isisdienstes aus, und 
die Grundlage des Romans wird verschoben. Während bei dem grie- 
chischen Autor durch die mannigfachen Abenteuer des Helden eine stille 
Satire auf die gesellschaftlichen Zustände der Zeit hindurchblickt, er- 
scheinen bei Apuleius durch den unorganischen Schluss die Leiden des 
Helden als Prüfungen des Lebens, welche in den heiligen Mysterien ihre 
Lösung finden. Allein die künstlerische Einheit ist durch diese Verschiebung 
völlig zerstört; der Held wird eine schwankende Gestalt. 

Sonach ist klar, dass das Original durch die Umarbeitung des Apu- 
leius nicht gewonnen hat, und dass wir also seiner eigenen schöpferischen 
Thätigkeit kein Lob spenden können. Es bleibt also noch der Stil, und 
wir haben zu prüfen, inwieweit hier Apuleius originell ist. Ein Vergleich 
seiner Darstellung mit dem Auszug des Pseudolucian, durch den die 
Eigenschaften des Originals genugsam durchschimmern, belehrt uns, dass 
Apuleius auch auf diesem Gebiete sich nicht mit der Rolle eines blossen 
Übersetzers zufrieden gab, er wollte den Stoff in seinem eigenen Stil re- 
produzieren, er scheute sich daher auch nicht, sein Original zu modi- 
fizieren, wenn es galt, seinen Stil leuchten zu lassen. Besonders die Ge- 
legenheit zur ausführlichen Ausmalung liess er sich nicht entgehen. Wir 
können nicht leugnen, dass er originell zu schreiben versteht. Sein Stil 
steht zwar in scharfem Kontrast zu dem einfachen, schlichten Stil des 
Originals, wie es uns der Auszug Lucians abspiegelt, er ist aufgedunsen 
und überladen, mit alten, abgegriffenen, der Volkssprache entnommenen 
Worten verziert, rhetorisch zugestutzt und poetisch angehaucht; allein 
er ist das passende Gefäss für den Inhalt; er übt auf jeden Leser einen 
eigentümlichen Reiz aus. 

Am Eingang des Romans ruft Apuleius dem Leser zu: Merke auf, 
du wirst dich amüsieren; und wirklich fesselt uns das Werk und hält 
unser Interesse wach bis zum Schluss. Was einst Paul Louis Courier an 
dem Roman bewunderte, dass er uns in den fingierten Geschichten ein 



Apnleius, 99 

treffliches Bild der damaligen Welt, wie sie war, enthüllt, dass er uns 
in scharf gezeichneten Bildern die Kühnheit der Räuber, die Schurkerei 
der Priester, den Übermut der Soldateska, die Grausamkeit der Herren 
gegen ihre Sklaven vorführt, das bewundem auch wir und vergessen 
darüber die Schwächen der Komposition. 

Das elfte Buch. Dass Apnleins in dem letzten Buch seine Person an die des 
griechischen Originals setat, hat er selbst aufs klarste aasgesprochen, indem er plötzlich 
den Helden (Lucios von Korinth) zum Madaurer macht (11, 27 p. 223 £.). Wir finden daher 
eine Reihe von Zügen, die gar nicht auf den Lucius von Korinth passen (zusammengestellt 
von RoBDB, Rh. Mus. 40 [1885] p. 78). Auch ftndert sich der Ton der Rede und wird 
salbungsvoll. 

Die Vorrede. Die Vorrede gibt zuerst Zweck, Inhalt und Form des Buchs 
an; Zweck ist das Vergnügen des Lesers, Inhalt „iigurae fortutMeque hominum in aliaa 
imaginea convers<ie et in ae rursum mutuo nexu refectae**, die Form „sermo Müesius^. 
Dann spricht der Schreiber von seiner Heimat; Athen, Korinth und Sparta nennt er seine 
retua prosapia. In Attika habe er in seiner Jugend die attische Sprache gelernt, bald 
aber sei er nach Rom gekommen und habe sich dort ohne Lehrer und mit vieler Mühe 
in der lateinischen Sprache ausgebildei Er erbittet sich daher die Nachsicht des Lesers, 
wenn derselbe in dem vorliegenden Werk auf Fehler stossen sollte. Bis hieher sollte 
man meinen, Lucius werde als der Sprechende von Apuleius hingestellt, allein durch die 
Schlnssworte ^fabulafn Graeeanteam ineipimtu" wird diese Illusion wieder zerstört; denn 
durch diese Worte sind die Erlebnisse des Lucius als Dichtung charakterisiert und zwar 
als eine Dichtung, die auf Griechenland als ihre Quelle hinweist. Vgl. Ooldbachbb, 
Zeitschr. f. Ostetr. Gymn. 28 (1872) p. 418; Rohdb, Rh. Mus. 40 (1885) p. 81 ; Bübgbb, Hermes 
23 (1888) p. 489. 

Das Eigentum des Apuleius in der Darstellung. Den griechischen Text 
Pseudolucians und des Apuleius vergleicht und stellt nebeneinander Jbnnikg, De Metamor- 
phoaüms L. Apuieii tum de Apuleii epiaodiia tum de iis loeis qui e Lucio Patrenei videntur 
transfati esse, Roetocker Preisschrift 1867. Das dem Apnleins Eigentümliche zeigt sich 
in der Aenderung verschiedener Namen und verschiedener Personalien (sein Lucius ist 
E. B. aus Korinth vgl. Rohdb, Rh. Mus. 40 [1885] p. 76), in dem römischen Kolorit — be- 
sonders aus dem römischen Rechtsleben sind verschiedene Anspielungen entnommen — dann 
in der Ausmalung und der Beschreibung. Vgl. Tbuffbl, Studien und Charakteristiken^ p. 448. 

2. Die Reden. 

560. Die Apologie des Apuleius. Die Verteidigungsrede, welche 
Apuleius in dem oben besprochenen Prozess sprach, schloss sich allem An- 
schein nach genau an die Anklage an. Im Eingang handelt es sich um die 
Persönlichkeit des Apuleius. Auf verschiedenes hatten die Kläger auf- 
merksam gemacht, auf seine körperliche Schönheit, auf seine grosse Rede- 
gewandtheit in den beiden Sprachen, auf seine poetischen Spielereien, aus 
denen sie besonders ein Gedicht über ein Zahnpulver herausgehoben hatten, 
auf seine Liebesgedichte, auf den fleissigen Gebrauch des Spiegels, auf 
die schlechten Yermögensverhältnisse, in denen er sich bei seiner Ankunft 
in Oea befunden haben soll, endlich auf seine Heimat. Auf alle diese 
Punkte geht der Redner ausführlich ein, er ist seiner Sache so sicher, 
dass er den Ton der Überlegenheit den Gegnern gegenüber anschlägt, 
gern ergreift er auch die Gelegenheit, den Anklagepunkten eine philo- 
sophische Seite abzugewinnen. "So fällt bei der Verteidigung wegen des 
Spiegels ein Exkurs über die Ursache der Spiegelung ab, den Angriff auf 
seine Liebesgedichte wehrt er ab durch die Vorführung der platonischen 
Liebesgedichte; der Vorwurf der Armut führt ihn zu einer ausgefeilten 
Lobrede auf dieselbe. Nach dieser Einleitung kommt die Verteidigung 
cor eigentlichen Widerlegung der Anklage, welche dahin geht, Apuleius 
habe Zauberei getrieben und dadurch die Hand der reichen 

7* 






100 BömiBohe Lüteratnrgeschiohte. n. Die Zeit der IConarchie. 2. Abieilang. 

Witwe Aemilia Pudentilla gewonnen. Die Zauberei suchten die 
Ankläger durch folgende Angaben zu erweisen: 1. Apuleius habe Fische 
sich verschafiH;, dieselben seziert und gewisse Teile für seine Zauberei ver- 
wendet; 2. er habe durch geheimnisvolle Mittel bewirkt, dass sein Sklave 
Thallus auf den Boden fiel; 3. das Gleiche sei einer Frau wiederfahren, 
die zu Apuleius geführt worden war; 4. er habe in einem Schweisstuch, 
das bei den Laren des Pontianus gesehen wurde, einen mysteriösen Gegen- 
stand verborgen; 5. er habe im Hause des Junius Grassus im Verein mit 
seinem Freunde Appius Quintianus einen nächtlichen Zauberspuk aufge- 
führt; 6. er habe sich heimlich eine Statuette, eine grause Figur dar- 
stellend, aus ausgesuchtem Holz machen lassen und erweise derselben eine 
ganz besondere Verehrung. 

Auch diese Vorwürfe werden in leichter, spielender Weise erledigt. 
Die Sache mit den Fischen ist insoweit richtig, als Apuleius wie andere 
Gegenstände der Natur, so auch die Fische in den E[reis seiner Studien 
und seiner Schriftstellerei zieht; eine Verwendung der Fische für Liebes- 
zauberei ist natürlich Thorheit. Was die Kläger von dem Hinsinken eines 
Sklaven und einer Frau sagen, erklärt sich einfach dadurch, dass jene 
Personen epileptisch waren. Den verborgenen Gegenstand anlangend, so 
war das etwas, was für den Mysteriendienst notwendig war. Die Ge- 
schichte von dem nächtlichen Zauberspuk beruht auf der Aussage eines 
schlechten, erkauften Zeugen. Harmlos gestaltet sich die Sache der Sta- 
tuette, sie entpuppt sich als ein Merkur. Nachdem der Verfasser in 
dieser Weise gezeigt, dass die Zauberei, deren er beschuldigt wurde, sich 
bei näherem Zusehen in nichts auflöst, geht er noch einen Schritt weiter 
und legt dar, dass, selbst wenn er ein Zauberer wäre, für ihn kein An- 
lass vorlag, bei der Witwe Pudentilla diese Kunst auszuüben. Er erzählt 
daher die Geschichte seiner Heirat und weist die Angriffe zurück, die in 
dieser Hinsicht gegen ihn ausgesprochen worden waren. Die Gegner hatten 
folgende Momente als belastend vorgeführt: 1. die Pudentilla habe, ehe 
sie mit Apuleius bekannt geworden, nicht an das Heiraten gedacht — 
die Verteidigung weist nach, dass dies nicht der Fall war, sondern dass 
schon vorher der Gedanke der Wiederverheiratung aufgeworfen wurde; 
2. es stehe in einem Brief der Pudentilla, Apuleius sei ein Zauberer — 
hier liegt eine Fälschung vor, indem die Ankläger Worte, welche sie den 
Feinden des Apuleius beilegte, ihr zuschrieben; 3. die Pudentilla habe 
als sechzigjährige Frau die neue Ehe eingegangen — eine offenkundige 
Lüge, sie war erst gegen vierzig Jahre alt; 4. es sei die Hochzeit auf 
dem Lande geschlossen worden — es geschah dies, um den unnatürlichen 
Aufwand einzuschränken und sich lästigen FörmUchkeiten zu entziehen; 
5. die Ehe sei von Apuleius lediglich zu dem Zweck eingegangen worden^ 
um für sich ein grosses Vermögen herauszuschlagen — Apuleius zeigt, 
dass er im Gegenteil bei seiner Ehe sein materielles Interesse sehr 
beiseite gesetzt und vielmehr das Interesse seiner Stiefsöhne wahrge- 
nommen habe. 

Dies ist in aller Kürze der Inhalt dieser Bede. Auf den ersten 
Blick erkennt man, dass die Sache, welche die Ankläger vertreten, eine 



Apnleins. 101 

verlorene ist und dass die Gegner selbst, mit denen es Apuleius zu thun 
hat, verächtliche Leute sind. Danach bestimmt sich der Ton der ganzen 
Rede; es ist der Ton des Hohnes und der tiefsten Verachtung, welcher 
durch die ganze Bede sich hindurchzieht. Es ist dem Redner nicht bloss 
darum zu thun, die Nichtigkeit der Anschuldigungen zu erweisen, sondern 
zugleich mit der Auflösung der Lüge ein heiteres Spiel zu treiben; er 
spannt die Kläger so lange als möglich auf die Folter; er geht daher oft 
nicht direkt auf die Sache los, er betrachtet den Gegenstand erst von 
verschiedenen Seiten, er macht eine Digression, er führt nebensächliche 
Momente an, um endlich zu einem entscheidenden Schlage auszuholen. In 
diesem Spielen mit dem Stoff liegt die grosse Anziehung, welche die Rede 
auf uns ausübt. Dass die Rede nicht so gehalten wurde, wie sie vor- 
liegt, kann keinem Zweifel unterliegen. Man sieht, der Redner ist in 
Sicherheit, er kann in vollem Behagen sich gehen lassen, er braucht nicht 
mehr den Ausgang des Prozesses zu fürchten, er hat jetzt nur das Ziel 
vor sich, den Glanz seiner Redekunst zu zeigen. 

Titel der Apologie. Die Subscriptio des Rezensenten Salustius lautet: Apttlei 
Plaionici Madaurensis pro ae aput Cl. Maximum proeona, de magia lib. L 

Zeit der Apologie. Sie wurde vor dem Prokonsul Africas Claudius Maximus 
gehalten (vgl. p. 86 Anm.); sein Prokonsulat kann nur vermutungsweise bestimmt werden ; 
er war der unmittelbare Nachfolger des Lollianus Avitus, der Cos. ord. des Jahres 144 
war. Da nun zwischen dem Konsulat und dem Prokonsulat in den Senatsprovinzen ein 
Zwischenraum von 10—13 Jahren lag, so wftre Lollianus Avitus Prokonsul gewesen 154 
bis 157, folglich Claudius Maximus Prokonsul 155—158 (Rohdx, Rh. Mus. 40 [1885] p. 67). 
Auf die Regierungszeit des Antoninus Pius weist hin c. 85 ante haa imperatoris Fit statuas. 

Der Ort der Gerichtsverhandlung ist Sabrata. Vgl. c. 59 hie Sabratae. 
welche Worte man mit Unrecht ändern wollte. Dass die Rede weder in Karthago noch 
in Oea gehalten wurde, geht schon daraus hervor, dass Apuleius sich in einem „hoapUium" auf- 
holt (c. 63) und dass er von Karthago (c. 96) und von Oea (c. 59) so spricht, dass man sieht, er be- 
findet sich nicht dort. In Sabrata war also ein convetUuSf in dem der seine Provinz bereisende 
Prokonsul Gerichtstage abhielt. Vgl. Bossoha zur Apol. p. 525 (Hildebband 1 p. XLI). 

Gliederung der Rede. Der Eingang der Klage lautete (c. 4) aeciMamua apud 
t€ philosophum formosum et tam graece quam latine disertiasimum; die Kläger gingen also 
zuerst auf die persönlichen Verhältnisse ein, und der erste Teil der Apologie bezieht sich 
auch auf dieselben. Mit c. 25 beginnt der eigentliche Gegenstand der Rede: aggredior iam 
ad ipaum crimen magiae. Nach einer allgemeinen Betrachtung der magia macht er folgende 
diviaio (c. 28): primum argumenta eorum eonvincam ac refutabo, nihil ea ad magiam per^ 
tinere: dein etai maxime magua forem^ tarnen oatendam neque cauaam ullam neque oc- 
caaionem fuiaae, ut me in aliquo maUficio experirentur . ibi etiam de falaa invidia deque 
epiatulia mulieria perperam Uctia et nequiua interpretatia deque matrimonio meo ac Pu- 
dentiUae diaputabo, idque a me auaceptum officii gratia quam lucri cauaa docebo. Der erste 
Teil, der jede Handlung der Zauberei ableugnet, reicht von c. 29—65; der zweite 
Teil, welcher jegliches Motiv für Zauberei bestreitet, von c. 66 bis Schluss. 

561. Die Florida des Apuleius. Seinen grossen Ruhm verdankt 
Apuleius den Prunkreden, die er auf seinen Wanderungen in verschiedenen 
Städten hielt. Diese Vorträge führten ihm ein grosses Publikum zu und 
trugen ihm die reichsten Auszeichnungen, Statuen und Ehrendekrete ein 
(p. 24 E). Von diesen Reden muss es eine Sammlung gegeben habefi, welche 
leider nur in Auszügen auf uns gekommen ist. Ein Unbekannter in un- 
bekannter Zeit hatte diese Sammlung vor sich, las in derselben und schrieb 
sich Stellen, welche ihm besonders gefielen, heraus. Durch seine Excerpte 
werden wir in den Stand gesetzt, uns auch von dieser Seite der apuleischen 
Schriftstellerei ein Bild zu machen. Ein Prinzip, welches den Epitomator 
bei der Auswahl geleitet hätte, ist nicht nachzuweisen. In Bezug auf den 



102 BömiBche LitteratnrgeBohiohte. IL Di9 Zeit der Konarohie. 2. AbteUnng. 



Umfang sind die Auszüge sehr ungleich. Bald sind es einzehie Stellen, 
bald grössere Partien. Der Epitomator ging sehr gewissenhaft zu Werk, 
er erlaubte sich keine Änderungen, sondern gab die ausgehobenen Stellen 
lieber lückenhaft; dies ist besonders am Eingang der Ezcerpte der Fall. Auf 
diese Weise brachte er 23 Stücke zusammen, die er Florida nannte. Den 
Titel wählte er, nicht um auf eine blühende Diktion hinzuweisen, sondern 
er meinte damit das, was man heutzutage „Lichtstrahlen'' nennt, d. h. er 
bezeichnete damit bedeutende Stücke. Merkwürdigerweise sind die 
23 Stücke in vier Bücher eingeteilt, so zwar dass Stück 1 — 9 a das erste, 
9 b— 15 das zweite, 15—17 das dritte und 18—23 das vierte Buch um- 
fassen. Diese Bucheinteilung ist bei dem geringen Umfang, den die Aus- 
züge einnehmen, ein Unding; da man sich kaum einen genügenden Grund 
denken kann, aus dem erst ein späterer Leser die 23 Stücke in den 
Rahmen von vier Büchern gebracht, werden wir vielmehr annehmen 
müssen, dass der Epitomator die Bücherzahl seiner Vorlage beibehielt. 
Danach hätte also die Sammlung der Apuleischen Deklamationen vier 
Bücher umfasst. Unter den einzelnen Stücken ziehen zunächst die unsere 
Aufinerksamkeit auf sich, welche eine annähernde Datierung zulassen. 
Nr. 9 gedenkt des aus der Provinz abgehenden Prokonsul Severianus, 
der seines Amtes, wie es scheint, zwischen 161 und 169, d. h. in der 
Regierungszeit von M. Aurel und L. Yerus, gewaltet hat.^) Im 16. Aus- 
schnitt haben wir den Anfang der Rede, in welcher Apuleius für die ihm 
während seiner Abwesenheit von den Karthagern zuerkannte Statue 
dankte ; er gedenkt dabei des für diese Ehrenbezeugung besonders thätigen 
Aemilianus, seines ehemaligen Studiengenossen, der jetzt als Eonsular die 
nächste Anwartschaft auf das Prokonsulat Afrikas hat; Konsul suff. war 
aber Aemilianus im Jahre 156. Das Fragment nr. 17 redet den Pro- 
konsul Scipio Orfitus an, auf den er ein Gedicht gemacht hatte; Scipio 
Orfitus bekleidete sein Amt im Jahre 163.*) Wir wenden uns zu den 
nicht datierbaren Stücken. Nr. 18 beginnt mit einer Lobrede auf die 
Karthager und leitet einen Hymnus auf Aesculapius ein, welchen er den 
Karthagern vortragen will. Im Stück 21 haben wir den Anfang einer 
Rede, die Apuleius in einer Stadt, die er auf seiner Reise berührte, hielt; 
auch nr. 1 ist einer solchen Wanderrede entnommen. Tritt in diesen 
Stücken der Charakter der Rede klar und deutlich hervor, so zeigen 
andere Stücke einen verschiedenen Charakter; wir finden Äusserungen be- 
rühmter Männer, wie nr. 2 (des Sokrates), nr. 4 (des Flötenspielers 
Antigenidas), nr. 7 (des Königs Alexander); Erzählungen wie nr. 19 
über den Arzt Asclepiades, nr. 22 und 14 über den Cjniker Crates, nr. 3 
über Marsyas' Wettstreit mit Apollo; Ethnographisches wie nr. 6 über 
die Inder; Geographisches wie nr. 15 über Samos; Naturhistorisches 
wie nr. 12 über den Papagei. Man könnte auf den ersten Blick daran 
zweifeln, ob auch diese Ausschnitte Deklamationen angehören. Allein wenn 
man sieht, wie in Stücke, deren rednerischer Charakter nicht zweifelhaft 



*) Denn Apuleins redet p. 13 von dem 
favor Caesarum (vgL Bohdb p. 71) in Bezug 



auf den Sohn des Prokonsnl, Honoiinns. 
») CJL. VIII 24. 



Apuleiiia. 103 

sein kann, Fremdartiges eingeschoben wird, so wird man auch diese Pro- 
dukte als Bestandteile von Deklamationen erachten.^) Diese Deklamationen 
hatten ja nicht den Zweck, die Zuhörer fQr irgend eine Idee zu gewinnen, 
sondern dieselben lediglich durch die Kunst der Darstellung zu unter- 
halten. So führt Apuleius in einer Rede (9) aus, dass er in seinen Hervor- 
bringungen die grösste Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit üben müsse, und 
das sei nicht leicht, da er mehr Geistiges hervorbringe als seiner Zeit 
der berühmte Hippias Mechanisches; und nun führt er in zierlicher Weise 
die Dinge auf, die der Sophist sich selbst angefertigt haben wollte. In 
einer anderen Rede (16) wird mit Haaren der Tod des Komikers Philemon 
herbeigezogen, um ein zierliches Kabinetstück zu erhalten; in nr. 18 lässt 
er in äusserst losem Anschluss an den Gedanken „ich will euch den ge- 
bührenden Lohn oder Dank spenden'' zwei Geschichten folgen, von denen 
die erste den bekannten Streit des Protagoras mit seinem Schüler Euathlus 
wegen des bedungenen Honorars erzählt, die andere das Gegenbild gibt, 
welche noble Auffassung vom Honorar der Milesier Thaies hatte. Die 
rhetorischen Künsteleien sind sehr gross in den Fragmenten, und daher 
machen sie im Ganzen keinen besonders erfreulichen Eindruck, sie be- 
lehren uns aber, dass Apuleius seinen Stil je nach der Litteraturgattung 
zu variieren wusste. 

üeber die Entstehung der Florida sind folgende Ansichten aufge- 
stellt worden: Oudendorp, dem Bernhardy folgt, hielt die Florida fQr Gemeinplääe, 
welche Apuleius fftr seine zu improvisierenden Vorträge vorher ausgearbeitet hatte ; 
allein dass in der Sammlung nicht bloss loci eommunes, sondern auch Teüe von Reden 
mit ganz spezieUen Thematen sich finden, zeigt ein flüchtiger Blick in dieselbe. Hilde- 
brand (p. aLII) meint, sich auf nr. 9 p. 10,8 E stützend, dass die Excerpte beim Vor- 
trag der Deklamationen stenographisch aufgenommen wurden. AUein das SUel des Steno- 
graphen ist nicht der Teil, sondern das Ganze. Krüger behauptet, dass Ai)uleius eine 
Sammlung von Stücken veranstaltet habe, die er Florida nannte, weil sie geeignet 
waren , den blühenden Stil zu veranschaulichen, und dass diese Sammlung erst 
spftterhin in ein Excerpt gebracht wurde. Allein die hier statuierte Bedeutung von Florida 
.Beispiele für einen blühenden Stil* Ifisst sich nicht nachweisen. Goldbacher hält die 
Floriaa für Excerpte aus der Sammlung der apuleischen Deklamationen, der Titel .Florida* 
rühre von dem Epitomator her, nicht aber die Einteilung in vier Bücher, welche erst in 
späterer Zeit erfolgt sei. Rohde (Rhein. Mus. 40, 73 Anm. 4) stellt folgende Hypothese 
auf: .Es scheint, dass Apuleius aus dem reichen Vorrat seiner sophistischen Vorträge teils 
ganze Reden, teils (wie in o. III. VI etc.) nur einzelne abgerundete Abschnitte ausgewählt 
und deren bunte Zusammenstellung Florida genannt hat. — Nachträglich mag dann ein 
Excerptor über die Florida sich gemacht und (mit Beibehaltung der gewiss von Apuleius 
selbst angeordneten Einteilung in vier Bücher, die nun freilich so schmal geworden sind, 
wie die Bücher des Trogus in dem Auszug des Justin) die eigene Auswahl des Apuleius 
weiter verkürzt haben; welches Excerpt uns wiederum in nicht ganz unversehrtem Zu- 
stande erhalten ist." Dass Apuleius selbst seine Reden Florida genannt, scheint mir un- 
wahrscheinlich; auch liegt kein genügender Grund vor, schon Apuleius eine Auswahl von 
Abschnitten aus seinen Reden vornehmen zu lassen. 

Ueber zwei Stücke, die jetzt vor de deo Socratis stehen, vgl. p. 107. 

Litteratur. Goldbaoheb, De L. Apulei Madaurensia Flaridorum — origine et 
loeis quibusdam corruptis, Leipz. 1867; Jblitsch, De Apulei Flaridis, Breslau 1868 (über 
die Sprache). 

3. Die philosophischen Schriften. 

562. De Piatone et eius dogmate. Dass Apuleius, der Platoniker 
sein wollte, sich mit dem Studium seines Meisters abgegeben, ist von vorn- 



*) Evident ist das z. B. im Stück 15 (über Samos p. 19, 20), wo „ab omnibus tuia 
anieeeswribus^ die Rede anzeigt. 



104 Bömisohe Litteraiurgesohiohte. IL Die Zeit der IConarohie. 8. Abteilung. 

herein zu erwarten; er fühlte aber auch das Bedürfnis, die Lehre des 
grossen Philosophen in kurzer Fassung dem Publikum vorzutragen. Er 
beginnt sofort mit dem Leben Piatos, das schon deutlich zeigt, dass Plato 
bereits dem Reich des Mythus angehörte; dann wendet er sich zur Dar- 
stellung seiner Philosophie, welche der Meister zuerst dreifach gegliedert 
habe, indem er die Naturphilosophie, die Ethik und die Dia- 
lektik scharf unterschied und sie in einen organischen Zusammenhang 
brachte. Es beginnt nun die Darstellung der philosophia naturalis, 
welche über die Prinzipien alles Seins sich verbreitet. Dieser Prinzipien 
sind drei, Gott, die Materie und die Ideen. Der Reihe nach werden die- 
selben kurz erläutert. Dann erörtert er die vier Elemente, Feuer, Wasser, 
Erde, Luft, welche die Welt konstituieren, und schliesst daran eine Be- 
trachtung der Welt. Es folgt die Darlegung der Weltseele, der Zeit, die 
durch die Himmelskörper bedingt ist, der vier Gruppen, in welche die 
Geschöpfe zerfallen, der dreifachen Stufenreihe des Göttlichen. Hierauf 
wendet sich die Rede zur Vorsehung und dem Geschick, um daran die 
Gliederung der menschlichen Seele nach den bekannten drei Teüen und 
die Lehre von den Sinnen und vom Bau des menschlichen Leibes zu reihen. 
Der Autor kehrt zu den drei Teilen der Seele zurück und zeigt, dass nur 
in dem Fall, wenn der vernünftige Teil der Seele die Herrschaft habe, 
die Seele sich in gesundem Zustand befinde; zuletzt wird noch das rich- 
tige Verhältnis des Körpers zur Seele dargethan. Das Buch bricht mit 
einem unvollständigen Satz ab. 

Das zweite Buch wendet sich an einen Faustinus; es scheint also, 
dass es für sich herausgegeben wurde. Hier wird die Moralphilosophie 
nach Plato abgehandelt. Die Darstellung beginnt mit der Lehre von den 
Gütern und geht dann auf die zu bildenden Menschen über, welche in 
ausgezeichnete, schlechte und in der Mitte stehende geteilt werden, wie 
auch zwischen den Tugenden und Lastern Mittelstufen angenonmien werden. 
Hierauf legt der Autor die Entstehung des Lasters dar und stellt ihm 
die Tugend gegenüber, deren einzelne Teile vorgeführt werden. Es 
folgen Betrachtungen über die Rhetorik und die bürgerliche Kunst. 
Alsdann betrachtet Apuleius das Gute und das Böse nach der Seite seines 
Zweckes und kommt dabei auch auf die Freundschaft und auf die Liebe. 
Mit dem 15. Kapitel hebt eine neue Gedankenreihe an, es werden vier 
Gattungen schlechter Menschen erörtert und die Notwendigkeit ihrer Be- 
strafung. Nachdem der Gedanke seinen Ausdruck gefunden, dass unter 
den Menschen der Mittelschlag der häufigste ist, zeichnet er das Bild des 
vollkommenen Weisen. Der letzte Teil will die Ansichten Piatos über 
den Staat geben und zwar zuerst über den voUkonunenen, idealen, dann 
über den der Wirklichkeit angepassten. 

Der Ankündigung gemäss sollten die drei Teile der Philosophie im 
Sinne Piatos behandelt werden; da im ersten Buch die Naturphilosophie, 
im zweiten die Moralphilosophie ihre Darstellung gefunden, ist noch der 
dritte Teil übrig, die Dialektik. Allein in den Handschriften, welche 
die zwei Bücher der platonischen Lehre enthalten, fehlt dieser Teil. Da- 
gegen ist getrennt von denselben ein Traktat unter des Apuleius' Namen 



▲pnleiaB. 105 

überKefert mit dem Titel nsQi iQfirjvsfag^ ein Abriss der formalen Logik, 
und dieser Traktat wurde später willkürlich mit den zwei Büchern de 
PkUone verbunden. Allein es ist ganz unmöglich, dass diese Schrift das 
dritte Buch des genannten Werkes ist, denn man braucht nur den Ein- 
gang zu lesen, so erkennt man sofort, dass der Traktat nicht im Zusammen- 
hang mit den zwei Büchern de Piatone gedacht ist; schon der Umstand, 
dass der Verfasser es für notwendig ansieht, wieder die Dreiteilung der 
Philosophie vorzunehmen und sie noch den j,plerique" zuzuschreiben, ist 
ein deutlicher Beweis, dass das Werkchen ftb* sich dastehen will. Dafür 
spricht auch, dass die Darstellung eine ganz andere ist als in den zwei 
Büchern; dort bleibt der Autor seinem Vorsatz, über Plato zu berichten, 
treu und führt daher seine Sätze als Äusserungen Piatos an; in der Mono- 
graphie dagegen ist durchweg die direkte Darstellung herrschend, von 
einem Bericht nach Plato ist keine Bede mehr und kann auch keine Rede 
sein, denn die Lehren, welche hier vorgetragen werden, sind keine plato- 
nischen, sondern peripatetische und stoische. Es bliebe also nur noch 
übrig, dass Apuleius nicht zur Ergänzung der zwei Bücher über die 
platonische Philosophie, sondern unabhängig davon die Schrift geschrieben. 
Allein auch diese Annahme ist wenig wahrscheinlich; denn schrieb er die 
Monographie später, so musste er auf die vorhandene Lücke des plato- 
nischen Werkes aufmerksam machen; schrieb er früher, so musste er 
wissen, dass er in seinem Werk über Plato dieses dritte Buch nicht in 
der Weise wie die zwei ersten schreiben konnte, da er ja nicht im Stande 
war, hier Plato selbst reden zu lassen, er musste daher die indirekte Dar- 
stellung jener zwei Bücher aufgeben, wenn er ein einheitliches Werk 
schaffen wollte. Wir werden daher das Buch für unterschoben erachten 
und zwar mag den Anlass hiezu gegeben haben, dass (vielleicht zufällig) 
der Verfasser den Namen des Apuleius als Beispiel gebraucht (vgl. 
p. 261, 10 6.). Als ein Werk des Apuleius kannte das Buch schon Gas- 
siodor; es spielte im Mittelalter keine geringe Rolle. ' 

Die Schrift de Piatone et eins dogmate ist also nicht vollendet. Wir 
werden uns kaum irren, wenn wir die Ursache der Nichtvollendung darin 
suchen, dass Apuleius selbst einsah, dass er den Schwierigkeiten nicht 
gewachsen war. Die zwei Bücher, die uns vorliegen, zeigen, dass Apuleius 
niemals gelernt hatte, philosophisch zu denken. Eine geordnete folge- 
richtige Gedankenentwicklung sucht man vergeblich; Schärfe der Begriffe 
ist ihm unbekannt. Apuleius nennt sich einen platonischen Philosophen, 
allein das Verständnis der platonischen Philosophie ist ihm völlig fremd 
geblieben. Es ist ein trübes öemisch aus platonischen und späteren Lehren, 
das uns hier geboten wird. 

Gliederang des Werks. 1, 4 quae eonsuUa, quae doyfAata graeee licet dici, ad 
ultlUaUm hominum vivendique ei inteUegendi ae loquendi ratumem extuUrit, hine ordiemur. 
nam quoniatn tres partes phüoaaphiae conffruere tnter se primtM obtinuit, noa quoque sepa^ 
ratim dieemus de singulia a naturaJi philoaophia fctcietUea exordium. 

Das erste Bach gibt zuerst das Leben Piatos. Hier beruft er sich einmal (c. 2) 
auf Speueippus domestieis doeumentis instructus. Sonderbar ist es, wie über die Reisen 
gewiflsermassen nachträglich gehandelt wird : eeterutn tree ad Siciliam adventua malt quidem 
carpunt divereie opinionibtts dieserentes, also Plato wird verteidigt (Stbinhabt, Piatons Leben, 
Leipz. 1878 p. 31); die phüaaaphia naiuralie wird hauptsächlich nach dem Timaeus dargestellt. 



106 BömiBohe LitteratnrgeBohiohte. IL Die Zeit der IConaroliie. 8. Abteilang. 

üeber das zweite Bach vgl. H. y. Elbist, De L. ApulH Mad. libro gut inaeribüur 
de phüosophia tnorali, Gott. Diss. 1874, der eine griechische Vorlage ans der iüngeren aka- 
demischen Schule annimmt (p. 42). Ich bezweifle das, weil sich sonst die Unklarheit schwer 
erklären liesse. 

Die Monographie negi igfArjuBlag, Cassiodor. de artibus oc disetpUnis litte-' 
ramm c. 111 569 (p. 1173 A ed. Migne): has formuJaa caiegoricorum syUogiamarum qui 
plene nosse desiderat, librum legat, qui inscribitur nsgi iQ/zfjveias, Im Sangallensis 64 
sind dem Titel die Worte beigef&gt: in quibua continentur cathegoriei {sie) syUogiuni 
vgl. Cassiodor. 1. c. 583 p. 1203 A ed. Migne: Apuleius vero Madaureniis sjfüogismas 
categorico8 hreviter enodavU. 

Der Anfang der Monographie lautet : Studium aapientiiie, quod phÜaeophiam 
vocamus, pleriaque videtur free speeies aeu partes habere: naturalem, maralem et, de qua 
nunc dicere proposui, rationalem, qua continetur ars dieserendi, Ueber den Inhalt der 
Schrift vgl. Pbantl, Gesch. der Logik 1, 578. 

Die Echtheits frage. Zum erstenmal wurde die Monographie im Jahre 1606 in 
der Basler Ausgabe des Apuleius von Wowbbiüs mit den zwei BQohern de Piatone ver- 
bunden. Die späteren Herausgeber folgten dieser Anordnung, unter ihnen auch Hilds- 
BBAND, der aber die Monographie für unecht (I p. XL[V) und für das Produkt eines Gram- 
matikers hielt, welcher die von Apuleius gelassene Lflcke ausfüllen wollte. An Hildebrand 
schlössen sich an Goldbacheb, Wiener Studien 7 (1885) p. 253, Beokbb, Studia Apuleiana, 
Berl. 1879 p. 8, Teüffbl. Ffir ein Werk des Apuleius halten die Monographie Stahb, 
Aristoteles bei den Römern p. 159, 0. Jahn, Berichte der sächs. Gesellsch. der Wissensch. 
PhiloLhist. £1. II (1850) p. 282, Pbaktl, Gesch. der Logik 1, 579, Mbiss, Apuleius nB^l 
igfitjyeujy, LOrrach 1886 p. 4, jedoch mit der Differenz, dass Stahr (p. 160) und 0. Jahn 
die Verbindung mit den Bfichem de Piatone leugnen, Prantl (1. c. p. 579 Anm. 1) und 
Meiss (p. 8) dagegen den Traktat fOr das dritte Buch des Werkes de Piatone halten. 

Die Ueberlieferung beruht auf Bambergensis s. IX, Leidensis 25 s. X, Parisinos 
6288 s. X, Parisinus 7780 s. XI, Sangallensis 64 s. IX, Camutensis 54 s. IX (in Ghartres), 
Gamutensis 92 s. IX, Petavianus s. Leidensis 139 B s. Xf, Parisinus 6389 s. XII u. a. (vgl. 
Mbiss p. 9). ,Der Text muss sich in erster Linie auf Camut 54, Camui 92 und Peta- 
vianus s. Leidensis stützen* (p. 12 Mbiss). Bei Goldbachbb (p. 256) kommen noch hinzu 
Parisinus 6638 s. IX, Parisinns 7730 s. XI. 

Ausgaben. Editio princeps des Petrus Golvius 1588 nach einem apogr, des Franc. 
Nansius. Zum erstenmal zog die Gamutenses herbei Julianus Floridus (1688), die Leidenses 
Gudendorp. Neuere Ausgaben: von Goldbachbb, Wiener Studien 7 (1885) p. 259—277, 
Mbiss, Apuleius negl kqfAi^yeuav, LOrrach 1886 (Schulprogramm). 

563. De deo Socratis. Die Schrift ist eine rhetorisch gehaltene 
Abhandlung über die Dämonen. Der Autor sucht vor allem ihre Exi- 
stenz zu erweisen und stützt sich hiebei auf folgende Erwägungen: Die 
Oötter und die Menschen sind nämlich durch eine grosse Kluft voneinander 
getrennt, jene wohnen im Himmel, diese auf der Erde. Sie sind aber 
auch in ihrem Wesen voneinander verschieden, und die Götter müssen frei 
bleiben von menschlicher Berührung. Dies führt darauf, dass zwischen 
Göttern und Menschen sich Mittelwesen befinden, welche, wie sie den 
Baum zwischen Himmel und Erde einnehmen, so auch das Band zwischen 
Göttern und Menschen herstellen. Auch in ihren Eigenschaften nehmen 
die Dämonen eine Mittelstellung zwischen den Göttern und den Menschen 
ein. Wie die Götter sind sie unsterblich, aber sie unterscheiden sich von 
ihnen dadurch, dass sie den Leidenschaften unterworfen sind; in dieser Be- 
ziehung sind sie den Menschen gleich. Ihr Leib ist ein ätherischer und trennt 
sie sowohl von den Gittern als von den Menschen. Das den Dämonen 
übertragene Amt ist der Botendienst zwischen den beiden Welten, sie 
übermitteln Gebete und Opfer der Menschen den Göttern, andererseits 
vermitteln sie die göttliche Einwirkung auf die Menschen. Die Weis- 
sagungen sind ihr Werk. Unter den Dämonen sind zwei Hauptgattungen 
zu unterscheiden, es gibt Dämonen, welche mit den Menschen in Be- 



Apnleins. 107 

Ziehungen stehen; so kann man in gewissem Sinn auch den menschlichen 
Geist einen Dämon nennen, der, so lange er mit dem menschlichen Leib ver- 
bunden ist, Genius heisst, nach der Trennung in die Klasse der Lemures tritt. 
Viel höher stehen die Dämonen, welche niemals durch einen menschlichen 
Leib gefesselt waren. Zu diesen rechnet der Autor den einem jeden 
Menschen beigegebenen Schutzgeist, der das gesamte Leben desselben 
überwacht. Für einen solchen hält er auch das sog. Dämonion des Sokrates, 
das aber nur abwehrend, nicht instigierend auftrat, da der weise Athener 
keiner Anregung bedurfte. Zum Schluss folgt eine nur lose angeschlossene 
Ermahnung, dem Beispiel des Sokrates zu folgen und die Pflege des 
Geistes nicht hintanzusetzen, d. h. seinen Dämon zu pflegen. Dies geschieht 
am besten durch das Studium der Philosophie. Die Weisheit ist der beste 
Schatz für das Leben. 

Die Natur der Dftmonen. c. 14 (16, 18 G.) cUtemonea sunt genere animdlia, ingenio 
rationabiUa, animo passiva, corpore oMa, tempore cuterna, ex his quinque, quae com- 
memoravi, iria a principio eadem quae nobis, quartutn proprium, poetremum commune cum 
dii8 inmortaXibua habent, sed differunt ab his paasione. quae propterea passiva non 
absurde, ut arbiträr, nominavi, quod sunt iisdem, quibus nos, perturbationibus mentis 
obnaxii, Kritik nnd Erläuterung der Lehre gibt Augustin im 8. und 9. B. de civitate dei, 

Quelle. Dass der Autor griechischen Quellen folgt, verrät sich durch die 
Aensserung: id potius praestiterit latine dissertare. Klbist, De L. Apulei libro qui in- 
seribitur de phüosophia morali, GOtt. Diss. 1874 p. 42: ceterum Warn quoque eommentationem, 
quae est de deo Socratis, ex Graeeo fönte repetitam esse, est verisimiUimum, cum ea, quae 
hie proferuntur, plane congruant cum Timaei Locri, Plutarchi, Maximi Tgrii sententiis. 

Litterarisoher Charakter der Schrift. Die Abhandlung streift an den Cha- 
rakter der Rede vgl. c. 5 (9, 18 G.)* Quid igitur, orator, obiecerit aliqui. Daher finden wir 
einigemal Anreden in der zweiten Person, im Plural: c. 16 (19, 19 G.) vos omnes, qui hanc 
Ffatonis divinam sententiam nie interprete auscultaiis; c. 20 (23, 6 G.) credo plerosque vestrum, 
hoc, quod commodo dixi, cunetantius credere; c. 11 (15, 4 G.) si paulisper operiamini. 
Aber auch im Singular c. 24 (27, 4 G.) nee aliud te in eodem ülixe Homerus docet; c. 22 
(24, 17 G.) invenias; c. 17 (20, 14 G.) an non — cernis. 

Der sog. Prologus. Der Schrift de deo gehen zwei Fragmente voraus. Das 
erste ist die Einleitung zu einer Stegreifrede; der Redner gibt zuerst dem Gef&hl der 
Furcht Ausdruck, sein Versuch konnte missfallen. Allein damit ihn die Zuhörer von allen 
Seiten kennen lernen, müsse er sich auch als Stegreifredner zeigen, er hofiPt aber auch auf 
grössere Nachsicht im Urteil; in zierlicher Weise setzt er das Wesen der Stegreifrede 
auseinander und vergleicht sie mit einem unbehauenen Steine. Zuletzt benutzt er zur 
Kennzeichnung seiner Lage die äsopische Fabel vom Fuchs und Raben, welche er als 
kleines Kabinetsstück vorfi&hrt; er meint, es könne ihm gehen, wie dem Raben, er könne 
seinen rednerischen Ruhm, den er sich durch seine sorgfältig präparierten Reden erworben 
habe, durch die improvisierte wieder verlieren. Das Fragment ist ein wahres Muster des 
gewundenen künstlichen Stils des Apuleius. Das zweite ganz kurze Fragment ist als 
Einleitung zur lateinischen Fortsetzung eines in griechischer Sprache begonnenen 
Themas gedacht. Der Redner will seinem Versprechen gemäss lateinisch fortfahren, weil 
jetzt die Hälfte des Themas griechisch behandelt ist. Es ist ersichtlich, dass das zweite 
Fragment nicht zur Einleitung der Schrift de deo Socratis bestimmt sein kann; denn diese 
behandelt den Gegenstand ab ovo imd kann keineswegs als der zweite Teil einer Erörte- 
rung angesehen werden. Aber auch das erste Fragment kann nicht den Prolog zu de deo 
Socratis gebildet haben, er sagt zwar c. 11 (15,4 G.) versum graecum, si paulisper ope- 
riamini, latine enuntiabo und will demnach den Glauben erwecken, als ob er die Rede 
improvisierte. Allein trotzdem ist nicht glaublich, dass er einer direkt ausgesprochenen 
Auündigung der Improvisation dieses zwischen Rede und Abhandlung sich bewegende 
Stück folgen liess. Auch ist zu bedenken, dass ja dies Fragment durch ein anderes, welches 
sich nicht auf de deo Socratis beziehen kann, von dieser Schrift getrennt ist. Es ist also 
die Anuahme kaum abzuweisen, dass die beiden Stücke noch zu den Florida gehörten. 
Darauf weiat auch die Üeberlieferung hin. Die eine Quelle endet mit den Florida, wichtige 
Zeugen der zweiten fangen mit de deo Socratis an. Es folgte also in dem Archetypus, 
der noch aUe Schriften des Apuleius in sich schloss, de deo Socratis auf die Florida. AI9 



108 BOmisphe litteratnrgesohiohte. n. Die Zeit der Konarohie. 8. Abteilnng, 



die Scheidung in zwei Bftnde eintrat, wnrden die Fragmente an unrichtiger Stelle eingesetet 
(GoLDBAGHKB, Zeitschr. f. österr. Gymn. 9 [1868] p. 802). 

564. De mundo. In die aristotelischen Schriften ist eine eingereiht, 
welche den Titel negl x6<TfjLov, über das Weltall, führt. Die Abhandlung 
beginnt mit einem Schreiben an einen Alexander, welcher am Schluss als 
rJYSfioiv ccQKXtog bezeichnet wird. Die Schrift war namenlos überliefert; 
als man auf den Alexander des Dedikationsschreibens stiess, dachte man 
an Alexander den Grossen, und der Gedanke an Alexander den Grossen 
führte weiterhin auf seinen Lehrer, Aristoteles. So wurde der anonymen 
Schrift der Name des berühmten Philosophen vorgesetzt. Allein schon 
der Inhalt derselben weist die Autorschaft des Aristoteles zurück; denn 
es ist nicht mehr die Philosophie des Aristoteles, auf der das Ganze ruht, 
sondern es sind zu den peripatetischen Elementen noch stoische ge- 
kommen. So ist Posidonius benutzt. *) Wir müssen daher das Werk einer 
viel späteren Zeit zuweisen.*) Dieselbe genauer abzugrenzen wird uns 
ermöglicht, wenn wir die Person des rJYefioiv Alexander näher bestimmen. 
Es wurden mehrere Alexander in Frage gezogen, am meisten Wahrschein- 
Uchkeit hat der Alexander, welcher Prokurator von Judaea (46 — 48 n. Ch.) 
und pr<iefectu8 Aegypti seit 67 n. Ch. war, Tiberius Julius Alexander,*) 
der Sohn des Alabarchen Alexandres in Alexandria und Neflfe des Schrift- 
stellers Philo, der Generalstabschef Corbulos im Partherkrieg; auf ihn 
passt das Prädikat rJY^fKov vortrefflich. 

Die Schrift ist nicht ohne Interesse und anmutig zu lesen. Es war 
daher kein unebener Gedanke, dass ein Römer diese Schrift lateinisch be- 
arbeitete, um sie grösseren Kreisen seiner Landsleute zugänglich zu 
machen. Die Überlieferung nennt uns als diesen Römer Apuleius, und 
wir haben keinen ausreichenden Grund, diese Überlieferung als eine un- 
richtige hinzustellen. Mit derselben steht das Zeugnis Augustins im Ein- 
klang, welcher die Übersetzung unter dem Namen des Apuleius citiert.^) 
Freilich erscheint uns Apuleius mit dieser Arbeit in keinem günstigen 
Licht. Es verdriesst uns, dass er nicht ehrlich zu Werke ging; er sucht 
den Anschein zu erwecken, als ob er ein eigenes Werk gebe. So benutzt 
er gleich den Brief des Originals an Alexander, indem er für Alexander 
den Namen des Faustinus einsetzt, offenbar desselben, an den er das 
zweite Buch de Piatone richtet. Am Schluss des Briefes macht er als 
seine Quellen Aristoteles und Theophrast namhaft, während es doch nicht 
zweifelhaft sein kann, dass er ledigUch den Pseudoaristoteles über das 
Weltall bearbeitet hat, und dass er einen Abschnitt über die Winde aus 



>) Bbbok, Rhein. Mus. 37, 51 ; Zbller, 
Philos. der Griech. 8, 1 > p. 639. 

») Schon Proclus zum Tim. 41 e (p. 784, 6 
Schneider) hat Zweifel an der Autorschaft 
des Aristoteles ausgesprochen. 

') Dies ist die Ansicht von Jacob 
Bbrnays (Ges. Abh. 2, 279) und Moxmsbn 
(Rom. Gesch. 5, 566). Bebok identifiziert da- 
gegen unseren Alexander mit dem ältesten 
Sohn des Herodes und der Mariamne, der 
im Hause des Asinius Pollio verkehrte (Rh. 
Mus. 37, 52), BüoHBLBB und Asbaoh (Rhein. 



Mus. 37, 294 und 296) mit dem Sohn des 
Antonius und der Cleopatra. Der Verfasser 
des Buchs ist dagegen nicht zu ermitteln, 
denn die Vermutung des P. Viotorius und 
Beboks, der Verfasser sei Nikolaos von 
Damaskos, peripatetischer Philosoph und 
Vertrauter des Königs Herodes (auf Grund 
von Simplicius p. 469 a} hält nicht Stich 
(ÜSENEB bei Bemays 2, 281). 

*) de civ. dei 4, 2 qtujte uno loco Äpu^ 
leius hreviter stringU in eo libello quem de 
mundo scripsit. 



ApoleiaB. 



109 



Gellius (2, 22) hinzugefügt hat. Aber auch diese Bearbeitung lässt uns 
den Verfasser in unvorteilhaftem Licht erscheinen ; denn er hat sich schwere 
Missverständnisse des griechischen Originals zu Schulden kommen lassen. 
Dass sich der Verfasser der Vorlage gegenüber seine Freiheit gewahrt 
hat, dass er demgemäss manches weggelassen, besonders wenn es f&r 
seine römischen Leser weniger geeignet war, dass er sich Zusätze ge- 
stattet, z. B. lateinische Dichterstellen hinzugefügt hat, wird niemand miss- 
billigen. Allein auch in dieser freien Thätigkeit ist der Autor nicht 
immer glückUch gewesen und ist hinter seiner Vorlage zurückgeblieben. 

Qeschichte der Frage. Wir behandeln hier die Frage nur insoweit, als sie das 
Verhältnis der griechischen nnd der lateinischen Fassung zu einander betrifft. Hier 
wurden aber sonderbarerweise alle Möglichkeiten erschöpft. Ad. Stahb (Aristoteles bei 
den Römetn, Leipz. 1884) hat die merkwürdig yerkehrte Ansicht aufgestellt» dass die 
lateinische Fassung das Original und die griechische die Uebersetzung sei, und diese An- 
sicht auch noch spftter verteidigt (Jahns Jahrb. 18 [1836] p. 1, Deutsche Jahrb. 1842 
p. 1228). Ihm schfoss sich an Babth^lbmt, Saint-Hilaire Meteorologie d'Aristote, Paris 
1863 p. LXXXVIII. Ihre ausführliche Widerlegung fand diese Aufstellung in dem Pro- 
gramm von HöLsoHKB, Ueber das Buch des Apuleius de mundo, Herford 1846 (vgl. auch 
GoLDBAOHBB, 2^itschr. f. österr. Gymn. 24 [1873] p. 672). Die zweite Phase in der Frage 
begründete die Abhandlung von Fb. Adah, De auctore libri Pseudo-ÄrietoUiliei nsQl xocfiovy 
BerL 1861. Hier wurde der Versuch gemacht (p. 42), sowohl die lateinische als die grie- 
chische Fassung dem Apuleius beizulegen; zuerst sei die griechische Fassung entstanden, 
dann sei dieselbe ins Lateinische übertragen worden. Auch diese Ansicht ist durchaus 
verkehrt, schon der einleitende Brief hätte sie nicht aufkommen lassen sollen. Der Mühe 
einer einsehenden Widerlegung hat sich unterzogen Goldbachbb 1. c. n. 673. Vgl. auch 
Zbllbb, Philos. der Griech. IIP, 1 p. 636. Es bleibt also nur die eine Ansicht noch Übrig, dass 
die griechische Fassung das Original, und die lateinische die Uebersetzung ist. *) Die Missver- 
stfindnisse des griechischen Textes, die in der lateinischen Fassung stehen, legen dafür ein 
sprechendes 2«eugnis ab. Dieses Verhältnis ist jetzt allgemein angenommen, nur bezüglich 
des Autors der Uebersetzung hat sich noch ein Streit erhoben. H. Bbckbb hat in seinen Studia 
ApuUiana, Berl. 1879 p. 54 den Satz hingestellt, dass der Verfasser der Uebersetzung nicht 
Apnleins, sondern ein unbekannter, in Biom lebender Schriftsteller des dritten Jahrh. n. Chr. 
sei, und dass das Werk dem Apuleius unterschoben worden sei, und hat Zustimmung ge- 
funden bei H. Jobdan, Erit Beitr. zur Gesch. der lat. Sprache p. 326; J. Hoffmaith, Acta 
sem.phihl. Erlang,, 2. Bd., Erlang. 1881 p. 213, dagegen Widerspruch bei Goldbachbb, Zeit- 
schrift f. österr. Gymn. 31 (1880) p. 609, Robdb, Rh. Mus. 40, 87 Anm. 1, J. Pibohotta, 
Curae ÄpuUianae, Bresl. 1882 p. 53 (These 1), Hbbtz in seiner krit. Ausgabe des Gellius II 
p. V u- A. 

Charakter der Uebersetzung. Einen Vergleich des griechischen Textes und 
der Uebersetzung nehmen vor J. Hoffmakv, Acta eem. philol. Erlang,, 2 Bd. p. 212 und 
Goldbachbb, Zeitsch. f. österr. Gymn. 24 (1873) p. 681. Merkwürdig sind die Missver- 
stftndnisse, die sich Apuleius zu Schulden konmien liess, z. B. p. 393, b, 14 rovrioy di ovx 
iXaxTovg tj re Tangoßanj niqay *Iyduiy, Xo$rj ngog tijy oixov/Äiyijy, wo Apuleius, wahrschein- 
lich verleitet durch eine Lesart, wie sie sich in findet, Ä0I17 xaXovfiiyrj, (c. 7) eine 
Insel Loxe fdenn dies muss die ursprüngliche Lesart gewesen sein) auffuhrt. Dass die 
c. 18 und 14 von Apuleius einfach aus Gellius 2, 22 st^ummen, ist die Ansicht von Hbbtz 
Getlins II p. V, Bbckbb, Stud, Aptd, p. 61, Hoffmann 1. c. p. 222, Goldbachbb 1. 0. p. 684. 
Sie für ein späteres Einschiebsel (B^ttnbb, Porcius Licinus, Leipz. 1893 p. 112) zu halten, 
liegt kein Grund vor. Von den Zusätzen ist der wichtigste, weil persönliche Verhältnisse 
des Uebersetzers berührend, folgender (c. 17): vidi et ipse apud Hierapolim Phrygiae non 
adeo ardui montis picinum latus nativi oris hiatu reseratum et tenuis neque editae marginis 
ambUu circumdatum, 

4. Die verlorenen Schriften. 

666. Verlorene Gedichte. Die Bestimmung derselben ist nicht 
ganz leicht, weil sich Apuleius an einigen Stellen zu allgemein über seine 



Auch eine sytische der ersten Hälfte 
des 6. Jahrh. angehürige Uebersetzung hat 
sich erhalten vgl. Rtssbl, Ueber den text- 



krit. Wert der syr. Uebers. griech. Klassiker 
Progr. des Nicolaigymn. I Leipz. 1880 p. 5; 
II 1881 p. 10. 



110 BOmisohe litteratnrgeaoliiohte, II. Die Zeit der Konaröhie. 2. Abteilimg. 

dichterische Thätigkeit ausspricht. Wir gehen von den sicher bezeugten 
Gedichten aus. 

1. Ludicra. Aus denselben teilt er selbst in seiner Apologie c. 6 
ein in Trimetem abgefasstes Billet an Calpurnianus mit, dem er die Über- 
sendung eines vortrefflichen Zahnpulvers ankündet. 

Ein trocL Septenar aoii der Sammlung steht bei Nonius 68, 18. 

2. Carmina amatoria. Auch aus diesen Qedichten teilt er uns in 
der Apologie c. 9 solche, welche seine Gegner angegriffen hatten, mit. Sie 
sind zum Preis der Söhne des Scribonius Laetus, welche er Critias und 
Gharinus nannte, gedichtet. Wahrscheinlich bilden sie einen Teil der ludicra. 

3. Hymni in Aesculapium. Apuleius besang Aesculap sowohl in 
einem lateinischen als in einem griechischen Hymnus, und zwar waren 
beide Hymnen in einen Dialog eingereiht. Hier führte er ausser einem 
Mitschüler Sabidius Severüs und Julius Persius als Redende ein, und 
zwar sprach der erstere lateinisch, der zweite griechisch. Das Thema 
des Gesprächs ist Aesculap, der Schutzgott Karthagos; wahrscheinlich 
sagt der griechisch Sprechende den griechischen, der lateinisch Sprechende 
den lateinischen Hymnus her, so dass also ein Wettstreit zwischen beiden 
stattfand, ähnlich dem, welchen wir aus den bukoUschen Gedichten kennen 
(Florida 18 p. 31 K). 

4. Carmen de virtutibus Orfiti, ein Panegyrikus auf den Pro- 
konsul des Jahres 163 Scipio Orfitus (Florida 17 p. 27 K.). 

5. Metrische üebersetzungen sind ein obscönes Stück aus Me- 
nanders 'Avexofievog und der Orakelspruch in dem Mährchen Amor und 
Psyche (Met. 4, 33). 

Das Fragment Menanders bei BXhbbns, PLM. 4, 104; Riese, Anthol. lat 712. 

Das Zeugnis des Apuleius über seine Gedichte. Man zieht noch die p. 88 
ausgeschriebenen Stellen heran, um eine viel ausgedehntere poetische Schriftstellerei des 
Apuleius zu konstruieren. Allein die erste Stelle ist nicht verwertbar, da es sich hier nur 
um einen ausgesprochenen Wunsch handelt. Es kommt lediglich die zweite Stelle in 
Frage (Florida 20 p. 34 E.) canit Empedocles carmina, Plato dialogos, Socrates hymnos, 
Epicharmua modos, Xenophon historiM, Xenocrates satiras, da ausdrücklich Apuleius alle 
Thätigkeiten der genannten Persönlichkeiten für sich in Anspruch nimmt. Von diesen 
Persönlichkeiten bleiben hier ausser Ansatz Plato und Xenophon. Empedocles er- 
ledigt sich durch den Panegyrikus auf Scipio Orfitus, Socrates durch die Hymnen auf 
Aesculap. Schwierigkeiten machen Epicharmus und Xenocrates, A. will die modi (Rohbb, 
gnomcu) des Epicharm in seiner Schriftstellerei aufgenommen haben. Es wird eine Schrift 
„de proverbiis" von Apuleius citiert: Charis. G.L. 1, 240 ut apud ApüUium PUUonicum 
de proverbiis scriptum est libro IL B&hrens erkennt in dem Citat den Ausgang eines 
Hexameters. Vielleicht ist mit diesem Werk Epicharmus erledigt. Was das Glied Xeno- 
crates Satiren anlangt, so schreibt Casaubonus: Xenophanes siUos, Rohdb: Crates satiras. 
Welche Verbesserung man auch annehmen mag (vgl. § 554), ich glaube, dass hier die 
Ludicra gemeint sind. Sind unsere Deutungen richtig, so hat, wie dies auch naturgemftas 
ist, Apuleius hier alle seine Gedichte herangezogen (abgesehen von den Üebersetzungen). 

566. Der Boman Herznagoras. Über diese Schrift wird uns Kunde 
durch die Grammatiker Priscian und Fulgentius. Soweit uns in den Ci- 
taten Sätze mitgeteilt werden, müssen wir schliessen, dass Hermagoras 
ein Boman war. Da Priscian das erste Buch citiert, so musste die Er- 
zählung mindestens zwei Bücher umfasst haben. 

Man vgl. Priscian GL. 2, 85 Apuleius in I Hermagorae : visus est et aduteseens honesta 
forma quasi ad nuptias exornatus trahere se in penitiorem partem domus. Fulgentius 
expos. sermonum antiquorum p. 559 M. (p. 388 Gbblach et Rotb) poUineto eius funere 



Apülelns. \\\ 

demuüionem paramus. Die übrigen SteUen des Priscian sind: GL. 2, 111; 2, 135; 
2, 279; 2, 528. 

667. Historisches. Bei Priscian wird an zwei Stellen eine Epüome 
hisioriarum citiert, einmal im Singular, einmal im Plural. Aus diesen 
zwei Stellen ergibt sich, dass die Schrift wirklich historisch war und 
zwar sich auf dem Gebiet der römischen Geschichte bewegte. 

Diese Schrift citiert Priscian an zwei Stellen: GL. 3, 482 (Apuleius) ponU in epi- 
tomis hisioriarum ^Aeneanica gens"; 2, 250 Apuleius in epitoma: sed tum sestertius 
dipondium semissem, quinarius quinquessis, denarius deeussis valebat, 

'Eotjxixog. Lydus de maaistrcftibus p. 268 Fuss: roiovr^ xov'ÜQaxXia xntoyt nsQir- 
ßaXovaa VfKpaXr] noxk aür/gtSg l^farta naosdfjXvvs * Tavt^ xal Zav^tay *HQttxXfjg aytjy^x^V» 
cJ( 'AnoXijiog 6 iPtufittTog tpiXoüotpoe iv tto smyQatpofiivia igatixo} xal TQtiyxvXXog da ngo 
avtov iv tm nsgl inufijfioiy noQvtoy dyeyrjyoxoaiy. Das Buch behandelte vielleicht auch 
Liebesverhältnisse der historischen Zeit. Es scheint, dass das Werk Suetons griechisch 
geschrieben und von Apuleius lateinisch bearbeitet war. Vgl. § 533, 4 p. 51. 

668. Verlorene Reden. Wir zählen natürlich nur die Reden auf, 
die nicht bloss gehalten, sondern auch herausgegeben wurden, also in die 
Litteratur eindrangen: 

1. Die Rede über Äsculap. Sie wurde in Oea in den ersten Tagen, 
in denen Apuleius dort ankam, gesprochen. 

Apol. 55 sed abhinc ferme triennium est, cum primis diehus qutbus Oeam veneram 
publice disserens de Aesculapii maiestate — qttot sacra nassem percensui . ea disputatio 
celdtratissima est, vulgo legitur, in omnium manibus versatur. 

2. Die Rede über die für ihn beantragte Statue. Als in 
Oea eine Statue für Apuleius beantragt wurde, erhob sich Widerspruch; 
Apuleius erachtete es fiir notwendig, in den Streit einzugreifen und seine 
Rede sogar zu publizieren. 

Augustin. ep. 138 pro magno fuit, ut — pro statua sibi ad Oeenses locanda — ad' 
versus eoniradictionem quorundam civium litigaret, quod posteros ne lateret eiusdem litis 
arationem seriptam memoriae mandavii. 

3. Die Rede, die Apuleius vor dem Prokonsul von Afrika Lollianus 
Avitus (vgl. p. 101) hielt. Der Inhalt der Rede ist unbekannt. 

Apol. 24 de patria mea vero, quod eam sitam Numidiae et Gaeftdiae in ipso confinio 
meis scriptis ostendisti, quibus memet professus sum, cum Loüiano AvUo C, V. praesente 
publice dissererem. 

4t, Danksagung an die Karthager für die ihm zuerkannte 
Statue. In den Florida haben wir in nr. 16 einen vorläufigen Dank. 
Allein der Autor stellt auch noch eine geschriebene Danksagung in Aus- 
sicht, und es ist kaum anzunehmen, dass Apuleius sein Yersprechen nicht 
eingelöst. 

Florid. c. 16 p. 25 E. mox ad dedicationem statuae meae libro etiam conseripto 
plenius gratias agam atque libro mandäbo, täi per omnis provincias eat totoque t^hine orbe 
taloque abhinc tempore laudes benefacti tui ubique gentium semper annorum repraesentet. 

569. Verlorene wissenscliafbliche Werke. Wir haben Zeugnisse 
über folgende Schriften: 

1. Naturales Quaestiones. Sowohl in lateinischer als in griechi- 
scher Sprache behandelte er dieses Thema. Vornehmlich schöpfte er 
aus den Autoren; ihnen gegenüber musste sich seine Aufgabe auf gute 
Anordnung und Eoncentrierung des Stoffes beschränken, doch war er auch 
bestrebt, Lücken auszufüllen. Zu diesem Zweck suchte er weiterhin Be- 
lehrung durch die Natur selbst. Im einzelnen können wir noch feststellen, 
dass Apuleius über folgende naturwissenschaftliche Gebiete geschrieben; 



112 BOmiaohe Lüteratargesohiohte. IL Die Zeit der Konarohie. 2. AbieUnng. 

a) de piscibus. Über diesen Abschnitt spricht Apuleius dem Zweck 
der Verteidigung entsprechend ausführlicher in der Apologie; wir erfahren 
hier die Gesichtspunkte, nach denen diese Materie in griechischer Sprache 
behandelt war; es sind Entstehung, Fortpflanzung, charakteristische unter- 
schiede, Lebensweise u. s. w. Auch in lateinischer Sprache hatte er diese 
Materie erörtert, als ein besonderes Verdienst nimmt er hier fQr sich 
in Anspruch, dass er griechische Termini latinisierte. 

ß) de arboribus. Die Kenntnis dieser Schrift verdanken wir dem 
Kommentator Vergils Servius (Georg. 2, 126). 

y) de re rustica. Durch Photius (bibl. c. 163), Palladius (1, 35, 9) 
und die Geoponiker ist uns Kunde von dieser schriftsteUerischen Leistung 
geworden. 

d) medicinalia. Eine Schrift dieses Inhalts führt Priscian an (GL. 
2, 203, 14). Dass Apuleius sich mit der Medizin beschäftigte, sagt er 
übrigens selbst in der Apologie (c. 40, c. 45). Dort ist auch ein Fall an- 
gefiihrt, in dem er eine Frau auf Ansuchen eines Arztes untersuchte 
(c. 48). 

s) Astronomisches. Dass Apuleius auch über astronomische Dinge 
schrieb, erfahren wir durch Johannes Lydus {de mens. 4, 73; de ost. 3. 4. 
7. 10. 44. 54). 

Von diesen Schriften gehörte de piscibus sicher zu den Quaestiones 
naturales, von den übrigen ist es wahrscheinlich. 

2. De arithtnetica. Gassiodor liefert uns {de arühtn. gegen Ende 
vgl. Isidor. orig. 3, 2) ein Zeugnis über die Existenz dieser Schrift zugleich 
mit der Angabe, dass sie im wesentlichen eine Übersetzung der gleich- 
namigen Schrift des Nicomachus war. 

3. De musica. Auch für diese Schrift ist Gassiodor unser einziger 
Gewährsmann {de musica gegen Ende). 

Allgemeiner Charakter der quaestiones naturales. Nachdem er aogeftlhrt, 
dass Aristoteles, Theophrast, Eudemus, Lyco ttber Zoologie gesohrieben, steUt er sein Ver- 
hftltnis zu diesen Vorgängern in der Weise fest, dass er sagt (Apol. c. 36): quae tanta eura 
conquisUa si hanestum et gloriosum Ulis fuit scribere, cur turpe sit nobis experirif prae- 
sertim cum ardinatius et cohibilius eadem Graece et Latine adnitar canseribere et in omntbus 
aut amissa adquirere aut defecta supplere — prome tu librum e Qraeeis meis, guos forte 
hie amici habuere, sed utigue naturalium quaestionum, atque eum maxime in quo 
plura de piseium genere tractata sunt, c. 40 (dixi) me departiculis omnium animalium, 
de situ earum deque numero deque causa conscribere ac libros dyatofifßy Aristoteli et ex- 
phrare studio et augere, Ueber seine Lektflre des Theophrast und des Nikander vgl. c. 41. 

Ueber eigene Untersuchungen des Apuleius liegt das Zeugnis vor (Apol. 33): 
sed profUeor me quaerere et cetera {genera piseium), non piscatoribus modo, verum etiam 
amicis meis negotio dato, quicunque minus cogniti generis piscis inciderit, ut eius mihi aut 
formam commemorent aut ipsum tnvum, si id nequierint, vel mortuum ostendant, cf. c. 40. 

Die quaestiones convivales. Sidon. Apollin. ep. 9, 13 p. 223 Mobb: certe si saluber- 
rimis avocamentis, ut qui adhuc iuvenis, tepidius infleeteris, a Platonieo Madaurensi sattem 
formütas mutuare convivialium quaestionum: quoque reddaris instructior, hos sotvepro- 
positas, has propone solvendas hisque te studiis et dum otiaris exeree. Nun citiert Macrobius 
7, 3, 28 suadeo — quaestiones convivales vel proponas vet ipse dissolvas. Quod genus veteres 
ita ludicrum nonpuiarunt^ ut et Aristoteles de ipsis aliqua conscripserit et Plutarchus et vester 
Apuleius. Auf Grund dieser Stelle weist Links (Quaest, de Macrobii Saturnaliorum fon- 
tibus, Bresl. 1880 p. 52) mehrere Abschnitte des Macrobius, welche quaestiones naturales 
behandeln, dem Apuleius zu. Auch macht derselbe auf die Uebereinstimmung von Macrob. 
7, 14, 4 mit Apul. de mag, c. 15, die sich bis auf den Ausdruck erstreckt, hin. Es ist 
also wahrscheinlich, dass die quaestiones convivales die lateinischen quaestiones natu- 
rales sind. 



Apnleian. 113 

üeber die Fisclie. In den volumina über dieselben wurde dargelegt (apol. 38): 
qui (pisees) earum coitu progignantur, qui ex litno eoaleacant, quotiens et quid anni cuius- 
qtie eorum feminae aubent, mares suriant, quibus membria et causis diacrerit natura vivi- 
paras eorum et aviparoa — deinde de differentia et victu et membria et aetatibua etc. — pauca 
etiam de latinia acriptia meia ad eandem peritiam pertinentibua legi iubebo, in 
quibua animadvertea cum rea cognitu raraa, tum namina etiam Romania inuaitata et in 
hodiemum, quod aeiam, infecta, ea iam namina labore meo et atudio ita de graecia provenire, 
ut tarnen latina moneta percuaaa aint. 

Die Hypothese 0. Jahns: Apuleius Verfasser einer Encyklopädie. 
O. Jahh hat in seinem Aufsatz «Ueber römische Encyklopädien' (Ber. der sächs. Gesellsch. 
philoLhisi El. 2. Bd. [1850] p. 282) nachzuweisen versucht, dass Apuleius eine Encyklo- 
pftdie geschrieben habe; er weist derselben zu die Schriften de muaica, de arith- 
metica, das dritte Buch de dogmate Platonia, welches mit diesem Werk nichts zu 
thun hat, sondern ein nach peripatetischen und stoischen Quellen bearbeiteter Abriss der 
formalen Logik ist (= de dialectica), de aatronomia. Für die Grammatik und die 
Qeometrie fehlen Zeugnisse, dagegen glaubt Jahn, dass die Eingangsworte der Dialektik 
einen Hinweis auf die Rhetorik enthalten. Allein die Dialektik {nBQi igfitjvsias) haben 
wir Apuleius absprechen müssen; damit fällt aber ein wichtiges Glied aus der angeblichen 
Encyklopftdie heraus, und die Hypothese wird zweifelhaft. 

Der liber de republica. Fulgentius schreibt in seiner expoaitio aermonum antiq. 
(GxBLACH et Roth, Nonius p. 396): unde et ApuJeiua in libro de republica ait: qui celocem 
regere nequU, onerariam petit. Bei der zweifelhaften Glaubwürdigkeit des Zeugen wagen 
wir keine Vermutung über das Werk zu äussern. 

570. Übersetzung des platonischen Phaedo. Die Schriftstellerei 
des Apuleius stellt sich zum grössten Teil als Bearbeitung griechischer 
Originale dar. Aber auch die bescheidenere Rolle eines Übersetzers hat 
Apuleius nicht verschmäht. So wissen wir, dass er den platonischen 
Phaedo übertragen hat (Ap. Sid. ep. 2, 9, 5). Aus dieser Übersetzung sind uns 
lediglich zwei Fragmente durch den Oranmiatiker Priscian erhalten (OL. 
2, 511; 2, 520); denn dass das lange Stück, das wir bei Glaudianus Ma- 
mertus {de statu animae 2, 7) finden, der Übersetzung des Apuleius ent- 
nommen ist, lässt sich nicht erweisen. 

Der in dem letzten Satz enthaltene Gedanke ist von SoHAABSOHMmr, Ja. Sariaherienaia, 
Leipz. 1862 p. 114 ausgesprochen worden, vgl. dagegen BÜohblbb, Coniedanea, Bonn 1878/9 
p. 9 (EvGBLBBBCHT, Sitzuugsber. d. Wien. Akademie 110, 430). 

5. Die apokryphen Werke. 

671. Asdepius. Es ist bekannt, dass der Synkretismus (des zweiten 
Jahrhunderts) auch eine Reihe von Schriften erzeugt hat, welche helle- 
nische Ideen mit ägyptischen Vorstellungen versetzten. Es sind dies die 
sogenannten hermetischen Bücher, so genannt, weil die Lehren dem 
Hermes selbst in den Mund gelegt werden. Zu diesen Büchern gehört 
der Asclepius. Derselbe ist eine Übersetzung aus dem Griechischen. 
Lactantius gibt uns in seinen Institutionen mehrere Stellen in griechischer 
Fassung, und selbst ein oberflächlicher Blick genügt, um zu erkennen, dass 
der griechische Text das Original, der lateinische die Übersetzung ist. 
unsere Übersetzung kennt schon Augustin, allein den Apuleius scheint er 
als Verfasser der Übersetzung nicht gekannt zu haben ; dem Lactantius aber 
lag vermutlich noch gar keine Übersetzung vor, daraus würde sich er- 
klären, dass er in den Institutionen die Stellen im griechischen Urtexte 
mitteilte, und dass er in seinem Auszug aus den Institutionen, in dem er 
griechische Gitate vermied, eine Stelle in lateinischer Fassung gab, die 
von unserem lateinischen Text abweicht, und die er also selbst gefertigt 
haben wird. Schon diese beiden Momente zerstören den Glauben an die 

Handbnob der klaai. AltertniniwineiiBobaft. Vin. 3. Teil. 8 



114 BömiBohe LitteratnrgeBoliiohte. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilimg. 

Autorschaft des Apuleius. Aber selbst die Überlieferung fallt, streng ge- 
nommen, nicht für Apuleius in die Wagschale; denn in den guten Hand- 
schriften wird der Traktat nicht unter seinem Namen eingeführt. Richtig 
ist dagegen, dass derselbe mit apuleischen Schriften verbunden wurde, 
und dies wurde zweifelsohne der Anlass, dass er dem Apuleius beigelegt 
wurde. 

Das Werk ist ein Dialog, in dem der Sprechende Hermes tristnegistus 
ist, Zuhörer Asclepius, Hammon und Tat. Aber die beiden letzten sind 
stumme Zuhörer, Asclepius allein richtet Fragen an den Vortragenden. 
Von einer dialektischen Entwicklung ist keine Rede, der Dialog ist ein 
Scheindialog. Die Scene des Dialogs ist das AQerheiligste eines Tempels. 
Hermes spricht über Oott, die Welt, den Menschen, das Geschick ; er trägt 
seine Sätze als feste Wahrheiten in eindringlicher Weise und in feier- 
lichem Tone vor. unser grösstes Interesse gewinnt die Schrift, weil sie 
ein letzter Aufschrei des schon schwer darnieder liegenden Heiden- 
tums ist. Der Verfasser erkennt, dass er sich einer verlorenen Sache 
annimmt, und prophezeit selbst den Untergang der alten heidnischen 
Religion. 

Der Titel des griechischen Originals. Aus der Snbscriptio der lateinischen 
üehersetzong ergibt sich der Titel : 'Egfiov XQUSfjieyicxov ßißXo^ Uqu n^og 'JffxXtptioy ngoa^ 
gxoytjSeura, Lactantios dagegen citiert: in eo libro qui Xoyog riXBtos inscrihüur und Xoyog 
riXsiog ist der richtige Spezialtitel unserer Schrift (vgl. Bernats Ges. Abh. 1, B41); r^iog 
ist der Xoyogy weil er omnium a nobis factorum vel nohis divino numine impiratarum 
(sermanum) videtur esse religiosa pietate divinior (c. 1). 

üeber die Persönlichkeiten sagt Hermes: c. 1 ad eius {Hammonis) namen 
tnüUa tneminimus a nobis esse conscripta siciUi etiam ad amantissimum et earissimum 
fUium (Tat) muUa physica ex ethieaque guam plurima; c. 37 avus tutis, Asclepi, medieinae 
primus inventor, 

Bruchstücke des griechischen Originals finden sich bei Lactantins div. inst. 
4, 6; 7, 13; 7, 18. Stellen aus unserer lat. Uebersetzung verwertet Augustin de eiv, dei 
8, 23; 8, 26; 8, 24; er fOhrt 8, 23 die Stelle also ein: huit^ Äegyptii verba, sieut in nostram 
linguam interpretaia sunt, ponam. 

Gegen die Autorschaft des Apuleius sprechen sich aus Bebkats Ges. Abh. 
1, 340; Beokse, Studia Aptdeiana, Berl. 1879 p. 9; GoldbachbBi Ausg. p. XV; EoEBBsinr, 
Die Frage nach dem Uebersetzer des neuplat. Dialogs Asclepius, Augsb. 1882, p. 11, p. 28. 
c. 24 lesen wir: et his amplius mtUtoque deterius ipsa Äegyptus suadebitur imbueturque pekh 
ribus malis. Das Wort suadebitur ist sinnlos, es findet seine Erklärung, wenn im griech. 
Original neiasrai stand, das der Uebersetzer statt von na<rx<o von neld^m ableitete. Wenn aber 
Bernats (p. 340) aus diesem Fehler ein Hauptmoment gegen die Autorschaft des Apuleius 
ableitet, so ist er im Unrecht; denn die Uebersetzung der Schrift negl xocfiov zeigt gleich 
schwere Fehler. 

Die Zeit der Uebersetzung, wie sie uns jetzt vorliegt, bestimmt sich durch 
zwei Stellen einer Prophetie post eventum c. 24 {alienigenis enim — prohibitio) und c 25 
{sed mihi — deerit), in welchen der Götterdienst von der Staatsgewalt mit der Todesstrafe 
bedroht wurde. Dies geschah erst durch das Gesetz des Gonstantius aus dem Jahre 346 
oder 353. Dieses Gesetz war aber noch nicht erlassen, als Lactantins den griechischen 
Text benutzte; es liegen also spätere Interpolationen vor. «Nach Ausscheidung dieser 
zwei späteren Zusätze bleibt weder in den übrigen Teilen unseres Dialogs noch in dem 
die religiösen Verhältnisse betreffenden Abschnitt etwas zurück, was nicht seit den erston 
Jahrzehnten des dritten Jahrhunderts n. Chr. von einem neuplatonisohen Anhänger des 
Polytheismus niedergeschrieben sein könnte' (Bebnays 1, 345). 

Die Analyse unseres Dialogs versuchen Eellkbb, Hellenismus und Christentum, 
Köln 1866 p. 241; Köbbblik p. 11 (dieser in systematischer Weise). Vgl. auch Bbbok, 
Griech. Literaturgesch. 4, 577. 

572. De herbamm medicaminibus. Den Namen des Apuleius trägt 
eine Rezeptsammlung, welche durch eine merkwürdige Vorrede eingeführt 



ApnleiuB. 115 

wird. Der Schreiber zieht nämlich in starker Weise gegen die Ärzte los und 
geisselt ihre Gewinnsucht, indem er sagt, dass sie absichtlich, um Geld zu 
machen, die Kur hinausziehen und grausamer als die Krankheiten selbst 
sind. Das Büchlein will also die Kranken von den Ärzten unabhängig 
machen. In der Urform führte es die verschiedenen Medizinalpfianzen in 
Abbildungen vor und f&gte dann den Gebrauch für die dnzelnen Krank- 
heits&lle an, d. h. es folgten die Rezepte. Das Büchlein erfuhr im Laufe 
der Zeit mannigfache Erweiterungen, die Pflanzen wurden beschrieben, es 
wurden den Pflanzennamen synonyme Bezeichnungen beigefügt. Auch die 
Rezeptsamtmlung gestattete leicht Zusätze. So kommt es, dass die Form 
des Buchs in den Handschriften keine feste ist. Mit Apuleius hat die 
Sammlung nichts zu thun; sie ist zwischen Marcellus (unter Theodosius n), 
der sie noch nicht benutzte, und Isidorus (um 570), der sie kannte, anzu- 
setzen; sie wird ins 5. Jahrhundert gehören. 

Ueber die massgebenden Handschriften Monacensis s. VI/VII, Leidensis 209 
a. VI, Vratislaviensis III F 19 s. IX/X, Gasinensis 97 s. IX/X vgl. Eobbbbt, De Pseudo- 
Apulei herbarum medieaminUnis, Münchner Diss. 1888, der aus denselben die ürgestalt 
zn ermitteln sacht (p. 15). 

Ueber die Quellen handelt Eobbbbt p. 16 (vgl. Rosb, Hermes 8, 37). 

üeber die Zeit des Psendoapnleius Rosb p. 37 fg. 

De herba vettonica bildet das erste Kapitel. Dieses Kapitel erscheint aach als 
eigenes Schriftchen nnter dem Namen des berOhmten Antonios Mnsa, eingeleitet durch 
einen Brief von M. Agrippa (z. B. im Leidensis vgl. Kobbbbt p. 3j. 

Ausgabe. Parabüium medieamentorum seriptores antiqui, ed. Ackbricaiw Nttmb. 
und Altdorf 1788 (p. 127-380). 

573. De remedüs salutaribus. Der alte codex Salmasianus 10318 
enthielt eine Schrift de remedüs salutaribus, welche er dem Platoniker 
Apuleius zuteilt. Von dieser Schrift ist nur der Schluss erhalten, der 
fibrige Teil ist durch Blattverlust verloren gegangen. Dieses Fragment 
publizierte zum erstenmal Sillig im fünften Band seiner Ausgabe des 
Plinius (p. XLI), in verbesserter Gestalt gab es M. Haupt heraus (opusc. 
3, 467). Die medizinischen Anweisungen beziehen sich auf die Regelung 
der Lebensweise in den verschiedenen Jahreszeiten. Mit Apuleius hat 
auch diese Schrift nichts zu thun. 

574. Physiognomonia. Valentin Rose gab in den Anecdota 1, 105 
eine Physiognomonia heraus. Dieselbe stellt sich gleich in den Eingangs- 
worten als ein Auszug aus griechischen Autoren dar, sie nennt uns auch 
dieselben: den Arzt Loxus, den Rose (p. 82) ^) mit dem berühmten Eudoxus 
von Gnidus, Piatos Freund und Begleiter identifiziert, den Philosophen 
Aristoteles, den Deklamator Polemo. Die Grundlage für seine Arbeit 
bildete aber Polemo. Es ist dies der bekannte Rhetor, der zur Zeit Ha- 
drians lebte. In der That schrieb Polemo eine Physiognomonie, wir be- 
sitzen dieselbe aber nicht in ihrer ursprünglichen Qestalt, sondern nur 
einen Auszug in schlechten und jungen Handschriften. Hiezu kommt 
aber noch die Paraphrase des Polemonischen Werks durch einen Sophisten 
des dritten Jahrhunderts, Adamantius, und unsere lateinische Bearbeitung, 
welche vor den beiden anderen Quellen das voraus hat, dass sie aus Polemo 
geschichtliche Anspielungen und Beispiele oder wenigstens den Hinweis 

>) Dagegen Föbstbr, Rhein. Mus. 43, 505. 

8* 



116 Römische LitteratnrgeBchichie. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

auf solche bewahrt hat. Am Schluss fehlt einiges. Diese Übersetzung 
wollte Rose nach dem Vorgang Pitras dem Apuleius beilegen; allein die 
Gründe sind nicht überzeugend, die Schrift fallt in eine spätere Zeit, ins 
3. oder 4. Jahrhundert. 

FUr die Antorschaft des Apuleius, welche zuerst Pitra angeregt {spicüeg. 
Solestn. 3, 321) macht Rose drei Gründe geltend: 1. Polemo habe ein physiognomonisches 
Porträt des Sophisten Favorinus gegeben, aber ohne denselben namentlich zu bezeichnen. 
— Nur ein Zeitgenosse habe eine solche Schilderung richtig deuten können. Diese Schluss- 
folgerung ist aber bei einer so bekannten Persönlichkeit doch etwas gewagt. Ueber die 
Stelle vgl. F. Mbier p. 22; 2. In einer Londoner Miscellanhandschrift (Harleianua 3969 
8. XIII) werde in einem von einer viel jüngeren Hand (s. XV) geschriebenen Index an- 
geführt: Apuleius de deo Soeratia . Item de deo Socratis . Bern de phianomia. Allein dass 
item nicht notwendigerweise = eiuadem gefasst werden muss, zeigt z. B. cod. Bernensis 
347, wo wir lesen: liber macrobii de astronomia . Item nonii macelli de compendiasa 
doctrina (vgl. Förster, Fleckeis. Suppl. 15, 560); 3. Albertus Magnus, De anima 1, 2, 3 
führe an: et talea referuntur ab Apuleio fuisse oculi Socratis, Allein an anderen Stellen 
citiert er unsere Schrift unter den Namen Loxus, Plato, Platonici, Philemon, Palemon 
(Förster 1. c. p. 560), so dass es höchst wahrscheinlich ist, dass ab Apuleio irrtümlich hin- 
zugesetzt ist. Die Sprache spricht gegen Apuleius; dies zu zeigen ist das Ziel der Ab- 
handlung Ferd. Meiers, De anonymi physiognomonia Apuleio falsa adiudieata, Bruchsal 1880. 

Die Zeit der Uebersetzung. Förster (Philol. Abh. zu Ehren Hertz' p. 298) 
setzt die Uebersetzung ins 3. oder 4. Jahrb., F. Meier (p. 23) ins 4. oder in den Anfang 
des 5. Jahrb. 

.Die Ueberlieferung der Schrift beruht auf zwei Familien, einer besseren, die 
sich aus einem Leodiensis 77 s. XII, einem Berolinensis lat, qu. 198 aus dem Jahre 1132 und 
einem Oxoniensis Ashmol. 339 s. XIV zusammensetzt, und aus einer geringeren, welche 
von dem Gottonianus Galb. E IV s. XIII, dem Erfurtensis 378 s. XIII/IV, dem Sloanianus 
3469 s. XIV und dem Harleianus 3969 s. XIV gebildet werden (Förster, Fleckeis. Suppl. 
15, 561, Proleg. Ausg. p. CXVI). 

Ausgabe. Förster, Script, physiogn., Leipz. 1893, II p. 1. 

675. Bflckblick. Wenn wir auf die Schriftstellerei des Apuleius 
zurückschauen, so müssen wir über die grosse Vielseitigkeit derselben er- 
staunen. Wir finden ihn auf dem Gebiet der Prosa wie auf dem Gebiet 
der Poesie, und in beiden Gattungen wiederum in den verschiedensten 
Zweigen thätig. Und selbst daran hatte Apuleius noch nicht genug, er 
hatte sich auch noch in den Eopf gesetzt, nicht bloss in der lateinischen, 
sondern auch in der griechischen Sprache zu Schriftstellern. Und in dieser 
Mannigfaltigkeit suchte er vorzugsweise seinen Ruhm. Mit einer solchen 
ausgedehnten Schriftstellerei ist aber Originalität schwer vereinbar; es 
kann sich hiebei nur um reiche Bethätigung eines formalen Talentes 
handeln. Und ein anderes Verdienst kann Apuleius nicht beanspruchen; 
er hängt im wesentlichen von griechischen Vorlagen ab. Der Stil ist es 
also, welcher dem Apuleius seine Stellung in der römischen Litteratur- 
geschichte gibt. Aber dieser Stil ist ein künstlich gemachter; er will 
vor allem pikant sein und muss daher das Einfache und Ungesuchte ver- 
schmähen. Hier folgt Apuleius lediglich der Zeitströmung. Diese war 
aber unter der Führung Frontos dahin gekommen, den Reiz der Dar- 
stellung in der Wiedererweckung längst abgestorbener Worte zu suchen. 
Auch Apuleius speist seinen Wortschatz aus dem Volksmund und den 
alten Autoren, daneben gebraucht er reichlich rhetorische Figuren, poetische 
Wendungen, geschraubte Phrasen und eine stark aufgedunsene Rede- 
weise. Durch alle diese Mittel stürmt er auf den Leser ein und reizt ihn. 
Allein er bleibt sich in seinem Stil nicht gleich, je nach dem Gegenstand 
schillert er in verschiedenen Farben. In der Apologie schreibt er ver- 



•^•TT^m^m 



ApnleiuB. U7 

hältnismässig am natürlichsten, in den Florida ist das Zierliche und Fein- 
gemeisselte , das Raffinierte die hervorstechende Eigenschaft der Dar-- 
Stellung, in den Metamorphosen ist der Stil barock, farbenreich und phan- 
tastisch. Wir können es nicht leugnen, dass Apuleius ein sprachgewaltiger 
Mann ist, und wenn wir ihn in dieser Hinsicht mit seinen Zeitgenossen 
Fronte und Gellius vergleichen, so erhebt er sich weit über die- 
selben. Auch die Zeitgenossen haben dem rhetorischen Talent des Apu- 
leius ihre Bewunderung gezollt und ihn durch hohe Ehren ausgezeichnet. 
Allein merkwürdigerweise wollte der unruhige Mann mehr sein als ein 
glänzender Redner, er hörte sich am liebsten einen platonischen Philo- 
sophen nennen. Doch die Philosophie war in seinen Augen nicht das 
Reich lichter Gedanken, seine Schrift über Plato zeigte ja, dass ihm eine 
klare Einsicht in das platonische System abging, und dass er überhaupt 
nicht im stände war, philosophische Gedanken zu einer organischen Ein- 
heit zu verknüpfen; die Philosophie war ihm mehr Kenntnis der ver- 
borgenen Kräfte der Natur und der Geisterwelt; sein Wesen neigte stark 
zu den Nachtseiten des menschlichen Lebens, die ausserordentlich eifrige 
Teilnahme an den Mysterien deutet hin auf sein starkes religiöses Be- 
dürftiis; dass dieses ihn nicht zum Christentum führte, darüber wundern 
wir uns, noch mehr, dass er sogar einmal eine Anspielung auf dasselbe 
machte, die von entschieden feindseliger Gesinnung zeugte. Apuleius ist 
ein widerspruchsvolles Wesen ; Askese und Weltfreude, salbungsvoller Ernst 
und leichter Spott finden bei ihm zugleich Platz; er ist ein Spiegelbild 
seiner unruhigen krankhaften Zeit. 

Der Stil des Apuleius. Dass Apaleius nicht einen und denselben Stil in seinen 
Schriften zur Anwendung gebracht, erkennt sofort jeder Leser. Die Metamorphosen heben 
sich von allen Schriften ab. Vgl. Goldbachbr, Zeitschr. f. österr. Gymn. 24 (1873) p. 787 ; 
DiLTHBT, GOtting. Festrede 1879 p. 10; Rohde, Rh. Mus. 40 p. 84; Pibohotta p. 22. Selbst 
der Gebrauch der Partikeln ist ein anderer, wie Bbckbb, Studia Apttleiana, Berl. 1879 
p. 7—53 gezeigt hat. Der Zauberroman erforderte seinen eigenen Stil. Ueber die Quellen 
seines Wortschatzes, Volkssprache und antike Autoren vgl. Piechotta, Curae Apuleianae, 
Breslau 1882, der als die Hauptquelle die damalige Umgangssprache (p. 24) betrachtet 
Ueber Beziehungen zwischen Plautus und Apuleius vgl. Goetz, Acta soc. Lips, 6 (1876) 
p. 325. 

Das Verhältnis des Apuleius zum Christentum. Metam 9, 14 heisst es von 
einer Frau: tunc spretis atque calcatia divinis numinibus in vicem certae religianis mentiia 
saeriUga praesumptione dei, quem praedicaret unicum, canfictis observationibua vcicuis fallens 
omnes hotnines. Es ist nicht völlig sicher, dass Apuleius hier eine Christin treffen will 
— es könnte auch eine Jüdin sein — , doch ist es immerhin wahrscheinlich (Mokceaux, 
Revue des deux mondes, Bd. 85 p. 608). 

Litteratur. Cavalun, De L. Apuhio acriptare latino, Lund 1857; Ebdmakn, De 
eloetUione L. Apulei, Stendal 1864; Ebetschkasn, De latinitaUe Apulei, Königsberg 1865; 
EozioL, Der Stil des Apuleius, ein Beitrag zur Kenntnis der sogen, afrik. Latinität, 
Wien 1872. 

576. Fortleben des Apuleius. Den Ruhm, der Apuleius im Leben 
begleitete, löschte auch der Tod nicht aus. Seine Werke wurden eifrig 
gelesen, und wir können die Nachwirkungen seines Stils noch Jahrhunderte 
hindurch verfolgen. Für die Grammatiker waren seine Schriften eine 
reiche Fundgrube der seltenen Formen und Worte, welche der Erklärung 
harrten. Sein Ruhm war so stark, dass sein Name typisch wurde und 
als Aushängeschild diente, um litterarische Produkte auf den Markt zu 
werfen. Aber dem Apuleius wurden noch reichere Ehren zu TeU, wie 



118 Bömische Litteratargesohiclite. IL Die Zeit der Monarchie. 8. Abteilung. 

Vergil trat er als Zauberer und Wunderthäter in das Reich der Sage 
ein. Zum erstenmal finden wir ihn in dieser Rolle bei Lactantius; als 
dieser seine Unterweisungen in den göttlichen Dingen schrieb, gedachte 
er der vielen Wunderthaten, welche von Apuleius in Umlauf waren. Zu 
Zeiten des Augustin ist der Wunderthäter Apuleius bereits zu einer festen 
Gestalt verdichtet, so dass sich der Kirchenvater ernstlich mit demselben 
zu beschäftigen hatte. Wir finden daher bei ihm eine eingehende Be- 
kanntschaft mit den Werken des Apuleius, er beurteilt das Schriftchen 
de deo Socratis, er kennt seine Metamorphosen, welche bei ihm zu- 
erst unter dem Titel „der goldene Esel'' eingeführt wurden, er erwähnt 
seine Apologie, er las noch eine jetzt verlorene Rede, die Apuleius in 
Oea gehalten hatte. Auch mit den Lebensschicksalen seines Landsmannes 
ist er vertraut. Der Orund aber, der Augustins Aufmerksamkeit auf 
Apuleius lenken musste, lag in dem damals stark auftretenden Gebrauch, 
Apuleius und Apollonius von Tyana mit Christus auf eine Linie zu stellen. 
Es galt also, einen durch diesen Vergleich bezweckten Angriff gegen das 
Christentum zurückzuweisen. Leugnen konnte und wollte Augustin weder 
die Magie an sich noch die Wunderthaten des Apuleius; er suchte nur 
dafür eine der christlichen Sache nicht gefährUche Erklärung, indem er 
jene Wunderthaten einmal auf eine niedere Stufe stellte, dann ihr Zustande- 
kommen auf den Einfluss der bösen Geister, der Dämonen, zurückführte. 
Die Entstehung der Sage von dem Zauberer und Wunderthäter liegt auf 
der Hand. Apuleius hatte sich während seines Lebens wegen einer An- 
klage auf Magie verteidigen müssen, seine Verteidigungsrede kam auf die 
Nachwelt und damit die gegen ihn von seinen Gegnern erhobenen An- 
schuldigungen; Apuleius hatte einen Zauberroman geschrieben, auch dieser 
hatte sich erhalten, und da der Erzähler von sich in der ersten Person 
spricht, so hatte man sogar, wie z. B. dies Augustin gethan, den Helden 
des Romans und Apuleius identifiziert; man wusste, dass Apuleius Priester 
war und sich in verschiedene Mysterien hatte aufnehmen lassen. Alle 
diese Momente wirkten in einer Zeit, in welche der Entscheidungskampf 
des Christentums gegen das Heidentum fiel, zusammen, um Apuleius (wie 
Apollonius von Tyana) zu einem Zauberer und Wunderthäter zu machen 
und gegen das Christentum auszuspielen. Die Sage von Apuleius, dem 
Zauberer hat sich noch lange erhalten, ihre Nachwirkung lässt sich auch im 
Mittelalter aufweisen. Aber auch in der Neuzeit ist der Einfluss des 
Apuleius noch nicht erstorben. Seine Metamorphosen haben ihre Spuren 
bei den neueren Schriftstellern zurückgelassen, besonders das Märchen von 
Amor und Psyche hat in Kunst und in Litteratur die nachhaltigsten Wir- 
kungen hervorgerufen.*) 

Augustin über die Schriften des Apuleius. De civ. d. 8, 14 Apuleius Fla- 
tonicus Madaurenais de hoc re sola unum seripsit librutn, cuius esse tUulum vcluU de 
deo So Gratis — dicit apertissime et copiosissime asserit non iUum deum fuisse, sed dae- 
tnonem, diligenti disputatiane pertractans istam Piatonis de deorum sublimUate et hominum 
humilitate et daemonum medietate sententiam; ib. 18, 18 sicut Apuleius in libris, guos Asini 
aurei titulo inscHpsU, sibi ipsi accidisse, ut — asinus fieret, aut indicavit aut finxit; ib. 

') üeber den sog. Apuleius minor und den falschen L. Caecilius Minutianus Apuleius 
handeln wir bei den Grammatikern. 



Apnleins. 119 

8, 19 huius phüoscphi PUUonici eopioaissima et diaertissima extat oratio, qua crimen artium 
magicaruM a se alienum esse defendit; ep. 138 pro magno fuit ut munera ederet — et pro 
statua sibi ad Oeenses locanda — adversus contradictionem quorundam civium lUigaret, 
quod posteros ne lateret, eiusdem litis oratianem scriptam memoricte mandavit. 

Apnleins als Magier. Lactant. inst. 5, 3, 7 Apuleium, cuius solent et muUa et 
mira memorari; Angustin. ep. 136 Apoüonium guidem suum nobis et Apuleium aliosgue 
magieae artis homines in medium proferunt, quorum maiora eontendunt extitisse miraetUa; 
ep. 138 Apollonium et Apuleium ceterosque magicarum artium peritissimos conferre Christo 
vel etiam praeferre conantur; ep. 102 quaest. 6, 32 (Migne 33, 383) si hoc quod de Jona 
scriptum est Apuleius Madaurensis vel ApoUonius Tyaneus fecisse direretur, quorum 
multa mira nuUo fideli auctore iactitant, — Moncbaux, Apulie magicien . Histaire d*une 
legende Af ricaine (Revue des deux mondes 85 [1888] p. 571); Apul^Bi Roman et magie, 
Paris 1889. 

Litteratnr: G. Wstvan, Studien zu Apuleius und seinen Nachahmern, Sitzungsher. 
der MOnchner Akad., PhiloLhist. Kl. 1893 Bd. II H. 3 p. 321; Ueber Apuleius im Mittel- 
alter vgl. Mahitiüs, Rh. Mus. 47 (Ergänzungsh.) p. 73; Tbaubb, Abh. der Münchner Akad., 
Phil.hist. El. 19. Bd. p. 308. Vgl. Wbyman 1. c. p. 323 Anm. 1. 

Die üeberlieferung. Wir haben zu scheiden zwischen zwei Gruppen, von denen 
die erste ans den Metamorphosen, der Apologie und den Florida, die zweite aus 
den philosophischen Schriften besteht. 

a) Üeberlieferung der ersten Gruppe. Die Metamorphosen, die Apo- 
logie und die Florida sind aus einer einzigen Quelle geflossen, dem Laur. 68, 2 s. XI 
(F); es ist derselbe codex, der Tacitus ab excessu divi Augusti 1. XI— XVI und hist. 
L I— 'V enthAlt. Den Nachweis hat geliefert H. Ebil, Obs, crü, in Catanis et Varronis de 
re rustica libros, Halle 1849 p. 77. Aus. Laur. 68, 2 ist abgeschrieben Laur. 29, 2 (9), der 
indes zur Ermittlung der ursprfinglichen Lesart Öfters dienlich ist. Auch die Kollation 
des Victorius, welche der editio Vicentina des Jahres 1488 beigeschrieben wurde, stammt 
aus Laur. 68, 2; vgl. Bbytb, Quaest. Appuleianae, Göttinger Diss. 1888 p. 23. Der sog. cod, 
Victorianus ist sonach ein Phantasiegebilde. Nach dem Buch IX der Metamorphosen hat 
Laur. 68, 2 folgende subscriptio: ego Sallustius legi et emendavi Romae felix Olibrio et 
Probino u, c. cons, (= 395) in foro Martis controversiam declamans oratori Endelechio. 
Rursus Constantinopoli recognovi Caesario et Attieo coss. (= 397). 

ß) Üeberlieferung der zweiten Gruppe. Dieselbe umfasst teils echte, teils 
unechte Schriften, nämlich de deo Socratis^ Asclepius, de Piatone et eius dog- 
mate, de mundo. Auch diese gehen auf emen Archetypus zurück, der aber verloren 
ist. Zur Rekonstruktion desselben hat Goldbacher zwei Klassen von Handschriften bei- 
gezogen: 1. die bessere Klasse: Monacensis 621 s. XII, Vaticanus 3385 s. XII, Guelferby- 
tanus-Gudianus 168 s. XIII, Parisinus 8624 s. XIII; 2. die schlechtere Klasse: Parisinus 
6634 s. XII, Laurentianus 76, 36 s. XII/XIII, Florentinus-Marcianus 284 s. XH. Auf einen 
von Vulcanius bereits benutzten Bruxellensis 10054/6 s. XI macht Roh de aufmerksam: 
,Der Brux. wird neben dem Monac., und mit einigem üebergewicht über diesen, als vrich- 
tigster Zeuge für die ursprüngliche üeberlieferung zu berücksichtigen sein; ganz bes. in 
der zweiten H&lfte der Schrift de mundo, welche im Monac. fehlt, wird sich die hohe Vor- 
zflglichkeit des Brux. als des besten aller Cod. der philos. Schriften des Ap. glftnzend be- 
wiüiren' (Rh. Mus. 37 [1882] p. 151). 

Ausgaben. Wir scheiden zwischen Gesamtausgaben und Spezialausgaben. 

k) Gesamtausgaben: Editio princeps, Rom 1469; eine Aldina 1521, eine Basile- 
ensis 1533, eine Plantma von Pbtbus Golvius 1588, eine von Bonav. Vuloanics 1594, die 
zweite Ausgabe (1600) wurde von J. Soaliobb besorgt, vgl. J. Bbbnats Scaligbb p. 289, 
Krüoeb, Apol. p. XVII, eine von Elmenhobst Frankf. 1621. Ausgabe in usum Delphini 
von Flobidüs Paris 1688. Wichtige Ausgabe von Oudendobp (J. Bossoha) Leyden 1786 — 
1823. Die neueste Gesamtausgabe ist von Hildebbaio) Leipz. 1842; kl. Ausg. Leipz. 1843. 

ß) Spezialausgaben: Metamorph. Bononiae 1500 mit dem Kommentar des Phil. 
Bbboalous; Gk>UDAB 1650 (mit dem Kommentar des J. Pbioabus); von Fb. Etssbnhabdt 
BerL 1869. — Das Märchen von Psyche und Cupido gaben gesondert heraus Obblli 
Zürich 1833; 0. Jahh Leipz. 1856 (dritte Aufl. von Miohablis besorgt, Leipz. 1883) 
WxYVAN im Index leetionum der Schweizer Universität Freiburg 1891. — Apologia ed 
J. Casaubonits Heidelb. 1594 (vorzügliche Leistung), kommentiert von SoiPio Gentilis 
Hannover 1607 (auch im 6. Bd. der ges. Werke, Neap. 1768); von J. Pbioabus Paris 1635 
kritische Ausg. von G. Kbügbb Berl. 1864. — Florida: Krit Ausg. von G. KbI^oeb Berl 
1865. — Die philosophischen Schriften: Apulei opuscula quae sunt de philosophia rec 
A, Goldbaghbb Wien 1876 (de deo Soeratis, Asclepius, de Piatone et eius dogmate, de 
mundo), — De deo Soeratis . emend, ei adnot, LüTJOHAim Greifsw. 1878. 



120 Römische LitteratargeBchiohie. TL, Die Zeit der Monarohie. 2. Abteilimg. 

3. Julius Titianus, Vater und Sohn. 

677. Die Schriftstellerei der beiden Titiani. Frontos Stilmanier 
konnte nicht ohne Opposition bleiben. Sie war zu verkehrt, um nicht in 
ihrer Nichtigkeit erkannt zu werden. Wir werden später sehen, dass 
der erste christliche Schriftsteller Minucius Felix in seinem Octavius jene 
Richtung aufs entschiedenste verurteilte. Andere gaben thatsächlich 
ihrer Verachtung jener stilistischen Unnatur dadurch Ausdruck, dass sie in 
einem natürlichen Stil schrieben. So hielten sich die juristischen Schrift- 
steller von den Thorheiten der Frontonianer völlig fern. Aber auch das 
lag nahe, dass die Opposition gegen den Frontonianismus zu extremen 
Erscheinungen führte. Es konnte vorkommen, dass man zwar auf die 
klassischen Muster zurückgriff, allein auch hier wieder die sklavische 
Nachahmung statt der freien Nachbildung zur Geltung brachte. In diesen 
Fehler fiel Julius Titianus. Er schrieb fingierte Briefe, welche 
er berühmten Frauen beilegte, also er rief die Gattung der Ovid'schen 
Heroides, nur in Prosa, wieder ins Leben zurück. In diesen Briefen nahm 
er sich aber nicht die Briefe des Meisters Fronte zum Muster, sondern 
die Briefe Ciceros. Dies erregte natürlich den Zorn der Frontonianer, und 
sie suchten den Mann schlecht zu machen, der es gewagt hatte, den alten 
Firnis zu verabscheuen. Anlass bot ihnen eine, wie es scheint, mecha- 
nische Nachäffung der Ciceronischen Briefe; da fühlten sie sich doch 
erhabener, da sie aus den alten Wörtern und Wendungen den Schmuck 
der Bede gewannen. Sie nannten Julius Titianus den „Affen unter den 
Rednern*. Titianus schrieb aber noch anderes. Es gab von ihm ein 
geographisches Werk über die römischen Provinzen, welches in der 
Historia augusta als ein sehr schönes bezeichnet wird. Diese Historia 
augusta kennt den Schriftsteller aber auch als den „Affen'', ein deutUcher 
Beweis, dass der Autor der fingierten Briefe und der Autor der Choro- 
graphie dieselbe Person ist. Da er der Affe der Redner genannt wird, 
so werden wir ihm auch ein Buch, das rhetorische Themata aus 
Yergil behandelte, zuteilen. Aber ein Julius Titianus erscheintauch 
bei Ausonius; er wird einmal als Prinzenlehrer, der aber späterhin an 
Schulen in Munizipien thätig war, eingeführt; femer wird von Ausonius ein 
Titianus erwähnt, der metrische äsopische Fabeln, vielleicht die des Ba- 
brius, in lateinische Prosa umsetzte. Die Annahme ist unabweisbar, dass 
Ausonius an beiden Stellen dieselbe Person im Auge gehabt hat. Dass 
dieser Prinzenlehrer Julius Titianus der Sohn des „Affen*' Titianus ist, 
erhellt aus der Historia augusta; hier erfahren wir auch, dass er der 
Lehrer des jüngeren Maximin war, und es ist wahrscheinlich, dass er 
nach dessen Sturz (238) gezwungen war, Schulen in Munizipien zu über- 
nehmen. 

Fingierte Briefe des Titianus. Apoll. Sid. ep. 1, 1 p. 1 Mohb quem (Cice- 
ronem) nee Julius Titianus sub nominibus inlustrium feminarum digna similUudine 
expressü; propter quod illum ceteri quique Frantanianorum utpote conseetaneum aemulatif 
cur veternosum dicendi genus imitaretur, oratorum simiam nuncupaverunt. 

Die Chorographie des Titianus. Capitol. Maximin. 27, 5 (3faa»m»iiw«) ^ am- 
matieo Latino U9us est PhHemone, iuris perito Modestino , oratore TiHano, fUo Titiani 
senioris, qui provineiarum libros pulcherrimos scripeit et qui dictus est simia 



JnlianUB TitianiiB, Vater und Sohn. 121 

temporis 8iu, quod euncta esset imitatus; Serv. Aen. 4, 42 hi (Barcaei) secundum Titi- 
anum in ehorographia Phoenicen navali quondam superavere eertamine; 11,651 et omnia 
ei artna Anutzanum tradit, quas Titianus unimamfnas vocat (vgl. Monum,^ Germ. Script. 
Merov, 1, 862; Haasb, Greg. Tur. de cursu stell, Breslau 1853 p. 37). 

Die rhetorische Schrift des Titianus. Serv. Aen. 10, 18 et Titianus et Calvus 
qui themata omnia de Vergilio elicuerunt et deformarunt ad dieendi usum, in exemplo 
cantraversiarum has duas pasuerunt adlocutiones (bei Isidor orig. 2, 2, 1 schwankt die 
Ueberlieferung zwischen Quintiliano und Titiano). 

Das zweifelhafte landwirtschaftliche Werk des Titianus. Diom. GL. 
1, 368, 26 tyrannus de agri ctUtura primo. Für tyrannus lesen Titianus Lachxann, 
Kl. Sehr. p. 192 und Haasb, Greg, Tur. de cursu stell, p. 37 ; Keil vermutet Turranius. 
Auf einen Landwirt Titianus deutet pirum Titi an um (Macrob. 3, 19, 6). 

Die Fabeln des Titianus. Auson. ep. 16,1 (p. 174 Sohsnkl) apologos Ti- 
ti an i H Nepotis chronica — ad nobilitatem tuam misi; 16, 2 p. 176 Seh. apologos en misit 
tibi — Aesopiam trimetriam, quam vertit exüi stüo pedestre coneinnans opus fandi Ti- 
tianus artifex, ibid. Vs. 102 wird er Julius genannt. Mit Seneca und Quintilian wird Titi- 
anus Prinzenlehrer genannt (VIII, 7 p. 23 Seh.) Titianus magister, sed gloriosus itte, muni- 
cipaiem scholam apud Visontionem Lugdunumque variando non aetate quidem, sed vilitate 
consenuit, (Cbüsius, Leipz. Stud. 2, 242.) 

Der Rhetor Antonius Julianus. Da -wir als unsere Aufgabe nur betrachten 
können, die Personen zu behandeln, welche mit Schöpfungen in die Litteratur eingetreten 
sind, so müssen wir z. B. die Rhetoren und Gerichtsredner, welche anscheinend nur durch 
das gesprochene Wort gewirkt haben, wie M. Postumius Festus (GJL. 6, 1418), C. Aufidius 
Victorinus, der Schwiegersohn Frontos (CJL. 6, 746), Romanius Jovinus (Obblli-Henzbn 
5606) u. a., ausschliessen. Zu den Schriftstellern hat man gerechnet den Antonius 
JulianuB, einen Spanier (Gell. 19, 9, 7), aber man zieht eine Stelle an, die dies nicht beweist. 
Das, was wir Ober den Mann wissen, verdanken wir Gellius, der ihn bewundert und manches 
aus den Unterredungen mit ihm mitteilt. Da hören wir, wie die gelehrten Herren sich über 
eine Lesart in den Annalen des Ennius unterhalten (18, 5, 5) und wie sie über Kuriositäten z. B. 
über die Feuersicherheit eines Holzbaues disputieren (15, 1, 4). Der schlagendste Beweis 
ist natürlich eine Stelle aus einem alten Buch, hier wie 9, 1, 2 ist es der Ajanalist Claudius 
Quadrigarius, der herangezogen wird. Bei einer anderen Zusammenkunft wird die römische 
Litteratur, bes. die römische Lyrik gegenüber der vermeintlichen Superiorität der griechi- 
schen in Schutz genommen (19, 9, 7). Zu einem Schriftsteller wollte man den Antonius 
Julianus mit Rücksicht auf folgende Stelle machen: Gellius erzählt (18,5), dass Antonius Julianus 
ausgeführt habe, dass ein Vorleser der Annalen des Ennius, ein Ennianista, an einer Stelle 
quadrupes ecus gelesen habe, während es heissen müsse quadrupes eques. Nach- 
dem Gellius dies näher dargelegt, schliesst er mit den Worten: haec tum nobis Julianus 
et mülta alia lueide simtä et adfdbüUer dixit. Sed eadem ipsa post etiam in per- 
vulgatis commentariis scripta offendimus. Bähb, Gesch. der röm. Lit III^ 367, 14, 
Tbuffel-Scbwabb^ § 356, 1 p. 896, Ebetzschxbb, De A. Gellii fontibus, Greifsw. Diss. 1860 
p. 102 wollen daraus auf Schriftstellerei des Antonius Julianus schliessen. Allein dies 
kann meines Erachtens nicht in den Worten liegen; das Richtige ist, dass wir ein Eunst- 
mittel des GeUius vor uns haben. Der Grammatiker hatte in den pervulgaii comtnentarii 
das gelesen, was er, um eine Scenerie anzubringen, dem Antonius Julianus zuteilt (Mbbklin, 
Die Citiermethode des A. G., Fleckeis. Jahrb. Sunplementb. 3, 635; 83, 724; Hebtz 85. 788 
und zur Stelle). Dagegen führen handschriftlicne Spuren auf Deklamationen des A. J. 
Vgl. unten bei Calpumius Flaccus p. 138. 

4. Die Panegyriker. 

678. Die Sammlimg der Panegyriker. In der Mitte des 15. Jahr- 
hunderts machte Giovanni Aurispa eine Reise nach Deutschland, um Hand- 
schriften aufzusuchen. Das Glück war ihm hold, er machte mehrere 
wertvolle Funde, zu diesen gehörte die Entdeckung einer Sammlung von 
panegyrischen Reden; er fand dieselbe im Jahre 1433 in einem Kodex 
des Mainzer Domkapitels. Die Reden waren bis dahin völlig unbekannt, 
jetzt tauchen Handschriften der Sammlung auf. Es ist nicht zweifelhaft 
dass alle diese jüngeren Handschriften aus dem verlorenen Mainzer Kodex 
stammen. Die Sanmilung schloss zwölf Reden in sich, dieselben werden 



122 Bömiflche LitteratnrgeBoliiohte. IL Die Zeit der Monftrohie. 2. Abteilimg. 

in unseren Ausgaben chronologisch angeordnet, so dass den älteren die 
jüngeren folgen; in dem Archetypos standen sie in folgender Ordnung.*) 

1 (= I) Plinius auf Traian 100 n. Chr. 

2 (= XII) Latinas Pacatus Drepanius auf TheodosiuB 389. 

3 (= XI) Mameiünus {gratiarum actio) auf Julian 362. 

4 (= X) Nazarius auf Constantin 321. 

Es folgt jetzt die üeberschrift: incipiunt panegyrici diversorum VII. 

5 (= VIII) pritniis auf Constantin 311. 

6 (= VII) secundus auf Constantin 310. 

7 (= VI) tertius auf Maximian und Constantin 307. 

8 (= V) quartus auf Constantius 297 Mftrz. 

9 (z=z IV) quifUus an den Praeses von Lugdunensis prima 297 gegen Ende. 

10 (= 11) sextiis auf Maximian 289. 

11 (= III) item eiusdem magistri metnet (wohl memorier) Genetkliacus Maximiani auf 

Maximian 291. 

12 (= IX) hie dictu8 est Constantino fUio Constantii auf Constantin 313. 

Man sieht, die Sammlung besteht aus zwei Partien, einer kleineren, 
d. h. aus weniger Nummern bestehenden, und einer grösseren; in jener 
sind die Autoren der Reden genannt, hier erscheinen die Panegyriker 
anonym, nur einmal wird in unbestimmter Weise (wenn die Konjektur 
richtig ist) von einem magister memoriae gesprochen. Die Reden dieser 
zweiten Gruppe umfassen einen Zeitraum von 25 Jahren (289 — 313) und 
sind sämtlich in Gallien gehalten worden, während dies für die erste 
Gruppe von keiner einzigen gilt. Die zweite Sammlung führt einen eigenen 
Titel und eine eigene Zählung. Da nach dem Titel diese zweite Sammlung 
sieben Stücke umfassen soll, so muss dieselbe mit 11 = DI geschlossen 
haben. Damit stimmt, dass diese Rede ausdrücklich mit der vorhergehenden 
in Verbindung gebracht wird. Nun folgt aber eine achte Rede (12 = IX). 
Nach dem Gesagten muss sie ein Nachtrag von fremder Hand sein. Dafür 
spricht auch, dass dieselbe das chronologische Anordnungsprinzip verletzt. 
Unsere Sammlung setzt sich also aus drei Bestandteilen zusammen, aus 
einer kleineren, einer grösseren Sammlung und einem Nachtrag. 

Die Anordnung der Reden erfolgt in den beiden Sammlungen nach 
der Zeit und zwar so, dass von der jüngsten Zeit in die Vergangenheit 
zurückgegangen wird. Drei, im Grunde genommen nur zwei, Ausnahmen 
durchkreuzen die Regel; in der ersten Sammlung nimmt der Panegyrikus 
auf Traian, der älteste, die erste Stelle ein, während ihm doch die letzte 
gebührt. Hier ist offenbar der Gedanke massgebend gewesen, dass jener 
Panegyrikus das Muster der ganzen Gattung ist. In der zweiten Samm- 
lung zeigen eine gestörte Ordnung die nr. 10 = H und 11 = IE, welche 
in umgekehrter Reihenfolge hätten stehen sollen. Vielleicht liegt hier 
ein chronologischer Irrtum des Zusammenstellers vor. Sicher ist ein solcher 
Irrtum anzunehmen bei den Reden 8 = V und 9 = IV, denn beide 
Reden fallen ins Jahr 297; zur Entscheidung der Frage, welche von beiden 
die frühere sei, ist eine genauere Erwägung der Zeitumstände notwendig 
und der Irrtum leicht erklärlich; wurde doch auch in der Gegenwart die 
zeitliche Reihenfolge der beiden Reden festgehalten, welche der alte Ordner 
angenommen hatte. 

Die eingeklammerten römischen Zahlen bezeichnen die Reihenfolge in der 
B£HBBN8*schen Ausgabe. 



Di« Panegyriker. 



123 



Wir wenden uns zu der Analyse der einzelnen Beden, in unseren 
Zeitraum fallen nr. 11 — X. 

579. Panegyrikus an Maximian von 289 (10 = II). Den Anlass 
zu der Rede gibt der Geburtstag Roms (21. April), der in einer Stadt im 
Norden des Reichs, welche an einem schiffbaren Fluss lag, also höchst 
wahrscheinlich in Trier gefeiert wurde. An einem solchen Tage, meint 
der Redner, müsse man vor allem des Maximianus Herculius gedenken; 
der sei ja der Schützer und Erhalter Roms, ein anderes Motiv ist, da das 
heutige Fest an Hercules nicht mit Stillschweigen vorübergehe, so dürfe 
man auch den Herculius nicht ausser Acht lassen. Der Gefeierte ist an- 
wesend und wird angeredet. Der Redner berührt zuerst das Verhältnis 
Maximians zu Diocletian, er findet, dass Diocletian dem Maximian viel 
mehr verdanke als umgekehrt (3). Dann wendet sich der Panegyriker 
zu den Thaten Maximians; wir hören von seiner Pacificierung der revol- 
tierenden Bauern, der Bagauden,i) von dem Einbruch der Burgundionen 
und Alemannen in Gallien, welche er durch Hunger und Krankheiten auf- 
reiben liess,*) von der Niederlage der CShaibonen (Chavionen) und Heruler,*) 
von dem plötzlichen Überfall der Franken am Neujahrstage,*) welche 
sofort zurückgeworfen wurden, von der Überschreitung des Rheins,*) 
welche dem Redner das stolze Wort ermöglicht (7) : quicquid uUra Ehenum 
prospicio, Romanum est Die Zusammenkunft der beiden Kaiser in Rätien ^) 
gibt dem Panegyriker nochmals Gelegenheit, die Vorzüge der gemeinsamen 
Regierung zu preisen. Da springt plötzlich die Rede zur Schilderung der 
grossartigen Rüstungen über, welche von Maximian gegen den britischen 
Usurpator Carausius eben vorbereitet werden.') Dem „Seeräuber", dessen 
Namen der Redner nicht über seine Lippen bringt, wird ein schweres 
Strafgericht in Aussicht gestellt. Damit gewinnen wir den Zeitpunkt, in 
dem die Rede gehalten wurde; es ist das Jahr 289. Mit einer Anrede 
an Rom schliesst der Panegyrikus. 

Anlass der Rede. 1 iure hoc die, quo immortalis ortua dominae gentium civitatis 
vestra pietate celebratur tibi potissimum, imperator invicte, laudes canimus et gratias 
agimus. 

Ort der Rede. 12 iam non aeptentrioni noa putavimua subiacere — fluviua hie 
noster ditt pluviarum pabulo carens impatiens erat navium. 

Zeit der Rede. 12 aediflcatae sunt omataeque puJcherrimae classes cunctis aimul 
amnibus oceanum petiturae — faeile quivis inteUegit, imperator, quam prosperi te successus 
in re maritima seeuturi aint, cui iam sie tempeatafum Opportunität obsequatur, 

680. Der Qenefhliacus MayiTniitni (U = lü). Die Rede wurde 
zum Geburtstag des Kaisers Maximian gehalten, der merkwürdigerweise 
zugleich der Diocletians war, und zwar nicht in Rom, sondern in einer 
im Norden des Reichs gelegenen Stadt. Der Panegyriker hatte bereits 
früher eine Rede an den Kaiser gerichtet, er wollte auch an den Quin- 



>) Fbsusb, Diocletian p. 32 , Am Anfang 
des Jahres 286 n. Ch. war der Bagaadenkrieg 
beendet". 

*) Im Jahre 286 ; Tgl. Pbbuss p. 35. 

') Sommer und Herbst 286 ; vgl. Pbxuss 
p. 36. 

*) 287; vgl. Pbbxtbs p. 86. 

*) 288; vgl. Pbbuss p. 36. 



*) 9; vgl. Pbbuss p. 43. 

') 12. ,Im Sommer des Jahres 288 liess 
er an den Strömen des nördlichen Galliens 
Schiffswerften anlegen, Schiffe bauen und 
die Mannschaft zum Seedienst Üben. Im 
Frühling des folgenden Jahres waren seine 
Rüstungen unter Begünstigung eines bes. 
milden Winters beendet" I^obuss p. 89* 



124 Bömiaohe LitteratargeBohiohte. IL Die Zeit der Xonarobie. 2. Abteilung. 

quennalia desselben sprechen, allein er konnte sein Vorhaben nicht aus- 
führen, doch gibt er sich der Hoffiiung hin, dass es ihm vergönnt sein 
werde, an den Decennalien Maximians die Festrede halten zu können. 
Obwohl die Rede an den anwesenden Maximian gerichtet ist, so zieht sie 
doch auch den Mitregenten in ihren Kreis. Aber nicht die Thaten der 
Herrscher hat sich der Redner zum Vorwurf genommen, da er über die- 
selben schon früher gehandelt hatte, er führt sie daher nur in der Form 
der praeteritio ein. Als Ihema der vorliegenden Rede setzt er sich den 
Preis der pietas und der felicUas der Kaiser, wodurch sich der Panegyrikus 
in zwei Teile gliedert. Die pietas zeigt sich vor allem in der Fürsorge 
der beiden Kaiser für die Götterverehrung, dann in der freudigen Teil- 
nahme, die jeder den Erfolgen des anderen schenkt, in ihrem treuen 
Zusammenwirken und in ihrer Einigkeit, die in der Konferenz zu Mailand 
glänzend vor Augen trat. Und diese Konferenz gestaltete der Redner 
zum Schaustück seines rednerischen Produktes. Kürzer ist der Teil über 
die felicUas der Kaiser ausgefallen. Diese erblickt der Panegyriker nament- 
lich darin, dass die feindlichen Völker Roms sich gegenseitig zerfleischen, 
und dass der Segen des Himmels sich in reichen Ernten über die Erde 
ergoss. Mit der Floskel: felicitatem istam, optimi imperatores, pietate me- 
ruistis (18) hat der Sprecher die Ausführung des Thema vollendet, er 
kann jetzt zu dem Schluss übergehen. 

In der Überlieferung figuriert die Rede als eine Schöpfung desselben 
magister, welcher im Jahre 289 die Rede auf Maximian gehalten hatte. 
Zu dieser Überlieferung stimmt die Angabe des Redners, dass er bereits 
den Maximian gefeiert habe; auch verstehen wir bei diesem Verhältnis, 
warum in unserer Rede die Thaten der Kaiser nicht mehr ausführlich 
behandelt werden konnten. Gehalten wurde der Panegyrikus bald nach 
der in Mailand stattgehabten Konferenz. Da diese in den Anfang des 
Jahres 291 fallt, wird die Rede ebenfalls diesem Jahre angehören. Der 
Charakter dieses Panegyrikus ist bei weitem adulatorischer als der des voraus- 
gehenden; es brachte dies die Natur der Sache mit sich, denn dort bilden 
die Thaten der Kaiser, hier ihre pietas und ihre felicitcts den Gegenstand 
der rednerischen Ausführung. 

Anlass der Rede. 1 sentio a me praecipue hoc piae vocis officium iure quodam 
sacrosancti fenoris postülari, ut expectaiionem sermonis eius quem tuis quinquennalibus prae- 
paraveram hac gemini natalis praedicatione compenaem et dicendi munus quod tunc votl 
promissione susceperam, nunc religione debiti repraesentem; 2 hie mihi dies videtur iUustrior 
mctgisque celehrandus qui te primus protulit in lucem. 

Der Ort der Rede lag im Norden; vgl. 9 hieme aaevissima et his quoque regionibus 
inusitata. Dass der Ort der Rede nicht Rom war, ergibt sich aus 12, wo der Redner 
ganz anders h&tte sprechen müssen, wenn er in Rom gewesen wäre. 

Die Zeit der Rede. Die Begegnung der beiden Kaiser in MaUand hatte statt- 
gefunden ; es war dies im Winter 291 (Preüss, Diocietian p. 47). Aber dass diese Zu- 
sammenkunft nicht weit von der Rede zurücklag, zeigt, dass mit nuper (2), mit proxime 
(8) auf das Ereignis hingewiesen wird. Die Rede wird also in das Jahr 291 fallen (Sbeck, 
Fleckeis. Jahrb. 1888 p. 716). 

Die Disposition der Rede. 5 novam mihi propono dicendi legem, ut, cum omnia 
videar silere quae summa sint, ostendam tarnen inesse laudilma vestris alia maiara, 6 Quae 
igitur iUa sunt? pietas vestra, sacratissime imperator, atque felicitas; 13 facilis est 
mihi transitus — cib hac pietatis vestrae laude ad praedicationem felicitatis. 

Persönliche Verhältnisse des Autors. 5 de rebus heUieis victoriisque vestris 
—- et multi summa eloquentia praediti saepe dixerunt et ego pridem, cum mihi audUionis 



Die Panegyriker. 



125 



tuae divina dignatio eam copiam tribuit, quantum potui, praedicavi . 1 voveram potis- 
simum, ut me dignatiane qua pridem audieras rursus audires — gaudeo igitur, H fas 
est confUert, dikUam esse iUatn cupiditatem meam; neque enim orcUUmis eins quam com- 
posueram (für die Quinqaennalien) facto iacturam; sed eam reservo ut quinquennio rursus 
exacto decennälibus tuis dicam. 

581. Des Emneniiui Bede für den Wiederaufbau der Schulen in 
Autun (9 = IV). Auch diese Rede ist in unserer Sammlung anonym 
überliefert. Aber wir lernen ihren Verfasser mit aller Sicherheit aus 
einem von dem Redner mitgeteilten kaiserlichen Dekret kennen, es ist 
Eumenius. Auch über die Lebensverhältnisse des Rhetors erhalten wir 
aus der Rede Aufschluss. Die Familie des Redners stammte aus Griechen- 
land, der Grossvater war in Athen geboren, derselbe lehrte zuerst in 
Rom mit grossem Erfolg die Rhetorik, dann siedelte er nach Autun über, 
um hier an den Mänianischen Schulen^) bis über das 80. Lebensjahr 
hinaus thätig zu sein. Auch der Enkel folgte den Fusstapfen des Oross- 
vaters, auch er wurde Lehrer der Rhetorik. Aber seine Kunst führte ihn 
zu Höherem; er wurde am Hof magister memoriae. Allein es scheint 
doch, dass er nicht alle für dieses hohe Amt erforderlichen Eigenschaften 
besass. Von Gonstantius wurde er zur Leitung der Mänianischen Schulen 
nach Autun berufen; es war dies eigentlich eine Degradierung, aber man 
versüsste ihm die Pille durch die Verdopplung seines Gehalts, der von 
300 000 Sesterzen sonach auf 600 000 stieg, und durch ausdrückliche Auf- 
rechthaltung seines bisherigen Ranges. Allein Eumenius wollte, von 
Ruhmbegierde erfüllt, diese Ernennung benutzen, um sich ein bleibendes, 
sichtbares Verdienst um seine Vaterstadt zu erwerben. Durch die Kriegs- 
unruhen war Autun in hohem Masse mitgenommen worden,^) die Stadt 
war entvölkert und viele Gebäude waren in Asche gesunken. Zu den zer- 
störten Gebäuden gehörten auch die Mänianischen Schulen. Der Rhetor 
bestimmte nun seinen ganzen Gehalt, der überdies von der Gemeinde Autun 
getragen werden musste, zum Wiederaufbau dieser Schulen. Er wendet 
sich daher in einem öffentlichen Vortrag an den Präsidenten seiner Pro- 
vinz und ersucht ihn, bei den Kaisern die Genehmigung seiner Schenkung 
zu erwirken. Aber mit dieser einfachen Erklärung war für Eumenius die 
Sache nicht abgethan, er brauchte eine kunstvoll komponierte Rede. Er 
beginnt daher mit einer captcUio benevolentiae, indem er auf seine schwie- 
rige Situation hinweist, da er zum erstenmal in einer öffentlichen Ange- 
legenheit das Wort ergreife. Dann macht er eine regelrechte Disposition 
von zwei Teilen, im ersten soll die Notwendigkeit des Wiederaufbaus der 
Schulen dargethan werden, im zweiten die Art und Weise, wie jenes Ziel 
zu erreichen sei. Bei der Durchfuhrung des Themas richtet der Redner 
seine Blicke stark nach dem kaiserUchen Hof, da wird in dem ersten 
Teil geltend gemacht, dass die Regenten in dem Wiederaufbau der Stadt 
selbst mit gutem Beispiel vorangehen, und dass sie, die Förderer der 



') ,So heissen sonst die Stockwerke im 
Amphitheater (Mabq., Altert. IV S. 558), 
auch die Vorbauten der H&user im oberen 
Stockwerk, welche Über das Parterre in die 
Strasse hineinragen, in Rom seit 868 n. Gh. 
polizeilich verboten. QOu., Eoltnrbilder aus 



Hellas und Rom III S. 11. Hier bedeutet 
es also grosse mehrstöckige Schulgebftude*, 
Pbbüss, Diodetian p. 62. Vgl. Archiv für 
lat. Lexikogr. 5, 519. 

') Prbüss, Diocletian p. 59; Brandes, 
Braunschweig. Progr. 1887 p. 26. 



126 BömiBohe LitteratnrgeBohiolite« II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilong. 

Wissenschaft und die Fürsorger für die Erziehung der gallischen Jugend, 
gewiss an dem Wiederaufbau der Schulen das grösste Interesse nehmen. 
In dem zweiten Teil wird das kaiserliche Reskript mit dem Gesänge des 
Amphion verglichen; wie diesem Gesang, so wird auch dem Reskript die 
Wirkung zugeschrieben, Mauern und Dächer wieder erstehen zu lassen. 
Mit dem Hinblick auf einen in den Hallen der Schule gemalten orbis, der 
das gewaltige Reich der Kaiser und ihre grossen Thaten vor Augen stellt, 
schliesst wirkungsvoll die Rede. 

DenAnlass zu der Rede gab das kaiserliche Dekret, durch welches Enmenius 
zum Leiter der Mftnianischen Schulen in Autun (Augustodunum) ernannt wurde. Der 
Redner teilt dasselbe mit 14; vgl. 3 postulo — tU Maenianae ilUu seolae quondatn pul- 
cherrimo opere et stadiorum frequentia celebres et illustres iuxta cetera quae instaurantur 
qpera ac templa reparentur. 

Die Disposition der Rede. 3 quam guidem [causam) ego duas in partes arbiträr 
dividendam, ut prius disseram quam sit ex usu et officio opus illud (d. h. der Mftniani- 
schen Schulen) ad pristinam magnificentiam reformari (4 — 10); deinde qua ratione id 
possit sine sumptu pubJieo, ex largitione quidem prineipum maximarum, sed tarnen cum 
aliquo meo erga patriam studio et amore procedere (11 bis Schluss). Vgl. 11 hoc ego sala^ 
rium, quantum ad honorem pertinet, adoratum accipio et in accepti ratione perscribo, sed 
expensum referre patriae meae cupio et ad restitutionem huius operis, quoad 
usus poposeerit, destinare. 

Die Zeit der Rede. Nach der Ueberlieferung wurde von dem Ordner der Reden 
8 = y, der Fanegyrikus auf Constantins, als die jüngere Rede, dagegen 9 = IV, unsere 
Rede, als die ältere betrachtet. Eine genauere Betrachtung der historischen Anspielungen 
dagegen führt zu dem Resultat, dass das Umgekehrte stattöndet In Bezug auf den Krieg 
gegen die Mauren, der bereits angefangen worden war, sieht der Redner von 8 = V erst 
Siegesnachrichten entgegen: 5 reservetur nuntiis iam iamque venientibus Mauris immissa 
vastatio; dagegen heisst es IV, 21 te, Maximiane invicte, perculsa Maurorum agmina 
fulminantem, hier sind schon Siegesnachrichten eingetroffen, wenngleich der Krieg noch 
fortdauert. Weiter wird in IV, 21 te, Maximiane Caesar, Persicos arcus pharetrasqtie 
edlcantem der Cftsar Galerius gefeiert Dieses Lob war aber erst möglich, nachdem Galerius 
297 seine schmähliche Niederlage durch den Sieg über Narses wett gemacht hatte. In 
8 = V wird in dem Schlusskapitel, das wie das Schlusskapitel unserer Rede ein Lob der 
Regenten enthalt, von Galerius geschwiegen, seine Niederlage war daher noch nicht ge- 
sühnt Die Rede wird in die zweite H&lfte des Jahres 297 fallen. Vgl. Kilian, Der Pane- 
gyrist Eumenius, Münnerstftdter Programm 1869 p. 31; Seeck, Fleckeis. Jahrb. 1888 p. 722. 

Die persönlichen Verhältnisse des Eumenius. 17 iUic (in den Mänia- 
nischen Schulen) avum quondam meum docuisse audio, hominem Äthenis ortum, Bomae diu 
eelebrem, mox in ista urbe (Autun) — detentum; 11 trecena illa sestertia, t^ae sacrae 
memoriae mag ist er acceperam; 15 non videtur tibi — hac tantarum prineipum ex- 
hortatione non solum meus ex otio iacens ad pristinas artes animus attolli? (also hat E. 
bei der Ernennung zum Leiter der Schulen nicht mehr das Amt des magister memoriae 
bekleidet) und zwar, wie es scheint, schon Iftngere Zeit nicht mehr; 6 me filio potius meo 
ad pristina mea studia aditum molientem — ipsum iussit disciplinas artis oratoriae re- 
tractare; 14 (aus dem Dekret), auditorio huic, quod videtur interitu praeeeptoris orbatum, 
te potissimnm praeficere decrevimus, cuitis eloquentiam et gravitatem morum ex acttts 
nostri habemus administratione compertam . salvo igitur privüegio dignitatis tuae hortamur 
ut professionem oratoriam repetas — nee putes hoc munere ante partis aliquid tuis hano- 
ribus derogari — denique etiam salarium te in sexcenis miJibus nummum ex reipubiieae 
viribus consequi volumus, 

582. Die Rede vor Constantius (8 = 7). Am 1. März 293 wurden 
bekanntlich Constantius und Galerius zu Cäsaren ernannt. Zur vierten 
Wiederkehr dieser Feier hielt im Jahre 297 ein in der Überlieferung nicht 
genannter Redner vor Constantius, ^) wahrscheinlich in Trier und zwar im 
Auftrag der cif?üa8 Aeduorum (21) diese Rede, deren Kern die Verherr- 
lichung der Unterwerfung Britanniens ist. Dieses Land war damals 



') 4 habenda ratio est temporis, Caesars stante dum loquimur. 






Die Panegyriker, 127 

zum erstenmal als selbständige Seemacht in die Oeschichte eingetreten. 
Ein tüchtiger römischer Feldherr, Carausius, hatte sich auf der Insel zum 
Gebieter aufgeschwungen, ^) und sieben Jahre beherrschte er das stolze Ei- 
land, Da wird er von seinem Praefectus pradorio Allectus ermordet (293). 
Gegen Allectus, der sich ebenfalls zum Kaiser von Britannien aufgeworfen 
hatte, richtete sich die von dem Redner gefeierte Expedition des Con- 
stantius. Nachdem er in überschwenglicher Weise die Erhebung des Con- 
stantius zum Cäsar gefeiert, schildert et uns die Operationen, welche 
gegen den Herrscher Britanniens unternommen wurden. Wir hören, wie 
Constantius einen Damm vor Gesoriacum, das in den Händen des britischen 
Kaisers war, aufwarf, um den Hafenzugang zu sperren und so eine Hilfe- 
leistung zur See unmöglich zu machen, und wie sich die Stadt ergeben musste. 
Dann werden die Vorbereitungen für die Expedition dargelegt, der Schiffs- 
bau, die Unterwerfung der Franken und ihre Versetzung nach Gallien. 
Endlich kommt der Panegyrist zur britischen Expedition selbst. Hier 
ergab sich für ihn eine Schwierigkeit insofern, als der vernichtende Schlag 
gegen AUectus von einem ünterfeldherrn des Constantius ausgeführt wurde. 
Es waren nämlich, wie der Redner uns erzählt, zwei Flotten zum Auf- 
bruch aufgestellt worden, die eine an der Mündung der Seine, die andere 
unter des Constantius persönlicher Leitung bei Bononia. Der ersten Flotte 
gelang es, unter dem Schutz eines dichten Nebels, ohne dass der Feind 
dessen gewahr wurde, an der Südküste zu landen und Allectus zu schlagen. 
Allectus fand selbst hiebei den Tod. Als Constantius mit seiner Flotte 
landete, war der Feind besiegt und das Schicksal der Insel entschieden. 
Es ist nun ergötzlich zu lesen, wie sehr sich der Lobredner bemüht, alles 
Licht auf Constantius fallen zu lassen. Phrasen müssen die Thatsachen 
ersetzen. 

Über seine Lebensverhältnisse spricht sich der Redner im Eingang 
aus. Nach diesen Mitteilungen war er früher Lehrer der Beredsamkeit 
gewesen, als solcher beschäftigte er sich mit Reden auf Maximian und 
Diocletian; seine Lehrwirksamkeit wurde unterbrochen durch die Berufung 
zu einem kaiserlichen Amt, dann durch ländliche Beschäftigungen, nach- 
dem er aus seinem Amt getreten. Dieses längere Stillschweigen macht 
ihn befangen, doch gibt ihm wieder Mut, dass Constantius schon früher 
ihm seine Gunst erwiesen, indem er ihm ermöglichte, an Maximian eine 
Lobrede zu halten. In seinem kaiserlichen Amt nahm er an dem Feld- 
zug Maximians gegen die Alemannen teil. 

Der Anlass zn der Rede. 2 det mihi, Caesar inviete, hodiernae graitäaiionis 
exordium divinus ille veatrae maieatatis ortus ipso quo iUuxU auspicio veris iU 
lustrun', Constantiiis und Galerios worden am 1. März 293 zu Gftsaren ernannt; daher 
3 o kalendae Martiae, sieuti oUm annorum volventium, Ua nunc aeternorum auspices impe^ 
ratorum; 21 tUa, cuius nomine mihi peeuliariter gratulandum, devotissima vobis civitas 
Aeduorum, 

Die Zeit der Rede wurde bei 9 = IV besprochen, und festgestellt, dass 8 = V 
frOher abgefasst ist als 9 = IV. Beide Reden fallen in das Jahr 297. Da der Redner 
als den Anlass zn seiner Rede die Wiederkehr des Tags, an dem Gonstantios und Galerius 
zn Gftsaren erkoren wurden, nahm, und dies am 1. Mftrz geschah, so setzt man den 



*) Pbeuss p. 38. 



128 BOmiBohe LitteratiirgMohiohte. IL Die Zeit der Monarchie. 8. Abteilung. 



1. März 297 als den Tag der Rede an. Seeck bestreitet diesen Tag mit ünrecbt (Fleckeia, 
Jahrb. 1888 p. 723). 

Die Personalien des Redners. 1 quo in genere oraiionis quanta easet cura — 
sensi etiam, cum in cotidiana illa instituendae iuventiitis exercitatione versarer, quamvia 
ibi prima tunc in renaacentem rempublieam patris ae patrui tui merita, licet dieendo 
aequare non po8sem, possem tarnen recensere enumerando . 8ed cum et me ex iüo vetere 
curriculo aut inter adyta Palatii vestri alia quaedam sermonis areani ratio demoverü aut 
post indtUtam a pietate vestra quietem atttdium ruris abduxerit — praesertim cum favtnU 
numine tuo ipse iUe iam pridem mihi, qui me in lucem primus eduxit, divinarum patris 
tui aurium aditus evenerit. — 2 tranaeunda sunt — ea quibus officio ddati mihi a divinitaie 
vestra honoris interfui — exhausta penitus Älamannia, 

583. Die Bede zur Feier der Hochzeit des Constantin und der 
Fausta (7 = VI). Diese Rede fallt in die Zeit der grossen Wirren, 
welche nach dem Tode des Gonstantius entstanden waren. Sowohl der Sohn 
des Gonstantius, Constantin, als der Sohn des Maximian, Maxen tius, 
hatten sich erhoben, um sich einen Anteil an dem Regiment zu ver- 
schaffen. Da litt es auch den alten Maximian nicht mehr in seinem ihm 
wider Willen aufgezwungenen Ruhesitz. Er tauchte in Rom auf und nahm 
den Purpur. Die tiefe Erbitterung, die zwischen Vater und Sohn herrschte, 
zwang ihn, es mit Constantin zu versuchen. Er hatte noch eine Tochter, die 
Fausta, mit ihr zog der unruhige Mann über die Alpen ^) und vermählte sie 
mit Constantin; zugleich verlieh er ihm die Würde eines Augustus.*) Zur Feier 
dieser Hochzeit ist im Jahre 307 unsere Rede gehalten worden. Der Redner 
hatte eine ungemein schwierige Aufgabe zu lösen, er durfte nach keiner 
Seite hin anstossen und musste doch Ereignisse höchst heikler Natur be- 
rühren. Da war die freiwillige Thronentsagung Maximians, von der jeder- 
mann wusste, dass sie von Diocletian erzwungen war; da war das neue 
Auftreten des alten Kaisers, und es konnte kein Zweifel sein, dass das- 
selbe wider die Übereinkunft verstiess, die zwischen ihm und Diocletian 
getroffen war. Der schlaue Rhetor half sich damit, dass er soviel als 
möglich über Dinge, welche ihm Schwierigkeiten machten, mit Still- 
schweigen hinwegging, weder Maxentius noch Oalerius wurden erwähnt. 
Die Thronentsagung des Maximian entschuldigt er durch die grosse Rück- 
sicht, die dieser auf Diocletian nahm, lässt sie aber als ein Unglück für 
das römische Reich erscheinen. Das neue Eingreifen des alten Kaisers 
erfolgt natürlich nach der Darstellung des Panegyrikers auf die dringendsten 
Bitten von Rom. So glitt er geschickt über die Schwierigkeiten hinweg. 
Der Aufbau seiner vor Maximian und Constantin gehaltenen Rede ist ein- 
fach und klar. Er geht von dem freudigen Ereignis aus und knüpft 
daran die Hoffnung, dass jetzt die Oeschicke des römischen Reiches mit 
einer neu zu begründenden Dynastie auf ewig verflochten werden. Dass 
der Redner den noch vorhandenen Sohn des Constantin und die Ehe mit 
Minervina übergeht, 3) ist für ihn charakteristisch. Das Thema sind zwei 
laudcdionesj die eine auf Constantin, die andere auf Maximian. Die laU' 
datio des Constantin wird nach den vier Kardinaltugenden abgewickelt. 



*) Ich setze die Reise vor die Konferenz 
in Camnntum; vgl. Hunzikbb in Büdingers 
Untersuch, zur rOm. Eaisergesch. 2, 221. 

^) So der Panegyriker. Nach den MOnzen 



führte Constantin schon vorher den Äugnstos- 
titel. Vgl. Sghillbb, Gesch. der röm. Kaiserz. 
2, 179 Anm. 2. 

') BüRKBAROT, Constantin' p. 314. 



Die Panegyriker. 129 

Interessant ist es, dass ein Bild beschrieben wird, auf dem die noch un- 
reife Fausta dem Constantin einen glänzenden Helm überreicht. Der 
Epilog wendet sich an die beiden Herrscher zusammen und apostrophiert 
zuletzt auch den verstorbenen Constantius. 

Über seine Person macht der Redner nicht die geringsten An- 
deutungen. 

Der Anlass der Rede. 1 mihi certum est ea.praeeipue iato aertnone complecti 
quae sunt huius propria laetitiae qua tibi Caesari ctdditum namen imperatoris et istarum 
eaelestium nuptiarutn festa eelebrantur. 

Die Gliederung der Rede. Der Eingang nmfasst 1—2, mit 8 beginnt die lau- 
datio, amerst die des Constantin (3—7), mit 8 die des Maximian (8 -12), mit 13 der Epilog. 

Die Zeit der Rede. Die Ereignisse folgen sich so: Erhebung des Maxentius Okt. 
306 (HuHZiKEH 1. c. p. 217), Gefangennehmung des Severus 307, Entzweiung des Maxentius 
mit Maximian, Reise des Maximian nach Gallien, Konferenz in Carnuntum 11. Noy. 
307. Also fand die Vermählung des Constantin und der Fausta im Jahre 307 statt. 

584. Lobrede auf Constantin (6 = YH). Trier feierte seinen Ge- 
burtstag, es war das Jahr 310; da trat ein Redner aus Augustodunum 
auf; eine Bede auf den Festtag hatte er nicht vorbereitet, er bot dafür 
einen Panegyrikus auf den anwesenden Constantin, in dem er von dem 
Fest fast gar keine Notiz nahm. Der Redner beginnt mit einer Aus- 
einandersetzung, dass Constantin schon durch die Geburt ein Anrecht auf 
den Thron habe, er preist alsdann überschwänglich den Vater Constantins, 
Constantius, und erblickt in dem Sohn das lebendige Ebenbild des Vaters. 
Nachdem er weiterhin die Erhebung Constantins zum Thron nach dem 
Tode des Constantius geschildert hatte, führt er die glorreichen Thaten 
seines Helden vor. Zuletzt kommt er auf den heiklen Punkt, die Nieder- 
werfung des alten Maximian. Diesen hatte auch die Konferenz in Car- 
nuntum, durch die er nochmals zur Abdicierung gezwungen wurde, nicht 
zur Ruhe bringen können; wiederum streckte er seine Hand nach dem 
Purpur aus und rebellierte selbst gegen den eigenen Schwiegersohn. 
Zuerst erkor er sich Arelate als Stützpunkt fQr seine Operationen. Als 
Constantin mit seinen Truppen herbeieilte, wandte sich der unruhige Mann 
nach Massilia. Hier fand er das Ende seiner Laufbahn; er kam um, wir 
wissen nicht aus sicherer Quelle, in welcher Weise; denn der Panegyriker 
hat begreiflicherweise den Schleier, der auf diesem Ereignis ruhte, nicht 
gelüftet, wie er überhaupt sehr vorsichtig in dieser Partie ist und selbst 
den Namen des Verschwörers in den Mund zu nehmen vermieden hat. 

Der Redner, der früher im Hofdienst thätig war, hat in seinem 
Werk die Farben stark aufgetragen; denn er verfolgt mit seiner Rede 
zugleich materielle Interessen. Er legt dem Kaiser die Schicksale seiner 
in Ruinen gesunkenen Vaterstadt warm ans Herz, nicht ohne einen An- 
flug von Neid verweist er auf die glänzenden Bauten der kaiserlichen Re- 
sidenz; er ladet Constantin dringend zum Besuch von Augustodunum ein. 
Aber der Redner vermag seinen Panegyrikus nicht zu schliessen, ohne 
auch an sich zu denken. Er benutzt die Gelegenheit, seine fünf Kinder 
der kaiserlichen Huld zu empfehlen, besonders den Sohn, der General- 
advokat beim Fiskus ist. Zuletzt macht er noch auf seine geistigen Kinder, 
seine Schüler, aufmerksam, deren er viele für das Forum und für den Hof 
ausgebildet hat. 

Bandbach der Hub, AltertunnwIflfleiiachafU Vm. 3. TeU. 9 



130 RömlBohe Litteratargesohlohte, IL Die Zeit der Xonarohie. 2. Abteilang. 

Der Anlass der Rede ist der Gebartetag von Trier (wahrsoheinlicli als römischer 
Kolonie). 22 iddeo hane fartunatisaimam civUatem, cuius natalis dies tua pietate 
celebratur. 

Der Ort der Rede ist Trier. Es ist eine Residenz (22 Mnnia sunt praesentis 
munera)y deren grossartige Bauwerke hier beschrieben werden. Ferner spricht der Redner 
(13) von hie noster indigena fluvius et barbarus Nicer et Moenus; der indigena fluvius ist 
die Mosel, die nicht weit yon der Heimat des Redners, dem Aednerlande, entepringt. Es 
kann nur Trier gemeint sein. 

Die Zeit der Rede. Maximian ist bereite tot; 20 nee se dignum vita iudicavii 
(Brakdt, Eumenios p. 48). Kurz vor der Rede war der Geburtetag der Regierung dos 
Constantin gefeiert worden (2 quamvis ille felicissimus dies proxima religione celehratus 
imperii tui natalis habeatur). Der Regierungsantritt ist vom Tod des Constantius aus zu 
datieren (25. Juli 306). Die Quinquennalien, die zu Anfang des 5. Jahres gefeiert wurden 
(Paneg. 8, 13), fallen 310; und dieses Fest ist mit den angefahrten Worten gemeint. 
Also wird auch die Rede in dieses Jahr fallen (Sachs, De quattuar paneg, p. 14). 

Der Charakter der Rede. 1 kunc tarnen quanttUumcumque tuo modo, Constan- 
tine, numini dicabo sermonem — fas esse duco omnium principum pietate meminisse, lau- 
dibus celebrare praesentem. 

Persönliche Verhältnisse des Redners. Dass Augustodunum seine Vaterstedt 
ist, erhellt aus 22: ipsam patriam meam ipsitts lad veneratione restitues . cuius eipitatis 
antiqua nobilit€is et quondam fraterno populi Romani nomine gloriata (Freundschaft der Aeduer 
und Römer) opem tuae maiestatis expectat, ut iUic quoque loca publica et templa puJeher- 
rima twi liheralitate reparentur; vgl. 21, wo auf den Apollotempel und die Apolloquellen von 
Augustodunum hingedeutet wird, lieber seine fünf Kinder und seine Schüler vgl. 23; be- 
züglich der ersteren sagt er: commendo liberos meos praecipueque iüum iam summa fisci 
patrocinia tractantem. Er selbst bezeichnet sich als einen Mann mediae aetatis (1); auf 
seinen Hofdienst spielt er an 23: tua dignatione perveni, ut hanc meam qualemcunque 
vocem diversis otii (Thfttigkeit ausserhalb des Staatedienstes vgl. Sbbck, Fleckeis. Jahrb. 
1888 p. 724) et palatii offieiis exercitam tuis auribus consecrarem, 

586. Dankrede an Constantin im Namen von Augustodnnnm 
(5 = YJLLL). In der vorigen Rede hatte der Sprecher den Kaiser ge- 
beten, seiner Vaterstadt Augustodunum einen Besuch zu machen und der 
tief daniederliegenden Stadt aufzuhelfen. Constantin entsprach der Bitte, 
er kam nach Augustodunum und gab der Gemeinde mehrere Beweise 
seiner Huld. Für diese Wohlthaten dankt der Redner (311) im Namen seiner 
Vaterstadt, welche jetzt nach dem Qentilnamen des Kaisers Flavia Aedu- 
orum genannt wurde, in Trier dem Kaiser; denn eine feierliche Dank- 
sagung war seiner Zeit bei der Anwesenheit des Kaisers in Augusto- 
dunum nicht am Platz. Der Redner disponiert seine Rede nach dem Satz, 
dass es Sache des Weisen sei, Würdigen und Bedürftigen zu Hilfe zu 
kommen. Demgemäss zeigt er zuerst, dass seine Gemeinde der kaiser- 
lichen Gnade würdig gewesen sei, indem er besonders das seit Cäsar 
zwischen den Römern und Äduern bestehende Freundschaftsverhältnis in 
den Vordergrund rückt; alsdann legt er dar, in welcher schlimmen Lage 
sich Augustodunum vor dem Eingreifen des Kaisers befand. Naturgemäss 
schliesst er daran die kaiserlichen Wohlthaten selbst: Constantin hatte 
einmal eine Ermässigung der Grundsteuer eintreten lassen, dann den gänz- 
lichen Nachlass der aus den fünf letzten Jahren rückständigen Steuern 
bewilligt. 

Der Redner war Lehrer der Beredsamkeit und zugleich Ratsherr; 
als solcher nahm er an der Audienz teil, welche Constantin in Augusto- 
dunum dem Rat erteilt hatte. 

Der Anlass der Rede war die Danksagung an Constantin für die Augustodunum 
erwiesenen Wohlthaten. 1 gaudiorum patriae meae nuntium sponte suscepi, iä esaem iam 
non privati studii litterarum, sed publicae gratuJationis oratar. (Bbaiidt, Eumenius p. 23). 



Die Panegyriker. 131 

Der Ort der Rede ist Trier, denn der Panegyriker spricht von einer Residenz 
des Kaisers. 2 in hae urbe, quae adhuc assiduUaie praesentiae tuae prae ceteris fruitur, 
habebit enim felieUatis aemulam Flatnam nosiram d. h. Augastodonnm. 

Die Zeit der Rede ist das Jahr 311. 13 quinque annarum nobis reliqua remü 
sistif lustrutn omnUma lustri8 feliciuBt o lustrum quod rnerito hanc imperii tut aequavit 
aetatem. Also sind seit dem Regierungsantritt Constantins (25. Juli 306) 5 Jahre verflossen ; 
die Rede wurde demnach nach dem 25. Juli 311 gehalten. Damit stehen die folgenden 
Worte im Einklang: quinguennalia tua nobis, sed iam perfecta eeUbranda sunt . iUa 
enim quinto anno (dieses Wort setzt Bährens hinzu) incipiente suscepta omnibus popuJis 
iure communia, n(ibis haec proprio quae plena sunt. Die Quinquennalia sollten gefeiert 
werden am Anfang des 5. Jahres, also 25. Juli 310. Jetzt werden sie später gefeiert, also 
311 (vgl. auch Sachs, De quattuor paneg. p. 10 „auctumno anni" 311). 

Die Disposition der Rede beleuchten folgende Stellen : 2 praecipue bene meritis 
et graviter affectis subvenire sapientis est, 5 dixi quam bene meritis Aeduis subveneris, im- 
perator; sequitur, ut dieam quam graviter afftictis, — 7 iam enim ad praedicanda remedia 
numinis tui ordine suo pervenit oratio. 

Die persönlichen Verhältnisse des Redners. Dass er Lehrer der Bered- 
samkeit war, geht aus den oben an erster Stelle citierten Worten hervor, hier spricht er noch 
von Augustodunum als seiner pairia, üeber seine Zugehörigkeit zum ordo der Stadt vgl. 1 
volui quidem, saeratissime imperator, cum in itto aditu paiatii tui Stratum ante pedes tuos 
ordine m indulgentiae tuae voce divina porrectaque hoc invicta dextera sublevasti, numini 
tuo gratias agere, 

586. Beglflckwünschung des Oonstantin zu seinem Siege ttber 
Mazentias (12 = IX). Die Wirren, welche nach der Thronentsagung 
Diocietians entstanden waren, hatten sich seit 311 etwas gelegt; es 
herrschten wieder vier Herrscher über das römische Reich, über den Westen 
Constantin und Maxentius, über den Osten Licinius und Maximinus Daza. 
Einen Oberkaiser gab es nicht mehr, gänzlich unabhängig standen sich 
die vier Herrscher gegenüber. Aber unter den vier Regenten war einer, 
dessen Seele von dem Gedanken beherrscht wurde, die Einheit des Reiches 
wieder herzustellen und die Konkurrenten zu beseitigen. Es war Con- 
stantin. Der erste, mit dem er den Streit wagte, war Maxentius. Der 
Kampf war kein leichter, denn der Gegner verfügte über bedeutendere 
Hilfsquellen als Constantin. Aber der gebot über ein glänzendes Feldherrn- 
talent. Mit raschem Entschluss spielte Constantin den Krieg nach Italien 
und warf in den Schlachten von Susa und Turin den Feind nieder. Als 
Sieger zog er in Mailand ein. Dann ging es gegen Verona; hier stiess 
er auf einen entschlossenen, äusserst tüchtigen Gegner, Pompeianus. Aber 
auch über diese Schwierigkeiten führte ihn sein Feldherrnblick hinweg. 
Nun folgt der letzte Akt im Drama, der Kampf an der milvischen Brücke, 
in dem Maxentius Thron und Leben verlor. Alle diese Dinge erzählt uns 
der Sprecher der neunten Rede, welcher sich als Nichtrömer einführt 
und zu seiner Empfehlung sagt, dass er stets die Thaten Constantins ge- 
priesen habe. Seine Rede hielt er in einer Stadt, welche Rom gegenüber- 
gestellt wird, ^) und auf der anderen Seite der Alpen liegt, also wohl in 
Trier. Constantin war bereits aus dem Feldzug wieder nach Gallien 
zurückgekehrt,*) da ein feindlicher Einfall der Franken seine Gegenwart 
nötig machte. Da der Krieg gegen Maxentius im Oktober 312 zu Ende 
ging,^) 80 werden wir unsere Rede ins Jahr 313 zu setzen haben, denn 



*) 1 et in urbe saera et hie, •) Hükzikbb, Diodetianus, Bttdingers 



«) 21. 



Untersuch. 2, 244. 

9* 



132 Bömisohe litteratiirgesohichte. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

in dieses Jahr müssen die von unserem Redner zuletzt geschilderten Er- 
eignisse fallen. 

Die Bede ist sehr lebhaft gehalten; die Form der Frage ist 
häufig zur Anwendung gekommen, auch die Antithese ist stark kultiviert 
worden. 

üeber seine persönlichen Verhältnisse sagt der Redner 1: is, qui semper res 
a numine tuo gestas praedieare aolitus esaem — si quidem latine et diserte laqui Ulis {Ro- 
manis) ingeneratum est, nohis elaboratum et, si quid forte commode dicimus, ex iUo fönte 
et capite facundiae imitatio nostra derivat, 

587. Der Panegyrikus des Nazarios auf Gonstantin (4 = X). 
Die am 1. März 317 ernannten Cäsaren Crispus und der jüngere Con- 
stantin waren in das fünfte Jahr ihrer Ernennung getreten (321). Dieses 
Ereignis feierte eine Rede, die in der Überlieferung einem Nazarius bei- 
gelegt wird. Der Redner spricht so, als ob Gonstantin anwesend sei. 
Also ruht der ganze Panegyrikus auf einer Fiktion. Obwohl die Cäsaren 
den Ausgangspunkt derselben bilden, so handelt der Panegyriker mehr 
von dem Yater der Cäsaren als von diesen. Der Umstand, dass die Quin- 
quennalien der Cäsaren mit dem 15. Regierungsjahr Constantins zusammen- 
treffen, gibt ihm eine Art Recht hiefür. Auch kann ja von den Cäsaren 
nur wenig berichtet werden, bloss der grössere, Crispus hatte einige krie- 
gerische Thaten hinter sich, der kleinere, der das Konsulat bekleidete, 
hatte erst gelernt, seinen Namen zu unterzeichnen, und der Lobredner 
unterlässt nicht, auch diese Fertigkeit als eine Ruhmesthat zu verkünden. 
Die Cäsaren werden daher nur am Eingang und am Schluss der Rede in 
den Vordergrund gerückt, die Mitte derselben nimmt das Lob des 
Kaisers Constantin ein. Und hier ist es wiederum der Krieg gegen Ma- 
xentius, welchen der Redner verherrlicht hat. Die früheren Thaten des 
Constantin werden episodisch') in die Haupterzählung eingelegt. Der 
Panegyrikus ermüdet den Leser in hohem Grade, weil der Autor zu viele 
Worte macht und den historischen Verlauf durch seine Überschwenglich- 
keiten und Übertreibungen nahezu erstickt. 

Der Verfasser des Panegjrrikus war ein angesehener Redner seiner 
Zeit. Auch seiner Tochter wurde die rednerische Palme zuerkannt. 

Die Zeit der Rede. 2 quintum decimum maximtis princeps scUutaris imperii 
annum degit (d. h. vom 25. Juli 306 an gerechnet). 1 laetitiae — quam eumulatiorem solito 
heatissimorum Caesctrum quinquennia prima feeerunt, 38 quinqttenniis igitur fdiciter 
inchoatis. Die Ernennung des Crispus und des jüngeren Constantinus zu Cäsaren fällt 
317. Die Quinquennien wurden zu Anfang des fünften Jahres gefeiert. 

Die näheren Umstände der Rede. Der Redner will angeblich sprechen in 
coetu gaudiorum exuUantium et laetitiae gestientis (1). Er spricht so, als ob Constantin 
anwesend wäre. 3 Quis, oro, (Konstantine maxime [praesentem enim mihi alfoqui videor, 
qui, etsi eonspeetu abes, reveUi tarnen mentihus non potes). Er verweist auf eine frühere 
Rede (30): perstringi haec (Niederlage des Mazentius an der Tiber) satis est, quod et 
iam pridie prolixius mihi dicta sunt neque pro dignitate exequi eopia est. 

Der Redner Nazarius. Hieronym. Chronic, ad ann. Abrah. 2340 = 322 p. Ch. 
(p. 191 ScH.) Nazarius rhetor instgnis habetur, Auson. prof. Bnrdig 15, 9 (p. 65 Sgh.) Na- 
zario et claro quondam delata Paterae (gloria fandi) egregie multos exeoluU iuvenes, Ueber 
die Tochter sagt Hieron. ad ann. Abrah. 2352 = 325 (p. 192 Soh.): Nazarii rhetoris fUia in 
eloquentia patri coaequatur, Jäger bemerkt in seiner Ausgabe (p. 5) : hane Eunomiam, vir- 
ginem Christianam, appellat Arnaldus Pontaeus in suis Chronicis fretus, ut ipse ait, quattuor 



') 16 parumper igitur ah instituto cursu non ingrato deverticulo recedamus. 



Dia Pftneg]rriker. 



133 



Vaticanorum aueioritcUe, In der Anthol. lat. ed. Ribsk geben nr. 767 und nr. 768 eine 
„kiU8 domnae Eunomiae sacrae Virginia*', aUein irgend einen Behelf für die Identifizierung 
dieser Eunomia mit der Tochter des Nazarius bieten sie nicht dar. 

688. Die Autoren der zweiten Sammlung. In der ersten Samm- 
lung sind alle Panegyriken unter bestimmten Autoren eingeführt, wir 
haben keinen Grund, dieselben in Zweifel zu ziehen. Von den drei ge- 
nannten Latinus Pacatus Drepanius, Mamertinus und Nazarius faUt nur 
der letzte in unseren Zeitraum und musste daher besprochen werden, die 
übrigen zwei können erst im nächsten Teil gewürdigt werden. In der 
zweiten Sammlung sind alle Reden anonym überliefert. Nach der Über- 
schrift steht aber fest, dass der Sammler für die zusammengestellten 
Panegyriken nicht einen Verfasser, sondern deren mehrere annahm. Eine 
genauere Betrachtung der Sammlung gibt uns aber noch zwei Thatsachen 
an die Hand. In einer Rede enthält der Text den Namen des Verfassers ; 
es ist 9 = rV, welche ohne allen Zweifel dem Eumenius von Augusto- 
dunum angehört. Femer belehrt nins die Überlieferung, dass die beiden 
Reden 10 = 11 und 11 = HI denselben Verfasser haben. Als solchen 
hat man lange Zeit einen magister Mamertinus hingestellt; aber die mass- 
gebende Überlieferung kennt das Wort Mamertinus nicht, sondern bietet 
dafür ein verdorbenes {memet), für das man nicht ohne Wahrscheinlich- 
keit memoriae vermutet hat.^) Wir wüssten also, falls diese Konjektur 
das Richtige trifft, dass der Verfasser der beiden Reden magister memoriae 
war. Sonach harren folgende Fragen der Lösung: 1. ob der Autor bezw. 
die Autoren der Reden 5 = Vm, 6 = VH, 7 = VI, 8 = V und 12 = IX 
ermittelt werden kann; 2. ob die Überlieferung, welche die Reden 
10 = n und 11 = IQ demselben Autor zuschreibt, durch eine Betrach- 
tung des Inhalts gerechtfertigt erscheint, und ob der Verfasser der ge- 
nannten Reden, der magister memoriae^ sich näher bestimmen lässt. 

Die Kriterien für die Entscheidung dieser Fragen sind historische 
und sprachliche; das entscheidende Gewicht haben die ersten. 

589. Die Beden des Eumenius. Da wir in dem Panegyrikus 
9 = IV eine zweifellos dem Eumenius angehörige Rede besitzen, so ist 
hier ein fester Ausgangspunkt gegeben, um andere Reden daraufhin zu 
prüfen, ob sie von Eumenius stanmien. Hiebei sehen wir vorläufig ab 
von 10 = n und 11 = in, da sie in der Überlieferung eine eigenartige 
Stellung haben; auch der Nachtrag 12 = IX wird von der Betrachtung 
vorläufig auszuschliessen sein. Es bleiben also 5 = VIII, 6 == VII, 
7 = VI, 8 = V, also im ganzen vier Reden. Diese Reden sind zunächst 
einer Untersuchung zu unterwerfen, welche sich auf die persönlichen Ver- 
hältnisse der Redner richtet. Hier kommt aber wieder 7 = VI in Weg- 
fall, da in diesem Panegyrikus der Redner von seiner Person völlig 
schweigt. Die übrigen drei Reden anlangend, stellt sich vor allem 
heraus, dass der Sprecher der drei Reden in sehr engen Beziehungen zu 
Augustodunum steht. Bei 6 = VQ und 5 = VDI ist dieses Verhältnis 



1) Saohs 1. c. p. 7 Anm. 10 schlägt fttr 
„memet'* vor „memoriae*'. Sbbck 1. c. 
p. 714 halt die Stelle fttr Iflckenhaft und 



glaubt, dass zu lesen sei magistri mem, 
et 



134 Bömisohe Litteratnrgeschiohte. IL Die Zeit der Monarchie, 2. Abteilung. 



dahin aufzufassen, dass der Redner in Augustodunum geboren ist; auch 
bei 8 = V wird dieses Verhältnis anzunehmen sein, da der Redner im 
Auftrag der civit<zs Aeduorum spricht. Weiter ergibt sich, dass der Sprecher 
der drei Reden Lehrer der Beredsamkeit war. Aber seine Lehrthätigkeit 
wurde unterbrochen durch die Berufung zu einem kaiserlichen Amt. Über 
dieses Amt wird in zwei Reden (8 = V; 6 = VII) gesprochen. In seiner 
amtlichen Stellung war er gezwungen, den Kaiser auf seinen Feldzügen 
zu begleiten. Über die Natur des Amtes kann kein Zweifel obwalten, es 
legte ihm schriftliche Arbeiten auf,^) er war also magister memoriae. In 
8 = y berichtet uns der Redner, dass er „post induUam a pietate vestra 
quietem" sich aufs Land zurückgezogen habe; die Worte werden kaum 
eine andere Auslegung zulassen als die, dass der Redner aus seinem kai- 
serlichen Amt ausschied. Der Sprecher von 6 = VII und von 5 = VIII 
ist wieder Lehrer der Beredsamkeit; dort rühmt er sich seiner Schüler,^) 
hier stellt er die öffentliche Redethätigkeit seiner privaten gegenüber.') 
Endlich erzählt uns der Panegyriker in 6 = VE von seinen Familien- 
verhältnissen, dass er fünf Kinder habe und dass das älteste, ein Sohn, 
Generaladvokat beim Fiskus sei. In 5 = Vm stellt sich uns der Redner 
als ein Mitglied des Senats von Augustodunum vor. 

Überblicken wir diese Data, so steht nichts im Wege, dieselben auf 
eine Person zu beziehen. Die Hauptfrage ist aber, ob sie mit dem, was 
Eumenius in der 9 = IV Rede sagt, übereinstimmen. Es ist dies der 
Fall. Auch Eumenius stammt aus Augustodunum wie der Sprecher der 
drei Reden, auch er war magister memoriae, auch er hatte sein Amt 
niedergelegt, auch er war durch seine Ernennung zum Vorsteher der 
mänianischen Schule in Augustodunum wieder zum Lehrberuf zurück- 
gekehrt. Der Redner von 6 = VE und der Redner von 5 = VIII hegte 
das grösste Interesse für den Wiederaufbau der verfallenen Gebäude in 
seiner Vaterstadt; auch Eumenius bekundete in seiner Rede für diese 
Sache sein Interesse. 

Wir sehen, wir haben denselben Mann aus derselben Zeit vor uns. 
Es ist Eumenius. Es bleibt noch die Frage, ob die chronologische Ordnung 
der Reden (8 = V März 297; 9 = IV Ende 297; 6 = VH 310; 5 = VIH 
311) mit dem Lebensgang des Redners harmoniert. In der 8 = V Rede 
entschuldigt sich der Sprecher, dass er nach langer Pause wieder das 
Wort ergreife; in 9 = IV entschuldigt er sich, dass er inforo rede, eine 
Art von Gerichtsrede halte. Beide Prooemien entsprechen der Situation; 
dort tritt er zum erstenmal wieder als Prunkredner, hier überhaupt 
zum erstenmal als Redner des Forums auf. Eumenius spricht 9 = IV, 6 
von einem Sohn, den er in das Studium der Beredsamkeit einweihen will ; 
13 Jahre später (310) empfiehlt er seinen Sohn, der Generaladvokat beim 
Fiskus ist (Vn, 23). In 8 = V hatte Eumenius seinen rhetorischen Lehrberuf 



') V, 1 (vgl. Seegk, Fleckeis. Jahrb. 1888 
p. 719). 

') VII, 23 etiatn üioa quasi meos numero 
quo8 provexi ad tutelam fori, ad officia 
palatii . mtiUi quijppe ex me rivi nan igno- 



blies fluunt. 

') YIII, 1 gaudiarum patriae meae nun- 
tium sponte suscepi, ut essem iam non 
privati studii litterarum, sed pMieae gratu- 
latianis oraUfr, 



Die Panegyriker. I35 

noch nicht wieder aufgenommen, in den folgenden Reden ist er wieder 
Lehrer der Rhetorik. In der Rede 6 = VII hatte Eumenius den Con- 
stantin zu einem Besuch seiner Vaterstadt eingeladen, um die Not der- 
selben mit eigenen Augen zu sehen; in der Rede 5 = YHI dankt der 
Redner dem Kaiser für seinen Besuch und seine Gnadenerweise, weil das 
dem Redner bei Gelegenheit des kaiserlichen Besuches nicht mög- 
lich war. Der Zusammenhang der 6 = VII und der 5 = VDI Rede ist 
also ein offenkundiger. 

Auch der Stil der Reden spricht nicht für Verschiedenheit der 
Verfasser. 

Die Rede 7 = VI gibt keine Andeutungen über die Person des 
Redners. Die Eruierung des Autors stösst hier also auf grosse Schwierig- 
keiten. Für Eumenius könnte etwa geltend gemacht werden, dass die 
Rede mitten in einer Gruppe von Reden steht, welche alle dem Eumenius 
angehören. Die Entscheidung liegt im Stile, der aber bei diesen Pane- 
gyrikem, weil von denselben Mustern abhängig, sehr gleichförmig ist und 
daher die schärfste Analyse erfordert. Da solche Untersuchungen noch 
nicht vorliegen, wage ich es nicht, ein definitives Urteil über diese Rede 
zu geben. 

690. Die übrigen anonymen Beden. Die Reden 10 == n und 
1 1 = in werden in der Überlieferung als das Werk eines und desselben 
Redners hingestellt. Wir haben bereits oben dargethan, dass mit dieser 
Überlieferung der Inhalt der Reden stimmt; die zweite hat die erste zur 
notwendigen Voraussetzung; denn sie richtet sich in der Gestaltung des 
Stoffes nach der ersten, indem sie, um Wiederholungen zu vermeiden, 
andere Saiten des Lobs anschlägt; auch verweist die zweite Rede aus- 
drücklich auf die erste. Mit ziemlich sicherer Vermutung wird der Ver- 
fasser in der Überlieferung als magister memoriae bezeichnet. Ein solcher 
war auch Eumenius, und Seeck hat daher die zwei Reden auch dem Eume- 
nius zugeschrieben. Allein ich möchte dieser Vermutung nicht beistinmien. 
Einmal spricht für einen neuen Autor die eigentümliche Form der Ein- 
führung der Reden durch die Überlieferung, dann weist nichts mit Sicher- 
heit auf Augustodunum hin. Auch ist der Stil der Reden ein anderer. 
Dass noch ein zweiter Redner dieser Zeit magister memoriae war wie 
Eumenius, ist gewiss keine auffällige Erscheinung. 

Auch die erst nachträglich angefügte Rede 12 = IX auf Constantin 
aus dem Jahre 313 werden wir auf einen unbekannten Verfasser zurück- 
führen müssen. Man hat auch hier einen bestimmten Autor namhaft 
machen wollen, den Nazarius. Dieser hatte auch auf Constantin im Jahre 
321 eine Rede gehalten und hier auf eine vorausgegangene ausführlichere 
Darstellung der Schlacht, in der Maxentius fiel, verwiesen (30). Allein 
diese Rede wurde nach seiner Angabe „pridie" gehalten. Die Angabe 
passt daher nicht auf die im Jahre 313 gehaltene Rede. Man hat pridie 
in pridem verwandeln wollen.^) Diese Änderung könnte gerechtfertigt 
werden, wenn die Rede 12 == IX die Eigentümlichkeiten des Nazarius 

^) Teuffbl-Sobwabb^ § 401, 6 p. 1012. 



136 Römische Litieratargesoliiolite. n. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

aufweisen würde. Allein dass dies nicht der Fall ist, zeigt schon eine 
flüchtige Yergleichung der beiden Reden; es weht in beiden eine ver* 
schiedene Luft. Dieser allgemeine Eindruck wird durch Einzelbeobachtungen 
bestätigt.^) Wir werden daher für diese nachgetragene Bede einen un- 
bekannten Verfasser statuieren müssen. 

Geschichte der Frage. Zuerst bat Livineius (Lievens) in seiner Ausgabe der 
Panegyriker (1599) auf innere Kriterien hin die Reden 8 = V, 6 = VII und 5 = VIII 
dem Lumenius zugeschrieben. Dieses Resultat wurde von Ampbrb, Histoire de la France 
avant le XIL sücle 1, 192 bestritten und für Eumenius nur die Rede 9 = IV in Anspruch 
genommen, jedoch die Reden 6 = VII und 5 = VIII einem und demselben Verfasser 
beigelegt. Ausführlich sucht S. Brandt, Eumenius von Augustodunum, Freiburg 1882 die 
Ansicht des Livineius zu widerlegen, er statuiert für die Reden 8 = V, 6 = VII und 
5 = VIII drei verschiedene Verfasser (vgl. p. 22 und p. 37) und meint, dass die ganze 
Sammlung nur Reden verschiedener Autoren enthalte. Eine ganz andere Lösung der 
Frage gab Sekok, Fleckeis. Jahrb. 1888 p. 713; er stellt den Satz auf, dass alle acht 
Reden, welche die zweite Hälfte bilden, dem Eumenius angehören. Brandt und Seeck 
stehen sich also schroff gegenüber, jener will soviel Verfasser als Reden, dieser nur 
Eumenius als den einzigen Verfasser der acht Reden der zweiten Sanmdung. Eine ver- 
mittelnde Stellung zwischen diesen beiden Extremen nimmt Sachs ein {de guattuar pane- 
gyricis gut ah Eumenio scripti esse dicuntur, Halle 1885), indem er erweisen will, 
dass ausser 9 == IV nur noch 5 = VIII von Eumenius stammt. Auf die Seite Brandts 
stellt sich dagegen Gobtze, Qttaest, Eutnen., Halle 1892, dessen Dissertation das Ziel ver- 
folgt, die singulare Stellung der dem Eumenius sicher angehörenden Rede gegenüber den 
anderen in Bezug auf die Sprache darzutbnn. Bezüglich der Reden 10 = II und 11 = III 
suchte RÜBHL, De XII panegyricis latinis prqpaedeumata 1868 p. 18 — 31 nachzuweisen, 
dass sie nicht von einem Verfasser herrühren, was sicherlich unrichtig ist, vgl. Sbbok L c. 
p. 716. 

691. Charakteristik der Panegyriker. Bei der Beurteilung dieser 
Gruppe von Rednern haben wir die verschiedenen Gesichtspunkte, die hier 
in Frage kommen, auseinander zu halten. Nimmt man die Panegyriker 
als eine historische Quelle, so ist zwar nicht zu leugnen, dass dieselbe 
vielfach trüb ist und daher grosse Vorsicht des Forschers nötig macht, 
allein trotzdem sind diese Redner für die Kenntnis ihrer Zeit nicht un- 
wichtige Zeugen und selbst ihr Schweigen ist für uns oft ein sehr be- 
redtes.') Prüft man die Reden auf die Sprache hin, so muss man aner- 
kennen, dass dieselben in reinem, klassischen Latein geschrieben sind und 
eine blühende Diktion aufweisen. Allein diese Sprache ist ein Eunst- 
produkt und deutet auf die Schule, daher ihre Gleichförmigkeit; wir er- 
halten kein lebendiges Latein, wie es damals gesprochen wurde, sondern 
ein aus Büchern, besonders aus Cicero und Plinius geschöpftes. Legen 
wir den Massstab der Rhetorik an diese Reden an, so müssen wir ihren 
Verfassern zugestehen, dass sie ihren rhetorischen Kursus mit Erfolg ab- 
solviert haben, denn sie sind mit allen Regeln der Kunst vertraut, sie 
machen ihre Dispositionen, wissen von den rhetorischen Figuren Gebrauch 
zu machen, sie verstehen die captatio benevolentiae, kurz das ganze rheto- 
rische Handwerkszeug steht ihnen zu Gebot. Aber trotz der reinen Sprache 
und des künstlerischen Aufbaues ihrer Produkte können sie den Leser 
nicht fesseln, weil sie keinen gesunden Inhalt darbieten. Das Adulatorische 
tritt in allem so sehr hervor, dass auch starke Nerven Überdruss und 
Eckel bei längerer Lektüre empfinden. Es ist unglaublich, was nicht alles 
diese Panegyristen an ihren Helden zu bewundem haben. Schon auf ihre 



Tbuffel-Sghwabb^ 1. 0. I *) Vgl. Sjdsok, Gomment Woelffl. p. 29. 



Die Panegjrriker. X37 

Abstammung wird ein Glorienschein geworfen;*) die Väter werden bis in 
den Himmel erhoben, und öfters wird hinzugefügt, dass die Söhne das 
leibhafte Ebenbild der Väter sind.*) Die Hoheit der äusseren Erscheinung 
der Kaiser wird in drastischer Weise ausgemalt. *) Doch den Gipfelpunkt 
erreicht die Schmeichelei, wenn die Reden auf die Thaten der Kaiser 
kommen. Da gibt es nichts in der Welt, was mit denselben verglichen 
werden könnte. Die Übertreibungen sind oft so stark, dass sie lächerlich 
wirken. So wird das kaiserliche Dekret, durch das Eumenius zum Vor- 
steher der Mänianischen Schulen ernannt wird, mit dem wundervollen Ge- 
sang des Amphion verglichen.^) Das goldene Zeitalter unter Saturn 
währte nur kurze Zeit, das goldene Zeitalter unter den Kaisem dauert ewig.^) 
Der Übergang des Maximian über den Rhein wird dem Übergang des Scipio, 
des Siegers über Hannibal, nach Afrika an die Seite gesetzt.^) Die 
Vierzahl der Kaiser wird als eine Art Naturnotwendigkeit angesehen und 
durch den Hinweis auf die vier Elemente, die vier Jahreszeiten und das 
Viergespann Sonne und Mond mit dem Morgenstern und Abendstern illu- 
striert.^) Als Diocletian und Maximian durch Mailand fuhren, sollen sich, 
wie der Redner gehört hat, beinahe die Dächer der Häuser bewegt haben.®) 
Was die Kaiser thun, geht über das menschliche Mass hinaus; wenn sie 
eine Reise machen, vollzieht sie sich mit einem divinus impetus,^) Ihnen 
ist die gesamte Natur dienstbar; wo sie sich zeigen, ist heller Sonnen- 
schein und Frühlingswehen, selbst wenn anderswo alles in tiefem Eis 
liegt. *^) Diese Auswahl könnte beliebig vermehrt werden. Eine Folie 
zu diesen masslosen Lobhudeleien bilden die Schmähungen, welche auf die 
unglücklichen Gegenkaiser gehäuft wurden. Sie erscheinen als wahre Un- 
geheuer in Menschengestalt, und der Ingrimm der Redner ist anscheinend 
so gross, dass sie gewöhnlich nicht einmal die Namen dieser unglücklichen 
Besiegten über den Mund bringen wollen. 

Es sind unerfreuliche Produkte, die uns in diesen Reden geboten 
werden, die einen sind es mehr, die anderen weniger. Aber wir dürfen 
nicht zu streng mit denselben ins Gericht gehen ; wir müssen vielmehr die 
Zeit anklagen, unter deren Druck die Redner stehen. Nicht diese Schrift- 
steller sind in erster Linie die Schuldigen, sondern die, welche sich solches 
Lob bieten lassen. Der Herr findet immer seine Knechte. 

Die üeberlieferung beruht auf den drei Abschriften des verlorenen Maguntinus; 
die erste ist der üpsaliensis 18; derselbe war frfiher im Besitz des Job. Scheffer und kam 
nach seinem Tode in die Universitätsbibliothek von Upsala, er ist grösstenteils geschrieben 
von der Hand des Job. Hergot (1458). Das zweite Apographon aus dem Maguntinus 
machte sich 1433 Joannes Aurispa, dasselbe ist verloren und muss aus verschiedenen ital. 
Handschriften rekonstruiert werden (Vaticanus 1775, Vaticanus 1776 u. s. w.); das dritte 
ist der Harleianus in London 2480 (Bahrbns, Rhein. Mus. 30, 464). Verloren ist der codex 
Bertiniensis; eine von Fr. Modius gemachte Kollation benutzte Jo. Livineius in seiner Aus- 
gabe. Die Lesarten stimmen meistenteils mit denen des Maguntinus überein; Bährens 
glaubt, dass er aus derselben Quelle wie der Maguntinus stammte {praef, p. XX). 



») II 2. 

») vn4. 

») IX 19. 
*) IV 15. 
») IV 18. 



•) II 8. 

') V4. 

•) III 11 vgl. IX 19. 

») III 8 vgl. IX 5. 

'«) in 9. 



138 Römische Litteratargeschiohte. IL Die Zeit der Monarohie. 2. Abteilmig. 



Ausgaben von Georg. Guspinianus (1513), B. Rhenancs (Basel 1520), Livi- 
NEiüs (Antwerpen 1599, ein Meisterwerk), De la Baune (Ven. 1728), Schwabz (Altorf 
1739-48), Jäger (Nürnberg 1799 2 Bde.), Arntzbn (ütr. 1790—95 2 Bd.). Die massgebende 
kritische Aasgabe ist die von BIhrbks Leipz. 1874. 

5. Der Deklamator Calpurnius Flaccus. 

592. Die Auszüge aus den Deklamationen des Galpnmius Flaccns. 

Die Beredsamkeit hatte sich in der Eaiserzeit aus dem Leben in die 
Schulstube zurückgezogen; damit trat die Declamatio an Stelle der Oratio, 
Da es sich jetzt nur noch um fingierte Fälle handelte, so waren alle Be- 
strebungen darauf gerichtet, der Sache irgend eine pikante Seite abzuge- 
winnen und mehrere gute Treffer zu machen. Und diese Trefifer waren 
es, welche die Zuhörer anlockten, nicht die unnatürlichen ersonnenen 
Fälle. Ein gelungenes Schlagwort, ein unerwartetes Argument, ein durch- 
schlagendes Beschönigungsmittel wurde mit Applaus aufgenommen und 
zirkulierte von Mund zu Mund. Es ist daher nicht zu verwundern, dass 
der ältere Seneca, ein Mann mit starkem Gedächtnis, uns eine ganze 
Blütenlese aus den Vorträgen der Deklamatoren geben konnte. Aber auch 
bei schriftlichen Deklamationen lag es sehr nahe, das Charakteristische 
herauszuheben. Solches geschah mit den Deklamationen des Calpurnius 
Flaccus. In mehreren Handschriften sind uns Auszüge aus 53 derselben ^) 
überliefert. In mehreren derselben werden sie eingeführt mit den Worten: 
Incipü ex Calpurnio Flacco Excerptae. Excerpta decem rhetorum minorum. 
Die Excerpta aus Calpurnius stehen also in irgendwelcher Verbindung mit 
Excerpta aus zehn rhetores minores. Zu diesen wird Calpurnius Flaccus 
gehört haben. Da im Montepessulanus auch Seneca mit den Worten ein- 
geführt wird „hie iam incipü Seneca decem rhetorum", so war auch dieser 
ein Bestandteil dieses Corpus. Es wurde also bei jedem Rhetor der Ge- 
samttitel wiederholt.^) Es wäre interessant, wenn sich näheres über dieses 
Corpus feststellen liesse.') Wer war der Calpurnius Flaccus? Es sind 
zwei Persönlichkeiten in Betracht gezogen worden, ein M. Calpurnius 
Flaccus und ein C. Calpurnius Flaccus. Der erste war Konsul suff. im 
Jahre 96 und ist wahrscheinlich identisch mit dem Calpurnius Flaccus, 
an den ein Brief des jüngeren Plinius (5, 2) gerichtet ist.*) C. Calpurnius 
Flaccus war Legat von Lusitanien unter Hadrian. Dieser Calpurnius 
Flaccus wird mit dem identifiziert, der in den Digesten vorkommt.*) Da 



*) Nacb der Mitteilung Dessauers, meines 
ehemaligen Schillers, der auf meinen Rat hin 
ausgedehnte handschriftliche Studien über die 
grösseren Quintiliandeklamationen und über 
Calpurnius Flaccus gemacht hat und von dem 
wir Ausgaben dieser Autoren zu erwarten 
haben, enthält der Chisianus 53 Stücke, 
während die Ausgaben nur 51 haben. 

») Ich hatte früher § 484 Anm. 2 p. 443 
mit Teuffel-Schwabe angenommen, dass der 
allgemeine Titel dem Spezialtitel Ex Calpurnio 
Flacco Excerptae vorauszugehen habe, und 
dass die zehn rhetores minores erst mit 
Calpurnius Flaccus begannen. Ich folge jetzt 
der Ansicht Dessauers. 



') Eine Spur führt noch auf Antonius 
Julianus vgl. p. 121. Ein von J. A. Cam- 
panus erwähnter „Codex vetustus^ liess auf 
Seneca die Excerpta ex Calpurnio FlaccOy 
nach welchen finis excerptarum stand, und 
die Titel Antonii Juliani und extempo- 
raneae Quintiliani folgen (Ritter, Quintil, 
declam, p. XIII). 

*) MoMMSEN, Index Plin. s. v. 

') 40, 5, 34, 2 servus legatus erat Cal- 
purnio Flacco; 37, 9, 8 Divus Hadrianus 
Calpurnio Flacco rescripsit; 40, 1, 8, 2 
Divus Pius Calpurnio rescripsit; 4, 4, 22 
Calpurnio Flacco Severus et Ant^minus rt- 
scripserunt. 



Galpnmliui Flaocns. — L. Gaesellia« Vindez. 139 

ein Praenomen bei den Exoerpten leider nicht angegeben wird, so ist eine 
sichere Entscheidung nicht möglich. Doch scheint der Rhetor mehr zu 
dem erstgenannten zu passen. 

Ueber die Persönlichkeit des Galpurnius Flaccus handelt Bobghbsi, oeuvres, 
Paris 1864 3, 387; er entscheidet sich für den M. Calpumios Flaccus als Autor der ex- 
cerpierten Deklamationen. 

Die handschriftliche Ueberlieferung beruht auf folgenden Codices: 1. dem 
Montepessnlanus 126 s. X, der auf f. 116, dem letzten Blatt der Handschrift, die Dekl. 
1-6 enthalt; das Blatt ist aber jetzt grösstenteils nicht mehr zu entziffern; 2. dem Ghi- 
sianusYIlI 261 s. XV; 3. dem Monacensis 309 s. XV; 4. dem Bernensis 149 s. XVI, 
von Bongarsins geschrieben. 

Ausgaben. Editio prineeps von Pithoeus (Paris 1560), von J. F. Gbonov (Leyden 
1665), von Obbbcbt (Strassburg 1698) und von P. Bübmann (Leyden 1720). 

Declamatio in L. Sergium Catilinam, Diese Declamatio wurde zum ersten- 
male in der Sallustausgabe des Pomponius Laetus aus dem Jahre 1490 in Rom gedruckt. 
Der Ausgabe liegt höchst wahrscheinlich die Handschrift zu Grunde, aus welcher sich 
Poggio im Jahre 1451 von einem Dechanten aus Utrecht eine Abschrift dieser Bede er- 
beten hatte. In einem Leydener Codex aus dem 15. Jahrhundert wird die Bede dem be- 
kannten Rhetor und Lehrer des Ovid (§ 336, 3 p. 204; § 291 p. 127) Porcius Latro zu- 
geschrieben. In der Sallustausgabe, die zu Venedig 1491 herauskam, wurde die Rede zum 
erstenmale unter dem Namen des Porcius Latro gedruckt und so geschah es auch in 
nachfolgenden Sallustausgaben. Aber die Declamatio hat mit diesem Rhetor nichts zu 
thun, sie weist auf eine spätere Zeit, der ältere Seneca erwähnt sie nicht, auch stimmen 
nicht die Fragmente des Porcius Latro zu dem Stil der Declamatio. Höchst wahrschein- 
lich beruht die Zuteilung der Declamatio an den Rhetor auf einer Vermutung. Man las 
nämlich bei Seneca 9, 25, 24 die Phrase des Porcius Latro: Quid exhorruistis, iudices? 
Ganz dieselben W^orte kehren auch in der Declamatio 4, 11 wieder. Daraus hat man in 
den Humanistenkreisen auf denselben Autor geschlossen. 

£8 fragt sich, ob die Rede noch als antikes Produkt zu gelten habe. Man könnte 
sie filr ein Werk irgend eines Humanisten halten. Aber dem widerspricht, dass sie schon 
1451 handschriftlich vorlag; dann enthält sie eine Gesetzesstelle aus den 12 Tafeln und 
eine andere aus der lex OMnia (19, 65), femer eine Notiz über die Satumalien auf dem 
Aventin (17, 63), welche Angaben modernen Ursprung ausachliessen. In welche Zeit die Rede 
fällt, wird sich schwer ermitteln lassen. 

Der Inhalt der Rede, welche an die Richter gerichtet ist, ist nicht bedeutend, häufig 
geschmacklos und weitschweifig. 

Die Ueberlieferung beruht auf der editio prineeps, dem Monacensis 68 s. XV 
und dem Leidensis 19 s. XV, der aber im 5. cap. abbricht. 

ZiMMBREB, Declamatio in Lucium Sergium Catilinam, Eine Schuldeklamation aus 
der röm. Kaiseneit. Nach einer Mtlnchener Handschr. des XV. Jahrb. I. München 1888. 

y) Die Fachgelehrten« 
1. Die Grammatiker und Metriker. 

1. L. Caesellius Vindex. 
593. Die Gassiodorischen Ezcerpte. Es ist uns ein Traktat des 
Cassiodorius de orthographia überliefert, welcher ein Konglomerat von 
Excerpten aus verschiedenen Autoren ist. An zehnter Stelle ist als 
Quelle des Excerpts Caesellius namhaft gemacht, an elfter Lucius Gaecilius 
Vindex. Es ist kaum zweifelhaft, dass hier statt Caecilius zu lesen ist 
Caesellius. Wir hätten demnach in beiden Excerpten denselben Autor 
vor uns: L. Caesellius Vindex. Nun wird uns überliefert, dass Cae- 
sellius Vindex ein Werk geschrieben habe, welches alphabetisch angelegt 
war, so dass jeder Buchstabe ein Buch bildete. Es fragt sich, welchen 
Titel dieses umfassende Werk führte. Wir finden in einigen Citaten 
den Titel „lecHones antiquae*^, in anderen „Stromateus**. Da aber das, 
was aus beiden Werken angeführt wird, gleichartig ist, so ist sehr wahr- 
scheinlich, dass mit den beiden Titeln ein und dasselbe Buch bezeichnet wurde. 



140 Römische Littaratnrgesohiohte. n. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilang. 

dieses also den Doppeltitel Stromateus sive lectiones antiquae ftthrte. 
Wie der Titel andeutet, hatte Caesellius besonders die alte Sprache zum 
Gegenstand seiner Forschungen gemacht. Seine Aufstellungen wurden viel- 
fach bekämpft. So hatte Terentius Scaurus über seine Irrtilmer geschrieben, 
auch Sulpicius ApoUinaris und Gellius fanden an dem Grammatiker zu 
tadeln. Diese Opposition gibt uns einen Fingerzeig zur Bestimmung 
der Lebenszeit des Caesellius. Wir können uns schwer denken, dass sich 
eine so heftige Opposition gegen einen längst Verstorbenen erhoben hätte; 
wir verstehen dieselbe aber, wenn sie sich gegen einen Zeitgenossen 
richtete. Caesellius Vindex wird also der Hadrianischen Zeit angehören. 
Das Werk war für eine spätere Zeit, welche nach Kompendien ver- 
langte, zu stoffreich und zu gelehrt. Man machte sich daher Auszüge; 
und auf zwei verschiedene Exemplare gehen, soweit wir sehen, die Ex- 
cerpte des Cassiodorius zurück; denn dass dieser sein zweites Excerpt 
aus einer anderen Handschrift entnahm als das erste, wird nicht bestritten 
werden. Das erste Excerpt ist aber sehr mit jüngeren Bestandteilen versetzt. 

Die Auszüge des Cassiodorius werden eingeführt X ex arthographo CaeseUio 
isla coUecta sunt (Keil, GL. 7, 202) ; XI ex Lucio CaeeUio Vindice isla deflorata sunt (Kbil, 
GL. 7, 206). 

Handschriften: Codex Bruxellensis 9581 s. X/XI, Bemensis 330 & X, Coloniensis 
83 s. X. 

Das verlorene Werk des Caesellius Yindex. Es sind folgende Punkte ins 
Auge zu fassen: 

a) Alphabetische Anordnung. Charis.-Romanus GL. 1, 117, 13 Vindex A lüerae 
lihro I noUU (es handelt sich um cu:er)\ 239, 21 Caesellius Vindex libro B litterae scrihit (es 
handelt sich um hat)\ 195, 26 item Caesellius Vindex lihro L aegre ut docte ait passe dici. 

ß) Titel des Werks. Gellius 2, 16, 5 in commentario lectionum antiqttarum; 
11, 15, 2; 3, 16, 11 Caesellius Vindex in lectionibus suis anliquis; 6, 2, 1 in Ulis cdebratis- 
simis commentariis lectionum antiquarum Caeseüii Vindicis; 20, 2, 2 — Priscian GL. 
2, 210, 7 Caeseüius Vindex in stromateo; 230, 11. Ueber den Titel orQiOfiatetg vgl. Gellius 
praef, 7. 

Ohne Angabe des Buchs citiert Gellius den Caesellius 9, 14, 6 (auf Cicero bezüglich), 
18, 11, 3 (auf den Dichter Furius bezüglich) und Priscian denselben GL. 2, 229, 10. 

Allgemeines über L. Caesellius Vindex. Das Praenomen gewinnen wir aus 
Cassiodorius (Keil, GL. 7, 139). Gell. 6, 2, 1 turpe erratum offendimus in Ulis ceUbratis- 
simis commentariis lectionum antiquarum Caeseüii Vindicis, hominis herele pleraque haut 
indiligentis . Quod erratum muHos fugit, quamquam multa in CaeseUio reprehendendo etiam 
per calumnias rimarentur; 2, 16, 8 idcireo ApoUinaris Sulpicius inter cetera, in quis Cae- 
seüium reprehendit, hoc quoque eius quasi erratum animadvertit; 11, 15, 2 Terentius Scaurus 
— inter cUia quae de Caeselli erroribus composuit. 

Litteratur. Lrbsch, Zeitschr. f. Altertumsw. 1841 p. 1101; Ekil, GL. 7, 138; 
Braxbach, Lat. Orthogr. p. 38; Ebbtzschmer, De A. Gellii fontUfus p. 95; Fboehde, Fleckeis. 
Jahrb. Supplementb. 18, 636. 

2. Q. Terentius Scaurus. 

594. Terentius über die Orthographie. Der hervorragendste Gram- 
matiker der hadrianischen Zeit ist Q. Terentius Scaurus. Der Kaiser 
Hadrian selbst stand mit ihm in wissenschaftlichem Verkehr und erörterte 
mit ihm grammatische Fragen. Um so mehr ist es zu bedauern, dass 
sich aus der umfassenden Schriftstellerei des Grammatikers nur weniges 
erhalten hat. Es ist zunächst ein kleiner Traktat über die Ortho- 
graphie. Derselbe ist uns aber ohne den Eingang überliefert, in dem 
die Widmung allem Anschein nach vorgebracht war. Jetzt beginnt das 
Schriftchen mit einem Satz, der durch die Konjunktion autem eingeleitet 
wird. Dann folgt eine in sich zusanmienhängende und ganz durchgeführte 






rf -= rim 



Q. TerentliiB Soaunui. 141 

Erörterung. Sie geht von dem Satz aus, dass auf vierfache Weise gegen 
die richtige Schreibung der Wörter gefehlt werden kann, durch Hinzu- 
fügung, Weglassung, Yertauschung und unrichtige Verbindung 
der Schriftzeichen, um diese Fehlerquellen beseitigen zu können, muss 
man auf drei Dinge sein Auge richten, auf die historische Ent- 
wicklung der Sprache, auf die Etymologie und endlich auf die 
Analogie. Nachdem der Grammatiker noch einiges über die Laute und 
ihre Verbindungen auseinandergesetzt, geht er dazu über, die falschen 
Schreibungen nach den vier Fehlerquellen darzulegen. Der Traktat schliesst 
mit einem kleinen Epilog, in dem der Verfasser sich einem Dritten, also 
dem Adressaten gegenüber wegen der Kürze der Zeit, die er für das 
Schriftchen übrig hatte, entschuldigt und auf künftige Ergänzungen hin- 
weist. Der Traktat ist für die Geschichte der lateinischen Sprache wichtig, 
weil er auf die alten Schreibungen und die Schriftreformen eingeht und 
auch Citate aus verlorenen alten Schriften darbietet. Die vornehmste 
Quelle wird der einigemal citierte Varro sein. Auf den Epilog folgt un- 
mittelbar ein Traktat, der zuerst über die Schreibung des temporalen 
cum handelt, dann über die lokalen Präpositionen, bezw. Adverbien, deren 
Schreibung und Gebrauch erörternd, endlich über die Schreibung i und 
ei und über den apex. Auch dieser Traktat schliesst mit einem Epilog, 
in dem sich der Verfasser wegen des geringen Umfangs der Schrift ent- 
schuldigt. Auch der zweite Traktat ruht auf Varronischer Grundlage. 
Das Verhältnis der beiden Traktate wird dahin aufzufassen sein, dass der 
zweite eine Ergänzung zum ersten ist, also auch von Scaurus herrührt. 

Die zwei Epiloge. Der erste EpUog lautet (p. 28): haec sunt quae urgenti tempore 
eomplecii tibi in praeseniia potui . si quid {a te si quid Büohelbb, Rhein. Mus. 34, 849) 
extmplis defecerU vel quaestionibus, suhiungetur . nam quod ad rem maucime pertinet, 
reguiam vides. Der zweite Epilog (p. 33): brevitaUem huius libeUi, si tibi tfidetur, cuiglutinabis 
ei, quem de litteris navis {novissime Brambach vgl. unten) haben a me acceptum, quod 
ipse feci, quia huius pusillüas sub ipso deeentius prodire quam per se eenseri poterat. 

Der zweite Tractat. Lachmann zu Lucrez p. 186 hat behauptet, dass derselbe 
grösstenteils aus Varro stamme; dieser Ansicht pflichtete Wilmanns bei und nahm (nach 
Ausscheidung einiger spftteren BestandteUe) den Traktat in die Sammlung der grammatischen 
Fragmente Varros auf (De Varronis libris grammaticis p. 214). Die zwei Epiloge betrachtete er 
als nrspr&nglich zusammengehörig und durch dieses Varronische Fragment auseinandergerissen 
(p. 113). Dass Varro benutzt ist, unterliegt keinem Zweifel, da derselbe gleich im Eingang citiert 
wird (p. 29, 8). Allein der ganze Traktat wird kaum von Varro herstammen. Da die Art 
der Behandlung mit der in dem vorausgehenden Traktat viel Aehnlichkeit hat, werden 
wir vermuten dürfen, dass auch der zweite Traktat auf Scaurus zurückzuftLhren ist. Keil 
betrachtet denselben als einen Auszug aus einem zweiten grammatischen Werk des Scaurus. 
Wenn man aber die zwei Epiloge miteinander vergleicht und sieht, dass in dem ersten 
auf eine kfinftige Ergftnzung hingewiesen, in dem zweiten eine solche Ergänzung ge- 
boten wird, so wird man dies verwerfen und den zweiten Traktat als Supplement zum 
ersten erachten. Das, was gegen diese Annahme spricht, ist de litteris novis. Viel- 
leicht ist aber mit Bbaxbach (Lat. Orthogr. Leipz. 1868 p. 49) statt novis zu lesen novis- 
Hme (KviuiBOW p. 4). 

Die Excerpta Farisina. In dem codex Parisinus lb20 s. XI steht ein Fragment, 
das zuerst Aber die lokalen Präpositionen ex, in, ab, ad handelt, besonders aber Regeln 
für die Schreibung e, ex, a, ab gibt; es ist ein Auszug aus dem zweiten Traktat; dann 
folgt eine kurze Auseinandersetzung über die Imperfecta der Verba auf io (veniebam, ve- 
nibam)y wobei citiert wird: Aufusti {abnesti fusti Ueberlieferung, Aufusti Usenbb, 
Rh. Mus. 24 [1869] p. 101, Aristi Fusci M. Haupt [opusc. 2,69]) grammatici liber ad 
Asinium FoUionem. üsimEB leitet diese Excerpte, wie den zweiten Traktat (und Ver- 
wandtes über die Präpositionen) aus dem 5. Buch Varros de sermone latino ab. 

Fragmentum de ordinatione partium orationis. Im Palatinus wird mit 



142 BömiBche litteratargesohiohte. II. Die Zeit der Konarchie. 2. Abteilnng. 

der Einleitung Terrentius Scaurus de ordinatiane partium arationis ein Satz gegelien, der 
nichts mit dem alten Grammatiker zu thun hat (Ebil p. 10). Diese Stelle wird auch 
überliefert im Yalentianus M. 7, 3 s. IX und wie Schspss, Archiv f&r lat. Lexikogr. 6 
(1889) p. 253 gesehen hat, auch in einem cod, Wircehurgensia s. IX (cod. th. f. 56). 

bie Ueberlieferung beruht auf dem BemensiB 330 s. X und dem Palatinus s. XV. 

Ausgabe: Ebil, QL. 7, 11. 

595. Verlorene Schriften des Scanrus. Das Erhaltene ist nur 
ein winziger Teil von der Schriftstellerei des Scaurus. Nicht bloss die 
Orthographie behandelte der Orammatiker, sondern er führte ein Gebäude 
der gesamten Orammatik auf. In diese Ars erhalten wir durch eine 
Reihe namentlicher Citate einen Einblick. Allein es ist wahrscheinlich, 
dass durch eingehendere Quellenstudien, besonders des Diomedes noch 
mehr Teile dieser Grammatik gewonnen werden können. Sie scheint sich 
auf Palaemon gestützt zu haben. ^ Auch als Kommentator trat Scaurus 
auf. Spuren führen auf einen Kommentar zu Plautus, zu Vergils 
Aeneis und zu Horaz. Dem Horazkommentar lag eine Ausgabe zu Grunde, 
die in zehn Bücher eingeteilt war; der Kommentar bestand ebenfalls aus 
zehn Büchern. Endlich griff Scaurus auch in die litterarischen Streitigkeiten, 
welche die Grammatiker miteinander führten, mit einer Schrift ein. Er 
trat dem Grammatiker Caesellius entgegen und schrieb über seine Irr- 
tümer. Ob Scaurus einen Traktat über die neuen Buchstaben ge- 
schrieben; ist zweifelhaft. 

Ars grammatica, Ghar. GL. 1, 133, 1 Scaurus in arte grammatica; 136, 16 
Scaurus artis grammaticae libris. (Also umf aaste sie mehrere Bücher). Die Frag- 
mente mit Namens angäbe (bes. aus Diomedes, Gharisius und den Explanationea in Do- 
natum) sind gesammelt von Eummbow, Symbola critica ad grammaticos kuinos, Greifsw. 
1880 p. 5. Eine Anzahl Stellen macht auch Eeil, GL. 7, 7 namhaft. Allein die Grammatik 
des Scaurus liegt auch ungenannt manchen Partien der Grammatiker zu Grund. Diese 
Partien suchten zu ermitteln Etthmrow 1. c. p. 9 und P. E. Metbb, Quaestiones gram- 
maticae ad Scauri artem restituendam spectantes, Jena 1885. Besonders ist es Diomedes, der 
hier in Betracht gezogen werden muss. (Vgl. auch Froehdb, Fleckeis. Jahrb. Supplementb. 
18, 635). Zweifelhaft ist, ob Audacis excerpta de Scauri et Pdiladii libris, wie Keil, GL. 
7, 318 annimmt, aus der Grammatik des Scaurus geschöpft haben (Kukxrow p. 8). 

Kommentar zum Plautus. Rufin. GL. 6,561,2 Scaurus in eadem fabula d.h. in 
Pseudulo (vgl. 565, 2). Ritschl, Parerga p. 374. 

Kommentar zur Aeneis Vergils. Serv. Aen. 3, 484; Schol. Yeron. Aen. 4, 146 
(p. 93, 12 K.); 5, 95 (p. 95, 1 K.). Vgl. § 247 p. 64. Labmiikbbibt, Depriscarum scriptorum 
locis a Servio allatis {Dissertationes Jenenses vol. IV) p. 326. 

Kommentar zum Horaz. An drei Stellen wird dieser Kommentar erwfthnt: 
Porphyr, sat. 2, 5, 92; Gharisius GL. 1, 202, 26; hier wird zu AP. 75 versihus impariter 
iunctis bemerkt: ubi Q, Terentius Scaurus in commentariis in artem poeticam libro X 
,adverbium\ inquit, figuravit*. An der dritten Stelle (Gharis. GL. 1, 210, 21) wird eine Erklärung 
des Scaurus von j9rtmt<« mit Hinweis auf Aen. 1, 1 erwähnt: non gut ante omnes, sed ante 
quem nemo est und diese Erklärung ebenfalls eingeleitet durch das Gitat: Q. Terentius Scaurus 
commentariis in artem pdHicam libro X. Nun ist aber ein Kommentar von 10 Bflchem zur 
Ars poHica h&chst unwahrscheinlich. Es hat daher die Vermutung alles fflr sich, dass der 
Kommentar des Scaurus vielmehr den ganzen Horaz umfasste, in dem jedes Buch seinen 
Kommentar erhielt. Wird die Ars poHica als eigenes Buch gezählt, und angenommen, 
dass sie in der dem Scaurus vorliegenden Horazausgabe an letzter Stelle stand, so wQrde 
der Kommentar zur Ars poHica gerade das 10. Buch bilden mflssen (4 Bttcher Oden, 
1 Buch Enoden, 2 BQcher Satiren, 2 BQcher Episteln = 9; für die Epoden = liber 
quintus vgl. Marius Victorinus GL. 26, 169, 24; Diomedes GL. 1, 527, 34). Zakobmeistbb, 
Rhein. Mus. 39 (1884) p. 634; 40 (1885) p. 480; Bibt 38 (1883) p. 480. (Zweifelnd äussert 
sich Fbobhdb, Fleckeis. Jahrb. Supplementb. 18, 636.) 

De CaeselH erroribus, Gellius 11, 15, 1 Terentius Scaurus, divi Hadriani 
temporibus (die Zeit bezeugt auch Gapitolin. Ver. 2, 5) grammaticus vel noMissimus int er 

') P. E. Mbybb l c. p. 29. 



VeliuB LongQs. 143 

alia, quae de Caeselli erroribua conposuit, in hoc quoque verbo errasae eum acripait, 
quod idem eaae putaverü ,ludena' et ,lttdibunda*, ,ridena* et ,ridibunda*, ,errana* et ,erra' 
hunda' . nam ,ludibunda*, inquit, et ,ridibunda* et ,errabunda' ea dicitur, qwu ludentem tel 
ridentem rel errantem agit aut aimulat. Der Kaiser Hadrian stand mit Terentios Scauros 
in wissenschaftlichem Verkehr. Charis. GL. 1, 209, 12. ,Obiter* divua Hadrianua aer- 
tnonum I qtioerit an latinum ait — et cum Scaurtia Latinum eaae neget, addü; Priscian. 
GL. 2, 547, 2; es handelt sich um die Regel amhitua (Partizip) und amlätua (Substantiv). 
Nachdem Priscian zwei Beispiele beigebracht, fügt er hinzu : quamvia Scaurua in utroque aimilem 
eaae tenorem putavit . aed Veliua Celet' reapondena UadHano imperatori per epiatulam de 
hoc interroganti decUnatUme et tenare ,amhitua* nomen a participio oatendit diacerni. Man 
könnte sonach auch den wissenschaftlichen Verkehr zwischen Hadrian und Scaurus als 
einen durch Briefe vermittelten auffassen (vgL Spart Hadr. 15, 11). 

Aus dem p. 141 ausgeschriebenen zweiten Epilog erschliesst man eine Schrift de 
literia novia und versteht unter den literae novae die Buchstaben, welche der Kaiser 
Claudius eingeführt. Allein die Lesart ist wahrscheinlich verdorben. 

Literatur. Ausser den angegebenen Schriften vgl. noch VirgUiua Grammaticua 
ed. HüKMBB, Leipz. 1886; Hagbns, Anecdota Helvetica p. GXXXII 1, 11; Hbbtz, Bresl. Progr. 
vom Jahre 1888. Kbbtzsohmbb, De Ä. Gellii fontibua part. I, Greifsw. Diss. 1860 p. 94. 
UsBiiEB, Sitzungsber. der Münch. Akad. 1892, p. 623. 

3. Veiius Longus. 

696. Velins Longns de orthographia. Im Jahre 1493 fand Morula 
einen Codex im Kloster Bobio, der ein Buch des Veiius Longus über 
die Orthographie enthielt. Veröffentlicht wurde derselbe zum erstenmal 
von Fulvius Ursinus zu Rom im Jahre 1587. Der Traktat beginnt mit 
einer Definition der litt er a. Wir sehen, welche Flut von Meinungen diese 
grammatischen Fragen hervorriefen. Dann geht derselbe über zu der 
Untersuchung de literarum pote State, Auf dieser Orundlage baut sich 
die Lehre von der Orthographie auf, er prüft zuerst den Grundsatz (p. 54), 
man müsse schreiben, wie man spreche und höre, und verwirft denselben. 
Dies flihrt zu der Betrachtung des Verhältnisses, in dem die Schrift zu 
der Aussprache steht. Eine Anzahl von Schreibungen, in denen besonders 
die Laute i und v in Frage kommen, wird behandelt. Hierauf werden 
die Regeln über die Schreibung der Präpositionen in der Zusammensetzung 
vorgenommen (p. 60). Eine kurze Bemerkung über Orthoepie und Ortho- 
graphie (p. 66) leitet zu neuen Untersuchungen über (v, i, h, d, t, q) ; es 
folgen (p. 71) Fälle, in denen die Orthoepie und Orthographie verwechselt 
ist, (p. 73) Fälle, in denen die alte Form von der neuen abweicht, (p. 74) 
Fälle, in denen der Bedeutungsunterschied zu beachten ist, (p. 75) Fälle, 
in denen der Wohlklang der Aussprache berücksichtigt wird und anderes. 
Gegen Schluss zu vermag der Verfasser eine straffe Gliederung seines 
Gegenstandes nicht mehr aufrecht zu erhalten. Und charakteristisch ist 
eine Äusserung im letzten Passus über die adspiratio, welche der Ver- 
fasser mit den Worten einleitet (p. 81), wenn er sich nicht täusche, habe er sich 
bereits darüber geäussert. Wie in dem Traktat des Scaurus, so werden 
auch hier ältere Quellen citiert, wie Accius (55, 25), Lucilius (47, 3), 
Varro (77, 14), Verrius Flaccus (80, 18), Antonius Rufiis (79, 13), Nisus 
(76, 7), dem fast der ganze Schluss (p. 75) entnommen zu sein scheint. 
An mehreren Stellen glaubt man ein polemisches Eingehen auf Ansichten 
des Scaurus herauszuhören um demnach folgern zu müssen, dass der 
Traktat desselben dem Veiius Longus vorlag. Da nun Gellius den 
Veiius Longus citiert, so wird man auch diesen Grammatiker der Hadria-* 



^ 



144 BOmisohe Litteratnrgeaohiohte. IL Die Zeit der Honarchie. 2. AbteUang. 



nischen*) Zeit zuweisen. Ausser dieser Schrift schrieb Velius Longus 
noch andere, die aber verloren sind, so über alte Sprach formen {de • 
usu antiquae lectionis), über Unregelmässigkeit in der Wortab- 
leitung und einen Kommentar zu Vergils Aeneis.*) 

Beziehungen zwischen Scaurns und Longus. Keil vergleicht GL. 7. 44 
folgende Stellen: Scanrus 25, 11 = Longus 68, 7. 54, 1; S. 20, 15 = L. 80, 10; S. 19, 13 = 
L. 68, 14; S. 27,5 = L. 61,6. 73, 16. 

Auszüge aus der Schrift hietet Cassiodorius unter dem Titel: Ex Velio Longo 
ista deflorata sunt (GL. 7, 154). 

Die Ueberlieferung geht auf den 1493 entdeckten, seitdem aber verlorenen 
codex Bobiensia zurück, aus ihm stammt der codex ParrhasH (Neapolit. IV A 11). Alle 
übrigen Handschriften sind nur Abschriften aus demselben. 

Verlorene Schriften können wir aus den Quellen folgende namhaft machen: 

1. de usu antiquae lectionis. Gell. 18, 9, 4 Velio Longo, non homini indoeto, 
fidetn esse habendam, quiin cotnmentario quod feeisset de usu antiquae lectionis scHp- 
serit, non ,inseque* apud Ennium legendunty sed ,insece'; 

2. Ueber die Unregelmftssigkeit in der Wortableitung. Charis. GL. 1,93,31 
cum sint Titus et lupus similia, thennas Titinas ut pelies lupinas non dicimus, sed Titianas, 
de qua quaestione a Velio Longo libellus scriptus est; 

3. Kommentar zu Vergils Aeneis. Derselbe wird citiert von Charisius GL. 
1, 113, 29; 175, 14; 210, 7 (Aen. 2, 79 Lachmahh in Lucret. 3, 94 p. 146). Daraus geschöpft 
sind Stellen in den Veroneser Scholien, bei Servius Aen. 10,244, Macrob. sat. 3, 6,6; 
RiBBBCK, Proleg. Verg. p. 169. 

Ueber alle diese Schriften vgl. Ebil, GL. 7, 43. 

4. C. Sulpicius Apollinaris. 
597. Die metrischen Argmnente und die grammatifichen Unter- 
suchungen des Sulpicius Apollinaris. Aus der Schar der Grammatiker, 
welche des Gellius kleine Welt ausmachen, ragt sein Lehrer*) C. Sul- 
picius Apollinaris aus Karthago hervor. Gellius tiberhäuft ihn mit 
Lobsprüchen wegen seiner Gelehrsamkeit/) auch anmutige Charakterztige 
weiss er von ihm zu berichten, s) Er führt ihn in seiner bekannten Manier 
öfters dramatisch ein, d. h. er setzt was er aus den Schriften seines Lehrers 
excerpiert hatte, in ein Erlebnis um. So werden wir in die Werkstätte 
des Grammatikers geführt. Vergil ist natürlich der Hauptautor, und um 
ihn drehen sich manche Fragen, bald ist es die Interpretation einer Stelle, 
die gegen eine andere Autorität verfochten wird (2, 16, 8), bald wird eine 
metrische Beobachtung (4, 17, 11) angeknüpft, bald handelt es sich um 
die Bedeutung eines Vergilischen Wortes (7, 6, 12). Die Feststellung der 
Bedeutung von Worten und Phrasen scheint überhaupt die starke Seite 
des Sulpicius Apollinaris gewesen zu sein. Gellius teilt uns unter anderem 
mit seine Erörterung über vestibulum (16, 5, 5), über nanus und pu- 
milio (19, 13), über stolidus und vanus (18, 4), über inter os et off am 
(13, 18, 3) und über intra Kalendas (12, 13). Auch über grammatische 
Formen handelte er, so über errabundus und errans (11, 15, 8) und 
über die Genetive vestri und vestrum (20, 6). Als Führer bei diesen 



') § 247 p. 64 habe ich ungenau den 
Grammatiker der Zeit Traians zugewiesen. 

*) Unter den grammatischen Fragen 
tritt auch manche allgemein interessierende 
Bemerkung hervor: 47, 17 digitorum sono 
pueros ad respondendum eiemus; 53, 14 re- 
Ugiosi quidam epistulis subscr^nt karis- 



sime per k et a. 

») 7, 6, 12 vgl. zu § 607 p. 158. 

♦) 4, 17, 11; 12, 13, 1 und 17; 13. 18, 2; 
11, 15, 8; 2, 16, 10; 16, 5, 5; 18, 4, 1. Vgl. 
Beck p. 11. 

») 13, 20, 5; 12, 13; 18, 4; 12. 13, 19. 
Vgl. Bbok p. 12. 



G. SnlpiciüB ApoUinariB. 145 

Untersuchungen sah er den Usus an. Wo waren diese Dinge abgehandelt? 
Da nach dem Zeugnis des Oellius feststeht, dass Sulpicius ApoUinaris die 
Briefform für seine grammatischen Untersuchungen benutzt hat, werden 
wir jene Erörterungen wohl sämtlich einem Werk, das etwa Epistolicae 
quaestiones betitelt war, zuweisen. Auch die Vergilischen Studien fanden 
hier leicht ihren Platz, so dass es nicht nötig ist, noch einen Vergil- 
kommentar oder eine Vergilausgabe des Oranmiatikers anzunehmen. Ausser 
diesen grammatischen Untersuchungen verfasste Sulpicius Apollinaris noch 
metrische Argumente. Erhalten haben sich solche unter seinem 
Namen zu der Aeneis und zu den Komödien des Terenz. Die Inhalts- 
angaben zu den zwölf Büchern der Aeneis bestehen aus je sechs Hexa- 
metern, sie legen sich überdies den Zwang auf, dass sie mit den ersten 
Worten des betreffenden Gesanges beginnen, die zum neunten Buch nimmt 
sogar den ganzen Vers auf; den Argumenten geht eine praefatio voraus. 
Die Periochae zu Terenz sind auch eingeschnürt, indem jede zwölf Senare 
umfasst. 

Wann Sulpicius Apollinaris starb, wissen wir des Genaueren nicht; 
nur soviel steht fest, dass er, als Gellius seine Noctes Atticae schrieb, 
nicht mehr zu den Lebenden gehörte (15, 5, 3). Sein Schüler, der nach- 
malige Kaiser Pertinax, soll sein Nachfolger gewesen sein (Capit. Pert. 1, 4). 

Name und Heimat. Bei Gellius finden wir Apollinaris Sulpicius, Apol- 
linaris und Sulpicius Apollinaris, bei Terenz in den Periochae G. Sulpicius 
Apollinaris, wir erhalten hier den Vornamen. Die Heimat Karthago ist uns in den 
Hezasticha zu Vergil und in der Vergilvita des Donat bezeugt. 

Grammatische Thätigkeit. Gell. 12, 13, 4 sed cum verborum Latinorum sen- 
tentia, usus, ratio exploranda sii, scaevus profecto et caeeus animi foretn, si, cum höherem 
tui copiam, issem magis ad aliwn quam ad te . Audi igitur, inquit {S, A,), de ratione verhi 
quid existimem, sed eo tamen pacto, ut id faeias, non quod ego de praprietate vacis dis- 
seruero, sed quod in ea re omnium pluriumve consensu ohservari cognoveris; non enim 
verhorum tantum communium verae atque propriae significationes longiore usu mutantur, 
sed legum quoque ipsarum iussa consensu tacito Mitter antur, (16) consuetudo — cum omnium 
domina rerum, tum maxime verhorum, 

[Epistolicae quaestiones,^ Aus Gell. 15, 5, 3 Sulpicius ApoUinaris in quadam 
epistula scriptum reliquit; 18, 18, 3 Apollinaris — rescripsit Claro ergibt sich, dass Sul- 
picius Apollinaris gelehrte Untersuchungen in Briefform gegeben hat. 

Nicht zu erweisen ist es, dass S. A. eine Ausgabe der Aeneis gemacht; es ist zwar 
richtig, dass sich S. A. mit Vergil beschäftigt (Gell. 2, 16, 8) — aber welcher Grammatiker hätte 
dies damals nicht gethan? Zur Annahme eines Vergilkommentars zwingt auch die Stelle 
Schol. Veron. 9, 369 (p. 101 K.) hoc loco adnotant Probus et Sulpicius keineswegs (vgl. Beck 
p. 50). Nur eine Vermutung ist es, dass die nicht akrostichischen Argumente zu Plautus von 
S. A. herrühren (Ritschl, opusc, 2, 404). 

Sulpici Carthaginiensis Hexasijicha in Aeneidis lihris. Die praefatio. 
In dem Vossianus F 111 s. IX werden die Hexastioha ausdrücklich als solche des Sul- 
picii Carthaginiensis eingeführt. Die praefatio, welche denselben vorausgeht, besteht aus 
drei Distichen. Auch in der Vergilvita des Donat werden drei Disticha mit den Worten 
eingeleitet : de qua re Sulpicii Carthaginiensis extant huius modi versus (Reiffbrsch. p. 63). 
Diese Disticha enthalten denselben Gedanken wie die praefatio, aber in abweichender 
Form. In der vita, welche dem Probuskommentar vorausgeht, sind die zwei ersten Di- 
sticha in der Fassung, in der sie bei Donat erscheinen, eingefllhrt mit: quod et Servius Varus 
(Maurus: Jahn) hoc testatur epigrammate (Keil p. 2). Vgl. B&hrens, PLM. 4 p. 45, 
p. 182 und p. 169; die zweite Fassung scheint das Original, die der praefatio die Kopie 
zu sein. 

Die Periochae zu Terenz. Die Ueberschrift im Bembinus lautet bei jedem Stück: 
O, Sulpici Apollinaris periocha, 

Litteratur. J. W. Beck, Sulpicius Apollinaris. Adiecta est appendix dissertationis 
de differentiarum scriptoribus latinis, Programm des Groninger Gymn. für 1884/5. — Ribbbck, 

HMidlnich der klUB. AltcriumiBWineufMhAft. Vm. 3. Teil. 10 



146 Bömisohe Lüteratnrgesöhichie. IL Die Zeit der Monarohie. 3. Abtellnng. 

Proleg, Verg. 173; Opitz, De argumentorutn metric, arte et origine, Leipz. Stad. Bd. 6 
Die Yergirschen Hexasticha in der Änthol. lat. ed. Ribsb nr. 653; PLM. 4 p. 169 nr. 177. 

5. Aemilius Asper. 

598. Die Kommentare des Aemilins Asper. Ein recht schwieriges 
Problem bietet die Zeitbestimmung des Grammatikers Aemilius Asper. 
Den terminus ante quent bildet Julius Romanus, da er Aspers Schriften 
benutzte. Was den terminus post quem anlangt, so ist einmal sicher, dass 
Asper nicht vor Gomutus, dem Lehrer des Persius gelebt haben kann, 
weil Asper gegen Gomutus polemisiert.^) Aber wir kommen noch weiter 
herab, wenn wir Suetons Büchlein de grammaticis aufschlagen. Hier fehlt 
Aemilius Asper; die nächstliegende Folgerung ist die, dass Aemilius Asper 
dem Sueton unbekannt war, also damals noch nicht lebte oder wenigstens 
auf dem Oebiet der Grammatik noch nicht thätig war. Die Ausflucht, 
Sueton habe den Aemilius Asper übergangen, weil er nur Lehrer der 
Grammatik in seine Schrift aufgenommen, zwingt uns zu einer Annahme, 
zu der nicht der geringste Anlass gegeben ist. Aber vielleicht dürfen 
wir noch etwas weiter herabgehen; auch Gellius erwähnt den Aemilius 
Asper nicht. Wiewohl hier die Sache wesentlich anders liegt als bei 
Sueton, so nimmt uns doch das Schweigen des Gellius über Asper Wunder, 
zumal wenn wir bedenken, wie viele unbedeutende Grammatiker Gellius 
herangezogen. Auch hier ist die Schlussfolgerung die natürlichste, dass 
Aemilius Asper erst nach den nodes Atticae auf dem Gebiet der Grammatik 
thätig war. Wir werden ihn also etwa gegen Ende des zweiten Jahr- 
hunderts ansetzen.^) Aemilius Asper schrieb Kommentare zu Terenz 
und zu Sallust; doch der berühmteste war der zu Vergil. Vielleicht 
schrieb er auch Quaestiones Vergilianae, in denen er einzelne gram- 
matische Fragen mit Bücksicht auf Vergil abhandelte. In einem Palimpsest 
von Corbie haben sich solche Quaestiones mit dem Namen Asper vorge- 
funden. Aber in der Gestalt, in der sie jetzt vorliegen, werden sie nichts 
oder nur wenig von Asper haben. Auch noch andere Produkte späterer 
Zeit haben irrtümlich den Namen des berühmten Grammatikers ange- 
nommen, so eine Ars, welche Keil im 5. Bande der Grammatici veröffent- 
licht hat (p. 547); eine andere, völlig verschiedene, publizierte Hagen in 
den Änecd. Helvet. p. 39. Der Inhalt hat gar nichts mit Asper zu thun, 
auch ist nicht einmal soviel anzunehmen, dass Asper eine Ars geschrieben, 
welche dann durch diese späteren Produkte verdrängt wurde. 

Die Kommentare des Aemilius Asper waren nach den Überresten 
wertvoll; und mit Recht zählt ihn Ausonius^) zu den grossen Grammatikern, 
und stellt ihn Augustin*) mit Gomutus und Donatus zusammen. 

Die Zeit des Aemilius Asper. Alle bisher vorgetragenen Ansichten werden 
gewürdigt von LabmmebhibTi De priscorum scriptorum locis a Sertio allcUis, Gomroent. 
philol. Jen. vol. IV 1890 p. 401. Lämmerhirts Datierung beruht besonders darauf, dass 
Asper den Fronte citiert habe. Dies wird geschlossen aus Serv. Aen. IX 416 und Serv. Aen. 
VII 30. Allein die Schlussfolgerung ist nicht überzeugend. 



>) Schol. Ver. 92, 11 K. 
') Ich habe mich mit Unrecht § 247 
p. 63 denen angeschlossen, welche Asper 



früher ansetzten. 

>) 3, 20 p. 2 SomvKL. 
<) de utU. cred. 17. 



Aemilins Asper. — Flavina Caper. 147 

Kommentar Aspers zu Terenz. Rufin. 6L. 6, 555, 1 ; 565, 5. Angeführt von 
Donat zn Phormio 1, 2, 24 (p. 380 Klotz); 3, 2, 25 (p. 65 Kl.); 4, 2, 20 (p. 100 Kl.). 

Kommentar Aspers zn Sallust. Vgl. Hieronym. adv. Bufin. 1,16 und Gharis. 
GL. 1, 216, 28 Äsper comtnentario Sattustii historiarum. Auch den Catilina hatte er kom- 
mentiert (Gharis. GL. 1, 140, 3). Auf die Historien beziehen sich noch Ghar. 196, 23; 
209, 6; 215, 6; 216, 25. Vgl. noch Pompeius GL. 5, 273, 12. Die Stellen wurden besprochen 
von Kirchneb, Fleckeis. Jdirb. Supplementbd. 8, 512; FbOhdb, ibid. Supplementbd. 18, 614. 

Kommentar Aspers zu VergiL Hieronym. adv. Rufin. 1, 16 Aspri in Ter- 
gilium et Sallttstium commentarios, üeberreste von diesem Kommentar in den Veroneser 
Scholien und bei Servius. Vgl. Ribbbck, Proleg, Verg, p. 128; Kirchnbr, De Servi aucto- 
ribtta grammaticia, Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 8, 510; Labkmbrhirt, De priscarum 
scriptorum locia a Servio allatis, p. 324. 

Quaestiones Vergilianae, Man nimmt nach gewissen Stellen an. Asper 
habe auch quaestiones Vergilianae grammaticae geschrieben (Kibchnsb p. 510, Labmkbrhibt 
p .325). Aus einem Palimpsest von Gorbie, Paris. 12161, wurden solcne quaestiones unter 
dem Namen Aspers bekannt {de praepositione, de interieetione, de casibus. de generalibus 
et specialihus, de verho\ allein diese gehSren unmöglich in der vorliegenaen Gestalt dem 
Asper an; vgl. BGltb, De artium scriptoribus lat. p. 55 thes. VI. Herausgegeben sind 
diese Bruchstücke von Kbil, M, Valerii Prohi commentarius, Halle 1848 p. 111, vermehrt 
von Gbatrlain, Revue de philoL 10, 83. 

6. Flavius Caper. 

699. Die unter dem Namen Capers überlieferten Schriften« Den 
Namen Capers tragen zwei Schriften, die eine ist betitelt orthographia 
Capriy die andere de verbis dubiis. Allein der Titel orthographia 
ist hier täuschend. Es finden sich in dem Schriftchen zwar auch Regeln 
über Rechtschreibung, aber noch mehr Regeln über Wortbildung, Flexion, 
Konstruktion und Bedeutungslehre. Manche Regeln sind hexametrisch 
gefasst; schon dieser eine Umstand genügt zur Erkenntnis, dass so das 
Schriftchen nicht aus der Hand des angesehenen, von Priscian geachteten 
Grammatikers hervorgegangen sein kann. Auch der übrige bunte Inhalt 
passt nicht zu dem Bild, das wir uns von dem Grammatiker machen. 
Ebenso ist die andere Schrift in der vorliegenden Gestalt nicht von Caper 
verfasst worden. Sie stellt ein Wortverzeichnis dar, welches alphabetisch 
angeordnet ist. Allein auch hier beziehen sich die Regeln nicht bloss auf 
das Geschlecht, wie man erwarten sollte, sondern auch auf die Flexion, 
Konstruktion und Bedeutung. Aber in beiden Schriften findet sich doch 
auch manches, das von Caper stammen könnte. Wir werden daher zu 
der Annahme greifen, dass zwei Schriften von Caper mit der Zeit so ver- 
wässert wurden, dass sie den ursprünglichen Kern nahezu ganz erstickten. 
Und zu dieser Annahme stimmt vortrefflich, dass uns in der That von 
zwei Werken Capers Kunde wurde, die sich mit den zwei in Rede 
stehenden Traktaten inhaltlich berühren. Es ist der Über de latinitate 
und der liber de dubiis generibus. Diese Bücher wurden von den Gram- 
matikern viel benutzt, z. B. von Romanus, von Priscian, von Nonius. Auch 
in dem Büchlein de dubiis nominibus finden wir Capers Spuren. Der 
Grammatiker ging besonders auf die ältere Litteratur zurück. Dies führte 
ihn, wie es scheint, auch auf den Kritiker und Herausgeber älterer Werke, 
Probus. Dadurch gewinnen wir auch ein Kriterium für die Zeit Capers; 
er lebte nach Probus. Da Caper aber seinerseits von Romanus benutzt 
ist, 80 muss er vor diesem gelebt haben. Wir werden ihn also gegen 
das Ende des zweiten Jahrhunderts anzusetzen haben. 

10* 



148 Bömiflche Litteratorgeflohiohte. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

Die Ueberlieferung der Schriften de orthographia und de verhis dubiis 
beruht in erster Linie auf dem Codex Montepessulanus 306 s. IX, in zweiter auf dem Ber- 
nensis 330 s. X und dem Bemensis 338 s. IX/X. Ausgabe von Keil, GL. 7,92. 

Verlorene Werke des Gaper. Es werden verschiedene Titel angegeben (vgl. 
die Zusammenstellung bei G. Ebil, De Flavio Capro p. 8). Aus dem Citat des Pompeius 
GL. 5, 175, 30 ergibt sich, dass dieselben zwei Werke bezeichnen; denn es heisst hier: 
hahe8 hoc in Capro de lingua latina, non de dubiis gener ibus. Diese Werke sind: 

1. De latinitate. Charis. (= Romanus) GL. 1, 194, 31 Fl Caper de Jatinüate; 1, 207, 31 ; 
Serv. Aen. 10, 344 Caper in libris enueleati sertnonia scheint dasselbe Werk zu 
meinen. 

2. De dubiis gener ibus, Priscian. GL. 2, 212, 14 quod Caper ostendU de dubiis 
generibus; Serv. Aen. 10, 377 Caper in libris dubii .generis, Charis. GL. 1, 77, 20 quae 
dubii sermonis II — ait, Keil (GL. 5, 570 ; 7, 88) hat hier den fehlenden Autor mit Caper 
ergänzen wollen, allein das Richtige ist .Plinius* (FrOhde, Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 
18, 640). 

Die Beschäftigung Capers mit der älteren Litteratur bezeugt Priscian 
GL. 2, 188, 22 doctissitnus antiquitatis perscrutator; 354, 9 Caper antiquitatis doctissimus 
inquisitor. Diese Heranziehung des alten Latein hat manche Gelehrte verleitet, Kommen- 
tare Capers zu Plautus, Terenz, Vergil, Sempronius anzunehmen (vgl. die von Fboehdb 1. c. 
p. 642 angeführte Litteratur). Auch ist unrichtig, was Agroecius sagt GL. 7, 113, 11 (Caper) 
multis praesertim litter arum operibus celebratus et in commentando etiam Cicerone 
praecipuus. 

Die Benützung des Caper von Seiten anderer Grammatiker war eine 
ziemlich ausgedehnte. Besonders Priscian, Servius und Romanus verwerteten ihn. Für 
Servius ist dies nachgewiesen von Kirchnbb Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 8, 514, 
Laemmbbhibt, De priscorum seriptorum locis a Servio allatis (Comm. philol. Jenetts. 4, 396), 
für Priscian vgL Keil, GL. 7, 89; G. Keil, De Flavio Capro grammatieo quaestionum 
eapiia 11, p. 38; Neumaiw, De Plinii dubii sermonis libris et Prisciani fontibus, Kiel 1881; 
H. Karbaüm, De origine exemplorum quae ex Ciceronis scriptis a Charisio, Diomede, Aru- 
siano Messio, Prisciano Caesariensi, aliis grammaticis aUata sunt, Wernigerode 1889 
(das zweite Kapitel behandelt das Verhältnis des Priscian zu Caper vgl. Götz, Bursians 
Jahresber. 68 Bd. 19 Jahrg. 1891 2. Abt. p. 156); für Romanus Fboehdb, Fleckeis. Jahrb. 
Supplementbd. 18, 640 — Obann, De Flavio Capro et Agroecio, Giessen 1849; Christ, 
Phih>l. 18, 165 ; Bbambach, Lat. Orthogr. p. 43. — G. Keil, De Flavio Capro grammatieo 
quaestionum capita II, (Dissertat. Hai. X) Halle 1889. 

7. Statilius Maximus. 

600. Sammlung von Singularia. Bei Charisius wird in dem Kapitel 
über das Adverbium, das aus Julius Romanus herübergenommen ist, mehr- 
mals ein Statilius Maximus erwähnt, und zwar sind es vereinzelt ge- 
brauchte Worte, sogenannte Singularia {ana^ elQtjfiäva)^ auf die dieser seine 
Aufmerksamkeit gerichtet hatte. Merkwürdig sind die Schriftsteller, die er 
auf solche vereinzelte Erscheinungen hin untersuchte; sie gehören ganz ver- 
schiedenen Epochen an, es sind der alte Cato und Cicero. Für Cicero war 
der Grammatiker auch kritisch thätig, er hatte ciceronische Reden nach 
guten Exemplaren z. B. des Tiro emendiert. Es fragt sich, in welche 
Form Statilius Maximus seine Forschungen brachte. Nach allem, was 
wir lesen, handelte es sich nicht um einen Kommentar, sondern um ein 
lexikalisches Werk. Die Singularia wurden aufgezählt und erläutert. Da 
nun einigemal die Singularia Ciceros mit einem „quoque*^ eingeführt werden, 
so scheint es, dass die Singularia des Cicero in Gegensatz zu den Singu- 
laria Catos gestellt wurden. Dass Cato Singularia darbot, war nicht auf- 
fällig; dass aber auch der wegen seines Stils vielgepriesene Cicero seine 
Singularia hatte, konnte immerhin auf den ersten Blick sonderbar er- 
scheinen; es wird daher die Sammlung der Ciceronischen Singularia an 



~a-^».-..V-. 



StatiliaB Maximna. — HeleninB Aoro. 149 

die Catonischen angeschlossen gewesen sein. Wann der Grammatiker ge- 
lebt hat, kann nur vermutungsweise festgestellt werden. Bei Qellius wird 
er nicht erwähnt, er wird also später gelebt haben, dagegen lag er be- 
reits dem Julius Romanus vor. 

Die Singular! a des Statilius Maximus. Char. = Romanns GL. 1, 194, 10 
quia saepenumero contendere a nohis non desinitis, licet S. M. de aingularibus apud 
Ciceronem quoque positis saepenumero notet; 218, 6 stomachoae Cicero, tU S. M. de 
singularibus apud eum quoque positis. Vgl. noch 196, 4; 209, 4; 212, 16; 213, 13; 
214, 17; 217, 3; (218,28); 219, 24; 219, 25 und 217, 8 rare Cicero pro raro, ut idem Ma- 
ximus notat; Catonem quoque ita locutum. Gatonische Singularia 202,11; 215,22; 
217, 14; 220, 16. Eingefahrt werden die Singularia in der Regel dnich: S, M, notat. Vgl. 
FbÖhde, Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 18, 645. 

Statilius Maximus als Emendator Ciceros. In Reden Ciceros findet sich 
die aubscriptio (0. Jahn, Verh. der sächs. Gesellsch. 3 Bd. [1851] p. 329); Statilius Ma- 
ximus rursua emendavi ad Tyronem ei Laetanianum et Dom. et alioa veterea . /// oratio 
eximia (vgl. Kibssling, Conieetaneorum apicilegium p. 6). 

T. Statilius Maximus Severus hat zwei troch. Tetrameter und zwei iambische 
Senare auf die Memnonstatue im Jahre 136 gesetzt und sich hiebei vatis genannt (BOchblbb, 
AnthoL lat, Carm, epigr. I nr. 227). Dieser Statilius ist ein anderer ab unser Grammatiker. 

8. Helenius Acre. 

601. Die Schriften Acres. Pseudoacron. Der Grammatiker He- 
lenius Acre lebte nach Gellius, was wir wohl daraus schliessen können, 
dass dieser den Acre niemals erwähnte. Andererseits lebte er vor Por- 
phyrie, da er bereits von diesem Sat. 1, 8, 25 citiert wurde. Sonach 
wird seine Lebenszeit Ende des zweiten oder Anfang des dritten Jahr- 
hunderts anzusetzen sein. Seine schriftstellerische Thätigkeit erstreckte 
sich, soweit wir sehen können, auf Kommentare zu Autoren. Solche Kom- 
mentare schrieb er zu den Adelphoe und dem Eunuchus des Terenz, 
vielleicht auch zu den schwer verständlichen Satiren des Persius. Auch 
ein Kommentar zu Horaz muss aus einer Angabe des Porphyrie er- 
schlossen werden. Lange Zeit kursierte unter dem Namen Acres wirk- 
lich eine Scholienmasse zu Horaz. Allein die genauere Prüfung der 
Sachlage zeigte, dass Acre mit Unrecht hier genannt wird. Einmal ist 
hier eine individuelle Scholiensammlung gar nicht vorhanden, je nach den 
verschiedenen Handschriften erhalten wir auch ganz verschiedene Acrone. 
Und gerade in den ältesten Handschriften fehlt jeder Name bei diesen 
proteusartigen Scholien; es ist daher mit Recht vermutet worden, dass 
vielleicht erst durch Vermutung nach einer Notiz einer Horazbiographie 
der Name Acres der Scholiensammlung vorgesetzt wurde. Bei diesem 
Stand der Sache ist es die nächste Aufgabe, die verschiedenen Fassungen 
dieser Scholien nach den ältesten und besten Handschriften zu publizieren. 
Es sind besonders zwei Fassungen, welche die Aufinerksamkeit der Forscher 
erregten, die Fassung des Parisinus 7900* und die des Parisinus 7975 y, 
welche jünger ist. Erst wenn die verschiedenen Corpora dieser Scholien 
herausgestellt sind, lässt sich Genaueres über den Wert derselben sagen. 
Der Kern ist sicherlich unbedeutend und ruht auf Porphyrie; doch sind 
aus anderen Quellen Zusätze hinzugekommen, und um dieser Zusätze 
willen muss die mühsame Arbeit gethan werden. Ein wichtiges Ergebnis 
steht bereits fest, dass Zusätze aus Sueton. hinzugekommen sind. Die 



150 Bömiflohe Litteratnrgesohiohte. n. Die Zeit der Monarohie« 2. Abteilung. 

Roma, welche auf die römischen Sitten und Gebräuche einging, war aller- 
dings eine für die Erklärung der horazischen Gedichte ergiebige Quelle. 
Und von dem grossen Einfluss, den Suetons Schriftstellerei noch in den 
spätesten Zeiten ausübte, zeugt z. B. Isidor. Dass auch aus dem echten 
Kommentar Acres manches in diese späteren Eonmientatoren übergegangen 
ist, dürfte von vornherein wahrscheinlich sein. 

1. Kommentare zu den Adelphoe und dem Eunuchus des Terenz. Ghar. GL. 
1, 192, 30 viderit etenim Uelenius Acron cammentariis, quos Adelphia Terenti non in- 
diligentes attulit; 201, 8 Terentius in Eunucho ,interea loci*: ubi Acron ,quaerüur*, inquit, 
^quo accentu dici debeat interea loci*; 210, 15 nisi Helenium Acronem erraase dicendum est, 
qui prius {in Eunucho) sie intellexit. Die Stellen, die Charisius d. h. Romanus aus diesen 
Kommentaren entnommen hat, sind besprochen von Fbobbde, Fleckeis. Jahrb. Supplementbd. 
18, 642. (Nach Kijesslino, De person. Horat. p. 10 benutzte Romanus ein Terenzexemplar, 
in dem die Adelphi und der Eunuchus mit dem Kommentar Acres, Hecyra und Phormio mit 
dem Kommentar des Arruntius Celsns versehen waren.) 

2. Der Kommentar zu Persius. Man darf diesen wohl aus den Scholien zu 
Sat. 2, 56 scbliessen: Acron tradU quod in porticu quondam Apoüinia PalcUini fuerint 
L Danaidum effigies etc. (Jahk, Persius p. CLIX.) 

3. Der Horazkommentar. Porph. Sat. 1, 8, 25 p. 273 H. memini tne legere apud 
Helenium Acronem Saganam nomine fuisse Horati temporibua Pompei aagam senatoris, 
qui a triummris proacripius eat. Bei Porphyrio kommt öfters das Quellencitat qui de 
personia Horatiania acripaerunt vor (S. 1, 3, 21 ; 1, 3, 90). Mit Rücksicht auf die vor- 
liegende Stelle vermutet Kibssliko (De peraonia Horat. p. 9), dass die angeführten und 
andere Notizen über horazische Persönlichkeiten dem Kommentar Acros enüiommen sind. 

4. Pseudoacron. Keine Handschrift vor dem 15. Jahrb. gibt diesen Scholien, 
die man späterhin unter dem Namen Acrons veröffentlichte, einen Namen (Usenbb, De 
acholiia Horatiania 1863 p. Vif: Aeronia nofnen aut magnopere fdllor aut a docto quodam 
Itälo hia acholiia inacriptum eat ex auctoritcUe illiua loci qui in Horati vita breviaaima 
noviaaimua eat: „Commentati in illum aunt Porphyrion, Modeatua, Helenua et Acron, 
mdiua Acron omnibua**). Unter den Fassungen dieser Scholien sind besonders hervor- 
zuheben : 

a) die des Parisinus 7900^ s. IX als die älteste. Diese Scholien erstrecken sich 
nur auf die Oden, Epoden und das Carmen aaeculare (Kellbb, Epilegomena zu Horaz 
p. 798). Dieselben werden wohl in ihrer Grundlage auf einen Verfasser zurückgehen 
(KiBSSLTNG, De peraonia Horatiania, Greifsw. 1880 p. 6 n. 5, die Stelle ist § 265, 2 p. 93 
ausgeschrieben). Grundlage bildete für ihn der Kommentar des Porphyrio, aber er brachte 
auch noch anderweitiges Material bei (Kibsslino p. 7). Eingehende Betrachtung derselben 
bei Wbssnbr, Quaeat. Porphyr, (Comment. Jenens. V) p. 167; Kukula p. 6. 

b) die Fassung des Parisinus 7975 ^. Diese Scholien sind jünger und erstrecken 
sich auf den ganzen Horaz. Bis zu Carm. IV 2 stellen sie eine weitläufige Recension von den 
zuerst genannten Scholien dar, von IV 3 bis zum Schluss der Epoden und dem Carmen 
aaeculare geben sie eine eigene Bearbeitung. In den folgenden Partien fehlt der Massstab 
der Vergleichung, da hier die Scholien der ersten Rezension fehlen. Die Abhängigkeit von 
Porphyrio ist in den selbständigen Teilen zweifellos (Kbllbb, Epileg. p. 798). Eingehende 
Betrachtungen über dieselben bei Wbssnbb, Quaeat. Porphyr, p. 182; Kükula p. 16. 

5. Ueber die Quellen vgl. Kiesslivo, De peraonia Horatiania p. 7 auperatruxit — 
adnotationum molem Porphyrionia fundamento, aed praeterea aliunde quoque exilem auam 
doctrinam locupletare vel potiua turpem qua inaignia eat notiaaimarum rerum ignorationem 
obtegere atuduit, wo dann die Quellen vorgeführt werden. Vgl. auch Wessnbb, Quaeat. Por- 
phyrion. p. 168. 

Sueton als Quelle. Acre Serm. 1, 7, 20 Bithua et Bacchiua gladiatorum nomina 
celebrata apud Suetonium TranquiUum aub Auguato; AP. 354 acriptor Ubrariua — biblio- 
polaa eoa veterea dicebant. hoc et TranquiUua affirmat; 417 acabiea ludua puerorum eat; habea 
in Suetonio. Die Quelle Sueton tritt, ohne dass sie genannt wird, noch deutlich hervor 
AP. 202, 288. 

Litteratur: Kbllbb, Symb. philol. Bonnena. p. 499; Kukula, De tribua Paeud- 
acronianorum acholiorum recenaionibua, Wien 1882 ; Kubschat, ünedierte Horazscholien des 
cod. Paria. Lot. 7975 y zum 4. B. der Oden, den Epoden, dem Carmen aaeculare und dem 
ersten B. der Sat. Tilsit 1884. Ungenügend sind die Ausgaben der Horaz-Scholien von 
Pauly (Prag 1858) und Hauthal (Berl. 1864—66). Eine neue Ausgabe ist zu erwarten von 
0. Kbllbb. 



•f. 



PomponioB Porphyrio. 



151 



9. Pomponius Porphyrie.^) 
602. Der Horazkommentar Porphyrios. Neben Vergil war Horaz 
schon im Altertum ein viel gelesener Schriftsteller, es machte sich daher das 
Bedürfnis der Erklärung bei ihm geltend. Wir haben bereits den berühmten 
Grammatiker der hadrianischen Zeit, Terentius Scaurus als Horazkom-* 
mentator kennen gelernt, ihm folgte Acre. Allein diese Gelehrte werden 
vorzugsweise die wissenschaftliche Seite ins Auge gefasst haben. Horazens 
Dichtungen, besonders die Satiren und die Episteln, haben soviel Be- 
ziehungen zur Zeit, dass ein genaueres Studium der Epoche zum Ver- 
ständnis notwendig ist. Diese reale Horazerklärung ist aber nicht das 
Ziel Porphyrios, er steckt sich ein viel bescheideneres, eines, wie es de* ge- 
wöhnliche Schulunterricht erfordert. Um Feststellung des Sinnes, der 
grammatischen Konstruktion, der dichterischen Schönheit, auch der Vor- 
tragsweise ist es ihm zu thun. Zur Erkenntnis der realen Seite des 
Altertums trägt sein Kommentar nicht viel bei, dagegen gibt er uns ein 
Bild von der schulmässigen Interpretation des Horaz im dritten Jahr- 
hundert; denn in diese Zeit werden wir den Kommentar zu setzen haben. 
Der Konmientar liegt uns jetzt in einem Corpus vor. Allein ursprünglich, 
scheint es, war derselbe einem Horazexemplar beigeschrieben. Als später- 
hin diese Erläuterungen aus dem Horazexemplar herausgehoben und zu 
einem selbständigen Ganzen vereinigt wurden, konnte es nicht fehlen, dass 
die redigierende Hand sich bemerkbar machte. Sie scheint besonders 
Kürzungen vorgenommen, auch manches ganz gestrichen zu haben, nament- 
lich gegen das Ende zu, vom zweiten Buch der Satiren an. Auch Stö- 
rungen der Ordnung waren hiebei nicht zu vermeiden. Der Kommentar 
ist daher nicht in unversehrter Gestalt auf uns gekommen. Allein er hat 
in der Überlieferung trotz aller Unbilden, welche die Zeit dem Schriftwerk 
hinzufügt, seine Individualität gerettet. Dies kam daher, dass derselbe viel 
weniger gelesen wurde als die sogenannten pseudoacronischen Scholien. 
Gleichwohl lebte er in denselben fort, denn er lieferte diesen Scholien die Grund- 
lage. Ausser Horaz kommentierte vielleicht Porphyrio auch den Lucan. 

Die Ueberlieferung des Porphyrio beruht auf dem Vaticanus 3314 s. IX (eng 
venirandt mit ihm ist der'Monacensis Lat. 181 s. X). 

Kritische Ausgaben von W. Meybr Leipz. 1876 und A. Holdbb Innsbruck 1894. 

Lücke im Kommentar. Sat. 2, 3, 103 springt der Kommentar gleich anf 141; 
femer 2, 6, 72 werden die Verse bis zum Schluss der Satire (117) übersprungen. 

UnvoUständigkeit des jetzigen Kommentars. Zu Sat. 1, 9, 23 De Visco 
infra diceiur, £s sollte die Rede von ihm sein S. 1, 10, 83. Allein hier lesen wir ab- 
solut nichts über Viscus. Die Acronischen Scholien (/) dagegen bieten eine Note über 
Viscus, so dass es wahrscheinlich ist, dass den Acronischen Scholien Porphyrio noch voll- 
ständiger vorlag. (KiBssLiNO, De personis Horat. p. 6; Wbssnbr, Quaest. Porphyr, p. 186.) 
— 8. 1, 6, 41 heisst es: patre libertino naium esse Horatium et in narrcUione, quam de vüa 
iUitis habui, ostendi. Es geht dem Kommentar eine Vita voraus, die beginnt mit aen Worten: 
Q. Horatius Flaccus poeta lyrious libertino patre natus. Auf diese Ajogabe kann Porphyrio 
unmöglich mit ostendi hinweisen ( Vahlkk, Hermes 130 (1895) p.23). Weiterhin ist zu beachten, 
dass von dem zweiten Buch der Satiren an die Scholien anfangen spftrlich zu werden. Vgl. das 
Verzeichnis der Stellen, zu denen in dieser Partie Erklärungen fehlen, bei Wbssneb p. 185. 

lieber die Entstehung des Kommentars vgl. Wbbsnbb p. 161 (S. 1, 9, 52). 

Quellen. Von den Horazkommentatoren nennt Poiphyrio Claranus S. 2, 3, 83, 
Scaurus S. 2, 5, 92 und Acre S. 1, 8, 25. Auch Sueton wird einmal genannt (E. 2, 1 



Der neueste Herausgeber Holdbb 
schreibt Porfyrio; ich behalte die Schreibung 



Porphyrio bei, vgl. Mohmben, das griechische 
* in lat. Schrift Hermes 14 (1879) p. 72. 



152 BönÜBohe Litteraturgeschichte. II. Die Zeit der Monarchie, 2. Abteilung. 



p. 368 H.). Aber oft werden seine Qaellen nur in unbestimmter Weise eingeführt mit qui- 
dam (die Stellen verzeichnet Holder in seiner Ausgabe p. 610) oder mit qui de personis 
Horatianis scripserunt (vgl. zu Acro p. 150, 3). 

Kommentar zum Lucan. Cammenta Lucani 1, 214 Usbner, Puniceus Rubieon 
Parfurion fpuniceum* interpretaius est quasi feniceum. Nach dieser Glosse scheint Porphyrio 
auch den Lucan kommentiert zu haben. 

Litteratur. Keller, Symb. Philolog. Bonnens p. 421; Vrba, Meletemata Porphy- 
rionea, Wien 1885 (gegen dessen Methode, aus der Sprache Kriterien für die Abfassungs- 
zeit des Kommentars zu gewinnen, sich Wesshee wendet Quaest Porphyr., Dissert 1892 
(im V. Bd. der Comm. Jenenses p. 155). 

Die Zeit Porphyrios muss vornehmlich aus Gharisius bestimmt werden. Dort 
heisst es (GL. 1, 220, 27): sarete pro integre . sarcire enim est integrum facere . hinc 
ysarta tecta uti sint* opera publica [publice] locantur, et ut Porphyrie ex Verrio et Feste 
jin auguralibus*, inquit, flibris ita est, sane sarcteque'. Es ist wahrscheinlich, dass diese 
Notiz Porphyrios in dem vollständigeren Kommentar zu Ep. 1, 3, 31 {male sarta) stand. 
Aus dieser Stelle folgt einmal, dass Porphyrie vor Gharisius gelebt. Zur Bestimmung 
der Lebenszeit des Gharisius dient am besten Hieronymus zu 358 nach Gh. Euanthius 
eruditissimus grammaticorum Constantinopoli diem obiit, in cuius locum ex Africa Cha- 
ristus adducUur, wo kaum zweifelhaft ist, dass Gharisius zu lesen ist (Usekbr, Rh. Mus. 
23, 492). Also lebte Porphyrie vor 358. Aber wir kommen noch weiter zurück, wenn 
wir annehmen, dass Gharisius jene Worte, wo Porphyrie vorkommt, seiner Quelle ent- 
nommen hat. Diese Quelle ist Julius Romanus für den Abschnitt de adverbio (190, 8 bis 
224, 22). Es ist nicht wahi-scheinlich, dass Gharisius eine so gelehrte Notiz selbst hinzu- 
gefügt.*) Es wäre also Porphyrie nicht bloss vor Gharisius, sondern auch vor Julius Ro- 
manus anzusetzen. Wir hätten also die Reihe Porphyrie— Julius Romanus— Gharisius. 
Leider ist die Zeit des Julius Romanus auch nur durch Kombination zu ermitteln. Die 
jüngsten Autoren, die er citiert, sind Apuleius und Gellius. Das Ende dieser Männer 
muss in die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts fallen ; es wird daher Julius Romanus 
dem dritten Jahrhundert angehören. Da nun Porphyrie den Sueton und Acro citiert, von 
Gellius aber nicht citiert wird, also wohl nach dessen Tod geschrieben hat, so werden wir 
Porphyrie in den Anfang des dritten Jahrhunderts zu rücken haben (Wessner, Quaest, 
Porphyr, p. 187). Zu dem dritten Jahrhundert wird auch eher passen als zu dem vierten 
(G. 1, 5, 12): videmus hodieque pingere in tabulis quosdam casus, quoa in mari passi sint, 
atque in fanis marinorum deorum ponere , Sunt etiam qui vestem quoque ibi suspendant, 
diis eam conaecrantes, (Weticav, Sitzungsber. der Münchner Akad. 1893 II 385.) 

10. G. Julius Romanus. 
603. Die atfOQiiai des Julias Bomanus. Wenn wir den Gharisius 
aufschlagen, müssen wir uns stets erinnern, dass wir nicht diesen Gram- 
matiker zu Rate ziehen, sondern die Schriftsteller, die er einfach herüberge- 
nommen. Zu diesen gehört der Grammatiker G. Julius Romanus. Ganze 
Partien gehören ihm, nicht dem Gharisius. Wie bei so vielen Gram- 
matikern, ist auch bei ihm seine Zeit nicht ausdrücklich bezeugt. Wir 
werden ihn dem dritten Jahrhundert zuweisen.*) G. Julius Romanus 
schrieb ein grammatisches Werk, dem er den Titel atpoQficu gab; er wollte 
also nur Prinzipien, Elemente geben, die zu weiteren tieferen Studien 
führen könnten. Das Buch teilte er in eine Reihe von Abschnitten; da 
Gharisius auch diese Abschnitte öfters citiert, sind wir in den Stand 
gesetzt, uns ein annähernd deutliches Bild von dem ganzen Werk zu 
machen. Die Abschnitte bezogen sich auf die Redeteile, auf die Kasus, 
auf die Orthographie. Das Werk wird also ein ziemlich vollständiges Ge- 
bäude der damaligen Grammatik gewesen sein. Die Methode des G. Julius 
Romanus bei den einzelnen Materien war die, dass er zuerst die allge- 



') Ich habe früher die Ansicht (§ 265 p. 93), 
dass der Zusatz von Charisins selbst her- 
rührt, als die wahrscheinlichere erklärt; von 
dieser Ansicht bin ich jetzt zurückge- 



kommen. 

>) Vgl. den Abschnitt .die Zeit Por- 
phyrios". 



C. Jnlina Romanas. — Mariiui Plotios SaoerdoB. 153 

meinen Lehren vortrug, dann alphabetisch das Wortmaterial mit den 
Belegstellen vorführte. Romanus hatte sieh in der grammatischen Lit- 
teratur tüchtig umgesehen, er hatte Sisenna, Plinius, Sueton, Asper, 
Q. Terentius Scaurus, Flavius Gaper, Helenius Acre, Statilius Maximus und 
andere zu Rate gezogen. 

G. Julius Romanus bei Charisius. Es werden folgende Abschnitte des Charisius 
dem Julius Romanus beigelegt: 

1. de analogia 116, 30—147, 16 

2. de adverbio 190, 8—224, 22 

3. de coniunctione 229, 3—32 

4. de praepoaitione 236, 16—238,14 

5. de interiectione 239, 1—242, 12. 

KnL, praef. p. XLV; Fböbdb p. 568. Es kommen hinzu einzelne Stellen, vgl. Keil 1. c, 
Fröbde 1. c. Allein es ist wiuirscheinlich, dass noch andere Teile des Charisius, wo J. R 
nicht genannt ist, auf diesen zurückgehen. Hier stösst die Forschung nat&rlich auf 
Schwierigkeiten. Vgl. Sohottmülleb, De Plinii libris gramm. p. 15; Fböbde p. 569; Boelte, 
Die Quellen des Charisius 1, 15 und 17 (Fleckeis. Jahrb. 1888 p. 401). Wir kommen bei 
ChansiuB darauf zurück. 

Die d<poQfjLaL GL. 1, 230, 1 G. Julius Bomanus libro ätpoQfJuov sub titulo de con- 
iunctione; 238, 16 Julius Romanus libro dfpoQfjußv sub titulo de praepositione. Aus diesen 
Stellen folgt, dass J. R. ein Werk geschrieben mit dem Titel d(poQfAai und dass in demselben die 
einzelnen Teile sachliche Ueberschriften hatten. Vgl. 236, 16 G. Julius Romanus de prae- 
positionibus libro dfpoQfitöy, Wir finden aber auch folgende Citate: 190, 8 de adverbio 
sub titulo ttg>oQfdüiy; 209, 20 de consortio praepositionum, quem {librum) adaeque sub titulo 
dtfo^fitoy dedimus. Obwohl diese Citierweise einigermassen gerechtfertigt werden kann, 
da titulus ,die Aufschrift ** (sowohl des ganzen Buchs als des einzelnen Kapitels) bezeichnet, 
so ist sie doch gegenüber der ersteren als eine ungenaue zu bezeichnen. Wir finden 
weiter citiert 56,4 R. in libro de analogia (114, 1); allein hier werden wir nicht eine 
zweite Schrift des Romanus annehmen, sondern einen Teil der d(poQ/iial; dafür spricht, 
dass Charisius (116, 29) 1, 17 überschreibt: de analogia ut ait Romanus, femer dass Char. 
117, 6 sagt: quae — G. «7. R, sub eodem titulo exposuit (nftml. de analogia). 

Die einzelnen Teile der «KpoqfAni, Dadurch dass Charisius den Julius Ro- 
manus unter den einzelnen Titeln citiert, erhalten wir einen Einblick in den Aufbau des 
Werks. Wir können folgende Teile konstatieren: 

1. de coniunctione 230, 1 

2. de praepositione 238, 16 (de praeposUionibus 236, 16) 

3. de adverbio 190, 8 (de adverbiis 114, 28) 

4. de consortio praepositionum 209, 20 

5. de analogia 56, 4; 114, 1; 116, 29; 117, 6. 

An diesen Stellen ist überall Romanus und der Titel genannt. An folgenden ist 
Romanus genannt, aber kein Titel, dieser beruht also auf Schlussfolgerung: 

6. de interiectione, erschlossen aus 239, 1 G. Julius Romanus ita refert: inter- 
iectio est pars orationis etc. 

7. de verbo, erschlossen aus 254, 8 sed C. Julius Romanus ea verba (nämlich do tibi, 
datur mihi a te u. a.) idiomata appellavit. 

Es folgen endlich Citate, wo der Titel der Schrift, aber ohne Namen des Autors 
erscheint. Hier beruht die Zuteilung an Romanus auf der Annahme, dass die betreffende 
Partie des Charisius aus Romanus mit dessen eigenen Citaten herübergenommen wurde : 

8. de consortio casuum (132, 31 ut de consortio c<tsuum diximus), 

9. negl iQ^oyqaqiiag (135, 15 quod tibqI oQ^oyQttfplag congruit quaestionibus 
copulare) 

10. de distinctionibus (229, 18 ut de distinctionibus diximus). Vgl. Fröhde p. 655. 

Litter atur: 0. Fboehdb, De C, Julio Romano Charisii auctore, Fleckeis. Jahrb. 
Snpplementbd. 18, 567 ; Böltb, De artium scriptoribus latinis, Bonn 1886 ; Die Quellen von 
Charisius 1, 15 und 17, Flbckbis. Jahrb. 137 (1889) p. 401; Neumann, De Plinii dubii ser- 
monis libris et Prisciani fonttbus, Kiel 1881. 

11. Marius Plotius Sacerdos. 

604. Äussere Oeschichte der Qrammatik des Sacerdos. Im Jahre 
1837 publizierten die Wiener Gelehrten Eichenfeld und Endlicher in den 



154 Bömisohe IiitteratargoBohiohte. II. Die Zeit der Honarohie. 2. Abteilung. 

Analecta grammatica aus einem Codex, der sich früher in Bobio befand, 
zwei Bücher eines Grammatikers M. Claudius Sacerdos. Das Werk 
war aber verstümmelt, es hatte durch den Ausfall von Quatemionen zwei 
grössere Verluste erlitten, am Anfang des ersten und im zweiten Buch. 
Die Wiener Herausgeber machten aber auch die Beobachtung, dass das 
zweite Buch des Sacerdos mit den catholica des Probus im wesentUchen 
tibereinstimme. Weiterhin erkannten sie richtig, dass das von Putsche 
herausgegebene Buch eines Marius Plotius Sacerdos de metris mit den 
zwei Büchern des M. Claudius Sacerdos im Zusammenhang stehen müsse; 
dies ergebe sich aus der Einleitung dieses metrischen Buchs, welches in 
der Einleitung die Entstehungsgeschichte eines grösseren Werkes darlegt. 
Der Verfasser erzählt nämlich, sein Buch, de institutis artis gram- 
maticae habe den Beifall des vir clarissimus Uranius, dessen Sohn Gai- 
anus dasselbe gewidmet war, gefunden; dieser vornehme Mann habe ihn 
auch veranlasst, ein zweites Buch „de nominum verborumque raiione 
nee non etiam de structurarum compositionibus exprimendis hin- 
zuzufligen. Endlich habe er auf den Wunsch des Maximus und Sim- 
plicius auch noch ein Buch de metris geschrieben. Da nun in den drei 
Büchern dieselbe Sprache und dieselbe Methode — z. B. die Benutzung 
von Sacerdos als Paradigma — herrscht, so muss die Autorschaft des 
Sacerdos für die drei Bücher in Anspruch genommen werden. Es fragt 
sich nur noch, wie wir den Autor nennen sollen, ob M. Claudius Sacerdos 
oder Marius Plotius Sacerdos. Da der Verfasser in der Metrik 504, 19 
mit Marius als seinem Namen zu spielen scheint (wie anderswo mit , Sacer- 
dos"), so wird die Überlieferung „Marius Plotius Sacerdos" vorzuziehen sein. 

Lebenszeit des Marias Plotius Sacerdos. Die gegebenen Kriterien f&hren zu 
einem sehr unbestimmten Resultat. Genannt ist der Metriker Juba (GL. 6, 546, 8). Andrer- 
seits setzt ihn der Grammatiker Diomedes (GL. 1, 318, 7) voraus. Also ist der Gram- 
matiker nach Juba und vor Diomedes anzusetzen. Weiter führt die Betrachtung der im 
Kingang des 3. Buchs genannten vornehmen Persönlichkeiten üranius, Gaianus, Maximua 
und Simplicius. Von diesen erscheint Gaianus im cod. Just, an folgenden Stellen: 3, 32, 11 ; 
5, 46, 3; 6, 42, 26; 8, 28, 18. Es sind hier Reskripte des Diocletian und Maximian an ihn 
gerichtet. Könnten wir nun nachweisen, dass zu gleicher Zeit auch die anderen ge- 
nannten Persönlichkeiten gelebt hätten, so wäre grosse Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass 
wir die Zeit des Grammatikers richtig ermittelt hätten. Auch an Maximus sind Dekrete 
des Diocletian und Maximian gerichtet (6, 9, 5; 9, 41, 15). An Uranius ist ein Dekret des 
Alexander Severus gerichtet im Jahre 224 (2, 1, 6). Wurde der Sohn, Gaianus, um diese 
Zeit oder später geboren, so können an ihn jene Dekrete des Diokletian und Maximian 
gerichtet seiu. Wir werden daher mit grosser Wahrscheinlichkeit die Abfassung der 
grammatischen Schrift in die Zeit vor Diocletian rücken. 

606. Würdigung der Grammatik des Sacerdos. Das erste ver- 
stümmelte Buch enthielt nach den Elementen die Lehre von den Rede- 
teilen, die aber in sonderbarer Reihenfolge behandelt waren, welche auf 
eine Störung schliessen lassen. Den Schluss bildet der besser erhaltene 
Teil de vitiis orationis, de schematibus, de tropis. Was zwischen der Ein- 
gangs- und der Schlusspartie in der Mitte liegt, steht nicht an seinem 
Platze. Aus dieser Darlegung ergibt sich, dass dieses Buch in einem Zu- 
stande uns vorliegt, in dem es der Grammatiker nicht geschrieben 
haben kann. 

Das zweite Buch behandelt die Ausgänge des Nomens, um die De- 



Xariiui Plotins Saoerdos. 155 

klination und das Geschlecht zu bestimmen, ebenso werden die Ausgänge 
des Verbums zur Feststellung der Konjugation untersucht; zuletzt werden 
die rhythmischen Satzausgänge durchgenommen {de strvcturis). Dieses 
Buch stimmt, wie bereits gesagt, im wesentlichen mit den caiholica Probi, 
Zwar haben die caiholica im Eingang noch einen Abschnitt liber die De- 
klinationen, der bei Sacerdos fehlt; allein es ist sehr wahrscheinlich, dass 
hier kein Zusatz in den catholica, sondern eine Lücke in unserem Buch 
vorliegt. Auch sonst finden sich Abweichungen, allein sie erklären sich 
als verschiedene Brechungen eines und desselben Lichts; beide Exem- 
plare dienen dazu, die Urgestalt des Sacerdos zu gewinnen. Die Identität 
der beiden Werke ist zweifellos, die caiholica führen sich ausdrücklich als 
der zweite Teil eines Werkes ein, dessen erster die instituta aHium be- 
handelt habe, und auf ein solches Buch weisen sowohl die caiholica als 
Sacerdos hin. Diese Zuteilung eines Buchs des Sacerdos an Probus ist 
merkwürdig, wird aber auch durch die spätere grammatische Litteratur 
bestätigt. 1) 

Das dritte Buch handelt über Metrik, hier verfährt Sacerdos oft 
sehr nachlässig, auch legt er grosse Unwissenheit an den Tag. Das Buch 
enthielt eine grosse Menge griechischer Beispiele, von denen viele durch 
die Schuld der Abschreiber ausfielen. Auch sonst hat das Buch noch 
Störungen erfahren. 

Das zweite Buch des Sacerdos = Caiholica Probi. Dass beide Schriften 
im wesentlichen gleich sind, zeigt die Vergleichang. Ueber das, was die caiholica am 
Eingang mehr haben, vergl. Keil, GL. 6, 422, Jeep, Lehre von den Redeteilen, Leipzig 
1893 p. 76. Ueber die sonstigen Verschiedenheiten zwischen beiden vergl. Stedp, De 
Probis p. 149. Ueber das Verhältnis der beiden sagt Keil 6, 422: antiquior et plenior 
olim Über fuU, ex quo tamquam eommuni fönte et hie liber, quem nunc Claudii Saeer- 
dotis nomine inscriptum habemus, et Probi caiholica, quae feruntur, ita ducia sunt, ut 
alia apud hune, alia apud illum aervarentur. Dass das Buch nicht von Probus, sondern 
von Sacerdos stammt, beweist die Gleichheit dieses Buches mit dem ersten, das doch 
dem Sacerdos angehört. So wird Sacerdos, das in den caiholica GL. 4, 4, 26; 21, 26; 
32, 19; 33, 3 unter den Beispielen verwertet wird, auch im 1. B. so gebraucht (GL. 
6, 483, 21). Es kommt hinzu, dass sich die caiholica ausdrücklich als eine Fortsetzung 
einführen (GL. 4, 4, 1): quoniam instituta artium sufficienier iractavimus, nunc de catholicis 
nominum verborumque rationibus doceamua. Das 1. B. des Sacerdos (GL. 6, 470, 21) schliesst 
mit den Worten: de catholicis vero nominum atque verborum latius exponemus. Auch 
finden wir in den caiholica Verweisungen auf das erste Buch wie caih. 39, 3 sicut in in- 
stitutis artium, hoc est in libro primo monstravi (Sacerd. 491, 9), cath. 40, 16 (Sacerd. 492, 26). 
Auch stimmt das was cath. 38, 17 von salveo sagt (Sacerd. 490, 21) mit Sacerd. 433, 7. Vgl. 
Wbntzbl, Symb, crit, Bresl. 1858 p. 28; Stbup, De Probis p. 160; Keil, GL. 6,422. 
Ueber den Anlass, das Buch dem Probus beizulegen, siehe eine Vermutung bei Jeep p. 79. 

Marius Plotius Sacerdos = M. Claudius Sacerdos. Das Buch de metris 
führt sich ein: Marius Plotius Sacerdos composui Romae docens de metris. Den Namen 
Marius verwendet Sacerdos auch als Beispiel (GL. 6, 504, 19). Dass der Grammatiker und 
der Metriker identisch sind, zeigen Bernh. ten Brink, Mnemos 3 (1854) p. 333, W^entzel, 
Symbol, erit. p. 38, StsiTP, De Probis p. 164, Keil, GL. 6, 420. Es ist ganz dieselbe Art 
in den grammatischen Büchern wie im metrischen. Wie in jenen, so wird auch in diesem 
Sacerdos als Beispiel gebraucht (517, 24; 520, 1; 536, 13; 539, 1; 539, 15) auch stimmt was 
532, 17 (über den proceleusmatischen Teh'ameter) gesagt wird, mit dem, was im 1. B. bei 
der ectasis (452, 22) vorkommt. — Dass Sacerdos in diesem Buch griechische Quellen zu 
Grunde gelegt hat, folgt aus seinen Worten (543, 16): in hoc libro, quem de graecis no- 
bilibus metricis leciis a me et ex his quicquid singulis fuerat Optimum decerpto composui. 

Die handschriftliche Ueberlieferung der zwei ersten Bücher ist eine andere 
als die des dritten; jene beruhen auf dem Vindob. 16 (Bobiensis s. VII/VIII), dieses auf 

Vgl. oben § 479 p. 435. 



.4 



156 Bömiflche Litteratnrgeschiohte. n. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilang. 

dem Valentianus s. IX, dem Leidensis (VossianuB 79) s. X und dem Parisinus (Sanger- 
manensis) 1094 s. X. 

Ausgabe von Keil, GL. 6, 427. 

Die ttbrigen Grammatiker. 

1. Urbanus wird öfters von Servius angeführt (die Stellen bei Lambrhibt, De 
priscorum scriptorum locis a Servio attaiis p. 325). üeber ihn Thilo, praef, Serv, p. XVI, 2 : 
Urhanum Bibbeckius (proL p. 167) Velio Longo, qui ipse a GeUio (XVIII, 9, 4) com- 
memoraiur, antiquiorem fuisae eonieeit, quia ilHus ad Aen, V 517 adnotatio, quam Servius 
laudavit, Longi scholio, quod in Verenensi codice ad v, 488 extat, suppleretur . perum 
quidem est poetam a Cornuti vituperatione (cf. SchoL Veron.) muUo prudentius a Longo 
qtMm ab Urbano defensum esse, neque tarnen inde sequitur hune ante iUum seripsisse, immo 
cum ea quae Servitut ex Urbani commentario excerpsU ab antiquiorum interpretum doctrina 
et iudicio pleraque aliena sint, rectius cum inferiore aetcUe, id est quarto fere saectdo, Ver- 
gilii carmina commentatum esse statuere videor. 

2. P. Lavinius. Gellius citiert sein Buch de verbis sordidis (20, 11, 1). 

3. Velius Geler stand in wissenschaftlichem Brief verkehr über grammatische Dinge 
mit dem Kaiser Hadrian (Prise. GL. 2, 547). Vgl. p. 143. 

4. Aelius MeJissus (zu unterscheiden von dem Freigelassenen des Maecenas 
C. Melissus, vgL § 277) schrieb ausser anderem de loquendi proprietate. VgL Gell. 18, 6, 1, 
der von ihm sagt: in nostra memoria fuit Romae summt quidem loci inter grammaticos 
id temporis; sed maiore in litteris erat iactantia et ao(piar6ia quam opera. Die Zuteilung 
der Fragmente ist wegen des Vorhandenseins eines Homonymus nicht ohne Schwierig- 
keiten. 

5. Arruntius Celsus wird öfters angeführt von Priscian, Gonsentins und von 
Gharisius d. h. Romanus, der fast nur Erklärungen des Gelsus zu Vergils Aeneis 1. XI 
(200,27; 214,18; 222,6) und zu dem Phormio des Terenz (207,13; 212,3; 213,18; 
214, 4; 222, 30; 223, 11) anführt. Wie es scheint, sind mehrere Werke anzunehmen, eine 
Grammatik, aus der Priscian, Gonsentius schöpften, und zwei Kommentare, einer zu 
Vergil und einer zu Terenz (Fboehdb, Fleckeis. Jahrb. Suppl. 18, 639). Die Zeit ist ganz 
unbestimmt, nur lebte der Grammatiker vor Romanus. Die Bestimmung der Vergilianischen 
Fragmente ist schwierig, weil in den Scholien Gelsus und Gomelius Gelsus erscheinen. — 
RiBBBOK, Proleg, Verg. p. 26. 

6. Pollio. Fronte spricht von einem Pollio, dessen Name für ihn mit Horaz so 
verwachsen war, dass er schreiben konnte (p. 34): rogo ne Horatii memineris, qui mihi 
cum Polione est emortuus (die Phrase kommt auch vor p. 17). Wir haben es also offenbar 
mit einem Kommentator des Horaz zu thun. Es ist offenbar derselbe, den die script. h. 
aug, (I p. 45) unter den Lehrern des Marcus Aurelius nennen : usus praeterea grammaticis, 
Graeco Alexandro Cotiaensi, Latinis Trosio Apro et Polione (Ueberlief erung : et Polono) 
et Eutychio Proculo Siccensi. Diesen Polio hat man aber auch unter den Erklärern 
Vergils finden wollen; manche Erklärungen erachtet Ribbeck so absurd, dass er sie nicht 
dem berühmten Asinius Pollio zuzuschreiben wagt: es sind die Stellen Serv. Aen. 2, 7 
(Asinius Pollio), 6,554 (Pollio), 11, 183 (Asinius Pollio); Ribbeck nimmt an, dass «Äsioius* 
irrtümlich hinzugesetzt wurde (Proleg, p. 116). 

Der sog. Apuleius minor. Unter dem Namen des Apuleius sind uns zwei Schrift- 
chen de nota aspirationis und de diphthongis überliefert. Wann der Verfasser dieser 
mageren Schriftchen gelebt hat, wissen wir nicht; mit dem bekannten Apuleius haben sie 
nichts zu thun; sie stammen aus einer viel späteren Zeit, dagegen gehören sie noch dem 
Altertum an. Anders steht es mit den L. Caecilii Minutiani Apulei de orthographia 
fragmenta, welche Osann mit dem zuerst genannten Schriftchen herausgegeben hat (Darm- 
stadt 1826). Aber diese Fragmente sind eine Fälschung des Gaelius Rhodiginus, welcher 
von 1508—1512 als Professor in Ferrara wirkte. Madvio, De L. Apuleii fragmentis, {Opusc. 
academica, Kopenhagen 1887 p. 1); 0. Gbüsius, Entstehimgszeit und Verfasser von Ps. Apu- 
leius, De orthographia (Philol. N. F. 1 Bd. [1889] p. 434). 

12. Der Metriker Juba. 

606. Das metrische Handbuch Jubas. Im Altertum machten sich 
auf dem Gebiet der Metrik zwei Richtungen geltend; *) die einen stellten 
zwei Grundmetra auf, den Hexameter und den iambischen Trimeter und 

*) Leo, Die beiden metrischen Systeme des Altertums (Hermes 24, 280). 



Jnba. 157 

leiteten daraus alle übrigen Metra ab. Dieses System wurde den Römern 
besonders durch Varro und Caesius Bassus nahe gebracht. Die zweite Rich- 
tung ging dagegen von einer Mehrheit grundlegender Rhythmen aus, welche 
metra prototypa oder physica hiessen. Die hervorragendsten griechischen Ver- 
treter dieses Systems waren Heliodor und Hephaestion. Dem letzteren 
schlössen sich die Byzantiner, dem Heliodor dagegen Juba an, durch den die 
Lehre von den metra prototypa zu den Römern gelangte. Wer ist dieser Juba? 
Wir kennen einen gelehrten Schrifsteller dieses Namens, es war der Sohn 
des Königs von Numidien. Nach dem Fall des väterlichen Reichs kam 
er im Jahre 46 v. Ch. als Kriegsgefangener nach Rom und gab sich ge- 
lehrten Studien hin. Unter seinen vielen Schriften ragten besonders seine 
ofioioTr^reg hervor, in denen die römischen Sitten mit denen anderer Völker 
verglichen waren. Allein mit diesem gelehrten Prinzen ist der Metriker 
keineswegs identisch ; der Sohn des Königs von Numidien schrieb in grie- 
chischer Sprache, auch legt kein antiker Schriftsteller diesem Juba ein 
metrisches Werk bei. Auch die Zeit erhebt Widerspruch gegen eine 
Identifizierung. Der Prinz Juba ist Zeitgenosse des Augustus, der Metriker 
kennt den Dichter Annianus, einen Zeitgenossen des Gellius, er lebte also 
höchstens im letzten Viertel des zweiten Jahrhunderts. Aber dass auch 
der Metriker ein Afrikaner war, ist nach dem Namen nicht zweifelhaft. 
Das metrische Werk des Juba bestand aus mindestens acht Büchern, denn 
dieses Buch wird noch citiert. Es war im Grunde genommen eine Be- 
arbeitung des Heliodor.^) Die Lehren waren durch zahlreiche Beispiele 
erläutert, darunter waren viele, die der Metriker selbst gebildet hatte. 
Sein Handbuch wurde von den späteren Grammatikern viel benutzt ; allein 
da der Citate, welche ausdrückUch auf Juba zurückgeführt werden, nur 
wenige sind, so ist die Rekonstruktion des verlorenen Werkes nicht ohne 
Schwierigkeiten . 

Das metrische Werk Jubas. Servius nennt Juba Verg. Aen. 5, 522 artigraphus, 
Daber kann man vermaten, dass sein Werk den Titel „Ärs*^ führte. Eine Vermutung über einen 
Auszug, in den Juba sein grösseres Werk gebracht, siebe bei Schultz, Quibua auetaribus Aelius 
Fesius Aphthonius de re metrica uatis sit, Breslau 1835 p. 39. Ueber seine Quelle sagt Aph- 
thonius GL. 6, 94, 6 Juba no8ter, qui inter metricos auctoritatem primae eruditionis obtinuit, 
insistens Heliodori vestigiia, qui inter Graecos huiusce artis antistes aut primus aut 
96(u» est, üeber die Zahl der Bücher vgl. Rufinus GL. 6, 561, 11 Juba in libro quarto; 
Priscian. GL. 3, 420, 24 idem in octavo, (Gegen die von Bbrok, Rh. Mus. 1842 p. 379 an- 
genommene Beziehung des idem auf Asmonius vgl. Hensb p. 16.) Ueber den Inhalt spricht 
sich Weivtzbl, Synibolae p. 18 folgendermassen aus: JiAam ita egisse existimaverim, ut 
primum de litteris »yüabisque, deinde de pedibuSy tum de metria prototgpis, quae per aingula 
capUa vel (ut cum Bufino loquar) per singufos libros tractasse videtur, denique morem gram- 
maticorum secutus de metria conexis inter se atque inconexis sive asynartetis exponeret (vgl. 
Schultz in seiner Dissertation über Aelius Festus Aphthonius p. 26). Dass Juba nicht die 
metra derivata dargestellt hat, ist in dieser Dissertation nachgewiesen (vgl. auch Hermes 
22, 261). 

Litteratur: Ekil, Quaest, gramm., Leipz. 1860; Ind, schot. von Halle 1873/4; GL. 
6, 617; Wbntzbl, Symbclae eriticae ad aeriptores metricos latinas, Breslau 1858 p. 15; De 
Juba metrico Progr. von Oppeln 1881; Hbkse, De Juba artigrapho in den Acta socphil. 
Lips. 4 (1875); Wbstphal, Griech. Metrik 1«, 223. 

Fragmenta Bobienaia, In der Wiener Handschrift 16, welche ehemals in Bobio 



') „{Juba) praeter Heliodorum nuUo auctore usus esse videtur" Schultz, Quibus 
auctoribus etc. p, 52. 



158 Römisohe Lüteraturgesohichte. U. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilnng. 



sich befand, findet sich ein Traktat de versüms und zwar de iambieOf de trochaico, de 
dactylicOj de anapaestico (Ebil, GL. 6, 620 — 25, es sind Excerpte aus einer umfassenden 
Darstellung. Der Vindobonensis enthält an einer anderen Stelle noch Abhandlungen 
de finalibus syllabis, de structuris, de metris (Keil p. 625—29). Was die erste Partie an- 
langt {de iambico etc.), so stammt dieselbe aus Juba. Vgl. Wsrtzbl, Symb. crit. p. 25, 
H. Keil 1. c. p. 618. 

Von dem fragmentum de structuris steht der erste Teil (2—14 vgl. Km» 6, 627, 13 
und p. 630) auch im Parisinus 7530 s. VIII (GL. 4 p. XLI). 

Fragmentum Parisinutn. Im Parisinus 7530 s. VIII steht ein Fragment de 
iambico metro, das ebenfalls aus Juba stammt (vgl. Keil, GL. 6, 630). Hinzugefügt hat 
Keil aus demselben Codex ein an einer anderen Stelle stehendes Fragment de rhythmo, 
das grösstenteils aus dem 5. Buch von Augustins Schrift de tnusica stammt. 

Hinzugefügt hat Keil (GL. 6, 633) weiter noch Traktate aus dem Codex Beroli- 
nensis 66 s. VI II und dem Sangallensis 876 s. IX. 

Litteratur: Eichbnfblo und Enduchbb, Änalecta gramm, p. 516; Keil, Index schal, 
Hai. 1873/4.«) 

2. Die Antiquare. 

1. A. G e 1 1 i u s. 
607. Sein Leben. Zeitgenosse und Bekannter Frontos ist A. Gel- 
lius. Auch Oellius lebt und webt in den alten Büchern, allein ihn ziehen 
doch mehr als die Worte die Sachen an. Sein Lehrer in der Grammatik 
war Sulpicius Apollinaris; in der Bhetorik erfreute er sich der Anleitung 
des Antonius Julianus und des T. Gastricius. Allein auch andere Gelehrte 
der damaligen Zeit spendeten ihm Anregungen, vielleicht keiner mehr als 
der Sophist Favorinus aus Arelate. Aus der Schulstube wurde Gellius 
zum Richteramt berufen. Da mochte ihm doch der Gedanke kommen, 
dass sein Wissen noch unfertig sei. Er entschloss sich daher, schon ge- 
reifteren Alters, seiner Bildung durch einen Aufenthalt in Athen die 
übliche Abrundung zu geben. Hier schloss er sich besonders an den plato- 
nischen Philosophen Calvisius Taurus an; aber auch andere berühmte 
Männer, wie den Cyniker Peregrinus Proteus und den Sophisten Herodes 
Atticus lernte er kennen. Aber in Athen legte er auch das Fundament 
zu seiner Schriftstellerei. Jahre hindurch hatte nämlich Gellius, was ihm 
bei seiner Lektüre interessant erschien, herausgehoben; diese Excerpte 
begann er in den langen Winterabenden in Athen auszuarbeiten, und er 
betitelte deshalb sein Buch „Noctes Atticae". Nach einem Jahre, wie es 
scheint, verliess er Athen und kehrte nach Rom zurück. Auch hier setzte 
er die Ausarbeitung der Excerpte fort, die er noch durch weitere Lektüre 
vermehrt haben wird. So brachte er es zu zwanzig Büchern; und noch 
wollte er, falls ihm die Sorge für seine Familie Zeit liess, neue Bücher 
mit solchen Sammlungen anreihen, allein er scheint nicht dazu gekommen 
zu sein. Wahrscheinlich wurde er durch den Tod an der Ausführung seiner 
Absicht gehindert. 

Die Lehrer des Gellius. Als Lehrer der Grammatik erscheint Sulpicius 
Apollinaris. 7, 6, 12 adulescens ego Ramae, cum etiamtum ad grammaticos Uarem, auditi 
Apollinarem SuJpicium, quem imprimis sectabar. Vgl. 18, 4, 1. Nach der Darstellung des 
Gellius blieben die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen ihm und Sulpicius Apollinaris 



') Den Metriker Aelius Festus Aph- 
thonius, dessen Zeit ungewiss ist, behandeln 
wir im Anschluss an den Grammatiker Ma- 
rius Victorinus, durch den uns das Werk 
des Aphthonius überliefert wurde. Ebenso 



wird Aquila Romanus am besten mit Julius 
Rufinianus besprochen, der seinen liber de 
figuris sententiarum et eloeutionis als eine 
Ergänzung zu dem gleichnamigen Büchlein 
des Aquila Romanus hinstellt. 



A. Gellins. 159 

immer rege. Seine Lehrer der Rhetorik waren Antonius Jalianns (18, 5, 1 cum 
Antonio Juliano rhetore, viro hercle bono ei facundiae florentiSf complures adulescentuli, 
familiäres eius, Ptäeolis aeativarum feriarum ludum et iocum in lüteris amoenioribus et 
in voluptatibus pudieis honestiaqtte agitabamus; vgl. 9, 15, 1; 15, 1, 1) und T. Castricius 
(13, 22, 1) T, Castricius, rhetoricae discipHnae doctor, qui habuit Romae Iocum principem 
declamandi ac docendi, summa vir aucioritate gravitaieque et a divo Iladriano in mores 
atque litteras spectatus — usus enim sum eo magistro). Ausserdem erfreute sich A. Gellius 
des anregenden Umgangs mit anderen Gelehrten der damaligen Zeit, z. B. mit Fronto 
(19,8,1; 16,3,1). In Athen hörte er den Philosophen Galvisius Taurus (12,5,1). 
Aher er kam natürlich auch mit anderen hervorragenden Gelehrten, wie mit dem Rhetor 
Herodes Atticus (1, 2, 1) und mit dem Cjniker Peregrinus Proteus (12, 11, 1) zu- 
sammen. 

Die richterliche Thätigkeit des Gellius. 14,2,1 quo primum tempore a 
praetoribus lectus in iudices sum, ut iudicia, quae appeüantur privata, susciperem, libros 
utriusque linguae de officio iudicis scriptos conquisivi, ut homo adulescens, a poetarum fa- 
bulis et rhetorum epilogis ad iudieandas Utes vocatus, rem iudiciariam — eognoscerem, 
1,22,6; 12,13,1; 13, 13,1. 

Aufenthalt in Athen. Als iuvenis (2, 21, 4) hegah sich Gellius nach Athen zum 
Studium (2, 21, 1). Es geschah dies nach seiner richterlichen Thätigkeit, denn er hätte 
sonst nicht sagen können, er sei ut homo adulescens (14, 2, 1) a pclütarum fabulis et a rhe- 
torum epilogis zum Richteramt berufen worden. Sein Aufenthalt scheint ein Jahr ge- 
dauert zu haben. Im Sommer trat er die Reise an (2, 21, 1); er spricht dann in seinem 
Werk vom Herbst (1,2, 2), vom Winter (praef. 4, 10). Dass er nach Italien zurückkehrte, 
erhellt aus mehreren Stellen (wie 9, 4, 1). 

608. Die noctes Atticae. Wie bereits gesagt, bestehen die nodes 
Atticae aus zwanzig Büchern. Allein das 8. Buch ist bis auf die Kapitel- 
überschriften verloren gegangen. Auch der Anfang und der Schluss ist 
nicht vollständig erhalten. Wie aus einer auf antike Überlieferung zurück- 
gehenden Notiz des mittelalterlichen Schriftstellers Radulphus von Diceto 
erhellt, entstand das Werk um 169 n. Ch., also unter der Regierung des 
Marcus Aurelius. Doch ein solches Werk erforderte Jahre zum Abschluss, 
es kann also mit jenem Datum nur summarisch die Entstehungszeit be- 
zeichnet sein. Dem Ganzen schickt er eine Vorrede voraus, in der er 
über seinen Plan Aufschluss erteilt. Zunächst bestimmte er das Werk 
für seine Kinder, damit sie sich durch die Lektüre erholen könnten. In 
Wahrheit ist es allen Gebildeten gewidmet. Auf eine bestimmte Ordnung 
der Materialien leistet er Verzicht; wie er seine Bücher excerpierte, 
wie sie ihm in die Hände kamen, so will er auch seine Excerpte dar- 
bieten, ohne Planmässigkeit. Sein Buch reiht sich also in die Miscellan- 
litteratur ein, eine bei den Griechen und Römern sehr verbreitete Gat- 
tung, wie die vielen Namen zeigen, welche zu ihrer Bezeichnung in Gel- 
tung waren; Gellius führt diese auf und setzt denselben den von ihm 
gewählten schlichten Titel noctes Atticae entgegen. Allein auch dieser 
Titel ist ein künstlich gemachter, der noch das gegen sich hat, dass er 
keinen direkten Hinweis auf den Inhalt des Werkes gibt. Seine Excerpte 
entnimmt er, um jedem Leser etwas zu bieten, den verschiedensten Ge- 
bieten des Wissens, der Grammatik, der Dialektik, der Philosophie, der 
Arithmetik, der Geometrie, den Antiquitäten, der Rechtswissenschaft, der 
Geschichte u. s. w. Aber in der Auswahl der Excerpte will Gellius seine 
eigenen Wege gehen; nur das was den Leser interessiert, anregt und be- 
lehrt, sei es für die Sache, sei es für den Stil, soll ausgehoben werden. 
Tiefer in eine Materie einzugehen vermeidet er; das würde ja den Leser 
ermüden. Das Material wird in Kapitel untergebracht, deren Überschriften 



160 BOmiBohe Litieratnrgesohichte. II. Die Zeit der Monarohie. 2. Abteilung. 



er selbst in der Vorrede mitteilt. Allein dem Autor war es darum zu 
thun, noch mehr den Leser für seine Schätze einzunehmen. Zu diesem 
Zwecke wählte er oft ein Mittel, die Inscenierung. Statt seine Bücher 
sprechen zu lassen, lässt er lieber Menschen sprechen. Wie viel anmutiger 
war es doch, statt zuerst die Ansicht dieses Grammatikers vorzubringen, 
denn die eines anderen, eine Begegnung der beiden an einem beschriebenen 
Ort zu statuieren und sie disputierend darzustellen? und so konnte Gel- 
lius noch in anderer Weise seine Excerpte ins Leben umsetzen, der Vor- 
trag eines berühmten Gelehrten, ein Gespräch mit einem Philosophen, 
kurz irgend ein Vorkommnis des Lebens konnte zur Anknüpfung dienen. 
Eines der schlagendsten Beispiele ist 9, 4. Hier erzählt GelUus, dass er, 
als er aus Griechenland nach Italien zurückkehrte, fünf griechische Bücher, 
deren Autoren er namhaft macht, in abgenutzter Gestalt ausgesteUt ge- 
funden; er habe sie um ein Geringes erstanden und bei der Lektüre 
wunderbare Dinge in denselben gefunden; er teilt solche Wundergeschichten 
mit, es handelt sich um fünf sonderbare Menschenrassen, allein diese fünf 
Menschenrassen werden in derselben Reihenfolge und oft auch mit den- 
selben Worten von Plinius beschrieben (n. h. 7, 9 — 12). Gellius fügt zwar 
noch der Beschreibung bei, er habe diese Wundergeschichten später auch bei 
Plinius gefunden. Allein dies ist eine pure Unmöglichkeit, zumal da es sich 
um eine Mehrheit von Autoren als Quelle handelt. Und was noch sonder- 
barer, wir finden jene fünf Autoren, die er in Brundisium gefunden haben 
will, auch bei Plinius.^) In anderen Kapiteln zeigen die mitgeteilten 
Stellen, dass sie nicht aus dem Gedächtnis, sondern nur aus den Schriften 
reproduziert sein konnten. Es kann ja sein, dass hie und da eine 
wirkliche Begebenheit mit unterläuft, allein in der Regel werden die Scenen 
nur eine Erfindung des Autors sein. In den nodes Atticae werden 
ausserordentlich viele Schriftsteller citiert und verwertet. Wir würden 
uns jedoch einer Täuschung hingeben, wollten wir annehmen, dass Gellius 
alle diese Autoren gelesen. Das Epitomatorengeschlecht schmückt sich 
gern mit fremden Federn; sehr oft haben sie nur eine Quelle vor sich 
liegen, führen aber die Autoren, die in der Quelle benutzt sind, so an, 
dass man meinen kann, sie seien von ihnen selbst eingesehen worden. 
Dass auch Gellius oft so gehandelt, ist zweifellos.*) 

Abfassungszeit der noctea Atticae, Die Notiz des Radalphus de Diceto 
lautet: Ägelliua scribit anno CLXIX, Vgl. R&hl, die Verbreituag des Justin im Mittel- 
alter, Leipz. 1871 p. 33. Dass das Werk nach 146 geschrieben ist, erhellt daraus, dass 
auf des Erucius Clarus zweites Konsulat (146 n. Ch.) hingewiesen wird (13, 18, 2). In der 
Vorrede sagt Gellius, nachdem er zuerst von seinen Excerpten gesprochen (§ 3) : facta 
igiiur est in his quoque commentariis (im Gegensatz zu den ICxcerpten) eadem rerum dis^ 
pariJitas, quae fuit in Ulis annotatianibua pristinis, quas hreviter et indigeste et incondite 
ex auditionibu8 lectionibusque variis feceramus. Sed qtwniam longinquis per hiemem 
noctibus in agro, sictäi dixi, terrae Atticae conimentatianes hasce ludere ac facere exorsi 
sumus, idcirco eas inscripsimus noctium esse Atticarum. Dass das Werk lange Zeit 
unter den Händen des Gellius war, zeigt 14, 6. — Frxbdlandbb, De A. O. vitae temporibus, 
Königsb. 1869 Sittengesch. 3*, 401; Steuf, De Probis p. 72; Bbok, Sulpic. Apoll, p. 5. 

lieber die Komposition der noctes. Vgl. Th. Vogel in den Philol. Abb. 



7, 10, 12, 27, 23, 28, 207. 
*) DiRKSEN, Hinterl. Schriften 1, 37 zeigt 
zu 4, 1, dass die Citate aus Q. Mucius 



Scaevola und Seryius Sulpicius Rufus anf 
Masurius Sabinus zurflckgehen. 



A. Gellias. Igl 

M. Hertz dargebracht, Bresl. 1888 p. 1—13 {„aequales, quos praeter omnes admirahatur et 
ex quorum ore pend^at, aermocinantes potius indueere quam deseribere eolitus, veluti Fron' 
tania Herodieque AUiei seriptarum nüUa apud eum exHat tnemaria" Hebtz, opuec, p. 77) 
Ueber die Quellen handelt grundlegend Mercklin, Die Citiermethode und 
Quellenbenutzung des A. 0. Fleckeis. Jahrb. 3. Supplementbd. p. 635 ; A. Geüii noctium 
Atticarum eapUa quaedam ad fantee revoccUa, Dorpat 1861 (Programm); Dibksbn, die Aus- 
züge aus den Schriften der rOm. Rechtsgel. in den N. A. des A. G., Hinterl. Sehr. 1 (1871) p. 21 ; 
KuETZSCHMBB, De A, GeUii fontibus, part. I, Posen 1860; Ruske, De A. Geüii noetium Atti- 
carum fontibua qwuetUmee seleetae, Bresl. Diss. 1883; Hestz, A. Gellius und Nonius Marcellus 
in den Opuec, GeUiana, Berl. 1886 p. 85; Nbttlbsbif, Essays and lectures, Oxf. 1885 p. 228; 
J. W. Beck, Studia GeUiana et Hiniana, Jahrb. f. Philol. 19. Supplementb. p. 1. 

609. Charakteristik. Gewiss verdient A. Gellius unseren Dank dafür, 
dass er uns so viele Fragmente verlorener Schriften aufbewahrt hat. 
Allein noch grösseren Dank würde sich der Schriftsteller von unserer 
Seite erworben haben, wenn er diese Auszüge in einen grösseren Zusammen- 
hang gerückt hätte. Allein da er in erster Linie die Ermüdung des 
Lesers verhindern und ein lesbares Buch schreiben wollte, so konnte er 
sich nicht in tiefere Untersuchungen einlassen, sondern musste sich an 
Einzelheiten halten. Die Sucht, mehr als ein Epitomator sein zu wollen, 
hat ihn von der ungeschminkten Wahrheit öfters abgedrängt und ihn auf 
eine Bahn gebracht, in der er dem Leser zwar vielerlei, aber nicht viel 
bietet. Aber wenn diese herausgehobenen Einzelheiten auch nur immer 
bedeutsam wären! Dies ist leider oft nicht der Fall; in der Auswahl der 
Stellen spiegelt sich die Geistesbeschaffenheit des Autors; sie bekundet, dass 
er nicht selten den «nichtigsten Dingen seine Aufmerksamkeit zugewendet 
hat. Überhaupt erkennt man aus dem ganzen Buch, dass Gellius eine 
gutmütige, aber kleinliche und pedantische Natur war, ein Mann, der keinen 
offenen BUck für das Grossartige und Bedeutende hat, sondern ganz und 
gar in kleinlichen Dingen aufgeht, ein Mann, der, wie Niebuhr sagt, die 
Welt keinen Feiertag gesehen, sondern in seinen Büchern lebt und von 
Bewunderung derselben überfliesst, ein Mann, der die verdorrten Blätter, 
nicht den blühenden Baum mit seiner Liebe umfasst. Gleichwohl hat 
auch dieser Autor auf die spätere Zeit seine Wirkung ausgeübt; schon 
das bunte Material, das man aus ihm mit leichter Hand schöpfen konnte, 
musste ihn besonders den Kompilatoren wichtig erscheinen lassen; selbst 
im Mittelalter stand er in Ansehen, nur hiess er hier Agellius, indem sich 
in sonderbarer Weise das Praenomen und das Nomen verschmolzen. Erst 
die neuere Zeit hat ihm seinen wahren Namen zurückgegeben. 

Die Ueberlieferung des Gellius ist eine filtere und eine jttngere. Die filteren 
Handschriften des Gellius spalten sich in zwei Klassen, von denen die erste die Bücher 
1 — 7, die zweite die Bficher 9—20 umfasst. 

a) Die Ueberlieferung der Bficher 1—7 beruht auf dem Palimpsest Palatino- 
Yaticanus 24 s. V/VI, dem Vaticanus Ub2 s. XIII, dem Parisinus 5765 s. XIII und dem 
Leidensis oder, wie er nach seinem früheren Besitzer auch heisst, Rottendorfianus 21 s. XII. 

ß) Die Ueberlieferung der Bficher 9^20 beruht auf dem Leidensis-Vossianus 
112 (Vossianus minor) s. X, dem Vaticanus-Reginensis 597 (Danielinus) s. X, dem Vati- 
canns-Reginensis 1646 (Petavianus) s. XIT, dem Parisinus 8664 s. XIII, dem Leidensis- Vos- 
sianus Fol. 7,2 (Vossianus maior) s. XIV, dem Florentinus s. Magliabecchianus 829 s. XV 
und dem Fragmentum Bemense 404 s. XII. 

Die Handschriften, welche alle Bficher enthalten, sind jung und stark interpoliert. 
Sie geben aber die Kapitelfiberschriften des 8. Buchs und die letzten Paragraphen des 
20. Buchs; auch ffir das 7. Buch sind sie beizuziehen (Hbrtz II p. XGVI). 

Die Ausgaben (vgl. die Besprechung bei Hbbtz II p. GVIII). Die erste kritische 
Ausgabe ist von L. Cabbio Paris. 1585; sein Text war lange Zeit die Vulgata. Eine neue 

Sftadbaeh der kliai. AlterttuoiWüHenadiaft VIIL 8. Teil. 11 



162 Aömlsplie Litteratnrgeaohiohte. n. Die Zeit der Monarcliie. d. Abteilimg. 

Phase der Gelliaskritik begründete J. F. Gronovius, da er die erste methodische Recension 
lieferte. Die dritte Periode der Gelliaskritik knüpft sich an M. Hbbtz, der eine grössere 
Ausgabe des Autors in zwei Bänden (Berl. 1883. 1886) und daneben eine kleinere (Leipz. 
1886) veranstaltete. Vgl. auch dessen Opuscuia GeiUiana, Berl. 1886. 
Uebersetzung von Wbiss 2 Bde., Leipz. 1875 und 76. 

2. Sammonicus Serenus. 

610. Die gelehrten Schriften des Sammonicus Serenus. Unter 
Septimius Severus (193 — 211) lebte ein gelehrter Mann des Namens Sam- 
monicus Serenus. Von ihm existierten viele gelehrte Schriften, wir kennen 
nur den Titel einer einzigen, es sind seine rerum reconditarum Kbri, von 
denen bei Macrobius 3, 9, 6 das fünfte Buch citiert wird. Er stand mit 
dem Hof in engen Beziehungen, eine seiner Schriften war an Septimius 
Severus gerichtet, eine andere an Antoninus, wie es scheint, Antoninus Geta. 
Über den Inhalt seiner Schriften erfahren wir einiges aus Macrobius, 
welcher den gelehrten Schriftsteller für sein Sammelwerk benutzte; 
3, 16, 6 ist die Rede von dem Seefisch acipenser; über denselben handelte 
auch Sammonicus Serenus und zwar erörterte er die abweichende Wert- 
schätzung desselben zu verschiedener Zeit; aus Plinius ergebe sich, so 
fahrte er aus, dass der Fisch zu dessen Zeit ganz entwertet gewesen 
sei, in alten Zeiten sei derselbe dagegen hoch im Preis gestanden; doch 
gelangte der Fisch, wie Sammonicus Serenus des Weiteren berichtet, in 
späterer Zeit wieder zu grossem Ansehen, denn bei einem Gastmahl des 
Septimius Severus, dem der Erzähler selbst beiwohnte, wurde der Fisch 
von bekränzten Sklaven unter Flötenschall hereingetragen. Noch eine 
andere Notiz des Sammonicus über einen sehr hohen Preis, den Asinius 
Geler für eine Meerbarbe ausgegeben habe, verdanken wir dem Macrobius 
an der erwähnten Stelle. Das Gesagte gibt einen Fingerzeig für den 
Charakter der Schriftstellerei des Sammonicus. Die Notiz führt auf ein 
Kapitel über den Luxus der Römer. An einer zweiten Stelle teilt Ma- 
crobius (3, 9, 6) zwei Formeln mit, eine, durch welche die Götter einer 
belagerten Stadt abgerufen werden, und eine zweite, durch welche eine 
feindUche Stadt dem Untergang geweiht wird. Diese Formeln sollen nach 
der Angabe des Macrobius im fünften Buch der reconditae res gestanden 
sein. Vielleicht dürfen wir auch die Stelle über den Luxus diesem Werk 
zuteilen, das anscheinend nach Suetons Vorgang über Sitten und Gebräuche 
der Römer sich verbreitet hat. 

Für solche Kuriositäten sind Bücher notwendig; Sammonicus besass 
in der That eine Bibliothek von 62,000 Büchern. Diese Bibliothek kam 
an seinen Sohn, der sie bei seinem Tode dem jüngeren Gordianus (U) hinter- 
liess. ^) unter den von Sammonicus zu Rate gezogenen Autoren können wir 
namhaft machen Nigidius Figulus, den älteren PUnius und den „vetustissimus 
liber" des Furius.^) Seinen Tod fand er durch die Grausamkeit des Caracalla 
im Jahre 212. Seinen Sohn haben wir als Dichter kennen gelernt (§ 517 p. 29). 

Lebenszeit des Sammonicus Serenus. Macrob. 8, 16, 6 temporibus Severi 
principis qui ostentabat duritiam tnorum Sammonicus Serenus, vir saeeulo suo doetus, cum 
ad principem suum scriberet; Spart Antonin. Qeta 5, 6 Sereni Sammonici libros famüiaris- 



>) Capitol Gordiani tres 18, 2. 

*^ HxRTZ (Fleokeis. Jahrb. 85, 54} iden- 



tifiziert diesen Fnrius mit L. Furios Philiis 
(Cons. 136) vgl. oben g 76 p. 119. 



Sammoiiioiu BereniiB. — Comeliiu Labeo. 163 

simos hahuü, quos iUe ad Äntoninum aeripsü; Spart. Äntonin. Caracall. 4, 4 occiaique non-- 
nuIH etiam cenantea, inter ^uos etiam Sammonicus, cuiua libri plurimi ad doctrinam extatU, 
üeber seine Schriften. Als Quelle von Macrob. 3, 18 — 18 weist den Sammonicus 
Serenns nach Wissowa, Hermes 16 (1881) p. 503; er glaubt aber, Macrobius habe 
eine Kompilation aus Sammonicus benutzt. Erwähnt wird der Autor auch bei Apolünaris 
Sidonius praef. c. 14 p. 314 Mohb. 

3. Cornelius Labeo. 

611. LabeoB Schriften ttber Sakralaltertttmer. Zu einer Zeit, da 
christliche Lehren schon Verbreitung unter dem heidnischen Publikum ge- 
funden hatten, machte Cornelius Labeo den Versuch, die alte nationale 
Religion darzustellen. An Litteratur über diesen Zweig des römischen 
Lebens fehlte es nicht. Allein den Bedürfhissen der Zeit konnte nicht 
eine blosse Materialsammlung genügen ; das siegreich vordringende Christen- 
tum machte eine Neubelebung des Stoffes notwendig; es lagen zu viel 
disparate Elemente in den religiösen Gebräuchen aufgespeichert; ferner 
waren viele ausländische Kulte mit dem nationalen zusammengeflossen. 
Bekanntlich strebte die neuplatonische Philosophie diese Neubelebung an. 
Auch Cornelius Labeo muss sich dieser Richtung angeschlossen haben; 
denn es wird uns berichtet,^) dass er den Plato zu den Halbgöttern ge- 
rechnet habe. Eine dem Untergang geweihte Religion kann noch eine 
Zeit ihr Leben fristen, indem sie die Vorstellungen umdeutet. Diese Er- 
scheinung tritt auch in den Fragmenten des Cornelius Labeo zu Tage. 
Wir finden, dass er die Oötter sowohl im physikalischen als im mythisch- 
historischen Sinn interpretiert hat. Weiter finden wir bei Labeo eine 
Einteilung der numina in gute und in böse und diese Verschiedenheit 
soll auch eine Verschiedenheit des Kultus bedingen, denn die bösen numina 
müssten durch schreckliche Mittel besänftigt werden, die guten dagegen 
durch freudigen Oehorsam.^) Schriften, in denen Labeo seine Ansichten 
aussprach, werden uns zwei genannt, die eine war betitelt de oraculo 
Apollinis Clarii, die andere de diis animalibuSf d. h. über Götter, 
welche aus menschlichen Seelen hervorgegangen waren (Serv. Aen. 3, 168). 

Labeos Versuche, den nationalen Kultus wieder zu beleben, konnten 
die christlichen Autoren nicht wohl unberücksichtigt lassen. Es ist sehr 
wahrscheinlich, dass Amobius, obwohl er den Labeo nicht genannt hat, 
ihn doch vorgenommen, um gegen ihn zu polemisieren. ') Aber auch heid- 
nische Autoren, wie Macrobius,^) Servius, Lydus<^) schöpften aus ihm. 

Die Schriften des Cornelius Labeo. Als sichere Titel von Schriften Labeos 
lassen sich folgende ermitteln: 

1. de oraculo Apollinis Clarii, Macrob. 1, 18, 21 huius oraculi vim — eX' 
8ecutu8 est Cornelius Labeo in libro eui titulus est de oraculo ApoUints Clarii; 

2. de diis animalibus. Serv. Aen. 3, 168 dicit Labeo in libris gui appetlantur 
de diis animalibus. 

Aus Macrob. 8, 4, 6 Cornelius quogue Labeo de dis Penatibus eadem existimat geht 
nicht hervor, dass Lab^o eine Schrift de dis Penatibus geschrieben; denn es ist damit nur 



') Aufftut. de eiv, dei 2, 14. 

') Auffust, de civ, dei 2, 11 Labeo, quem 
huiuseemodi rerum peritissimum praedieant, 
numina bona a numinibus nuüis ista etiam 
cultus diversitate distinguit, ut moUos deos 
propitiari eaedibus et tristibus supplicatio- 
nilms asserat, bonos autem obsequiis laetis 



atque iucundis qualia sunt, ut ipse ait, ludi, 
convivia, lectistemia, 

') Bestritten von Bübbsch, Klares p. 84 
und p. 128. 

«) WissowA, Hermes 22 (1887) 85. 

*) Wacbsmuth, Lydus de ostentis, 

p. xxni. 



164 Bömische litieratargesohiohte. n. Die Zeit der Honarchie. 2. Abteilang. 

gesagt« dass Labeo über die dt penates dieselbe Ansicbt wie Nigidius hatte. Weiterhin citiert 
M aerob. 1, 16, 29 Cornelius etiam Labeo primo Fiutorum libro nundinis ferias esse pro- 
nuntiat. Danach hatte also Cornelius Labeo eine Schrift Fasti geschrieben. Wisse wa 
(De Macrobii Saturnaliorum fontibus p. 26) meint, dass hier eine Verwechslung mit Anti- 
stius Labeo vorliege, da der Abschnitt, in dem dieses Citat vorkommt, auf Sueton 
zurückgehe. Bedenklich ist lediglich, dass wir keine Schrift des Antistius Labeo unter 
diesem Titel nachweisen kOnnen. An Wissowa schliesst sich Kahl p. 803 an. Verdächtig ist 
das Citat des Fulgentius Expos, serm, antiq. p. 388 Roth (Noniusausg.) : Labeo qui discipUnas 
Etruscas Tagetis et Bacidis (über die Lesart handelt Zihk, Fulgentius p. 90) quindecim 
vcluminibus explanavit,ita ait. Vgl. 0. MOllbr, Etrusker 11*30; Schmbisseb, Die etrusk. 
Disziplin 1881 p. 80; Kahl p. 738. (Schol. Stat. Theb. 4, 482 Corvüius quattuor Mereurios 
esse seribit. 0. Jahn wollte, Rh. Mus. 9 [1854] p. 627 schreiben Cornelius und unseren 
Cornelius Labeo verstanden wissen, allein der Name Cornelius findet sich nie allein zur 
Bezeichnung des Cornelius Labeo [Kahl p. 734]. Hbrtz, Berl. Phil. Wochenschr. 1889, 
Sp. 594 schreibt Corvinus und denkt an MessaUa Corvinus.) 

Die Zeit des Cornelius Labeo kann nur hypothetisch bestimmt werden. Die An- 
sichten der Forscher weichen voneinander ab. Reiffbrscheid (Ind. scholarum Vratislav. 1879/80 
!). 9) und Kahl (p. 805) setzen Labeo in die zweite Hälfte des dritten Jahrb. ; 0. Müllbr 
Etrusker 11* 36 Anm. 69) und Burbsoh (Klares p. 54 und p. 128) noch in das zweite Jahrb. 
Litteratur. Kbttvbb, Cornelius Labeo, ein Beitrag zur Quellenkritik des Amobius, 
Pforta 1877. (Dagegen Rbiffbrscbbid, Ind. leet., Breslau 1879/80); Kahl, Cornelius Labeo 
Philol. 5. Supplementbd. p. 717; MOllevsbiffbk, De Comdii Labeonis fragmentis, studiis, 
assectatoribus, Marb. 1889 (dazu Kahl, Wochenschr. f. klass. PhiL 1890 nr. 24 p. 655). 

Bruttius. Vielleicht dürfen wir unter die Antiquare auch Bruttius stellen, der 
über die Bestrafung der Christin Flavia DomitiUa (Euseb. hist, eccles, 3, 18), über Alexander 
den Grossen (Malid. 8 p. 193 Dindorf) und über Mythologisches (Malal. 2 p. 34 Dikdorf) 
geschrieben. Genannt wird er UsTo^iKo^ Z9^'^^yQ*^9>^^» Vielleicht ist ausser einem rein 
historischen Werk noch ein gelehrtes Werk anzunehmen. — Pbtbb, Historie. Born, fragm. 
p. 875. 

3. Die Juristen. 

612. Allgemeines. Das Recht der Eaiserzeit wird öfters 'als ius 
novum dem vetus ius gegenübergestellt. In der That ist der Weg, 
welcher zur Rechtsbildung ftthrt, jetzt ein anderer. Wir bekommen zwei 
neue Rechtsquellen, das Senatus consultum und die Constitutio prin-- 
cipis. In den Zeiten der Republik war die Ausführung der Gesetze in die 
Hand des Senats gelegt; mit dem Aufkommen des Principats übt er 
thatsächlich gesetzgebende Gewalt aus. Das Volksgesetz erlischt, an seine 
Stelle tritt das Senatus consultum. Der Prinzeps kann in dasselbe insofern 
eingreifen, als er befugt ist, den Senat durch eine Rede zu einem Be- 
schlüsse zu veranlassen, und seit Hadrian nimmt der Prinzeps allein das 
Recht für sich in Anspruch, im Senat Gesetzesanträge zu stellen. Im Laufe 
der Zeit sank der Beschluss des Senats zu einer blossen Formalität herab, 
massgebend war die oratio des Prinzeps, welche den Beschluss des Senats 
einleitete, und nicht selten wird von den Juristen nicht das Senatus con- 
sultum, sondern die oratio principis citiert. Seit der Konstituierung der 
Monarchie erlosch die Gesetzgebung des Senats, sie wird abgelöst durch 
das Eaisergesetz. 

Ausser den Senatus consuUa sind noch ein wichtiger juristischer 
Faktor die Constitutiones principis. Jlfan bezeichnet mit diesem all- 
gemeinen Ausdruck die verschiedenen Äusserungen der kaiserlichen Ge- 
walt, welche zur Rechtsbildung führten. Der Prinzeps besitzt, wie jeder 
Magistrat, das ius edicendi, er konnte also durch Edikte, öffentliche 
Verordnungen die Grundsätze bekannt machen, welche er in der Hand- 
habung des Privatrechts befolgt wissen wollte. Sein Edikt war streng ge« 



Die Inristen, 165 

nommen nur für seine Regierungszeit gültig, allein in der Regel nahm es 
der Nachfolger stillschweigend an. Die zweite zur Rechtshildung führende 
Äusserung des Prinzeps war das Dekret, das urteil des Prinzeps in einer 
Streitsache ; dasselbe konnte in erster Instanz oder auf Appellation hin er- 
lassen werden. Da besonders zweifelhafte Fälle an den Kaiser gebracht 
wurden, so gewann die Entscheidung des Prinzeps eine über den Einzel- 
fall hinausgehende allgemeine Tragweite. Die dritte Quelle der kaiser- 
lichen Rechtsbildung ist das Reskript, die Antwort auf eine Anfrage, 
sei es eines Magistrats, sei es einer Privatperson in einer Rechtssache. 
Die Antwort nimmt entweder die Form eines selbständigen Schreibens, einer 
epidula oder die Form einer der Eingabe beigefügten Entscheidung {sub- 
scriptio oder adnotatio) an. Naturgemäss musste seit der Redigierung des 
prätorischen Ediktes das Reskript an Stelle der prätorischen edicierenden 
Thätigkeit die Fortbildung des Rechtes übernehmen. Hadrians Regierung 
bildet auch hier einen Einschnitt. Die Dekrete und die Reskripte ge- 
hörten zur Interpretation des Rechts, waren also auch über die Regierungs- 
zeit des Kaisers hinaus verbindlich. Endlich werden von vielen Juristen 
auch die Mandate zu den constitutiones principum gerechnet. Das Man- 
dat ist ein Schreiben des Prinzeps an die ihm untergebene Beamten- 
schaft. Auch in einem solchen Schreiben war die Möglichkeit gegeben, 
einen privatrechtlichen Grundsatz aufzustellen, wenngleich das Mandat sich 
mehr für Mitteilung von polizeilichen und strafrechtlichen Bestimmungen 
eignete. Allmählich schlössen sich diese Mandate zu einem Ganzen zu- 
sammen, d. h. es bildete sich ein Corpus. 

Eine neue, höchst wichtige Rechtsquelle wurden in der Kaiserzeit die 
responsa prudentium. Schon in der republikanischen Zeit war das 
respondere neben dem cavere die vornehmste Beschäftigung des Rechts- 
gelehrten, d. h. das Rechtsgutachten und das Geschäftsformular wurden 
von ihm erbeten und gegeben. Aber diese freie Thätigkeit des Respon- 
dierens erhielt in der Kaiserzeit ihre gesetzliche Regelung. Die responsa 
sollten fortan unter kaiserlicher Autorität {ex auctorüate principis) erstattet 
werden. Diese Anordnung traf Augustus. Die Form, die (wahrscheinlich 
durch Tiberius) festgesetzt wurde, war die, dass hervorragenden Juristen 
von dem Prinzeps das ius respondendi förmlich erteilt wurde. Ein von 
einem solchen Juristen abgegebenes schriftliches, mit dem Siegel des 
Respondenten versehenes responsum war für den Magistrat wie für den 
entscheidenden Richter verbindlich, wenn nicht von der Gegenpartei 
ein entgegenstehendes eines anderen privilegierten Juristen vorgelegt wurde. 
Wenn rechtlich ein solches responsum nur für den einzelnen Fall verbind- 
liche Kraft hatte, so lag es doch in. der Natur der Sache, dass dasselbe 
auch in anderen ähnlichen Fällen faktische Beachtung erfuhr. Ja selbst 
die in Schriften niedergelegten responsa der juristischen Meister haben 
ohne Zweifel die Rechtsprechung stark beeinflusst. Durch die Erteilung 
des ius respondendi hatte der Principat in kluger Weise eine sehr angesehene 
Stellung der Juristen begründet; was der Redner unter der Republik war, 
war der Jurist in der Kaiserzeit. Auch bahnte die Jurisprudenz ihren 
Jüngern den Weg zu den höchsten Ämtern des Staates. Die Rechts- 



166 BOmisohe Litterainrgesohichte. IL Die Zeit der Xonarohie. £• Abteilimg« 

Wissenschaft war das Feld, auf dem auch nach Untergang der republi- 
kanischen Freiheit der Ehrgeiz sich befriedigen konnte. Die römische 
Jurisprudenz hat sich aber der ihr zugewiesenen hohen Stellung durchaus 
würdig erwiesen; sie hat durch intensive Arbeit das heimische Recht zu 
der Vollendung gebracht, dass es die Fähigkeit eines Weltrechts erhielt. 
Für diesen Erfolg war wesentlich, dass die Behandlung des Einzelfalls, 
wie es im responsum zu Tage trat, stets der Ausgangspunkt der römischen 
Jurisprudenz blieb. Dadurch wurde ein unmittelbarer Kontakt zwischen 
Leben und Theorie hergestellt; alle luftigen Spekulationen waren damit un- 
möglich gemacht. Von der Kasuistik aus gelangte der römische Jurist 
zu dem tiefgehenden Einblick in das Wesen der einzelnen Bechtsinstitute. 
Aber welche unendliche Arbeit war hier zu thun? Auf der einen Seite 
stand das ius civüe mit seinem engherzigen Formalismus, auf der anderen 
das freie ius gentium. Beide riefen nach Versöhnung, oder scharfer aus- 
gedrückt, das ius civüe verlangte nach Befreiung von seinen engen natio- 
nalen Schranken, um für ein Weltrecht geeignet zu werden. Das pra- 
torische Edikt stellte die Brücke her und wie in der republikanischen Zeit 
die Kommentare zu den 12 Tafeln das Feld der Jurisprudenz beherrschten, 
so jetzt die Kommentare zu dem redigierten prätorischen Edikt. Es war 
keine leichte Aufgabe, die einzelnen Rechtssätze in einer plastischen Ge- 
stalt herauszuarbeiten und dieselben zu einem Rechtssystem zusammen- 
zuschliessen. Wir haben oben gesehen (§ 353), dass das nicht ohne 
schwere Kämpfe abging und dass sich wie in der Grammatik und Rhe- 
torik, auch in der Jurisprudenz zwei Richtungen gegenübertraten; die eine 
drang auf die Formulierung einer festen ausnahmslosen Regel, die andere 
sträubte sich gegen die unerbittlichen Sätze, bestritt deren Zulässigkeit 
oder wollte durch Konzessionen an die utilitas vitae, an das aequum 
das Gesetz schwächen. Ein Beispiel: Es war eine Streitfrage, wann die 
Pubertät beginne. Der einfachste Weg, dieselbe zu bestimmen, scheint 
der zu sein, der Natur zu folgen und die Pubertät mit dem Moment 
beginnen zu lassen, in dem ein Individuum zeugungsfähig wird. Und dies 
war auch die Ansicht der Sabinianer. Allein bei dieser Auffassung er- 
folgt der Eintritt der Pubertät bei verschiedenen Personen in verschie- 
dener Zeit, wir haben kein festes Verhältnis, ganz abgesehen davon, dass 
auch die Feststellung dieses Verhältnisses auf Schwierigkeiten stossen 
muss. Demgegenüber drangen die Proculianer auf eine für alle männ- 
lichen Individuen ausnahmslose Regel, sie liessen die Pubertät nach dem 
vollendeten 14. Lebensjahre beginnen. Es war jetzt ein Rechtssatz ge- 
wonnen, der allem Schwanken und Zweifel ein Ende machte. Und so mag 
es noch in unzähligen Fällen gegangen sein. Allein je mehr Sätze unter 
Kämpfen herausgearbeitet werden, desto mehr mindert sich der Anlass 
zu dem Streite, und wie in der Grammatik der Streit erlosch, als das 
System, die ars fertig war, so geschah es auch in der Jurisprudenz. Zur 
Zeit der grossen Juristen unseres Zeitraums, als das römische Recht 
ausgemeisselt vorlag, war der Streit gegenstandslos geworden. Mit Gaius 
verschwanden die beiden so berühmt gewordenen Schulen der Proculianer 
und Sabinianer. Wie in der Grammatik das Ende des Streites sich in 



Salyiiui Jnlianas. 



167 



einer Versöhnung der sich entgegenstehenden Prinzipien der Analogie 
und Anomalie aussprach, so musste auch im Recht der strenge Rechts- 
satz sich oft Nützlichkeits- und Billigkeitsrücksichten unterordnen. Und 
so konnte der grosse Jurist Salvius Julianus die Thatsache konstatieren: 
muÜa iure civili contra rationem di$putandi pro utilUate communi recepia 
esse innumerabilibus rebus probari polest (Dig. 9, 2, 51, 2).^) 

1. Salvius Julianus. 

613. Die Sedaktion des edictum perpetuum. Die wunderbare Fort- 
bildung des römischen Rechts beruhte zu einem nicht geringen Teil auf der 
Thätigkeit des Prätor, d. h. auf seinem Edikt. Im Laufe der Zeit wurde es 
nämlich üblich, dass neben den für die ProzessfÜhrung notwendigen Formu- 
laren der Prätor auch gewisse Grundsätze veröffentlichte, die er bei seiner 
Thätigkeit befolgen wollte. Diese Bekanntmachung heisst edicfutn. Trotz 
dieser Veröffentlichung seines Erlasses konnte der Prätor, falls es die 
Umstände notwendig erscheinen liessen, von den im Edikt veröffentlichten 
Normen abweichen, bis eine lex Cornelia (67 v. Gh.) ihn zwang, für seine 
ganze Amtsthätigkeit das publizierte Edikt ziu: Richtschnur zu nehmen. Jetzt 
war das edictum ein „edictum perpetuum** und trat in Gegensatz zu dem 
edictum, welches der Prätor für einen ausserordentlichen Fall erliess. Das 
edictum perpetuum verlor nach Ablauf der Amtszeit seine rechtliche Wirk- 
samkeit, der Nachfolger war nicht an dasselbe gebunden. Allein die Natur 
der Sache brachte es mit sich, dass man von den bewährten Grundsätzen 
der Vorfahren nicht leicht abwich. So kam es, dass jeder Prätor das 
edictum von seinem Vorgänger übernahm und nur das, was sich nicht be- 
währt hatte, ausschied, dagegen das, was sich als notwendig erwies, hinzu- 
fügte. Auf diese Weise bildete sich durch die stille und ganz allmählich 
fortschreitende Arbeit von Jahrhunderten ein neues Recht, das ius hono- 
rarium (praetorium), welches die engen Schranken des ius civile sprengte 
und zu einem ius gentium umbildete. Mit dem Ende der Republik war 
diese segensreiche Arbeit zum Abschluss gekommen; die Bedürfhisse des 
Lebens waren im Laufe der Jahrhunderte erkannt und in dem Edikt zum 
Ausdruck gekommen. Zu diesem inneren Abschluss gesellte sich bald 
auch ein äusserer. Als der Principat an Stelle der Republik getreten war, 
konnte er die edicierende Thätigkeit der Prätoren nicht in der bisherigen 
Weise belassen. Der Prinzeps musste jetzt statt des Prätors die wesent- 
liche Fortbildung des Rechts in die Hand nehmen; es wurde daher das 
edictum, das innerlich fertig war, auch äusserlich zum Abschluss gebracht. 
Hadrian liess (vor 129 n. Ch.) durch den berühmten Juristen Salvius Julianus 
das Edikt des praetor urbanus und das Edikt der curulischen Adilen re- 
digieren und durch ein Senatskonsult bestätigen. Damit erhielt das edictum 
den Charakter der Unveränderlichkeit ; das „perpetuum^, das früher nur die 
Dauer des Jahres bezeichnete, erhielt jetzt die Bedeutung der immer- 



^) Andere Anssprfiche sind derart, dass 
sie ohne weiteres ein Anomalist in der 
Grammatik h&tte vorbringen können : 1, 8, 20 
noH omnium, quae a maioribtu constUuta 



sunt, raiio reddi potest; 1, 3, 82, 1 inveteraia 
consuetudo pro lege non imtnerito eusto- 
ditur. 



168 ROmisohe Litieratargosohlohte. IL Die Zeit der Monarohie. 2. Abteilung. 

währenden Geltung: es war jetzt eine abgeschlossene Gesetzgebung, das, 
wie einst die Zwölftafel, kommentiert wurde. Leider ist uns dieses edictum 
perpetuum nicht erhalten; allein es kann in seinen Grundzügen an der 
Hand der Auszüge aus den grossen Ediktswerken des Ulpian, des Paulus, 
des Gaius und den Digesten des Salvius Julianus restituiert werden. Den 
ersten streng methodischen Versuch machte Rudorff, die neuere Zeit 
brachte einen noch vollkommeneren von Lenel. Der Grundriss des Edikts 
ist folgender: Es zerfällt in vier Abschnitte; ein einleitender behandelt 
„die Ordnung und Sicherung des Rechtsgangs bis zur Erteilung des tu- 
dicium'^; der zweite hat die ,, ordentliche Rechtshilfe (iurisdictio)* zum 
Gegenstande; der dritte verbreitet sich über ,,die ausserordentliche Rechts- 
hilfe (imperiumy; der vierte endlich bezieht sich auf „die Exekution und 
Nichtigkeitsbeschwerde*. Es kommt dann ein Anhang über die Interdikte, 
die Exzeptionen und die prätorischen Stipulationen, endlich das ädili- 
cische Edikt. Wahrscheinlich hegen in diesem Anhang »die Anfänge 
des prätorischen Album vor uns, die Formeltafel (natürlich mit einer 
Reihe von späteren Nachträgen), welche man, wie sie einmal sich gebildet 
hatte, beisanmien liess*".^) 

Dass zu gleicher Zeit auch die Edikte des praetor peregrinus und 
das Provinzialedikt ihre abschliessende Gestalt erhielten, kann nicht zweifel- 
haft sein. Die strittige Frage ist lediglich, ob diese beiden Edikte selb- 
ständig redigiert wurden oder mit dem städtischen Edikt vereinigt wurden. 
Eine sichere Entscheidung ist nicht möglich, am wahrscheinlichsten ist 
noch, dass die beiden Edikte der Stadt vereinigt wurden, dagegen das 
Provinzialedikt selbständig blieb. 

Zeugnis über die Sohlussredaktion des Edikts. Eutrop. 8, 17 nepos Salvi 
JiUiani, qui aub divo Hc^ärtano perpetuum composuit edictum, Jnstiniaii. cod. 1, 17, 2, 18 
et ipse Julianus, legum et edicti perpetui subtilisaimus conditor, in euis tibria hoc rettidit, 
ut, 8i quid imperfectum invenicUur, ab imperiali aanctione hoc repleatur; et non ipee solus^ 
sed et divue Hadrianus in compositione edicti et senatus eoneulto, quod eam secutum 
eet, hoc apertiseime definivit, ut, 8i quid in edicto positum non inveniatur, hoc ad eiua 
regulae eiuaque eonieeturas et imitationes possit nova inatruere auctoritaa. Vgl. den griech. 
Bericht in c. didtaxay g 18: 'JdQiayr^ 6 xijq avffeßovg Xij^emg, ote ra na^a nQa^to^mr xat* 
Iroc ixaatoy yofAo^aTovfjieya iy ßQaxBi xiyi. avyijye ßißXlt^f roy KQatiatoy ^ovXuxyoy npog 
Tovxo napaXaßioyy xatd roy Xoyoy, oy iy xoiytp dieitjX&ey int xrjg nqaaßvxBQag 'Biofitity avxo 
dfj xoyxo (ptjiriy, tog at r* nagd x6 diaxaxayfjiivoy ayaxv%lf6uy, nqoaijxoy ioxiy xovg iy 
aQX^^ fovxo neiQaa&ai diaiQaty xal ^aganaveiy xaxd xijy ix xtoy tjofi atatsxayfiiywy axo~ 
Xov&iay. Ueber die Stellen handelt Kbüobb, Quellen p. 86. 

lieber die Zeit der Redaktion. Hieran, ad a. Äbr. 2147 = 31 p. Ch. (p. 167 
SoH.) Salviua Julianua perpetuum compoauit edictum. Allein diese Jahresangabe ist willkür- 
lich (MoMMSEN, üeber den Chronogr. von 354 in den Abb. der sAchs. Ges. 1, 673). Da Julian 
in den Digesten dem Edictum folgt, und die Digesten vor 129 fallen, so muss auch die 
Redaktion des Edikts diesem Jahr vorausliegen. 

Das Edikt des Praetor peregrinua und das Provinzialedikt. Dass das 
ftdilicische Edikt mit dem Edikt des Praetor urbanua vereinigt war, ist zweifellos. Die 
Frage ist, ob dies auch bei dem Edikt des Praetor peregrinua und dem Provinzialedikt 
der Fall war. Eine sichere Entscheidung ist nicht mOglich, doch ist die Vereinigung des 
Edikts des Praetor peregrinua mit dem edictum des Praetor urbanua wahrscheinlich, da 
späterhin kein Kommentar zum Edikt des Praetor peregrinua mehr erscheint. Die Selbst- 
ständigkeit des edictum provinciale scheint der Kommentar des Gaius zu demselben zu 
erweisen. Vgl. Kbügbb, Quellen p. 86; Kablowa, R. RechtBgesch. 1, 631. 

Litteratur: Ritdobff, De iuriadictione edictum, Edicti perpetui quae reliqua sunt, 

») SoHM, Inatit.* p. 48 Anm. 2. 



Salviaa Jnlianiis. 



169 



Leips. 1869; Lkrbl, Bas edictum perpetuum, Leipz. 1883. In Bbüvs, Fontes^ p. 188 sind die 
wörtlichen Ediktasfttze der Dig. von Lbnxl znsanimengestelli (Kalb, Roms Juristen p. 57.) 

614. Die selbständige Schriftstellerei des Salvius Julianus. Schon 
die Thatsache, dass Salvius Julianus von Hadrian zu der Redaktion des edidum 
berufen wurde, lässt darauf schliessen, dass er ein hochangesehener Mann 
war. Damit stimmen die sonst über ihn erhaltenen Nachrichten. Geboren 
zu Hadrumet in Afrika aus einer Familie, aus welcher auch der spätere 
Kaiser Didius Julianus hervorging, Schüler des Javolenus, folglich Anhänger 
der Sabinianer (§ 480), gelangte er in Rom zu hohen Stellen; er bekleidete 
zweimal das Konsulat, er war praetor und praefectus urbi und wurde 
von Hadrian zu seinem consUium beigezogen. Auch zu Marcus Aurelius 
und L. Yerus, unter deren Regierung er starb, stand er in vertrauten 
Beziehungen. Als Jurist war er sehr geachtet, auch in den Rechts- 
quellen Justinians wird seiner mit grosser Auszeichnung gedacht. Die 
Redaktion des Edikts hatte ihm nur einen geringen Spielraum dargeboten 
sein eigenes Können zu zeigen, allein er schrieb noch eine Reihe selbständiger 
Schriften, welche tiefen Einfluss gewannen. Besonders waren es seine 
90 Bücher Digesten, welche, in der ersten Hälfte sich an das Edikt an- 
schliessend, in ausgezeichneter Weise den Rechtsstoff entwickelten. Aus 
diesem Werk sind 376 Fragmente in die Pandekten übergegangen. Auch 
wurde dasselbe von späteren Juristen kommentiert. Wir können noch 
aus den Fragmenten seiner Schriften ersehen, dass Salvius Julianus in 
der That ein eminenter Jurist war. Seinen Blick fest auf das viel- 
verschlungene Leben gerichtet, war er stets bestrebt, Praxis und Theorie 
miteinander in Einklang zu bringen; er war kein Anhänger der starren 
Rechtstheorie, er glaubte nicht, dass die Rechtsregel ausnahmslos sei 
und bis zur äussersten Konsequenz getrieben werden müsse, er sprach 
vielmehr den oben p. 167 angefiihrten Satz aus, dass im Recht oftmals der 
Standpunkt der Nützlichkeit und Billigkeit über die Starrheit der logischen 
Konsequenz den Sieg davontragen müsse. Wie sein Denken, so ist auch 
seine Sprache klar und durchsichtig. Besonders neigt er zur knappen senten- 
tiösen Ausdrucksweise. ^) 

Persönliches, üeber seine Heimat und über den nachmaligen Kaiser Didins Joli- 
anns vgl. Spart. Did. Jul. 1, 1 Didio Juliano, qui post Pertinacem imperium adeptus est, 
proavus fuit Salvius Juiiantis, bis consiil (falsch Eutrop. 8, 17), praefectus urbi et iuris 
consuUus; Spart Hadr. 18, 1 cum iudicaret, in consilio habuU . . . iuris cansuUos et prae- 
cipue ^— Salvium Julianum; Dig. 40, 2, 5 ego, qui meminissem, Javolenum, praeceptorem 
meum et in Africa et in Syria servas suos manumisisse , cum consilium praeberet, 
exemplum eius secuttis et in praetura et consulatu meo quosdam ex servis meis vindicta 
Uberavi; Dig. 87, 14, 17 pr. Divi fratres in haee verba rescripserunt — sed et Salviani 
Juliani, amiei nostri, clarissimi viri hanc sententiam fuisse, Ueber sein Grabmal 
Spart. Did. Jul. 8, 10. 

Die Schriften des Salvius Julianns sind folgende: 

1. ad Minicium libri (VI im Index Florentinus, Dig. 19, 1, 11, 15 libro decimo). 
Die Schrift des Minicius war eine Responsensammlung. Bezfiglich der Persönlichkeit des 
Minicins besteht die Streitfrage, ob er mit dem aus Inschriften bekannten L. Minicius 
Natalis, an den ein Reskript Trajans gerichtet war, identisch war (vgl. Buhl, Julianus 
p. 54; YiBBTiL, Nova quaedam de vitis iuris eonsuUorum, Eönigsb. 1858 p. 20). Sicher ist, 



') Vgl. die Sammlung bei Buhl, Salrius 
Jolianus p. 108 z. B. 42, 2, 8 confessus pro 
iuäicato habetur; 29, 7, 2, 8 furiosus per 



amnia et in amnibus absentis vel quiescentis 
loco habetur. 



170 Bömische Litteratargesohiohte. IL Die Zeit der Konarohie. 2. Abieilniig. 

dass Miniciiis mit Sabinus in unmittelbarem Verkebr gestanden (Dig. 12, 1, 22). Das Werk 
des Minicius brachte Julian in einen Auszug und schrieb Noten dazu (EbOgkb, Quellen 
p. 161 Anm. 121). 

2. ad ürseiutn libri, (Im Index Florentinus IV 1.; bei Ulpian Coli. 12,7,9 wird 
ein 10. Buch angeführt.) Ueber das Werk des Urseius Ferox vgl. Kbügbb, Quellen p. 160; 
Kablowa, R. Rechtsgesch. 1, 693. Julian schrieb Noten zu demselben. 

3. liber aingularis de ambiguitatibua. Die in die Digesta Übergegangenen 
Stellen handeln .von der Auslegung zweideutiger Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Stipu- 
lationen" (Bühl, Julianus p. 66). 

4. Digestorum Hbri XC, eine umfassende Darstellung des gesamten Rechts mit 
reicher Kasuistik. Die ersten 58 Bficher folgen der Ordnung des Hadrianischen Ediktes. 
Die ersten Bflcher wurden noch unter Hadrian geschrieben und zwar vor 129 «weil Julian 
das sog. SC. Juventianum vom 14. März 129 noch nicht kennt' (Fittikq, üeber das Alter etc. 
p. 4; Buhl, Julianus p. 100). Noten zu dem Werk verfasste ülpius Marcellus (p. 173), Cer- 
vidius Scaevola (p. 178), Mauricianus (p. 172) und Paulus (p. 178) ; vgl. Buhl p. 114. 

h. Äfricani quaestionum l. IX. Sextus Caecilius Africanus war ein Zeitgenosse 
und auch wohl Schüler des Julian, welcher in dem genannten Werk die Entscheidungen 
Julians zusammengestellt und hie und da auch eigene Zusätze gemacht hatte (Kbüoeb, 
Quellen p. 177; Buhl, Julian p. 67). Ueber ihn Gellius 20, 1, 1: S^, CaeeUius in discipUna 
iuris atque in legibus populi Romani noscendis interpretandisque seientia, usu attetoritate- 
que inlustris fuit. Ausser diesem Werk müssen wir noch ein grosses epistulae betiteltes 
annehmen; denn Dig. 30, 39 pr. führt Ulpian an: Africanus libro vicesimo epistularum apud 
Julianum quaerit. 

Vor Salvius Julianus leiteten nach Pomponius (Dig. 1, 2, 2, 53) die Schule d^r Sabi- 
niaoer Aburnius Valens und Tuscianus; der letztere ist nicht weiter bekannt; da- 
gegen sind uns über den ersteren Nachrichten zugekommen. 

L. Fnlvius G. f. Popinia Aburnius Valens erscheint in einer Inschrift (Obblli 
n. 3153; Viebtel, De vitis iuris consuUorum p. 30) als praefectus urbi feriarum latinarum 
des Jahres 118 n. Ch. Gapitol. Anton. Pius 12, 1 muUa de iure satixit. ususque est iuris 
peritis Vindio Vera, Salvio Valente, VcHusio Maeeiano, ülpio MarceUo et Diavoleno. 
Statt Salvio Valente schreibt Mommsen, Zeitschr. f. Rechtsgesch. 9, 90, 21 Fulvio 
Valente (Eablowa, R. Rechtsgesch. 1, 710). Ist die Vermutung richtig, so gehörte er 
dem consilium des Pius an. Er schrieb: Fideicommissorum Hbri VIL Daraus sind 
Auszüge in die Pandekten übergegangen. Dig. 36, 4, 15 wird citiert Valens L. VII 
actionum. EbOoeb vermutet aber, dass für Valens wohl F^nuZ^itM zu schreiben ist: ^Dig. 
Index auct, kennt keine Aetiones von Valens*' (Quellen p. 172 Anm. 69). 

2. Sex. Pomponius. 

615. Das Enchiridion des Pomponius. In den Pandekten ist im ersten 
Buch T. 2 ein wichtiger Auszug aus Pomponius* Enchiridion gegeben. 
Derselbe zerfällt in drei Teile, in dem ersten handelt Pomponius über den 
Ursprung und die Entwicklung des Rechts bei den Hörnern, in dem zweiten 
(§ 13) über die Behörden, in deren Händen die Rechtspflege ruht, endlich 
in dem dritten (§ 35) über die bedeutendsten Rechtslehrer bis auf seine 
Zeit. Von jeher haben die Juristen diesem Fragment ihre rege Aufinerk- 
samkeit zugewendet und die Nachrichten auf ihre Richtigkeit geprüft. 
Diese Prüfung führte zu dem Resultat, dass die Angaben, welche Dinge 
betreffen, die der Zeit des Autors nahe liegen, sehr wertvoll sind, dagegen 
die, welche sich auf die republikanische Zeit beziehen, recht grossen Be- 
denken Raum geben, weil es Pomponius hier an eigenen tieferen Studien 
fehlen Hess. Aber wir würden schon zufrieden sein, wenn er sich an einen 
sachkundigen Autor der republikanischen Zeit angeschlossen hätte; Sanio 
hat den Versuch gemacht, fQr die alte Zeit Varro als Quelle des Pom- 
ponius zu erweisen, allein der Beweis steht auf schwachen Füssen. 

Das berühmte Fragment ist einer Monographie des Pomponius ent- 
nommen, welche den Titel Enchiridion führte {liber singularis enchiridii). 
Daneben gab es aber von dem Autor noch ein umfassenderes, aus zwei 



_ «a i»! 



Bez. Pomponius. 171 

Büchern bestehendes Enchiridion. Beide Bücher scheinen den Zweck ver- 
folgt zu haben, für das Studium des ins publicum und privatum vorzu- 
bereiten ; sie gehörten also zu der bei den Römern stark kultivierten isago- 
gischen Litteraturgattung. Über die persönlichen Verhältnisse des Sex. 
Pomponius wissen wir nichts; nur über seine Zeit sind wir im klaren; 
er schrieb unter Hadrian und seinem Nachfolger, er ist also Zeitgenosse 
des berühmten Juristen Salvius Julianus, und beide Autoren citieren sich 
gegenseitig in ihren Schriften. 

Zar Gliederung. §13 poH originem iuris et proeessum eognitum eansequena est, 
ut de magistrtUuum naminibus et origine eognoseamus, guia, ut exposuitnus, per eos, qui 
iuri dieundo praesuniy effectus rei accipitur, 

Litteratnr: Sanio, Varroniana in den Schriften der rOm. Juristen» vornehmlich an 
dem Enchiridion des Pomponius nachzuweisen yersucht. Leipz. 1867. Den dritten Teil 
des Fragments behandelt eingehend Ebügeb, Quellen p. 52; Schvun, ad Pandectarum titulum 
de origine iuris commentatio, Basel 1876. (Kalb, Roms Juristen p. 63.) 

Die übrigen Schriften des Pomponius sind: 

1. libri ex Sabino [ad Sabinum) 36 Bücher, (Dig. 49, 15,20; die Angabe des 
Ind. Flor. 11, 2, wonach das Werk 35 Bücher umfasste, ist wohl irrig), eine Bearbeitung 
des ius civile nach der Ordnung des Sabinus (vgl. § 489, 1), welche unter Hadrian (vor 
Julians Digesten) erschien ; vgl. Fittino, über das Alter etc. p. 8. 

2. ad Q, Mueium leetionum libri XXXIX, eine Bearbeitung des Civilrechtes 
nach der Anordnung des Q. Mucius Scaevola (vgl. § 80), nach Hadrian abgefasst (Fittuvo 
1. 0. p. 11). 

3. ad edictum libri. Gittert wird das 83. Buch (Dig. 38, 5, 1, 14). Allein nach der 
hier behandelten Materie zu schliessen, muss das Werk noch viel mehr Bücher umfasst haben. 

4. Ex Plautio libri VII (vergl. § 488), sicher nach Hadrian abgefasst (Kablowa, 
R. Rechtsgesch. 1, 717). 

5. Variae lectiones von mindestens 41 Büchern (Dig. 20, 2, 7), wahrscheinlich 
Erörterungen über verschiedene Materien der Jurisprudenz (vgl. Bbembb, Rechtslehrer p. 51). 

6. Epistularum libri XX, nach dem Tode des Antoninus Pius abgefasst (Dig. 
50, 12, 14). Es werden die variae lectiones und die episttdae zusammen wie ein Werk 
ciiiert z. B. Dig. 4, 4, 50 Pomponius libro nono epistularum et variarum leetionum. Wahr- 
scheinlich ist das Verhältnis dieser Schriften zu einander so aufzufassen, dass Pomponius 
seine beiden bereits publizierten Schriften (epistulae und variae lectiones) später in einen 
Auszug zusammenfasste, der aber auch neue Erörterungen enthielt, wegen deren er dann 
noch neben jenen Werken citiert werden konnte, vgl. Bbbmbb, Rechtslehrer p. 51; Eablowa 
(R. Rechtsgesch. 1, 718) modifiziert diese Ansicht dahin, dass er den Auszug dieser beiden 
Werke nicht durch Pomponius selbst vollzogen sein Iftsst. 

7. Senatus consultorum libri V. 

8. Fideicommissorum libri V. 

9. Regularum Hb er singularis mit Noten des Marcellus. 

10. De stipulationibus, mindestens 8 Bücher (Dig. 7, 5, 5, 2). 

11. Digestorum ab Aristone libri. Dig. 24, 3, 44 ut est relatum apud Sex. 
Pomponium digestorum ab Aristone (§ 489, 1) libro quinto. Es waren Auszüge aus den 
Schriften des Aristo. 

8. L. Yolusius Maecianus 
und andere zeitgenössische Juristen. 
616. Das metrologische Hilfsbüchlein des Yolasins Maecianus. 
Unten den Juristen der Antonine nahm eine hervorragende Stelle Vo- 
lusius Maecianus ein; er war Mitglied des consilium unter Antoninus 
Pius, auch unter Marcus Aurelius und Lucius Verus gehörte er demselben 
an. Von seinem Ansehen zeugt auch, dass ihm der Unterricht des Marcus 
Aurelius in der Jurisprudenz anvertraut wurde. Aus diesem Unterricht 
ist ein Büchlein hervorgegangen, welches uns noch erhalten ist; dasselbe 
ist auf Wunsch des „ Caesar'^ Marcus geschrieben worden und handelt 
über die Einteilung des As, des Geldes (§ 44), des Gewichts (§ 77) und der 



172 BOnÜBche Litteratargeschiohte. n. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

Hohlmasse (§ 79), und gibt sowohl die sprachlichen Bezeichnungen {vocabula) 
als die graphischen Zeichen {notae). Später wurde er zum Juridicus in 
Alexandrien ernannt; allein er rechtfertigte das Vertrauen, das Marcus 
Aurelius in ihn gesetzt hatte, keineswegs, denn er beteiligte sich an dem 
Aufstande des Cassius im Jahre 175 und wurde hiebei von den Soldaten 
erschlagen.^) Sein Aufenthalt in Ägypten gab ihm auch zu einer juristischen 
Schrift Anlass; er schrieb ex lege Shodia (Dig. 14, 2, 9) und zwar in grie- 
chischer Sprache; es ist diese Schrift, soweit wir sehen können, die älteste 
Schrift der römischen Jurisprudenz, welche in griechischer Sprache abgefasst 
wurde. Doch sein Hauptwerk waren die 16 Bücher über die fidei- 
commissa, welche unter die Regierung des Antoninus Pius fallen (Dig. 40, 
5, 42 pr.). Ausserdem gab es von ihm ein Werk de iudiciis publicis 
in 14 Büchern. 

Der Titel der metrologischen Werkchens lautet handschriftlich: Volusii 
Maeciani distributio Uem vocabula ae notae partium in rebus pecuniariis pondere, numero, 
tnensura. Mommsbn korrigiert: Volusii Maeciani distribuiio item vocabula ac noiae partium 
in rebus, quae constant pondere, numero, mensura; Hüschks Volusii Maeciani assis dis- 
trtbutio, item vocabula ac notae partium in rebus pecuniariis, aereis nummis, pondere, 
mensura; Karlowa (R. Rechtsgesch. 1, 763) Volusii Maeciani assis distributio item vocabuia 
ac notae partium in rebus, pecunia numerata, pondere, mensura. 

Die Ueherlieferung beruht auf dem Paris. 8680 s. X und dem Vaticanns 
3852 B. X. 

Ausgaben von Momksbk, Abhandl. der sftchs. Gesellsch. der Wiasensch. 3 (1853) 
p. 286; HüLTSOB, Scriptor, metrolog, rom, p. 61; Husohkk, iurisprud, anteiust.^ p. 409. 

Andere Juristen aus der Zeit der Antonine sind: 

1. Terentius Clemens. Das einzige von ihm bekannte Werk, ans dem AuszQge 
in die Pandekten übergegangen sind, sind 20 Bücher ad legem Juliam et Papiam, 
Benutzt sind in demselben Julians Dig.; Fitting, üeber das Alter etc. p. 16 setzt das Werk 
daher in die letzte Regierungszeit des Antoninus Pius. Da er den Julianus noster nennt 
(Dig. 28, 6, 6), wird geschlossen, dass er mit demselben persönlich bekannt war. 

2. Junius Mauricianus schrieb gleichfalls ad legem Juliam et Papiam 
libri VI und mindestens zwei Bücher de poenis (Dig. 2, 13, 3). Da er den Hadrian 
„divus*' nennt (Dig. 31, 57), von Antoninus aber sagt (Dig. 33, 2, 23) nuper rescripsit, so 
schrieb er unter Antoninus Pius. ,0b er notae zu Julians Digesten geschrieben oder in 
einem uns unbekannten Werk auf Julian Bezug genommen hat, bleibt zweifelhaft* (Krüobb, 
Quellen p. 180); vgl. noch Earlowa, R. Rechtsgesch. 1, 711). 

3. Venuleius Saturninus. Von seinen Schriften sind in den Pandekten ausgezogen 
a) actionum l, X (Sanio, Rechtshist. Abb. p. 94; Wlassak, Rom. Prozessges. 2 p. 4 

Anm. 6); 

p) de interdictis l. VI; 

y) de officio proconsulis L IV; 

cf) de iudiciis publicis l, III; 

e) stipulationum l, XIX, 

Ausserdem wird ein liber singularis de poenis paganorum dem Venuleius Saturninus 
beigelegt. Hier aber erhebt sich eine Schwierigkeit. Der florentinische Index verzeichnet 
allerdings den liber singularis de poenis paganorum als ein Werk des Venuleius Saturninus ; 
in den Pandekten selbst aber wird 48, 19, 16 der liber singularis de poenis paganorum ein- 
geführt durch Claudius Saturninus, und dieses Citat ist um so bedeutungsvoller als die voraus- 
gehende lex 15 aus Venuleius Saturninus' libro I de officio proconsulis entnommen ist, also 
man doch, wenn eine Identität der beiden Personen vorliegen sollte, in § 16 ein blosses 
idem erwarten würde. Es scheint also, dass der Claudius Saturninus ein anderer ist als 
der Venuleius Saturninus und zwar derselbe Claudius Saturninus, den Tertullian in seiner 
Schrift de corona benutzte. Von einem Claudius Saturninus wissen wir, dass er legatus 
Belgicae unter Hadrian (Vatic. fr. 223) war, an einen Claudius Saturninus sind zwei Erlasse 
des Pius gerichtet (Dig. 20, 3, 1, 2; 50, 7, 5 [4]), ein Claudius Saturninus war Praetor unter 
den divi fratres (Dig. 17, 1,6, 7). Vgl. Tsuffbl-Schwabb § 360, 7; endlich wird noch 



') Capitol Marc. 25, 4. 



L. Volaaina Maeoianns. — 



173 



ein Q. Satunimus in den Pandekten genannt (Dig. 12, 2, 13, 5; 34, 2, 19, 7). Alle drei 
Satnrnini will Kablowa (R. Rechtsgesch. 1, 730) zu ei ner Persönlichkeit des Namens Qu intus 
Claudius Yenuleius Saturninus zusammenfassen. (Kalb, Roms Juristen p. 93.) 

4. ülpius Marcellus gehörte dem conailium des Kaisers Pius (Capitol. Ant. Pius 
12, 1) und des Marcus Aurelius an (Dig. 28, 4, 3). Seine Schriften sind: 

et) Digestorum libri XXXI (irrige Buchzahl (XXXIX) Dig. 49, 15,2); sie sind 
unter den divi fratrea geschrieben (Dig. 8, 2, 7 pr. 17, 2, 23, 1); 

ß) ad legem Juliam et Papiam libri VI; 

y) reaponsorum liber eingularia; 

<f) de officio consulis, mindestens fünf Bttcher vgl. Dig. 40, 15, 1, 4. Ob Ulpius 
Marcellus auch de officio praeaidis geschrieben, ist zweifelhaft; da im Index. Flor, das 
Werk nicht aufgefflhrt ist, liegt es nahe, an eine Verwechslung des Marcellus mit Macer, 
der de officio praeaidie geschrieben, zu denken. Ebenso ist es wahrscheinlich, dass die 
Vhri de iudiciis publicia, welche Dig. 3, 2, 22 MarceUue libro eecundo pttblicorum citiert 
werden, dem Macer angeboren; 

e) endlich noiae ad Juliani Digeata und zu Pomponiua liber aingtdaria regularum (Dig. 
29, 2, 63). 

Ueber das Verhältnis des Marcellus zu Salvius Julianus vgl. Bohl, Salvius Julianus 
1, 114. Möglicherweise ist der Jurist Ulpius Marcellus identisch mit dem Statthalter von 
Pannonia inferior L. ülpius Marcellus (GJL. 3, 3307). Ein anderer als der Jurist (viel- 
leicht dessen Sohn) ist der bei Dio 72, 8 genannte, der unter Commodus in Britannien 
Siege erfocht (Kbügbb, Quellen p. 192, 1). 

4. Gaius. 

617. Biographisches. Was nicht selten vorkommt, dass über den 
Schriften der Schriftsteller ganz in den Hintergrund tritt und vergessen 
wird, ist auch bei dem Juristen Gaius, dem Zeitgenossen des Antoninus 
Pius, eingetreten. Seine Institutionen sind ein Weltbuch geworden, aber 
über seine Persönlichkeit ist das tiefste Dunkel ausgebreitet. Gleich der 
Name Gaius bietet uns ein Rätsel dar, wir können uns nur schwer er- 
klären, wie es kam, dass bloss der Vorname — denn das ist er doch 
wohl — des Schriftstellers überliefert wurde. Auch über seine Heimat 
liegen keine positiven Nachrichten vor. Zu allem Unglück schweigen 
über ihn auch die anderen juristischen Quellen. Die erste sichere Er- 
wähnung des rätselhaften Autors erfolgt in dem Citiergesetz vom Jahr 426. 
Wie ist dieses Schweigen zu erklären? Kaum anders, als dass Gaius kein 
ins respondendi hatte, sonach für die juristischen Schriftsteller keine 
Autorität besass, dass die Autorität ihm erst nachträgUch, offenbar wegen des 
mit der Zeit steigenden Einflusses seiner Schriften eingeräumt wurde. Wir 
werden daher Gaius als einen juristischen Theoretiker und Lehrer zu be- 
trachten haben, nicht als einen Praktiker; damit stimmt auch seine Schrift- 
stellerei, welche Werke, die nur das Ergebnis der Praxis sein können, ver- 
missen lässt. Zu weiteren Hypothesen über das Leben des Gaius führt die 
sorgfältige Betrachtung der Institutionen und der sonst von ihm erhaltenen 
Fragmente. Aus denselben geht hervor, dass Gaius der griechischen 
Sprache mächtig war, dass er das Provinzidrecht besonders berücksichtigte 
und sogar einen Eonmientar zum edictum provinciale schrieb, dass er 
sich besonders mit dem Recht der Galater und Bithyner vertraut zeigt 
und dass er als Beispiele für das ins Italicum Troas, Berytos und Dyr- 
rhachium beibringt. Daraus wird wohl der Schluss zu ziehen sein, dass 



Pompon. Dig. 45, 3, 89 {nan eine 
ratione est ^Md Gaius noater dixii) wird ge- 
wöhnlich auf C. Cassios Longinas bezogen 



(Kbügbb, Qnellen p. 154, 50). Dagegen Dbbk- 
BUBO, Inst, des Gains p. 108 und Kablowa, 
R. Rechtsgesch. 1, 720 Anm. 2. 



174 BOmimhe Litteratargeaohiohte. IL Die Zeit der Honarohie. 2. Abteilung. 



Gaius' Heimat Kleinasien war. Ob dagegen auch der weitere Schluss be- 
rechtigt ist, dass Gaius seine Thätigkeit in der Provinz entfaltet hat, dass 
er also ein „Provinzialjurist'' gewesen, ist zweifelhaft. Eine bedeutende 
juristische Schriftstellerei ist in diesen Zeiten ausserhalb Roms schwer 
denkbar. 

Ueber den Namen. Gains f asst als Gesoblecbtenamen Padsllbtti, Delnome 
dt Gaio, Rom 1874, als cognomen Cattanbo, Bendiconti dei &^ IrutUuto di Lombardo 
Serie II vol. 14 (1881) fasc. X/XI. 

Die Hypothese, dass Gaius ein Provinzialjurist gewesen, hat MomsEir 
aufgestellt (Jahrb. des gem. Rechts 8 [1859] 1); vgl. Kuivtzb, Der Provinzialjurist Gaius wissen- 
schaftlich abgeschätzt, Leipziger Progr. 1888; Kalb, Roms Juristen p. 79. Mommsen hftlt(p. 11) 
Troas (weil dies Dig. 50, 15, 7 als erstes Beispiel fClr das i%i8 lialicum genannt wird) fix die 
wahrscheinliche Heimat des Gains. Bbbmbb (Rechtslebrer und Rechtsschulen p. 81) bringt 
die ganz unbegrfindete Modifikation an, dass Gaius möglicherweise in Troas geboren sei, 
aber in Berytos (nicht in Troas) gelehrt habe. Kablowa (Rechtsgesch. 1, 722) gibt den aus- 
l&ndischen Ursprung des Gaius zu, meint aber, dass «Gaius Rechtslehrer an einer ttatio (in 
Rom) war, welche allein oder vorwiegend für den Unterricht der Provinzialen bestimmt war".') 

618. Die Entdeckung der Institutionen des Gaius. Im Jahre 1816 
fand Niebuhr auf der Eapitelsbibliothek zu Verona ein Blatt, das er so- 
fort als den Institutionen des Qaius angehörig erkannte. Ausserdem ent- 
deckte er einen reskribierten Codex, in dem Schriften des Hieronymus 
standen; er sah, dass die ursprüngliche Schrift einen alten Juristen enthielt; er 
dachte an ülpian. Allein auf den richtigen Verfasser kam der Scharfsinn 
Savignys; dieser knüpfte an das einzelne Blatt an, das bereits, ohne dass es 
von den Juristen beachtet wurde, von Scipio Maflfei 1732 und 1742 ver- 
öffentlicht worden war, und schloss, dass dieses Blatt, das zweifellos, wie 
auch Niebuhr gesehen, den Institutionen des Gaius angehörte, aus der 
Handschrift stammte, deren Blätter reskribiert wurden, und dass sonach 
das ganze Werk die Institutionen des Gaius enthalte. Die Wichtigkeit 
des Fundes veranlasste die preussische Akademie, zwei Gelehrte, den 
Philologen Jmmanuel Bekker und den Juristen Göschen nach Verona zur 
Prüfung des Sachverhaltes zu schicken. Die Vermutung Savignys erwies 
sich als richtig. Auch konnten jetzt nähere Angaben über den Codex ge- 
macht werden. Die ursprüngliche Schrift desselben gehört dem 5. Jahr- 
hundert an; nur drei Blätter gingen verloren; ein Teil der Blätter war 
sogar doppelt reskribiert, dagegen das erste und das letzte Blatt ist nicht 
tiberschrieben. Die frühere Ordnung der Blätter wurde für den neuen 
Text nicht aufrechterhalten. Göschen versuchte nun, unterstützt besonders 
von Bethmann-Hollweg, die Entzifferung der alten Schrift. Die Frucht 
seiner Arbeit war die erste Ausgabe der Institutionen des Gaius aus dem 
Jahr 1820. Es lag auf der Hand, dass der erste Versuch keine abschlies- 
senden Resultate geben konnte, und dass eine Nachvergleichung notwendig 
war. Diese nahm in den Jahren 1821 und 1822 Fr. Bluhme vor. Aber 
er verwendete Reagentien, welche der Handschrift einen dauernden Schaden 
zufügten und die mit denselben behandelten Stellen späterhin fast unlesbar 



>) WLA88AK, Rom. Prozessges. 2, 224. 
„Die Jorisdiktionsverhältniase stellt Gaiua 
BO dar, wie sie in Rom waren nnd nirgends 
so im Reich. — Diesen Standpunkt wählte 
yerständigerweise nur ein Jurist, der in 



Rom lehrte und schrieb, unmöglich ein 

Rechtslehrer in Troas, der seine Schriften 

zunächst fUr den dortigen Lokalunterricht 
bestimmte. ** 






ffains. 175 

machten. Die Nachvergleichung Bluhmes wurde fär die zweite Göschen'sche 
Ausgabe (1824) benutzt. Um eine festere Grundlage f&r die Texteskritik 
zu erhalten, war es notwendig, genau die Schriftzüge des Codex, wie sie 
in den Scheden von Göschen, Hollweg, Bluhme vorlagen, zu geben, d. h. 
ein möglichst getreues Apographon herzustellen. Dieser Arbeit unterzog 
sich Böcking in seiner Ausgabe vom Jahr 1866. Allein dieses Werk 
sollte bald durch eine viel vollkonmienere Leistung verdrängt werden. Ein 
im Lesen von Palimpsesten sehr geübter Philolog, W. Studemund, nahm eine 
neue Vergleichung des Codex in den Jahren 1866, 1867 und 1868 vor. Auf 
Grund seiner mühsam durchgeführten Kollation lieferte er im Jahr 1874 *) 
ein neues Apographon und auf Grund desselben eine gemeinschaftlich mit 
Krüger besorgte Handausgabe (1877). Das Studemund'sche Apographon 
muss die Grundlage für Neuvergleichungen des Codex bilden. Studemund 
selbst hat noch späterhin in den Jahren 1878 und 1883 Nachprüfungen 
angestellt, welche wiederum zi! neuen Ergebnissen führten. Diese Revision 
kam der zweiten von Krüger und Studemund besorgten Ausgabe (1884) 
zu gute. 

Ausgaben. Ausser den genannten: Gai Ingtit, commentarii IV ed. GrosscHXK, 
recogn. Lachmank, Berl. 1842; Husghkb, iurispr, arUeiustiniana * p. 170; Polbnaab, Syn- 
tOLgma Institutionum novum, Leyden 1879 (vgl. Studexükd in seiner Ausg. p. VI); Duaois, 
Paris 1881; Müibhbad (The iwUUutea of Gaius and the rulea of ülpian, Edinburg 1880 mit 
Kommentar), Mbabs, Instit, of Gaitui and Justin,, Lond. 1882. Von den Erlftutemngs- 
Schriften sind besonders zu nennen Hdsghkb, Gaius, Beiträge zur Kritik und zum Ver- 
ständnis seiner Institutionen, Leipz. 1855. 

619. Skizze der Institutionen des Gaios. Die Institutionen be- 
ginnen mit einer allgemeinen Darlegung über das Recht und seine Quellen. 
Es folgt der wichtige Satz, der die ganze Gliederung des Werkes bestimmt, 
dass das Recht sich entweder auf Personen oder auf Sachen oder auf den 
Schutz {adiones) beziehe. Das erste Buch beschäftigt sich gemäss dieser 
Einteilung mit dem Personenrecht. Es macht den Anfang mit der Unter- 
scheidung der Freien und der Sklaven und erörtert die verschiedenen 
Arten der Freilassung; der Autor geht dann über zur Unterscheidung der 
Personen, welche sui iuris sind, und derjenigen, welche einer fremden Gewalt 
unterworfen sind. Dies führt auf die Erörterung der einzelnen Gewalt- 
kreise und die Befreiung von denselben. Den Schluss bildet die Erörte- 
rung über diejenigen Personen, welche unter Vormundschaft stehen, und über 
die, welche vormundfrei sind. Das zweite Buch nimmt seinen Ausgang 
von der Einteilung der Sachen in res divini und humani iuris und in res 
corporales und incorporales. Für die Rechtsgeschäfte der Erwerbung ist 
der Gegensatz von res mancipii und res nee mancipii von Bedeutung; es 
.. :r<len die verschiedenen Äxten der Erwerbung einzelner Gegenstände 
dargelegt. Der Erwerbung einzelner Gegenstände tritt die Erwerbung 
eiiiCb Ganzen, die acquisitio per universitatem, gegenüber. Dies führt auf 
die Lehre von den hereditates. Diese Lehre findet erst im dritten Buch 
{legitima hereditas) ihren Abschluss. Daran schliessen sich die Obligationen 
(88). Das vierte Buch stellt den Prozess dar, die verschiedenen actiones, 
die SteUvertretung im Prozess, Einteilung der iudicia, Verjährung und 

*) (Jodids Vtronensis denuo colUtti apographum confecit et tdidU STUDxmmD Leipz. 1874. 



176 BOmisohe Litteratnrgesohiehie. Il Die Zeit der Monarohie. 2. Abtettung. 

Vererbung der adiones, Befriedigung des Klägers vor dem Erlass der Urteils, 
Exceptionen, Interdikte u. a. 

Begonnen wurde das Werk noch zu Lebzeiten des Kaisers Antoninus, 
vollendet wurde dasselbe aber erst nach dem Tode desselben. 

Der Titel der Schrift ist in dem Codex VeronenaiB nicht erhalten. Durch Excerpte 
auB den Digesten steht jedoch derselbe fest 

Die Gliederung des Werks. 1, 8 amne ius, quo %äimur, vel ad personas pertinet 
vel ad res vel ad actiones; 2, 97 haetenas tantisper admonuisse suffieU quftnadmodum 
8ingulae res nobis adquirantur — videamus Uague nunc quibus modis per universUatem 
res ncbis adguiraniur; 3, 88 nunc transeamus ad obligationes. 

Die Abfassungszeit. 1, 53 ex constitutione imperatoris Antonini vgl. 74; (102 
ex epistula optimi Antonini); 2, 120 (rescripto imperatoris AnUmini)\ 126 (sed nuper 
imperator Antoninus significavit rescripto suo); 15 M (rescripto imperatoris Antonini); da- 
gegen 2y 195 ex divi Pii Antonini constitutione. Daraus schUesst man, dass das erste Buch 
und der Anfang des zweiten zu Lebzeiten des Kaisers Antoninus Pius geschrieben wurden, 
das Folgende nach des Kaisers Tod. 

Die übrigen Schriften des Gaius sind folgende: 

1. Berum eottidianarum s. Aureorum lihri VII, eine Jurisprudenz des 
täglichen Lebens, d. h. Erörterung der im täglichen Leben zur Anwendung kommenden 
Kechtssätze. Justinian verwertete auch dieses Werk für seine Institutionen (Prooem. 6), 
wie für die Digesten. 

2. Zwei Werke reaularum, ein liber singularis und ein mindestens drei Bücher 
umfassendes grüsseres Werx. 

3. ad legem XII tabularum l, VI; auch daraus ist manches in die Digesten 
übergegangen; es ist der letzte Kommentar zu den 12 Tafeln. 

4. libri ex Q. Mucio kennen wir nur aus seinen Institutionen 1, 118: nosque düi- 
gentius hunc traetatum executi sumus et in edicti interpretatione et in his libris quos 
ex Q, Mucio fecimus, 

5. ad edictumprovinciale libri XXX. Dazu kommen libri II ad edictum aedü. 
curuK, also zusammen {. XXXII; femer ad edictum praetoris urbani oder ad edictum 
urbicum. Bezüglich des letzteren Werks heisst es im Index Dig. r« fiova s^QeBiyja 
ßißXla dixa. Also waren zur Zeit des Justinian die übrigen Bücher verloren gegangen. 

6. ad legem Juliam et Papiam L XV. 

7. ad senatus consultum Tertullianum liber singularis, ad senatus con- 
suUum Orfitianum liber singularis. Beide senatus consulta hieben sich auf das 
Intestaterbrecht, das erste wurde unter Hadrian gegeben, das zweite unter Markus Aurelins 
178 n. Gh.; vgl Sohm, InstU.* p. 410. 

8. De verborum obligationibus l. IIL 

9. De manumissionibus l. IIL 

10. Fideicommissorum l. IL 

11. Die Monographien (libri singulares) dotalicion de tacitis fidei- 
commissis, de formula hypothecaria, de casibus, ad legem Glitiam. 

Inst. 3, 33 alios conplures gradus praetor facit in bonorum possessionibus 
dandis . . . de quibus in his commentariis consulto non aaimus, cum hoc ius totum propriis 
commentariis executi simus; Gaius meint wohl den Ediktkommentar; 3, 54 sagt er über die 
iura patrimonia: alioquin diligentdor interpretatio propriis commentariis exposita est; das 
Citat wird sich auf die Bücher ad legem Juliam et Papiam beziehen (KbÜobb, Quellen p. 184). 

lieber die Abfassungszeit dieser Schriften vgl. Fittivg, üeber das Alter der 
Schriften römischer Juristen von Hadrian bis Alexander (Progranun) Basel 1860 p. 19. 
Vor den Institutionen sind sicher verfasst die libri ex Q. Mucio und der Kommentar zum 
Edikt (vgl. 1, 188). Zweifelhaft ist aber, ob hier unter dem Ediktkommentar beide {ad edictum 
provinciale und ad edictum praetoris urbani) oder nur einer gemeint ist Der liber singu^ 
laris regularum ist jünger als die Institutionen, der liber singularis ad SC. Orfitianum ist 
die jüngste Schrift. Vgl. Kbüoeb, Quellen p. 186 fg. 

620. Charakteristik. In der Rhetorik hatte sich die Lehrschrift, 
die institutio oratoria, die Einfuhrung des Studierenden in die Rhetorik 
längst zu einer selbständigen Gattung entwickelt. Es lag daher sehr nahe, 
diese Gattung auch auf die Jurisprudenz zu übertragen. Ein solcher Ver- 
such liegt uns in den Institutionen des Gaius vor. Diese verfolgen also 
das Ziel, in das juristische Studium einzuführen, und danach bestimmt 



Gaias. 177 

sich die Ausführung des Ganzen. Es handelt sich hier nicht um absolute 
Vollständigkeit und um Ausschöpfung des gesamten Rechtsstoffes, sondern 
um Angewöhnung an juristisches Denken und um Elarlegung der leitenden 
juristischen Sätze. Auch ist nicht eine streng geschlossene Darstellung, 
welche weder nach rechts noch nach links, sondern nur vorwärts blickt, 
notwendig; der Autor kann sich gehen lassen, er darf sich kleine Ab- 
schweifungen von seinem Gegenstand erlauben, er kann sich wiederholen, 
er kann endlich das eine weiter ausführen als das andere. Diese Dinge 
fallen nicht in die Wagschale, wenn nur der Hauptzweck erreicht wird, 
dass der Jünger des Rechts etwas lernt. Hat Gaius dieses Ziel erreicht? 
Alle Sachkenner stinmien überein, dass Gaius eine ganz ausgezeichnete 
Lehrschrift geliefert hat ; ja selbst der Laie liest das Büchlein nicht ungern. 
Der Zaubtr, den es ausübt, liegt vor allem darin, dass sich unsichtbare 
Fäden zwischen dem Leser und Autor bilden; unwillkürlich gestalten wir 
uns aus der Lektüre ein Bild von dem Verfasser, der allem Verschrobenen, 
Gesuchten und Spitzfindigen abhold ist, der überall das Einfache und 
Naturgemässe hervorsucht, der eine klare, einfache Sprache redet, und 
wir lesen nicht bloss den Schriftsteller, sondern wir lieben ihn auch. 
Gewiss hat es römische Juristen vor ihm gegeben, die in der genialen 
Durchdringung des Stoffes Grösseres geleistet haben, auch mögen viele 
die juristischen Probleme mit grösserem Scharfsinn gelöst haben, allein 
Gaius ist für uns das Ideal des Rechtslehrers, weil er nicht bloss 
das Recht zu lehren, sondern auch für das Recht zu begeistern weiss. 
Der lehrhafte Charakter der Schrift hat zu der vagen Meinung geführt, 
als sei dieselbe ein Eollegienheft des Gaius gewesen, in der nur not- 
dürftig die Spuren der mündlichen Vortragsweise ausgetilgt wurden. 
Diese Anschauung setzt sich also leichthin über die Thatsache weg, dass 
der Autor sein Werk nicht als ein Eollegienheft publizierte und demnach 
auch nicht als Eollegienheft aufgefasst wissen wollte. Hat dieses Werk 
manche Eigentümlichkeiten mit der mündlichen Unterweisung gemeinsam, 
so ist dies eine ganz natürliche Erscheinung; denn die schriftliche in- 
stitutio muss sich ja, wenn sie ihren Zweck erfüllen soll, an die münd- 
liche instüutio anlehnen. 

Merkwürdigerweise scheint das schöne Lehrbuch anfangs unbeachtet 
geblieben sein. Die früheste, nicht bestreitbare Erwähnung des Gaius er- 
folgt in dem Gitiergesetz des Jahres 426. Damit war aber dem wackeren 
Juristen noch nachträglich die Auszeichnung zu teil geworden, die er 
längst verdient hatte. Von nun an steigt sein Einfluss. Die lex Romana 
Wisigothorum des Jahres 506 hat die Institutionen des Gaius in verkürzter 
und zum Teil auch interpolierter Gestalt aufgenommen, sie umfassen dort 
zwei Bücher. Die Institutionen des Gaius bildeten neben seinen res coUidianae 
auch die HauptqueUe für die Institutionen des Justinian sowohl in Bezug 
' auf den Stoff als in Bezug auf die Anordnung. Auch in den Rechtsschulen 
wurde sein Lehrbuch gebraucht. 

Die Hypothese Dernburgs, dass die Institutionen des Gains ein 

flberarbeitetes Kollegienheft sind, wurde zu begrflnden versucht in der Schrift Die 

Institutionen des Gaius, ein Eollegienheft aus dem Jahre 161, Halle 1869 (dazu Dbobn- 

KOLB in POzls Vierteljahrsschr. für Gesetzgeb. 14 [1872] p. 489). Sie ist unhaltbar, da sie 

Baadirach der klan. AltertmntwlMeBMbaft. TUI. 8. Teil, 12 



178 Bömisohe LitteratiirgeBohiohte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilang. 

nicht beachtet, dasd es Litteraturgattungen gibt, die sich der entsprechenden mfindlichen 
Erscheinungsform anpassen. So gibt es in unserer Litteratur viele Schriften, welche den 
gelehrten Stoff in Vorlesungen darstellen, die nie gehalten worden sind, 

üeber die Benutzung der Institutionen bei Justinian vgl. prooem. 6 quas 
ex amnibua antiquorum insiittUumibus et pmecipue ex eommentariis Gaii nostri tarn insti- 
tuHonum quam rerutn cottidianum aliiaque muitis eommentariis composUas. 

Institutionen des Gaius in den Rechtsschulen. Justinian Const, Omnem 
reip, (Dig. Prooem. § 1) ist die Rede von den Lehrmitteln des ersten Studienjahres; da 
heisst es: in hin atäem sex libris Gaii nostri institutiones et lihri singulares qttattuor emmera- 
bantur, wo also ein Exemplar in zwei Büchern den Rechtsschulen vorlag, vielleicht ein Auszug. 



5. Q. Gervidius Scaevola und andere zeitgenössische Juristen. 

619. Die Schriften des Q. Cervidius Scaevola. Die Epoche der 
grossen Juristen leiten wir am besten mit dem Lehrer Papinians und des 
Kaisers Septimius Severus,^) Q. Cervidius Scaevola, ein. ^er sein 
äusseres Leben wissen wir fast gar nichts. Er war ein Hauptberater des 
Marcus Aurelius in juristischen Dingen (Dig. 36, 23 pr.). Sehr intensiv 
war auch seine Wirksamkeit als juristischer Lehrer. Endlich gelangte 
er auch als Schriftsteller zu einer hohen Geltung. Er schrieb Noten zu den 
Digesten des Julian (p. 170) und Marcellus (p. 173). Diese Thätigkeit erscheint 
untergeordnet gegenüber der grossartigen, welche er in seinen eigenen di- 
gesta entfaltet hatte. Die vierzig Bücher digesta Scaevolas werden als , eines 
der bedeutendsten Werke der ganzen kasuistischen juristischen Litteratur* an- 
gesehen. Sie geben im wesentlichen responsa, d. h. knappe Entscheidungen 
von Rechtsfragen, meist ohne Angabe von Gründen. Das Werk fallt in 
die Regierungszeit der divi fratres und in die Zeit der Alleinregierung 
des Marcus. Ausser diesen digesta werden auch noch sechs Bücher 
responsa citiert. Das Verhältnis zu den digesta konnte nicht klar erkannt 
werden, solange man nicht über die Abfassungszeit der responsa ins Reine 
gekommen war. Jetzt ist zur grössten Wahrscheinlichkeit gebracht worden, 
dass die responsa des Scaevola nicht vor der Regierung des Septimius 
Severus abgefasst sein können,^) dass also die responsa später sind als 
die digesta. Manche responsa der digesta sind auch in das zweite Werk 
übergegangen. Nicht vor Gonmiodus sind verfasst quaestionum libri XX. 
Unmittelbar aus der Praxis des Unterrichts ging der Über Singular is 
quaestionum publice tractatarum hervor. Scaevola hielt nämlich öffent- 
liche juristische Übungen, zu denen jedermann Zutritt hatte. Die Fragen, die 
in solchen öffentlichen Übungen durchgegangen worden waren, stellte er in 
diesem Schrifkchen zusammen. Der didaktische Zweck ist noch aus den 
Fragmenten zu erkennen; hier war nicht lediglich die richtige Entschei- 
dung das Ziel, sondern auch die Darlegung des richtigen, zur Entscheidung 
des Falls führenden Wegs; es musste daher auf die Fragestellung ein 
hauptsächliches Gewicht gelegt werden. Auch die vier Bücher regu- 
lär um scheinen einen isagogischen Zweck verfolgt zu haben. Aus dem 



>) Gapitol. Marc. 11, 10, Spart. Carac. 8, 8. 

') 0. HiBSCBFBLD, Hennca 12, 142. In 
den responsa findet sich der Titel praefeetus 
legionis nnd zwar ohne Angabe einer be- 
stimmten Legion. «Es ist von G. Wil- 



MAKNS {ephem, epigr, 1, 95) erwiesen worden, 
dass der Name praefeetus legUmis erst unter 
Septimius Severus an Stelle des früher Üb- 
liehen praefeetus castrorum getreten ist*. 



Q. CervidiuB Boaevola. 179 

Index Florentinus ist noch ein Über singularis de quaestione familiae 
bekannt. 

Das Ansehen des Q. Cervidius Scaevola war auch in den späteren 
Zeiten ein grosses; mit den ehrendsten Prädikaten wurde er angeführt. 
Claudius Tryphoninus und Paulus schrieben zu den responsa Noten (Dig. 31, 
88, 12; 40, 9, 26). Vgl. p. 181 und p. 187. 

Andere zeitgenössische Juristen sind: 

1. Papirins Jastas. Von ihm rührt die erste ans bekannte Sammlung 
kaiserlicher Konstitutionen her (de constitutionibus Ubri XX) .Regelmässig 
ist nicht der Text der Eonstitationen, sondern in knapper Fassung die Entscheidung der 
Kaiser gegeben; auch wo der Wortlaut beibehalten wird, ist nur das Wesentliche mitge- 
teilt' (KrOobb, Quellen p. 198). Die Publizierung des Werks erfolgte, wie es scheint, unter 
CommoduB. (Rudobff, R. Rechtsgesch. 1, 274; FiTrmo, Ueber das Alter etc. p. 24; Kablowa, 
R. Rechtsgesch. 1, 730.) 

2. Tarrutenius Paternus (irrig in den Digesten Tarruntenus Patemus) ist der 
erste Bearbeiter des Militärrechts, den wir kennen {de re müitari lü>ri IV), TRt 
bekleidete das Amt €tb epistulis latinis (Dio 71, 12 II 341 Bbkkbb) unter Marcus; später 
wurde er praefeetus praetorio (Dio 71, 38 II 348 B.); als solcher kommandierte er im 
Jahre 179 in dem Krieg gegen die Markomannen; im Jahre 183 wurde er aus der Präfektur 
durch die Beförderung zum Senator entfernt (Lamprid. Commod. 4, 7j, später wegen Hoch- 
▼errats hingerichtet (Dio 72, 5 u. 10 II 352 u. 355 B.). Seine Bücher de re müitari sind in 
den Pandekten ausgezogen, auch von Lydus und Vegetius benutzt Ich habe durch eine 
Analyse der Quellen des Vegetius zu zeigen versucht, wie Fragmente des Tarrutenius 
Patemus aus Vegetius herausgeschält werden können (Hermes 16 [1881] p. 137). — 
DiBKSRN, Der Rechtsgelehrte und Taktiker Pateraus, Hinterl. Schriften 2, 412. 

3. Florentinus, der im Index Florentinus unter 19 zwischen Scaevola und Gaius 
angefahrt wird, mit 12 Bfichem institutiones, üeber sein System vgl. Kbügbb, Quellen 
p. 193, Anm. 17; Lenel, Paling. 1, 171. 

4. Papirius Fronte schrieb mindestens 3 Bücher responsa. Er wird von Cal- 
listratus (Dig. 50, 16, 220, 1) und von Marcianus (Dig. 15, 1, 40 pr.) angefahrt. 

6. Aemilius Papinianus und andere zeitgenössische Juristen. 

620. Die Schriften des Aemilius Papinianus. Der bedeutendste unter 
den sog. klassischen Juristen ist ohne Zweifel Aemilius Papinianus. Wir 
können nicht mit Sicherheit seine Heimat angeben. Wenn die Angabe richtig 
ist, dass Papinian ein Blutsverwandter der Julia, der zweiten Gemahlin 
des Septimius Severus war, so ist es wahrscheinlich, dass er wie diese aus 
Emesa in Syrien stammte. Es kommt hinzu, dass er in seinen Schriften die 
Provinzialverhältnisse besonders berücksichtigte und eine Schrift fQr grie- 
chisch redende Städte in griechischer Sprache schrieb. Papinian stand in 
sehr vertrauten Beziehungen zu Septimius Severus; schon der gemeinsame 
Lehrer Q. Cervidius Scaevola mag sie einander nahe gebracht haben: 
beide bekleideten dasselbe Amt, die advocatio fiscij zuerst Severus, dann 
Papinian. Als Septimius zum Thron gelangt war, wurden ^e Beziehungen 
zwischen beiden Männern noch innigere. Der Kaiser machte seinen Freund 
zum magister libeüorum (Dig. 20, 5, 12 pr.); dann wurde er 90gB,T praefeetus 
praetorio (Dig. 12, 1, 40) und blieb als solcher in unangefochtener Wirk- 
samkeit bis zum Tode des Severus. Allein nach dem Tode des Kaisers 
begannen schwere Zeiten für Papinian. Die Berichte über die Katastrophe, 
welche über den Juristen hereinbrach, differieren in manchen Punkten. 
Sicher ist aber das eine, dass er in den wilden Streitigkeiten, die nach 
dem Tode des Septimius Severus zwischen seinen ungeratenen Söhnen, 

12* 



.i 



180 BOmisohe Litteratnrgesohiohte. IL Dia Zeit der Monarchie. 2. Abteilang. 

Antoninus Caracalla und Geta, ausgebrochen waren, hingerichtet wurde 
(212). Seinen wissenschaftlichen Ruhm verdankt Papinian seinen beiden 
Hauptwerken, den 87 Büchern quaestiones und den 19 Büchern 
responsa. Die ersten sind in der Zeit der Alleinherrschaft des Severus 
(193 — 198) abgefasst, die responsa später, sie fallen in die Zeit der gemein- 
samen Regierung des Severus und des Caracalla. Die quaestiones und wahr- 
scheinlich auch die responsa schliessen sich in der Anordnung des Stoffes 
an das Edikt an. Abgesehen von den Excerpten in den Pandekten, sind uns 
von den Responsen einige Fragmente handschriftlich erhalten; femer haben 
wir daraus einen für sich bestehenden Auszug in der lex Romana Wisigo- 
thorum. In die zweite Linie rücken seine übrigen Schriften; es sind dies 
zwei Bücher definitiones, welche eine allgemeine Übersicht des gel- 
tenden Rechts geben; femer zwei Werke de adulteriisy eines aus zwei 
Büchern bestehend, und eine, vielleicht einen Nachtrag zum ersten bildende, 
Monographie; endlich ein in griechischer Sprache abgefasstes Buch, mit dem 
Titel äarwofiixog; dasselbe erörterte die Amtsbefugnisse der aa%vv6noi\ 
es sind darunter^) wohl die quattuorviri viis in urbe purgandis in den 
Muniz^ien zu verstehen. 

Über die grosse Bedeutung des Papinianus für die Entwicklung der 
Jurisprudenz ist alles einig; schon die Alten haben ihn ausserordentlich 
hochgestellt, in der Biographie des Septimius Severus heisst er «ium asylum 
ei dodrinae legalis thesaurus'' J) Aber auch die moderne Zeit zollt ihm unge- 
teilte Bewunderung. Der grosse Jurist Puchta sagt:^) „Die Überbleibsel 
(seiner Schriften) gehören in Gehalt und Form zu dem Vorzüglichsten, was die 
juristische Litteratur aller Zeiten aufzuweisen hat, sie bewähren, dass sein 
Ruhm kein zufalliger war, und machen ihn auch als Schriftsteller zu dem 
ersten Muster für jeden Juristen. ** Seine Methode, welche die kasuistische 
war, kennzeichnet Sohm *) als eine solche, welche eine Masse von Einzel- 
fragen in lichtvollster Weise behandelte, gross in der Formulierung und 
zugleich in der Begrenzung der Entscheidung war und hinriss, auch wo 
gar keine Gründe gegeben wurden, durch den Einklang des gesetzten 
Rechtssatzes mit dem scharf hervorgehobenen Kern des Thatbestandes. 
G. Bruns^) hebt besonders warm die plastische Darstellung des grossen 
Juristen hervor. „Mit derselben Schärfe und Bestimmtheit, wie das ganze 
Rechtsverhältnis nach seinen faktischen und juristischen Momenten geistig 
vor ihm steht, stellt er auch in seiner vortrefflichen Sprache mit kurzen 
und schlagenden Worten dar, von dem Faktischen nur das Wesentliche 
anfahrend, von dem Juristischen nur den eigentlichen Kern der Entschei- 
dung hervorhebend, das Übrige voraussetzend, oft das Faktum und die 
Entscheidung in einen Satz mit überraschender Kühnheit verbindend/ 
Auch der Laie erfreut sich an der harmonischen Natur des Juristen, 
der römische Festigkeit und griechischen Formensinn in sich vereinigte, 
und der die Grundsätze des Rechts auch durch 'sein Leben verwirklichte. 
Die Erzählungen, die sich an seinen Tod knüpfen, laufen auf den Satz hin- 



>) MoMMBEir, Staatsr. II > 603. 
2) Spart. Seyer. 21, 8. 
»j Instit. 1 • p. 267. 



^) Instii« p. 68. 

^) Fault, Realeocyklopftdie 5, 1141. 



"--- — -••■ > -. M_P k« _■ 



Aemilins Papinianns. 181 

aus, dass das Recht Recht bleiben muss, und dass Handlungen, welche 
gegen die Pietät und überhaupt gegen die guten Sitten Verstössen, für 
uns unmöglich sein sollen (Dig. 28, 7, 15). 

üeber das Leben Papinians sind die Hanptstellen: Spart. Carao. 8, 1 
seio de Fapiniani neee tnuUos ita in lütertM rettulisae, ut caedia nan adsciverint causam, 
aliis alia referentibus; aed ego malui varietatem opinionum edere quam de 
tanti tfiri caede reticere, Papinianum amieiaaimum fuisae imperatari Severo et, ut aliqui 
loquuntur, adfinem etiam per aeeundam uxarem, memoriae traditur; et huic praeeipue 
utrumque fUium a Severo commendatum, eumque cum Severo profeaaum siib Seaevdla et 
Severo in advocatione fisci successiaae, atque ob hoc eoncordiae fratrum Antoninarum faviaae. 
Da die Ton Dio 76, 10 (11 399 Bbkkbii) era&hlte Amtshandlung des Papinianos als praefectua 
praetorio ins Jahr 204 zu fallen scheint, so war er vielleicht unmittelbarer Nachfolger des Plau- 
tianus, der 203 getötet ward; vgl. die Inschrift bei Oa. Hknzbh 5603, die sich auf 205 bezieht. 
Üeber seine Absetzung durch Caracalla nach seiner Thronbesteigung (211) berichtet Dio 
77, 1 (II 403 Brkkbb) tovs d^ drj oixslovs tovg (jkhv dntjXXaieyy toy xal üajiiyutyo^ 6 htag^o^ 
^y, tovs <fö xal dnijexatyay. Nach anderer Version blieb er im Amt bis zu seinem Tode 
(Spart. Garac. 8, 8), über den verschiedene Berichte umliefen; vgl. 1. c. des Spart, und 4, 1, 
dann Dio 77, 4 (II 405 BsKXsa) ig dvo fivQiddac naaaxQfjfMt dnixtaiyay — i* dk xtoy 
inupaymy dydQtiy alXovs xe xal toy llamyiayoy ' xta r^ ya toy Uan^ywyoy tpoyavaaytk 
inetifitjOBy, oti d^iyp etvxoy xal ov ^itpei diexQiJ<faTo, 

Ueber die Abfassungszeit der quaeationea und reaponaa siehe Fittino, 
üeber das Alter etc. p. 30 und p. 32. Vgl. bezfiglich der quaeationea Dig. 31, 64; 22, 3, 26; 
31, 67, 9; 22, 1, 6, 1; 50, 5, 7 bezüglich der reaponaa vgl. 50, 5, 8 pr.; 24, 1, 32, 16; 
27, 1, 30 pr.; 34, 9, 16, 1; 31, 78, 1. Die reaponaa halten für nicht vollendet Fittikq p. 32, 
pEBmcB, Labeo 1^ 62 Anm. 9 und Karlowa, R. Rechtsgesch. 1, 737. 

Die Berliner und die Pariser Fragmente der Resjponsa Papinians. Im 
Jahre 1877 kamen von Aegypten einzelne Bl&tter einer Handschrift, die dem vierten oder 
f^fien Jahrhundert angehörte, nach Berlin. Diese Berliner Fragmente gehören dem 
5. Bach der reaponaa Papinians an und handeln von der Vormundschaft und der bonorum 
poaeaaio contra tabulaa. Es kamen 1882 weitere Fragmente nach Paris. Die Pariser 
Fragmente, welche von der Freilassung handeln, gehören dem 9. Buch an. 

Litteratur: a) Die Berliner Fragmente. EaüexR, Zeitschr. der Savignystiftung 
1 (1880) p. 93; 2 (1881) p. 83; Huschkb, Die jüngst aufgefundenen Bruchstücke aus 
Schriften röm. Juristen, Leipz. 1880; ALisaAüni, Studi e documenti di atoria e diritto 1 
(1880) p. 509, 2 (1801) p. 63; BaiNz, Münchner Sitzungsber. 1884 p. 562. 

ß) Pariser Fragmente. Dabbstb, NouveUe Revue hiatorique 1S8Z p. 361; Kbüobr, 
Zeitschr. der Savignystiftung 5 (1884) p. 166; Husobkb 1. c. p. 181; Alibbahdi 1. c. 4 (1883) 
p. 125. 

Literatur. Dibksbb, Die schriftstellerische Bedeutung des Papinian, Hinterl. Sehr. 
2, 449; Kalb, Roms Juristen p. 107; Lbipold im Progr. von Passau 1891. 

Andere zeitgenössische Juristen sind: 

1. Callistratus, wie schon der Name sagt, griechischer Herkunft, welcher der 
lateinischen Sprache nicht vollst&ndig mftchtig war. Seine Schriften sind 

a) de iure fiaci libri IV; 

ß) quaeationum libri II; 

y) de cognitionibua libri VI; 

d) inatitutionum libri III; 

a) edieti monitorii oder ad edictum monitorium libri VI, eine kurze Be- 
arbeitung des edictum perpetuum (über den Titel vgl. Ruoobff, Zeitschr. f. Rechtsgesch. 
8,28 und Pemice Miscellanea p. 102). 

Die Schriften a und ß smd unter Severus geschrieben (Dig. 49, 14, 2, 6; 1, 3, 38); 
die Schrift y dagegen unter Severus und Caracalla (Dig. 1,19,3,2; 50,2,11). In den 
Büchern de cognitionibua nimmt er besondere Rücksicht auf die Provinzen ; Bbbiueb, Rechts- 
lehrer p. 97 vermutet daher, dass die Schrift in einer Provinzialstadt (Seestadt) ge- 
schrieben ist. 

2. Claudius Tryphoninus, Mitglied deBconaüium unter Severus (Dig. 49, 14,50). 
Er schrieb Notae zu Scaevolas Digesten, und die diaputationum libri XXI 
(Dig. 20, 5, 12, 1; 49, 7, 10), deren erste Hälfte unter Caracalla und Geta abgefasst ist 
(Dig. 27, 1, 44 pr.; 49, 15, 12, 17; 3, 1, 11; 48, 19, 39) (FimNo, Ueber das Alter etc. p. 32). 
Die Bücher , folgen der Ordnung des Edikts, reichen aber nur bis zum Testament, so dass 
man annehmen muss, das Werk sei entweder unvollendet geblieben oder habe den Korn- 
pilatcren nur etwa zur Hftlfte vorgelegen* (Ebüoxb, Quellen p. 201). 



1 82 BOmiache Litteratargesohichte. II. Die Zeit der Xonar^hie. 2. Abieilnng. 

3. ArriuB Menander schrieb unter Severus und Garacalla (Dig. 49, 16, 13, 6) vgl. 
FiTTiNG, Ueber das Alter d. 8ch. p. 33) 4 Bücher de re militari. 

4. Tertttllianus. Von ihm sind in den Pandekten ausgezogen quaestionum 
lihri Vlllxmd der liber aingularis de castrenai peculio, Tertullian kann nicht nach 
Garacalla geschrieben haben, denn er wird von Ulpian ad Sabinum citiert (Dig. 29, 2, 30, 6), 
welche Schrift unter Garacalla abgefasst wurde. Bezüglich des liber singularis nimmt 
FiTTiKO, Ueber das Alt«r etc. p. 33 auf Grund von Dig. 49, 17, 4 an, dass derselbe erst 
unter Severus entstanden ist, weil in der angeführten Stelle von einem Bestandteil des eastreiMe 
peculium geredet wird, welcher erst in der Zeit von Marcus bis Severus, und sehr wahr- 
scheinlich erst unter dem letztgenannten Kaiser entstanden ist*. Es ist eine bekannte 
Streitfrage, ob der Jurist mit dem Kirchenschriftsteller identisch ist. Fest steht, dass der 
Jurist zu derselben Zeit lebte wie der Kirchenvater. Auch ist es richtig, dass in Ter- 
tuUians Schriften vielfach Juristisches durchklingt; Eusebios nennt ihn einen jovg 
'Pto/Äaiofy yofiovg ^XQißtoxota aydqa (hist. eccK 2, 2); man hat aus der Stelle geschlossen, 
dass Tertullian Sachwalter war. Allein die Entscheidung ist davon abh&ngig zu machen, 
ob die juristischen Schriften in dieselbe Zeit fallen wie die theologischen. Findet dies 
statt, so haben wir die Identität aufzugeben, denn wer Tertullian kennt, wird es nicht für 
möglich erachten, dass der Autor zu gleicher Zeit noch weltlichen Disziplinen seine Auf- 
merksamkeit zuwendete. Eine juristische Schriftstellerei des Kirchenvatera Tertullian ist 
nur denkbar in der Zeit, ehe er Ghrist wurde. Leider kann die Abfassungszeit der juri- 
stischen Schriften Tertullians nicht so bestimmt werden, dass wir mit Sicherheit sagen 
könnten, sie fielen vor die kirchlichen. Alles erwogen, scheint der juristische Schriftsteller 
doch ein anderer zu sein als der kirchliche, zumal die Sprache des Juristen sehr abweicht 
von der des Kirchenvaters. Für Identität sprechen sich mit mehr oder weniger Bestimmt- 
heit ausRüDOBFF, R. Rechtsgesch. 1, 196; Bbbmbb, Rechtslehrerp. 95; Kablowa, Rom. Rechts- 
gesch. 1, 739; Fittino, Ueber das Alter d. Seh. p. 33; gegen Identität KbOgbb, Quellen p. 203. 

7. Domitius ülpianus. 

621. Die Schriftstellerei ülpians. Nach Papinian beginnt das 
Zeitalter der Epigonen in der juristischen Litteratur. Ulpian und Paulus sind 
ohne Zweifel auch tüchtige Juristen, allein sie stehen weit hinter Papinian 
zurück; sie legen mehr Nachdruck auf muüa, statt auf muUum. Ihre 
Schriftstellerei ist eine so ausgedehnte, dass ein tieferes Eindringen in 
die Sache unmöglich gemacht war. Die Polyhistorie wurde jetzt das 
wesentliche Element der juristischen Schriftstellerei. 

Ulpian stammt aus Tyrus in Phönicien; er sagt es selbst, dass dort 
seine origo sei. Diese Ausdrucksweise lässt darauf schliessen, dass seine 
Eltern, nicht er selbst in Tyrus geboren waren. Wo er erzogen wurde, 
wer seine Lehrer waren, wissen wir nicht. Mehr erfahren wir über 
den grossen Juristen, als er in Rom in Amt und Würde sich befand. 
Aber auch hier zeigt sich noch mancher unaufgeklärte Punkt. Wir 
werden folgende Daten als gesicherte zu betrachten haben. Vor allem 
ist zweifellos, dass Ulpian durch seine Rechtskenntnis seine Karriere 
machte. Wir finden ihn mit Paulus als Assessor des praefectus praetorio 
Papinian. Auch magister a libellis war er, vielleicht schon unter den 
Kaisern Garacalla und Heliogabalus. Bei dem letzteren fiel er aber in 
Ungnade, und es mag sich die Ungnade in seiner Entfernung von dem Amt 
der Bittschriften geäussert haben. Zu grosser Macht gelangte er unter 
Alexander Severus (222 — 285). Im Jahre 222 tritt er in einem Reskript 
als praefectus annonae auf, und Ende desselben Jahres kann er urkundlich 
als praefectus praetorio nachgewiesen werden. Anfangs teilte er dieses 
Amt mit Flavianus und Ghrestus, allein er beseitigte sie, indem er sie 
hinrichten liess; jetzt war er im Vollbesitz der Macht; der Kaiser hörte auf 
ihn wie auf einen Vormund, auch die Mutter des Kaisers, Mammaea, die 



Domitins ülpianiM. I33 

anfangs seine Gegnerin war, war später ganz für ihn eingenommen. Allein 
auch ihn ereilte das Geschick; im Jahre 228 wurde er in der Nacht von 
den Pratorianem, die ihn hassten, überfallen und ermordet (Dio 80, 1). 

Ulpian war ein ungemein fleissiger Schriftsteller; seine Werke er- 
streckten sich über alle Gebiete des Rechts. Der grösste Teil derselben 
fällt in die Zeit der Alleinregierung Caracallas (212 — 217). Seine Haupt- 
werke waren die 81 Bücher ad edictum praetoris, wozu noch 
zwei Bücher ad edictum aedilium curulium kommen, so dass das 
Werk im ganzen 83 Bücher umfasste; dasselbe bildete die Grundlage für 
die Pandekten. In diesem Werk war das prätorische Recht bearbeitet. 
Ulpian wollte aber das gesamte Recht behandeln, es fehlte noch das iua 
civüe; zur Darstellung desselben legte er die berühmten libri tres iuris 
civilis des Sabinus (§ 489, 1) zu Grund; auf dem Fundament des Sabinus- 
systems ruhen die 51 Bücher ad Masurium Sabinum. Das Werk 
war in zwei Ausgaben vorhanden. Wie angesehen dasselbe war, zeigen 
die griechischen Scholien zu demselben, von denen in neuester Zeit einige 
Fragmente im Sinaikloster aufgefunden wurden. Ausser diesen beiden 
Hauptwerken verfasste Ulpian noch eine grosse Reihe von Schriften, 
welche sich auf die in der Kaiserzeit aufgekommenen Rechtsinstitute be- 
ziehen, Erläuterungen einzelner leges, Erörterungen über den Wirkungs- 
kreis verschiedener Magistraturen, Darstellungen einzelner Rechtsinstitute. 
Hiezu gesellt sich die wissenschaftliche Behandlung schwieriger Rechts- 
fragen in den disputaiionum publicarum libri X, und in den respon- 
sorum libri IL Aber auch Schriften didaktischer Natur, welche zur 
Einführung in das Recht dienten, schrieb er, wie den liber singularis re- 
gularum und die institutionum libri II; wir werden über dieselben eigens 
handeln. Mehr für den praktischen Gebrauch waren, wie es scheint, be- 
stimmt die opinionum libri VI und die regularum libri VIL 

Gewiss ergreift uns ein (Gefühl des Staunens, wenn wir die reiche 
Schriftstellerei Ulpians überschauen. Unser Erstaunen wächst aber noch, 
wenn wir weiterhin sehen, dass diese zahlreichen Werke sich in einen 
kleinen Zeitraum zusammendrängen. Allein die Vertiefung in die Wissen- 
schaft ist bei solcher Masse nicht möglich. Ulpian wurde zwar auch von 
den nachfolgenden Geschlechtem bewundert und er verdient diese Bewunde- 
rung schon wegen seiner gewandten Darstellung, allein wie er als Charakter 
weit hinter Papinian zurücksteht, so auch als Gelehrter. 

Das Leben ülpians. Ueber seine Herkanft. Dig. 50, 15, 1 pr. est in Syria 
Fhaeniee splendidissima Tyriorum colonia, unde mihi origo est (Worte Ulpians). Dass 
er Assessor im Konsilium eines Praetor war, zeigt Dig. 4, 2, 9, 3 et praetarem me ad- 
sidente interloeutum esse (40, 2, 8) Spart. Pescenn. 7, 4 Pauli et ülpiani praefecturae, qui 
Fapiniano in consilio fuerunt ae postea cum unus ad msmariam, alter ad libellos paruisset, 
statim praefecti facti sunt, Lamprid. Heliog. 16, 4 remavit et Ulpianum iuris canstUtum ut bonum 
rirum et Silvinum rhetorefn, quem magistrum Caesaris fecerat. Lamprid. Alex. Sever. 26, 5 
Faulum et Ulpianum in magno hanore habuit, quos praefectos ah Heliogabalo alii dicunt factos, 
alii ab ipso; nam et consUiarius Älexandri et magister scrinii ülpianus fuisse perhibetur, qui 
tarnen ambo assessores Papiniani fuisse dicuntur. Vict. Caes. 24, 6 Domitium Ulpianum, quem 
Heliogabalus praetorianis praefecerat. Aus diesen Zeugnissen geht hervor, dass 1. strittig war, 
wann Ulpian praefectus praetorio wurde. Richtig ist, dass Ulpian erst unter Alexander Severus 
(222—235) dieses Amt erhielt; denn in einem Reskript des Jahres 222 März (Cod. 8, 38, 4) 
erscheint er noch als praefectus annonae, dagegen in einem Reskript vom Dezember 222 



184 ^mische LitteratargeschtGhie. II. Die Zeit der Monarchie. 8. Abteilung. 

(Cod. 4, 65, 4) als praefectus praetorio. Also kann er erst unter Alex. Severas das Amt 
erhalten haben und so berichtet auch Dio 80, 1 (II 454 Bekkbb) 'AXi^atf^Qog — OvXniavt^ 
tijy te Tfoy öoQvtpogoty nqoaxaciav xal ra Xointi rrjg agj^g in^Q€\pB ngayfitna ; 2. es wild 
berichtet, dass Ulpian nto^ür^er libellorum ytkt und sofort {statim) zam pr<tefectus praetario 
ernannt wurde. Allein, da wir wissen, dass Ulpian auch praefectus annonae war, so ist 
diese Nachricht bedenklich. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass viel frflher (unter 
Caracalla oder Heliogabalus) Ulpian magister libeUorum war; 3. es ist unklar, worauf sich 
das „retnovU {Heliogabalus^ bezog. Kablowa, R. Rechtsgesch. 1, 741 bezieht es auf die 
Entfernung von dem Amt a libellis. , Alexander Severus hfttte ihn dann wieder herange- 
zogen und zunächst zum Mitglied seines consilium und zum praefectus annanae, spftter zum 
praefectus praetorio ernannt.* 

Ueber die Abfassungszeit der Schriften ülpians vgl. im allgemeinen 
FiTTiKO, Ueber das Alter etc. p. 34; EbOobb, Quellen p. 216, Ober die einzelnen Schriiften 
Kablowa, R. Rechtsgesch. 1, 748. Vor dem Tod des Septimius Severus ist der liber singularis 
de excusationibus herausgegeben; die ersten 85 Bflcher zum edictum sind noch unter Se- 
verus und Caracalla abgefasst, unter Caracalla wurden sie für die Herausgabe nochmals 
überarbeitet, aber so, dass nicht alle Spuren der Zeit der ersten Bearbeitong verwischt 
wurden (Mommsen, Zeitschr. für Rechtsgesch. 9, 101; Kablowa, R. Reditsgesch. 1,743). 
Strittig ist, ob die folgenden Bacher s&mtlich unter Caracallas Alleinregierung (212—217) 
geschrieben sind. Der Sabinuskommentar ist unter Caracallas Alleinregierung herausge- 
geben worden. 

Die zwei Ausgaben der lihri ad Sahinum, Praef. de emendatione oodicis 
§ 3 : in antiquis etenim libris non soJum primas editiones, sed etiam secundas, quas repetitae 
praelectionis veteres nominabant, suhsecutas esse invenimus, quad ex libris ülpiani viri 
prudentissimi ad Sabinutn scriptis promptum erat quaerentibus reperire. (Dagegen Kablowa, 
R. Rechtsgesch. 1, 744). 

Die griechischen Scholien zu Ulpians libri ad Sahinum. Bmchst&cke 
derselben wurden aufgefunden von G. Bebnabdakis, publiziert nach seinem Apographon 
von Dabbstb, Bulletin de corresp. HellSnique 4 (1880) p. 449 ; NouveUe Bevue de droit 
fran^is et Stranger 4 (1880) p. 643, von Zachabiae, Monaisber. der Berl. Akad. 1881 
p. 621, von Kbügeb, Zeitschr. der Savignystiftung 4, 1 und von Husohkb, Jurürpr. Anteiust.* 
p. 815. Die Scholien, welche vor Justinian abgefasst wurden, sind selbstftndig ohne Text 
und sind aus dem Schulunterricht hervorgegangen. 

Litter atur. Pebnicb, Ulpian als Schriftsteller, Berl. Sitzungsber. 1885 p. 443; Kalb 
1. c. p. 126. 

623. Ulpians liber singnlaris regnüanuiL Im Jahre 1514 fand 
Dutillet, der seinen Namen in Tilius latinisierte, in einer Handschrift der 
lex Rornana Wisigothorum ein Werk Ulpians und gab dasselbe Paris 1549 
heraus. Die Handschrift war lange verschollen, Savigny hat sie in einem 
VaticanuS'Beginensis 1128 s. X wiedergefunden. Es ist dies die einzige 
Handschrift des Ulpianischen Werks. Dasselbe wird in dem genannten 
Codex als Anhang, nicht als Bestandteil der lex Romana Wisigothorum 
gegeben; es wird eingeführt durch die Überschrift ,ftituli ex corpore Ulpiani'. 
Sehr üblich ist für die Schrift die Bezeichnung „fragmenta Ulpiani'^ ge- 
worden. Das Werk ist ein Auszug aus Ulpians liber singularis regularum^ 
der nach Mommsen nicht lange nach 320 gemacht wurde. ^) Dieser Charakter 
des Werkes erhellt aus der Übereinstimmung einer Stelle des Buchs mit 
einer Digestenstelle, welche hier ausdrücklich dem liber singularis regularum 
zugeschrieben wird (20, 6 = Dig. 22, 5, 17).*) Der liber singularis wollte 
offenbar das gesamte Rechtssystem zur Darstellung bringen und schloss 
sich zu diesem Zweck an die Institutionen des Gaius an. Ergänzungen zu 
dem Werk liefern die Pandekten und die CoUatio, 

Ueber eine Verwirrung am Anfang der Handschrift vgl. Kbügbb Ausg. p. 3. 
Ausgaben von BOoking (Leipz> 1855), Vahlen Bonn 1856 und KbOgbb ülpiani 
Über singularis etc., Berl. 1878. 



Ausg. von BöoKiNG p. 111. (Krügbb, QueUen p. 248, 29). 

*J Auch die üebereinstimmung der CoÜatio 6> 2 = Ulp. 5, 6. 7 beweist dies. 



I 



JaliiiB Paulas. 185 

624. Die Institutionen ülpians. Der Wiener Bibliothekar Endlicher 
entdeckte, dass mehrere Pergamentstreifen, die für eine Papyrushand- 
schrift verwendet waren, ursprünglich einer juristischen Schrift ange- 
hörten. Welcher Schrift, konnte kein Zweifel sein, da auf einem Streifen 
ülp. Inst, zu lesen war; man hatte also Reste von ülpians Institutionen 
vor sich. Sie gehörten zwei nicht aufeinander folgenden Blättern eines 
verlorenen, wohl dem fünften oder sechsten Jahrhundert angehörigen 
Codex an. Sie handeln über Eontrakte und Interdikte. Zum erstenmal 
wurden diese Fragmente 1835 von ihrem Entdecker herausgegeben. 

Andere Ausgaben von Bbrmsb {De ülpiani imtit. aeripsit, instit. reliquiM adiecit, 
Bonn 1863), von EbOoeb, Erit. Versuche auf dem Gebiet des r5m. Rechts, Berl. 1870 
p. 163 und Ulpiani Jiber singtUarU regularum etc., Berl. 1878 p. 157. 

Die übrigen Schriften Ülpians sind: 

1. liber ainguJaria de aponaalibus; 

2. Fideicommisaorutn librt VI; 

3. de appellationihua libri IV; 

4. ad legem Äeliam Sentiam libri IV; 

5. ad legem Juliam et Papiam libri XX; 

6. de adulteris (ad legem Juliam de adulteriia) libri V; 

7. de officio proconsulia libri X; vgl. über die Schrift Rudobff, Abh. der Berl. 
Akad. 1865 p. 258 ,fnr das Strafrecht ungefähr dasselbe, was Ülpians grosser Edikts- 
kommentar für das Civilrecht" (Nbumakn, Der römische Staat und die allgem. Eirche 
1,203 Anm. 4); 

8. de officio consulis libri III; 
/ 9. de officio consularium; 

10. de officio quaestoris. Dig. 2, 1, 3 hat die üeberschrift: Ulpianus libro aecundo 
de officio qudteatoria. Allein es muss wa]br8chein]ich heissen : de officio proconatdia (Earlowa, 
R. Rechtsgesch. 1, 742; anders Bbbmeb, Rechtslehrer p. 86); 

11. de officio praefecti urbi; 

12. de officio praefecti vigilum; 

13. de officio curatoria reipublicae; 

14. de excuaationibua, 

15. de officio praetoria tutelaria; .es ist gewissermassen die zweite Auflage 
der Schrift de excuaationibtia*' ; 

Alle von 9 — 15 aufgezählten Nummern sind libri aingularea. 

16. De omnibua tribunalibua libri X; 

17. de cenaibua libri VI; 

18. Pandectarum libri X; dies ist der Titel im Index Florentinus, in den Di- 
gesten werden aber zwei Excerpte aus einem liber aingtdaria pandectarum angeführt. 
«Der Sachverhalt mag der sein, dass von Ülpians nicht stai'k benutzten pandectnrum 
libri X nur ein Buch bis auf die Zeit der Eompilatoren gekommen war, welches in den 
Digesteninskriptionen nicht zutreffend als liber aingularia bezeichnet ist** (Eablowa, R. 
Rechtsgesch. 1, 742); 

19. Noten zu Marcellus* Digesten (p. 173) und zu Papinians Responsen (p. 180). 

8. Julius Paulus. 

625. Die Schriftstellerei des Julius Paulus. Gleichzeitig mit Ul- 
pian lebte Julius Paulus, ebenfalls ein sehr fruchtbarer Schriftsteller. Die 
Beziehungen zwischen den beiden Juristen scheinen nicht besonders innige 
gewesen zu sein, denn sie citieren sich gegenseitig nicht in ihren Schriften.^) 
Über die Heimat des Julius Paulus fehlt uns jede Kunde. Besser sind 
wir über seine Lebensverhältnisse unterrichtet. Wir finden ihn zuerst als 
Rechtsanwalt thätig, dann als Assessor des praefectus praetorio Papinian. 
Er war magister memorioie^ auch wurde er zu dem kaiserlichen consüium 
beigezogen, hier fungierte er noch neben Papinian. Von Heliogabalus 

Kbügbb, Quellen p. 224 (scheinbare Ausnahme Dig. 19, 1, 43). 



186 Bömisohe Lüteratorgeschichte. II. Die Zeit der Monarchie. 8. Abteilimg. 

vertrieben, wurde er von Alexander Severus zurückgerufen und von ihm 
sogar zum praefectus praetorio gemacht. Seine Schriftstellerei umfasst 
alle Zweige der Jurisprudenz, das Cüvilrecht, das %u8 honorarium \m^ das 
Eaiserrecht. Sieht man von den Noten zu juristischen Werken ab, so 
zählen wir 86 Schriften in 319 Büchern >). Diese grosse Fülle von Schriften 
rührt besonders daher, dass die Monographie anfängt in der juristischen 
Litteratur stark hervorzutreten. Zeitlich erstrecken die Werke sich von der 
Regierung des Commodus bis auf die des Alexander Severus. Seine Schrift^ 
stellerei berührt sich sehr mit der des Ulpian; nicht wenige Titel sind 
bei beiden Autoren dieselben. Beide stecken sich das Ziel, das gesamte 
Recht zu umspannen und gewissermassen die Schlussredaktion des bisher 
in der Jurisprudenz Geleisteten vorzunehmen; Paulus zeigt grössere Selbst- 
ständigkeit seinen Vorgängern gegenüber als ülpian, dieser übertrifft ihn 
jedoch an Klarheit und Gewandtheit der Darstellung. Die Haugjtwerke 
des Paulus waren ein Kommentar zum Edikt {ad edictum libri LXXX)^ 
wobei aber die zwei Bücher ad edictum aedilium curulium mitein- 
begriffen sind, ferner der Sabinuskommentar {ad Sabinum libri XFi), 
d. h. eine Darstellung des Civilrechts nach dem System des Sabinus. Neben 
dem grösseren Werk über das Edikt erscheint auch ein kleineres, das 
im Index Florentinus als Brevia (23 Bücher) aufgeführt wird. In den 
Digesten selbst wird es von Buch 27 an als breve edictum citiert. Die 
fragmenta vaticana (§310) geben das Citat: Paulus lib. XXIII ad edictum 
de brevibus. Das Verhältnis dieser kleineren Schrift zu der grösseren ist 
nicht ganz klar und wird verschieden aufgefasst. Wahrscheinlich waren 
die brevia ad edictum „eine kurze Erörterung des Edikts im Gegensatz des 
ausführlichen Kommentars. ^ ') 

Ueber das Leben des Paulus. Zuerst Rechtsanwalt (Dig. 32, 78, 6) egoapud 
praetor em fideicommiasarium petebam — nee optinui, dann Assessor des praefectus prae- 
torio Papinian (Big. 12, 1, 40 lecta est in auditorio AemiHi Papiniani praefecti praetorio 
iuris consuUi cautio huiustnodi). Die Stelle kann auch so aufgefasst werden, dass sie auf 
das auditorium des Aemilius Papinianus, des späteren praefecti praetorio bezogen wird 
(Bbexeb, Rechtslehrer p. 62, 269). Weiter war er magister memoriae (vgl. Spart. 
Peso. 7, 4, die Stelle siehe oben p. 183), wir wissen nicht, ob er dieses Amt unter Septimias 
Severus oder Caracalla bekleidete; er war auch Mitglied des kaiserlichen Kon- 
siliums und Kwar neben Papinian, also unter Severus oder Caracalla (Dig. 29, 2, 97). 
Endlich erreichte er die Stelle eines praefectus praetorio unter Alexander Severus, 
der ihn aus der Verbannung, in die ihn Heliogabalus Verstössen hatte, zurückrief (Aurel. 
Yici Gaes. 24, 6). Wahrscheinlich erlangte er dieses Amt erst nach dem Tod ülpians 
(Eablowa, R. Rechtsgesch. 1, 745). 

Litteratur: Witte in Ersch und Grubers Encyklopädie 3, 14, 221; Abvdts, Civil. 
Schriften, Stuttg. 1874 p. 101; Tzschibkeb, Zeitschr. f. Rechtsgesch. 12, 149; Kalb 1. c. p. 135. 

626. Sententiartun ad filium 1. V. Für den praktischen Gebrauch 
schrieb Paulus auch ein Kompendium betitelt sententiae. Hier wurden die 
Rechtssätze in der Ordnung des Ediktssystems vorgetragen, ohne Be- 
gründung, ohne Anführung von Autorcitaten oder Gesetzesstellen, ohne 
Kontroversen. Sie wurden in fiinf Bücher untergebracht; innerhalb der 
Bücher wurden Rubriken gemacht.^) Als unter dem Westgothenkönig 



KbOorb, Quellen p. 204. 

s) Eablowa, R. Rechtsgesch. 1,636. Vgl. 
RuDOBFF, de iurisdictione edictum p. 14; 
Pbbnicb, Miscell. 1, 105; Hubghkx, Publi' 



ciana p. 5, KbOgbb, Quellen p. 207. 

^) Ebügbb, p. 42 betrachtet die jetzigen 
nicht als die ursprünglichen. 



Joliiia Paulas. 187 

Alarich 11 sich das Bedürfnis einstellte, die Bechtsgebräuche der in 
seinem Reich lebenden Römer aufzuzeichnen, wie dies unter seinem Vor- 
gänger Eurich für die Westgothen geschehen war, wurde, wie aus anderen 
römischen Rechtsquellen, so auch aus diesen sententiae Auszüge gemacht. 
Da diese Auszüge nicht ineinander verarbeitet, sondern als selbständige Ab- 
schnitte belassen wurden, so bekommen wir das Gerüst der Schrift, und 
wir können jetzt auch die sententiae, welche in andere Quellenwerke, wie 
in die Vaticana fragmenta, die coüatio und constdtatio übergegangen sind, 
an den passenden Ort einfügen. Überdies wurden in einzelnen Handschriften 
der lex Romana Wisigothorum nachträglich noch Zusätze aus den sententiae 
gemacht; dadurch können wir manche Rubriken vervollständigen. 

J^er Zus&iz „reeeptarum" zu sententiarum, der sich in manchen Handschriften 
der lex Bomana findet, ist nicht echt vgl. KbOobr p. 45. Eine Vermutung über die Be- 
deutung dieses Zusatzes bei Pücbta, Instit. I ', 290. 

Ueber die Ergänzung der sententiae in anderen Handschriften vgl. 
Deoenkolb, comment, Momms. p. 646, ErOoeb p. 44. 

Massgebende Ausgabe von Kbüoeb, Ulpiani liber singularie sententiarum Pauli 
libri quinque sententiarum, Berl. 1878. 

Der Schriften des Paulus sind so viele, dass wir sie nach Kategorien aufzählen mttssen. 
Ausser den schon im Texte behandelten sind es noch folgende: 

a) Noten zu fremden Werken. 
1. Noten zu Julians Digesten (§614); er legte hiebei die Bearbeitung des Mar- 
ceUus (§616 p. 178) zu Grunde (Dig. 5, 1, 75; 15, 3, 14; 39, 6, 15); 2. zu Scaevola (§ 619); 
3. zu Papinian ; 4. od Neratium libri IV (§ 488, 5). (Ueber Noten des Paulus zu Javolenus 
vgl. Lbnbl, Paling. 1, 800, 3.) — Verwandt ist damit das Werk ad Vitellium libri IV, 
eine Bearbeitung des Kommentars des Sabinus (§ 489) zu Vitellius und die Bearbeitung 
des Plautius, der gleichzeitig mit Caelius Sabinus und Pegasus gelebt zu haben scheint, 
in 18 BD ehern (Kablowa, R. Rechtsgesch. 1, 696; Kbüobb, Quellen p. 159). 

ß) Auszüge aus fremden Werken. 
1. Labeonis ni&aytSv libri oeto a Paulo epitomatorum; zu den Auszügen 
wurden kritische Zusätze gemacht; 2. libri (mindestens 8) Epitomarum Alfeni Di- 
gestorum, 

Y) Sammlungen von Entscheidungen. 
1. Deeretorum libri III; 2. imperialium sententiarum in eognitionibus 
prolatarum {Faetorum) libri VI. Beide Schriften sind eine Frucht der Thätigkeit 
des Paulus im consüium principis. (Lenel, Paling. 1, 959, 1.) 

(f) Bearbeitungen einzelner Gesetze. 
1. ad legem Cinciam; 2. ad legem Faleidiam; 3. ad legem Juliam et 
Papiam libri X; 4. ad legem Juliam maiestatis libri II; 5. ad legem Äeliam 
Sentiam libri III; 6. ad legem Fufiam Caniniam; 7. ad legem Vellaeam; 
8. ad legem municipalem; 9. ad Sctum Silanianum\ 10. ad Sctum Velleianum; 
11. ad Sctum Turpillianum; 12. ad Sctum Libonianum; 13. ad Sctum Clan- 
dianum;^) 14. ad Sctum Tertullianum; 15. ad Sctum Orfitianum; 16. ad 
orationem divi (divorum) Antonini et Commodi; 17. ad orationem divi Severi, 

e) Allgemeine Schriften über das Recht. 
1. de legibus; 2. de senatus consultis; 3. de iure singulari; 4, de iuris 
et facti ignorantia» 

Handbücher für den praktischen Gebrauch. 
1. quaestionum libri XXVI; 2. responsorum libri XXIII; 3. regularum 
libri VII; 4. de variis lectionibus; 5. manualium libri IIL 

fj) Schulbücher. 
1. institutionum libri II (neue Bruchstücke teilt aus einem ungedruckten Kom- 
mentar zu Cic, de inv, mit Thomas, Bevue de Pinstr. publ, en Beigigue 21, 30); 2. regu- 
larum liber singularis. 

&) Civilreohtliche Schriften. 
1. de intereessionibus feminarum; 2. de usuris; 3. de gradibus et ad- 

>) Lbnbl, Paling. 1, 1294, 4. 



188 ROmisohe Litteratargeschiobte. ü. Die Zeit der Konarohie. 2. Abteilung. 

finibus et nominihus eorum; 4. de dotis repetitione; 5. de donationibus inter 
virum et uxorem; 6. de exeuaationibus tutelarum; 7. de libertatibus dandis; 
8. de liberali causa; 9. de articulie liberalia cauaae; 10. de iure patronatus; 
11. de iure patronatus, quod ex lege Julia et Papia venit; 12. de ad- 
signatione libertorum; 13. fideieommissorum libri III; 14. de testamentia; 
15. de forma testamenti; 16. de secundis tabulis; 17. de inofficioso testa- 
tnento; 18. de iure eodieillorum; 19. ad regulam Catonianam; 20. de in- 
strueto et instrumento {de instrumenti significatione) ; 21. de taeitis fidei^ 
commissis; 22. de legititnis hereditatibus; 23. de portionibus, quae liberis 
damnatorum conceduntur; 24. nsgl dvcanoanaattity .fiber die Anseinandersetzong 
der Eigentümer zosammengesetzter Sadien, deren Trennung nicht wohl dnrchfOhrbar ist* 
(Kbüobb, Quellen p. 208). 

Civilprozessualische Schriften. 
1. de eognitionibus; 2. de iure libellorum; 3. de appellationibus; 4. de 
conceptione formularum; 5. de actionibus (Huschkb, Die jüngst aufgef. Bruch- 
stücke p. 12, 2); 6. de concurrentibus actionibus; 7. vno&ijxaQia (vielleicht der 
ursprüngliche Titel: de formula hypothecaria ygl. Lbnbl, Paling. 1, 1111, 2). 

«) Schriften über Strafrecht. 
1. de publicis iudiciis; 2. de adulteriis libri III; 3. ad legem Juliam de 
adulteriis liber singularis; 4. de extraordinariis criminibus; 5. de poenis 
militum; 6. de poenis paganorum; 7. de poenis omnium legum; 8. de iniuriis. 

X) Schriften über Fiskalrecht. 
1. de iure fisci libri II; 2. de censibus libri IL 

fj) Schriften über einzelne Aemter. 
1. de officio proconsulis libri II; 2. de officio praefecti vigilum; 3. de 
officio praefecti urbi; 4, de officio praetoris tutelaris; 5. de iurisdictione 
tutelari (zweite Bearbeitung der vorhergehenden Schrift); 6. de officio assessorum; 
7. de septemviralibus (waiirscheinlich zu schreiben centumviralibus) iudiciis. 

Die Abfassungszeit der Schriften, unter der gemeinsamen Regierung des 
Severus und Garacalla sind die decretorum libri III verfasst, dann de iurisdictione tutelari, 
de excusatione tutelarum; die senientiae fallen, wie es scheint, in die Zeit der Allein- 
regierung Caracallas; in dieselbe Zeit gehören de publicis iudiciis, de libertatibus dandis, ad 
orationem Divi Severi, ad legem Juliam libri IL unter Heliogabalus (218 — 222) entstand 
de censibus. Nach dem Tode Caracallas fallen die libri singulares de adulteriis und de 
iure libellorum. In der Zeit des Alezander Severus (222—235) wurden abgeschlossen die 
responsa. Der Ediktskomraentar wurde nach Momxskn (Zeitschr. f. Rechtsgesch. 9, 115) 
unter Heliogabalus oder Alexander Severus vollendet (Eablowa, R. Rechtsgesch. 1, 748). 

9. Herennius Modestinus und andere zeitgenössische Juristen. 
627. Die Schriften des Herennius Modestinus. Der letzte be- 
deutende Jurist war Herennius Modestinus; wenn gleich schon 
das Sinken der Jurisprudenz in seiner schriftstellerischen Thätigkeit be- 
merkbar ist, so verdient er doch noch unsere Bewunderung. Wir kennen 
nicht seine Heimat. Man hat vermutet, dass er aus dem griechischen 
Osten stammte, und fiir diese Ansicht geltend gemacht, dass er eine seiner 
wichtigsten Schriften in griechischer Sprache abgefasst habe und bei der 
Erörterung der Verwandtschaftsverhältnisse gern griechische Ausdrücke 
zur Erläuterung hinzufüge. Wie dem auch sei, der grösste Teil seines 
Lebens wickelt sich in Rom ab. Hier trat er in so nahen Verkehr mit 
ülpian, dass der berühmte Rechtslehrer ihn seinen Schüler {siudiosus) 
nennen konnte. <) An der Stelle, an der Ulpian seiner so gedenkt, handelt 
es sich um eine Anfrage des Modestinus über Dalmatien, so dass wir 
vermuten müssen, dass Modestinus zu dieser Provinz in irgend welchen 
Beziehungen stand. Es ist möglich, dass er irgend ein Amt in Dalmatien 

') Dig. 47, 2, 52, 20. 



HerennioB Modesünus. 



189 



bekleidete. Sein Ansehen war so gross, dass er den jüngeren Maximin 
(t 238) in der Bechtsgelehrsamkeit unterrichtete. ^ Später finden wir ihn 
als praefectus viffäum, in welcher Eigenschaft er in einem Prozess der 
Walker (226 — 244) ein Urteil fällte. >) Seine hervorragendsten Schriften 
sind: differentiarum libri IX, regularum libri X, pandectarum 
libri XII, responsorum libri XIX, de poenis libri IV, de prae- 
scriptionibus (ein liber singularis und ein grösseres Werk) und de 
excusationibus libri VI. Das letzte Werk war in griechischer Sprache 
abgefasst, der Titel war naQuittjCig imtQonrjg xal xovQazogiag; es 
war*) dem Egnatius Dexter ge¥ridmet. Seine Schriften fallen bald nach 
Caracalla, nur einmal wird Alexander Severus erwähnt.^) 

Die fibrigen Schriften des Herenins Modestinns sind Monographien ; es sind folgende : 

1. De enueleatis caaibua, Lösung schwieriger Rechtsfälle; 

2. de heurematicis, Aber die Mittel des Rechtsschatzes; 

3. de manumiasionibua; 

4. de ritu nuptiarum; 
b, de differeniia dotis; 

6. de inoffietoso teeiamento; 

7. de teatamentie; 

8. de legatie et fideicommisais. 

Ans zwei Stellen der Dig. 41, 1, 53 und 54 hat man einen Kommentar des Herennius 
Modestinns zu Q. Mucius erschliessen wollen. Allein der Index Florentinns führt ein 
solches Werk nicht auf; es rührt von Pomponios her. (Sanio, Zur Gesch. der röm. Rechts- 
wissensch. p. 50, Kablowa, R. Rechtsgesch. 1, 758). 

Andere zeitgen5ssische Juristen sind: 

1. Aelius Marcianus. Seine Schriften sind: 
a) Inatitutionum libri XVI; 

ß) publieorum iudieiorum libri; 

y) de appellationibua libri II; 

if) regularum libri V; 

e) ad formulam hypotheeariam; 

C) ad Sctutn Turpillianum; 

rj) de delatoribua. 
Auch schrieb er Noten zu Papinians de adulteriia libri IL^) 

Soweit wir sehen, sind alle Schriften des Marcian nach dem Tode Garacallas abge- 
fasst. Am wichtigsteji waren seine Institutionen, sie waren viel ausführlicher ab die In- 
stitutionen des Gaius und suchten den Stoff durch Citate aus Homer, Vergil, Demosthenes 
von seiner Trockenheit zu befreien. 

2. Aemilius Macer schrieb: 

o) publieorum iudieiorum libri; 
ß) ad legem vieeaimae hereditatum; 
y) de officio praeaidia; 
S) de appellationibua; 
a) de re militari, in je 2 Büchern. 
Dio Schrift de appellationibua ist sicher unter Alexander Severus geschrieben. 

3. Julius Aquila, irrtümlich im Index Florentinus 30 Gallus Aquila genannt, Ver- 
fasser von reaponaa, 

4. Furius Anthianus, Verfasser eines Ediktkommentars, von dem die Juristen 
Juatinians nur einen Teil, fünf Bücher, besassen. 

10. Gregorius und Hermogenianus. 
628. Der codex Ghregorianns. Eine wichtige QueUe des Rechts 
waren die constitutiones principum, die bei verschiedenen Anlässen 



') Capitol. Maximin. 1, 5. 
«) CJli, 6, 266 = WiLMAims 100, Bbuks, 
Fontea^ 328. 



»I Dig. 27, 1, 1 pr. 



Dig. 48, 10, 29. 
^) Lhmkl, Paling. 1, 680 und 803, 



190 ROmiBohe Litieratargesohiohte. II. Die Zeit der Moxiarohie. d. Abteilung. 



und in verschiedener Form bekannt gegeben wurden. Für das Recht 
kamen besonders die Dekrete und die Reskripte in Betracht. ^ Diese 
Konstitutionen wurden natürlich in den Schriften der Juristen bearbeitet 
und dadurch kamen diese Aktenstücke, auch soweit sie an einzelne Per- 
sonen gerichtet waren, zur allgemeinen Kenntnis. Allein als die juristische 
Produktion schwächer wurde, mussten sich in Bezug auf die genannte 
Rechtsquelle Lücken einstellen; es musste sich daher das Bedürfnis nach 
einer Sammlung der Konstitutionen einstellen, welche auch für die Authen- 
tizität der Erlasse Bürgschaft gab. Man konnte auf eine doppelte Weise 
vorgehen, man konnte die entscheidenden, einen Rechtssatz begründenden 
Stellen herausheben. Diesen Weg hatte bereits früher Papirius Justus 
beschritten. ^) Allein dieses Verfahren scheint für diese kompilierende Zeit 
schon zu hoch gewesen zu sein. Man wählte daher den einfacheren, 
zweiten Weg, der die ganzen Erlasse ins Auge fasste. Freilich war auch 
hier einige Überlegung notwendig; aus der grossen Schar der kaiserUchen 
Schriftstücke mussten die ausgewählt werden, welche für irgend einen 
Rechtssatz von Erheblichkeit waren. Femer musste für die Anordnung 
ein Prinzip aufgestellt werden. Das natürlichste war das sachliche, welches 
nach den einzelnen Materien die Konstitutionen zusammenstellte. Eine 
Sammlung, welche diesen Anforderungen entsprach, wurde in der Zeit 
des Diokletian gemacht, in dem nicht mehr erhaltenen Codex Gregorianus. 
Nach der Untersuchung Mommsens^) können wir mit Wahrscheinlichkeit sagen, 
dass der Zusammensteller Gregorius hiess. Die jüngste Konstitution, die wir 
nachweisen können, ist vom Jahr 295. Daraus müssen wir schliessen, dass 
die Sammlung unter Diocletian (284 — 305) ihren Abschluss fand. Dies 
findet auch dadurch seine Bestätigung, dass in einem aus dem Codex 
Gregorianus in der coUatio 1, 10 mitgeteilten Reskript vom Jahr 290 nach 
einleuchtender Verbesserung gelesen wird ^Diocletianus et Maximianus domini 
nostri*. Die älteste Konstitution ist aus dem Jahr 196, also aus der Zeit 
des Septimius Severus (193 — 211). Aber es ist wohl anzunehmen, dass die 
Sanmüung die Konstitutionen von Hadrian an umfasste, denn der justinia- 
nische Gctdex enthielt sie auch von dieser Zeit an, und es ist höchst wahr- 
scheinlich, dass für ihn unsere Sammlung Quelle war.^) Die Anordnung 
der Konstitutionen erfolgte nach dem System der Ediktswerke, der Codex 
war in Bücher eingeteilt, erwähnt wird das dreizehnte, allein es waren 
ohne Zweifel deren mehrere; die Bücher hatten wieder ihre Titel mit Ru- 
briken. Für die Sanmilung lieferte den grössten Teil des Materials das 
kaiserliche Archiv.^) 

629. Der Codex Hermogenianus, die Ergänzimg des Codex 
Gregorianus. Neben dem Codex Gregorianus kennen wir eine zweite, 
gleichfaUs verloren gegangene Sammlung kaiserlicher Konstitutionen, den 
Codex Hermogenianus. Dass der Zusammensteller Hermogenianus 
hiess, zeigte Momksen. Schon äusserlich unterschied sich der Codex 
Hermogenianus von dem Codex Gregorianus, während dieser in Bücher 



') Siehe § 619 p. 179. 
*) Zeitschr. f. Reehtsgesch. Rom. Abt. X 
(1889) p. 348. 



') PüOBTA, Institationen 1 *, 374 Anm. 
«) EbOobb, Qaellen p. 280. 



Anonyme jnristiBohe Bohriftsteller. 191 

mit Titeln und Rubriken eingeteilt war, bildete der Codex Hermogenianus 
einen liber singularis; er zeigte nur Titel und Rubriken in seinem Innern 
auf. Die älteste Konstitution des Codex Hermogenianus stammt aus 
dem Jahr 291; die jüngsten fallen in die Jahre 364 und 365. Man 
möchte danach vermuten, dass der Hermogenianus als Ergänzung sich 
an den Codex Gregorianus anschloss. Dazu stimmt auch, dass bei 
Citaten inmier der Codex Qregorianus vor dem Codex Hermogenianus ge- 
nannt wird. Eine weitere Frage ist, ob der Codex nicht mehrere Auf- 
lagen erlebt habe. Es liegt uns nämlich ein Zeugnis des Sedulius vor, 
dass Hermogenianus drei Ausgaben seines Werkes veranstaltet habe. Man 
hat diese Worte auf die sechs Bücher der epitome iuris des Hermogenianus, 
Auszüge aus juristischen Werken bezogen. Allein es ist wahrscheinlicher, 
dass sie sich auf unseren Codex beziehen; die erste Ausgabe wäre zwischen 
314 — 324 anzusetzen; die später fallenden Reskripte wären dann in den 
folgenden Auflagen hinzugekommen. Die letzte Ausgabe müsste nach den 
letzten Zusätzen um 365 fallen. Ob der Verfasser der Epitome und der 
Redaktor unseres Codex eine und dieselbe Person ist, kann hier nicht 
entschieden werden. 

Die beiden Codices waren ein Privatuntemehmen; gleichwohl gelangten 
sie in der Praxis zur autoritativen Geltung. Ja, als Theodosius H seinen 
Codex anfertigen liess, schrieb er, dass er nach dem Muster des Codex 
Gregorianus und Hermogenianus angelegt werden solle. Die Fragmente 
der beiden Codices sammeln wir aus den Vaticana fragmenta, der collatio, 
der consuUcUiOy den leges Romanae der Westgothen und Burgunder und 
aus den Anhängen zur westgothischen lex Botnana.^) 

Die verBchiedenen Auflagen des Codex Hermogenianas. Drei Eonsti- 
tationen des Jiistimaiiischen Codex (3, 1, 8; 7, 22, 3; 7, 16, 41) haben die üeberschrift: 
Impp. Consiantinus et Licinius A, A, Diese Konstitutionen können nicht aus dem Codex 
Theodosianus genommen sein, weil hier Licinius ausgetilgt wurde. , Letzteres wäre aber 
auch im Hermogenianus geschehen, wenn dieser erst nach Kassation der Acta des Licinius im 
Jahre 323 entstanden wäre. Der Hermogenianus muss also zwischen 314 und 324 ver- 
fasst sein, und die Prozessreskripte aus den Jahren 364, 365, welche auf den Hermo- 
genian zurflckgeftthrt werden, mfissen aus einer mit Nachb*ägen versehenen Redaktion ent- 
lehnt sein* KbÜobb, Quellen p. 282 (nach einer Beobachtung Mommsbns, Hermes 17, 532). 
Brief a<2 Macedoniutn vor dem paschale opus p. 172 H.; eognascant Hermogenianum doctis- 
aimum iuris latorem tres editianes sui aperis eonfeeisse, 

lieber die epitome iuris des Hermogenianus. (EgfÄoysyiayov inirofitSy ßißXia i() 
vgl. DiBKSSN, HinterL Sehr. 2, 482; Kbüobb, Quellen p. 228; Kablowa, R. Rechtsgesch. 
1, 932. 

Ausgaben von Havbl, Codicis Gfregoriani et codicis Hennog. frctgmenta, Bonn 
1847 (2 Bde. des Corpus iur, anteiust»); — Hüsohkx, Zeitschr. f. Rechtsgesch. 6, 279. 

11. Anonyme juristische Schriftsteller. 

630. Anonyme juristisclie Fragmente. Es sind uns noch Über- 
reste juristischer Schriften erhalten, deren Autoren wir nicht kennen. 
Wir zählen sie hier auf: 

1. De gradibus (über die Verwandtschaftsgrade). Dieser 
Traktat findet sich in Handschriften der notitia dignitatum utriusque imperii 
und wurde zum erstenmal von Böcking herausgegeben. 

1} Eaklowa, R. Rechtsgesch. 1, 942. | *) Krügbb, Quellen p. 284, 



192 Bömische litieratiirgesohiohte. IL Die Zeit der Monarchie, d. Abteünng. 

HuscHKs will den Traktat ülpian zuweisen. — Abgedruckt bei Ebügeb, Ulpiani 
Über sing, reg, p. 166. 

2. De iure fisci (über das Recht des Fiscus). Mit den Institu- 
tionen des Gaius wurden noch zwei Pergamentblätter entdeckt, welche 
allem Anschein nach der Hieronjrmushandschrift, welche für die Institu- 
tionen des Gaius hergerichtet wurde, als Deckblatt dienten. Die in zwei 
Kolumnen geschriebenen Blätter gehören dem fünften oder sechsten Jahr- 
hundert an. Zum erstenmal wurden sie von Göschen hinter seinem Gaius 
herausgegeben (1820). Es lässt sich nicht entscheiden, ob die Fragmente 
einem selbständigen Werk de iure fisd oder einem grösseren Werk ent- 
nommen sind. Sie dürften aus dem Ende des zweiten oder dem Anfang 
des dritten Jahrhunderts stammen. 

HuscHXB nimmt als Autor Ulpian an; Rüdobff (Rom. Reohtsgescb. 1, 193) Paulus; 
ebenso Laohxaiiv, KL Sehr. 2, 244 (vgl. Puohta, Inst I* p. 281). 

Ausgaben von Kbügks, Leipzig 1868 und Ulpiani liber singularis regularum ete, 
p. 162. 

3. Fragmentum Dositheanum oder fragmentum de iuris spe- 
ciebus et manumissionibus. Ein Lehrer, Namens Dositheus, nahm die 
lateinische Grammatik eines Unbekannten her und machte davon eine grie- 
chische Übersetzung, die aber bis zu Ende abzuschreiben, der Schreiber nicht 
über sich gewinnen konnte. Mit diesem zweisprachigen Werk wurden von 
einem Unbekannten Übungsstücke zum Übersetzen aus dem Lateinischen 
ins Griechische und umgekehrt zum Auswendiglernen verbunden {inter- 
pretamenta s. iQjutrjvevfiata). Unser denselben befindet sich auch ein juri- 
stisches Stück, dem teilweise eine griechische Übersetzung beigegeben ist. 
Weder Titel noch Verfasser der juristischen Schrift, dem das Stück ent- 
nommen ist, wird angegeben. Sowohl der lateinische als der griechische 
Text ist durch die fortwährenden Übersetzungen aus der einen Sprache 
in die andere stark korrumpiert worden. Das Fragment beginnt mit der 
Einteilung des ius, geht dann zu den Rechtsquellen und zu den Frei- 
lassungen über. 

Ueber den Verfasser sind yerschiedene Vermutungen aufgestellt worden, Lach- 
MANH kam «der Einfall" (El. Sehr. 2, 213), wir könnten hier ein Stttck von den Regeln 
des Julius Paulus haben; ihm stimmt Rttdobff bei (R. Rechtsgesch. 1, 242); Voigt, Jus 
naturale 1, 617) denkt an Pomponius, ihm pflichtet Kablowa bei (R. Rechtsgesch. 1, 765) ; 
HusoHKB, an Gervidius Scaevola {Jurisprud, anteiust. p. 422); Disksbn (HinterL Sehr. 2, 896) 
an Gaius. 

Ausgaben. Zum erstenmal wurde das Fragment veröffentlicht von P. Pitbou in 
den fragmenta quaedam Papiniani etc. 1578. Von den neueren Ausg. ist zu nennen die 
von BöoKiKO, Bonn 1882. Den Weg, den ursprünglichen Text wieder zu gewinnen, hat 
liAOHiCAHir gezeigt (Kl. Sehr. 2, 196). Auf dieser Arbeit ruhen die späteren Abdrücke» 
z. B. der von Ebüobb in Ulpiani liber etc. p. 151. 

4. Fragmentum de iudiciis. Dieses steht auf einem in zwei Ko- 
lumnen geschriebenen Blatt, das im Jahr 1877 aus Ägypten nach Berlin 
gekommen ist. Allein das Blatt ist nicht ganz erhalten, sondern nur 
dessen unterer Teil, auch ist eine Kolumne zum grössten Teil abgerissen. 
Die Handschrift, aus der das Blatt stammt, gehört wohl dem sechsten Jahr^ 
hundert an. Welcher Schrift das Fragment entstammt, lässt sich nicht mit 
Sicherheit sagen. Auf der Rückseite des Blattes steht de iudiciis lib, IL 
Huschke, Krüger, Cohn meinen, dass diese libri einem Ediktskommentar, 



Anonjrme jöruitisolie Sohriftsteller. 193 

Earlowa, dass sie aus einem Werk über die Klageformeln, acHones, ent- 
nommen seien. 

MoMMSBK, Sitzungsber. der Berliner Akad. 1879 p. 502; Husohkb, Die j&ngst auf- 
gefundenen Bruchstttcke ans Schriften röm. Juristen, Leipz. 1880; Ebügbr, Zeitscbr. der 
Savignystiftung 1 (1880) p. 93; Cohn ebenda 2 (1881) p. 90; Bbinz, Mfinchner Sitzungsber. 
1884 p. 542; Eablowa, R. Recbtsgesch. 1 (1885) p. 766. 

5. Das Provinzialverzeichnis vom Jahre 297. Dieses wichtige 
Dokument glauben wir in die juristische Litteratur einreihen zu müssen, 
da es in das Gebiet des römischen Staatsrechts einschlägt. Das Akten- 
stück, geschrieben im 7. Jahrhundert, befindet sich in der Eapitelsbibliothek 
zu Verona und heisst daher auch das Yeroneser Verzeichnis. Heraus- 
gegeben war es bereits 1742 von Scipione Maffei, ^) allein es blieb unbe- 
achtet. Erst 1862 wurde durch eine Abhandlung Mommsens, in der das 
Verzeichnis neuerdings abgedruckt und sachkundig erläutert war, wiederum 
die Aufinerksamkeit auf das interessante Dokument gelenkt. Leider ist 
dasselbe sehr verdorben und auch in defektem Zustand überliefert. Es 
gibt uns die Diözesen- und Provinzeneinteilung Diocletians. «Vieles spricht 
dafür, dass es unmittelbar nach der Einrichtung der neuen Diözesen im 
Jahre 297 oder bald nachher, aufgesetzt und eben nichts anderes ist als 
das nach dieser wichtigen administrativen Umgestaltung offiziell in Um- 
lauf gesetzte neue Diözesen- und Provinzenverzeichnis, das eben darum 
noch an nicht wenigen Stellen damals gangbare und späterhin abgekommene 
Benennungen aufzeigt. ** Das Veroneser Dokument ist das älteste Provinzen- 
verzeichnis, das uns erhalten ist. 

Litteratur: Mommsbn, VerzeichniB der römischen Provinzen, aufgesetzt um 297. 
PhiloL-hist. Abhandl. der Berliner Akad. aus dem Jahre 1862; Kuhn, lieber das Verzeichnis 
der röm. Provinzen in Fleckeis. Jahrb. 115 (1877) p. 697; Czwalina, üeber das Verzeichnis 
der röm. Provinzen vom J. 297, Wesel 1881 ; Ohnbsorob, Die röm. Provinz-Liste von 297, 
TeU T, Duisburg 1889. 

Ausgaben: bei Moxvsbk p. 491, Sbbcx, notitia dignitatum p. 247, Riesb, Geogr, 
lat. min, p. 127. 

631. Bflckblick. Die verschiedenen Formen der juristischen 
litteratur. Nachdem wir im Vorausgehenden die reiche Schriftst-ellerei der 
römischen Jurisprudenz skizziert haben, liegt uns noch ob, die litterarischen 
Formen, deren sich die römischen Juristen bedienten, hier übersichtlieh zu- 
sammenzustellen. Vor allem werden wir zwei Gruppen von Schriften zu unter- 
scheiden haben: Schriften, welche der Wissenschaft und ihrer Anwendung 
dienen wollen, und Schriften, welche fQr den Unterricht in der Jurisprudenz 
bestimmt sind. Die Grenze zwischen beiden Gruppen ist nicht scharf ge- 
schieden. Die wissenschaftliche Arbeit manifestiert sich vor allem in 
dem Kommentar, der sich sowohl auf juristische Werke, als auf Gesetze 
erstrecken kann. Der Kommentar zu juristischen Werken tritt in den 
verschiedensten Formen auf. In der einfachsten Gestalt erscheint er als 
notae zu einem älteren juristischen Werk. Solche notae sind also den An- 
merkungen zu unseren Klassikerausgaben zu vergleichen. Da Text und 
Noten ein Ganzes bilden, so werden die Noten entweder citiert: Julianus 
ad Urseium oder Julianus apud Urseium, Diesen Noten treten die zu- 



') Hinter dessen isioria teologica delle dottrine deUa divina grazta, Trento 1742. 

Hftndbuch der kla«. ^Itertnmswiatenflchaft. Tm. 3. Teil, 13 



194 BOmisohe LitteratnrgeBclüchte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

sammenhängenden Kommentare an die Seite. Hier bildet der Kom- 
mentar ein Ganzes fär sich; der Text des kommentierten Schriftstellers 
konnte ganz in den Kommentar aufgenommen oder es konnte derselbe 
auch nur in Auszügen mitgeteilt werden. Gewöhnlich ') werden diese beiden 
Formen durch libri ad und libri ex unterschieden. Es gab aber auch 
Auszüge ohne Kommentar. Die Epitome, welche wir auch auf anderen 
Gebieten der römischen Litteratur finden, hat sich auch in der Jurispru- 
denz als ein Bedürfnis erwiesen. Die Epitome konnte ein eigenes oder 
ein fremdes Werk verkürzen. Sie konnte das zu verkürzende Werk in 
seiner Selbständigkeit belassen (in Laheonis posteriores a Javoleno epüomati 
z. B. blieben, wenngleich verkürzt, doch immer die posteriores Labeos noch 
ein individuelles Werk), aber die Auszüge konnten auch in der Weise 
erfolgen, dass verschiedene Werke excerpiert wurden, um aus den Ex- 
cerpten ein neues Ganze aufzubauen. Diese Methode zertrünmierte oder 
verzettelte die excerpierten Schriften. Auch diese Form der Epitome war 
bereits in anderen Litteraturgattungen üblich, ich erinnere nur an Yalerius 
Maximus und an den älteren Plinius. Für solche Auszüge kam bei den 
Juristen der Name ,fDigesta'* auf. Da mit dem , Digerieren* inmier der 
Begriff der Sichtung eines vorhandenen Materials verbunden ist, so kann 
das Wort Digesta auch Werke bezeichnen, welche eigene, in verschie- 
denen Werken niedergelegte Gedanken, sei es allein oder mit fremden 
Bestandteilen, in eine systematische Ordnung bringt. Gewöhnlich erfolgte 
aber die Darstellung des Rechts nach seinen beiden Teiler, dem ins civile 
und dem ins honorarium, getrennt. Das ius honorarium wurde im An- 
schluss an das edictum perpetuum dargelegt, das ius civüe auf Grundlage 
der tres libri iuris civilis von Sabinus; es gab Ediktkommentare und 
Sabinuskommentare. Wie das Edikt, wurden aber auch andere Gtesetze 
der kommentierenden Thätigkeit unterworfen. An die Seite dieser kom- 
mentierenden, epitomierenden und digerierenden Thätigkeit tritt die freie 
wissenschaftliche Betrachtung in der Monographie, welche ein 
einzelnes Rechtsinstitut aufzuhellen sucht; und wir haben gesehen, dass 
gegen Ende unserer Periode die Monographie die Gesamtdarstellungen 
überwuchert. 

Wir kommen zu einer zweiten Gruppe von Schriften, nämlich solchen, 
welche in das praktische Gebiet der Rechtsprechung einführen. Es sind 
die responsa, quaestiones und die epistulae. Die responsa sind 
Sammlungen rechtlicher Gutachten; meistens sind es responsa des Autors, 
sowohl amtliche als nichtamtUche, doch gab es auch Sammlungen, welche 
neben den eigenen auch fremde enthielten. Sie konnten mit und ohne 
Angabe von Gründen gegeben werden, bald in ausführlicher, bald in 
knapper Form, je nach der Lage des Falls. Auch die quaestiones be- 
handeln einzelne Rechtsfalle, aber dieselben brauchen nicht wirklich vor- 
gekommen zu sein, sie können auch einer Fiktion ihren Ursprung ver- 
danken, es können ferner Fälle sein, welche nicht der betreffende Autor 
der quaestiones entschieden hat, sondern ein anderer Jurist. Man sucht in 



») Ausnahmen bei Krüger, Quellen p. 135 Anm. 51. 



Anonyme jnriBtisohe Sohriltoteller. 195 

dieser Schriftgattung mehr das theoretische Interesse hervor; es liegt daher 
bei den quaestiones das Schwergewicht in der Begründung. Sie weisen 
schon auf den Unterricht hin, wie dies in noch höherem Grade bei den 
disputationes der Fall ist. Die epistulae erörtern in Briefform auf 
eine Anfrage hin eine Rechtsfrage; die Anfrage kann durch praktische 
oder theoretische Rücksichten veranlasst sein. Die epistulae stellen daher 
eine Mittelgattung zwischen den responsa und den quaestiones dar. Ausser 
diesen praktischen Büchern mit gemischtem Inhalt sind für den Richter 
kurzgefasste Zusammenstellungen der hauptsächlichsten Rechtsregeln von 
grossem Nutzen. Diesem Bedürfnis kommen die libri regularum ent* 
gegen, auch die libri opinionum und die libri sententiarum gehören, 
wie es scheint, hieher. Von diesen Werken führt ein kleiner Schritt 
zu den Werken, welche dem Rechtsunterricht dienen. Neben libri regu- 
larum ünden wir auch libri singulares regularum^ sogar von demselben 
Autor. Wir werden nicht irren, wenn wir die aus mehreren Büchern be- 
stehenden Sammlungen von regulae für den Praktiker, die libri singulares 
regularum für den Rechtsbeflissenen in Anspruch nehmen. Doch das eigent- 
liche Lehrbuch für das Recht sind die institutiones, eine Form, welche 
auch der rhetorische Unterricht kennt. Die imtitutiones bezwecken die 
Einführung in das Studium des Rechts in systematischer Weise. Ihre 
Aufgabe ist nicht die, den gesamten Rechtsstoff zu erschöpfen, sondern 
vielmehr die, in den Gedankengang der Rechtsinstitute einzuführen. 
Sie behandeln vorzugsweise das Privatrecht und zwar so, dass das 
strenge ius civüe und das freie ius honorarium ineinander gearbeitet 
werden. 

Was die äussere Form der Schriften anlangt, so haben wir libri 
singulares (Einzelbücher, Monographien) und Werke, die aus mehreren 
Büchern d. h. mehreren RoUen bestehen. Auch innerhalb der einzelnen 
Bücher können Gliederungen nach Titeln und Rubriken eintreten. 

üeber die Formen der juristischen Schriftstellerei im allgemeinen vgl. 
Kablowa, R. Rechtsgeschichte 1,666; Kbügbb, Quellen p. 126. 

lieber digesta, Mommsen, Die Bedeutung des Wortes digesta, Zeitschrift fUr 
Rechtsgesch. 7, 481; Ueber Julians Digesten, Zeitschr. f. Rechtsgesch. 9, 93; Pbbniob, Min- 
cellanea zur Rechtsgesch. und Texteskritik 1 (Prag 1870) p. 1; Krüger, Zeitschrift der 
Savignystiftung 7, 94; Buhl, Salvius Julianus 1, 86. 

Üeber regulae. Sakio, Rechtshist. Abhandl. p. 141. 

Ueber epistulae, Bbbmeb, Rechtslehrer p. 41; Febnicb, Miscellanea p. 22; A. Feb- 
incB, Labeo 1, 63. 

Ueber quaestiones vgl. Mombsen, Zeitschr. für Rechtsgesch. 9, 93. 

Ueber die responsa im offiziellen und litterarischen Sinn vgl. Pocht a, Instit. 
!•, 322. 

Sammlung der Fragmente aus den juristischen Werken. Unsere Haupt- 
queUe sind die Pandekten; aus den einzelnen Fragmenten die verlorenen Werke der Juristen 
wiederzugewinnen, war eine dringend notwendige Aufgabe. Derselben hat sich zuerst 
HoxMBL m seiner Palingenesia lihrorum iuris veterum 1767/68 3 Bde. unterzogen. 
In neuester Zeit hat Lebbl in seiner Palingenesia iuris civilis (1888—89. 2 Bde.) die gleiche 
Aufgabe wieder aufgenommen und besser gelöst. 



13* 



A 



196 BOmisohe Litteratargesohiohie. IL Die Zeit der Monarohie. 2. Abteilnng. 

4. Die Schriftsteller der realen F&cHer. 

1. Gensoriüus. 

632. Des Censorinus Geburtstagsschrifb (de die natali). Ein Gram- 
matiker, des Namens Censorinus, wollte einem reichen und vornehmen 
Mann, dem Q. Gaerellius, dem er für vielfache Anregung sich sehr ver- 
pflichtet fühlte, im Jahre 238 ein Geburtstagsgeschenk darbieten. Als 
armer Mann vermochte er nicht materielle Schätze zu spenden, sondern nur 
Gaben des Geistes, er überreichte daher seinem Gönner eine Schrift. In 
derselben behandelt er aber nicht ein ethisches Thema, auch von einem 
rhetorischen Panegyrikus sieht er ab, er tritt mit einem gelehrten Thema 
hervor; er erörtert nämlich eine Reihe von Fragen, welche in eine engere 
oder entferntere Beziehung mit dem Geburtstag gebracht werden können. 
Demgemäss beginnt er mit ätiologischen Bemerkungen über das Opfer, 
das dem Genius dargebracht wird, und über den Genius selbst Nach 
dieser Einleitung holt er zu einem entlegeneren Thema aus, er führt uns 
die Theorien über den Ursprung des menschlichen Geschlechts vor, daran 
schliesst er die Ansichten der Philosophen über die menschliche Zeugung, 
indem er über den Samen, über die Bildung und Ernährung des Fötus, 
über die Ursache der Geschlechtsverschiedenheit und der Zwillingsgeburten 
und über die Reife der Leibesfrucht handelt. Der letzte Gesichtspunkt 
führt ihn auf die Astrologie, d. h. auf die Abhängigkeit des menschlichen 
Lebens von den Gestirnen. Alsdann entwickelt er im Anschluss an Yarro 
die pythagoreische Zahlenmystik in Bezug auf die Reife der Leibesfrucht ; 
dies führt ihn auf die Musik, ihren Einfluss auf den Menschen und auf das 
ganze Universum. Damit ist der erste Abschnitt, welchem alle sich auf die 
Zeit vor der Geburt beziehenden Fragen zugewiesen waren, zum Abschluss ge- 
kommen. Er geht jetzt zu den menschlichen Altersstufen und zu den kri- 
tischen Jahren über und zuletzt stellt er seinem Gaerellius, der das kritischeste 
Jahr (49) überwunden hatte, ein langes Leben in Aussicht, indem er zugleich 
einen kleinen Panegyrikus seiner Darstellung einflicht. Damit ist der erste 
Teil, der vom Menschen gehandelt, vollendet, es folgt nun die Betrachtung 
der Zeit. Zuerst wird im allgemeinen über den Begriff der Zeit ge- 
sprochen. Dann kommen die einzelnen Zeitbezeichnungen an die Reihe: 
das saectdum, die anni maiores, das gewöhnliche Jahr; im besonderen wird 
das römische Jahr behandelt, und zuletzt wird das Jahr 238 nach ver- 
schiedenen Aren bestimmt; es folgt die Betrachtung der Monate und 
der Tage. Überall werden die verschiedenen Bestimmungen dieser Zeit- 
abschnitte ausführlich verzeichnet. Mitten in der Erläuterung der Teilo 
des Tages und der Nacht bricht die Schrift ab, viel ist nicht verloren 
gegangen. Man erwartet eine Berechnung des Geburtstages des Gaerellius 
und noch eine Anrede an den Gönner. 

Wie Gensorinus selbst mitteilt, hat er sein Werkchen aus ver- 
schiedenen Autoren zusammengestellt. Eigenes gibt er wenig. Der Au- 
toren werden aber sehr viele citiert und darunter sehr alte, allein es wäre 
ein Irrtum, wollte man glauben, dass Censorinus seinen Stoff mühsam aus 
den entlegensten Quellen zusammengesucht hätte. Es kann in einigen Fällen 
sogar der Beweis geliefert werden, dass Gensorinus die von ihm citierten 



GensorixinB. 197 

Autoren nicht nachgeschlagen hat, sondern ihre Zeugnisse späteren Schrift- 
stellern verdankt. Die Grundlage für seinen Traktat scheint das Pratum 
Suetons gebildet zu haben, daneben benutzte er als sekundäre Quellen 
Schriften von Yarro, und auch eine Spezialschrift Suetons über das römische 
Jahr. Der Abschnitt über die Musik (c. 10), auf die ihn auch seine Studien 
über den lateinischen Accent geführt hatten, mag auf Grund eigener 
Forschungen geschrieben sein. Durch das mitgeteilte Material ist das Schrift- 
chen sehr wertvoll. Die Darstellung ist lebendig und leicht; die Be- 
ziehung des Stoffes auf den Adressaten kann natürlich nicht ohne Ziererei 
erfolgen. 

Gensorinus als Grammatiker. Priscian GL. 2, 13 nennt Oensorinus doetissimum 
artia grammaticae und hat ihn benutzt. Er erwähnt seine Schrift de accentibus (GL. 3, 
27, 23) Censorinus plenisaime de his (über den Accent der Präpositionen) docet in libro, 
quem de aecentihus acrihit und teilt 3, 45, 47 eine grössere Stelle daraus mit, wo über 
die Präpositionen in ihrer eigentlichen und in adverbieller Bedeutung auf Grund von Stellen 
gehandelt wird. Ausserdem citiert Priscian den Censorin in der Lehre von den Buchstaben 
(1,4,16): auctoritas quaque tarn Varronia quam Macri teste Censorino nee K nee Q 
ueque H in numero adhibet literarum und gleich darauf erwähnt er ihn nochmals in seiner 
Theorie über die Buchstaben J und U. 

Die Schrift de aecentihus lag auch dem Gassiodorius vor (de muaica p. 576): 
Censorinus quoque de aceentibus poci nostrae adnecessariis subtiliter disputavit, pertinere 
dicens ad musicam diseiplinam, quem vohis inter ceteros transcriptum reliqui. 

Die Abfassungszeit der Schrift ist aufs bestimmteste angegeben, weil der 
Verfasser das Jahr, in dem er schreibt, in der verschiedensten Weise chronologisch be- 
stimmt. 1. nach Olympiaden (18, 12): et nunc apud eos (Graecos) ducentesima quinqua- 
gesima quarta olympias numeratur, eiusque annus hie secundus (es folgt die Bestimmung 
des annus von dem agon Capitolinus aus), 2. nach Olympiaden, Jahren ab urbe condita 
und anderen Acren (21, 6): hie annus, euius velut index et titulus quidam est V, C. Pii et 
Pontiani consulaius, ab Olympiade prima millensimus est et quartus decimus, ex diebus 
dunUaxat aestivis, quibus agon Olympicus celebratur; a Roma auiem condita nongentensimus 
nonagensimus primus, et quidem ex Parifibus, unde urbis anni numerantur u. s. w. Alle 
diese verschiedenen Zählungen führen auf das Jahr 238. 

Ueber Q. Gaerellius. 15, 4 tu officiis municipalibus functus, honore saeerdotii 
in principibus iuae civitatis conspicuus, ordinis etiam equestris dignitate gradum protdn- 
cialium supergressus — de eloquentia (Q. Caerellii) siho, quam omnia provinciarum 
nostrarum tribunalia, omnes praesides noverunt, quam denique urbs Borna et auditoria sacra 
mircUa sunt. 

Die Quellen der Schrift de die natali. Die Grundschrift war das Pratum 
Suetons, dessen zwei erste Bücher über den Menschen und über die Zeit den leitenden 
Faden abgaben. Als sekundäre Quellen sind benutzt: Zwei Logistorici Varros, nämlich 
Atticus de numeris und Tubero de origine humana, femer Suetons Abhandlung über das 
römische Jahr und endlich eine Schrift über die Musik. Ob aus 17, 15 quot autem saecula 
urbi Romae deheantur, dicere meum non est; sed quid apud Varronem legerim, non tacebo, 
qui libro antiquitatum duodevieensimo wirklich auf eigene Benützung Varros geschlossen 
werden muss, ist sehr zweifelhaft, da Gensorinus gerne mit nicht gelesenen Autoren sich 
aufspielt (vgl. Jahn p. IX). Aber selbst angenommen, dass Gensorinus hier wirklich die 
Antiquitates eingesehen, so kann es sich nur um eine Einzelheit handeln. Da die ge- 
nannten sekundären Quellen sich leicht ausscheiden lassen, erhalten wir durch den übrig 
bleibenden Kern ein ziemlich getreues Bild der zwei ersten Bücher des Pratum. 

Die Ueberlieferung der Schrift beruht auf dem Goloniensis s. VIF, der sich 
früher in Darmstadt befand ; aus demselben ist, nachdem er durchkorrigiert war, der Vati- 
canuB 4229 s. X. geflossen. 

Ausgaben von Ludovicus Garrio, der den Goloniensis benutzte, Paris 1583 (wieder- 
holt Leyden 1593). Ohne kritischen Wert sind die Ausgaben von Lindekbboo (Hamburg 
1614, Leyden 1642, Gambridge 1695) und Havebcamp, Leyden 1743. Die erste kritische 
Ausgabe besorgte 0. Jahn, Berl. 1845. Ausg. von Hultsoh (Teuhneriana\ Leipzig 1867, 
wozu zu vergleichen üblichs, Rh. Mus. 22, 465; von Jon. Gholodniak, Petersburg 1889 (vgl. 
die abfUlige Besprechung von Hultsgh, Berl. Philol. V^ochenschr. 1890 nr. 52 Sp. 1651) — 
Gbbobuus SpicUegium ex cod, Censorini Coloniensi, Elberf. 1872. 



198 Römische Litteraturgeschichte. II. Die Zeit der Monarchie. S. Abteilung. 

033. Da43 sog. Fragmentum CenBorinL Der Urcodex, in dem Gen- 
sorinus stand, erlitt gegen den ScUubs den Ausfall einiger Blätter. Da^ 
durch ging das Ende der Geburtstagsschrift verloren und der Anfang 
des Traktats, der darauf folgte. Der Abschreiber, dem diese Urhandschrift 
nach dem Ausfall vorlag, merkte diesen Blätterausfall nicht und schrieb 
die beiden Schriften zusammen. Lange Zeit erkannte man unbegreiflicher- 
weise nicht, dass in dem Gensorinus noch eine ihm fremde Arbeit stecke; 
erst Garrion (1547 — 1595) nahm die Scheidung der zwei heterogenen Be- 
standteile des also überlieferten Gensorinus vor. Von der zweiten Schrift 
ist durch den angegebenen Defekt der Anfang verloren gegangen. Damit 
ist aber auch der Titel und der Name des Verfassers unserer Kenntnis 
entzogen worden. Man nennt die verstümmelte Schrift gewöhnlich frag- 
mentum Censorini. Es ist ein merkwürdiges Büchlein; es handelt über 
das Universum, über Geometrie, am ausführlichsten über Bhyfihmik 
und Metrik. Der Stoff dieser drei Rubriken wird in einzelnen Para- 
graphen, deren es im ganzen fünfzehn sind, kurz und dogmatisch ent- 
wickelt. Das Werkchen hat also einen encyklopädischen Gharakter, aber 
das Ziel des Verfassers tritt uns aus seiner Arbeit nicht klar entgegen. 
Auch über seine Zeit können wir keine Kriterien gewinnen. Nur soviel 
können wir sagen, dass der Teil über die Metrik eine unserer ältesten 
Quellen darstellt. Auch die Abschnitte über die Musik sind wertvoll. 

Das Verlorene. Im Eingang heisst es (c. 1): Thaies Milesius aquam prineipium 
omnium dixit et alias opiniones supra rettuli. 

Die einzelnen Kapitel sind: 1. de naturdii instUtUione. 2. de eaeli positione. 
3. de stellis fixis et errantibus. 4. de terra. Dann heisst es: poterat finent liber plenus 
Omnibus necessariis iam videri eonsecutus: sed cum et mundi dimensiones et plurima prae- 
terea in universis rebus ratio geometrica impleverit, pauca de numeris mensurisque dicemus. 
Es folgen: 5. de geometrica; 6. de formis; 7. de figuris; 8. de postulatis; ohne dass her- 
vorgehoben wird, dass das c. 4 Angekündigte geleistet ist, und der neue Abschnitt ein- 
geleitet wird, folgt 9. de musica (historische Entwicklung); 10. de nomine rhytkmi; 11. de 
musica; 12. de modulatione; 13. de metris, id est numeris; 14. de legitimis numeris; 15. de 
numeris simplicibus. 

Ueber die Quellen vgl. 0. Jahn p. XI. Schultz, Hermes 22 (1887) p. 265: Pseudo- 
censorinus vertritt die Lehre, dass nur zwei- und dreisilbige Füsse anzunehmen sind und 
ist deshalb wie auch seiner Beispiele wegen als der älteste erhaltene Metriker überhaupt 
anzusehen. Leo, Hermes 24 (1889) p. 282. 

Ausgaben. Verbunden mit Gensorinus (Ausg. von Jahn und Hültsch). Die Ab- 
schnitte über Musik und Metrik sind auch abgedruckt Keil, QL. 6, 605. 

2. Q. Gargilius Martialis. 

634. Das landwirtschaftliche Werk des Gkurgilins Martialis. In 

einer längst verlorenen Handschrift der Markusbibliothek in Florenz stand 
ausser den landwirtschaftlichen Schriften des Cato, Yarro und Columella, 
noch eine, welche nach dem Inhaltsverzeichnis, wie es der Humanist Petrus 
Yictorius las, einem Claudius Martialis angehörte. Allein einen solchen 
Autor kennen wir nicht, wohl aber kennen wir einen landwirtschaftlichen 
Autor Gargilius Martialis und da das Wort Claudius nach der Angabe 
des Yictorius unleserlich war,^) so ist kein Zweifel, dass jenes Werk dem 
Gargilius Martialis angehört. Diese landwirtschaftliche Schrift ist uns 



Keil, Obs. crit. in Cat. et Varr. de re rustica libr., Halle 1849 p. 3. 



■• .tf 



Q. GargilioB Martialis. 199 

leider nicht erhalten, nur Auszüge sind auf uns gekommen und zwar Aus- 
züge doppelter Art, erstens solche, welche über die medizinischen Wir- 
kungen der Pflanzen und Baumfrüchte handeln, und zweitens ein Abschnitt 
aus der Tierheilkunde. Die Auszüge der ersten Gattung wurden später 
mit der sogenannten Medicina Plinii vereinigt und sogar als viertes Buch 
gezählt. Der Name des Autors ist hier nicht genannt, allein andere Aus- 
züge aus derselben Partie des Werkes geben uns den Namen, den wir 
hier vermissen. Lesen wir dieses sog. vierte Buch der medicina Plinii 
durch, so finden wir, dass der Verfasser seinen Stoff sachgemäss behandelt 
hat. Er schöpft zwar seine Lehren aus Büchern, aus Plinius, Dioskorides, 
Galenus u. a., allein er wahrt sich doch auch sein eigenes Urteil und lässt 
Spuren der Kritik erkennen. Wer ist nun dieser Gargilius Martialis? 
Seine Zeit bestimmt sich im aUgemeinen dadurch, dass er den Galenos 
citiert, während er umgekehrt von dem landwirtschaftlichen Autor Pal- 
ladius^) citiert wird. Galenos starb nicht vor 201 n. Gh., Palladius aber 
wird um 355 geschrieben haben. Genauer bestimmt sich die Zeit des 
Martialis, wenn er identisch ist mit dem Geschichtschreiber Gargilius 
Martialis, der die Biographie des Alexander Severus (222 — 235) schrieb. 
Diese Identität ist aber sehr wahrscheinlich, da der Gentilname Gargilius 
ganz selten ist. Ist aber der landwirtschaftliche Schriftsteller mit dem 
Historiker identisch, so wird er auch identisch sein mit dem Q. Gargilius 
Martialis, den wir aus zwei Inschriften kennen lernen. Die eine steht 
auf dem Denkmal, das er seinen Eltern setzte; die andere auf einem 
Stein, der ihm selbst zu Ehren gesetzt wurde. Hier ist kurz seine 
Biographie gegeben. Q. Gargilius Martialis stammte aus Auzia in der 
Provinz Mauretania Caesariensis ; sein Vater war als patronus der 
Kolonie Auzia ein angesehener Mann. Sein Sohn beschritt die Militär- 
karriere und bekleidete in derselben verschiedene Stellen; er war praefectu^ 
der cohors I Asiurum in Britannien, dann Tribun der in seiner Provinz 
stehenden cohors Hispanorum, endlich praeposüns der in Auzia liegenden 
cohors singularium und einer vexiUaiio equitum Maurorum, welche wahr- 
scheinlich nach Auzia detachiert war. Anlass zu dieser Detachierung 
mögen die feindlichen Einfälle der Wüstenstämme gegeben haben. In 
diesen Kämpfen zeichnete sich Martialis in hohem Grade aus, er nahm 
den gefährlichen Rebellen Faraxen gefangen. Aber später fand Martialis 
in diesen Kämpfen den Heldentod, indem er in einen Hinterhalt gelockt 
wurde. Der Gemeinderat von Auzia setzte dem verdienten Mann sicherlich 
bald nach dem Tode, am 26. März 260, ein Denkmal. 

Der landwirtschaftliche Schriftsteller Gargilius Martialis. Cassiod. inst, 
div. litt 28 quodsi huius atudii requirantur auctoreSf de hortia scripsit pulcerrime Gar- 
gilius Martialis qui et ntärimenta oUrum et virttUes earum düigetUer exposuit. 

Martialis als Historiker. Vopisc. Prob. 2, 7 et mihi quidem id animi fuit, ut 
non Sallustios, lAvios, Tacitos, Trogos, atque omnea diaertissimoa imitarer riroa in vita 
principum et temporüms disaerendis, aed Marium Maximum, Suetonium TranquiUum, Fa' 
Inum MareUinum, Qargilium MartiaJem ceteroaque qui haec et talia non tarn diaerte 



») 2, 15, 10; 2, 15. 19; 4, 9, 9; 4, 10, 5; 4, 10, 16; 4, 10, 34; 5, 8, 4; 6, 5, 6; 7, 5, 3; 
11, 12, 5; 11, 2, 7; 13, 4, 1. 



200 Römische LitieratnrgeBohiohto. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

quatn tere memoria^ tradiderunt. Lamprid. Alex. 37, 9 ne longum sU omnia inserere, quae 
Gargüius eins temporis acriptar sinffiUaHtn peraeeutus est. 

Die persönlichen Verhältnisse des Gargilins Martialis. Die Inschrift 
lautet GJL. 8, 9047 ausgeschrieben Q, Gargilio Q. f. Quirina Martiali, equUi Romano 
praefecto cohortis I Ästyrum provineicte Brittaniae, tribuno cohortis Hiapanorum provineiae 
Maureianiae Caeaarienai8f a militiia, praepoaüo cohorti aingularium et vexiUationi equitum 
Maurorum in territorio Auzienai praetendentium, deeurioni duarum coloniarum Auzienais 
et Ruagunienaia et patrono provineiae ob inaignem in civea amorem et aingvJarem erga 
patriam adfectionem et guod eiua virtute ae pigilantia Faraxen rebellia cum aatelUtibua 
auia fuerit captua et interfectua, ordo eoloniae Auzienaia inaidiia Bavarum deeepto peeunia 
publica fecit, Dedicatum VIII hol, Aprilea anno provineiae CCXXI (= 26. März 260 n. Gh., 
da die mauretanisobe Provinz mit 40 n. Gh. anflbigt). -- Die andere Inschrift steht eph. 
epigr. 5, 1300. Gichorius, Gargilius Martialis und die Maurenkriege unter Gallienus, Leipz. 
Stud. 10, 317. 

636. Die erhaltenen Auszüge aus dem Werk. Von dem grossen 
landwirtschaftlichen Werk des Gargilius Martialis sind uns Auszüge dop- 
pelter Art erhalten: 

A. Die Auszüge de oleribus und de pomis stammen aus dem Ab- 
schnitt des landwirtschaftlichen Werks, welcher de hortis handelt. Es 
wird in jenen Auszügen über den medizinischen Wert der Pflanzen und 
des Obstes gehandelt. Wir lernen sie kennen 

a) aus dem vierten Buch der sog. medicina Plinii. Allein das 
Excerpt war früher selbständig und wurde nur willkürlich mit der medi- 
cina Plinii verbunden.^) Martialis wird als Verfasser nicht genannt. 

ß) aus den vatikanischen Excerpten de pomis. Zwei Vaticani 
(s. X und s. XII) enthalten ein medizinisches Sammelwerk in fünf Büchern. 
Beim dritten heisst es: incipit liber tertius de pomis martialis. Über 
die hier in Unordnung geratenen Teile des Martialfragments vgl. Rose, 
anecd. 2, 112. 

y) aus einem medizinischen Sammelwerk des codex Sangal- 
lensis 762 s. IX. In einem Abschnitt de vlrtutibMS herbarum (abgedruckt 
bei Rose, anecd. 2, 131) lesen wir 2, 136, 15 de oleribus marciales (sie) 
und 143, 32 incipit de pomis martialis. 

6) aus einem Neapolitanischen Palimpsest {de cydoneis^ 
persicis, amygdalis, castaneis), vgl. Mai, classic, artet. 1, 3.87. 

e) aus einem cod. Berolinensis q. 198 s. XII bei Bose, anecdof. 

2, 157 (de pomis ex Martiale). 

Auch sonst finden sich noch zersprengte Reste, so teilt Rosb, anecd. 2, 128 drei 
Auszüge aus dem St. Galler Codex 762 s. IX und ein Kapitel de pruno aus dem 8t 
Galler Codex 752 s. XI und dem Londoner Codex reg. Casl. 12 £. XX mit (p. 130). Vgl. 
noch RosB, Hermes 8, 224. Plinii Secundi quae feruntur una cum Gargüii Martialis medi- 
cina nunc primum edita a V. Rosb, Leipzig 1875. 

B. Die Auszüge Curae boum. Sie sind mitgeteilt nach einer 
Leydener Abschrift eines alten Corbeiensis von Scuneidek, Script, rei rust. 
4, 1 pr. 168^171. 

Hrsg. von Sghuch, Donaueschingen 1887. 

Zur Charakterisierung des Werkes. Medicina Plinii ed, Rose p. 136 quantum 
haec potio valeat, utinam ntüla calamUaa coegisaet ut experimento meo noaaem; p. 140 di- 
di4:imua ab expertia; p. 156 aed qui in diver sa opinione sunt, haec falsa tradita adseverant; 
p. 159 unde inteUegi datum est easdem virtutes et corporibus humanis utiles esse, sicuti 
postea experimenta docuerunt; p. 171 nobis expertum est armoraciam in ptisanae sorbitione 

Rose, Anecd. 2, 109. 



G. Jalias SoUhm. 201 

diseoctam thoraeis vüia aanare; p. 138 scriptum a muUis legUur; p. 143 quidam putant 
etiam ipsum triiutn et inposUum plagis mederi, 

3. G. Julius Solinus. 

636. CoUectanea rerom memorabilium. Ein vielgelesenes Buch 
war das Kompendium des C. Julius Solinus, das den Titel collectanea 
verum memorabilium führte. Es ist eine Erdbeschreibung. Der Ver- 
fasser geht von Rom aus; in einem sehr wertvollen Abschnitt (1, 1 — 52) 
handelt er über den Namen Roms, über die mythische Vorgeschichte Roms, 
über die Gründung Roms durch Romulus, über die römischen Könige, 
über das Gründungsjahr, fügt einige Notizen über den Verlauf der römi- 
schen Geschichte bis zu Augustus bei, geht dann zu einer ausführlichen 
Darstellung des römischen Jahres über (1, 34 — 47), und schliesst daran eine 
Betrachtung über die Thaten des Augustus. Es folgt (1, 53) ein Traktat 
über den Menschen. Dann nimmt er den Faden des Werks wieder auf 
und handelt von Italien (c. 2 — 6), nach Italien kommt Griechenland an 
die Reihe (7 — 11); mit c. 12 beginnt die Schilderung des Hellespont und 
des Pontus. Von da wendet er sich nach Germanien (c. 20), nach Gallien 
(c. 21), nach Britannien (c. 22), nach Hispanien (c. 23). An Spanien reiht 
sich naturgemäss Afrika an, welches in den Kapiteln 24 — 32 durchgegangen 
wird. Zuletzt ¥rird Asien geschildert, Arabien und Syrien (c. 33 — 37), 
Kleinasien (c. 38 — 45), Assjrrien, Indien und das Partherreich (c. 46 — 56). 
Den Schluss bilden die insulae Gorgades und die Hesperidum imulae. Der 
Kompilator wollte eine unterhaltende Lektüre schaffen, er richtete daher 
sein Augenmerk auf Merkwürdigkeiten und Kuriositäten, Eigentümlich- 
keiten der Bewohner, der Tiere, Bäume, Mineralien streut er in seine 
Darstellung ein. Allein was er gibt, ist erborgtes Gut. Das Eigene re- 
duziert sich auf ein Minimum. Sein Material entnimmt er grösstenteils 
aus der Naturgeschichte des Plinius. Da wir die Quelle Solins noch be- 
sitzen, so können wir, soweit uns der Autor Plinianisches gibt, sachlich 
nichts Neues aus ihm lernen, nur für die Kritik und Emendation der von 
ihm benützten plinianischen Bücher können und müssen wir ihn heran- 
ziehen. 

Allein es steckt auch noch anderes in der Kompilation, und nur 
diese in das plinianische Gut eingewobenen Notizen fordern natürlich 
unsere Prüfung heraus. Es fragt sich vor allem, woher diese Notizen, 
die wir nicht auf einen der vorhandenen Autoren zurückleiten können, 
stammen. Mommsen denkt an eine Chronik des Bocchus, wir sind dagegen 
der Meinung, dass dieselben grösstenteils auf Sueton zurückgehen. Dass 
der Anfang der Kompilation aus der Roma Suetons stammt, ist kaum 
zweifelhaft. Weiterhin fragt sich, ob Solinus selbst diese Vereinigung 
der verschiedenen Bestandteile zu einem Ganzen vorgenommen hat. 
Mommsen ist der Meinung, dass bereits vor Solin von einem Unbekannten 
eine Geographie aus Plinius angefertigt und mit Zusätzen versehen wurde, 
und dass Solin diese Geographie nur in einen Auszug brachte. Allein 
diese Hypothese steht mit den Worten der Vorrede in Widerspruch, denn 
dort heisst es ausdrücklich, dass er seine Arbeit auf einige volumina ge- 



202 Römische Litteratnrgeschiohie. ü. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilnng. 



gründet habe. Wie konnte aber Solinus vor das Publikum und vor seinen 
Gönner treten, wenn er nichts als einen Auszug aus einem bekannten 
Werk, das noch dem Ammianus Marcellinus vorgelegen sein soll, brachte 
und doch darüber schwieg? Ich glaube daher, dass die Frage eine andere 
Lösung erheischt, und die Fälle, die von Mommsen herangezogen wurden, 
anders zu deuten sind. Meines Erachtens besteht kein durchschlagender 
Grund, die Redaktion des Ganzen dem Solinus abzusprechen. Die Thätigkeit, 
die Solinus hiebei zu entfalten hatte, war sehr gering, und auch diese geringe 
Thätigkeit hat Solinus nicht ohne lächerliche MissgrifFe ausgeübt. Ein beleh- 
rendes Beispiel ist folgendes: er las bei Plinius lY 67: Faros cum oppido^ ab 
Delo XXXVIII tnil. mar mar e nobiUs. Daraus machte der gedankenlose Mann 
c. 11, 26 Marmore Faros nobilis, Äbdelo oppido frequentissima, also er las 
Abdelo und machte daraus eine Stadt. Auch in der Darstellung leistete 
der Eompilator nichts; denn sie ist geziert und geschmacklos. Gleichwohl 
fand seine Leistung Anklang. Wir finden sie herangezogen von Servius, 
Augustin, Capella, Priscian, Isidorus und anderen. *) Auch im Mittelalter war 
das Kompendium ein beliebtes Buch. Merkwürdig ist die Umarbeitung, die 
mit demselben vorgenommen wurde. Der Ausdruck wurde vielfach ver- 
ändert, auch Zusätze aus anderen Quellen kamen hinzu. Der Umarbeiter 
wollte sich den Schein geben, als rühre die Umarbeitung von Solin selbst 
her. Er machte daher eine neue Vorrede und griff hier zu der Fiktion, 
das Werk sei wider seinen Willen in unvollendetem Zustand in die Öffent- 
lichkeit gedrungen; er gebe daher das Buch in neuer Gestalt und habe 
deshalb auch den Titel Collectanea rerum memorabilium in Folyhistor ge- 
ändert. Auch Excerpte wurden aus dem Kompendium gemacht. Endlich 
wurde Solinus sogar unter dem Namen eines Theodericus in Hexameter 
umgegossen. 

Lebenszeit des Solinus. Der Terminus post quem ist Sueton, da dieser in der 
Kompilation sicher benutzt ist (c 1, 34—47). Der terminus ante quem ist die Regierangszeit des 
Theodosius II. (401 — 450), da die erste Klasse der Handschnften auf ein von ihm abge- 
schriebenes Exemplar zurückgeht. Ein genaueres Kriterium lässt sich schwer gewinnen, 
da wir es mit einem blossen Kompilator zu thun haben, der mit seinen eigenen Ansichten 
äusserst selten hervortritt. Wichtig ist c. 50, 3 hoc illud est sericum in usum piMieum 
damno severitaiis admissum et quo ostendere potius corpora quam vestire primo feminis, 
nunc etiam viris luxuriae persuasit libido. Da Lamprid. Heliog. c. 26 bezeugt wird: 
primus (Heliogabalus 218—222) Romanorum holoserica veste usus fertur, cum iam sub- 
sericae in usu essent, so werden wir die Abfassung der Schrift nicht vor Heliogabalus (218 — 222) 
ansetzen. Da das Buch einem Adventus gewidmet ist, und wir einen Consul Ordinarius Ocla- 
tinius Adventus des Jahres 218 kennen,') und die Qlosse im cod. Monac. 14429 s. X Julius 
Solinus siib octiviano fuU zu verbessern ist in : Julius Solinus sub OcUUinio, so werden wir 
mit grosser Wahrscheinlichkeit die Mitte des 3. Jahrhunderts als die Blütezeit des Solinus 
anzunehmen haben. Damit würde dann auch in Einklang stehen, dass Solinus nur von Byzanz 
spricht, nicht von Konstantinopel, und dass sich bei ihm von der durch Diocletian und Con- 
stantin durchgeführten Einteilung der Provinzen keine Spuren finden. Vgl. Moxmsen p. VII*. 

Der Titel des Werkes ist collectanea rerum memorabilium. So citiert Aldhelm 
die Schriffc, der Mönch Dicuil kürzer : in coUectaneis, Auch Priscian gebraucht öfters diesen 
kürzeren Titel (GL. 2, 539; 16), einmal hat er in coUectaneis vel polyhistore (2, 29, 2), öfters 
in memorabilibus (2, 80, 23; 151. 6; 270, 17; 3, 313, 10), einmal in admirabüibus (2, 238, 17). 
Im Parisinus 6831 coVectio rerum memorabilium. Dass der wahre Titel collectanea rerum 
memorabilium war, erhellt besonders daraus, dass der Umarbeiter in seiner Vorrede aus- 
drücklich sagt, er habe jetzt statt des Titels coüectanea rerum memorabilium den Titel 



M Vgl. MoKxsRNS Ausgabe p. XXIX 

(XXV «). 



*) Gegen die Identität spricht sich aller- 
dings MoxifSBN aus p. VI '. 



C. JolioB Bolinas. 203 

PolyhUtor gewählt (p. 217 M.^). Dieser Titel Polyhistor wurde dann der Titel der inter- 
polierten Handsohriftenklasse. 

Das Ziel des Werks. In der Vorrede an Adventus gibt Solinus über sein Ziel 
Aufscblnss, exquisitis eiliquot voluminüms studuisae me inpendio fateor, ut et a notioribas 
referrem pedetn et rematis largius inmorarer, Ix)corum commemortUio plurimum tenet, in 
qttam partem fertne inclinatior est universa materies. quorum meminisse ita visum est, 
ut inclitos terrarum situs et insignes tractus maris, servata orhis distinrtione, suo qucteque 
ordine redderemus. Tnseruimus et pleraque differenter congruentia, ut si nihil aliud, saltem 
varietas ipsa legentium fctstidio mederetur. Inter haec hominum et aliorum animalium 
ntUurcu expressimus, Addita pauea de arhoribus exoticis, de extimarum gentium formis, 
de ritu dissono ahditarum nati^mum, nonnulla etiam digna memoralu, quae praetennittere 
incuriasum videbatur quorumque auctorUas — de scriptoribus manat receptissimis. Quid 
enim proprium nostrum esse possit, cum nihil omiserit antiquitatis diligentia, quod intactum 
ad hoc usque aevi permaneret? — opiniones universas eligere maluimus potius quam 
innowtre. 

Die Komposition des Werkes. Es sind zuerst die Bestandteile desselben ins 
Auge zu fassen : 

a) Pliniana. Zu Grunde gelegt sind die geographischen Bflcher der naturalis historia 
8 — 6, aus dem Buch 7 (über den Menschen) stammt der der Beschreibung von Rom an- 
gehängte Abschnitt über den Menschen. Eingestreut sind dann Notizen aus den Büchern 
über die Tiere (8 — 11), aus den Büchern über die ausländischen Bäume (12, 13), endlich 
aus den Büchern über die Edelsteine (37). 

ß) Die übrigen Bestandteile. Als solche nimmt Mommsbn an Auszüge aus Mola 
und aus einer verloren gegangenen Chronik, welche um 49 n. Gh. entstanden, dem Bocchus 
angehören soll (p. XIV *). Allein da sicher ist, dass im Solin Suetons Roma (bes. das 
Buch über das WJmische Jahr) benutzt ist, entsteht die Vermutung, dass die zuletzt ge- 
nannten Zusätze aus Sueton stammen. Dieser konnte in seiner Roma und seinem Pratum 
dem Solinus Stoff darbieten. 

y) Anteil des Solinus. Die angebliche Chorographia Pliniana, Momkssn 
stellt folgende Hypothese auf (p. XXI, p. XVIP): exstitit post Plinium, qui eius naturae 
histariam ad chorographiae formam rediger et et ita redactam excerptis aliorum auctorum choro- 
graphorum et ehronographorum ampliaret (die sog. Chorographia Pliniana eines unbekannten 
Verfassers, der bald nach Hadrian lebto). Das Büchlein des Solinus ist nur eine 
Epitome dieser Chorographia (p. XXI; Hermes 16 (1881) p. 627). Diese Hvpothese 
stützt sich darauf, dass Apuleius (Florida) und Solinus einerseits und Ammianus und Solinus 
andererseits Plinius gegenüber übereinstimmen, und dass diese Uebereinstimmung nicht 
dadurch erklärt werden kann, dass Apuleius und Ammianus den Solinus benutzten. Allein 
es fragt sich, ob diese Uebereinstimmung nicht auch so erklärt werden kann, dass beide 
aus einer dritten Quelle (Sueton?) schöpfen, die den Plinius benutzt hatte. 

Die Ueberlieferung von Solinus. Da Solinus ein viel gelesener Schriftsteller 
war, so sind die Handschriften sehr zahlreich. Mommsen hat in einer sehr eingehenden, 
zugleich für die Methode der Recension sehr lehrreichen Untersuchung (p. LIX ^) drei 
Klassen von Handschriften unterschieden und seinem Apparat zu Grunde gelegt. 

LOdeckb, Ueber zwei wichtige Handschriften der Solinus, Bremen 1866; Mac^-, ün 
important ms, de Solin (Vatic. 3343) in den M^langes d'arch^ol. 8 (1888) 506. 

Ausgaben von J. Camas (1520), Elias Vinbtus (1554), M. Dbbeio (1572). Epoche- 
machend für Solinus ist Salmasius in seinen Plinianae exercitationes in SoL Polyhist. 
Paris 1629, Utrecht 1689. Erste kritische Ausgabe von Th. Momxsen, Beri. 1864; 2. Aufl. 1895. 



B. Die christliche Litteratur. 

637. Einleitung. Dass die lateinischen christlichen Autoren in einer 
Geschichte der römischen Litteratur behandelt werden müssen, wird kein 
Einsichtiger leugnen; denn diese Autoren schreiben in derselben Sprache 
wie die nationalen, sie gebrauchen dieselben litterarischen Formen, welche 
die nationale Litteratur ausgebildet hat; sie nehmen auch teil an den 
Ideen, welche das Hellenentum und das Römertum erzeugt haben; ja sie 
wenden sich zum Teil an ihre heidnischen Mitbürger. Aber diese Autoren 
bilden doch eine Welt für sich und erfordern eine eigene Behandlung. 
Die christliche Litteratur hat ihre selbständige Entwicklung, sie ist aufs 
engste mit den Schicksalen des Christentums in der römischen Welt ver- 
wachsen; sie begleitet den Kampf, den die neue Religion um ihre Existenz 
zu führen hat. Dieser Kampf ist aber ein doppelter; einmal kam das 
Christentum mit der Regierungsgewalt in Konflikt, da es den nationalen 
Kultus und damit den Bestand des Staates negierte; dann trat es in 
scharfen Gegensatz zu den Anschauungen und Sitten der damaligen feineren 
Gesellschaft. Die Christen bildeten einen geschlossenen Lebenskreis; wie 
sie nicht an dem nationalen Kultus teil nahmen, so schlössen sie sich 
auch von sozialen Einrichtungen aus, wenn diese nur einigermassen mit der 
alten Religion in Verbindung standen; sie mieden die Schauspiele, sie ver- 
warfen die Bekränzung, sie scheuten vor den Staatsämtem zurück. Sie 
hatten ihre Hoffnungen in einer anderen Welt und je mehr sie sich von 
ihren Mitbürgern absonderten, um so enger schlössen sie sich aneinander 
an. Ihr Kultus bethätigte sich in neuen ungewohnten Formen. Es ist 
daher kein Wunder, wenn die römisch-griechische Nationalität, wie bereits 
angedeutet, in doppelter Weise gegen diese neue Weltanschauung reagierte. 
Es geschah dies äusserUch und innerlich, äusserlich indem die römische 
Regierung vom Selbsterhaltungstrieb gezwungen wurde, gegen das Christen- 
tum mit Strafen vorzugehen; innerlich, indem die nationalen Schriftsteller 
gegen das Christentum Stellung nahmen. Diesen doppelten Kampf, der 
drei Jahrhunderte hindurch wütete, müssen wir kennen lernen, wenn wir 
zum Verständnis der christlichen Litteratur gelangen wollen. Den ersten 
Kampf schildert uns die Geschichte der sogenannten Christenverfolgungen ; 
der zweite Kampf spielt sich vorwiegend in der griechischen Litteratur 
ab, doch greift auch die lateinische in denselben ein. 



Sinleitimg. 205 

Den EinfluBs griechischer Ideen und Gehräuche auf die christliche Kirche zeigt 
Hatch, Griechentum und Christentum. Deutsch von Erwin Pbbusohen, Freiburg i. B. 1892; 
Anbiob, Das antike Mysterienwesen in seinem Einfluss auf das Christentum, Göttingen 
1894; über den römischen Einfluss auf die Kirche handelt Habhack in seiner Dogmen- 
geschichte P (Freib. und Leipz. 1894) p. 439. 

a) Der Kampf des Christentums mit der Staatsgewalt. 

688. Die rechtliche Stellung des Christentums. Religion und 
Staat waren bei den Römern unzertrennliche Begriffe. Die vaterländischen 
Götter verachten hiess daher nichts anderes als das Vaterland selbst ver- 
achten. Eine Religion also, welche diese Gtötter negierte, musste als unver- 
traglich mit dem Gemeinwesen betrachtet werden. Solche Religionen 
waren aber das Judentum und das Christentum; streng monotheistisch 
konnten sie die nationalen Götter nicht anerkennen und mussten sich von 
dem nationalen Kult fernhalten. Hiednrch unterschieden sie sich von 
anderen ausländischen Religionen, welche die nationalen Götter nicht 
verneinten und daher geduldet werden konnten. Eine solche Duldung 
konnte man prinzipiell weder dem Judentum noch dem Christentum ein- 
räumen. Wenn trotzdem die römische Regierung sich dem Judentum 
gegenüber anders verhielt als dem Christentum gegenüber, so rührt dies 
daher, dass das Judentum auf vorwiegend nationaler Grundlage ruhte und 
daher in seiner Ausbreitung gehemmt war. Ganz anders lag die Sache 
beim Christentum mit seiner kosmopolitischen Tendenz. Je mehr An- 
hänger es im Laufe der Zeit gewann, desto mehr musste es die Aufmerk- 
samkeit der regierenden Organe erregen. Es trat daher die Frage an 
sie heran, wie man der von dem Christentume drohenden Gefahr begegnen 
könne. Da stand einmal der kriminelle Weg offen. Hier handelte es 
sich also darum, einen der gegebenen kriminellen Begriffe zu finden, unter 
dem das Christentum subsumiert werden konnte. Als ein solcher Begriff 
bot sich die maiestas dar. Das Christentum, das die vaterländischen 
Götter leugnete und denselben den Kultus verweigerte, beging damit — 
so konnte juristisch konstruiert werden — ein Attentat auf die maiestas 
populi Somani und seinen nationalen Götterkreis. Es war noch eine andere 
Konstruktion möglich ; man konnte die Person des Kaisers in den Vorder- 
grund stellen und die Christen, welche demselben die göttlichen Ehren 
verweigerten, als Majestätsverbrecher ansehen. Dass man weiterhin auch 
auf Grund anderer Verbrechen, welche man mit dem Christentum in Ver- 
bindung brachte, wie Blutschande, Thyestisches Mahl, vorgehen konnte, 
ist klar. Allein der kriminelle Weg war nicht der gewöhnliche; es bot 
sich eine viel einfachere Handhabe zur Repression des Christentums in 
dem behördlichen Koercitionsrecht dar. Die coercüio ist das Recht 
der Oberbeamten, Ordnung zu schaffen und das Gemeinwesen vor Stö- 
rungen und Einpiffen zu schützen. Ein Vergehen gegen die öffentliche 
Ordnung war aber ohne Zweifel die Negierung der Staatsgottheiten, wie 
solche dem Christentum eigen war. Besonders bei dem römischen Bürger, 
welcher den nationalen Göttern die Huldigung versagte, machte sich die 
Notwendigkeit der Ahndung geltend. Aber nicht minder musste der 
Provinziale, welcher die Reichsgötter leugnete, einer Bestrafung unterliegen. 



206 Römische LitteratnrgeBohiohte. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abieilmig. 

In der Ausübung der coercitio war der Beamte weder an einen strengen 
strafrechtlichen Begriff noch an ein festes Verfahren, noch an eine 
ausdrücklich normierte Strafe gebunden. Es lag eben kein eigent^ 
liches Bechtsverfahren, sondern nur eine administrative Massregel vor. 
Man sieht also, dass alles durch die Individualität der massregelnden Be- 
amten bedingt und dass ein grosser Spielraum gegeben war. Es hing 
viel von den äusseren Umständen ab, ob eine Verfolgung einzuleiten war 
oder nicht. Im ganzen ging die Tendenz auf Tolerieren der Christen. 
Erst als sich zeigte, dass die organisierte Kirche einen Staat im Staate 
bildete, steckte man sich als Ziel die Vernichtung des Christentums; 
allein gerade diese scharfe Repression führte zu dem Siege der neuen 
Religion. Doch wie sich die einzelnen Kaiser zu der Christenverfolgung 
stellten und welchen Verlauf diese nahm, soll im Nachfolgenden dargelegt 
werden. 

Grundlegend fUr diese Frage wurde der Aufsatz Moxvsbnb „Der Religionsfrevel 
nach römischem Recht ^ Stbbls histor. Zeitschr. 64 (28) 1890 p. 339. Das Verhältnis des 
Staats zur Kirche untersuchen: Kbix, Rom und das Christentum, Berl. 1881; H. Doulcit, 
Essai 8ur les rapports de Viglise chritienne avec Vitat Romain, Paris 1883; Nbükakk, 
Der rOm. Staat und die allgem. Kirche bis auf Diokletian, I. Bd., Leipzig 1890; £. Ls 
Blant, Les persiciUeurs et Us martyrs, Paris 1893 (vgl. eh. VI : Ba^es juridiques des pour- 
suiies dirigies contre Us martyrs p. 51); Rahsay, The church in the Roman empire, Lon- 
don' 1894; Hardt, Christianity and the Roman government, London 1894; Avvk, De la 
legaliti du christianisme dans Vempire Romain pendant le premier siikle {Histoire des 
persScutions de rSglise, Paris* 1875 p. 407); Hilgenfbld, Verhältnis des römischen Staates 
zum Christentum in den beiden ersten Jahrh. (Zeitschr. für wissensch. Theol. 24 [1881] 
p. 291); Stbel, Politisches und soziales Verhalten der ersten Christen (Kleine historische 
Schriften P, München 1869 p. 1); Wibsblek, Die Christenverfolgung der Cäsaren bis zum 
dritten Jahrb., Gütersloh 1878; Rbnah, Origines du christianisme, Paris 1858, Bd. 2 ff.; Allabd, 
Histoire des pers^eutions pendant les deux premiers si^eles, Paris 1885; Histoire des per- 
sicutions pendant la premihre moitii du troisi^me siMe, Paris 1886; les demih'es per- 
sicutions du troisihne süele, Paris 1887; AüBii, Histoire des per sicutions de Viglise jusqu' ä 
la fin des Antonins, Paris* 1875; Histoire des persicutions de Viglise, La polemique 
patenne ä la fin du II' sikcle, Paris 1878 ; Les chritiens dans Vempire Romain de la fin 
des Antonins au müieu du III* siicle (180—249) Paris 1881; G. Boissibb, La fin du Fa- 
ganisme T. P, Paris 1891, p. 399: les persicutions (allgemeine kritische Betrachtungen). 

639. Nero (64 — 68). Die römische Staatsgewalt schenkte geraume 
Zeit dem Christentum nur eine geringe Beachtung; anfangs floss ihm das- 
selbe mit dem Judentum zusammen. Zum erstenmal erfolgte eine staat- 
liche Aktion gegen die Christen unter der Regierung Neros im Jahre 64. 
Wir haben darüber das wichtige Zeugnis des Tacitus, ^ <1^ vielfach kom- 
mentiert, aber auch vielfach missverstanden wurde. Allein eine unbe- 
fangene Betrachtung des Kapitels im Zusammenhang kann meines Er- 
achtens keinen Zweifel über den Vorgang aufkommen lassen. Wir glauben 
denselben kurz also darlegen zu können. Als die grosse Feuersbrunst 
Rom im Jahre 64 verheerte, wurde allgemein Nero als der Urheber an- 
gesehen. Um diesen Vorwurf von sich abzuwälzen, legte er den Christen 
das Verbrechen zur Last. Die Christen waren dem grossen Publikum 
verhasst, denn sie standen in dem Rufe, grosse Schandthaten in ihrem 
Kreise zu begehen. Auch die That der Brandstiftung konnte ihnen zu- 
getraut werden, weil sie abgeschlossen von der Welt für sich lebten. 



•) Ann. 15, 44. 



Nero. 



207 



kein Interesse an Rom und dem römischen Reich hatten, sondern ihr 
Vaterland in dem Himmel suchten, und weil der Glaube an das baldige 
Ende aller Dinge stark unter ihnen verbreitet war.*) Stand aber einmal 
eine solche vorgefasste Meinung fest, dass die Christen des schuldge- 
gebenen Verbrechens fähig seien, so konnte die Untersuchung leicht auf 
den Abweg geraten, dass sie statt die Brandstiftung nachzuweisen 
vielmehr die Zugehörigkeit zum Christentum nachzuweisen sich be- 
strebte. Die Zugehörigkeit zum Christentum konnte aber auf zweifache 
Weise dargethan werden, erstens durch Selbstgeständnis, zweitens durch 
Denuntiation und zwar von solchen, die Wissende waren d. h. von Leuten 
aus dem Kreise der Christen. Beides geschah nach dem Berichte des 
Historikers. Über das Ergebnis der Untersuchung spricht sich Tacitus in 
seiner pikanten Weise dahin aus, dass die Christen nicht sowohl des Ver- 
brechens der Brandstiftung als des Hasses gegen das Menschengeschlecht 
überführt wurden. Die Worte wollen aber nichts anderes besagen als: 
die Untersuchung stellte das Christentum der Angeschuldigten fest — durch 
den Hass gegen die übrigen Menschen,^) deren Umgang die Christen 
mieden und welche, wie sie glaubten, nach dem Tode der ewigen Ver- 
dammnis anheimfallen müssen, ist das Christentum charakterisiert — nicht 
aber stellte sie ausser Zweifel die Brandstiftung. Verurteilt wurden die 
Christen als Brandstifter, Brandstifter waren sie aber, weil sie Christen 
waren. Der Glaube der Christen kam nicht als solcher in Frage, sondern 
nur als die Voraussetzung für ein anderes Verbrechen. Die Neronische 
Christenverfolgung ist eine Verfolgung der Christen, aber nicht eine 
Verfolgung der christlichen Weltanschauung; sie hat kein prinzipielles Ge- 
präge durch ein Edikt erhalten, sie wurzelte in einem singulären Fall, 
und es ist nicht wahrscheinlich, dass sie über Rom hinaus weitgehende 
Folgen hervorgerufen hat. 

Litteratur: Hochabt, Audes au aujet de la peraSciäion des Chritiens atma Nlron, 
Paris 1885 (sonderbare Interpolationshypothese in Bezug auf Sueton Nero 16); Abnold, Die 
Neronische Christen Verfolgung, Leipz. 1888; Keix, Aus dem Urchristentum I. Bd., Zürich 1878 
(,Da8 neronische Verbrechen und der Christenname** p. 171); Rom und das Christentum, 
Berlin 1881 p. 184; ScmLLBR, Geschichte des röm. Kaiserreichs unter der Regierung des 
Nero, Berlin 1872 p. 434; Ein Problem der Tacituserklärung in den Comment. in honorem 
Mommseni, Berl. 1877 p. 41; Hausräte, Neutestamentl. Zeitgeschichte 3 (Ueidelb. 1874) 
p. 93; JoKL, Blicke in die Religionsgeschichte 2. Abteil., Bresl. 1883 p. 143; Göbbes, Zeitschr. 
fOr wissensch. Theol. 21 (1878) p. 271 ; Zbllbb, ebenda 34 (1891) 356; WeizsIokbb, Das apost. 
Zeitalter, Freib. i. B. 1886 p. 476; Anai, Uisioire des persScutiona de r^glise juequ'ä la fin 
des Antonins, Paris' 1875 p. 74; Neuxann, Der röm. Staat und die allgem. Kirche 1 
(Leipz. 1890) p. 4; Raxsay, The church in the Roman empire, London * 1894 p. 226; Habdy, 
Christianity and the Roman government, London 1894. Die beiden Gelehrten nehmen 
eine eigentliche Christenyerfolgung schon unter Nero an; so sagt Habdy p. 77: they 
were punished, not as incendaries, but as Christians, Ramsay p. 240 Tacitus asserts that 
the larger number of the aecused must have heen condemned on the ground of hatred of 
the ioorld and hostility to society. Aber eine genaue Interpretation des Tacitus widerstreitet 
diese Ansicht. 



') Joel 1. c. p. 144. 

') AuBi, Histoire des pers^cutions de 
Viglise jusqu'ä la fin des Antonins, Paris 
1875 p. 138 Les paXens, qui n*avaient jamais 
sipari la religion de V£tat, ne comprenaient 
pas eette vie sup^rieure et ditachfe^ ces prf- 



occupations transcendantes et cc didain mal 
diguisi pour tous les intA'its de la vie com- 
mune; et comme on calomnie d'ordinaire lea 
sentiments qu'on ne partage pas, ils disaient 
que les Chr^tiens 4taient des ennemis de la 
soci^ti. 



208 ROmiache Litteratnrgeschiohte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. ▲bteüung. 

640. Domitian (81 — 96). Die erste Verfolgung der Christen um 
ihres Glaubens willen hat unter Domitian stattgefunden. Das Christentum 
löste sich immer mehr von dem Judentum los. Die infolge der Zerstörung 
des Tempels von Jerusalem eingeführte Besteuerung der Juden schuf 
jetzt ein Kennzeichen, das sie deutlich von den Christen schied. Auch 
erhielten Christen vorwiegend aus den Kreisen der Heiden ihren Zuwachs. 
Es entstand daher eine von engen nationalen Schranken freie Gesellschaft. 
Die Staatsgewalt musste jetzt das Christentum mit ganz anderen Augen 
anschauen als das Judentum. Die Duldung, die man dem nationalen 
Judentum gewährte, schien beim Christentum, das täglich mehr Römer 
aufnahm, gefährlich. Unter Domitian, der besonders auf die Vergötterung 
seiner Person grosses Gewicht legte, brach der Konflikt aus. Die Nach- 
forschung nach den Davididen in Palästina ergab ein harmloses Resultat; 
dagegen war es höchst bedenklich, dass das Christentum selbst in der 
kaiserlichen Familie Eingang gefunden hatte.') Im Jahre 95 wurden 
Flavius Clemens, der eben Konsul gewesen war, und seine Gattin Flavia 
Domitilla wegen „Gottlosigkeit^ d. h. Nichtanerkennung der nationalen 
Gottheiten angeklagt und verurteilt. Zu gleicher Zeit wurden auch noch 
andere, welche sich an „jüdische Sitten'' anlehnten, vor den Richterstuhl 
gezogen und bestraft. Dass es sich bei diesen Verurteilungen nicht um 
Juden, sondern um Christen handelt, geht daraus hervor, dass damals 
die Juden toleriert wurden. Dies Vorgehen Domitians gegen die Christen 
ist von der grössten Wichtigkeit. Jetzt ist das Christentum grund- 
sätzlich verboten. Es ist ganz dem Ermessen der Statthalter anheim- 
gegeben, gegen die Christen einzuschreiten. Allein an eine allgemeine, 
durch das ganze Reich sich erstreckende Christenverfolgung ist trotzdem 
nicht zu denken. Abgesehen von der sich an den Prozess des Flavius 
Clemens schliessenden Christenverfolgung in Rom scheint es sich nur um 
einzelne Fälle gehandelt zu haben. Auch jetzt drückte man noch gern 
ein Auge zu, nur wo es sein musste, schritt man ein. 

Ober die^ Verfolgung des Domitian ist die Hauptstelle Dio Cass. 67, 14 (Bbkkbb II 
303) xay Ttü avTt^ Ire» aXXovg te noXXot^g xal roy ^Xavtoy roV KXijfuyta vnatBvoyra xai' 
nsQ äye^ioy oyia xal yvyatxa xai avzijy avyyeyrj iavtov ^Xaoviay JofAirlXlay i^oyTa, xaxic^ 
q)a^ey 6 Jo/jiinay6$ ' inijyex^rj di a/4(poTy ^yxXt^fxa a&eozijtog, vgi* rjg xai aAAcm ig xd xwy 
'[ovdaitoy ^&r] i^oxiXXoyxeg noXXoi xateSixda9fjaayy xal ol (Aky dni&ayoyy ol d^ xtSy yovy 
ovaujy iateQij&fjffay * i; &k JofiitlXXa vneQtoQia&tj (Aoyoy ig Uaydaxegtay, Ueber die 
Christenverfolgung Domitians vgl. Keim, Rom und das Christentum p. 206, Aub]&, HisUnre 
des pera^cutiona etc., Paris' 1875 p. 130, Hausbath, Neutestam. Zeitgesch. 3 THeidelb 1874) 
p. 295; besonders aber Neükann, Der röm. Staat und die allgem. Kirche 1 (Leipz. 1890) 
p. 7; Ramsay, The church in the Roman empire, London* 1894 p. 259; Habdy, Christian 
nity and the Roman government, liond. 1894 p. 78. 

641. Traian (98— 117), Eine deutlichere Vorstellung über das Ver- 
hältnis der Regierungsgewalt zum Christentum erhalten wir durch den 
Briefwechsel des jüngeren Plinius. Dieser war (112/3) Statthalter in Bi- 
thynien. In dieser Provinz war das Christentum so stark verbreitet, dass 
es die Aufmerksamkeit der Behörden erregen musste. Das wachsame 
Auge des Statthalters richtete sich zuerst auf das Vereinswesen; einem 
Mandat des Kaisers entsprechend, das wahrscheinlich auf einen Bericht 

*) Hegesippus bei Euseb. hist, eccles. 3, 20. 



Domitian. — Traian. 209 

von ihm erfolgt war, erliess er ein öffentliches Verbot gegen die Häte- 
rien.^) Die Christen fühlten, dass dieses ein gegen sie gerichteter Schlag 
sei; manche zogen sich daher von den gottesdienstlichen Versammlungen 
zurück; doch bald kamen vereinzelte Anklagen gegen die Christen vor 
den Statthalter. Derselbe hatte hier einen schweren Stand, denn er hatte 
Christenprozessen niemals beigewohnt, er war daher über den Rechts- 
grund der Verurteilung nicht genügend informiert. Fest stand ihm nur 
die Strafbarkeit des Christentums, er verurteilte auch die angeklagten 
Christen soweit sie Provinzialen waren, aber nur wegen des unbeugsamen 
Starrsinns, mit dem sie in dem Christentum verharrten; die angeklagten 
Christen, welche Römer waren, verwies er zur Aburteilung nach Rom. 
Im Laufe der Untersuchung gewann die Christenfrage grössere Dimen- 
sionen. Es lief nämlich eine anonyme Denuntiation ein, welche die Namen 
vieler Christen enthielt. Jetzt ging Plinius in folgender Weise vor: die- 
jenigen, welche überhaupt leugneten, Christen zu sein, liess er die Gott- 
heiten anrufen, Opfer vor den Bildnissen der Götter und des Kaisers dar- 
bringen und Christus verfluchen. Nachdem sie dies gethan hatten, entliess 
er sie. Verwickelter lag die Sache bei denjenigen, welche zwar zugaben, 
früher Anhänger des Christentums gewesen zu sein, dasselbe aber jetzt 
aufgegeben haben wollten. Auch bei diesen nahm der Statthalter dieselbe 
Prozedur vor wie bei der ersten Klasse. Aber er begnügte sich niclit 
damit, sondern stellte Nachforschungen über das Wesen des Christentums 
an. Diese ergaben keine verbrecherischen Handlungen, die noch nach- 
träglich geahndet werden mussten, wohl aber einen ungeheuren Aber- 
glauben. Dieses Ergebnis bestimmte den Statthalter sein Urteil zu sus- 
pendieren und die Entscheidung des Kaisers in der Frage einzuholen.^) 
In einem kurzen Schreiben stellte Traian die Grundsätze fest, welche in 
dem Verfahren gegen die Christen zu beobachten seien.*) Er gab zwei Vor- 
schriften in Bezug auf die Einleitung der Verfolgung, indem er erstens die 
Aufsuchung der Christen, zweitens die Annahme anonymer Klageschriften 
verbot. Für den Prozess setzte er die Normen fest, erstens dass jeder, 
der des Christentums überführt werde, zu bestrafen sei; zweitens dass jeder, 
der sein Christentum ableugne und durch ein den Göttern dargebrachtes 
Opfer seinen nationalen Glauben erhärte, frei zu lassen sei. Die Trag- 
weite dieser Grundsätze leuchtet ein. Die Strafbarkeit des Christentums, 
die ja dem Statthalter von Anfang an feststand, ist im Einklang mit der 
bisherigen Praxis vom Kaiser anerkannt, und damit das Schwanken *) des 
Plinius, wie es sich im Verlauf der Anklage eingestellt hatte, abgewiesen 
worden. Das Christentum ist aber offenbar darum strafbar, weil es die 
Staatsreligion und damit den Staat selbst negiert. Die Thatsache, dass 
der Angeklagte Christ ist, reicht zu der Verurteilung völlig hin, es be- 
darf nicht des Nachweises eines anderen Verbrechens. Gewiss ist diese 



>) Plini et Traiani epist, 96, 7 p. 231 der 
Textansgabe von Kbil edictum meum, quo 
seeundum mandata tua hetaeriM esse ve- 



•) 1. c. ep. 97. 

^) Vielleicht hatte dieses Schwanken 
den Zweck, den Kaiser zu einer Aenderung 



tueram, \ der Politik in der Christenfrage zu veran- 

«) Plini a Traiani epist, 96. . lassen (Ramsay p. 222). 

Q^idlmcli der kI«M. AltorlnnwwiMetiMluifl. Vni. 3. Te^U H 



i 



210 Römiaehe LüteratnrgeBohichte. II. Die Zeit der Honarohie. 2. ABteilimg. 



Anschauung eine rigorose; allein der Kaiser hat sie wesentlich gemildert. 
Jeder angeklagte Christ hat es ja in der Hand, seine Freilassung zu er- 
wirken, wenn er sein Christentum verleugnet und sich durch Opfer zur 
Staatsreligion bekennt. Aber Traian that noch mehr; er verbot die 
Christen aufzusuchen; es genügte ihm, dass die Christen sich stets be- 
wusst sein mussten, dass sie kein Recht der Existenz haben und jeden 
Augenblick eine Anklage auf sich ziehen können. 0£Eenbar erschien dem 
Kaiser das Christentum doch noch nicht so gefahrlich, dass er eine völlige 
Ausrottung desselben fttr angezeigt hielt. Er begnügte sich mit einer 
halben Massregel, er erklärte einerseits das Christentum für unerlaubt, 
wollte aber nur auf eine bestimmte Anklage hin gegen dasselbe einschreiten 
und liess selbst hier noch jedem die Möglichkeit der Bückkehr zur Staats- 
religion offen. Auf diesem Wege konnte das Christentum nicht über- 
wunden werden, wie der Verlauf der Geschichte darthat. 

Das Schreiben Traians war zwar zunächst nur für Plinius und die 
Verhältnisse in Bithynien bestimmt; ausdrücklich hatte der Kaiser es ver- 
mieden, seiner Verfügung einen generellen Charakter beizumessen. Allein 
da der Briefwechsel des Kaisers mit Plinius bald darauf veröffentlicht 
wurde, erhielten die Intentionen Traians eine weite Verbreitung und 
wurden auch anderweitig zur Richtschnur genommen. So kam es, dass 
der Brief Traians fiir das Verhalten der Behörden in der Christenfrage 
auf lange Zeit hinaus bestimmend wurde. 

Die Zweifel, die gegen die Echtheit der ermähnten Briefe ausgesprochen wurden 
(At7b£, Histoire des peraicutions de V^glise juaqu^ä la fin des Äntonins, Paris 1875 p. 215, 
UocHART, l^udes au sujet de la pers4cution des chritiens sous Neron, Paris 1885 p. 143 
vgl. oben § 448 p. 394), sind grundlos. 

Die Litteratur über die Frage ist sehr gross. Wir geben folgende Auswahl: 
OvEBBBCK, Ueber die Gesetze der rOm. Kaiser von Traian bis Mark Aurel gegen die Christen 
und ihre Behandlung bei den Kirchenschriftstellem in „Studien zur (beschichte der alten 
Kirche* I.Heft, Chemnitz 1875; Abnold, Stud. z. Gesch. der Plin. Christenverf. (Theol. Stud. 
aus Ostpreussen, Königsbg. 1887) ; Fbancke, Zur Gesch. Traians, Güstrow 1857 ; Kbix, Rom 
u. das Christent., Berl. 1881 p. 510; Neumanit, Der rOm. Staat 1 (1890) p. 17; Hausbath, Neu- 
testam. Zeitgesch. 3 (1874) p. 380; Doulobt, Essai sur les rapports de Viglise ehritienme 
avee Viiat Romain, Paris 1883 p. 51; Lightfoot, The apostölie fathers. P, II S. JgnaiitM 
S. Polyearp J*, Lond. 1889 p. 7 ; Ramsat, The church in the Roman empire, London ' 
1894 p. 196; Habdy, Christianity and the Roman govemment, London 1894 p. 102. 

Ueber ein apokryphes Toleranzedikt Traians vgl. Göbbbs, Zeitschrift f&r 
wissenschaftl. Theologie 21 (1878) p. 39. 

642. Hadrian (117—188). Unsere Behauptung, dass das Verfahren, 
wie es Traian in der Sache der Christen angeordnet hatte, Jahrhunderte 
hindurch in Geltung war, erleidet eine Beschränkung durch die Regierung 
Hadrians. Von diesem Kaiser wird eine Urkunde mitgeteilt, welche, wenn 
sie echt ist, als das erste Toleranzedikt zu Gunsten des Christen- 
tums anzusehen ist. Der Thatbestand ist folgender: Eusebius erzählt uns 
in seiner Kirchengeschichte (4, 8) nach Justins Apologie, dass Hadrian von 
Serenius Granianus ein Schreiben erhalten habe, in dem dargelegt war, 
dass es ein Unrecht sei, die Christen auf das Geschrei des Pöbels hin 
ungehört zu verurteilen; daraufhin habe der Kaiser dem Prokonsul von 
Asien (dem Nachfolger des Granianus), ^) Minucius Fundanus, ein Reskript 



*) Waddingtok, Fastes des provinces 
asiafiques, Paris 1872 p. 197 setzt die Pro- 



koDSulate des Q. Licinius Silvanus Gra- 
nianus (so nennen ihn die Inschriften, nicht 



Hadrian. 211 

zugehen lassen, durch das jenem Unfug gesteuert wurde. Das lateinische 
Original des Schreibens war, wie Eusebius ausdrücklich bezeugt, der ersten 
Apologie des Justin beigegeben. Eusebius aber übersetzte das Reskript 
ins Griechische und teilte seine Übersetzung mit (4, 10). In der Hand- 
schrift der Apologie Justins finden wir aber das lateinische Original nicht 
mehr, sondern statt dessen die griechische Übersetzung des Eusebius. 
Lateinisch erscheint aber der Brief Hadrians in Rufins Übersetzung der 
Kirchengeschichte des Eusebius. Es ist eine alte Streitfrage, ob diese 
lateinische Fassung das Original oder die Rückübersetzung Rufins ist. Die 
letztere Annahme erscheint als die wahrscheinlichere.^) 

(Jehen wir auf den Inhalt des Reskripts näher ein, so bestimmt 
Hadrian, erstens dass die Verurteilungen nur auf Grund eines geordneten 
Anklageverfahrens erfolgen dürfen; zweitens dass die Verurteilung nur 
im FaÜ eines durch die Gesetze verpönten Vergehens zulässig sei; drittens 
dass die Strafe dem Verbrechen adäquat sein müsse; viertens dass jede 
ungerechtfertigte Denuntiation strafbar sei. 

Von diesen Sätzen ist besonders der zweite von einschneidender Be- 
deutung; er stellt die Christen unter das gemeine Recht; das Christentum 
ist sonach nicht mehr als solches strafbar. Damit ist aber die Toleranz 
des Christentums proklamiert. Die Tragweite') dieser Massregel ist so 
weitgehend, dass man Zweifel an der Echtheit des Reskripts aussprach. 
Allein diese Zweifel verschwinden bei näherem Zusehen. Die äussere Be- 
glaubigung des Reskripts ist eine sehr gute. Man kann sich nicht denken, 
dass Justin in seiner an Antoninus Pius gerichteten Apologie ein ge- 
fiQschtes Reskript seines Vorgängers produzierte. Um aus dieser Schwierig- 
keit herauszukommen, hat man angenommen, dass der betreffende Passus, 
in dem jenes Aktenstück mitgeteilt wird, erst später an die Apologie 
angef&gt wurde. ^) Es ist richtig, dass ein Nachtrag vorliegt; allein dieser 
Nachtrag kann auch von Justin selbst herrühren. Und dafür spricht, 
dass das Aktenstück der griechischen Schrift ursprünglich in lateinischer 
Sprache beigegeben war, während ein Fälscher doch eher zur griechischen 
Sprache gegriffen hätte. Es kommt hinzu, dass bereits Melito von Sardes 
des Hadrianischen Schreibens in seiner dem Mark Aurel überreichten 
Schutzschrift Erwähnung thut.^) Es fragt sich, wie es mit den inneren 
Gründen steht, ob eine solche Massregel Hadrian zuzutrauen ist, und ob 
die Spuren der Toleranz wirklich sichtbar sind. Was den ersten Punkt 
anlangt, so legt der Charakter Hadrians der Annahme eines Toleranz- 
ediktes kein Hindernis in den Weg. Hadrian ist der Kaiser, der, wie 



SeroDius) und des C. Minucius Fundanas in 
die Jahre 123 und 124 oder 124 und 125. 
') Das Original statuieren bei Rufin z. B. 
OvBBBSCK, Studien 1, 135; Kiioibl, De Bu- 
fino Eusebii interprete, Gera 1838 p. 175; 
Otto zu Justins Apol.* p. 190; Liohtfoot 1. 
c. p. 480. Die Rückübersetzung dagegen 
Kux, Rom und das Christentum p. 558; 
Aus dem Urchristentum p. 184 Anm. 1; 
FuKK, Theol. Quartalschr. 61 (1879) p. 114. 
Wenn es richtig ist, dass der Prokonsul 



nicht Serenius Granianus, sondern Licinius 
Silvanus Granianus hiess, so kann die lat. 
Fassung des Briefs bei Rufin nicht Original 
sein, denn auch hier findet sich der falsche 
Name. 

^) Vergebens suchen Ramsat p. 328 
und Habdy p. 143 dieselbe herabzusetzen. 

') Kbix, Aus dem Urchristentum p. 182; 
AuB^ 1. c. p. 272. 

*) Euseb. hist. eccles, 4, 26, 10. 

14* 



212 BOmisohe Litieratargesohiohie. II. Dia Zeit der Honarohie. 8. Abieilimg. 



Mommsen sagt, wie kein anderer modern und kühl gedacht und von der 
Verehrung wie von dem Bann der Vergangenheit sich gelöst hat. Für 
seinen phantastischen Geist mochte auch das Christentum seine Anziehungs- 
kraft haben; in einer freilich nicht ganz zuverlässigen Quelle wird sogar 
berichtet, er habe Tempel für Christus erbauen wollen, eindringlichst ge- 
warnt, habe er sein Vorhaben nicht vollständig durchgeführt; die erbauten 
Tempel seien bilderlos geblieben.^) An dem Vorhandensein dieser bilder- 
losen Tempel ist wohl nicht zu zweifeln, dagegen könnte die Deutung 
derselben subjektiv gefärbt sein. Der richtige Kern wird der sein, dass 
die Idee eines unsichtbaren Gottes einmal Hadrians Denken und Sinnen 
so gepackt hatte, dass der wunderliche, sich für alle Kulte interessierende 
Mann auch dem Monotheismus seinen Tribut darbringen wollte. Wenn 
nun die Gelehrten, welche die Echtheit des Reskripts in Zweifel ziehen, 
darauf hinweisen, dass auch unter Hadrian Verfolgungen stattgefunden, 
und dass Quadratus seine Apologie diesem Kaiser eingereicht, so ist zu 
bedenken, dass Konsequenz des Handelns nicht in dem Wesen Hadrians 
lag. Übrigens darf auch nicht ausser Acht gelassen werden, dass Ha- 
drian zunächst für einen gegebenen Fall reskribierte. Der Gedanke,*) 
dass Hadrian nur für das Kriminalverfahren Anweisungen gegeben, welche 
das polizeiliche Verfahren der Behörden unberührt Hessen, scheint mir 
unhaltbar zu sein. 

Litteratur: Die Unechtheit dee Reskripts wurde behauptet vou Kum, Theol. 
Jahrb. 1856 p. 387, Aus dem Urchristentum p. 182, Rom und das Christentum p. 553; 
ihm stimmten bei Baub, Das Christentum und die christliche Kirche der drei ersten 
Jahrhunderte, Berlin 1863 p. 442; Lipsius, Chronologie der römischen Bischöfe, Kiel 1869 
p. 170; Hacsbath, Neutestamentliche Zeitgeschichte 8 (1874) p. 533; Oyebbbok, Stadien 
zur Geschichte der alten Kirche, 1. Heft, Chemnitz (1875) p. 134; Aub£, Histoire 
de» peraScutions de Viglise jusqu^ä la fin des ÄtUonins*, Paris 1875 p. 262. Ffir die 
Echtheit treten ein Fuvk, Theol. Quartalschrift 61 (1879) p. 108; Dovlcet, Bapports de 
Viglise ehrStienne avee V^tat Bamain, Paris 1883 p. 68; Liobtfoot, The apostolic fathers, 
Pari. II vol. 1, London 1889' p. 478; Ramsay, The church in the Roman empire, London' 
1894; Habdt, Christianity and the Roman Oovemment, London 1894 p. 141; neuerdings 
Habnaok, Texte und üntersachungen hrsg. von Gbbhabdt und Habnaok XIII. Bd. Heft 4* 
p. 44; Mommsen, Bist. Zeitschr. 64 (N. F. 28) 1890 p. 420 Anm. 1. Die grundlose Ver- 
dächtigung des Edikts ist der beste Beweis, wie wenig sich die Neueren in den Stand- 
punkt der römischen Regierung gegenüber dem Christentum zu finden vermögen. 

643. Antoninus Pius (188—161). Auch von Antoninus Pius ist 
ein Toleranzedikt f&r das Christentum überliefert; es hat die Form eines 
Schreibens an den Landtag von Asien und ist nach Ephesus gerichtet. 
Die Überlieferung dieses Schreibens ist aber folgende: Der grösseren 
Apologie Justins sind von einem Dritten, nicht von Justin selbst, zwei 
Aktenstücke beigef> das eine ist dem Antoninus Pius beigelegt und 
fällt (nach einer notwendigen Korrektur Mommsens) ins Jahr 158 v. Ch. 
Dieses Aktenstück findet sich, wenngleich in etwas veränderter Fassung, auch 
bei Eusebius, ^) hier wird dasselbe unter dem Namen des Marcus Aurelius 



*) Lamprid. Alex. Sev. 43. Auch Momm- 
sen nimmt einen wahren Kern in dieser Er- 
zählung an (1. c. p. 418 Anm. 3); dagegen 
ist nicht Überzeugend, was Keim vorbringt, 
um das Zeugnis für die Christenfreundlich- 
keit Hadrians zu beseitigen. 

^) Denselben fQhrt neuerdings auf Grund 



des Mommsen'sohen Aufsatzes Habkaok 1. o. 
durch (,dass das nomen ChriHianum ipsum 
ein Verbrechen bedeute, soll nicht als kri- 
mineller, sondern als polizeilicher Qrundsats 
gehandhabt werden* p. 45). 
*) hist, eecles. 4, 18. 



AntoninuB Pins. 2 IS 

eingeführt. In dem Eontexte aber legt Eusebius das Reskript dem An- 
toninus Plus bei.*) Ausserdem haben wir die lateinische Fassung bei 
Rufin; allein diese stellt uns nicht etwa das Original dar, sondern ist eine 
Übersetzung aus Eusebius; wir haben hier also keine selbständige Quelle 
vor uns. Die erste Frage, die sich uns aufdrängt, ist die, wie die beiden 
Rezensionen zu beurteilen sind. Harnack hat die Ansicht aufgestellt, dass 
lediglich die Rezension des Eusebius massgebend sei. Diese Ansicht hält 
jedoch einer umsichtigen Prüfung nicht Stand. Es sind beide Rezensionen 
zu Rate zu ziehen, wenn wir das Original wiedergewinnen wollen. Die 
zweite Frage, die an uns herantritt, ist die, ob das so gewonnene 
Original wirklich ein echtes Reskript des Antoninus Pius ist. Vor allem 
ist ins Auge zu fassen, dass aus Melito nicht nachgewiesen werden kann, 
dass er das Dekret gesehen. Zwar aus den Worten des Eusebius^) 
könnte man versucht sein dies zu erschliessen, allein die eigenen Worte 
Melitos wiegen schwerer. Er spricht^) von Dekreten, welche Antoninus 
Pius an die Larissäer, die Thessalonikenser, die Athener und alle Griechen 
erlassen hat und in denen er diesen Gemeinden (wie anderen) befiehlt, 
bezüglich der Christen firjö^v vcwreQ/Xciv.*) Wie man sieht, schweigt er 
von unserem Schreiben, obwohl hier dringender Anlass, dasselbe zu er- 
wähnen, gegeben war.^) Man muss demnach folgern, dass er unser 
Aktenstück nicht kannte. Die äussere Bezeugung ist also eine viel schwächere 
als die des Hadrianediktes. Betrachten wir den Inhalt, so ist sonnenklar, 
dass das Aktenstück so wie es aus den beiden Rezensionen sich rekon- 
struieren lässt, nur von einem Christen herrühren kann, niemals aber von 
einem heidnischen Kaiser. Es ist nun in neuer Zeit der Versuch gemacht 
worden, durch Annahme von christlichen Interpolationen in die Frage ein- 
zugreifen. Harnack ist es, der diesen Weg beschritten; er ist des Glau- 
bens, dass nach Ausscheidung dieser Interpolationen das Aktenstück nichts 
enthalte, was auf ünechtheit hinweise. Die Beweisführung Harnacks 
würde Eindruck machen, wenn die Interpolationen mit leichter Hand aus- 
gemerzt werden könnten. Allein die Operationen, die Harnack vornimmt, 
sind so gewaltthätig, *) dass sie die ganze Hypothese diskreditieren. Wir 
müssen daher an der ünechtheit des Briefs festhalten. Derselbe ist eine 
Erneuerung des hadrianischen Toleranzedikts. Allein was man bei dem 
exzentrischen, launenhaften Hadrian annehmen kann, fällt schwer bei 
Antoninus Pius. Wir wissen aus Justin,') dass unter seiner Regierung 
in Rom Christenprozesse ganz nach den traian'schen Grundsätzen 
durchgeführt wurden. Wenn in dem Schreiben die genannten griechi- 



') 4, 12. 

*) hist eecles. 4, 13, 8. 

■) hist. eecles, 4, 26, 10 o ^k naxij^ aov 
Kfd aov td üvfAnavxa dioMovrtog avxt^, raig 
noXsot negi tov fitjdiy yetaxeQiCHy negl 
qfMtay lyga^fBVy iy olg xal ngog AaQiaaiovg 
xai ngog BBücaXoyixetg xni *j4&fjyalovg xal 
n^g näytag "EXXijyag, 



^) Das Schweigen will Habnaok (p. 54) 
also erklären: Melito bezieht sich lediglich 
auf solche Edikte des Pius, die zur Zeit der 
Mitregentschaft des Marcus etc. erlassen 
wurden. Allein wenn Antoninus Pius das 
Dekret erlassen hätte, wttrde es gewiss im 
Interesse der Sache gewesen sein, dasselbe 
zu erwähnen. 



*) Ueber die Bedeutung dieser Worte 1 *) Man vgl. nur die Behandlung der 

(riolous and tumultuous actian) vgl. Ransay, ' Stelle negi da ttSy asiofAtoy xtX, p. 29. 
The church and the Roman empire p. 331. ' ^) Nkuvann p. 26 (Justin apolog. 2, 2). 



214 ROmiBohe litieratiirgMiohiohie. n. Die Zeit der Monarohie« 2. Abieilnng. 

sehen Gemeinden ermahnt werden, keine Irregularitäten bezüglich der 
Christen zu begehen, so lässt sich aus diesen Worten nicht der Schlnss 
ziehen, dass Antoninus besondere Schutzmassregeln für die Christen ge- 
troffen wissen wollte. Diese Worte drängen vielmehr nur auf ein ge- 
ordnetes Prozessverfahren gegen die Christen. 

Litterator: Gegen die Echtheit sprechen sieb ans: Keim, Rom und das Christen- 
tum, Berlin 1881 p. 565; Aus dem Urchristentum 1. Bd., Zürich 1878 p. 185; Ovbbbeck, 
Studien zur Geschichte der alten Kirche, 1. H., Chemnitz 1875 p. 126; Aub^, Histoire des 
persieutions de VSglise jusqu'ä la fin des Antonins, Par. 1875' p. 302; Doülcet, Rapports 
de Viglise Chritienne avee Väat Romain^ Paris 1883 p. 76; Liobttoot, The apastolie fathers, 
P. II vol. I, Lond. 1889* p. 481. Fflr die Echtheit: Wibsblbb, Christenverfolgungen, 
Gütersloh i878 p. 18; für teilweise Echtheit Sghültzb, Reskript des Antoninus Pius 
an den Landtag von Asien (Neue Jahrbücher fflr deutsche Theologie, II. Bd. 1893 p. 131); 
Habkack, Das Edikt des Antoninus Pius etc., Leipz. 1895 (13. Bd. H. 4<^ der Texte und 
Untersuchungen hrsgg. von Gbbhabdt und Habnaok). 

644. Marcus Aurelius (161 — 180). Auf den Brief des Antoninus 
Pius folgt in dem Anhang zur zweiten Apologie Justins noch ein Brief 
des Marcus Aurelius; auch dieser Brief stellt uns ein Toleranzedikt dar. 
Das Aktenstück ist an den Senat gerichtet und gibt Kunde von dem be- 
kannten auch auf einer Säule in Rom dargestellten Regenwunder. 
Der Brief stellt das Ereignis so dar: der Kaiser war im Marko- 
mannenkrieg von den Feinden schwer bedrängt. Die schwierige Lage des 
römischen Heeres wurde noch dadurch gesteigert, dass dasselbe entsetz- 
lichen Durst litt. Da griffen mit ihrem Gebet die christlichen Soldaten 
ein, und ihr Gebet wurde auch in wunderbarer Weise erhört; es brach 
ein heftiger Sturm los, der den Römern Erquickung durch den Regen 
brachte, den Feinden Schrecken und Verwirrung durch den Blitz. An 
diese Erzählung knüpft nun der Kaiser Anträge zu Gunsten der Christen ; 
er will das Christentum freilassen und die Christen soUen fürder nicht 
mehr wegen ihres Glaubens verfolgt werden; die Christen, die bloss des 
Christentums wegen angeklagt werden, müssen losgesprochen werden, Ab- 
erkennung der Freiheit oder Nötigung zur Umkehr ist verboten, der 
Kläger ist dem Feuertod zu überliefern. Für diese Anträge verlangt der 
Kaiser eine Bestätigung durch den Senat, Ausstellung seiner Vorschläge 
auf dem Forum Traianum und Bekanntmachung in den Provinzen. 

Es ist kein Zweifel, dass dieser Brief nicht echt sein kann. Richtig 
wird sein, dass die Römer durch ein Naturereignis im Markomannenkrieg 
im Sommer 174 aus einer schwierigen Lage befreit wurden, und dass der 
Kaiser über diesen Vorgang an den Senat Bericht erstattete und die Ret- 
tung des römischen Heeres dem göttlichen Eingreifen zuschrieb. Dieser 
unbestimmt gehaltenen Andeutung hat sich aller Wahrscheinlichkeit nach 
dann die christliche Legende bemächtigt und deren Ausschmückungen im 
christlichen Sinne vorgenommen. 

Marcus Aurelius war kein Freund der Christen; er sprach in seinen 
Selbstbetrachtungen ^) mit Geringschätzung von dem Martyrium der Christen ; 
eine Begünstigung des christlichen Glaubens war daher keineswegs von 
ihm zu erwarten, eher das Gegenteil, und die Geschichtsquellen weisen in 
der That genugsam auf die gedrückte Stellung der Christen unter der 

>) 11,3 p. 144 Stich. 



Marcus Anrelins. 



215 



Regierung des Marcus Aurelius hin. Ungefähr ums Jahr 177 erschien 
ein Reskript vom Kaiser, welches die Bestrafung der Leute anordnete, 
welche durch Einführung abergläubischer Kulte die Bevölkerung erregten. 
Dass eine solche Bestimmung zumeist die Christen traf und treffen sollte, 
ist klar. Und in der That hören wir bald von der grausamen Ver- 
folgung der Christen in Lyon.') Der Brief der verfolgten Gemeinde, den 
uns Eusebius^) aufbewahrt hat, liefert uns ein anschauliches Bild von 
derselben. Auch in diese Verfolgungen griff der Kaiser mit einem Re- 
skript ein, da der Statthalter in Bezug auf das Verfahren Bedenken be- 
kam; er verfügte die Verurteilung der Bekenner zur Todesstrafe, dagegen 
die Freilassung der Verleugner. 3) Die Stimmung des Volkes war damals 
gegen die Christen sehr erregt. Selbst die Gebildeten konnten ihren Un- 
willen nicht unterdrücken; in dieser Zeit*) entstand Celsus' „Wahres Wort", 
ein Werk, in dem der Verfasser wissenschaftlich die Christen aufs hef- 
tigste bekämpft. Auch Fronte, der Lehrer des Marcus Aurelius, ging 
schriftstellerisch gegen die Christen vor. Es ist daher kein Wunder, 
wenn auch Christen in den Kampf eintraten. So richtete Melito von 
Sardes eine Apologie an Marcus Aurelius; auch die Apologie des Athena- 
goras ist in dieser Zeit entstanden. 

Die Verfolgungen dauerten auch nach dem Tode des Marcus Aurelius 
noch fort, die Märtyrer von Scilli, der Prozess und die Verurteilung des 
Gelehrten ApoUonius, ^) legen dafür Zeugnis ab. Allein es kamen gün- 
stigere Zeiten für die Christen. Die Geliebte des Commodus, Marcia, ^) war 
eine Christin und sie legte ihren grossen Einfluss zu Gunsten der Christen 
in die Wagschale. 

Reskript des M. Aurelius gegen neue Kulte: Dig. 48, 19, 30 Modestinus 
libro primo de poenia: Si quis aliquid fecerit, quo leves hominum animi super^ 
stitione numinia terrentur, divua Marcus huiua tnodi homines in insulam 
relegari rescripait. Paul. Sent. 5, 21, 2 qui tiovaa et uau vel ratione incogniiaa reli^ 
gicnea inducunt, ex quibua animi hominum maveantur, honeatiorea deportantur, humiliorea 
capite puniuntur. 

Ueber das Regenwunder ist in neuester Zeit vielfach gehandelt worden. Der 
Anlass war, dass von Pbtbbsen (Mitteilungen des deutschen archäol. Inst, Rom. Abt. IX 
p. 78 und DoKASZBWSXi (Rhein. Mus 49 [1894] p. 612) der Versuch gemacht wurde, die 
Legende aus dem Missverständnis des Säulenreliefs in Rom zu erklären. Vgl. Barnack, 
die Quelle der Berichte über das Regenwunder im Feldzuge Mark Aureis gegen die Quaden 
(Siizungsber. der Berliner Akad. 1894 p. 835; vgl. Bulletin crUigue 1894 p. 476); Wmz- 
sÄCKBR, Einleitung zu der akad. Preisverteilung, Tübingen 1894; Mommsen, Das Regen- 
wunder der Marcussäule, Hermes 80 (1895) p. 90; Grisar, 11 prodigio della legio ftdmi- 
nata et la Colanna di Marco Aurelio {Civiltä cattolica 1895 I p. 202); Pbtersbn, Blitz- und 
Regenwunder an der Marcus-Säule, Rhein. Mus. 50 (1895) p. 453. 

Ueber den falschen Brief des Marcus Aurelius an den Senat vgl. Kbix, 
Aus dem Urchristentum, 1. Bd. (Zürich 1878) p. 188; Rom und das Christentum, Berlin 
1881 p. 631; OvEBBEox, Studien, Chemnitz 1875 p. 124; Aüsi, Hiatoire dea pera^utiona 



') Ganz sicher ist es allerdings nicht, 
ob diese Verfolgung eine unmittelbare Folge 
des Reskripts war; vgl. MoMMSBir, Hist. Zeit- 
schrift 64. Bd. (28) 1890 p. 400, 3; Hardy, 
Chriatianitg and the ipman govemment, 
Lond. 1894 p. 150; Ramsay, The church in 
the Roman empire, London * 1894 p. 340. 

») hiat. eeelea. 5, 1—3. 

') Euaeb. hiat, ecclea. 5, 1, 47. 



*) Neühann p. 58, 1 «Das wahre Wort 
stammt aus den Jahren 177 — 180*. 

^) Vgl. MoMMSBN, Der Prozess des Chri- 
sten ApoUonius unter Commodus, Sitzungs- 
berichte der Berl. Akad., Jahrg. 1894 p. 497. 

*) MoMXSEH (1. o. p. 504) denkt auch 
noch an die günstige Emwirkung des prae^ 
fectua praatorio Perennis. 



216 RömiBohe LitteratnrgeBohiobie. ü. Die Zeit der Monarchie. 2. Abtelliing. 



de r/glise jusqu'ä la fin des Äntonins, Paris ^ 1875 p. 374; Habnack (1. c. p. 868) hält es 
für wahrscheinlich, dass die Quelle des Fälschers, nicht der Fälscher selbst den echten 
Brief des Kaisers noch benutzt hat; vgl. dagegen Moioisen 1. c. p. 91. 

GöBBES, Das Christentum und der röm. Staat zur Zeit des Kaisers Commodos in 
Jahrb. für prot. Theologie 10 (1884) p. 402; Auai, Les chräiens dans Vempire ramain, 
Paris 1881 p. 6. 

645. Septimius Severas (198—211). Als der Afrikaner Septimius 
Severus den Thron im Jahre 193 bestieg, hatte er genug zu thun, um 
der Prätendenten Niger und Aibinus Herr zu werden; die Christenfrage 
aufzurollen, dazu war jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt. Die Christen 
hatten daher im Anfang der Regierung des Septimius Severus eine erträg- 
liche Lage. Freilich war dabei nicht ausgeschlossen, dass vereinzelte 
Gährungen gegen die Christen erfolgten. So wütete, wie wir aus Ter- 
tullian ersehen, im Jahre 197 eine Christen Verfolgung in Afrika. Diese 
verhältnismässig günstige Lage der Christen hörte im zehnten Begierungs- 
jahr ^) des Septimius Severus, also 202, auf; in diesem Jahr war bereits 
eine Christenverfolgung in Alexandria eingetreten, die ehrwürdigen Ge- 
stalten des Clemens und Origenes leuchten aus derselben hervor. Diese 
Verfolgung ist auf eine Anordnung des Kaisers, welche wahrscheinlich 
die Form eines Reskripts hatte, zurückzuführen. In doppelter Weise 
hatte der Kaiser in die religiösen Angelegenheiten seines Reiches einge- 
griffen. Zuerst waren es die Juden, gegen die er vorging. Als er in 
Palästina weilte, verbot er (201) den Übertritt zum Judentum, die Juden 
selbst Hess er unbehelligt. Also nur der Propaganda für das Judentum 
sollte die Lebensader unterbunden werden. Das Christentum sollte da- 
gegen völlig ausgerottet werden. In einem Reskript, das dem Juden- 
reskript bald nachfolgte, wurde der Übertritt zum Christentum unter 
schwere Strafe gestellt, dass aber das Christentum an und für sich ver- 
boten blieb, dass es also den bisherigen Christen nicht etwa gesetzlich 
erlaubt war, ihren Glauben beizubehalten, ist selbstverständlich.^) Das 
Verbot des Christentums traf die Christen direkt, das Verbot des Über- 
tritts indirekt. Der Massregel gegen das Christentum trat eine Massregel 
zum Schutz des nationalen Kultus gegenüber. In den verschiedenen Teilen 
des Reichs treten Märtyrer auf; von der Verfolgung in Afrika gibt ein 
anschauliches ergreifendes Bild die Passio der Perpetua und der Felicitas. 
Aber nach dem ersten Anlauf der Verfolgung kommen wieder ruhigere 
Zeiten; die letzten Regierungsjahre des Severus brachten den Christen 
wieder eine erträgliche Lage. 

Spart. Sev. 17 in üinere Palaestinis plurima iura fundavit . Judaeos fieri sub gravi 
poena vetuit . Idem etiam de Christiania sanxit, Ueber das Judenreskript vgl. Momm- 
8BN, R. Gescb. 5, 549; Neumann, Der röm. Staat und die allgem. Kirche 1, 156; Aub^, Les 
chr^tiens dans Vempire ramain, Paris 1881 ; Allabd, Histdre des persicutions pendant la 
premUre maUU du traisihne si^le, Paris 1886 p. 60; Göbbbs, Das Cbristentain und der 



*) Euseb, hist, eccles, 6, 2, 2 (Neumann 
1. c. p. 162). 

'*) MoxMSBN, Sybels hist. Zeitschr. 64 
(28) 1890 p.408. »Dagegen sieht es fast 
so aus, als nahe er die friäer smm Christen- 
tarn übergetretenen Personen nicht behelligt 



wissen wollen, und so tritt er (S. S.) auch 
bei Tertullian auf, wenngleich das Christen- 
tum keineswegs, wie das Judentum, durah 
ihn zur religio licüa wurde." Diese An- 
nahme wird wohl richtig sein, dagegen ist ent- 
schieden unrichtig die Aub^. 



n^* M 



SeptimiiiB SeTems. — MaximmuB Thraz. 



217 



röm. Staat zur Zeit des Kaisers Septimios Severus (Jahrbücher fflr protest. Theol. 4 [1878] 
p. 273 j. Heranzuziehen ist noch Dig. 50, 2, 3, 3; Paulus sent. 5, 22, 3, 4 p. 128, 23 Kbügkb. 

646. Haziminus Thrax (236—288). Auch unter den Nachfolgern 
des Septimius Severus bis auf Maximinus hielt die Buhe, welche die 
Christen in den letzten Jahren des Severus erlangt hatten, an. Nur unter 
Severus Antoninus und Oeta gab die Weigerung eines Soldaten, ^) bei der 
Verteilung einer Spende den Lorbeerkranz zu tragen, Anlass zu einem 
ernsten Konflikte. Im Zusammenhang damit scheint das schärfere Auf- 
treten des Prokonsul von Afrika Scapula, das wir aus einer Schrift Ter- 
tullians kennen lernen, zu stehen. Auch trat jetzt die Christenfrage in 
die juristische Litteratur ein; der grosse Jurist Domitius Ulpianus stellte 
zwischen 212 und 217 in seinem Buch de officio proconsulis die Beskripte 
zusammen,') welche die Christenfrage zu regeln suchten, und erörterte 
auf Orund derselben die strafrechtliche Behandlung der Christen. Doch 
gewann unter Antoninus Severus die Verfolgung der Christen keine grössere 
Ausdehnung. Macrinus regierte zu kurz, um in der Christenfrage etwas 
Entscheidendes zu thun. Elagabal war dem Christentum nicht unfreundlich 
gesinnt, er trug sich ja mit dem Gedanken, mit dem Kult seiner eigenen 
Gottheit (Elagabal), den christlichen, samaritanischen und jüdischen zu ver- 
schmelzen.') Noch mehr steigerte sich die Gunst des Hofes für die 
Christen, als Alexander Severus regierte; seine Mutter Julia Mamaea, 
unter deren Einfluss er stand, neigte sich nach dieser Seite. Alexander 
ging sogar so weit, dass er in seiner Hauskapelle auch das Bild Christi 
aufstellte.*) Den in christlichen Kreisen verbreiteten Spruch „Was du 
nicht willst, dass man dir thue, das thue auch keinem Andern^, führte er 
besonders gern im Munde ;^) bei einem Bechtsstreit, in dem die Christen 
einen Ort für ihren Gottesdienst beansprucht hatten, entschied der Kaiser 
zu Gunsten der Christen, mit der merkwürdigen Motivierung, es sei 
besser, dass dort ein Gott, gleichgültig in welcher Form, verehrt werde, 
als dass der Ort zu profanen Zwecken ausgehändigt werde. ^) 

Mit Maximinus tritt ein Wandel der Dinge für die Christen ein; 
Alexander Severus war, wie wir gesehen, ein Freund der Christen; diese 
werden daher dem Gegner des Alexander nicht besonders freundlich ent- 
gegengekommen sein. Wir können uns daher nicht wundem, wenn Ma- 
ximin mit einer feindseligen Massregel gegen die Christen vorging. Er 
befahl die Verfolgung der Vorsteher {oqx^^^^q) der Kirche. Unter diesen 
Vorstehern werden wir aber nicht nur die Bischöfe, sondern auch die 
Presbyter und die Diakonen, also den gesamten Klerus zu denken haben. 
Es tritt uns damit in der Geschichte der Verfolgungen ein neuer Gesichts- 
punkt entgegen; die Staatsgewalt richtet ihren Angriff nicht mehr gegen 
alle Christen, sondern nur gegen ihre Leiter. Dies war natürlich nur 



1) Neukaitk p. 183. 

^ Lact, inst, div, 5, 11, 1. 

*) Lamprid. Anton, Heliog, 3. Vgl. 
GdBRfis, 2Seitschr. für wissensch. Theol. 20 
(1877) p. 50. 

^) Lamprid, Alex. Sev, 29. Andere 
Stellen c. 22 JudaeU privHegia reservavit. 



Christianaa esse passus est; 43 Christo tem" 
plum facere voluit eumque inter deos reeipere 
(vgl. jedoch Nbuxann p. 209). 

^) Lamprid, Alex. Sev. 51. 

•) Lamprid. Alex. Sev. 51. Vgl. Göbres 
1. c. p. 68. 



218 Römisohe LüteratnrgeBohichte. TL Die Zeit der Xonarohie. 2. 

unter der Voraussetzung thunlich, dass die Kirche eine feste Organisation 
gewonnen hatte, und auf Grund derselben der Elenis die führende 
Macht der Kirche geworden war. Wirkungen der Verfolgung Maximins 
lassen sich aufzeigen; in Rom wurden die zwei Oegenbischöfe Pontianus 
und Hippolytus im Jahre 235 auf die Insel Sardinien deportiert; auch in 
Caesarea Palaestina wurde Ambrosius und Protoktetus verfolgt; ihre Ver- 
folgung gab Origenes Anlass zu der Schrift „Ermahnung zum Martyrium*. 
Auch von einer Verfolgung in Kappadokien hören wir, allein diese ward 
durch ein Erdbeben hervorgerufen. Im ganzen muss sich die Ver- 
folgung in sehr engen Grenzen gehalten haben. Es ist dies ein Beweis, 
dass Maximin nicht aus prinzipiellen Erwägungen seine Anordnung gegen 
die Christen traf, sondern dass er nur da, wo Gefahr für ihn zu furchten 
war, zu einem Vorgehen gegen die Christen und zwar nur gegen die 
Obern seine untergebenen Organe instruierte. 

Easebins bei Hieronymus a. 2254 (11 p. 179 Seh.) Maximinus adversum eecUsiarum 
sacerdotea peraeeutianem facit; Euseb. bist, ecoles. 6, 28 toy y$ fttjp 'Pmfiaitüy avroM^xoQa 
'jXi^aydgoy TQialy ini dixa heci xijy uqxv^ diavvijayxa Ma^ifuvoq Katcag ^iadi^STM, oc 
df} xazd xoToy rSy ngog xoy 'jXe^dydgov oixoy i» nXsioyiüy nurttoy <tvyB<ixtaxa^ diioyudy 
iyeiQtt^, xovg rtay ixxXijcuSy uQxoyxag fiöyovg eig aixiovg r^g xaxd x6 BvayyiXioy diatea^ 
xaXiag dyatQBla&M nQocxdxxsi . xoxe xal *Sigiyäyr^g xoy negi /äuqxvqIov avyxdxxet , 'AußQoci^ 
xttl JlQwixoxtrjxt^ TfQBaßvxigtfi xrjg iy Kaiaagütf naqoixiag dya&elg x6 cv/ygafifia, öxi dij 
afAtpo) Tieqiffxaaig ov/ jj xv^ovaa iy r^T dttoyfdiS xaxnXijgiei, iy ff xal dtangdtf^a^ xaxij^Bi 
Xoyog iy ofAoXoyltf xodg aydgag, ov nXeloyog tj xguxovg XQovov x^ Ma^ifilyt^ dutyByofiiyov. 
aecrjfAeitüxat di xovxoyl xov diiayfAOv xoy xaigoy ty xb xt^ dBvxigt^ xal Bixoaxf^ xtSy Big t6 
xaxd ^liodyytjy i^tjytjxixcSy xal iy dtufpoQOig imaxoXatg MQiyiyijg, 

Litteratur: Göbres, Kaiser Alexander Sevems nnd das Christentum (Zeitsschr. fttr 
wissenscb. Theologie 20 (1877) p. 48; G^rbes, Kritische üntersnchnngen aber die Christen- 
Verfolgung des rOm. Kaisers Maximinus I des Thraciers (Zeitschr. fOr wiasensch. Theol. 19 
[1876] p. 526); Neükann, Der röm. Staat und die allgem. Kirche, Leipz. 1890 1, 210; Aust, 
Les chr^iens dans Vempire Romain, Paris 1881 p. 418; Allabd, Histoire des persAnUians 
pendant la premi^re maitU du traisiemh Bikcle, Paris 1886 p. 193. Vgl. femer das fQr die 
Kenntnis der religiösen Zustände dieser ganzen Zeit sehr lehrreiche Werk von J. RiviLLB, 
La religion ä Rome sous les Sivhres, Paris 1886. 

647. Decios (249— 251), Unter den Nachfolgern Maximins kamen 
wieder bessere Tage für die Christen. Der grössten Duldung erfreute sich 
das Christentum unter Philipp (244—249). Man wollte deshalb Philipp 
sogar zum Christen machen, allein diese Ansicht ist eine irrige. Dagegen 
war Decius ein heftiger Verfolger des Christentums. Das Bestreben dieses 
tüchtigen Kaisers, das römische Reich von Grund aus zu reformieren, 
musste ihn auch dazu führen, das Christentum als eine mit dem römischen 
Staatswesen unverträgliche Neuerung zu betrachten. Das Edikt, das er 
gleich nach seinem Regierungsantritt erlassen, hat sich nicht erhalten.') 
Doch können wir uns aus den Schilderungen der Verfolgungen, wie sie 
besonders bei Cjrprian erscheinen, ein Bild von dem wesentlichen Inhalt 
desselben machen. Danach müssen wir annehmen, dass die Verfolgung den 
Zweck hatte, das Christentum völlig auszurotten. Die Christen waren aber in 
zu grosser Zahl vorhanden, als dass man gegen sie mit der Todesstrafe hätte 
vorgehen können. Man schlug also das Zwangsverfahren ein. Die Christen 
sollten zum nationalen Kultus gezwungen werden. Diese Aufgabe hatten 
die Statthalter zu lösen, denen ihre Pflicht aufs eindringlichste eingeschärft 

*) Gefälscht ist ein von Medonius herausgegebenes Edikt, vgl. HabhacKi Geschichte 
der altchristl. litterator I p. 872. 



gli ^ - 



Deoins. ~ Valerisnus. 219 

war. Die Prozedur war in der Regel folgende: den Christen wurde ein 
Termin gesteckt, bis zu dem sie ihren Beitritt zum nationalen Kultus zu 
manifestieren hatten. Manche flüchteten sich. Dies hatte zur Folge, dass 
ihr Vermögen in Beschlag genommen wurde. Blieben sie nach dem Ab- 
lauf des Termins, so wurde das gerichtliche Verfahren gegen sie einge- 
leitet. Je nach dem Standpunkt der Magistratspersonen konnte die Be- 
handlung eine verschiedene sein. Die strengere lief darauf hinaus, die 
Christen durch Tortur und langwierige Kerkerstrafen zur Verleugnung zu 
bringen. Blieben sie hartnäckig, so folgte die Strafe des Exils verbunden 
mit Konfiskation des Vermögens oder die Todesstrafe. 

Die Verfolgung hatte einen ausserordentlichen Schrecken hervor- 
gerufen; es zeigte sich, dass viele Schwache sich unter den Christen be- 
fanden. Der Abfall war ein gewaltiger. Cyprian hat in einer kleinen 
Schrift seinem Unwillen über denselben mit lebhaften Farben Ausdruck 
gegeben. 

Greg, Ntfss. Vita Gregorii Thaumaturgi (Migne 46, 944 G): nefinet ngog rovs T<Sy 
i&rtiiy xa&tjyovfdiyovf nQoaiayfAa, tpoßSQay xctt* avxiiiy rrjy ansiXi^y Xfji rifdtüQias o^iCoiv, 
ei fÄij naytoioig aixicuotg tovg to oyofjia rov Xqmtov nQoaxvvovvtag &iaX(aßijaoiyxo xal 
TfQOöaydyoiey naUy avtovi 9>^ßV ^^ '^''*' '^i ^'^^ alxia/4üSy dvayxj^ xg natQ(^(f tioy daifAoyaty 
Xar^Bitf, 

Ueber das Verfahren. Cypr. de lapsis 2 explorandae fidei praefiniebantur dies; 
ibid. c. 3 cum dies negantibus praestitutus excessit, quisque professus intra dietn non est^ 
Christianum se esse confessus est. Ueber die Flacht ibid. 3 hie fortasse dilatus est (gegen- 
über dem Bekenner) gui patrimonio derelicto idcirco secesserit, quia nan erat negaturus: con- 
fiteretur utique, si fuisset et ipse detentus. 

Ueber die Strafen vgl. Cypr, de lapsis 2 parati ad patientiam carceris, artnati 
ad tolerantiam mortis; ibid. non praescripta exsilia, nan destinata tormenta, nan rei fami- 
liaris et corporis supplicia temienmt; c. 11 decepit mültos ilapsos) patrimonii sui amor 
caecus; epist. 19 p. 526 H. extorres facti et patria pulsi ac bonis suis omnibus spoliati. 

Litteratnr: Allabo, Histoire des persicutions pendant la premih'e moitii du troisihne 
sikcUf Paris 1886; Göbbbs, Kritische Erörterungen über den Bekenner Achatius. Kin Bei- 
trag zur Geschichte der decianischen Christenverfolgung (Zeitschr. für wissensch. Theolog. 
22 (1879) p, 66; Pechtbup, Der hl. Cyprian I, Münster 1878 p. 41; Rettbbbo, Cyprianus, 
Göttingen 1831 p. 52; Pbtbbs, Der hl. Cyprian von Karthago, Regensburg 1877 p. 112. 

648. ValerianuB (258—260). Yalerianus hatte schon unter Decius die 
Verfolgung der Christen geleitet. Als er Kaiser geworden war, setzte er nach 
einer kurzen Ruhezeit diese Verfolgung fort. Wir hören von zwei Edikten, 
die er gegeben, das eine wird uns nach seinem wesentlichen Inhalt von Cyprian 
mitgeteilt, das andere müssen wir uns aus Prozessverhandlungen, welche in- 
folge des Edikts eingeleitet wurden, erst rekonstruieren. Aber auch hier 
können die wesentlichen Bestimmungen festgestellt werden. Das erste im 
Jahre 257 erlassene Edikt verlangte von den Christen die Anerkennung des 
römischen Kultus und verbot unter Todesstrafe den christlichen Gottes- 
dienst. Besonders war es auf den Klerus abgesehen, die demselben ange- 
hörigen Persönlichkeiten wurden im Falle der Weigerung verbannt. Dieses 
Schicksal widerfuhr den Bischöfen Cyprian und Dionysius. Das Edikt 
hatte nicht den gewünschten Erfolg; der verbannte Klerus gründete an 
den Orten der Verbannung neue christliche Gemeinden; es folgte daher 
bald ein zweites Edikt, in dem die Strafen verschärft und abgestuft 
wurden. Dem Klerus drohte es die Todesstrafe an, den Angehörigen des 
Senatoren- und Ritterstandes Infamie und Konfiskation des Vermögens 
und im Fall erneuter Widersetzlichkeit die Todesstrafe, den vornehmen 



220 BömiBohe litteratnrgesohiohte. ü. Die Zeit der Monftrohie. 2. Abteilang. 

Frauen Konfiskation des Vermögens und Relegation, den am Hofe be- 
diensteten Christen Unfreiheit und Verschickung auf die kaiserlichen Qüter 
und zwar auch in dem Fall, dass sie sich in vergangener Zeit zum Christen- 
tum bekannt hatten. Diesem letzten Edikt fiel Cyprian zum Opfer. 

Die diesen Edikten zu Grunde liegende Idee ist klar; die Organisation 
der christlichen Kirche soll zerstört werden, um das Christentum zu ver- 
nichten. Waren die Kleriker und die hervorragenden Christen beseitigt, 
und waren die christlichen Versammlungen unmöglich gemacht, so musste 
das Christentum, so kalkulierte der Kaiser, aussterben. Allein er täuschte 
sich in dieser Berechnung. Schon sein Sohn Oallienus sah sich ge- 
zwungen, die Verfolgung einzustellen und den christlichen Kultus zu ge- 
statten. 

Die Edikte Valeriana. Es sind zwei 

a) Das erste Edikt Valeriana ist verloren, aber wir können dasselbe aus den 
Acta pf'oconsularia Cypr. p. CX H restituieren : c. 1 a) praeceperunt ( Valerianu8 ei Gal- 
lienus) eoa qui Ramanam religionem non coluni, debere RomawM caeremoniaa reeognoscere; 
ß) non solum de epiacopia, verum etiam de preshyteris mihi scribere dignati sunt (die 
Strafe der widerspenstigen Geistlichen ist die Verbannung [Eueeb. hist, eeclea. 7,11]); 
y) praeceperunt etiam, ne in aliquibus locis canciliabula fiant, nee coemeteria ingrediantur, 
ei quis itaque hoc tarn salubre .praeceptum non obeervaverit, capite pUctetur. Dieses Edikt 
erschien Valeriana quartum et Gaüieno tertium constdibus d. h. 257. Dasselbe Jahr ergibt 
sich auch ans der Beziehung der 42 Monate der Apokalypse 13, 5 auf die Daner der 
Verfolgung durch Dionysius von Alexandrien (Eueeb. hist, eceles. 7, 11); vgl. Fbchtbvp, 
Cyprian 1 p. 245; Habnaok, Texte und Unters. XIII 1 8. 6. 

ß) Das zweite Edikt Valeriana bestimmt seinem Inhalt nach Cyprian ep. 80 
p. 839 H): reacripsisse Valerianum ad aenatum ut epiacopi et preabyteri et diaeonea in 
continenti animadvertantur, aenatorea vero et egregii viri et equitea Romani dignitate amiaaa 
etiam bonia apolientur et ai ademptia facuUatibua Chriatiani peraeveraverint, capite quoque 
multentur, matronae ademptia bonia in exilium relegentur, Caeaariani autem quicumque vel 
priua confeaai fuerant vel nunc confeaai fuerint confiacentur et vincti in Caeaarianaa poa- 
aeaaumea deacripti mittantur . aubiecit etiam Valerianua imperator orationi auae exem^um 
litterarum quaa ad praeaidaa provinciarum de nobia (Cyprian schreibt an den Bischof Suc- 
cessus) fecU, 

Ueber die Toleranzedikte des Gallienns vgl. Euaeb. hiat. eeclea, 7, 13 dyltjai 
TS avtixa dtd nqoyQafjifjLdttay xov xad-* ijfiay dttoyfioy in* ikev^eglas rois tov Xoyov ngoB- 
atiaai rn i^ i&ovg initaXety <fi' {tynyQaqtfjs nqoatd^ag. Mitgeteilt wird das Friedensedikt 
für Aegypten. — Görres, Die Toleranzedikte des E. Gallienus und ihre staatsrechtliche 
Geltung unter Aurelian (Zeitschr. für wissensch. Theol. 20 (1877) p. 606: Rbttbbro, Cyprian, 
Göttingen 1831 p. 197; Fbchtrup, Der hl. Cyprian I, Münster 1878 p. 244; Peters, Der hl. 
Cyprian von Karthago, Regensburg 1877 p. 569. 

649. Diocletian (284—806). Nach dem Toleranzedikt des Gallienus 
folgten verhältnismässig friedliche Zeiten für die Christen, in denen sie 
sich weiter ausbreiten konnten. Glänzende Kirchenbauten geben Kunde 
von der erstarkten Organisation der Genossenschaft, selbst in die höchsten 
Kreise und an den Hof drang das Christentum vor. Erst in den letzten 
Regierungsjahren Diocletians trat eine verhängnisvolle Wendung ein. Im 
Jahre 303 erschien ein Edikt, in dem angeordnet war, alle die heiligen 
Bücher der Christen zu verbrennen und ihre Kirchen zu zerstören, ferner 
den Christen ihre bürgerlichen Rechte und Ehren zu entziehen, endlich 
den Sklaven, die im Christentum verharren, die Möglichkeit zu benehmen, 
zur Freiheit zu gelangen. Die Renitenz, die der Klerus dem Gebote des 
Kaisers entgegensetzte, machte ein zweites Edikt notwendig, das den Be- 
fehl gab, den Klerus einzukerkern und ihn zum Opfer zu zwingen. Diese 
Edikte kamen zunächst im Osten zur Durchführung, aber auch der Augustos 



Diooletian. — Constantiims. 221 

des Westens nahm sie zur Richtschnur seines Handelns. Von den beiden 
Cäsaren Galerius und Constantius war der erste gewaltthätiger, der andere 
milder Gesinnung. Danach bestimmte sich auch ihr Verhalten gegen die 
Christen. Inzwischen kam die Feier des zwanzigjährigen Regierungs- 
jubiläums der beiden Augusti; dieses Fest wurde der Anlass zu einem 
neuen Christendekret; es bestimmte, dass die eingekerkerten Kleriker frei- 
gelassen würden, wenn sie sich zum Opfer entschliessen würden, und dass 
die Widerspenstigen durch die Folter dazu gebracht werden sollten. Es 
scheint, als ob die grösste Zahl der Eingekerkerten sich fügte und der 
Freilassung teilhaftig wurde. Dies mochte in Diokletian den Gedanken 
hervorgerufen haben, dass jetzt der Hauptschlag gegen die Christen ge- 
führt werden könnte. Es erschien daher ein viertes Edikt, welches alle 
Christen zum Opfern zwang. 

Über die Motive, welche Diocletian zur Verfolgung der Christen be- 
stinmiten, ist es schwer zur völligen Klarheit vorzudringen. Man wird 
kaum fehl gehen, wenn man die Reorganisation des römischen Reichs 
und die Christenverfolgung in Zusammenhang bringt. Die alte Religion 
war mit dem antiken Staatswesen so verwachsen, sie stand so im Dienste 
des letzteren, dass nur zwei Dinge möglich waren: entweder musste man 
nochmals den Versuch anstellen, den nationalen Kultus zur Grundlage der 
Staatsordnung zu machen, oder man musste völlig mit der Vergangenheit 
brechen und den Staat auf christlicher Grundlage ganz neu aufbauen. 
Diocletian entschloss sich für die erste Alternative; er selbst hing mit 
ganzem Herzen an dem nationalen Kultus, und die Christen mit ihrem der 
Welt abgekehrten Wesen mochten ihm wenig geeignet für seine Staats- 
idee erscheinen. 

Die Edikte Diocletians. Es sind vier: 

1. Das erste wurde gegeben im 19. Regierungsjahr des Diocletian (im März 303; 
vgl. Euseb, hist, eccles, 8, 2, 4) und befahl: tag fjiiy ixxXrjcias sis %Saa>og ipegeiy, tag cfi 
yqatpdg dtpavelg tivqI y$vdirSaiy xat rovg (iky tifArjg inetXijfÄ^yovg atif^ovfy rovg &i iy 
oixBiiMgy sl ini/näyoiey r^ xov XQi<ntayiafjiov nga^ecei, iX^vd-B^lag ajSQeur&ai, 

2. Das zweite Edikt erfolgte fdei* ov -noXv und verordnete xovg rtSy ixxXrjciwy 
TiQoidqovg nayjag xovg xata nayxa xonoy nqtoxa (ihy dsfffioig nagadidoc^ai, $t&* vcxegoy 
Ttaon lJtr,xtiyi &v€iy i^ayayxaCBa&M (Euseb. 8, 2, 5). 

3. Das dritte befahl: xovg xaxaxXsiaxovg ^vcayxag [i^y iay ßadiCeiy in' iXtv&eQiag, 
iyufxafiiyovg cW fAVQiaig xtexa^alyBiy ßacayoig (Euseb. 8, 6, 10). 

4. Das vierte endlich gebot: näyxag naydfjfjisi xovg xaxd noXiy &ti€iy xe xal aniydeiy 
xoig iid^Xoig (Euseb., de martyr, Palaest, 3, 1). 

Litteratur: Bebmhabdt, Diocletian in seinem Verhältnis zu den Christen, Bonn 
1862; HciTziKBB, Zur Regierung und Christenverfolgung des Kaisers Diocletian und seiner 
Nachfolger 303—313 (BttoiNOXR, Untersuchungen zur römischen Eaisergeschichte, II. Bd., 
Leipz. 1868 p. 114); Prbuss, Kaiser Diocletian und seine Zeit, Leipz. 1869 (vgl. das 5. Kapitel: 
Diocletian und die christliche Kirche); WiKTsasBEiif, Geschichte der Völkerwanderung, 
3. Bd., Leipz. 1862, p. 160 (Diocletians Christenverfolgung). Interessante Bemerkungen 
über den Charakter Diocletians siehe bei Seeok, Geschichte des Untergangs der antiken 
Welt, I. Band., Berlin 1895 p. 4; Bblseb, Z. Diocletian. Christen verfolg., Tüb. 1891; Masok, 
The perstcutUm of Diocletian, Cambridge 1876. 

660. Constantmus (806 — 324). Die Christenverfolgung Diocletians 
erwies sich als undurchführbar; die grosse Kraft, die in dem Christentum 
schlummerte, war erkannt worden. In den nachfolgenden Kämpfen um 
den Thron musste sogar mit den Christen als einem massgebenden Faktor 
gerechnet werden. Ja, die Herrscher sahen sich sogar gezwungen, ihre 
früheren gegen die Christen gerichteten Dekrete zurückzunehmen. So 



222 fiömisohe Litteratnrgeschiohte. n. Die Zeit der Monarohie. 2. Abteilung. 

erliess Qalerius gegen das Ende seines Lebens ein merkwürdig motiviertes 
Toleranzedikt, in dem den Christen die Wiederaufnahme ihrer Beligion 
und die Wiedererrichtung ihrer Kirchen unter der Bedingung gestattet 
wurde, dass sie nichts gegen die öffentliche Ordnung unternähmen. Dieses 
Edikt war auch von Constantin und Licinius unterzeichnet worden. Auf 
Grund dieses Ediktes sollten entsprechende Instruktionen an die Behörden 
erlassen werden; diese sind aber nicht mehr erhalten. Nach dem Tode 
des Galerius begann der Kampf Constantins mit dem Usurpator Maxentius. 
Die Kämpfe gegen denselben endeten siegreich für Constantin. Es trat 
jetzt eine engere Verbindung Constantins und des Licinius ein; Licinius 
vermählte sich mit der Schwester Constantins. In Mailand, wo die Ver- 
mählung stattfand, wurde von Constantin und Licinius ein neues Toleranz- 
edikt für das Christentum erlassen (813). Durch dasselbe wurde die all- 
gemeine Religionsfreiheit eingeführt. Das Christentum war sonach nicht 
mehr verboten, die christliche Religion vielmehr dem nationalen Kultus gleich- 
gestellt, der Übertritt zum Christentum daher gestattet. Aus diesem 
Grundsatz ergab sich mit Notwendigkeit, dass die früheren lästigen Be- 
stimmungen, welche gegen das Christentum gerichtet waren, beseitigt 
werden mussten. Es wurde daher geboten, dass alle Gebäude und Grund- 
stücke den Christen kostenfrei zurückerstattet würden. Die Christen 
wurden als Korporation anerkannt. Mit diesem Edikt nahmen die beiden 
Augusti zugleich Stellung gegen Maximinus, der den Christen gegenüber 
eine feindselige Haltung angenommen hatte. Allein auch er sah sich ge- 
zwungen, noch vor seinem Ende ein Toleranzedikt für die Christen zu er- 
lassen. Auch in dem Entscheidungskampf zwischen Constantin und Lici- 
nius spielt das Christentum eine Rolle. Constantin hatte ganz im Ein- 
klang mit dem Mailänder Edikt eine Reihe christenfreundlicher Gesetze 
gegeben, die wir hier bis zum Jahre 324 verfolgen müssen. Vor allem 
musste er es als seine Aufgabe betrachten, die durch das erwähnte Edikt 
geschaffene Glaubensfreiheit gegen Störungen in Schutz zu nehmen. Im 
Jahre 323 hatte der Kaiser in Erfahrung gebracht,^) dass die Christen 
gezwungen wurden, an den Lustralopfern teilzunehmen. Dieser Zwang 
wird jetzt verboten und unter Strafe gestellt. Sehr einschneidend waren 
die Verordnungen, welche die rechtlichen Verhältnisse der Kirche ordneten. 
Noch im Jahre 313 gewährt Constantin den Klerikern der katholischen 
Kirche Befreiung von den Personallasten, d. h. von Steuer, Frohnden und 
von der Verpflichtung ein Gemeindeamt zu übernehmen. Im Jahre 320 
hatte Constantin die Hindernisse hinweggeräumt, welche den ehelosen 
Klerikern in Bezug auf das Erbrecht entgegenstanden. Besonders wichtig 
wurde der Erlass vom Jahre 321, welcher der katholischen Kirche er- 
möglichte, Vermächtnisse zu erlangen. In demselben Jahre wurde die in 
Gegenwart des Bischofs in der Kirche vollzogene Manumission der bürger- 
lich vollzogenen gleichgestellt; auch bekamen die Kleriker die Vergünstigung, 
ihre Sklaven selbst durch letzte Willenswahrung oder durch eine an keine 
Form gebundene Erklärung freizulassen. Ein Gesetz vom Jahre 318 ver- 



') Seeck p. 230. 



• —M' .Ai 



Conatantinas. 



223 



lieh den Bischöfen Gerichtsbarkeit; ihre Urteile sind fortan rechtsverbind- 
lich. Dass durch solche Bestimmungen die Organisation der Kirche ge- 
festigt werden musste, ist ersichtlich. Die Einwirkungen des Christentums 
erstreckten sich auch auf andere Verhältnisse der Gesellschaft, und es er- 
schienen Gesetze zum Schutze der Schwachen ; die Züchtigung der Sklaven 
wurde genau normiert (319), die Entf&hrung eines Mädchens verboten 
(318), das Recht des Vaters in Bezug auf den Verkauf der Kinder einer 
Revision unterstellt (320), die Brandmarkung der Verbrecher im Gesicht 
verboten (316). Die Einführung eines allgemeinen Ruhetags, des Sonn- 
tags (321) war ein Entgegenkommen gegen die Christen.*) Allein trotz 
aller dieser Begünstigungen des Christentums hielt sich Constantin selbst 
noch vom Christentum fern, sein Ideal mochte ein Monotheismus sein, der 
das Christentum in sich schloss. Der nationale Glaube war also keines- 
wegs beseitigt. Ja der Kaiser erliess sogar Verordnungen im Interesse 
des Heidentums: So verbot er im Jahre 320') den Haruspices, in Privat- 
häusem sakrale Handlungen unter schwerer Strafe vorzunehmen; der 
heidnische Gottesdienst sollte durchaus öffentlich sein. Weiterhin sollte 
die Thätigkeit der Haruspices in Anspruch genommen werden, falls der 
Blitz in ein öffentliches Gebäude eingeschlagen. Die Thätigkeit der 
Magier war straflos, wenn dieselben Regen und Hagel damit abwehren 
konnten (318). Constantins freie Stellung zum Christentum erhellt auch 
daraus, dass er andern Kulten Vergünstigungen einräumte und sich 
auch gegen christliche Einrichtungen wendete, wenn sie dem Gesamtwohl 
schädlich zu sein schienen. So erhielten auch die Vorsteher der Juden- 
gemeinden Befreiung von den Personallasten. So unterwarf er den Ein- 
tritt der Christen in den geistlichen Stand Beschränkungen. 

Aus dieser letzten Anordnung ersieht man, wie sehr die An- 
hänger des Christentums zugenommen hatten. Es war offenkundig, dass 
die Christen bei den politischen Verwicklungen in die Wagschale ge- 
worfen werden mussten. Constantin schuf sich daher durch seine christen- 
freundliche Politik in dem Kampf gegen Licinius eine mächtige Stütze. 
Die Hinneigung der Christen zu Constantin musste sie aber dem Licinius ver- 
dächtig machen und den letzteren schliesslich ^) zu einer feindseligen Stellung 
gegen die Christen drängen. Der Kampf zwischen beiden Machthabem 
gestaltete sich daher zugleich zu einem Religionskrieg. Derselbe endete \ 
im Jahre 324 mit der Niederlage des Licinius. Constantin war jetzt Allein- 
herrscher des gewaltigen römischen Reichs. Der Sieg des Christentums 
war damit entschieden. Zwar existierte noch das offizielle Heidentum, 
allein es konnte nicht mehr die Konkurrenz mit dem als gleichberechtigt 
anerkannten Christentum aufiiehmen. Sein Untergang war nur noch eine 



M Zahn, Skizzen aus dem Leben der 
alten Kirche, Erlangen und Leipzig 1894, 
p. 228. 

') Sbbck p. 225. 

*) Fr. Qöbbis, Krit. Unt. 1875 p. 5 nimmt 
das Jahr 819 an, wogegen aber vielseitiger 
Widerspruch erfolgte (vgl. Zeitsch. f.wissensch. 



Theol. 20 [1877] p. 216, 21 [1878] p. 89). 
Gewöhnlich wird das Jahr 315 angenommen, 
wogegen sich aber Sbbok, Geschichte des 
Untergangs der antiken Welt, Band I p. 163 
u. p. 165 ausspricht. Er setet den Anfang 
der Verfolgung in das Jahr 321. 



224 Bömisohe Litteratiirgesohichie. IL Die Zeit der Xonarohie. 2. Abteilimg. 

Frage der Zeit. Diesen Untergang näher darzulegen wird die Aufgabe 
des folgenden Bandes sein. 

Das Toleranzedikt desGalerius abgefasst in dem Jabre S 10 LactatU. de mort. 
c. 34 pramtissimam in his quoque indulgentiam nostram eredidimus porrigendam, ut denuo 
sint Christiani et conventicula sua componantf ita ut ne quid contra dis- 
ciplinam agant . Per aliam auiem epiatolam iudicibua signifieaturi 8umu8, 
quid debeant observare . Unde iuxta hanc indulgentiam no8iram dibihunt deum 9uum 
orare pro salute nostra et reipublicae ac sua, ut undiqueversum respublica praestetur m- 
columis, et securi vivere in sedibus suis possint. Vgl. Euseb. 8, 17. Ueber die Zeit des 
Edikts vgl. HuxziKBB, Regierung und Christenverfolgnng des Kaisers Diocletian und seiner 
Nachfolger (BOdihgbrs untersuch, zur rOm. Eaisergesch. II 237, 3). Bslsbb, Gramm, krit. 
Erkl. von Lact. d. m. p. 34, Ellwangen 1889, Progr. 

Die in dem Edikt verheissene Instruktion an die Richter, auf die sowohl 
hier als in dem Mailänder Edikt hingewiesen wird (48. 4) ist verloren gegangen. Vgl. 
Zahn, Skizzen aus dem Leben der alten Kirche p. 333; Hünzikbb 1. c p. 246, 2. 

Das Edikt von Mailand aus dem Jahre 313 teilen uns mit Lact, de mort, 
c. 48; Euseb. hist. eeeles. 10, 5. Vgl. Keim, Die r()m. Toleranzedikte und ihr geschichtlicher 
Wert (Theolog. Jahrbücher 11 (1852) p. 234; Lobnibg, Geschichte des deutschen Kirchen- 
rechts 1, 196. 

Ueber Maziminus' Ghristenerlasse vgl. Euseb. Awf. «<*c^. 1. 9 (das kurz vor 
seinem Tod gegebene Toleranzed. steht 9, 10). Vgl. Hühzikeb 1. c. p. 247; Harnack, Gesch. 
der altchristl. Litteratur 1, 874; Mommsbn, Archäol. epigr. Mitteil, aus Oesterreich (zweisprach. 
Inschr. ans Arykanda in Lykien) XVI (1893) 93. Göbbbs, Ztschr. f. Kirchengesch. 11, 333-53. 

Ueber die christenfreundlichen Gesetze Constantins vgL die Zusammen- 
stellung bei Migne VIII 93; Sbüffbbt, Constantins Gesetze und das Christentum, WQrz- 
burg 1891; Flasoh, Constantin der Grosse, Würzburg 1891 p. 21; Bbibgbb, Konst d. Gr. 
als Religionspolitiker (Zt f. K.G. 4,163) (Sbbck, Die Zeitfolge der Gesetze Constantins; 
Zeitschr. der Savignystiftung für Rechtsgesch. X. Bd. [rOm. Abth.] 1889 p. 1 und p. 177). 

Ueber die Christenverfolgung des Licinius vgl. die Monographie von Fbabz 
Göbbbs, Krit. Untersuch, über die Licinianische Christen Verfolgung. Jena 1875. Femer 
GöBBBS, Die angebl. Christlichk. des Licinius (Zeitschr. für wissensch. TheoL 20 (1877) p. 215. 

661. Bttckblick. Wenn wir den langen Weg, den das Christentum 
zurücklegen musste, um zur vollen Gleichberechtigung mit dem nationalen 
Kultus und dadurch zur Alleinherrschaft zu gelangen, nochmals überschauen, 
so werden wir mehrere Entwicklungsstufen anerkennen müssen. Lange 
Zeit blieb das Christentum unbeachtet, es fiel in den Augen der Menge 
mit dem Judentum zusammen. Erst als die Heiden in grösserer Anzahl 
zum Christentum übertraten, musste die neue Lehre schärfere Aufmerk- 
samkeit erregen. Aber im Publikum war die Stinmiung, welche gegen 
das Christentum sich herausbildete, keine freundliche. Das eigentümliche, 
der Öffentlichkeit abgekehrte, in ganz neuen religiösen Formen sich be- 
, wegende Leben erregte Hass und Abscheu. Diesen Hass suchte Nero für 
sich zu verwerten, als er den Brand Roms den Christen zuschob, und in 
der That wurden auch Christen als Brandstifter verurteilt. Das Vor- 
gehen Neros gegen die Christen ist insofern von Bedeutung, als es die 
Christen. als eine von den Juden geschiedene, für sich bestehende Sekte 
im Bewusstsein der damaligen Zeit erscheinen lässt. Die erste Verfolgung 
des Christentums fand unter Domitian statt. Damals wurde zum ersten- 
mal erkannt, dass diese neue Religion mit den Grundlagen des römischen 
Staates unverträglich sei. Dieser Grundsatz ergab sich von selbst aus 
dem streng monotheistischen Charakter des Christentums, demzufolge der 
nationale Kultus und die göttliche Verehrung des Kaisers absolut ausge- 
schlossen war. Die Bestrafung des Christentums war sonach legal; der 
Staat handelte in Notwehr. Allein solange das Christentum ungefährlich 



Die heidnischen lateinischen Schriftsteller nnd das Christentum. 225 

erschien, drückte man gern ein Auge zu, man bestrafte zwar, aber man 
dachte nicht daran, durch eine im ganzen Reich vorzunehmende plan- 
mässige Verfolgung das Christentum gänzlich auszurotten. Traian sprach 
den Grundsatz «aus, die Christen zu bestrafen, aber nicht aufzusuchen. 
Das Christentum war illegal und konnte zu jeder Zeit Repression erfahren, 
aDein es wurde auch toleriert. Dass je nach der Individualität der 
regierenden Persönlichkeiten und nach der Stimmung des Publikums bald 
das eine, bald das andere überwiegen konnte, ist klar. Hadrians An- 
schauung, welche für voUe Toleranz und gegen die Bestrafung der Christen 
als solcher sich aussprach, blieb vereinzelt. Seine Nachfolger hielten an 
der Illegalität des Christentums fest. Mit der Zeit mehrten sich die An- 
zeichen von der Unverträglichkeit des Christentums mit den öffentlichen 
Interessen. Es genügte daher nicht mehr die vereinzelte Bestrafung 
der Christen, umfassendere Massregeln erwiesen sich als notwendig. Man 
sollte nun denken, dass es am einfachsten gewesen wäre, die Christen zur 
Annahme des nationalen Kultus zu zwingen. Allein die römische Regie- 
rung wagte lange nicht, diesen gerade aufs Ziel lossteuernden Weg zu 
beschreiten. Man zog es vor, indirekt zu verfahren. Septimius Severus 
verbot den Übertritt zum Christentum und traf damit eine Massregel zum 
Schutz des Heidentums. Der Thraker Maximin suchte die Organisation 
der Kirche zu zerstören. Allein diese Massregeln führten den angestrebten 
Zweck nicht herbei. Mit Decius beginnt daher eine andere Politik in der 
Christenfrage. Durch Zwang sollten jetzt die Christen zum nationalen 
Kultus gebracht werden; es beginnt die systematische Ausrottung des 
Christentums. Diese Politik verfolgte auch Valerianus, indem er unter 
Androhung der strengsten Strafen die Anerkennung des heidnischen Kultus 
forderte und den christlichen Gottesdienst untersagte. Aber das Christen- 
tum war schon so erstarkt, dass es auch diese schweren Schläge über- 
winden konnte. Ja — und damit beginnt die letzte Periode des Kampfes 
— die Staatsgewalt sah sich sogar gezwungen, Schutzbriefe für das 
Christentum zu erlassen; so gleich der Sohn Yalerians, Gallienus. Unter 
Diocletian wurde nochmals der Versuch gemacht, in planmässiger Weise 
das Christentum zu vertilgen, um die nationale Religion zu retten. Auch 
dieser Versuch scheiterte. Im Jahre 313 erschien zu Mailand ein Tole- 
ranzedikt der Augusti Licinius und Constantin für die Christen; dieses 
Edikt beruhte auf dem Grundsatz der allgemeinen Religionsfreiheit, auf 
der Gleichstellung des Christentums und des Heidentums. Allein in Wahr- 
heit war damit der Sieg des Christentums entschieden; denn das Heiden- 
tum war nicht fähig, die Konkurrenz auszuhalten. So war denn das 
Christentum aus einer unscheinbaren, verächtlich behandelten Sekte zu 
einer massgebenden Macht im Römerreich geworden. 

ß) Der Kampf des Cbristentums mit der heidnischen Weltanschauung. 

652. Die heidnischen lateinischen Schriftsteller und das Christen« 
tnnL Geraume Zeit verging, bis die lateinische Litteratur von dem 
Christentum Notiz nahm. Dies konnte erst in der Zeit geschehen, in der 
sich das Christentum von dem Judentum losgelöst hatte und sich über- 

B»odbach der klUB. Altertamawlflsentohaft. vm. 3. Teil. 15 



^ 



226 Bömuiclie Litteratnrgeaohiohie. n. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteiliug. 

wiegend aus den Reihen der Heiden ergänzte. Zum erstenmal sprachen 
über das Christentum drei Schriftsteller, welche zu derselben Zeit lebten, 
der jüngere Plinius, Tacitus und Sueton. Die wertvollste Nachricht ver- 
danken wir dem jüngeren PUnius und zwar seinem bekannten Brief, den 
er an Traian gerichtet hatte. Um für die polizeiliche Behandlung der 
Christen eine Grundlage zu erhalten, hatte er bei den Apostaten Nach- 
forschungen über das Christentum angestellt. Das Ergebnis derselben 
war, dass ihm mitgeteilt wurde, die Christen kämen an bestimmten Tagen 
am frühen Morgen zusammen, um auf Christus als Gott {quasi deo) Lieder 
mit Responsionen zu singen und feierlich zu geloben, keinen Diebstahl, 
keinen Raub, keinen Ehebruch zu begehen, das gegebene Wort zu halten 
und kein Depositum abzuleugnen; später kämen sie nochmals zusanmien, 
um ein gewöhnliches und unschuldiges Mahl zusanmien einzunehmen. 
Selbst eine Tortur, welche Plinius an zwei Diakonissinnen vornahm, er- 
gab nichts für die Christen Belastendes, als einen ungeheuren Aberglauben. 
Wir finden in diesem Bericht ein wertvolles Zeugnis über die Auffassung 
Christi in der Gemeinde, über die Anfänge des christlichen Gottesdienstes, 
über das Liebesmahl und über die Sitten der Christen. Tacitus kommt 
auf das Christentum zu sprechen, als er den Neronischen Brand erzahlt. 
Er weiss, dass der Christenname mit Christus zusammenhängt und be- 
richtet, dass Christus unter Tiberius von Pilatus hingerichtet worden sei, 
und dass infolgedessen der „verderbliche Aberglaube'' f&r eine Zeitlang^) 
zurückgedrängt wurde, aber bald nicht bloss in Judäa, dem Ursprung 
jenes Übels, sondern auch in Rom um sich gegriffen habe. Man sieht, 
Tacitus hat einiges Wissen vom Christentum, aber es ist ihm ein verderb- 
licher Aberglaube wie seinem Freund Plinius, die Christen selbst sind dem 
stolzen Römer offenbar zuwider, weil sie sich von der menschlichen Ge- 
sellschaft abschliessen, ein odium humani generis schreibt er ihnen zu. 
Auch Sueton teilt mit Plinius und Tacitus die ungünstige Meinung vom 
Christentum, er nennt es einen „neuen schädlichen Aberglauben *'. Vielleicht 
hat der Historiker dasselbe noch an einer zweiten Stelle im Auge. Li der Bio- 
graphie des Claudius bringt er die Notiz: „Die Juden, die auf Anregung 
des Chrestus beständig Unruhen hervorriefen, vertrieb er aus Rom*. Die 
Annahme, dass ein unbekannter Jude namens Chrestus die Unruhen ver- 
anlasst habe, ist nicht wahrscheinlich, wir haben es vielmehr mit einer 
Persönlichkeit zu thun, die allgemein bekannt ist. Wir haben also an 
Christus zu denken, der nicht selten auch Chrestus geschrieben wird. Die 
Unruhen werden sich auf die Stellung des Judentums zum Christentum 
bezogen haben; der Historiker, der davon Kunde erhielt, machte den An- 
lass des Streites (Christus) zum Urheber derselben und dokumentierte 
dadurch die in gebildeten Kreisen über das Christentum herrschende Un- 
klarheit. 

Diese Stimmen zeugen von der tiefen Verachtung, welche die ge- 
bildeten Kreise dem Christentum entgegenbrachten. Allein nur zu bald 



Vgl. darüber WbtzsXckbr, das apostolische Zeitalter der christl. Kirche, Freiburg 
i. B. 1886 p. 1. 



Die heidnisohen lateinisohen Sehriftsteller und das Christentiun. 227 

zeigte es sich, dass das was man verachtete, eine ernste Sache war. Die 
Übertritte zu dem Christentum wurden so zahkeich, dass die heidnische 
Bildung sich bedroht sah und an Verteidigung denken musste. Es ent- 
stand eine Litteratur, weiche eine Bestreitung des Christentums zum Ziele 
hatte. Auch dieser Kampf wurde vorwiegend von Griechen geleitet und 
durchgefochten. Die zwei bedeutsamsten Bestreitungen des Christentums 
waren das »Wahre Wort* *) von Celsus und die fünfzehn Bücher, welche 
am Ende des dritten Jahrhunderts der Neuplatoniker Porphyrius gegen 
die Christen geschrieben. Da im Jahre 448 ein kaiserliches Edikt befahl, 
alle Exemplare des Werks aufzusuchen und zu verbrennen, so ist diese 
vielgefürchtete Schrift und die sich gegen dieselbe kehrende Litteratur 
bis auf wenige Bruchstücke verloren gegangen. Etwas besser ist es mit 
dem Wahren Wort des Celsus gegangen, welches zwischen 177 — 180 ent- 
stand.^) Da sich die Widerlegung desOrigenes in acht Büchern erhalten hat, 
80 sind wir im Stande, Oedankengang und Wortlaut der verlorenen Schrift 
zum grössten Teil wiederherzustellen. Diese Bestreitung des Christentums 
war die erste, welche eine wahrhaft wissenschaftliche genannt werden kann. 
Ihr ging aber eine auf römischem Boden zuvor, nämlich eine Bede von 
dem berühmten Rhetor M. Cornelius Fronte, dem Lehrer des M. Aurelius 
und L. Yerus. Wir haben Kunde von derselben durch Minucius Felix, 
welcher in seinem Octavius das Christentum verteidigt. Wir vernehmen, 
dass Fronte die herkömmlichen Yerläumdungen wie die von der blut- 
schänderischen Mahlzeit gegen die Christen erhoben. Es ist aber eine, 
wie ich glaube, gegründete Vermutung, dass der erste Teil des Octavius, 
welcher eine Verteidigung des Heidentums enthält, im wesentlichen auf 
diese Rede Frontos zurückgeht. Auch bei Apuleius liegt allem Anschein 
nach eine Anspielung auf das Christentum vor; die Frau, die er in seinen 
Metamorphosen (9, 14) schildert, werden wir für eine Christin halten 
müssen. Auch aus dieser Schilderung klingt die Verachtung des Christen- 
tums heraus. 

Aus diesen Zeugnissen ersieht man, dass die römisch-heidnische Lit- 
teratur unseres Zeitraums sich nur selten mit dem Christentum beschäftigte. 
Die Bildung war noch überwiegend heidnisch und liess sich nur schwer 
aus den gewohnten Oeleisen drängen. 

Antike ZengDisse über das Christentum. Pliniaa ep, Plinii et Traiani 96 
p. 231 K adfirmahant (die abtrünnigen Christen) hanc fuisse summam vel culpae suae vel 
erroris, quod essent solitt stato die ante lucem convenire carmenque Christo quasi deo dicere 
seeum invieem, seque sacramento nan in scelus aliquot obstringere, sed ne furta, ne latro- 
einia, ne adtdteria committerent, ne fidem fallerent, ne depositum appellati ahnegarewt: quihus 
peraetis morem sibi discedendi fuisse rursusque ad capiendum cibum, promiscuum tarnen 
et innoxium. 

Tacitns Ann. 15,44 auctor nominis eius (Christiani) Christus TibeHo imperitante 
per proeuratarem Pontium PHatum supplicio affeetus erat; repressaque in praesens exitia» 
hilis super stitio rursutn erumpebat, nan modo per Jtidaeam, originem eius mali, sed per 
urbem etiam. 

Saetonius Nero 16 afflieti suppliciis Christiani^ genus hominum superstitionis 
novae ae maUficae; Claud. 25 ludaeos impulsore Chresto assidue tumuUuantis Borna expuHi, 



AehnUch nannte der von Lactantius ') Nbühakn, Der römische Staat und 

bekämpfte Bestreiter des Christentums, wahr- die allgemeine Kirche, Leipz. 1890, p. 58 

scheinlich Hierocles, seine Bücher tpiiinXfi&stg Anm. 1. 
(Lact Diy. Jnst. 5, 3, 22). 

15* 



228 BöndBohe litteraiurgeBohiokte. ü. Die Zeit der Monarchie. 3. Abieilimg. 

Vgl. über diese Stelle Kbim, Rom und das Christentum, Berlin 1881 p. 171; Reuss, Ge- 
schichte der hl. Schriften, 4. Aufl. p. 92 (JoftL, Blicke in die Religionsgesch., 2. Abt., Breel. 
1883 p. 42); Hausbath, Neutest. Zeitgeschichte, 3 T., Heidelb. 1874 p. 81; Schübbb, Neu- 
testam. Zeitgesch., Leipz. 1874 p. 625 Anm. 3; WbizsIckbb, Das apostoL 2Seitalter. FVeib. 
i. B. 1886 p. 420; Sohilleb, Geschichte der rOm. Kaiserzeit, 1. Bd. 1. Abt., Gotha 1883 
p. 447 Anm. 6. 

Minucius Felix Octavius 9 et de eonvivio notum est; pwsim amnes locuntur; id 
etiam Cirtensis nostri testatur oratio. Sl et de ineesto eonvivio fabulam grandem advtrsus 
nos dciemonum coitio mentita est — sie de isto (eonvivio) et tuus Fronto non tU adfirmaior 
testitnonium fecit, sed convicium ut orator adspersit, 

A pule ins Metamorph. 9, 14 tunc spretis atque caJcatis divinis numinibus, in vicem 
certae religionis mentita saerüega praesumptione dei quem praedicaret anicumf confictis 
obaervatianibus vaeuis, faUens omnes homines et miserum maritum deeipiens, matutino mero 
et contintio stupro corpus manciparat; vgl. Liohtfoot, The apostolic fathers, P. II vol. II 
p. 532. 

Litteratur: Labdrbb, Testimonies of ancient heathens (Works VI und VII, London 
1838); R. VON dbb Alm, Die Urteile heidnischer und jüdischer Schriftsteller über Jesus 
und die ersten Christen, Leipz. 1864 (Tendenzschrift) ; E. Zbllbb, Römische und griechische 
Urteile über das Christentum, Deutsche Rundschau XI (1877) p. 56; vgl. den Abschnitt 
.Das Christentum bei den heidnischen Schriftstellern' in Habnaoks Gesch. der altchristl. 
Litteratur 1,865; den Abschnitt ,Das Christentum als weltherrschende Macht in seinem 
Verhältnis zur heidnischen Welt und zum römischen Staat* in Baubs Das Christentum 
und die christliche Kirche der drei ersten Jahrb., Tüb. 1853 p. 357; den Abschnitt «Heid- 
nische Urteile, die Widerleger des Christentums" in Kbims Rom und das Christentom, 
Beri. 1881 p. 78. 

Die einzelnen Werke der christlich-lateinischen Litteratur. 

653. Vorbemerkungen. Das Christentum hat seine Wurzeln im 
Orient; bei seiner Ausbreitung gelangte es daher zuerst zu Griechisch- 
redenden. So ward die griechische Sprache das Organ, durch das das 
Christentum zu den Völkern sprach. Selbst in Rom bediente sich die 
christliche Gemeinde der griechischen Sprache als Verkehrsmittel. Erst 
allmählich drang auch die lateinische Sprache in das Christentum ein. Sie 
erschien hier in doppelter Gestalt; sie schmiegte sich entweder dem Volke 
oder dem Kreise der Gebildeten an, mit anderen Worten: sie erschien als 
Vulgärlatein oder als Schriftlatein. Den Afrikanern gebührt der Ruhm, 
die lateinische Litteratur christlichen Bekenntnisses geschaffen zu haben. 
Aber auch diese wie Tertullian waren manchmal gezwungen, ihre latei- 
nischen Schriften zugleich in griechischer Sprache erscheinen zu lassen. 
Eine Darstellung der christlichen lateinischen Litteratur in unserem Zeit- 
raum muss daher einen fragmentarischen Charakter haben; die Bewegung 
der christlichen Ideen kann nur durch eine Verbindung der griechischen 
und der lateinischen Litteratur christlichen Bekenntnisses erkannt werden. 

In der Behandlung der christlichen Schriftwerke lateinischer Zunge 
verfolgen wir dieselbe Methode wie in der nationalen Litteratur. Wir 
nehmen die einzelnen Schriftsteller der chronologischen Reihenfolge nach 
vor. Die Martyrien und die Übersetzungen behandeln wir dagegen im 
Zusammenhang, da hier eine zeitliche Anordnung nicht am Platze wäre. ■) 
In einem Rückblick werden wir die verschiedenen litterarischen Formen, 
welche die christliche Litteratur ausgeprägt hat, einer Betrachtung unter- 
werfen. Bei der Beurteilung der Autoren können selbstverständlich 
keine anderen Gesichtspunkte zu Grunde gelegt werden als die litterar- 



^) Bei den Uehersetzungen ist die Zeit überhaupt schwer zu besümmen. 



' M. VinitoiaB Felix. 229 

historischen. . Eine Wertschätzung, die ihren Massstab aus der Dogmatik 
entlehnt, ist also völlig ausgeschlossen; wir kennen keine Väter, sondern 
nur Schriftsteller. Auch schreiben wir keine Eirchengeschichte und keine 
Geschichte der Theologie, wir treten in eine Erörterung der christlichen 
Ideen nur insoweit ein, als sie zum Verständnis der Schriftstücke not* 
wendig ist. 

lieber die Methode handeln Nitzsoh „Geschichtliches und Methodologisches zur 
Patristik" (Jahrb. für deutsche Theologie X [1865] p. 37); Oybbbbok, Ueber die Anfänge 
der patristischen Litteratnr (Stbbls Bist. Zeitschr. 48 [12] 1882 p. 417). 

Litteratur: Von filteren Werken sind zu nennen Gayb, Higtoria litter aria acrip- 
iorum eceleaiastiearum, 2 T., Lond. 1688/1698; Oudin, Cammentarius de 8criptoribus ecelesiae 
antiquis, 3 T., Leipz. 1722; von neueren Habnaok, Gesch. der altchristl. Litt, bis Eusebius. 
Erster Teil : Die XJeberlieferung und der Bestand bearbeitet unter Mitwirkung von Pbbuschek, 
Leipz. 1898; Gmuttwbll, A lUerary history of early christianity^ 2 Bde., London 1893; 
Mobhleb, Patrologie oder christliche Litterftrgeschichte, hgg. von Reithmayr, 1. Bd. (die 
drei ersten Jahrb.) Regensb. 1840; Fbsslbb, Institutiones patrologiae. Neu hgg. von 
JuvoMAVif, I. Bd. Jnnsbr. 1890, II. Bd. pars 1 1892; Nibschl, Lehrb. der Patrol. u. Patrist., 
3 Bde., Mainz 1881 ; G. EBÜesB, Gesch. der altchr. Litt, in den ersten drei Jahrb., Freib. i. B. 
und Leipz. 1895; Babdbnhewbr, Patrologie, Freib. 1894; Ehbhabd, Die altchristl. Litteratur 
und ihre Erforschung seit 1880, I (1880—1884) in den Strassburger Theol. Studien 14. 5 
(1894). — BlHB, Geschichte der röm. Litteratur, Bd. 4. Die christl.-römische Litteratur. 
I. Die christlichen Dichterund Geschichtschreiber, Karlsruhe' 1878; Ebbbt, AUgem. Gesch. 
der Litteratur des Mittelalters im Abendlande I. Bd., Geschichte der christlich-lateinischen 
Litteratur von ihren Anfängen bis zum Zeitalter Karls des Grossen, Leipz.' 1889; Mani- 
Tius, Geschichte der christl.lat. Poesie bis zur Mitte des 8. Jahrb., Stuttg. 189L 

Sammlungen der Autoren. MiGint, Cursus patrologiae eompUtiM. I. Patrologia 
latina, 221 T,, Par. 1844-1855; II. Patrologia graeea 161 T. in 166 V., Paris 1857—1866; 
Kritische Bearbeitung der Texte im Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum, veran- 
staltet von der Wiener Akademie; Sanetorum patrutn opuacula selecta ed. Hubtbb, Inns- 
bruck 1868; Kb€grb, Sammlung ausgew. kirchen- und dogmengesch. QueUenschr., Freiburg 
i. B. 1891 ff. — Bibliothek der Kirchenväter, Auswahl der vorztiglichsten patristischen 
Werke in deutscher üebersetzung von Rbithxatb und Thalhofbb, Kempten 1869 fg. 

1. TA. IVIinucius Felix. 
654. Allgemeines. In der Pariser Handschrift nr. 1661, welche die 
sieben Bücher des Amobius adversus gentes enthält, erscheint als achtes 
Buch ein Dialog, welcher die Verteidigung des Christentums zum Ziele 
hat. Dieser handschriftlichen Überlieferung folgte auch die erste Aus- 
gabe des Amobius von Faustus Sabaeus Brixianus, welche 1543 in Rom 
erschien. Allein es gehörte nicht viel Scharfsinn dazu, um zu erkennen, 
dass der Dialog nichts mit Amobius zu thun habe. Welchen Autor man 
vor sich hatte, konnte man aus Lactantius und Hieronymus ersehen. Dort 
war von einem Minucius Felix die Rede, der einen Dialog mit dem Titel 
„Octavius" geschrieben. Damit war die äussere Verbindung des Minucius mit 
Amobius gelöst und seine schriftstellerische Individualität festgestellt; 
sein Werkchen wurde zum erstenmal unter seinem Namen von Francois 
Baudouin (Balduinus) im Jahre 1560 publiziert. Seitdem wurde das „gol- 
dene* Büchlein viel und gern gelesen; damit stellten sich aber auch 
Probleme ein, die gelöst werden mussten, wenn man zur vollen Würdi- 
gung des Schriftchens gelangen wollte. Vor allem musste die Zeit des 
Autors ermittelt werden, dann war auch der Standpunkt, von dem aus 
Minucius schreibt, ins Auge zu fassen. Beide Fragen sind noch kontrovers. 

^) aureum opuseulum nennt es van Hoybk in seiner epiatola (Lindnebs 2. Ausg. 
p. 291). 



230 Römische Lüteraturgeaohichie. ü. Die Zeit der Monarchie. 2. Abieiliing. 

Vorläufig stellen wir das Wenige, was wir über die Lebensverhältnisse 
des Schriftstellers wissen, hier zusammen. Abgesehen von den Notizen 
des Lactantius und Hieronymus ist die einzige Fundstätte für unsere 
Kenntnis der Dialog selbst. Aus demselben ersehen wir, dass Minucius 
eine ausgezeichnete Bildung erhalten; er ist in der römischen wie grie- 
chischen Litteratur belesen, auch die rhetorische Bildung seiner Zeit hat 
er vollständig in sich aufgenommen. Sein Studiengenosse {contubemalis 
1, 1) war Octavius Januarius, mit dem ihn die innigste Seelengemeinschaft 
verband. Von Geburt aus waren beide Heiden, und als solche hatten sie 
sich von den Irrungen der Jugend nicht freigehalten. Beide ergriffen die 
Laufbahn eines Sachwalters. In diesem Beruf hatten sie mannigfach 
Gelegenheit, sich an den Ghristenverfolgungen zu beteiligen. Allein viel- 
leicht bewirkte die Standhaftigkeit der Christen, die sie hiebei kennen 
lernten, dass sie anderen Sinnes wurden. Octavius trat zum Christentum 
über, und ihm folgte Minucius Felix. Als die in dem Dialog geschilderte 
Unterredung stattfand, lebte angeblich nur noch Minucius in Rom, Octavius 
dagegen in einer überseeischen Provinz. Als Minucius den Dialog schrieb, 
war der Freund längst verstorben. In dem Dialog kündigt er (86, 2) noch 
eine Schrift de fato an. Und Hieronymus berichtet in der That, dass 
unter dem Namen des Minucius eine Schrift mit dem Titel de fato vel 
contra mathematicos im Umlauf sei, allein er glaubt wegen der Stil Ver- 
schiedenheit, die diese Schrift von dem Octavius trenne, nicht an die 
Echtheit derselben. Wie dem auch sei, die Schrift hat sich nicht er- 
halten. 

Lactant. iDst. div. 5, 1, 21 si qui forte lüteratorum se ad eatn (veritatem Christianam) 
eontulerunt, defensioni eius non suffecerunt . ex üs qui mihi noti sunt Minucius Felix non 
ignohilis inter eauaidicos loci fuit . huius liber, cui Octavio titulus est, declarat, quam idoneus 
veritatis assertor esse potuisset, si se totum ad id Studium contulisset . Septimius quoque 
TertuUianus etc. Hieron. de vir. ill. 58 Minucius Felix, Romae insignis causidicus, scripsif 
dialogum Christiani et ethnici disputantis, qui Octavius inscribitur . sed et alius sub nomine 
eius feriur De fato vel contra mathematicos, qui cum sit et ipse diserti hominis, 
non mihi pidetur cum superioris libri stilo convenire (vgl. noch ep. 70, 5). 

Ueber den juristischen Beruf . Ociav. 1,3 sagt Minucius: sane et ad vindemiam 
feriae iudiciariam euram relaxaverant. 28, 8 sagt Octavius: nos tamen saerüegos aliquot* 
et incestos, parricidas etiam defendendos et tuendos suscipiehamus, hos {Christianos) nee 
audiendos in totum putabamus, nonnumquam etiam miserantes eorum crudelius saeviebamuit^ 
ut torqueremus confUentes ad negandum etc. 

Die Schrift de fato wird angekündigt Octav. 36,2 cu: de fato satis, vel si pauca 
pro tempore, disputaturi alias et uberius et plenius. Die übrigen Notizen über Minucius 
und Octavius finden sich in der Einleitung der Schrift. 

656. Inhalt des Octavius. Die Schrift stellt sich uns dar als ein 
Denkmal liebevoller Erinnerung, das Minucius seinem dahin gegangenen 
Freund Octavius Januarius setzt; er erzählt uns eine Unterredung, durch 
die Octavius einen dritten Freund, Caecilius Natalis, dem Christentum ge- 
wann. Die Unterredung fand im Herbst während der Gerichtsferien in 
Ostia am Meeresstrande statt; als Sprecher wollen Caecilius und Octavius 
auftreten, indess Minucius die Rolle des Schiedsrichters übernehmen soll. 
Zuerst ergreift Caecilius das Wort, um die heidnische Weltanschauung zu 
verteidigen. Er stellt sich zunächst auf den Standpunkt des Skeptikers 
und wundert sich, dass solche ungebildete Leute, wie es die Christen sind, 
über Dinge, welche den unausgesetzten Bemühungen der Philosophen 



M. MinnoittB Felix. 231 

Jahrhunderte hindurch verschlossen blieben, ein Wissen für sich bean- 
spruchen und bestimmte Sätze aufstellen. Allein diese Sätze, welche eine 
schaffende und fürsorgende Gottheit behaupten, erweisen sich als völlig 
unsicher, wenigstens vermag die Spekulation, wenn sie sich in diese 
dunkelen Gebiete begibt, Erklärungen zu geben, durch welche jene Sätze 
aufgehoben werden und durch die, falls nicht die Unmöglichkeit, die Wahr- 
heit zu erkennen, gefolgert wird, nur die Annahme eines blind waltenden 
Zufalls übrig bleibt. Gegenüber dieser Erkenntnis wäre es Thorheit, den 
Glauben der Vorfahren aufzugeben und den Göttern die Verehrung zu 
versagen, zumal die Römer die Kulte aller Nationen in sich aufnahmen 
und sich dadurch der Weltherrschaft würdig erwiesen. Übrigens haben 
die Voreltern nicht ohne Grund die religiösen Institutionen aufs ge- 
wissenhafteste beobachtet, denn sie hatten das Eingreifen der Götter 
erfahren. Mögen daher die Ansichten über das Wesen der Götter noch 
soweit auseinandergehen, so herrscht doch bezüglich ihrer Existenz all- 
gemeine Übereinstimmung und eine Auflehnung gegen diesen Glauben 
darf nicht geduldet werden, am wenigsten von dem lichtscheuen Christen- 
gesindel. Caecilius ergeht sich nun in einer gehässigen Schilderung des 
christlichen Lejbens; er tadelt das der Öffentlichkeit abgekehrte, geheim- 
nisvolle, unsittliche Treiben der Christen und ihren schädlichen Kultus; auch 
ihre absurden Lehren, wie die Annahme eines Untergangs der Welt durch 
Feuer, der Glaube an eine Auferstehung und an eine Vergeltung im Jen- 
seits sind ihm ein Greuel. Wie irrig diese Hoffnungen auf ein ewiges 
seliges Leben sind, lehrt ein Blick auf das gegenwärtige Leben der Christen 
mit ihren Leiden und Qualen. Wenn Gott hier nicht hilft, warum sollte 
er dort helfen! Der Redner kehrt am Schluss zu dem Gedanken zurück, 
mit dem er begonnen hatte, zu dem Lob des Skeptizismus und der 
Zurückhaltung in den überirdischen Dingen (c. 13). 

Nach einer kleinen Pause, welche durch eine Aufforderung des Mi- 
nucius zur Vorsicht den Reden gegenüber und durch eine kurze Erwide- 
rung des Caecilius ausgefüllt wird, ergreift Octavius das Wort zur Ver- 
teidigung des Christentums. Seine Entgegnung hält sich genau an die 
Rede des Caecilius. Mit einigen aUgemeinen Einwürfen beginnt die Wider- 
legung. Octavius tadelt die schwankende Haltung des Gegners in der vor- 
liegenden Frage und nimmt für alle Menschen, auch für die Armen und 
Ungebildeten, die Möglichkeit, die Wahrheit zu finden, in Anspruch. Dann 
führt er aus, dass für den Menschen die richtige Einsicht in das Welt- 
ganze absolut notwendig sei; eine Betrachtung desselben, zu welcher der 
Mensch von Natur die Bestimmung erhalten hat, führt aber zu der An- 
nahme einer göttlichen Vorsehung (17, 4 bis 18, 3) und eines einzigen 
göttlichen Wesens, auf welches auch die gewöhnlichen Redeweisen des 
Volkes, die Aussprüche der Dichter und Philosophen führen. Gegenüber 
diesem Konsensus können die alten Götterfabeln nicht in Betracht kommen. 
Damit treten wir in den negativen Teil der Rede, welcher sich die Er- 
klärung des nationalen Götterglaubens zum Ziele setzt. Die Götter werden 
zunächst mit Euhemerus als verstorbene Menschen erklärt, die wegen 
grosser Verdienste göttliche Ehren erhielten; besonders bei dem obersten 



232 Römische Litteratnrgesohiohio. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteümig. 

der Götter, dem Saturnus, ist der irdische Ursprung nicht zweifelhaft. 
Auf menschlichen Ursprung weisen auch die heiligen Gebräuche und My- 
sterien, ferner die äussere Darstellung der Götter. Die Dichter, besonders 
Homer, haben diese Göttergeschichten erfunden, und thörichterweise werden 
sie in der Schule der Jugend eingeprägt. Sonderbar ist auch die Ver- 
ehrung der Götterstatuen, die doch von Menschen fabriziert und oft von 
Tieren verunehrt werden. Es ist ein Irrtum, zu glauben, die Beligion 
habe den Grund zur Weltherrschaft der Römer gelegt; die Anfänge des 
Römerreiches zeigen Verbrechen auf Verbrechen; was die Römer sich er- 
warben, verdankten sie der Gewalt. Auch was Caecilius von dem Wert 
der Auspizien, Augurien und Orakeln gesagt, ist nicht stichhaltig, wie 
Beispiele darthun. Haben aber die Auspizien und Orakel einmal das 
Richtige getroffen, so war dies, wenn nicht hier der Zufall sein Spiel 
trieb, ein Werk der Dämonen, deren Treiben eingehend geschildert wird. 
Die Dämonen sind es auch, welche die Christenverfolgungen hervorrufen, 
die nur durch die Unbekanntschaft mit der christlichen Lehre möglich 
sind. Die Dämonen sind es endlich, welche die albernen Märchen vom 
Gottesdienst der Christen ausstreuen. Die Widerlegung dieser Märchen 
erfolgt in der Weise, dass die Dinge, welche den Christen vorgerQckt 
werden, vielmehr bei den Heiden aufgezeigt werden. Dabei werden röh- 
rende Schilderungen christlichen Lebens eingestreut. Dem Vorwurf gegen- 
über, dass die Christen keine Tempel und Altäre hätten, wird die geistige 
Gottesverehrung stark betont und als das schönste Opfer ein reines Herz 
hingestellt. Gott, wenn wir ihn auch nicht sehen können, ist überall; in 
ihm leben und weben wir. Endlich kommt die Rede auf die Lehren von 
dem Untergang der Welt durch Feuer, die Auferstehung des Menschen 
und der Vergeltung in einem Jenseits. Zur Verteidigung dieser Lehren 
beruft sich Octavius darauf, dass auch die Philosophen die Zerstörung der 
Welt sehen, indem sie einen Schatten von der Weisheit der Propheten 
erfasst haben. Auch f(ir die Auferstehung gibt es Zeugen unter den 
Philosophen; sie ist für Gott, der aus Nichts schaffen konnte, keine Un- 
möglichkeit, sie findet ihre Analogie in der Natur. Dass sich soviele 
gegen die Auferstehung sträuben, hat darin seinen Grund, dass sie eine 
ewige Vergeltung fürchten. Und doch verkündete auch diese der Dichter- 
mund. Dass aber den Heiden eher die ewige Höllenstrafe droht als den 
Christen, ist eine Folge ihrer mangelnden Gotteserkenntnis und ihres 
schlechteren Lebens. Der Gedanke, dass über uns alle das Fatum ent- 
scheide, ist ein unberechtigter. Um die Hoffnungen der Christen auf eine 
ewige Belohnung unwahrscheinlich erscheinen zu lassen, hatte Caecilius 
auch die Armut, die Krankheiten, die Martern, von denen die Christen in 
diesem Leben heimgesucht werden, angeführt, Octavius erörtert nun den 
Wert der Armut und der Krankheiten für den Christen und schildert mit 
lebhaften Farben die Freude, mit welcher der Christ als Streiter Gottes 
die Verfolgungen über sich ergehen lässt; denn sein Lohn ist das ewige 
Leben. Die äusseren Güter haben für die, welche Gott nicht kennen, 
keinen Wert. Gern verzichtet daher der Christ auf die heidnischen Ver- 
gnügungen, wie die Schauspiele, deren heidnisch-religiöser Ursprung und 



H. Minacins Felix. 283 

deren sittliche Gefahren er kennt. Die Opfermahlzeiten verschmäht er 
als einen Huldigungsakt für die Dämonen; auch die Bekränzung erachtet 
er als unzulässig. Die Erone, die seiner wartet, ist die ewige. Und in 
dieser Hoffnung lebt er dahin, mögen die Philosophen ausspinnen, was sie 
wollen. Der Christ hat die Wahrheit, die jene nicht finden konnten. 
Und mit der Aufforderung, dieser Wahrheit zu dienen, schliesst Octavius 
seine Bede. 

Als Octavius geendet hatte, herrschte eine Zeitlang tiefes Schweigen ; 
da brach Caecilius in die Worte aus: Octavius hat über mich gesiegt, ich 
aber über den Irrtum. Damit bekannte sich Caecilius als im wesentlichen 
für das Christentum gewonnen, und Minucius war das Schiedsgericht er- 
spart. Erfreut brach die Oesellschaft auf. 

Eine Disposition des Gesprächs in Form einer Gegenüberstellung der sich ent- 
sprechenden Partien der beiden Redner geben Lihdnbb in seiner Ausgabe, Langensalza 
1773, in der Einleitung, auch abgedruckt in der englischen Ausgabe von Holdbh p. 29; 
Ebbst a. a. 0. p. 332-340. 

656. Tendenz und Zeit der Schrift. Jeder Leser, welcher der In- 
haltsübersicht, wie wir sie gegeben haben, folgt, wird erstaunt sein, dass 
eine Schrift, welche man aUgemein als eine Verteidigung des Christen- 
tums ansieht, so wenig spezifisch christliche Gedanken enthält. Wir 
finden in der Schrift keine Bibelcitate, der Name Christi ist ängstlich ver- 
mieden, die Offenbarung, der HauptpfeUer des Christentums, wird nirgends 
als grundlegender Faktor vorgeführt. Man hat diese befremdende Er- 
scheinung auf verschiedene Weise zu deuten versucht, man hat gesagt, 
dass Minucius Felix in seinem Octavius nur eine Vorbereitung filr die 
christliche Lehre geben woUte, und deren eigentliche Darstellung späteren 
Schriften vorbehalten habe; andere sind zu der Ansicht gekommen, Minu- 
cius Felix gebe wirklich in der Schrift sein volles Wissen über das Christen- 
tnm, und haben ihn dementsprechend als einen Neubekehrten, der noch 
nicht völlig in die Geheimnisse des Christentums eingedrungen sei, oder 
als einen Philosophen betrachtet, der das Christentum nach seiner Art 
sich zurecht gelegt hätte. Beide Erklärungsversuche halten einer um- 
sichtigen Prüfung nicht Stand. Li ganz naturgemässer Weise erklärt sich 
die in Frage stehende befremdliche Erscheinung, wenn Minucius Felix 
seiner Apologie eine bestimmte Vorlage zu Grund legte; denn hier konnte 
er sich auf die Abwehr beschränken, sein Zweck war mit der Zurück- 
weisung des Angriffs erfüllt. Auf eine solche Vorlage deutet der Autor 
selbst hin, indem er zweimal eine Bede des M. Cornelius Fronte erwähnt. Die 
Vermutung lag nahe, dass die Bede des Caecilius die wesentlichen An- 
griffspunkte des berühmten Bhetor reproduziere und dass ihre Zurück- 
weisung das Ziel der Schrift sei. So einleuchtend diese Vermutung war, 
so konnte sie doch nicht durchdringen, so lange nicht ein fester Beweis 
für sie erbracht werden konnte. Diesen Beweis glauben wir gefunden zu 
haben; denselben liefert eine Stelle (14, 1), die an einer Interpolation 
leidet, indem das Wort „Octavius^ irrtümlich eingeschoben wurde. Da- 
durch hat man sich das Verständnis der Stelle verschlossen. Allein es 
ist sonnenklar, dass dort in gar nicht misszuverstehender Weise M. Cor- 



234 Bömisohe LitteraturgeBohiohte. n. Die Zeit der Monarohie. 2. Abteilimg. 

nelius Fronto charakterisiert wird und zwar als Haupt der Plautiner, 
aber zugleich als ein einfältiger Mensch. Dass diese Eigenschaften völlig 
auf Fronto passen, ist klar. Fronto begründete eine Stilrichtung, welche 
ihren Wortschatz aus alten Autoren wie Plautus u. a. bereicherte; sein Brief- 
wechsel lässt ihn als einen einfältigen, abgeschmackten Menschen er- 
scheinen. Dieser Fronto wird an der Stelle mit den Worten: was wagt 
darauf Fronto, der grösste Plautiner, aber der letzte Philosoph? zu einem 
Wettkampf aufgefordert. Dieser Wettkampf kann sich nicht auf die Ge- 
danken, sondern nur auf die Form beziehen. Diese Aufforderung wird 
nur verständlich, wenn wir annehmen, dass Minucius Felix zwar die Ge- 
danken der Rede Frontos, deren Benützung ja ausdrücklich zugestanden 
wird, dem Caecilius in den Mund legte, aber sie in seinen Stil umsetzte. 
Die höhnische Aufforderung gestaltet sich daher zu einem Protest gegen 
den herrschenden Modestil Frontos. Jedermann wird zugeben, dass ein 
Angriff Frontos bei der hohen gesellschaftlichen Stellung, welche dieser 
Mann einnahm — war er doch sogar Prinzenerzieher — flir die Christen 
keine gleichgültige Sache war und eine Abwehr dringend notwendig 
machte. Jetzt begreifen wir leicht, warum sich der Autor auf die Nega- 
tion einschränkte und so wenig Positives aus dem Christentum mitteilte. 
Bei Fronto und den Gebildeten der damaligen Zeit überhaupt konnte man 
sich sicherlich keine grosse Hoffiiung auf Annahme des Christentums 
machen; man musste zufrieden sein, wenn man den furchtbaren Hass 
gegen das Christentum zurückdrängte; der wirksamste Erfolg konnte aber 
in dieser Beziehung nur dann erzielt werden, wenn man diese Leute mit 
ihren eigenen Waffen bekämpfte, d. h. keine anderen Voraussetzungen 
machte, als die nationale Bildung an die Hand gab, dies war aber der 
philosophische Monotheismus. 

Mit der Darlegung der Tendenz des Dialogs haben wir zugleich die 
Zeitbestimmung desselben gewonnen. Jene höhnische Aufforderung, deren 
Tragweite wir zum erstenmal festgestellt haben, ist nur bei Lebzeiten 
Frontos denkbar. Also muss der Dialog auch zu Lebzeiten Frontos 
geschrieben sein. Leider sind wir über das Todesjahr Frontos nicht 
unterrichtet. Soviel können wir aber sagen, dass über Marcus' Tod hinaus 
(180) Fronto nicht leicht gelebt hat. Etwas weiter zurück führt uns eine 
Argumentation des Dialogs. Um den einen Gott zu erweisen, nimmt 
er auf die analogen Erscheinungen des Erdenlebens Bezug und fragt 
(18, 5), ob jemals eine gemeinschaftliche Regierung mit Treue begann oder 
ohne Blutvergiessen beendet wurde. Wann konnte ein Zeitgenosse 
Frontos dies schreiben? Doch wohl nur, wenn er den Kondominat des 
Kaisers Mark Aurel und des L. Verus noch nicht erlebt hatte, also vor 161. 
Danach fiele unser Dialog entweder in die Zeit des Antoninus 
Pius oder in die Hadrians. 

Fronto bei Minuoius Felix. 9, 6 et de convivio natum est; passim omnes /o* 
cuntur, id etiam Cirtenais nostri testatur oratio, 81, 2 sie de isto {ineesto convivio) et tuus 
Fronto non \U adfirmator testimonium feeit, sed convicium nt orator adspersU. 14, 1 Sic 
Caecüius et renidens (nam indignationia eins tumorem effusae oreUionia impeius relaxaverat) : 
Ecquid ad haec, ait, audet [Octavitui] hämo Plautimte prosapiae^ ut pistorum praecipuus, 
Ha po8tremus phüosophorum? Fronto bentltzte in seiner Rede besonders Cicero de natura 



M. Hinncias Felix. 235 

deorum. Die von Kbim aufgestellte Behauptung (Celsus* wahres Wort p. 156), dass in 
der Rede des Caeoilius Celsos' «Wahres Wort* benutzt sei, welcher Dokbabt p. IX bei- 
pflichtet, dagegen BIbbsns (p. VIII) und Kühn (Der Octavius des M. F. p. 67) opponieren, 
ist chronologisch unmöglich. 

Yerhftltnis des Minucius Felix zu anderen Autoren. In Bezug auf die 
Sprache kommt hier auch die Rede des Caecilius in Betracht (über Anklänge an ver- 
sdiiedene Autoren vgl. Kühn p. 11); in Bezug auf die Quellen ist fttr M. F. nur die Rede 
des Octavius beiznziehen. 

a) Lateinische Autoren: 

1. Cicero de natura deorum. Vgl. Bbhb, Der Octavius des M. M. F. in seinem 
Verhältnis zu Ciceros B&chem d. n. d., Jenaer Diss. 1870. Eine Uebersicht der benutzten 
Stellen gibt Wilhelm p. 4 (ergänzend k. J. Nbuxank, Rhein. Mus. 36 [1881] p. 155. Auch 
de div. ist an einigen Stellen herangezogen. 

2. Seneca. .Nächst Cicero liefert ihm besonders Seneca manchen erwünschten 
Gedanken in klassischer Form*. Dombabt Ausg. p. 135, der eine Reihe von Stellen ver- 
gleicht (vgl. Kühn p. 20, Wuablm p. 29). 

8. Ueber die angenommene gemeinsame Quelle des Tertullian und Minu- 
eins Felix vgl. unten. Eine solche ist ganz unwahrscheinlich. 

4. Die Abhängigkeit des Minucius Felix von TertuUians Apologeticus 
ist unmöglich. 

ß) Griechische Autoren. Die Abhängigkeit des Minucius Felix von griechischen 
Apologeten ist von vornherein sehr unwahrscheinlich. 

1. Athenagoras. Die Abhängigkeit des M. F. von Athenagoras sucht nachzu- 
weisen Lobschb, Jahrb. f. protest. Theol. 1882 p. 168. Dagegen Kümr p. 12; Sohwbnkb, 
Jahrb. für protest Theol. 1883 p. 279; K. J. Nbüxann, Gott. Gel. Anz. 1884 p. 358. Nach 
dem Zeitansatz, den wir fOr den Octavius gewonnen haben, ist eine Benützung des Athe- 
nagoras von Seite des M. F. eine Unmöglichkeit. 

2. Theophilus. Eine Benutzung des Theophilus durch M. F. behauptet Dombabt 
Ausg. p. 138. Dagegen Sohwbnkb, Jahrb. f. protest. Theol. 1883 p. 283, Wilhblm p. 68. 
Die Benutzung ist chronologisch unmöglich. 

3. Tatian. üeber das Verhältnis des Minucius Felix zu Tatian handeln Sohwbnkb, 
Jahrb. fOr protest Theol. 1888 p. 278; Wilhblm p. 67. An ein Abhängigkeitsverhältnis 
ist nicht zu denken. Habnaok, Geschichte der altchristl. Litt. 1,486 fügt, nachdem er 
vorausgeschickt, dass M. F. den Tatian weder erwähnt noch benutzt, folgendes bei: ,M. 
F. scheint fflr die Verhöhnung der alten Götter dieselbe heidnische Schrift wie Tatian 
gebraucht zu haben, vielleicht die yoijttuy tpwQti des Oenomaus (Texte und Unters. 1, 218)". 

4. Justin US. Die Abhängigkeit des M. F. von Justin sucht zu erweisen Sohwbnkb, 
Jahrb. f. protest. Theol. 1883 p. 277. Allein Wilhblm p. 60 bezweifelt die Richtigkeit des 
Ergebnisses. Auch Habnaok behauptet, dass eine solche Abhängigkeit nicht erwiesen 
werden könne (Gesch. der altchristl. L. 1, 100; Texte und Unters. 1, 182). Chronologisch 
ist eine Abhängigkeit des M. F. möglich, sie ist aber innerlich nicht wahrscheinlich. 

Geschichte der Frage über die Zeit des Octavius. Seit der Loslösung des 
Minucius Felix von Amobius (1560) erhob sich auch die Frage nach der Zeit des Autors. 
Sie trat aber meist in der Form auf, dass man den neuen Autor im Verhältnis zu dem 
längst bekannten Tertullian in Betracht zog und daher den Octavius nut dem Apologeticus 
verglich. Lange Zeit war die Meinung die herrschende, dass Tertullian früher als Minucius 
Felix sei. Zuerst trat Daniel van Hoven Campensia (Campio 1766) für die Priorität des 
Minucius ein, ihm folgten in unserem Jahrhundert Nibbuhb, der (Kl. bist. Sehr. 2, 56) den 
Autor in die Zeit des Antoninus setzt, Russwubm (Ausg. Hamb. 1824), Mbibb {Comment. de 
Min. Fei,, Zürich 1824), Mtjbalt (Ausg. Zürich 1836), der eine eingehendere, freilich nicht 
durchschlagende, Beweisführung angetreten hat (vgl. Ebbbt p. 323). Diesen Mangel sucht 
Ebbrt in seinem Aufsatz »Tertullians Verhältnis zu M. F.* (zuerst erschienen 1868, dann in 
den Abh. der phil.hist. Kl. der sächs. Gesellsch. 5 [1870] p. 320) abzuhelfen; eine genaue Ver- 
gleichang der beiden Autoren führt ihn zu dem seiner Ansicht nach feston Resultat, dass 
der Octavius von Tertullian im Apologeticus benutzt ist. Dieser Ansicht trat Hartbl 
(Zeitschr. f. österr. Gymn. 20 [1869] p. 348) entgegen und stellte den Satz auf (p. 367), dass 
weder der Apologeticus (des Tertuluan) aus dem Octavius noch dieser aus jenem ge- 
flossen sein könne, diese vielmehr beide aus einer und derselben Quelle, einer in latei- 
nischer Sprache abgefassten Apologie, schöpften. Allein Hartel überzeugte den von ihm 
bekämpften Ebbbt (vgl. dessen Gesch. der Litteratur des Mittolalt. 1 ', 26), ebensowenig wie 
dieser Habtbl (Patr. Stud. II [Separatabdr. aus den Sitzungsber. der Wiener Akad. Bd. 121] 
p. 18). Hartel nflichtete dagegen bei Wilhblm {De Minucii Felicis Octavio et TertuUiani 
apologetieo, Breslau 1887, II. Bd. der Bresl. Philol. Abh.) und P. db Laoabdb, welcher sogar 
ein Stück dieses gemeinsamen Originals nachgewiesen zu haben glaubt (Abh. der Gott, 



236 Römische LitteratnrgeBohiohie. IL Die Zeit der Xonarohie. 2. Abteilnng. 

Gesellsch. der Wissensch. 37. Bd. [1891] p. 85. Mit dieser Wendung, welche die Streitfrage 
durch Hartel nahm, war das eigentliche Problem ,die Zeit des Min. Felix* im Grunde ge- 
nommen bei Seite geschoben. Allein dasselbe kam nicht zur Ruhe. Der berühmte Theo- 
loge Keim ging in seiner Schrift .Gelsus* wahres Wort*, Zarich 1873 auch auf unsere 
Sache ein und behauptete (p. 154), die ganze Situation bei Minucius trage die Spuren der 
Marc Aurerschen Zeit Auen Paul de Feuob, Atiäe sur VOctavius de Minttcius Felix, Blois 
1880 ist für die Priorität des Octavius und setzt den Dialog noch vor die zweite Apologie 
Justins ins Jahr 160. Wie Feiice so stellten sich noch viele andere Gelehrte auf Sexte 
Eberts (vgl. Keim p. 153). Allein im Jcüire 1880 wurden bei Girta Inschriften entdeckt, 
welche von einem M. Gaecilius Q. f. Natalis handeln (Dbssau, Hermes 15 [1880] p. 471), 
welcher im Anfang des 3. Jahrh. n. Gh. eine angesehene Stellung in Girta einnahm, und das 
höchste Gemeindeamt, das Triumvirat, bekleidet hatte. Dessau identifiziert ohne stich- 
haltigen Grund diesen Gaecilius Natalis mit dem Gaecilius Natalis unseres Dialogs und 
schliesst weiter, dass der Dialog frühestens gegen Ende der Regierung des Garacalla, ver- 
mutlich etwas später entstanden ist. Für die spätere Abfassung des Gctavius trat bald 
darauf auch Sohultzb, „Die Abfassungszeit der Apol. Octavius des M. F.**, Jahrb. f. proteat. 
Theol. 7 (1881) p. 485 ein", indem er auf Grund seiner Untersuchungen die Behauptung 
aufstellte, der Octavius sei in den Jahren 300 bis 23. Febr. 303 abgeSwst worden. Allein 
der eine Umstand, dass Schnitze, um seinen Ansatz zu ermöglichen, gezwungen ist, Gy- 
prians Schrift de iddorum vanitcUe, welche den Octavius voraussetzt, für unecht zu er- 
klären (vgl. Möller, Jahrb. f. protest. Theol. 1. c. p. 757j, lässt seine Arbeit als eine ver- 
fehlte erscheinen. In methodischer Weise griff P. Schwenke die Frage wieder auf (Ueber 
die Zeit des M. F., Jahrb. f. protest. Theol. 9 [1883] p. 263); er stellt zuerst die Priorität 
des Minucius vor TertuUian fest und spricht weiterhin den Satz aus (p. 288), dass der 
Octavius nicht wohl über die letzte Zeit des Antoninus Pius hinauf und nicht über Gom- 
modus herabgerückt werden darf (auch Reck, Theol. Quartalschr. 68 [1886] p. 64 spricht sich 
für die Priorität des Minucius vor Tertullian aus). Allein auch Schwenkes vortreffliche Arbeit 
vermochte die Frage nicht zur Ruhe zu bringen. Ein französischer Gelehrter, L. Masss- 
BiEAU (V Apologetique de Tertuüien et V Octavius de M, F, Revue de Vhistaire des religions, 
8 Jahrg., 15. Bd. [1887] p. 316), plaidiert wieder für die Priorität des Tertullianischen Apo- 
logeticus und nimmt für die Abfassung des Octavius die Jahre 238 — 246 in Anspruch. 
Diese Abhandlung fand Zustimmung bei sehr angesehenen Gelehrten. K. J. Neumann, Der 
röm. Staat und die allgem. Kirche, 1. Bd., Leipz. 1890, p. 241 sagt ,die Priorität TertuUlans 
vor M. F. halte auch ich jetzt durch die Untersuchung von Massebieau gesichert'; er mo- 
difiziert dagegen etwas den chronologischen Ansatz Massebieau*s, indem er von der Vor- 
aussetzung ausgeht (p. 251), dass der Octavius nach der maximinischen Verfolgung, nur vor 
Decius geschrieben ist und dass demnach derselbe ins Jahr 248 oder wenigstens in die 
Zeit unmittelbar vorher, in der die Jubelfeier des tausendjährigen Reiches bereits geplant 
war, weist. Etwas schwankender äussert sich Harnack (Gesch. der altchristl. Lit. 1, 647); 
fest steht ihm, dass M. F. nicht von Tertullian benutzt ist, er stellt aber zugleich als 
wahrscheinlich hin, dass das Umgekehrte stattgefunden, er setzt den Autor ins 3. Jahrh. 
Das im Text Vorgetragene habe ich zuerst in einem Aufsatz (Rh. Mus. Bd. 50 p. 114) 
dargelegt und näher behandelt, gegen meine Ansicht polemisiert Wbyman, Beil. zur Allg. 
Zeitung 1895 nr. 144 (120) p. 5. 

Weitere Litteratur: Fabeb, De M. F. coinm./ Progr. Nordhausen 1872; Rosren, 
MiniUiana i. e. annotationes . . . praemissa commentatione de ipsius scriptoris aetaie, Progr. 
Bedburg, Köln 1859; Gaston Boisstbr, L* Octavius de M. F. (im Anschluss von Kflhns Ab- 
handlung) Journal des savants 1883 p. 536—553. La fln du Paganisme I p. 305—388. 

657. Charakteristik des Dialogs. Nachdem Frontos Rede gegen 
die Christen veröffentlicht war, hätte Minucius FeUx seine Widerlegung 
in der Weise schreiben können, dass er Punkt für Punkt aus der Schrift 
seines Gegners hernahm nnd die Nichtigkeit eines jeglichen aufdeckte. 
Damit hätte er eine einfache Streitschrift geliefert. Allein Minucius^ Felix 
hatte höhere Ziele im Auge; er wollte ein anmutiges Kunstwerk liefern; 
er wählte daher die Form des Dialogs, nicht des platonischen, sondern 
des aristotelischen, d. h. er Hess zuerst den Vertreter des Heidentums 
seine Rede halten und stellte ihr alsdann die Rede des Christen gegen- 
über. Beide Reden entsprechen sich genau in der Weise, dass die Ver- 
teidigung in Bezug auf Anordnung des Stoffes dem Angriff folgt. Da- 
durch erhalten wir Bild und Gegenbild ; Angriff und Verteidigung kommen 



M. Minnoins Felix. 237 

in völlig gleicher Weise zum Worte, das Gefühl, als sei parteiisch ver- 
fahren worden, kann nicht aufkommen. Der Autor ging noch weiter, 
er konstruierte sich nicht selbst den Angriff auf das Christentum, ein 
solcher Fall wird niemals völlige Unbefangenheit gewähren; er schrieb 
seine Verteidigung auf eine thatsächlich vorgekonmiene Bestreitung des 
Christentums ; er legte seinem Heiden die Rede des Fronte in den Mund. 
Freilich konnte er dies nicht ohne eine einschneidende Änderung thun. 
Das Gesetz, das den Alten für ein Kunstwerk Einheit des Stils vorschreibt, 
nötigte ihn, das Produkt Frontos in seinen Stil, in seine Darstellungsform 
umzusetzen. Was die Personen des Dialogs anlangt, so wurde Caecilius 
als Sprecher der Frontonischen Gedanken gewählt, weil er ein Landsmann 
des Rhetor war, zum Verteidiger des Christentums machte der Autor seinen 
Jugendfreund Octavius. Der künstlerische Dialog verlangt auch eine 
Scenerie; der Verfasser zaubert uns eine reizende Scene aus dem Strand 
von Ostia vor. Dass die Unterredung nicht wirklich stattgefunden, sondern 
nur erfunden wurde, bedarf nach dem Gesagten keiner weiteren Dar- 
legung. Doch ist möglich und wahrscheinlich, dass ihm Tage, die er mit 
Octavius am Badestrande in Ostia verlebt hatte, in angenehmer Erinnerung 
blieben und dass er dem verstorbenen Freund ein Denkmal der Liebe mit 
seiner Schrift setzen wollte. Sich selbst hat Minucius Felix nur eine be- 
scheidene Rolle zugeteilt, er will den Schiedsrichter machen, allein da der 
Heide durch den Christen umgestimmt wird, ist ein Eingreifen von seiner 
Seite nicht nötig; doch gibt er nach dem Vortrag des Caecilius bedeut- 
same Winke über den jammervollen Zustand der Redekunst in seiner Zeit. 
Seine Aufgabe löste der Autor mit hohem Sinn. Sein scharfes Auge 
hatte erkannt, dass Frontos Angriff eine Abwehr unbedingt notwendig 
mache. Aber er erkannte zu gleicher Zeit auch den richtigen Weg der 
Abwehr. Fronte und ohne Zweifel die ganze damalige gebildete Gesell- 
schaft sah mit Verachtung auf die Christen als eine ungebildete, rohe 
Masse herab. Wollte man dem Christentum zu Hilfe kommen, so musste 
man vor allem dieses Vorurteil brechen. Minucius Felix lieferte durch 
sein Büchlein den nachhaltigen Beweis, dass auch das Christentum mit 
der Kultur vereinbar sei ; er schöpfte daher aus dem Born der nationalen 
Litteratur und Bildung; besonders ist es Ciceros Schrift über das Wesen 
der Götter, die er fleissig herangezogen hat. Er gebraucht die Philosophie, 
welche auch die Gegner anerkennen müssen, als schneidige Angiiffswaffe ; 
er tritt mit Wärme für den Monotheismus ein, auf dem die Philosophie 
bereits erfolgreich dem Christentum vorgearbeitet hatte. Aber auch die 
Darstellung bekundet die hohe Bildung des Verfassers; er schreibt einen 
lebendigen blühenden Stil, die rhetorischen Kunstmittel sind ihm ge- 
läufig, den urbanen Ton weiss er vortrefflich anzuschlagen, die bunt- 
scheckige alte Lappen sich umhängende Manier der Frontonianer ist seinem 
Griffel fremd, er verabscheut sie und legt gegen sie Protest ein. So kämpft 
unser Autor einen doppelten Kampf gegen Fronte, nicht bloss dem Christen- 
verächter, sondern auch dem archaistischen Schriftsteller tritt er mutig 
entgegen. Welchen Eindruck mag das Schriftchen bei seinem Erscheinen 
gemacht haben? In der heidnischen gebildeten Bevölkerung wird ea 



238 Römische Litteratargefloliichte. H. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilimg. 

sicherlich eine nachhaltige Bewegung hervorgerufen haben. Ob auch 
bei den Christen, ist zweifelhaft. Ihnen war noch nicht die Erkenntnis 
gekommen, dass auch das Christentum des Schmuckes der nationalen Bil- 
dung nicht entbehren könne. Diese Erkenntnis war einer späteren Zeit 
vorbehalten. Dann aber trat dem Autor hinderlich sein Schweigen über 
die christlichen Dogmen in den Weg. Cyprian setzt ein anderes Werk 
{Quod idola dei non sint) an seine Stelle, in dem er ihn zwar benutzt, 
aber auch zugleich durch eine christologische Partie ergänzte. Auch 
Lactanz beklagt {div. inst. 5, 1), dass der Dialog nicht christlich genug 
sei. Tertullian benutzt ihn im Apologeticus, doch nennt er ihn nicht mit 
Namen; vielleicht polemisiert er stillschweigend gegen ihn de praescr. 
haeret. c. 7. Hieronymus nennt ihn mit hoher Achtung {ep. 70, 5). Als 
das Christentum siegreich durchgedrungen war, und die dogmatischen 
Streitigkeiten die Gemüter beherrschten, konnte das Interesse an dem 
Schriftchen nur mehr ein geringes sein; es ist daher kein Wunder, dass 
es sich nur in einer einzigen Handschrift zu uns herübergerettet hat. 
Wir preisen aber dankbar das Geschick, dass es uns diesen Schatz er- 
halten, und freuen uns bei jeder Lektüre des goldenen Büchleins. 

Ueber die Komposition vgl. die Abhandlung von Ebbbt p. 341 (sorgfiütige Glie- 
demng des Stoffes, enge Verknüpfong aller Teile, inniger Zusammenhang der beiden 
Hauptabschnitte), üeber die geschickten Uebergftnge Kühn p. 8 Anm. ; Ober den 
urbanen Ton vgl. KGav p. 6; über die rhetorischen Darstellungsmittel vgl. Kühn 
p. 10. Ueber die Sprache vgl. Babbbns Ausg. p. 1 11 Anm. Ueber die Nachwirkungen 
seiner Lektüre vgl. Bahbens Ausg. p. VIII; Massbbibaü, Eevue de VhisUnre des religions, 
15 (1887) p. 319 u. 322. 

Die Ueberlieferung des Schriftchens beruht auf einer einzigen Handschrift, 
dem Parisinus 1661 s. IX wo es als achtes Buch von Amobius AdveraiM nationes erscheint; 
denn die zweite Handschrift des Minucius, welche sich in der burgundischen Bibliothek 
zu Brüssel befindet, (Bruzellensis s. XVI) ist nur eine Abschrift des Parisinus. 

Ausgaben. Die edUio princeps des Faustus Sabaeus Brixianus erschien Rom 
1543; hier ist der Octavius, wie bereits § 654 erwähnt, noch das achte Buch von Amobina 
In der Ausgabe des Franciscus Balduinus (Heidelberg 1560) wurde zum erstenmal der 
Octavius losgelöst von Amobius mit dem wahren Namen seines Verfassers publiziert. Der 
Ausgabe ist eine wichtige Abhandlung Prolegomena in M. Minueii Felicis Octavium vor- 
ausgeschickt, abgedruckt bei Elmenhobst in der Hamb. Ausg. von 1612 p. 31, Migne {Patroi. 
tom. Ill p. 201) und sonst noch. Es folgten die Auegabe von Fulvius Ursinus (Rom 1583) 
in Verbindung mit Amobius, die von Job. Wowerius (Basel 1603) in Verbindung mit Cj- 

Srian de idolorum vanücUe. Die Ausgabe Elmenhorsts (Hannover 1607) erhielt nur durch 
ie Erläuterungen und die Citate ihren Wert. Hervorragend sind die Editionen des Desi- 
derius Heraldus, mit Tertullians Apologeticus (Paris 1618) und des Nicolaus Rigaltius, mit 
Cyprians Über de idolorum vanitate (Paris 1613). Eine Ausgabe cum notis variorum ist 
die des Jacob Ouzelius (Oisel aus Danzig), der Julii Firmici Matemi de errore profanarum 
religionum beigegeben ist; eine solche auch die von Jacob Qronovius, mit der verbunden 
ist Cyprianus de idolorum vanitate und Firmicus Matemus de errorum profanarum reli- 
gionum (Leyden 1709). Die vollständigen Anmerkungen Rigaults und ausgewählte anderer 
Autoren enthält die Ausgabe von Jo. Davisius (Cambridge 1707, 1711 u. 1712). Joh. Qotd, 
Lindner publizierte den Dialog (mit Cyprian de idolorum vanitate) Langensalza 1760 u. 1773. 
Beigegeben ist die wichtige epistola Jo, Dan, ah Hoven ad Gerh. Meermann, worin die 
Priorität des Minucius vor Tertullian zum erstemal nachgewiesen ist (2. Ausg. p. 261). Für 
die Kritik ist einschneidend der III. Excursus (2. Ausg. p. 317), worin die Umstellung von 
22, 8 Saturnum — 23, 6 acimus nach 21, 4 gentem verlangt wird. Neuere Ausgaben: 
von MuBALT, Zürich 1836. Im wesentlichen Abdruck der Pariser Handschrift; Miobb (vgl. 
oben); J. H. B. Lübkebt (Leipz. 1836) mit deutschen Noten und einer Uebersetzung; H. A. 
HoLDXN, Cambridge 1853 mit englischen Noten, beigegeben Cyprian de idolorum vanitate. 
Grundlegend Halm (mit Julii Firmici Matemi de errore profanarum religionum) Wien 
1867 (Wiener Corpus Script, eccles. laf, vol. II). Handausgaben mit krit. Noten von J. J. 



Der rOmiBohe Papst Victor I. 239 

CoRNKLissEN Leyden 1882, E. Bahreks Leipz. 1886 (durch willkürliche Konjekturen ent^ 
stellt). Lat. Text mit Uebersetzung von B. Dombart (2. Ausg. Erlang. 1881). 

Deutsche Uebersetzungon von dem bekannten Fabeldichter Magnus Gottfb. 
LioHTWER (Berl. 1763); J. Q. Russwurm (Ratzeburger Schulprogramm, Uamb. 1824); LCbkrrt 
(vgl. Ausg. p. 165); J. Allkkbr (Trier 1865); A. Bieringer (Kempten 1871 Biblioth. des 
Kirchenver.), Dombart (vgl. Ausg.); H. Hagen, Bern 1890. 

2. Der römische Papst Victor I. 189—199. 

668. Die Schriftstellerei Victors. Nach den Zeugnissen des Hie- 
ronymus hätten wir als ersten christlichen Schriftsteller, der in latei- 
nischer Sprache schrieb, den römischen Bischof Victor I. zu betrachten. 
Diese Angabe kann nur dann richtig sein, wenn wir an spezifisch-christ- 
liche Schriftsteller denken und Minucius Felix daher ausschliessen. Dieser 
Victor spielte eine hervorragende Rolle in dem bekannten Osterstreit, in 
dem es sich darum handelte, ob das Osterfest mit den Juden am 14. Nisan 
oder am darauffolgenden Sonntag zu feiern sei. Die Anhänger der ersten 
Ansicht, die man Quartodecimaner nannte, waren besonders in Asien 
stark verbreitet. Sie stützten sich auf den Apostel Johannes, während 
die Antiquartodecimaner sich auf Paulus berufen konnten. Schon zwischen 
dem Papst Anicet und Polykarp wurde über die Frage verhandelt, ohne 
dass es dabei zu einer ernstlichen Trennung kam. Viel heftiger wurde 
der Kampf, als der Quartodecimaner Blastus in Rom auftrat. Nun griff 
auch Victor in den Streit ein und zwar suchte er die Sache der Anti- 
quartodecimaner zum Siege zu führen. Wir entdecken in diesem Vor- 
gehen schon die Spuren der sich regenden päpstlichen Gewalt. Er ver- 
anlasste die Abhaltung von Synoden über die Streitfrage; sie sprachen 
sich gegen die Quartodecimaner aus, aber die kleinasiatische Synode unter 
dem Bischof Polykrates hielt an dem 14. Nisan fest. Da schloss Victor 
die kleinasiatische Gemeinde von der Kirchengemeinschaft aus. Allein 
dieser Schritt fand nicht die Billigung der anderen Bischöfe; besonders 
der berühmte Bischof von Lyon Irenaeus sprach sich dagegen aus. 

Wir mussten ausführlicher auf diesen Osterstreit eingehen, weil von 
demselben die Entscheidung über die Schriftstellerei Victors abhängt. Der 
Papst hatte nämlich in der Angelegenheit mindestens drei Schreiben er- 
lassen; es fragt sich daher, ob sich die Angaben des Hieronymus über 
den Schriftsteller Victor etwa nur auf diese Hirtenschreiben be- 
ziehen und Hieronymus sein ganzes Wissen aus Eusebius hat. Allein 
eine genauere Betrachtung zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Hieronymus 
gibt Notizen, die nicht aus Eusebius geflossen sein können und die eigenes 
Wissen voraussetzen. Hieronymus schreibt ihm Traktate „de religione" 
zu, die zu seiner Zeit noch vorhanden waren. Der Versuch Harnacks, 
die Schrift adversus aleatores unserem Victor zu vindizieren, ist miss- 
glückt. 

Zeugnisse Aber Victor. Hieron. de vir. ill. c. 34 Victor, tertius deeimus Romae urbis 
epise&pua, super quaesHone paachae, et alia quaedam scribens opusctda rexit ecclesiam sub 
Severe principe annie decetn; c. 53 TertuUiantis preabyter nunc demum pritnus post Victorem 
et Apoüanium Latinorum panitur, Chron. 11 175 Seh. Ramae episcopatum euseipit tertius 
deeimus Victor ann, X, euius mediocria de religione extant volumina (was auf die Be- 
thfttigung Victors am Osterstreit bezogen wissen will Langen, Gesch. der rOm. Kirche bis 
Leo I. p. 187, 1). Chron. II 177 Seh. quaestione orta in Asia inter episcopos, an secundum 



240 Bömisohe Litteratargesohiohie. II. Die Zeit der Monarchie* 2. Abieilnag. 

legem Moysi XIV mensis pascha observandum esset, Victor Romae urbis episeopus et Nar- 
cisst4S Hierosölymarum, Pölycrates quaque et Hireneus et Bacchylus plurimique eccU- 
siarum pastares, quid eis probabile fuerit, litteris ediderunt, quarum memoria ad nos usque 
perdurat. üeber diese Stellen vgl. die Erörtening Harnaoks (der pseudocyprianieche Traktat 
de aleatoribus p. 120), der genauer untersucht, ob Hieronymus nur aus Jßusebius 8oh5pft, 
oder auf eigenem Wissen fusst. Er gelangt zu dem sicheren Resultat, dasa Hieronymus 
Über die Schriftstellerei Victors eigene Kunde hat. Vgl. v. Syohowski, Hieronymus als 
Litterarhistoriker (Münster 1S94) p. 122. 

Ueber die Briefe Victors im Osterstreit gibt uns Eusebius Aufschluss (h. e. 
V 23 fg.). Den Inhalt dreier Briefe stellt fest Habnaok, Gesch. der altchristl. Lit. I 595. 

üeber die Bedeutung Victors für die Entwicklung der päpstlichen 
Gewalt vgl. die Bemerkungen Habnacks 1. c, dann Lakobn, Geschichte der rüm. Kirche 
bis zum Pontifikat Leos, Bonn 1881 p. 188. 

3. Quintus Septimius Florens Tertullianus. 

669. Biographisches. Septimius Tertullianus oder wie er mit vollerem 
Namen in der Überlieferung genannt wird, Quintus Septimius Florens 
Tertullianus, ist ein Afrikaner, und zwar ist Karthago seine Heimat J) 
Sein Vater war nach dem Zeugnis des Hieronymus Centurio. Dass Ter- 
tuUian als Heide geboren wurde, wissen wir aus seinem eigenen Zeug- 
nis.') Aber sein Geburtsjahr ist uns nicht bekannt; man nimmt gewöhn- 
lich an, dass er um 160 das Licht der Welt erblickte. Über seine Aus- 
bildung fehlt uns ein direkter Bericht, wir müssen sie aus seinen Schriften 
abstrahieren. Diese lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass er den 
Unterricht erhalten, wie er der vornehmen Jugend in jener Zeit zu Teil wurde. 
Besonders ist es die rhetorische und juristische Bildung, welche in seinen 
Schriften mehrfach zu Tage tritt. Dass er auch die Hauptstadt des Welt- 
reichs Rom kannte, bezeugt er uns selbst.^) Aber näheres ist uns über 
diesen Aufenthalt nicht bekannt, nur die Kombination kann hier ein- 
greifen. Auch über seinen Beruf steht uns nur ein nicht völlig klares 
Zeugnis des Eusebius zu Gebote; danach müssten wir schliessen, dass er 
Sachwalter war. Aus seinem Familienleben ist uns bekannt, dass seine 
Frau eine Christin war. Wann und wo er zum Christentum übertrat, 
wissen wir nicht. Auch über die Motive, welche zu diesem Über- 
tritt führten, hat er sich in seinen Werken nicht näher ausgesprochen. 
Bei solchen leidenschaftlichen Naturen wie TertulUan eine war, ent- 
scheidet oft ein plötzlicher Impuls. Das Leben hatte er genossen,^) viel- 
leicht mag das eine Extrem zum andern geführt haben. Als Christ er- 
langte er das Presbyterat, jedenfalls an der karthagischen Kirche. Sein 
umfassendes Wirken im Dienste des Christentums werden wir aus der 
Darstellung seiner Schriftstellerei kennen lernen. So erreichte er im 
eifrigen Schaffen die Mittagshöhe des Lebens. Da trat eine entscheidende 
Wendung ein; er trennte sich von der Grosskirche und trat zum Mon- 
tanismus über. Für seine Schriftstellerei war dieser Übertritt von der 
grössten Bedeutung; denn er musste jetzt die Kirche bekämpfen, für 
die er früher seine rührige Feder geführt hatte. Sein Kampfesmut 
hielt an bis zum hohen Greisenalter, das er, wie Hieronymus berichtet, 



*) Apol. c. 9. Hieronymus. 
*) De poen, 1 Apolog. 18. 
*) de cultu fem, 1, 7 gemmarum nohili^ 
tatem ridimus Romae. 



*) de resurr, carn. 59 ego me scio neque 
alia carne adüUeria commisisse neque nunc 
aXia carne ad continentiam eniti. 



Qnintn« Septimiita Floren« Tertnllianna. 241 

erreichte. Das Jahr seines Todes ist uns so wenig bekannt, als das Jahr 
seiner Geburt. Aber fUr die Litteraturgeschichte sind diese Data nicht 
so wichtig; fest steht, dass seine Blüte in die Zeit des Septimius Severus 
und Antoninus Caracalla fällt. 

Zeugnisse. Hieron^. de vir. iUustr, 53 Tertuüianus preshfter nunc demum primus 
po8t Victarem et ÄpcUonium Latinarum ponitur, pravinciae Africae, ctpitatis Cartha- 
giniensia, patre centurione proconsulari. Hie acris et vehementia ingenii aub Severe prin- 
cipe et Antonino Caracalla maxime floruit muUaque acripsU volumina — . hie usque ad mediam 
aetatem preshyter fuit eceUsiae, invidia postea et contumeliis clericorum Romanae ecclesiae 
ad Montani dogma delapaua in muUis libria novae prophetiae meminit — ferturaue vixisse 
uague ad decrepitam aetatem, Euseb. hist. eccl. 2, 2, 4 TeQTvXXiavog, tovs ytofAttitoy vofiovg 
i^xQißtaxfog ayiJQ, ja re aXXa iy&o^og xai x(6y ftähaza ini 'Ptofiijg XttfAnqtSy (über diese 
Worte vgl. Habvacx, Texte und Unters. VIII. Bd. 4. H. p. 4). 

Ueber seinen Namen vgl. Robnsoh, Das neue Testament Tertullians p. 4; bezüglich 
des Standes seines Vaters {centurio proconsularis) regt Zweifel an Dessau, Hermes 
15 (1880) 478; Über den Aufenthalt in Rom, den er de cuHu 1, 7 bezeugt, vgl. Hbssbl- 
BBKO, Tert Lehre 1, 24 (dagegen Haück p. 6); Lipsius, Jahrb. für deutsche Theol. 13 (1868) 
p. 714. 

Ueber den Juristen Tertnllian vgl. § 620 p. 182. Die Identität desselben mit dem 
Kirchenvater ist nicht sicher zu erweisen. Aber dass der Kirchenvater juristische Bildung 
besessen, ist zweifellos. Vgl. Momxsbn, Hist. Zeitschr. 64 (28) Jahrg. 1890 p. 396 Anm. 1. 

Allgemeine Litteratur über Tertullian: Nbandbb Antionostikus, Geist des 
Tertullianus und Einleitung in dessen Schriften, 2. Aufl., Berlin 1849; Hessblbbbo, Ter- 
tullians Lehre aus seinen Schriften entwickelt, 1. Grundleg. Teil, Leben und Schriften, 
Dornst 1848; Gbotkmbtbb, Ueber Tertullians Leben und Schriften, I. T., Kempen 1863, 
If. T. 1865; BoBHBnroKB, Die Kirche Christi und ihre Zeugen (3. Bd., Tertullian, 1873); 
Hauck, Tertullians Leben und Schriften, Erlangen 1877; Nobldbohbn, Tertullian, Gotha 
1890; Ebbbt, Gesch. der christl.lat. Lit. p. 33. 

660. Anordnung der Schriften Tertullians. Unser Autor gehört 
zu den fruchtbarsten Schriftstellern. Ein grosser Teil seiner Schriften ist 
uns erhalten, nicht wenige sind uns aber auch verloren gegangen. Unsere 
erste Aufgabe wird daher sein, festzustellen, welche Schriften überhaupt 
Tertullian geschrieben. Leider ist uns kein Verzeichnis der Schriften 
Tertullians aus dem Altertum erhalten; einigen Ersatz bietet der dem 
codex Agobardinus vorausgeschickte Index. Die verlorenen Werke Ter- 
tullians müssen daher aus verschiedenen Quellen ermittelt werden. Damit 
diese verschiedenen QueUen deutlich in die Erscheinung treten, reihen wir 
nicht die verlorenen Schriften in die erhaltenen ein, sondern behandeln 
sie für sich. Eine schwierige Frage ist es, in welcher Ordnung die er- 
haltenen Werke vorgeführt werden sollen. Es stehen uns zwei Wege 
offen, die Anordnung nach der Zeitfolge und die Anordnung nach der 
Verwandtschaft des Inhalts. Am förderlichsten würde sicherlich die 
chronologische Reihenfolge sein. Allein sie ist für uns nicht durch- 
führbar; denn feste chronologische Indicien fehlen in den meisten Schriften 
Tertullians, so dass die chronologische Anordnung nur in dem Rahmen 
einer ausführlichen Darstellung erfolgen kann; eine solche ist aber hier 
ausgeschlossen. Wir haben daher einen Mittelweg eingeschlagen. 
Wir scheiden zuerst zeitlich die Schriften Tertullians in zwei grosse 
Klassen, in die, welche er vor seinem Übertritt zum Montanismus ver- 
fasste, und in die, welche er als Montanist schrieb. Innerhalb dieser 
beiden grossen Abteilungen unterscheiden wir nach dem Inhalt drei 
Gruppen, wie sie Neander angenommen hat. Die erste Gruppe soll die 
Schriften umfassen, welche das Verhältnis des Christentums zum Heiden- 

Bndbaöli der kUn. Altertumswissenschafk. Vm. S. TeU, 16 



242 Bömische Litteratnrgescliichie. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

tum zur Grundlage haben, also vorwiegend apologetische Zwecke ver- 
folgen; die zweite Gruppe die Schriften, welche sich auf das christliche 
Leben beziehen; endlich die dritte Gruppe die Schriften dogmatisch- 
polemischen Charakters. Innerhalb der Gruppen werden wir, soweit dies 
nur immer möglich ist, die einzelnen Werke chronologisch anordnen. 
Auch sollen bei den einzelnen Schriften die chronologischen Indicien mit- 
geteilt werden. 

Separatscbriften über die Chronologie der Schriften Tertullians. 
Ausser den allgemeinen oben erwähnten Schriften Ober T. behandeln die Chronologie: 
NössKLT, De Vera aetaie et doctrina acriptorum Tert., in Oeblers Ausgabe des Tertnllian 
3, 540; Uhlhorn, Fundamenta chtonologiae Tertuilianeae, Gott 1852; Bokwbtsgh, Die 
Schriften Tertullians nach der Zeit ihrer Abfassung, Bonn 1878 (Hauptschrift); Nobl- 
DBCHBN, Die Abfassungszeit der Schriften Tertullians, Leipz. (1888) in den Gbbhabdt- und 
HABNACK'schen Texten und Untersuch., V. Bd.; Ebllnbb, Theol. (juartalschr. 52 (1870) 
p. 547; 58 (1871) p. 585; Katholik 59 (1879) 2, p. 561; Chronologiae Tertidlianeae sup- 
plementa, Bonn 1890. 

A. VormontaniBtiache Werke. 

a) Antinationale Schriften. 

661. Übersicht. Die Schriften, die wir als antinationale be- 
zeichnen, sind die, welche gegen das römische Wesen, besonders gegen 
die religiösen Vorstellungen sich wenden. Je nachdem sich die Schriften 
an die Heiden selbst oder an die Christen wenden, bekommen wir zwei 
Qruppen. Zur ersten Oruppe, deren Charakter ein apologetischer ist, 
gehören erstens die zwei Bücher an die Völker; zweitens das 
Memorandum an die Statthalter des römischen Reiches. 
Der Stoff ist zum grossen Teil in beiden Produkten derselbe, aber die 
Behandlung wird durch den verschiedenen Zweck, den jedes verfolgt, eine 
verschiedene. Allgemeiner Natur ist die Abhandlung über das Zeugnis 
der Seele; auch sie ist eine Verteidi^ng gewisser Grundwahrheiten des 
Christentums, aus den unwillkürlichen Äusserungen des Lebens gewonnen. 
Den Übergang zu der zweiten Gruppe bildet das Schriftchen an die Be- 
kenn er, ein Trost- und Ermunterungsschriftchen für die, welche wegen 
ihres Glaubens eingekerkert sind. Die übrigen Werke der Gruppe 
haben zum Ziel, den Christen völlig von der heidnischen Welt loszulösen. 
Die Schrift „über die Schauspiele** will den Christen von dem Besuch 
der Spiele zurückhalten, die Abhandlung „über den Götzendienst '^ 
verpönt alle Thätigkeit, welche irgendwie mit dem heidnischen Kultus im 
Zusammenhang steht; endlich die Broschüre über den Frauenputz (in 
doppelter Bearbeitung), die eine Scheidung der heidnischen und christ- 
lichen Frauen durch Femhaltung des Schmuckes bei den letzteren herbei- 
führen will. 

Ueher TertuUian als Apologeten vgl. Jeep, Jahrh. für deutsche Theologie IX 
(1864) 649; Hefele, Beitr. z. Eirchengesch., TQb. 1864, I p. 87. 

662. Ad nationes. Die Schrift an die Heiden zerfällt in zwei 
Bücher. Das erste Buch beginnt mit dem Vorwurf gegen die Heiden, 
dass sie das Christentum nicht kennen und es auch nicht kennen wollen. 
Daran reiht sich die Klage, dass gegen die Christen nicht einmal die 
sonst üblichen Rechtsnormen eingehalten werden und hier ganz anders 
als bei anderen Angeklagten verfahren wird. Der christliche Name allein 
genügt für den Hass, derselbe allein wird bestraft. Die Heiden wenden 



Quinta« Septimins Florens TertnllianiiB. 243 

ein, dass die Sekte wegen ihres Stifters bestraft werde. Allein sie kennen 
auch den Stifter des Christentums nicht. Sie wollen überhaupt mit den 
Christen nichts zu schaffen haben. Wenn die Heiden auf schlechte 
Christen hinweisen, so besagt ein solcher Vorwurf nichts gegen das 
Christentum, die schlechten Christen sind eben keine wahren Christen. 
Weiterhin rekurrieren die Heiden auf die Gesetze, indem sie sagen, dass 
die Gesetzgeber nicht Strafen auf das Christentum setzten, wenn nicht 
dasselbe eine Schuld in sich schliessen würde. Allein dann begreift man 
nicht, warum nicht die Richter dasselbe Verfahren wie bei anderen An- 
geklagten einhalten und in jedem Fall die Fakta feststellen. Diese gegen 
die Christen erlassenen Gesetze sind ungerecht. Auch die über die Christen 
umlaufenden Gerüchte führen die Heiden für sich als beweisend an, dass 
die Christen Verbrechen begehen. Allein das Wesen des Gerüchtes ist das 
Unsichere. Jene Gerüchte sind unwahr, denn in der langen Zeit, die von 
der Gründung des Christentums verfloss, konnten sie nicht bewiesen 
werden. Sie sind einfach unmöglich. Man nannte die Christen das dritte 
Geschlecht neben den Römern und Juden. TertuUian lacht darüber. Ein 
beliebter Vorwurf, der gegen die Christen geschleudert wurde, war, dass 
sie an den Schicksalsschlägen, welche das römische Reich betroffen, schuld 
seien, da sie die Götter verachten. Allein auch vor dem Christentum gab 
es schon genug Elend. 

Bisher hielt sich die Apologie in der Defensive ; jetzt geht der Autor 
zum Angriff über, indem er nachweisen will, dass die Verbrechen, welche 
die Heiden den Christen andichten, vielmehr bei ihnen selbst zu finden 
sind. Er behandelt zuerst den Vorwurf des Abfalls von den nationalen 
Sitten und Gebräuchen und entgegnet, dass ja auf allen Gebieten des 
Lebens das Alte von den Römern über Bord geworfen worden sei. Be- 
sonders das Verhalten der Nichtchristen gegen die Götter gibt dem Autor 
ein Recht, jenen Vorwurf gegen die Christen zurückzuschleudern. 

Die Heiden dichten den Christen eine Eselsgottheit an; allein sie 
haben ja Gottheiten von allen Tieren hergenommen. Auch die Vorwürfe, 
dass die Christen das Ereuz, die Sonne, ein Wesen, das halb Mensch, 
halb Gott ist, anbeten, können zurückgegeben werden. Die Christen werden 
als Kindermörder und Blutschänder verdächtigt. Auch hier haben die 
Heiden allen Anlass zuerst vor ihrer eigenen Thür zu kehren. Tertullian 
erinnert an die Aussetzung der Kinder und an das blutschänderische Treiben 
der Perser und Macedonier, an den Zufall, der bei ausgesetzten Kindern 
spielen kann, und der, wie ein Vorkommnis der jüngsten Zeit beweist, 
auch wirklich gespielt hat. Wenn endlich die Christen der Unehrerbietig- 
keit gegen die kaiserliche Majestät beschuldigt werden, so ist es dem 
Apologeten ein Leichtes, auch diesen Vorwurf auf die Verläumder zurück- 
zuschleudern; mit einigen Strichen weist er auf Ereignisse der jüngsten 
Vergangenheit hin und hebt hervor, wie sich überall die ünehrerbietig- 
keit gegen den Kaiser äussert. Am merkwürdigsten findet Tertullian, 
dass den Christen ihre Standhaftigkeit bei dem Martyrium vorgerückt 
wird, während diese Tugend doch sonst so gepriesen, und auch jetzt noch 
das Leben in die Schanze geschlagen wird. Der letzte Punkt ist der 

16* 



244 Römische Litteratnrgesohiohte. n. Die Zeit der Xonarchie. 2. Abteilung. 

Glaube der Christen an die Auferstehung. Tertullian hält denen, die daran 
Anstoss nehmen, die Lehre von der Seelenwanderung und die Totenrichter 
Minos und Rhadamanthys vor. 

Der Autor ist mit der Vergleichung der Christen und Heiden zu 
Ende; er kann jetzt höhnisch den Heiden zurufen, den Christen die Hand 
zu reichen, denn sie tragen die gleiche Schuld. Zum Schluss wird der 
Verfasser wieder ernst; mit einer eindringlichen Mahnung an die Heiden 
schliesst das Buch. 

Das erste Buch hatte vorwiegend einen apologetischen Charakter, Ter- 
tullian wollte hier das Christentum rechtfertigen. Das zweite Buch dagegen 
ergreift die Offensive, es will den Götterglauben zerstören, um damit dem 
Christentum den Boden zu ebnen. Tertullian muss sich daher nach einer 
Quelle umsehen, in der die heidnischen Vorstellungen von der Gottheit wissen- 
schaftlich dargelegt sind. Er wählt zu diesem Zweck „die Altertümer" 
von Varro, deren zweiter Teil die göttlichen Dinge umfasst. Für die 
Rekonstruktion dieses verlorenen Werkes leistet uns daher das zweite 
Buch wichtige Dienste. Varro hatte in seiner schematischen Weise die 
Vorstellungen vom göttlichen Wesen auf drei Quellen zurückgeführt, auf 
die Philosophen, auf die Dichter, auf die Staaten, und unterscheidet dem- 
gemäss physische, mythische und nationale Gottheiten. Die ersten be- 
ruhen auf der Spekulation, die zweiten auf dem Mythus, die dritten end- 
lich auf Satzung. Allein, wendet Tertullian ein, die Spekulation ist un- 
sicher, der Mythus der Gottheit unwürdig, die Satzung willkürlich und 
nicht allgemein. Aus diesen Quellen können wir also in keiner Weise 
eine richtige Anschauung von Gott erhalten. Nach dieser allgemeinen 
Zurückweisung geht der Apologet nun im einzelnen auf die drei Arten 
der Götter ein und bestreitet am ausführlichsten die physischen Götter 
der Philosophen. Besonders wendet er sich gegen die, welche die 
Gottheit in den Elementen suchen, und kommt zu dem Schluss, dass die 
Elemente nur die dienenden Werkzeuge in der Hand eines höchsten 
Wesens sind. Tiefer als die philosophische Theologie steht die mythische; 
denn diese macht die verstorbenen Menschen zu Gröttem. Das Schlimme 
dabei ist, dass nicht einmal die ausgezeichneten Menschen vergöttert 
werden, sondern solche, die nicht einmal als Menschen waren, was sie 
hätten sein sollen. Auch die nationalen Götter widerstreiten dem gött- 
lichen Wesen; denn dieses ist universell, der Volksgott ist particulär. 
Wie soll man einen Gott verehren, den nicht selten nur eine Stadt kennt! 
Dann welche Verschiedenheiten dieser Gottheiten? Nach dieser allge- 
meinen Bestreitung der heidnischen Götter geht er zu den römischen Gott- 
heiten über. Die grosse römische Machtstellung, die auch das geistige 
Leben beeinflusst, macht ein näheres Eingehen auf die römische Theo- 
logie notwendig. Auch hier bot Varro das Material. In der Gliederung 
des Stoffes dagegen verlässt er seinen Führer ; dieser hatte die römischen 
Götter in certi, incerti und selecti eingeteilt. Über die di incerti und die 
di selecti spottet Tertullian; er zieht eine andere auch von Varro berührte 
Einteilung vor, in Götter, welche die Römer mit allen Völkern gemeinsam 
haben und in solche, welche spezifisch römisch sind, er will zunächst nur 



Qaintos Septimias Florens Tertnllianns. 245 

von den letzteren reden. Selbstverständlich spricht er sehr geringschätzig 
über sie, besonders über die vergötterte Hure Larentia. Auch die vielen 
römischen Gottheiten, welche sich die römische Abstraktion geschaffen, 
werden mit Hohn überschüttet; ein langes Verzeichnis dieser schatten- 
haften Gottheiten wird gegeben. Es folgt die Kritik der gemeinschaft- 
lichen Götter; der Vorgang ist hier der, dass Rom fremde Gottheiten auf- 
genommen hat; es sind im wesentlichen die griechischen Gottheiten. Er 
nennt die älteste Gottheit, den Saturn, und behauptet, dieser sei ein 
Mensch gewesen; mit Berufung auf alte Autoren erzählt er seine Ge- 
schichte. Saturns Eltern können daher nicht der Himmel und die Erde ge- 
wesen sein. Seine Nachkonmien müssen selbstverständlich auch Menschen ge- 
wesen sein. Dass aber Menschen nach ihrem Tode Götter geworden sind, 
ist unmöglich. Selbst wenn man diese Vergötterung als ein Verdienst für 
ruhmvolles Wirken ansehen wollte, stösst man auf Schwierigkeiten, denn 
von diesen sogenannten Göttern werden sehr schlimme Dinge berichtet. 
Der letzte Gang, den der erbitterte Kämpfer unternimmt, ist gegen den 
Glauben gerichtet, dass die Römer darum so gross und mächtig ge- 
worden seien, weil sie so fest an ihrem Götterglauben gehangen seien. Er 
schliesst mit der Aufforderung, den zu suchen, welcher über den Na- 
tionen waltet und die Herrschaft über die Welt jetzt den Römern ver- 
liehen hat. 

Die Disposition des Werks. Im ersten Buch weist er c. 1—9 die Vorwürfe 
zurück, die gegen das Christentum erhoben werden. Mit c. 10 erklärt er, alle diese Vor- 
würfe den Heiden zurückgeben zu können {nunc vero eadem ipsa [tela] de nostro corpore 
vulsa in vos retorquebo, eadem vulnera criminum in vobis defossa manstrabo). Das zweite 
Buch zerflült auch in zwei Hälften, die erste (c. 1 — 8) erörtert nach der Dreiteilung Varros 
die physischen, die mythischen und die nationalen Götter im aUgemeinen und weist sie 
zurück. Die zweite Hälfte beschäftigt sich speziell mit den römischen Gottheiten und 
zwar zuerst mit den spezifisch römischen, dann (von c. 12 an) mit denen, welche die 
Römer mit andern Völkern, d. h. vorwiegend mit den Griechen gemeinsam haben. 

Die Quellen. Die Hauptquelle des zweiten Buchs bilden Varros antiquitatea und zwar 
der zweite Teil, res divin(ie. Aus diesem Werk hatte sich TertuUian einen Auszug gemacht. 
2, 1 elegi ad compendium Varronis opera, qui rerum divinarum ex amnibus retro digestis 
commentatus idoneum se nobis seopum expoauit, 2, 9 haec secundum tripertitam dispoHtionem 
Varrania divinitatis aut notiora aut imigniora digessimus. Von diesem Werk konnten 
folgende Bücher Material liefern, das Einleitungsbuch, das über die Religion im allge- 
meinen handelte, dann die drei Schlussbücher 14, 15, 16, welche über die di certi, über 
die di incerti und über die di praecipui ac aelecti handelten. Vgl. Schmekbl, Die Philoso- 
phie der mittleren Stoa, Berlin 1892 p. 113, p. 120. 

Verhältnis der Schrift ad naiiones zum Apologeticus. Beide Schriften 
sind gleichzeitig, aber ad nationea ist früher geschrieben, denn er kündigt hier den Apo- 
logeticus an. Die Hauptstelle ist 1, 10: effundite iam omnia venena, omnia calumniae tela 
infligite huic nomini, non ceasabo ultra repellere, at fostmodum obtundentur exposUione 
totius nostrae disciplinae. Das postmodum schliesst jede Beziehung des Futur in dem 
Sinn wie wir es kennen gelernt haben auf ein schon fertiges Werk aus. Diese disciplina 
(vgl. über den Begriff Ovbrbbck, Zur Geschichte des Kanons p. 126) ist besonders c. 39 
des Apolog. dargestellt. 1, 3 adeo ut de nomine inimico recedatur, ideo negare conpellimur, 
dehinc negantes liberamur, tota impunitate praeteritorum, iam non cruenti neque incesti, 
quia nomen illud amisimus; sed dum haec ratio suo loco ostenditur, voa quam in- 
sequimini ad expugnationem nominia, edite; vgl. Apol. c. 2 (c. 27). 1,15 voa^ ai de memoria abierunt 
quae caede hominia quaeque infanticidiia tranaegiaae recogniacimini, recognoacetia auo 
ordine; nunc enim differimuapleraque, ne eadem videamur ubique retraetare; 
vgl. Apol. c. 9. 2, 7 dtlibanda enim nunc eat apeciea iata {mythicum genua deorum), cuiuaauo 
loco ratio reddetur; vgl. Apol. 22 und 23. 1, 7 ad utramque cauaam mortuarum reaur- 
rectio praedicatur . viderimua de fide iatorum, dum auo loco digeruntur; interim credite 
quemadmodum noa; vgl. Apol. c. 49. Diesen S^ugnissen gegenüber ist die Meinung derer 



246 Römische Litteratnrgesohiolite. II. Die Zeit der Monarchie. 2. ▲bteiliing. 

nicht stichhaltig, welche den Apol. früher ansetzen, wie die Hesselbbbos (vgl. dagegen 
Hauck p. 57), Ebbbts (Gesch. der ohristl. Litterator p. 41) und Gbotbhbtebs (Ueber Ter- 
tuUian, Kempen 1863). 

Interessant ist es zu verfolgen, wie T. im Apologeticus den Text der libri ad nationes 
modifiziert und korrigiert. Vgl. Haück p. 72 und die lehrreiche Zusammenstellung bei 
Habtbl, Patrist. Studien II 16; Nobldecbbn, Die Abfassungszeit p. 26. 

Die Zeit der Abfassung. Die Bflcher ad nationes sind vor dem Apologeticus 
geschrieben, den wir der zweiten Hälfte des Jahres 197 zuweisen werden. Aber ans den 
angeführten Stellen ersieht man, dass Tert., alaer ad nationes schrieb, sich bereite mit dem 
Gedanken an den Apologeticus trug. Dass die libri ad nationes nicht etwa lange vor dem 
Apologeticus anzusehen sind, zeigt 1, 17 adhuc Syriae eadaverum odortbus spirant, adhuc 
Oalliae Rhodano suo non lavant; denn hier haben wir eine Anspielung auf die Schlacht 
bei Lugdnnum (197). 

663. Apologeticus« Die Schrift wendet sich an die Provinzialstatt- 
halter, denen das Urteil in den Christenprozessen zusteht. Da eine münd- 
liche Verteidigung des Christentums vor Gericht nicht gestattet ist, so 
soll wenigstens die stumme Schrift zur Kenntnis der Statthalter gelangen. 
Der Hauptbeschwerdepunkt, den die Christen erheben, ist der, dass sie 
ungekannt verurteilt werden. Es genügt der Christenname allein zu einer 
Verurteilung ; eine Untersuchung, ob der Angeklagte auch die Verbrechen 
begangen, welche man den Christen gewöhnlich zur Last legt, findet nicht 
statt. Die Christen werden daher in dem Strafprozess ganz anders be- 
handelt als die anderen Angeklagten. Die Folter wird bei jenen von dem 
Richter angewendet, nicht um ein Geständnis herauszupressen, sondern 
um einen Widerruf des Christentums zu erzwingen. Beruft man sich auf 
die Gesetze, welche das Christentum einfach verbieten,^) so ist zu ent- 
gegnen, dass auch das Gesetz als Menschenwerk ungerecht und verfehlt 
sein kann. Warum werden denn fort und fort alte Gesetze durch neue 
ersetzt! Dass aber die Gesetze gegen die Christen unvernünftig sind, 
erhellt schon aus dem widersinnigen Prozessverfahren, das gegen sie zur 
Anwendung kommt. Auch waren es schlechte und grausame Kaiser, 
welche die Christen mit ihren Gesetzen verfolgten. 

Nach dieser Einleitung nimmt die Apologie die gegen die Christen 
erhobenen Anschuldigungen vor, um sie zu widerlegen, und zwar zuerst 
die sogenannten geheimen Verbrechen. Es sind dies Kindermord, Thye- 
stisches Mahl und Inzest. Allein diese Anschuldigungen beruhen auf 
leeren Gerüchten, noch niemals sind dieselben durch Thatsachen fest- 
gestellt worden. Bei den Heiden kommen allerdings solche Dinge vor. 
Doch diese Vorwürfe konnten natürlich nicht das Fundament für ein Vor- 
gehen gegen die Christen abgeben; Tertullian macht daher dieselben kurz 
ab. Um so wichtiger waren die sogenannten offenkundigen Verbrechen 
der Christen, welche erst das gesetzUche Einschreiten gegen sie möglich 
machten; es waren dies die Anschuldigungen, dass die Christen die 
vaterländische Religion und den Kaiser missachten. Die Wider- 
legung dieser Vorwürfe bildet den Schwerpunkt der ganzen Apologie. 
Was den ersten Punkt anlangt, so gibt Tertullian zu, dass die Christen 
die heidnischen Götter nicht verehren; allein sie thun dies mit Recht, 
denn diese heidnischen Götter sind keine wahren Götter; selbst die Be- 



c. 4 non licet esse vos. 



Qnintaa Septimioa Floren« Tertnllianoa. 247 

handlung derselben von selten ihrer Bekenner zeigt dies; die unwürdigen 
Vorstellungen, welche in der Litteratur über die Oötter und ihr Treiben 
verbreitet werden, sind mit dem göttlichen Wesen nicht in Einklang zu 
bringen. Naturgemäss stellt Tertullian dem Qottesbegriif der Heiden den 
christlichen gegenüber; zuvor muss er aber den verkehrten Vorstellungen, 
die über denselben im Umlauf sind, entgegentreten. Die Christen ver- 
ehren nur einen Gott, welcher Schöpfer des Himmels und der Erde ist, 
und der sich uns durch die hl. Schrift geoffenbart hat. Nachdem sich 
der Apologet über das hohe Alter und die Erhabenheit der Schrift ver- 
breitet hat, zeichnet er mit einigen Strichen das Walten der Gottheit, die 
Menschwerdung, Geburt, Leiden, Sterben und Auferstehung. Von der 
Gottheit sind zu trennen die Dämonen, die das Christentum ebenfalls an- 
nimmt. Tertullian spricht den Satz aus, dass die Dämonen mit den heid- 
nischen Göttern zusammenfallen, und sucht denselben zu erweisen. Nach 
dieser Erörterung kann er das Resultat ziehen, dass, da die heidnischen 
Götter keine wahren Götter sind, die Christen nicht gezwungen werden 
können, sie zu verehren. Der Glaube, dass die Götter es waren, welche 
den Römern die Weltherrschaft verliehen haben, ist ein irriger, der eine 
Gott allein ist der Lenker des Alls. Die Schutzschrift geht zu dem in 
den Augen der Römer noch verdammungswürdigeren Verbrechen der laesa 
tnaiestaa über. Auch hier gibt Tertullian zu, dass ein Christ nicht für 
den Kaiser den Göttern opfern könne. Allein dies ist leicht begreiflich, 
denn die Götter sind ja nichts ; dagegen bezeugen die Christen in anderer 
Weise ihre Ehrfurcht für den Kaiser, indem sie für ihn, dem Gebot der 
Schrift gemäss, beten. Auch wenn sie den Kaiser nicht als göttliches 
Wesen verehren können, so lieben sie ihn doch und erklären sich sogar 
bereit, bei dem Wohl des Kaisers zu schwören; sie wünschen auch den 
Bestand des römischen Reichs. In dieser Weise bethätigen sie ihren 
Patriotismus besser als durch überschwengliche, sinnlose Ehrenbezeugungen. 
Es ist daher ein Unrecht, wenn man sagt, dass die Christen keine 
Römer sind. Die Anhänglichkeit der Christen an das Vaterland kann 
man besonders daraus ersehen, dass sie, obwohl so zahlreich, doch nicht 
Gewalt ihren Verfolgern entgegensetzen oder alle auswandern. Es ist 
unrichtig, die Christengemeinden als verbotene, den Staat schädigende 
Verbindungen anzusehen. Der Autor schaltet hier eine Schilderung des 
christlichen Gemeindelebens ein, welche ich als das Juwel seiner Apologie 
bezeichnen möchte; ein so erhebendes Bild der Bruderliebe ist hier ge- 
zeichnet. Es folgt die Bekämpfung des bekannten Vorwurfs, dass die 
Beiseiteschiebung der Gtötter, welche das Christentum mit sich bringe, an 
der allgemeinen Notlage schuld sei. Wenn man die Christen als unnütze 
Glieder der Gesamtheit bezeichnet, so ist auch dieser Tadel völlig unbe- 
gründet. Die Christen beschäftigen sich mit den weltlichen Dingen, soweit 
sie nicht gegen die Gebote der Religion und Sittlichkeit Verstössen, sie 
nützen dem Gemeinwesen schon dadurch, dass sie die Furcht vor der 
ewigen Strafe abhalten muss, den Weg des Verbrechens zu beschreiten. 
Damit glaubt Tertullian die Sache des Christentums genugsam ge- 
rechtfertigt zu haben. Zum Schluss legt er noch dar, dass das Christen- 



248 BömiBche Litteratargesohiohte. IL Die Zeit der Monarohie. 3. Abteilimg. 

tum nicht etwa als ein philosophisches System zu betrachten sei. Kommen 
bei den Philosophen Anklänge an die christlichen Wahrheiten vor, so ist 
dies daraus zu erklären, dass die hl. Schriften älter sind als alle Litteratur, 
und dass daraus manches, wenn auch entstellt, zu den heidnischen Autoren 
gekommen ist. Dass die Philosophen anders behandelt werden als die 
Christen, wird wiederum als ein Unrecht charakterisiert. Die Christen 
stellt der Apologet den Philosophen gegenüber in ein weit helleres Licht; 
mit dem Preis des Martyrertums schliesst die Schrift. 

Vergleicht man den Apologeticus mit den Büchern an die Heiden, 
so ist vor allem ins Auge zu fassen, dass dadurch, dass die erste Schrift 
an die Statthalter gerichtet ist, eine andere Behandlung der Sache not- 
wendig erscheint. In dem Apologeticus muss naturgemäss mehr das 
Juristisch-Politische in den Vordergrund treten. In den Büchern an die 
Heiden musste er sich eine grössere Wirkung von der Darlegung des 
heidnischen Aberglaubens erwarten, der den Gebildeten ja femer lag. 
Der Ton der Bücher an die Heiden ist bedeutend schroffer und erbitterter 
als in dem Apologeticus. Die Gedankenanordnung ist im Apologeticus 
geordneter und straffer, auch der Ausdruck ist gewählter. 

Die Disposition des Apologeticus. Der Schriftsteller deutet klar den Gang 
seiner Abhandlung an. Die Einleitung wird mit Sohluss des c. 6 beendeti indem das 
Thema angekündigt wird mit den Worten : nunc ad iUam occtUtorum facinorum infamiam 
respondebOf ut viam mihi ad manifestiara purgem. Diese Einleitung stellt sich uns in 
zwei Hälften dar; denn c. 4 sagt er gleich anfangs atque adeo quasi praefatus haee ad 
sugUlandam odii erga nos publici iniquitatem iam de causa innocentiae consistam und 
wendet sich dann zu der auctoritas kaum, welche gegen die Christen ins Feld gef&hrt 
wird. Allein, dass dies noch zu der Einleitung gehört, deutet er in demselben Kapitel 
mit den Worten an: respondebimus ad singtUa quae in occuUo admitiere dicimur. Hier 
werden zugleich auch deutlich die zwei Teile des Themas angekündigt: a) Verteidigung 
gegen die sog. heimlichen Vergehen ; ß) Verteidigung gegen die offenkundigen Verbrechen. 
Der erste Teil umfasst die Kap. 7—9, wo wir am Schluss lesen: nunc de manifestioribui* 
dicam; der zweite, weit umfassendere, die Kap. 10 — 45; denn Kap. 46 besagt im An- 
fang, dass die Apologie zu Ende ist {constiiimus, ut opinar, adversus omnium criminum 
intentationem, quae Christianorum sanguinem flagitat). Der Schluss wird von fünf Kapiteln 
gebildet (46—50). Den Kern des Apologeticus bilden also die Kap. 10—45. Auch hier 
finden wir die Zweiteilung; denn 10—27 weisen zurück das crimen laesae divinitatis (c. 27 
satis haec adversus intentationem laesae divinitatis); o. 28 — 45 das crimen laesae maiestatiM 
(c. 28 ventum est igitur ad secundum titulum laesae augustioris maiestatis); über diese 
Doppelanklage vgl. Mohmsbn, Histor. Zeitschrift 64 (28), 1890 S. 396. 

Zeit der Abfassung. Der Apologeticus ist geschrieben nach Besiegung des 
Niger und Albinus, da Severus Alleinherrscher war. Vgl. die höhnische Frage c. 35 ünde 
Cassii et Nigri et Alhini? ünde qui inter duas lauros obsident Caesarem? De Romanis, 
nisi fallor, id est de non Christianis. o. 4 vanissimas Papias leges — Severus constantis- 
simus principum excJusit, Daraus ergibt sich der terminus post quem, das Jahr 197, in 
welchem Albinus bei Lugdunum besiegt wurde. Der terminus ante quem ergibt sich 
daraus, dass Severus' Verbot des Uebertritts zum Christentum noch nicht publiziert war, 
denn es ist nirgends erwähnt, und dass der Apologet es verschwiegen, ist völlig unwahr» 
scheinlich; er hätte dann gewiss nicht den Kaiser „constantissimiis principum^ gensjnki. 
Das Reskript gegen die Christen ist 201—202 entstanden.*) Um das Intervallum ge- 
nau zu bestimmen, dienen die Worte des c. 35: sed et qui nunc scelestarum partium 
socii aut plausores cotidie revelantur, post vindemiam racematio superstes, quam re- 
centissimis et ramosissimis laureis postes praestruebant, quam elatissimis et clarissimis 
lucernis vestibula nebtdabant, quam cuftissimis et superbissimis toris forum sibi dividebani! 
Es ist hier von gaudia publica die Rede, welche vor 202 in Rom stattgefunden haben 
und zwar nach dem Sieg über die Prätendenten. Sever verweilte in Rom von Sommer 



Nbuxakk, Der röm. Staat 1. Bd. 161, 171. 



Qaintiis SeptimiuB Florena TertnlUanns. 249 

bis Herbst 197; in diese Zeit fällt die Bestrafung der Anhänger jener Prätendenten (post 
Hndemiam parricidarum racematio auperstes) cf. Spart. 14, 11. Vgl. Bonwbtsch p. 13 — 17. 
Grundlegend war in dieser Frage Moshbim, Disquiaitio chronologica de vera aeiate Apo- 
logetiH bei Oehler III 490. 

Zur Quellen frage vgl. oben 8. 235 und Sohxekel, Die Philosophie der mittleren 
Stoa, Berlin 1892, p. 109. 

Die griechische Uebersetzung des Apologeticus. Bei Eusebius h. e. lesen 
wir 2, 2, 4 p. 48 Dindobf ravxa TsQTvXhayog, rovV ^iOfAaiioy yofiovs ijxQißtDXtog dvij^j tit 
TS ttiXa iyao^of xai xiiv lAdXwx« inl *^fifjq Xa/jinQtay, iv xß ygatpsiün fikv avxtu xg 
'Pof/Jiaiafy fpioyj, fjtsxaßXij&siaii 6^ xai ini xfjy 'EXkd^a yhoxxay vnig XQiaxiaydiy dnoXoyiif 
xiätjai xajd Xi^ty xovxoy UnoQwy xoy xgonoy vgl. 3, 33, 3 p. 126 D. Aus diesen Stellen 
ergibt sich zugleich, dass die Uebersetzung nicht von Eusebios selbst herrührt. Ausser 
diesen beiden Stellen benutzt er noch die Uebersetzung 2, 25, 4 p. 81 D., 3, 20, 7 p. 107 
D., 5, 5, 5 p. 202 D. Die Stellen 2, 2, 4; 2, 25, 4; 3, 20, 7; 5, 5, 6 geben zusammen fast 
das ganze 5. Kapitel des Apologeticus. Die Vergleichung des Textes mit der Uebersetzung 
thttt dar, dass die Uebersetzung nicht von Tertullian selbst herrühren kann, denn es finden 
sich nicht genaue, ja missverstftndliche Uebertragungen und Abweichungen vor. Weiter 
zeigt die Sprache, dass der Uebersetzer ein Grieche war, der nicht aller Schwierigkeiten 
seines Autors Herr wurde (er verkennt z. B. die Bedeutung von cum maxime 3, 33, 3 = 
Apol. 2). Buchst wahrscheinlich entstand diese Uebersetzung bald nach dem Erscheinen 
des Originals. Dass sie von dem Chronographen Julius Africanus herrQhre, vermutet A. Hak- 
kack, aber ohne durchschlagende Gründe (Die griechische Uebersetzung des Apologeticus 
Tertullians, Texte und Untersuchungen, VIII. Bd., Heft 4). Mendelssohn, Philol. 52, 556 f. 

664. De testunonio animae (yom Zeugnis der Seele). Es gab 
eine Litteratur, welche dadurch für das Christentum Propaganda zu 
machen suchte, dass sie nachwies, dass selbst in der heidnischen Litteratur 
die christliche Weltanschauung hie und da durchbreche. Einen anderen 
Weg, auf dem Boden der natürlichen Erkenntnis die christliche Wahrheit auf- 
zudecken, beschritt Tertullian in dieser Schrift; er rief die „ungebildete" Volks- 
seele zum Zeugnis auf. Im Munde des Volkes lebt eine Reihe von Redensarten, 
welche ein Bekenntnis christlicher Wahrheiten in sich schliessen. Der Glaube 
an den einen Gott, sowohl den gütigen als den strafenden, der Glaube an 
den bösen Dämon, endlich der Glaube an die Fortdauer nach dem Tode liegt 
in solchen unwillkürlich gebrauchten Formeln des täglichen Lebens. Sie sind 
Zeugnisse der Seele, damit der Natur, und damit Gottes. Wir können 
sie nicht auf einen lateinischen Ursprung zurückleiten, höchstens könnten 
sie ihre Quelle in den heiligen Schriften haben, womit sie sich als Aus- 
druck der göttlichen Offenbarung kennzeichnen. Selbstverständlich müssen 
die Redensarten nicht bloss für ein Volk, sondern für die ganze Menschheit 
in Anspruch genommen werden. Hier gibt aber der Verfasser nur Be- 
hauptungen statt der Beweise. 

Das Schriffcchen ist anziehend durch die Wärme der Darstellung, 
besonders die Apostrophe an die Seele gestaltet sich sehr wirksam. 

Abfassangszeit. Das Schriftchen ist nach dem Apologeticus geschrieben, da 
auf denselben hingewiesen wird (o. 5). Dasselbe ist nur eine nähere Ausführung von einem 
Gedanken des Apologeticus (c. 17). 

665. Ad martyras (Trostschrifb an die Märtyrer). Die wegen 
ihres Glaubens Eingekerkerten zu unterstützen und zu trösten, war Pflicht 
der Gläubigen. Auch Tertullian kommt dieser Pflicht in dem schönen, 
warm geschriebenen Schriftchen nach. Er erinnert sie daran, dass der 
hl. Geist sie bisher geleitet, und ermahnt sie, auch im Kerker ihm zuge- 
than zu bleiben. Anderseits führt er ihnen zu Gemüte, dass selbst im 



j 



250 Eömische LiiteratnrgeBchichte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abieilnng. 

Kerker der böse Feind sein Spiel treibt und dass sie sich gegen ihn 
wappnen mögen. Der Kerker hat die Märtyrer von der Welt geschieden, 
damit aber auch von allem weltlichen Tand. Selbst wenn der Kerker 
dem Dulder manche Freude der Welt entzogen hat, was thut's? Seiner 
warten dafür höhere Freuden im Himmel. Aber selbst die Leiden, 
welche der Kerker mit sich bringt, müssen geduldig ertragen werden. 
Das Christentum ist ja ein Kriegsdienst für den Herrn. Der Kampf, den 
der Märtyrer auszufechten hat, ist ein guter. Der Kerker ist eine gute 
Übungsschule für den Kampf um die ewige Krone. Oegen die Schwach- 
heit des Leibes hat der Oeist tapfer anzukämpfen. Selbst das Heidentum 
bietet eine reiche Anzahl von Beispielen heroischer Todesverachtung. 
Nicht bloss das Streben nach Ruhm und andere edle Motive, sondern 
auch krankhaftes Wesen, Blasiertheit, führt Leute dazu, schwere Leiden 
und Gefahren auf sich zu nehmen. Und wie viele verlieren nicht durch 
Brand, wilde Tiere, Räuber, Feinde das Leben! Sollten wir zaudern für 
Gott das Gleiche zu erdulden? 

üeber die Materie vgl. £. Le Blant, Les peraScuteurs et les martyrs, Paris 1893, 
besonders eh. IX p. 99 (la priparation au martyre) und eh. XIV p. 159 {les martyrs en 
prison). 

Die Zeit des Schriftchens wird durch die Schlussworte bestimmt: cid hoc qui- 
dem vel pr<usentia nobis tempora doeutnetUa aint, quantae qualeaque persanae inopinatos 
natalibus et dignUatihus et corparUms et aetatibua suis exitua referuni haminia causa, aui 
ab ipso, si contra cum fecerint, aut ab adversariis eins, ai pro eo steterint, welche Worte 
man auf die Hinrichtungen nach der Schlacht bei Lyon (19. Febr. 197) bezieht. 

666. De spectaculis (ttber die Schauspiele). Die Frage, ob es den 
Christen gestattet sei, die Spiele zu besuchen, scheint die Gemüter in der 
Zeit TertuUians stark bewegt zu haben. Selbst die Heiden suchten von 
christlicher Grundlage aus den Besuch zu rechtfertigen. Es wurde geltend 
gemacht, dass diese Äusserlichkeiten nichts mit dem innern religiösen 
Leben zu thun haben, und dass der Glaube, alles sei von Gott geschaffen, 
auch den Spielen zu gute kommen müsse. Die Christen, welche für den 
Besuch der Schauspiele waren, konnten sich darauf berufen, dass dieselben 
in der Schrift nicht verboten seien. Dieser laxen Haltung tritt Tertullian 
mit seiner Schrift entgegen, die er auch in griechischer Sprache erscheinen 
Hess. Leicht war der erste Grund für den Besuch des Theaters zu wider- 
legen, denn jede Gottesgabe kann missbraucht werden. Schwieriger war 
es, aus einer biblischen Stelle ein Verbot des Besuchs der Spiele heraus- 
zudeuten. Allein das Schwergewicht seines Beweises ruht in dem Satz, 
dass die Spiele mit dem Götzendienst aufs innigste zusammen- 
hängen. Der rigorose Autor hat hier insofern festen Boden unter den 
Füssen, als der Zusammenhang der Spiele mit dem Kultus im Altertum 
unbestreitbar ist. Li einer historischen Darlegung, für die ihm Sueton 
Quelle war, sucht er diese religiösen Fäden darzulegen. Damit ist eigent>- 
lich der Zweck der Schrift erfüllt; das Verbot, die Schauspiele zu besuchen, 
ergibt sich für den Christen von selbst. Allein die Untersuchung vermag 
sich nicht bei den antiquarischen Notizen zu beruhigen; sie verlangt 
wärmere Töne; er zeigt daher, dass die Schauspiele mit ihren Aufregungen, 
mit ihren ünsittlichkeiten, mit ihren Grausamkeiten die christliche Seele 
gefährden. Die Freuden der Christen sind anderer Art als die der Heiden. 



QuintuB BeptimiuB FloreiiB Tertnlliaxiiu. 251 

Das grösste Schauspiel erwartet den Christen, wenn der Herr wieder er- 
scheint zum letzten Gericht. Die Schilderung, welche Tertullian hier ent- 
wirft, gehört durch ihre Schärfe und ihre Olut zu dem Merkwürdigsten, 
was er geschrieben. 

Ueber die Materie vgl. F. C. Baur, Das Cliristeiitam und die christl. Kirche der 
drei ersten Jahrhunderte, Tflb. 1853 p. 455. NOldbcbbn, Tert. und das Tlieater, Zeitschr. f. 
Kirohengesch. XV (1894) 161—203; Tert. und der Agon, N. Jahrb. f. deutsche TheoL III 
(1894) 206—26; Tert u. das Spielwesen, Zeitschr. f. wissensch. Theol. XXXVII (N. F. II) 91 ff. 

Die Abfassungszeit. Genauere Daten fehlen, nur soviel wissen wir, dass die Schrift 
den Schriften de idololatria (ygl. c. 13 de spectcunUis atUem et voluptatibua eiuamodi 
8 uum tarn Volumen implevitnus) und de cultu fetninarum (1,8 de iüis {speetaculie) euum 
Volumen edidimus) vorausgeht. Die Schrift ist von der montanistischen Anschauung frei; 
vgl. BoRWBTSOH p. 33. Dass sie zur Zeit einer Verfolgung geschrieben wurde, wie Hauck 
will (p. 16), kann mit Sicherheit nicht aus c. 27 geschlossen werden (Bonwetsoh p. 34). 

Die Scheidung in zwei Teile deutet der Verfasser deutlich an c. 14 nunc inter- 
posito nomine idololatriae, quod solum aubiectum sufficere debet ad abdicationem ftpeetacu- 
lorum, alia iam rati&ne traetemus ex ahundanti. 

Die Disposition des antiquarischen Teils gibt c, 4 commemorabimus origines 
sfngulorum (apectaculorum) quibus in eunabulis in saeculo adoleverint, exinde titulos quo- 
rundam, quibus nomintbus nuncupentur, exinde apparatus, quibus auperstitionibus inatru- 
antur, tum loca, quibua praeaidibtia dicentur, tum artea, quibua auctorüma deputentur. Vgl. 
die Zusammenfassung c. 13. 

Die Quelle, c. b {de originihus) positum est apud Suetanium Tranquillum vel a 
quibua Tranquillua accepit. Vgl. oben § 532 p. 49. Ausser der daselbst citierten Schrift 
von P. J. Meikb, De gladiatura Romana siehe noch Noeldbohen, Die Quellen Tertullians 
in seinem Buch von den Schauspielen (Philologus Suppl. VI [1893] p. 727). 

667. De idololatria (Aber den Ooizendienst). Die Scheidung 
zwischen dem christlichen und heidnischen Leben, welche die Schrift über 
die Schauspiele angebahnt hatte, will in noch höherem Grade die Abhand- 
lung über den G&tzendienst durchführen. Ihr Ziel ist, den Christen 
von allem, was nur irgendwie mit dem Götzendienst zusammenhängt, los- 
zuschälen. Des Götzendienstes machen sich aber nach Tertullians Ansicht 
schuldig nicht bloss diejenigen, welche Götzenbilder verfertigen, sondern 
auch alle diejenigen, welche mit irgendwelcher Thätigkeit dem Götzen- 
dienst dienstbar sind. Götzendiener sind ihm die Astrologen und Mathe- 
matiker, ja *auch die Lehrer der Litteratur, endlich die Kauf leute, welche 
mit Weihrauch handeln. Alle diese Beschäftigungen der genannten Stände 
sind unverträglich mit dem Christentum; die Ausrede, dass man doch 
seinen Lebensunterhalt sich erwerben müsse, kann nicht in die Wagschale 
fallen. Aber der Verfasser spinnt sein Thema noch weiter, er verbietet 
dem Christen die Beteiligung an den nationalen Feiertagen und Festlich- 
keiten, die Beleuchtung und Bekränzung der Thüren als einen heidnischen 
Gebrauch, ganz besonders aber jede Teilnahme an den Opfern. Dies führt 
auf die Frage, ob ein Christ ein Staatsamt bekleiden oder Kriegsdienst 
annehmen kann. Selbstverständlich müssen sich nach seiner Ansicht 
grosse ünzuträglichkeiten für die christliche Überzeugung ergeben, welche 
den Kriegsdienst geradezu den Christen unmöglich machen. Nicht einmal 
die abgegriffenen Schwurformeln bei den Göttern sollen den Christen ge- 
stattet sein. 

Mit Staunen sieht man in dieser Schrift die grosse Kluft zwischen 
dem nationalen und dem christlichen Wesen. Die Kunst wird ganz ver- 
worfen; im Christentum ist sie noch kein Bedürfnis. Dagegen ist die 
ünentbehrlichkeit der heidnischen Litteratur Thatsache; und es ist inter- 



252 Römiaohe Litteratargesohiehte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abieilnng. 

essant, wie Tertullian sich aus dem Dilemma zieht, er verbietet hier das 
Lehren, gestattet aber das Lernen. 

Die Abfassungszeit. c. 15 acto fratrem per visionem ectdem nocte eastigatum 
graviteTf quod ianuam eius subito adnuntiatis gaudiis publieis servi coronassent. 
Diese gaudia publica werden sich wohl auf den Sieg bei Lyon (197) bezogen haben (Nobl- 
DECHBN, Die Abfassnngszeit p. 35). Zugleich zeigt die Nichtheranziehung des Parakleten 
die vormontanistische Epoche. 

668. De ciiltu feminamm L 11 (gegen den Frauenputz). Das Be- 
streben, die Christen von den Heiden in jeder Beziehung loszureissen, 
hatte Tertullian veranlasst, auch eine Broschüre an die Frauen zu richten. 
Sie bekämpft den Frauenputz. Man muss demnach annehmen, dass die 
vornehmen Frauen der Gemeinde in Karthago schon sehr von dem christ- 
lichen Ideal sich entfernt hatten und in dieser Beziehung mit den Heiden 
zusammengingen, so dass ein ernstes Wort am Platze war. Es war dies 
um so mehr geboten, als man auch schon angefangen hatte, Entschuldi- 
gungsgründe für den Frauenputz anzuführen. Der Verfasser erinnert im 
Eingang die Frauen an die schwere Schuld, die ihre Stammmutter auf sich 
und damit auf das ganze Geschlecht geladen, und meint, dass daher für die 
Frauen das Busskleid sich eigentlich am besten eigne. Dann geht er auf 
das Verwerfliche des äusseren Schmuckes ein und führt die Anregung 
zu demselben als eine Quelle des Bösen auf die gefallenen Engel zurück. 
Damit ist allem äusseren Tand sein Urteil gesprochen. Als eine Autorität 
für sein Buch citiert er den apokryphen Enoch und verteidigt die Echt- 
heit desselben. Ein genauer Einblick in das Wesen des äussern Schmucks 
führt zu demselben Resultat. Er unterscheidet hiebei die Schmuckgegen- 
stände (cultus) und die künstliche Verschönerung (ornatus). Gegen die 
Schmuckgegenstände (Gold, Silber, Edelsteine) geht er in der Weise vor, 
dass er sie als wertlos ansieht, weil sie uns keinen Nutzen verschaffen 
können. Nur die Seltenheit und der fremde Ursprung verleihen denselben 
ihren Wert. Dadurch wird die Sehnsucht nach dem Besitz derselben an- 
geregt. Doch hier bricht das Buch ab. Der Gegenstand ist also nicht 
zu Ende geführt. Es ist uns nun noch ein zweites Buch dieser Schrift 
überliefert; allein dies stellt sich nicht als Fortsetzung, sondern als 
eine Neubearbeitung des Themas dar; denn es gibt mehr als das dort 
nicht ausgeführte, es legt den Plan der ersten Schrift zu Grund, führt aber 
denselben in anderer Anordnung durch, denn Tertullian nimmt zuerst die 
künstliche Verschönerung*) vor, während er die Schmuckgegenstände an 
zweiter Stelle behandelt. Der Ton der Rede ist gemässigter, ich möchte 
sagen, weit weltlicher. Die allgemeine Betrachtung hat einen viel grösseren 
Umfang erhalten. In dem ersten Teil des Themas eifert er besondei-s 
gegen die künstliche Haarpflege, gegen das Färben, gegen auffallende 
Frisuren. Sehr interessant ist es, dass er im Vorbeigehen auch die Schön- 
heitspflege der Männer mit einigen Strichen schildert (c. 8). In Bezug 
auf die Schmuckgegenstände macht der Einwand Schwierigkeiten, dass ja 
auch diese Dinge von Gott geschaffen seien. Aber der Autor meint, dass 



z. B. c. 5 cutem medicaminibus urgent, genas rubore macuiant, oculos fuligine 
porrigunty c. 6 capiUum croeo vertere. 



Qaintiui BapümiiiB Florena Tertullianas. 253 

Oott dabei die Absicht gehabt habe, die Enthaltsamkeit auf eine Probe 
zu stellen. Den meisten Wert scheint der Verfasser aber darauf zu legen, 
dass der Schmuck für die christliche Frau keinen Zweck hat. Endlich 
macht er noch geltend, dass leicht eine Frau durch den Schmuck in ein 
übles Gerede kommen kann, und dass das Urteil der Menschen auch von 
dem Christen nicht völlig bei seite zu schieben ist. 

Ueber das Verhältnis des 1. II zu 1. 1 vgl. Hauck p. 33 Anm. 2. Anders Hessel- 
BXBO p. 53. 

AbfasBongszeit. Beide Bücher sind vormontanistisch. Tn der Anrede an die 
Christinnen zeigt sich keine Spur einer Scheidung (Bokwbtsch p. 36). Wie weit 1. 1 und 
1. II auseinander liegen, Iftsst sich nicht bestimmen, 1. I ist nach de spect. geschrieben (c. 8): 
nam et omnea istae profanae spedacülorum saecularium voluptatea, aicui de illia auum 
Tolumen edidimu8, ipaa etiam idololatria ex rebus dei eonstat. Ob aus der Nicht- 
erwähnung der Schrift de idoL folgt, dass damals dieselbe noch nicht vorhanden war, 
steht dahin. Im zweiten Buch erwähnt er die Verschleierung der Jungfrauen (c. 7), aber 
so, dass man sieht, es war noch kein Streit darfiber entbrannt. Daraus schliesst man, 
dass I. II vor de or, fällt, wo die Frage schon in Fluss gekommen ist (c. 21); vgl. Hauck 
p. 33, 1. 

Quelle. NoRLDBOBBN (Tertullians Verhältnis zu Clem. Alex., Jahrb. f. prot. Theol. 
12, 280) behauptet, dass dem Tertullian bei der Schrift der „Paedagogus" des Clemens 
vorgelegen hat. Vgl. dagegen P. Wendland, Quaestiones Muaonianae (Berol. 1886) p. 48 ff. 

ß) Christlich-praktische Schriften. 

669. Übersicht. Es sind Alnf Schriften, die wir hier einreihen, und 
zwar über die Taufe, über das Gebet, über die Busse, über die 
Geduld und die zwei Bücher an seine Frau. Es ist nicht unwahr- 
scheinlich, dass Tertullian, als er diese Schriften schrieb, zu den Pres- 
bytern der karthagischen Christengemeinde gehörte. Es sind wichtige 
praktische Fragen, welche die Presbyter oft genug beschäftigt haben 
mochten, es waren damals die Dinge noch im Fluss, Zweifel regten sich, 
Kontroversen tauchten auf, da mussten die Vorsteher der Gemeinde Stel- 
lung nehmen. So sehen wir in Bezug auf die Taufe eine Reihe von Pro- 
blemen auftauchen, zum Teil einschneidender Art z. B. ob die Taufe der 
Ketzer gültig sei. Auch in Bezug auf die Art und Weise zu beten ging 
die Praxis vielfach auseinander, so dass sich hier eine Belehrung dringend 
nötig erwies. Die schwierigsten und einschneidendsten Fragen bot aber 
die Bussdisziplin dar, da hier ein Schwerpunkt des christlichen Lebens 
lag. Die Feststellung desselben nahm geraume Zeit in Anspruch und er- 
folgte nicht ohne schwere Kämpfe. Endlich war auch die Ehe Gegen- 
stand eifriger Erörterungen; besonders eifrig wurde darüber verhandelt, 
ob eine zweite Ehe gestattet sei. Mehrmals tritt Tertullian an dieses 
Thema heran, in den Büchern an seine Frau steht er noch auf dem Stand- 
punkt der Zulässigkeit derselben. Hatte in diesen Schriften Tertullian 
spezielle Fragen des christlichen Lebens behandelt, so behandelt er in der 
Abhandlung über die Geduld einen allgemeinen Gegenstand, der aber für 
das ganze sittliche Leben von Bedeutung ist und der das Christentum 
ganz besonders scharf vom Heidentum trennt. 

Die zeitliche Aufeinanderfolge der genannten Schriften ist nicht 
sicher zu bestinmien; nur soviel steht fest, dass die Schriften über die 
Geduld und die Bücher an seine Frau der montanistischen Zeit des Ver- 



254 fiOmlsche Litieratargesohiohte. Ü. Die Zeit der Monardiie. 8. Abteilung. 

fassers am nächsten stehen. Auch die zeitliche Einreihung in die Schriften 
der ganzen Epoche macht Schwierigkeiten. 

Hauok setzt alle ffinf Schriften spftter als die apologetisclien, vgl. seine Rechtfertigung 
p. 109; BoNWBTSCH gibt bezüglich der drei zuerst genannten keine Entscheidung (p. 32 
und p. 85). 

670. De baptismo (über die Taufe). Die Schrift über die Taufe 
hatte in einem äusseren Vorkommnis den Grund ihrer Entstehung. Eine 
Frau, eine Viper aus der Gajanischen Häresie, welche in dem Titel der 
Schrift (bei Pamelius) Quintilla genannt wird, hatte eine Agitation gegen die 
Taufe unternommen, indem sie besonders ihre Notwendigkeit bestritt. Es 
war daher geboten, durch eine Schrift dem wankend gewordenen Glauben 
mancher Christen zu Hilfe zu kommen. Das Büchlein hat nicht den 
Charakter einer blossen Streitschrift gegen Quintilla, dasselbe gibt viel- 
mehr eine vollständige Lehre über die Taufe, wobei jedoch besonders die 
damals auftretenden Streitfragen genaue Berücksichtigung finden, und 
darauf beruht das grosse Interesse des Schriftchens; wir sehen, wie die 
betreffende Materie gleichsam noch im Fluss begriffen war. Die Streit- 
fragen drehen sich um die verschiedensten Dinge, so werden z. B. unter- 
sucht das Wesen der Johannestaufe, dann das Problem, warum Christus 
nicht selbst getauft habe, die Ungültigkeit der Eetzertaufe u. s. w. Für 
die Geschichte der Taufe sind interessant die Kapitel über die Art und 
Weise der Taufspendung, über das für die Taufe geeignete Alter, endlich 
über die für das Taufen günstige Zeit. 

Der Anlass der Schrift. Was es mit dem Gaius ftlr eine Bewandtnis hat, ist 
schwer zu entscheiden. Tertullian erwähnt die Oaiana haeresia noch De praeacr. c. 33 
(Gaiana haeresis dicüur). Wir kennen einen Oaios, der unter dem röm. Bischof Zephy- 
rinus einen Dialog mit dem Montanisten Proclus schrieb und den Hippolvtos bekftmpfte 
(Zahn, Geschichte des neutest. Kan. 2, 973). Allein es ist nicht wahrscheinlich, dass dieaer 
Gaius mit dem von Tertullian Genannten identisch ist, vgl. Volkhae, Litterar. Centralbl. 
1854 p. 35; Uabnaok, Zur Quellenkritik der Gesch. des Gnost. p. 59, Geschichte der alt- 
chrisil. Litt. 1, 601. 

Abfassungszeit. Hier lässt sich nur soviel sagen, dass sie Yormontanistisoh ist 
(«Besonders Eingang und Schluss erweist den Katholiken* Bohwetsch p. 30, vgl. noch 
Nbakdeb p. 178), dann dass ihr die griechisch geschriebene Schrift über die Eetzertaufe 
vorausging (c. 15). 

Ueber die Verwandtschaft der Schrift mit der de paenitentia vgl. Hauck p. 117. 

671. De oratione (Aber das Oebet). Das Schriftchen beginnt mit 
dem Gedanken, dass dem neuen Bund auch ein neues Gebet notwendig war, 
es ist dies das Vater Unser. Der Verfasser gibt an der Hand der hl. Schrift 
eine Erklärung dieses Gebets und fügt dann noch einige allgemeine Vor- 
schriften über das Gebet hinzu z. B. dass man versöhnten Herzens beten, 
dass man den Geist sammeln soll; Händewaschung hält er nicht für not- 
wendig, dafür verlangt er die Reinheit des Herzens, er eifert weiter 
gegen den Gebrauch, beim Gebet den Mantel abzulegen und sich nach 
dem Gebet zu setzen. Dagegen empfiehlt er das Aufheben der Hände. 
Die Unterlassung des Friedenskusses nach dem Gebet von seite der 
Fastenden erscheint ihm tadelnswert. Auch die Kleidung der Frauen zieht 
er in den Ereis seiner Betrachtungen, es war damals eine Streitjfrage, 
ob auch die Jungfrauen wie die Frauen in der Kirche verschleiert er- 
scheinen sollten. Auch das Kniebeugen beim Gebet hatte seine Kontro- 



Qninins Sepümiiis FlorenB Tertnlliaans. 255 

verse. Manche wollten am Sabbat dasselbe nicht vornehmen. Tertullian 
riet zur Nachgiebigkeit. Es folgen Aphorismen über Ort und Zeit des 
Gebets und noch über einige andere Punkte. Mit einem warmen Preis 
des Oebets schliesst das Schrifix^hen, das besonders ein antiquarisches 
Interesse für uns hat, weil es uns mit den Oebetsbräuchen bekannt 
macht. 

Die AbfasBUDgszeit flQlt in die Zeit vor dem Montanismns. So ist sein Stand- 
punkt in der Frage über die Verschleiemng der Jungfrauen hier ein anderer als in der 
montanistischen Zeit; er macht für die Verschleierung noch kein Gebot des Parakleten 
geltend (c. 21). Auch die Bescheidenheit des c. 20 wäre durchaus nicht am Platz, wenn 
es sich um eine Vorschrift des hl. Geistes gehandelt hätte. Auch in Bezug auf das Fasten 
(c. 18) ist sein Standpunkt hier ein anderer als sp&ter. 

672. De poenitentia (über die Busse). Die Untersuchung geht 
davon aus, dass das Wesen der Busse den Heiden fremd ist, weil sie 
nicht das richtige Oottesbewusstsein haben. Nur auf begangene Sünden 
kann sich die Reue erstrecken, eine Sünde wird aber nicht bloss durch 
die That, sondern auch durch den Willen begangen, Gott verzeiht den 
Sündern, verlangt aber die Reue. Die Reue wird nach zweifacher Seite 
ins Auge gefasst, einmal bei denjenigen, welche sich für die Taufe vor- 
bereiten. Diese Yorbereitungszeit soll aber nicht mit Rücksicht auf die 
Vergebung aller Sünden durch die Taufe eine Zeit der Sünde, sondern 
eine Zeit der Reue und Busse sein. Noch wichtiger ist die zweite Reue, 
welcher sich diejenigen unterziehen müssen, die nach der Taufe schwere 
Sünden begangen haben. Für diese ist die Exomologesis notwendig, das 
öffentliche Sündenbekenntnis vor dem Herrn und eine Reihe demütigender 
Akte. Es ist falsche Scham, sich dieser Demütigung entziehen zu wollen, 
der Gedanke an die Höllenstrafe muss diese Scheu unwirksam machen. 
Diese zweite Reue muss aber die letzte (c. 7) sein; ein nochmaliger Rück- 
fall in die Sünde kommt für Tertullian nicht mehr in Frage. 

Die Exomologesis qua delictum damino noatrum confttemur wird hestimmt c. 9: 
prasternendi et hutnüificandi hominis disciplina est — De ipso quoque hahitu atque victu 
mandat saeeo et eineri ineubare, corpus sordibus obscurare, animum maeroribus deicere, 
Ula quae peceavit tristi tractatione mutare, ceterum postum et potum pura nasse, non ventris 
scüicet, sed animae causa, plerumque vero ieiuniis preces alere, ingetniscere, lacrimari et 
muffire dies noctesque ad dominum deum tuum, presbyteris advolvi, et caris dei adgeniculari, 
Omnibus fratribus legationes deprecationis suae iniungere, Ueber die Geschichte des Worts 

PRBVSOHBN p. 9. 

Für die Einführung in die Tertullianische theologische Denkweise eignet sich diese 
Schrift ganz besonders (vgl. Habnaok, Dogmengesch. 8, 16). 

Zeit der Abfassung. Dass die Schrift der yormontanistischen Epoche angehört, 
ist nicht zweifelhaft. Vgl. Hbssblbebo p. 88. Der Standpunkt den T. bezüglich der Busse 
einnimmt, wird spftter von ihm in der Schrift depudicitia verworfen, pud. c. 1 erit igitur et 
hie adversus psychicos titulus, adversus meae quoque sententiae retro penes iUos societatem, 
quo magis hoc mihi in notam levitatis obiectent (vgl. Bonwbtsch, Montanismus p. 111). Noel- 
DBCHKN will aus poou. c. 12 quid illum thesaurum ignis aeterni aestimamus, cum fumarUAa quae- 
dam eius tales ftammarum ictus suscitent, ut proximae urbes aut iam nullae extent aut 
idem sibi de die sperentf Dissüiunt superbissimi montes ignis intrinsecus fetu eine An- 
smelnng auf den Ausbruch des Vesuvs im Jahre 208 erblicken. Allein die Worte sind zu 
allgemein gehalten. Noch vager ist die Vermutung dass im Eingang auf Severus Ver- 
halten nach dem Tode des Präfekten Plautian angespielt werde. Sever hatte nllmlich ge- 
ftussert, es gereue ihn, den Mann mit Gunst überhäuft zu haben. 

Ueber die Bussdisziplin, für welche diese Schrift eine wichtige Quelle ist, vgl. 
Habback unter Lapei in Realencykl. VIII 420 Dogmengeschichte 1, 831; Pbeuscbbn, Tert.s 
Schriften de poenitentia und de pudicitia mit Rücksicht auf die Bussdisziplin unters., 
Qiessen 1890, der auch eine ins einzelne gehende Analyse der beiden Schriften gibt. 



256 Römische Litteraturgesohiolite. U. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilimg. 

673. De patientia (über die Geduld). Als Tertullian über die Ge- 
duld schrieb, konnte er sich nicht verhehlen, dass er eine Tugend be- 
handle, welche ihm selbst abging. Trotzdem macht er sich frisch ans 
Werk, indem er daran erinnert, dass ja auch die Menschen dann am 
wärmsten von dem Gute der Gesundheit sprechen, wenn sie krank sind. 
Die Geduld ist göttlichen Ursprungs, Gott gibt in seiner Langmut gegen 
die Sünder das hehrste Beispiel der Geduld, noch glänzender ist die Ge- 
duld in der Menschwerdung Gottes hervorgetreten. Die menschliche Ge- 
duld muss sich vor allem in Gehorsam gegen Gott erweisen, die Ungeduld 
ist die Quelle der Sünde, ihr Vater ist der Teufel. Scharf wird auf die 
enge Verbindung der Geduld mit dem christlichen Glauben hingewiesen. 
Gelegenheit, die Geduld praktisch auszuüben, bietet uns das Leben, wenn 
Verluste an Hab und Gut über uns hereinbrechen, wenn wir Beleidigungen 
erfahren, wenn uns geliebte Personen durch den Tod entrissen werden. 
Der Geduld grösste Feindin ist die Rachsucht. Übrigens kann das Leben 
uns noch hundertfache Geduldproben auferlegen. Der Autor schildert nun 
den Segen der Geduld, sie bildet die Voraussetzung für die Busse und 
strahlt in die alles hinnehmende Liebe aus. Aber auch für das leibliche 
Leben ist die Geduld von grosser Bedeutung. Nachdem Vorbilder für die 
Geduld vorgeführt sind, folgt eine Schilderung der Tugend in den stärksten 
rhetorischen Farben, welche zuletzt uns sogar die patientia als Person 
vorführt. Der Schluss warnt vor der Verwechslung der Tugend mit ihrem 
heidnischen Zerrbild, welches das Ausharren im Schlechten ist. 

Die Schrift ist sehr interessant, weil sie uns Blicke in die Seele des Autors tiiun 
lässt, und sie ist wichtig, weil sie zum erstenmal ausführlich eine christliche Tugend im 
Gegensatz zur entsprechenden heidnischen behandelt. 

Der Gegensatz gegen heidnische Anschauung tritt öfters hervor: zwar 
wird im Eingang hervorgehoben (c. 1), dass die sonst so uneinigen Philosophen im Lobe 
der Geduld einig sind. Allein das Leben scheidet den Christen vom Heiden, das Christen- 
tum kennt keinen Talio, sondern den Satz, liebet eure Feinde. Weiter heisst es (c. 7): 
gentilium est omnibua detrimentis impatientiam adhibere, qui rem pecuniariam fortasse 
animae anteponant; nam et faciunt, cum lucri cupiditatibus quaestuosa pericuia mercu- 
moniorum in mari exercent, cum pecuniae causa etiam in faro nihil damnoHoni timendum 
aggredi duhitant, cum denique ludo et castris aese locant, cum per viam in moretn bestiartun 
latrocinantur. Am Schluss bezeichnet er als heidnische Zerrbilder der christlichen patientia 
jene patientia, quae maritos dote venales aut lenociniis negotiantes uxarum potestatibus sub- 
icit, quae aucupandis orbitatibus omnem coacti obaequii lahorem mentitis adfectianibus 
tolerat, quae ventris operarios contumeliasis patrociniis subiectione libertatis guUae addicit. 

Die Abfassungszeit. Die Schrift steht an der Grenze. Dass T. aber noch nicht 
den Uebertritt zum Montanismus vollzogen, kann erwiesen werden; erstens: T. nimmt hier 
noch nicht den rigoristischen Standpunkt in Bezug auf die Flucht in der Verfolgung ein 
(vgl. c. 13); zweitens: das Gleiche ist der Fall gegentlber der Busse (vgl. Nbandbb p. 144). 
Üeber Zweifel, die hier geäussert wurden, vgl. Gottwald, De montanismo TertuUiani, Berl. 
1862 p. 63; Bonwbtsch p. 39, 45. 

674. Ad uzorem 1. n (Aber Aufrechthaltung des Witwenstands). 
Die Frage, ob die Gattin TertuUians nach seinem Tode sich wieder ver- 
mählen soll, ist der Gegenstand des ersten Buches unserer Schrift. Ter- 
tullian widerrät eine zweite Ehe. Nur eine Ehe entspricht der christ- 
lichen VoUkonmienheit. Die Gründe, welche man fiir das Eingehen eines 
zweiten Bundes geltend macht, sind nach TertuUians Ansicht nicht durch- 
schlagend. Man beruft sich auf die Schwäche des Fleisches, allein auch 
der Geist ist da, und der ist stärker als das Fleisch. Man beruft sich 



Qnintiui SepUmiiui Florena Tertnllianiia. 257 

weiter auf weltliche Rücksichten, wie materielle Vorteile, hohe Stellung 
und anderes. Allein für den Christen sind solche Rücksichten gegenstands- 
los. Ein zartes Bild der Witwen, welche nicht wieder heiraten, sondern sich 
dem Dienste des Herrn weihen, schliesst sich daran. Sogar der Wunsch 
nach Nachkommenschaft schlägt nicht durch; denn in diesen traurigen 
Zeiten sind die Kinder eine Bürde und bilden nicht selten ein Hemmnis 
für die Bethätigung des christlichen Glaubens. Selbst durch Beispiele aus 
dem Heidentum weiss er seine Ansicht zu stützen. Die Lösung der Ehe 
durch den Tod des einen Teils ist Oottes Fügung; man soll also nicht 
durch eine zweite Ehe den Zustand, welchem Oott ein Ende gemacht hat, 
wiederherstellen. Im Einklang damit steht auch die kirchliche Disziplin, 
welche denen, die wieder heiraten, gewisse Ehren versagt. Allerdings ist die 
Bewahrung der Witwenschaft keine leichte Sache, sie ist sogar schwieriger 
als die Erhaltung der Yirginität; allein darum ist ihr auch ein reicherer 
Lohn von Gott in Aussicht gestellt, welcher Schirmvater der Witwen und 
Waisen sein will. 

War das erste Buch vom Ideal der christlichen Vollkommenheit aus- 
gegangen, so geht das zweite von der harten Wirklichkeit aus, welche 
eine Wiederverheiratung verlangt. Diese Wiederverheiratung kann aber 
nur unter der Bedingung erfolgen, dass sie nicht zum Bunde mit einem 
Heiden führt. Ziel des zweiten Buchs ist sonach, überhaupt den Ehe- 
bund der Christen mit Heiden als verwerflich erscheinen zu lassen. Ein 
Fall, in dem eine Christin einen Heiden heiratete, hatte tiefen Eindruck 
auf TertuUian gemacht und ihn vermutlich bestimmt, seine Gedanken über 
dieses Thema niederzulegen. Eine solche Ehe ist durchaus unzulässig. 
Die hl. Schrift gestattet zwar, wenn ein Teil erst nach Abschluss der Ehe 
das Christentum annimmt, bei dem ungläubigen Genossen auszuharren, allein 
sie gebietet, einen neuen Ehebund nur im Herrn einzugehen (1 Kor. 7, 39). 
Der Autor schildert die Gefahren, welche dem religiösen Leben der 
Christin, die sich mit einem Heiden verbindet, drohen. Mit einigen Strichen 
wird ein schönes Bild des christlichen Lebens gezeichnet (c. 4). Selbst 
ein toleranter Gatte ist nicht ohne Übel, denn er wird Mitwisser der 
christlichen Geheimnisse, und die christliche Frau ist in der Ausübung 
ihres Kultus von seinem guten Willen abhängig. Muss sie denselben aber 
hinter dem Rücken ihres Mannes ausüben, so ist die Sache natürlich noch 
schlimmer. Dann bringt das Heidentum des Gatten der Frau fortwährend 
schwere Gefahren, fortwährend treten ihr die Gebräuche des heidnischen 
Götzendienstes entgegen. Bei Frauen, welche erst, nachdem sie den Ehe- 
bund geschlossen, das Christentum angenommen haben, sind die geschil- 
derten Verhältnisse entschuldbar und auch viel erträglicher. Allein frei- 
willig seinen Glauben durch Heirat mit einem Heiden den Gefahren auszu- 
setzen, ist nicht zu rechtfertigen. Überdies sind es auch manche weltliche 
Rücksichten, welche Christinnen bestimmen, ihre Hand einem Heiden zu 
reichen. Mit einer wundervollen Schilderung des religiösen Lebens eines 
christlichen Ehepaars schliesst das zweite Buch, das zwar ebenfalls an die 
Frau Tertullians gerichtet ist, allein die individuellen Beziehungen fast gar 
nicht hervortreten lässt. 

UaodbQch der Umb. Aliertnmswiaseuflchaft. VIU. 8. TetK 17 



258 BömiBche LitteratiirgeBohiohte. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

Ueber die Materie vgl. Baur, Das GbristeQtum und die cbristL Kirche der drei 
ersten Jahrhunderte, Tab. 1853, p. 458, 468, 475. 

Abfassnngszeit. Da diese Bücher bereits Fragen anregen, über welche der Mon- 
tanismus eine Entscheidung brachte, so werden sie zu den spfttesten vormontanistischen 
Schriften zu rechnen sein (Bonwbtsgb, Die Gesch. des Montanismus p. 181). Dass T. aber 
noch nicht Montanist ist, erhellt daraus, dass er die zweite Ehe, wenngleich mit Wider- 
streben, zulässt. 

y) Antih&retische Schriften. 

676. Übersicht. In der yormontanistischen Periode beschäftigten 
Tertullian die Kämpfe mit dem Heidentum und die inneren Angelegen- 
heiten der christlichen Gemeinde in so hohem Grade, dass die Bestreifaing 
der Ketzer, welche späterhin mit eine seiner vornehmsten Lebensaufgaben 
ausmachte, noch nicht im Vordergrund stand. Doch legte er in dieser 
Zeit das Fundament zu seinen ketzerbekämpfenden Schriften, indem er 
den Generaleinwand, der allen Häresien entgegenzusetzen sei, feststellte; 
derselbe geht dahin, dass die Häresie als eine Neuerung sich dadurch 
als der Abfall von dem Ursprünglichen, Wahren charakterisiere. Diesen 
Satz führt er in der Schrift de praescriptione haereticorum durch. 
Aber auch die speziellere Widerlegung häretischer Systeme stellt er be- 
reits in dieser Schrift in Aussicht. Nicht im Zusammenhang mit dieser 
schriftstellerischen Thätigkeit steht die Schrift gegen die Juden. Es ist 
wahrscheinlich, dass dieselbe in den Anfang seiner Wirksamkeit gehört. 

Hier soll noch bemerkt werden, dass die erste Auflage des Antimarcion in die 
nächste Zeit nach de praescr, ha er et. gehört; vgl. Hauck p. 188. 

676. De praescriptione haereticorum (über die Einrede gegen 
die Häretiker). Die häretischen Streitigkeiten hatten zur Zeit Tertullians 
einen solchen Umfang angenommen, dass nicht wenige Christen in ihrem 
Glauben erschüttert wurden, zumal wenn sie die zahlreichen Übertritte 
wahrnahmen. Es war daher eine Belehrung sehr am Platz. Tertullian 
gab eine solche und erörterte zuerst das Verhältnis der Häresie zum 
orthodoxen Glauben. Er that dar, dass die Häresie als ein von Gott 
zugelassenes Übel zu betrachten sei, dass sie ihren Ursprung in der Regel 
aus der Philosophie nehme, und dass sie auf einer falschen Anwendung des 
biblischen Satzes „Suchet und ihr werdet finden" beruhe. Aber noch not^ 
wendiger war es, die Stellung zu bestimmen, welche der Gläubige dem 
Häretiker gegenüber einzunehmen habe. Tertullian ist gegen jede Dis- 
putation mit den Häretikern auf Grund der Schrift, weil dieselbe in der 
Regel resultatlos verlaufe. Er zeigt einen anderen Weg, indem er fordert, 
dass man von jedem materiellen Eingehen auf den Streitpunkt absehe und 
rein formalistisch zu Werke gehe. Er nennt sein Verfahren praescriptio und 
bezeichnet damit die im Prozess vorkommende Einrede (gewöhnlich exceptio 
genannt). Die Einrede, die jedem Häretiker entgegengestellt werden kann, 
besteht nun darin, dass derselbe nicht im stände ist, seine Lehre unmittelbar 
auf die Apostel zurückzufuhren. Die wahre Lehre kann nur die sein, welche 
die Kirche von den Aposteln und dadurch von Christus selbst erhalten 
und bewahrt hat; die Häresie ist dagegen die spätere Neuerung. Die 
Häretiker sind also gar keine Christen und haben kein Recht auf die 
heilige Schrift, 



Quintua SeptimiiiB Florena Tertallianas. 259 

Für die Abfassungszeit fehlen genauere Indizien; nur soviel lässt sich sagen, 
dass die Abhandlung den Schriften, welche die speziellen Irrlehren behandeln, vorausgeht ; 
vgl. den Schluss: Sed nunc quidem generaliier actum est nohis adversus hdbreaes omnea — . 
De reliquo — etiam specialUer quibusdam respandehimus. Dagegen spricht nicht adv. 
Marc. 1, 1 8ed alius libellus hunc grtidum sustinebit adversus hcireticos, etiam sine re- 
tractatu doctrinarum revincendos, quod hoc sint de praescriptione novitatis, da sustinehit 
hier nur eine bescheidene Aussage markieren, keineswegs aber besagen soll, dass er erst 
in Zukunft darttber schreiben will (vgl. Aber dieses Futur Kellvbb, Tttb. Theol. Quartalschr. 58 
[1876] p. 234). Die Schrift ist also vor 207 abgefasst, fällt aber in die vormontanistische 
Zeit. Das geht schon daraus hervor, dass TertuTlian, wenn er Montanist gewesen wäre, in 
den zweifelhaften, strittigen Fällen die Entscheidung durch die neue Prophetie hätte anf&hren 
mflssen. FQr Nichtmontanismus spricht auch die Behandlung der Stelle Job. 16, 13 (c. 22) 
und ,die Verteidigung der Vollkommenheit der apostolischen Erkenntnis* (vgl. Nbandbb 
p. 314, Havck p. 167, BoNWBTSCH p. 46, 13). 

677. Adversus ludaeos. Die Veranlassung der Schrift ist folgende : 
Es fand eine Disputation zwischen einem Christen und einem zum Juden- 
tum übergetretenen Heiden statt. Die Unterredung zog sich bis zum 
Abend hin und konnte nicht volle Klarheit schaffen. Die Lücke soll die 
vorliegende Schrift ausfüllen. Der brennende Punkt liegt in dem Nach- 
weis, dass auch die Heiden an der Gnade Gottes Teil haben, darauf führen 
die Weissagungen. Es ist unrichtig, erörtert weiter der Verfasser, dass 
nur für ein Volk das Gesetz gegeben sei. Die mosaische Gesetzgebung 
schliesst nur die Weiterentwicklung des Gebotes, das Adam und Eva im 
Paradies erhielten, in sich, sie ist daher nicht unabänderlich. Weder die Be- 
schneidung noch die Sabbatheiligung waren von allen Zeiten her da; sie 
können daher auch wieder beseitigt werden wie die irdischen Opfer der 
Juden. Ein neues Gesetz verkünden die Weissagungen, es ist das Gesetz 
der Liebe, welches an Stelle des Gesetzes der Vergeltung treten soll.*) 
Es handelt sich also noch um den Nachweis, dass dieses Gesetz wirklich 
gegeben worden ist, dass der verheissene Christus wirklich erschienen ist. 
Um den festen Beweis dafür zu geben, muss gezeigt werden, dass die 
alttestamentlichen Weissagungen erfüllt sind. Die Verbreitung des Christen- 
tums legt Zeugnis ab für die Erfüllung der Stelle Jesaias 46, 1. Chrono- 
logische Berechnungen beweisen, dass auch die Geburt, das Leiden Christi 
und die Zerstörung Jerusalems vollkommen mit der von dem Propheten 
Daniel vorausgesagten Zeit übereinstimmen. Also ist es irrig, müssen wir 
folgern, noch auf Christus zu warten, er ist vielmehr erschienen. 

Bisher verlief die Untersuchung in durchaus geordneter Weise. Mit 
dem 9. Kapitel erscheint die Schrift in einem ganz anderen Licht. Es 
beginnt ein Exzerpt aus dem dritten Buch des Antimarcion. Wie wir 
unten*) sehen werden, richtet sich dieses Buch gegen die Behauptung Mar- 
cions, dass der in dem alten Testament verheissene Christus noch gar 
nicht erschienen sei, und dass der auf die Welt gekommene Christus mit 
jenem alttestamentlichen nichts zu thun habe. In diesem Punkt berühren 
sich also die Marcioniten mit den Juden. Beide leugnen, dass Christus 
mit dem im alten Testament verkündeten identisch sei, beide behaupten, 
dass derselbe noch erscheinen werde, aber damit hört die Gemeinsamkeit 
auf, mit dem neuen Gott Marcions haben die Juden nichts mehr zu thun. 
Es ist ersichtlich, dass für eine Schrift gegen die Juden auch der Anti- 

») c. 3. i «) p. 280. 

17* 



260 Bömiflohe Litteratiirgeflohiolite. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilang. 

marcion Material liefern kann. Allein es gehört einige Überlegtheit 
dazu, um etwas, was fiir einen andern Zweck bestimmt ist, sieh dienst- 
bar zu machen. Vergleichen wir nun die Ausführungen unserer Schrift 
mit den betreffenden Partien des Antimarcion, so sehen wir sofort, dass 
die Herübernahme so ungeschickt als möglich ausgefallen ist. Es kann 
daher keine Rede davon sein, dass etwa Tertullian diese Ungeschicklich- 
keit begangen, denn es finden sich Fehler, wie sie nur ein elender Stümper 
sich zu schulden kommen lässt. Das Verhältnis ist vielmehr aller Wahr- 
scheinlichkeit nach dies, dass die Schrift gegen die Juden von Tertullian 
nicht vollendet wurde und dass ein Dritter das Fragment zur Vollständig- 
keit ausgestalten wollte. 

TertullianB Schrift unvollendet. Dass die ersten acht Kapitel von Tertullian 
herstammen, kann nicht wohl bestritten werden. Die Frage ist nun, ob auch im folgenden 
noch Tertullianisches Qut zu finden oder ob alles von c. 9 an dem Kompilator zuzuweisen 
ist. Das letzte nimmt Nzasdbb in seinem Antignosticus p. 458 an, das erste P. Coessek 
(Altercatio, Berl. 1890 p. 9): ^Es kommen in dem zweiten Teile längere Abschnitte vor — 
dahin zählt vor allen Dingen die grossere Hälfte des 18. Kapitels — die man vergebens 
an dem Orte sucht, woher das Uebrige stammt, und die der Eimdungskraft des Bearbeiters 
nicht wohl zugetraut werden kOnnen, in denen vielmehr unzweifelhaft sich Tertullian aus- 
spricht." 

Das Verhältnis des zweiten Teils zu 1. III adveraus Marcionem. Sbmlkr 
(Oehler III 620) hat in bequemer Weise die beiden Texte einander gegenübergestellt Die 
ungeschickte Art des Interpolators soll an einigen Beispielen dargethan werden : c. 9 (723 
Oehler) nee hoc enim novum acripturis divinia, figurate uti tranalatiane nominum ex com- 
paratione criminum, Nam et archontaa Sodomarum appellat arckontaa veatroa. Im Anti- 
marcion 8, 13 hiess es novum creatori. Der Epitomator hat vergessen, dass acripturi^ 
divinis ,appellant* erforderlich macht, c. 9 (720 0.) at noa e contrario admonendos eos 
exiatimatnmua, uti cohaerentia quoque huiua capituli recognoscant. Im Original heisst es 
c. 12: at ego te admonebo, uti cohaerentia quoque utriuaque capituli recognoacaa. Die in 
Frage stehende Bibelstelle war aus Stellen von zwei Kapiteln zusammengesetzt, daher 
utriuaque capituli. Der Kompilator verkannte dieses Verhältnis und schrieb huiua statt 
utriuaque. Tertullian liebt es den Marcion direkt anzureden. Der Kompilator mnas als 
Subjekt ludaei einführen, allein im Laufe der Untersuchung vergisst er das eingeführte 
Subjekt, und es erscheinen wieder inquia, non negahia u. s. w. Ganz verkehrt ist das 
generaliter des Originals (3, 17) in apecialiter verwandelt (c. 9 p. 726 0.). Vgl. Haück 
p. 92 und besonders Cobssen (Die Altercatio p. 4), der schlagende Beispiele beibringt 

Der Ansicht, dass unsere Schrift im letzten Teile unecht ist und der unechte Teil 
aus Antimarcion und aus einer neueren Quelle zusammengesetzt ist, tritt nach dem Vor- 
gange Orotemeyers neuerdings Noeldechen entgegen in der Schrift TertuUians gegen die 
Juden, Leipzig 1894 (XII. Band der Texte und Untersuchungen, herausgegeben von Gkb- 
HABDT und Habnack 4. 2) Noeldechen hält an der Einheit und Echtheit der ganzen Schrift 
fest und nimmt an, dass Tertullian im Antimarcion die Schrift gegen die Juden benutzt 
habe, deren Entstehungszeit er in die Jahre 195—196 verlegt (p. 87).*) 

Die Abfassungszeit Die von Tertullian selbst herrührende Partie zeigt noch 
keine Spur von Montanismus, vgl. die Stelle über die Gnadengabe c. 8 baptizato Chriato 
— omnia plenitudo apiritalium retro chariamatum in Chriato ceaaerunt, aignante viaionem 
et prophetiaa omnea, quaa adventu auo adimplevit . ünde firmiaaime dicit adventum eiua 
aignare viaua et prophetiam, 

B. Werke ans der montanisilBchen Zeit. 

678. Der Montanismus. Um in das Wesen des Montanismus ein- 
zudringen, hat man sich vor allem vor Auge zu halten, dass derselbe seine 
Quelle in einem überspannten religiösen Gefühl hat. Diese Überspannung 
ist aber durch den Glauben hervorgerufen, dass das Ende der Welt nahe 
sei, dass Christus demnächst erscheinen und das tausendjährige Reich hier 
auf Erden aufrichten werde. Hat ein solcher Gedanke einmal die ganze 

') Ein ehemaliger ZuhOrer von mir wird die Unrichtigkeit der Noeldecben'schen Auf- 
stellungen genauer darlegen. 



QnintQB Septimins Hörens Tertallianas. 261 

Seele ergriffen, so muss er auf die Gestaltung des Lebens den weit- 
gehendsten Einfluss ausüben. Und dieser Einfluss wird sich darin äussern, 
dass das Leben nur als eine Vorbereitung auf das demnächst eintretende 
Ende angesehen wird. Der Montanismus muss damit notgedrungen zu 
einer Steigerung des christlichen Lebens nnd zur Weltflucht kommen. Die 
Quellen bestätigen diese Schlussfolgerung. Die Montanisten sind die 
Rigoristen der Kirche. Ihren Rigorismus bringen sie besonders auf zwei 
Gebieten zur Geltung, auf dem Gebiet der Ehe und auf dem Gebiet des 
Fastens. Dort verwerfen sie die zweite Ehe, hier verschärfen sie die Ge- 
bote. Man sieht, es bricht der Kampf gegen das Fleisch hervor. Aber 
noch in anderen Dingen, in der Bussdisziplin und im Martyrium vertreten 
sie extreme Anschauungen. In eigentlich dogmatische Fragen einzugehen, 
lag für sie kein Anlass vor. Nicht Spekulation will das überspannte 
religiöse Gefühl, sondern Äusserungen und Thaten. Hätte der Montanismus 
sich nur in der Steigei*ung des religiösen Lebens bewegt, so hätte die Kirche 
über denselben hinwegsehen können, und sie hat dies auch thatsächlich viel- 
fach gethan. Allein es kam bei diesen Rigoristen noch etwas hinzu, was un- 
bedingt zum Bruch mit der Grosskirche führen musste. Das war die Vision, 
die Frucht des überreizten religiösen Gefühls. Schon der Stifter Montanus 
hatte ekstatische Zustände, neben ihm werden Frauen genannt, Maximilla 
und Prisca (Priscilla), welche in den Zustand der Verzückung kamen und in 
solchem redeten und prophezeiten. Diese Reden betrachtete man als das 
Werk des hl. Geistes, des Parakleten, der sich durch den Mund der Verzück- 
ten ausspreche. Der Mensch ist wie eine Leier, die mit dem Plektron von 
der Hand des Parakleten gerührt wird. Solche Aussprüche sanmielte man 
und betrachtete sie als verbindliche Sätze. Damit war aber ein wichtiges, 
neues Prinzip aufgestellt, nämlich dass die Offenbarung durch den Herrn 
und die Apostel noch nicht zur Vollendung gekommen ist, sondern dass 
sie erst durch diese neue Wirksamkeit des hl. Geistes erfüllt wird. Diese 
Offenbarung hat zum Ziel, alle Zweifel, die in Bezug auf die Glaubens- 
wahrheiten auftreten, zu lösen, dann in Bezug auf die Disziplin neue Be- 
stimmungen zu treffen, welche zur Vorbereitung auf die letzten Dinge 
dienen können. Eine Anerkennung dieser neuen Prophetie war mit den 
Grundlagen der allgemeinen Kirche nicht vereinbar; denn eine Organisation 
derselben wäre in diesem Fall nicht möglich gewesen. Wie sollte sich 
ein Schriftkanon bilden, wie sollte die apostolische Tradition festgehalten 
werden, wie konnte der Bischof als Hüter und Interpret der Glaubens- 
regel auftreten, wenn plötzlich sich der Paraklet durch irgend einen Gläu- 
bigen offenbarte? Es musste daher eine Scheidung eintreten. Die Monta- 
nisten stellen sich jetzt als Pneumatiker (spiritales) den Gliedern der 
Grosskirche als Psychikern gegenüber; sie wollen ja im Dienst des Para- 
kleten stehen, während die Katholiken nur eine fleischliche Gemeinschaft 
darstellen. 

üeber den Ausdruck Peychiker ist zu bemerken, dass pnyehicus hier soviel ist 
als anifnalia, d. h. fleischlich. Paul. 1 Gor. 2, 14 «//vjfixoc cf^ äy&gamog ov cf^/erat tä tov 
TtyevfjiaTog roi> ^eov, Text. adv. Marc. 2, 2 hotno animalis non reeipiens quae sunt spiritus 
(über den Gegensatz Voigt, Eine verschollene Urk. des antimont. kampfes p. 109). 

Der Montanismus in Afrika. Für das Auftreten des Montanismus in Afrika 



262 Bömisohe Litieratargeschiohie. n. Die Zeit der Monafohie. 2. Abteilung. 

liegt UDS ein authentisches Dokument in den Akten der Perpetua und der Felicitas vor. 
Das Martyrium fallt auf den 7. März des Jahres 202 oder 203. Ein Anhänger des Mon- 
tanismus verfasste den Bericht, der uns auch von der durch den Montanismus angeregten 
Bewegung in der Kirche Kunde gibt. 

Das Verhältnis Tertullians zum Montanismus. Zu beachten ist» dass sich 
TertuUian von Haus aus zu strengen Grundsätzen im christlichen Leben neigte. Der Mon- 
tanismus musste ihm daher von vornherein sympathisch erscheinen. Die Schriften aber, 
in welchen der Autor als Montanist auftritt, zeigen ihn in seinem Verhältnis zum Monta- 
nismus verschieden; wir gewahren nämlich, dass in manchen Schriften er nicbt mehr 
innerhalb der katholischen Kirche steht, während er in andern seinen Montanismus inner- 
halb der Kirche bethätigt. Es ist selbstverständlich, dass uns damit eine Entwicklung 
des Montanismus gegeben wird, die von einer rigorosen Richtung innerhalb der Kirche zu 
einer Scheidung von derselben führte. Von den Schriften, welche nach dem völligen Brach 
Tertullians mit der Kirche geschrieben sind, ist f&r uns datierbar die dritte Ausgabe des 
Antimarcion, welche in das Jahr 207 fällt. Die meisten Werke unserer Periode gehören 
der letzten Entwioklungsphase an, die besonders scharf ausgeprägt in den Schriften 
de monog.y de ieiunio und de pudicitia (um 217) vorliegt. Dagegen zeigen die Schriften 
de virainibus velandis, de exhort, cc^itatis, adversus Hermog., adversua VfUentinianos 
entweder nur geringe Spuren der montanistischen Gesinnung oder Sparen eines ge- 
mässigten Montanismus und werden daher vor der Trennung geschrieben sein, wenn 
auch das bezüglich der einen oder anderen Schrift nicht mit Sicherheit behauptet 
werden kann. 

Litteratur: Schweglbb, Der Montanismus und die christl. Kirche dee 2. Jahrb., 
Tübingen 1841; Bonwetsch, Die Geschichte des Montanismus, Erlangen 1881; Belek, 
Geschichte des Montanismus, Leipz. 1883; Ritschl, Die Entstehung der altkath. Kirche-, 
Bonn 1857 (Der Montanismus 46^—574); Rolffs, Urkunden aus dem antimontanistischen 
Kampfe in Texte und Untersuchungen von Hamack u. Gebhardt XII, 4, Leipzig 1895. 

et) Antinationale Schriften. 

679. Übersicht. Die Schriften, die wir hier aufzuzählen haben, 
gruppieren sich um eine Christenverfolgung, die in Afrika in den Jahren 
211 und 212 stattfand. Die Weigerung eines Soldaten, bei der Ver- 
teilung eines kaiserlichen Geschenkes sich zu beki*änzen, hatte das Volk 
gegen das Christentum erbittert. TertuUian verteidigte das Vorgehen des 
Soldaten in der Schrift de corona. Wie schon früher, so will er auch 
durch diese Schrift alles, was mit dem Heidentum in Beziehung steht, 
von den Christen fem halten. In die Verfolgung, die sich an das ange- 
gebene Ereignis anschloss, griff TertuUian mit drei Schriften ein; in einer 
wandte er sich an den Statthalter Scapula, um ein Ende der Verfolgungen 
herbeizuführen. Auf der anderen Seite wollte er aber auch für die Ehre 
des Martyriums eintreten; in einer Schrift über die Flucht tadelte er 
die Christen, welche sich dem Martyrium durch die Flucht entzogen; in 
einer zweiten Scorpiace bekämpfte er die Gnostiker, welche die Not- 
wendigkeit des Martyriums bestritten. 

Ueber den Zusammenhang der vier Schriften vgl. bes. Neuhann, Der römische Staat 
und die aUgemeine Kirche 1, 182; Nobldbchbk, Abfassungszeit p. 89. 

680. De Corona (gegen die Bekränznng der Christen). Bei der 

Verteilung des kaiserlichen Donativum nach dem Tode des Septimius 
Severus hatte ein Soldat, statt nach der Sitte den Eranz auf das Haupt 
zu setzen, denselben in der Hand getragen. Dieses Verfahren des Soldaten 
erregte Aufsehen und Anstoss. Die Sache ward untersucht; der Soldat 
bekannte sich als Christ und wurde ins Gefängnis gesetzt. Von den 
Christen wurde der Fall verschieden beurteilt; der grösste Teil scheint 
das Vorgehen des Soldaten als eine unnötige Provokation angesehen zu 



Qiiintns Septimins Florena Tertnllianaa. 263 

haben von der Ansicht ausgehend, dass die Bekränzung ja durch die 
heilige Schrift nicht verboten sei. Da griff Tertullian mit einem Schrift>- 
chen ein und lieferte den Nachweis, dass dem Christen die Bekränzung 
untersagt sei. Er beruft sich auf die stete hier obwaltende Praxis 
der Christen, der eine bestimmte Tradition zu Grunde liegen müsse. 
Auch die Tradition ist für den Christen verbindlich, wie durch mehrere 
interessante Beispiele aus dem christlichen Leben dargethan wird. 
Übrigens lasse sich diese Überlieferung auch als eine durchaus vernünftige 
und begründete erweisen. Die Bekränzung ist unnatürlich, der Kranz 
auf dem Haupt gewährt nicht den Genuss, für den die Blumen be- 
stimmt sind. Aber abgesehen davon ist die Bekränzung überhaupt unzu- 
lässig, weil sie durchaus heidnischen Ursprungs ist und mit dem Götter- 
kultus aufs engste zusammenhängt; weder das alte noch das neue Testa- 
ment kennen die Bekränzung. Da es sich im vorliegenden Fall um den 
Soldatenkranz handelt, so erörtert unser Autor noch eine andere Frage 
von fundamentaler Bedeutung, ob überhaupt der Soldatendienst mit 
dem Christentum vereinbar sei, und verneint sie; im besonderen zeigt 
er noch, wie gerade die militärische Bekränzung mit heidnischen Institu- 
tionen ganz besonders in Verbindung stehe. 

Dies ist der wesentliche Inhalt der Schrift, welche auch darum all- 
gemeines Interesse darbietet, weil das gelehrte Material aus einer Schrift 
des Claudius Saturninus „über die Kränze ** entnommen ist. 

Die Abfassungszeit ist August oder September 211. Die Geldspende bezieht 
sich auf die liberalitas, welche nach dem Tode des Septimius Severus (4. Feor. 211) seine 
Söhne Severus Antoninus und 6eta gewährten und die auch in den Provinzen ausbezahlt 
wurde. Der Vorfall, dass sich ein Soldat weigerte, sich bei dieser Gelegenheit zu be- 
kränzen, regte wiederum den Haas gegen die Christen nach einer langen Friedenszeit 
auf (o. 1 mussitant tarn bonam et longam sün pacem perielitari); es begannen wieder die 
Verfolgungen in Afrika durch Scapula. Als T. de eorana abfasste, hatte die Verfolgung 
noch nicht begonnen, aber sie drohte bereits (Schkidt, Rhein. Mus. 46. Bd. [1891] p. 82). 

Montanismus, c. 1 plane superest, ttt etiam martyria reeusare meditentur, qui 
prophetias eit*sdetn Spiritus sancti respuerunt. Also die neue Prophetie ist von der Gross- 
kirche verworfen. Sehr wichtig ist noch folgende Stelle (c, 1): nee dubito quosdam scrip^ 
turas emigrare, sarcin<is expedire, fugae accingi de civitate in civitatem . NuUam enim 
aliam evangelio memoriam curant . Nopi et ptistores eorum in pace leones, in proelio cervos. 
Denn danach scheint es, dass die Montanisten schon ihre eigenen Geistlichen hatten. 

681. Ad Scapulam (an Scapula gegen die Verfolgiing der 
ChriBten). Nach dem Tode des Septimius Severus (4. Februar 211) 
wurde die Lage der Christen eine kritische. Die Weigerung des christ- 
lichen Soldaten, den Kranz auf sein Haupt zu setzen, scheint nicht ohne 
tiefe Einwirkung geblieben zu sein. In Afrika proconsularis hatte der 
Statthalter Scapula wilde Verfolgungen eingeleitet. Tertullian richtet 
daher eine kleine Schrift an denselben. Nicht Furcht, sagt er im Ein- 
gang, sei das Motiv, sondern die von dem Christentum vorgeschriebene 
Liebe zum Feind. Mit dem Bekenntnis, dass die Christen an einen Gott 
glauben, während die Heiden mehrere Gtötter verehren, die aber für die 
Christen nichts als Dämonen sind, setzt das Thema ein, um dann zu dem 
wichtigen Satz überzugehen, dass der Glaube eine individuelle Angelegen- 
heit sei, und dass Zwang auf diesem Gebiet ausgeschlossen bleiben müsse. 
Opfer, die erzwungen werden, können auch für die Götter keinen Wert 



264 Bömiaohe Litteratargeschiohte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

haben. Die Beschuldigung, dass die Christen sich gegen die Majestät 
des Kaisers vergehen, ist unbegründet, sie geben ihm das, was sie ihm 
geben können, indem sie ihn ehren, lieben und fUr ihn dem einzigen Gott 
Opfer darbringen. Der Hauptnachdruck des Schriftchens liegt aber in 
dem Gedanken, dass die Ghristenverfolger das Strafgericht Gottes 
nach sich ziehen. Schon sind bedeutsame Erscheinungen hervor- 
getreten. Der SchriftsteUer führt Beispiele an, wie es Christenverfolgem 
ergangen ist. Er fordert daher den Statthalter auf, den „Kampf mit 
Gotf* zu unterlassen und seines Amtes in humaner Weise zu walten, und 
hält ihm Beispiele der Christenfreundlichkeit vor. Am Schluss wirft er 
noch die Frage auf, was der Statthalter thun würde, wenn sich alle Christen 
in Karthago ihm stellen würden. 

Die AbfasBQngszeit ergibt sich im allgemeinen aus c. 4: ipae etiam Sevenuf, 
pater Antonini, Christianarum memor fuit. Diese Stelle zeigt, das Sepfcimius Severus tot 
war, dass also die Schrift nach dem 4. Febr. 211 abgefasst ist. Daraas aber, dass von 
den Söhnen des Severas nur Antoninas (Garacalla) allein genannt wird (wie gleich darauf 
quem et Anioninus aptime naverat), ist weiter sa folgern, dass die Zweiherrschaft des An- 
toninus und des Geta vorüber, dass also Geta nicht mehr am Leben war. Somit muss 
die Abfassung noch weiter herabgerückt werden, nämlich nach Febr. 212. Noch etwas 
weiter hinab führt uns die Erwähnung einer Sonnenfinsternis (c. 3), welche mit Recht 
auf die vom 14. Aug. 212 bezogen wird (Joh. Schmidt, Ein Beitrag zur Chronologie der 
Schriften Tertullians, Rh. Mus. 46 [1891] 77). 

682. De faga in persecutione (ttber die Flucht bei einer Christen- 
Verfolgung). Als TertuUian seine Schrift über die Bekränzung schrieb, 
bewegte noch eine andere Streitfrage die christlichen Gemeinden, nämlich 
ob man bei Ausbruch einer Christenverfolgung fliehen dürfe. 
Auch hier griff TertuUian mit einer Broschüre ein, in der er sich auf den 
strengen Standpunkt stellt und die Frage verneint. Das Schriftchen 
knüpft an ein Gespräch mit Fabius an, welches durch den Zutritt einiger 
Persönlichkeiten abgebrochen wurde. ^) Um die Basis für seinen schroflFen 
Standpunkt zu gewinnen, untersucht TertuUian zuerst, ob die Verfolgung 
ein Werk des Teufels oder ein Werk Gottes sei. Wenn auch der Teufel 
unleugbar seine Hand im Spiel hat, so steht doch für TertuUian fest, dass 
die Verfolgung ein Werk Gottes ist, da ihr Endzweck ein guter ist, die 
Glaubensstärke der Christen zu erproben. Die sich daraus ergebende 
Folgerung, dass man vor dem, was uns Gott geschickt, nicht fliehen 
dürfe, liegt auf der Hand. Die Vertreter der milderen Anschauung liessen 
es nicht an Ausflüchten fehlen. So meinten sie, dass die Flucht vor der 
Gefahr schütze, seinen Glauben zu verleugnen. Allein TertuUian läset 
diesen Einwand nicht gelten. Noch einschneidender war die Berufung 
der Gegner auf Matth. 10,23 „Wenn sie euch aber in einer Stadt 
verfolgen, so flieht in eine andere!* Diesem Einwand begegnet 
TertuUian dadurch, dass er die aUgemeine Geltung des Satzes leugnet. 
Mit Kap. 12 beginnt die Erörterung einer zweiten Materie, bei der es 
sich zwar auch um die Abwendung der Verfolgung handelt, aber nicht 



*) Merkwürdig ist die Aehnlichkeit der 
Eingangsworte: quaesistiproanme, Falnf rater, 
fuffiendum necne ait in persecutione mit 



Tacit, dial. sctepe ex me requiris, Juste Fabi, 
cur, cum etc. 



Qninins Septimins Florena TertulliannB. 265 

durch Flucht, sondern durch Erkaufung der Sicherheit; allein die 
Erkaufung kommt im Wesen der Flucht gleich J) 

Abfaesangszeit. De cor, 1 kflndigen unsere Broschüre die Worte an: sed de 
qwieMionibus confessionum alibi docebimus, 

Montanismus. c. 1 pracuranda atUem examinatio penes vos, qtii si forte para- 
cletum non recipiendo deductorem omnis veriitUis merito <idhuc etiam aliia quaestionibus 
öbnoxii estis, c. 11 si et apiritum quis agnoverity audiet fugüivos denatantem. c. 14 et 
ideo paracletua necessarius, deductar omnium veritatum, exhortator omnium tolerantiarum. 
Quem qt$i receperunt, neque fugere persecutionem neque redimere noverunt, habentes ipsum 
qui pro nobis erit, sicut locuturus in interrogatione, ita iuvcUurus in passione. Früher 
während der severischen Yerfolgang hatte T. die Flacht noch für erlaubt angesehen {ad 
ux, 1, 3, de pat. c. 13); als Montanist verwirft er sie. 

Ueber die Materie vgl. das Kapitel XIII (la fuite devant la peraieution) in Lb Blant, 
Les Peraicuteurs et les Martyrs, Paris 1893. 

683. Scorpiace (gegen die gnostische Yerwerfting des Hartyrioxns). 

Bei den Christenverfolgungen sprachen sich nicht alle Stimmen für die 
Notwendigkeit des Martyriums aus. Ein Teil der Gnostiker meinte, der 
Christ brauche dasselbe nicht auf sich zu nehmen. Sie stützten ihre An- 
sicht durch verschiedene Gründe, wie: Christus sei ja gestorben, um uns 
vom Tode zu erlösen, Gott dürste nicht nach dem Blut der Menschen, die 
Reue des Sünders sei ihm lieber als dessen Tod, ^) man brauche Gott 
nicht vor den Menschen zu bekennen, sondern dafür sei der Himmel der 
richtige Platz,*) auch habe man der Obrigkeit zu gehorchen.'*) Die Leute, 
welche solche Ansichten verbreiten, sind in den Augen des TertuUian 
Skorpionen gleich, und darum nennt er seine gegen sie gerichtete Schrift 
Scorpiace, d. h. Gegenmittel gegen den Skorpionenstich. Die Bekämpfung 
dieser Gegner stützt sich auf die heilige Schrift; zuerst zieht er die Bücher 
des alten Testaments heran, dann (c. 9) die des neuen. Nach zwei Haupt- 
gesichtspunkten ist die Materie behandelt, einmal nach der Notwendigkeit, 
indem gezeigt wird, dass Gott das Martyrium will, dann nach der Heil- 
samkeit für die Menschen, indem dargelegt wird, dass es zum ewigen 
Leben diene, und dass es ein Wettkampf in der Bethätigung des 
Glaubens sei. 

Abfassungszeit. Hingewiesen wird aof das Werk adv. Marcion. in c. 5 longum 
est, ut deum meum bonum ostendam, quod iam a nobia didicerunt Marcionitae, 

ß) Christlich-praktische Werke. 

684. Übersicht. Wir haben es hier mit sechs Schriften zu thun; 
während fUnf sich mit wichtigen praktischen Fragen beschäftigen, steht 
die über den Philosophenmantel ganz fUr sich da. Sie ist ein heiteres 
Intermezzo in den fortwährenden Kämpfen Tertullians. Er hatte statt 
der Toga den Philosophenmantel als Tracht angenommen, und als darüber 
viel gesprochen wurde, sich in launiger Weise dagegen verteidigt. Allein 
da die Schrift einen asketischen Zug hat, musste derselben hier ihr Platz 
angewiesen werden. Von den übrigen Schriften behandelt de virginibus 
velandis die Frage, ob auch die Jungfrauen den Schleier tragen sollen, 
de exhortatiane c($siitatis hat zum Ziel, das Verbot der zweiten Ehe nach- 



0. 12 sicut fuga redemptio gratuita 
est, ita redemptio nummaria fuga est, 
«) c. 1. 



») c. 10. 
*) c. 14. 



266 Bömisohe Litteratnrgesoliioliie. ü. Die Zeit der Monarokie. 2. Abteilung. 

zuweisen; mit demselben Thema beschäftigt sich die Schrift de nwna- 
gamia; de ieiunio verteidigt die strenge Fastendisziplin; de pudicitia die 
strenge Bussdisziplin. Während in der Schrift über den Philosophen- 
mantel Anspielungen auf den Montanismus der Natur des Themas gemäss 
völlig fehlen, lassen die übrigen Schriften alle den Verfasser als Monta- 
nisten erkennen. Doch erscheint sein Montanismus in den zwei Schriften 
de virginibus velandis und de exhortatione castitatis in milderer Form, 
während in den drei übrigen Schriften die schärfste Trennung zwischen 
dem Montanismus und dem Katholizismus vorliegt. 

Die Schriften de monogamia, de ieiunio und de pudicitia bilden eine zusammen- 
hängende Gruppe; vgl. Hoin7BTSOH p. 55. 

685. De pallio (Schutzschrifk für das Tragen des Philosophen- 
mantels). Tertullian hatte die römische Toga abgelegt und das Pallium 
genommen. Tadelnden Äusserungen, welche ihm über diesen Wandel der 
Kleidung zu Ohren kamen, setzt er diese Flugschrift entgegen, die von 
bitterer Satire, aber auch wieder von Humor überfliesst. Im Eingang 
spricht er sein Erstaunen aus, dass die Karthager so viel Zeit übrig 
haben, um sich auch um solche Dinge zu kümmern; dies lässt darauf 
schliessen, dass die allgemeinen Verhältnisse sich jetzt recht glücklich ge- 
staltet haben. Den Tadel seiner Landsleute muss er jedoch als unberechtigt 
zurückweisen. Die Toga, das sollten die Karthager niemals vergessen, 
ist das Zeichen ihrer Unterjochung; denn dieses Kleid wurde ihnen von 
den siegreichen Römern aufgedrängt. Inwiefern die Änderung des Ge- 
wands anstössig sein solle, vermag Tertullian in keiner Weise einzusehen. 
Der Wandel ist ja ein Naturgesetz, die Welt ändert sich, die Erde bleibt 
nicht immer dieselbe, auch die Völker lösen sich ab, selbst die Gegenwart 
unter den erlauchten Kaisern bietet uns Umgestaltungen in Hülle und 
Fülle. Auch die Tiere verändern ihr Äusseres, und die Kleidung hat 
einen langen Entwicklungsprozess durchgemacht, bis sie von der Befrie- 
digung der natürlichen Bedürftiisse bis zum Luxus sich erhob. Weiterhin 
erscheint dem Autor sonderbar, dass die Karthager, die doch sonst die 
Griechen so gern nachahmen und zwar auch in Dingen, die nicht nach- 
ahmungswürdig sind, jetzt gerade an dem griechischen Pallium so Anstoss 
nehmen. Jede Kleidung sei berechtigt, solange sie nicht gegen die Natur 
Verstösse. Gegen die Natur aber Verstösse es, wenn der Mann sich als 
Frau kleidet. Scharf werden daher Achilles, Herakles und Alexander 
gerügt, die in dieser Beziehung sich vergangen haben. Auch die Ver- 
schiebung der Unterschiede in der Kleidung findet in ihm einen scharfen 
Tadler. Es sei eine grosse Verirrung, wenn z. B. die Matrone sich wie 
eine Hure kleide und die Hure wie eine Matrone. Ja selbst in Bezug 
auf die Bequemlichkeit ist das Pallium der Toga vorzuziehen, denn die 
Toga legt ihrem Träger viel mehr Sorgfalt als das Pallium auf. Zuletzt 
lässt der Autor den Mantel selbst das Wort ergreifen. Offen bekennt 
dieser, dass er kein Staatskleid sei und daher dem öffentlichen Leben fem 
bleiben müsse. Er kümmert sich lediglich um sich selbst und hat ein 
Recht, zunächst für sich zu leben. ') Allein trotzdem darf der Mantel be- 

Geistreich wird dies so ausgedrückt (c. 5): nemo alii naseUur moriturus »ibi. 



Qaintus Septimins Florens Tertnllianns. 267 

anspruchen, dass er für das allgemeine Wohl thätig ist. Er ist ein Pro- 
test gegen die Verweichlichung und Entartung, gegen den Ehrgeiz, gegen 
den Luxus. Nicht bloss die Philosophie hüllt sich in das Pallium, sondern 
auch der Grammatiker, der Rhetor, der Sophist, der Arzt, der Dichter, 
der Musiker, der Astrolog.') Aber dem Pallium ist noch grössere Ehre 
widerfahren, es ist zum Ghristenkleid geworden. Daher kann ihm der 
Verfasser zurufen: Freue dich und frohlocke Mantel; eine höhere Weisheit 
hüllst du ein, seitdem du das Kleid der Christen geworden bist. 

Das Schriftchen ist barock, aber durchaus geistreich und originell. 
Auch die entlegensten Dinge weiss der Autor mit seinem Stoff in Ver- 
bindung zu bringen. Auch der Stil bietet die kühnsten Neuerungen dar, 
eine prägnante, gesuchte Redeweise wird angestrebt. Die Broschüre bietet 
dem Leser viele Dunkelheiten dar und ist schwer zu verstehen; aber in dem 
Gestrüpp stecken oft tiefe Wahrheiten. 

Wann hat Tertullian diese Schrift geschrieben? In den Jahren 208 
bis 211. Sie fällt also in seine montanistische Periode und zwar in die 
Zeit, in der er sich von der Kirche getrennt hatte. Es ist eine an- 
sprechende Vermutung, dass Tertullian auch äusserlich durch die An- 
nahme des Pallium seinen Bruch mit ^er allgemeinen Kirche kund gab.^) 

Abfassungszeit. c. 2 Sed vanum tarn antiquitas, qtiando curricula nastra coram, 
quantum ref&rmavU orhis scteculum istud, quantum urbium aut produxU atU auxU atU 
reddidit praesentis imperii triplex virtus: Deo tot Augustis in unum favente quot 
census transcripti, quot populi repugnati, quot ordines iUustratif quot barbari exclusi! 
Revera orhis eultissimum huius imperii rua est.eradicato omni aconito hostilitatia et cacto 
et ruibo mbdolae famüiaritatia convulso eto. Die Zeitbestimmung geben uns die Worte 
imperii triplex virtus an die Hand. Von 208 — 211 (dem Todesjahr des Severus) waren 
drei Augusti vorhanden, Geta und Caracalla und Severus, von 198 — 208 zwei Augusti, 
Caracalla und Severus. Die Schrift fällt also in die Zeit von 208—211. Und da der l^ede 
im Reiche erwfthnt wird, wahrscheinlich ins Jahr 208 vor Ausbruch des batavischen 
Krieges, der in demselben Jahr erfolgt ist (Hauck, Tertullian p. 381 Anm. 1). 

Von Montanismus finden sich keine Spuren, obwohl die Schrift in die monta- 
nistische Epoche des Autors fällt. Zu einem Eingehen auf montanistische Streitfragen 
bot eben das Thema keinen Anlass. 

Eine ausführliche Analyse gibt Boissibb, La fin du Paganisme, T. 1, Paris 1891 
p. 259—804. Vgl. femer Eellnbb, üeber Tertullians Abhandlung De paüio und das Jahr 
seines Uebertritts zum Christentum (Theol. Quartalschr. Bd. 52 [1870] S. 547—566). 

686. De yirginibus velandis. Die zu beweisende Thesis, die Tertullian 
gleich im Eingang der Schrift aufstellt, ist, dass die Jungfrauen mit dem 
Zeitpunkt, da sie aus der Kindheit treten, verschleiert werden. Den 
Gegenstand hatte er schon vorher in einer griechischen Schrift behandelt, 
jetzt führt er das Thema in lateinischer Sprache durch. Er hebt mit sehr 
beachtenswerten Worten das fortdauernde Walten des Parakleten in Be- 
zug auf das kirchliche Leben hervor. Wer diesen Parakleten hört, ver- 
schleiert die Jungfrauen. Ganz abgesehen davon, dass die Verschleierung 
dem jungfräulichen Wesen besser ansteht, verlangt die Wahrheit, d. h. 
die hl. Schrift dieselbe. Er geht nun daran, diesen Nachweis zu führen, 
wie er bereits de or. 20 gethan. Wenn ferner die kirchliche Zucht die Ver- 



*) Barock sagt Tertullian (c. 6): omnis Salhastos, der in seiner Ausgahe der Schrift 



liberalitas studiorum quattuor meis anguiis 
tegitur. 

') Havok, Tertallian p. 881. Unrichtig 



de paUio, Leyden 1656 p. 63 statuiert, Ter- 
tullian hahe das Pallinm zugleich mit dem 
Preshyteimt angenommen. 



268 RömiBche Litteratnrgeschiobte. 11. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

ßchleierung der Frauen verlangt, so sind auch die Jungfrauen mit inbe- 
griffen. Weiterhin hebt er hervor, dass ja auch im männlichen Geschlecht 
nicht zwei Kategorien durch ein äusseres Zeichen unterschieden werden. 
Nachträglich macht er noch eine Bemerkung über den Zeitpunkt, in 
dem die Verschleierung einzutreten habe; es ist die Zeit der Reife. 
Manche Jungfrauen, fahrt der Autor fort, gehen verschleiert auf den 
Strassen, sind aber un verschleiert in den Kirchen. Dies rügt er als eine 
Inkonsequenz. Auch als Ermunterung, die Jungfräulichkeit zu bewahren, 
lässt er die Verschleierung nicht gelten. Die Jungfrau soll nicht als 
solche hervortreten. Kurz, Schrift, Natur und kirchliche Disziplin stimmen 
darin überein, dass sich die Jungfrauen verschleiern sollen. Mit einer 
eindringlichen Mahnung an die Jungfrauen und Frauen, sich zu ver- 
schleiern, schliesst die Schrift. 

Ueber den Inhalt der Schrift vgl. Rolffs, Urkunden aus dem antimontanisiischen 
Kampfe, Leipz. 1895 p. 75 u. p. 80. (Texte und Untersuch. XII. Bd. 4. H.) 

Montan ismus. c. 1 propterea paracletum {misU) dominus, tU, quoniam humana 
tnediocritas omnia semel capere non poterat, paulatim dirigeretur et ardinaretur et ad 
perfectum perduceretur diseipUna ab illo vicario domini, spiritu sancto; vgl. Joh. 16, 12 quae 
est ergo paracleti administratio, nisi haec, quod discipHna dirigUur, quod scripturae reve- 
lantur, quod inteUectus reformatur, quod ad meliora proficitur? 

Abfassungszeit. Hier kann nur so viel gesagt werden, dass eine Ausscheidung 
der Montanisten aus der Kirche noch nicht stattgefunden hat; denn nirgends tritt in dem 
Schriftchen die Trennung in zwei Kirchen hervor (für die Abfassung nach dem Bruch 
RiTSCHL, Altkath. Kirche ' p. 548). 

687. De exhortatione castitatis (Ermahnung zur Zflchtigkeit). 

iSchon in den Büchern an seine Frau hatte Tertuliian sich mit dem Pro- 
blem beschäftigt, ob eine zweite Ehe gestattet sei. Damals hatte er 
zwar derselben den Rat gegeben, eine zweite Ehe nach seinem Tod 
zu unterlassen, allein zu einem Verbot war er noch nicht vorge- 
drungen. Dies geschah in der Schrift, welche den Titel führt: „de ex- 
hortatione castitatis^. Ein äusserer Anlass führte die Entstehung dieser 
Broschüre herbei. Ein Freund Tertullians hatte seine Frau durch den 
Tod verloren; Tertuliian sucht den Witwer durch die genannte Schrift zu 
bestimmen, keine zweite Ehe einzugehen. Der Beweis, dass die Wiedei> 
Verheiratung christlichen Grundsätzen widerspreche, konnte nicht gelingen. 
Besonders der deutliche Ausspruch des Apostels Paulus (1 Cor. 7, 39) bildet 
eine unübersteigliche Grenze. Der Autor stösst uns daher mit seinen De- 
duktionen, welche eine im voraus verlorene Sache stützen wollen, in hohem 
Grade ab, zumal er den Charakter des ehelichen Instituts in seiner Be- 
deutung herabsetzen muss. 

Die Abfassungszeit. Die Schrift de exhortatione ging der Schrift de monog. 
voraus; denn die letztere zeigt einen Fortschritt in der Behandlung des Themas vgl. Bon- 
WETSOH p. 57, wo eine Vergleichung derselben Gedankenreihe, wie sie in den drei Schriften 
ad uxorem, de exhart,, de monog, erscheint, gegeben ist. In de monog, ist auch der Ton 
schärfer. Rolffs nimmt 1. c. p. 87 an, dass die Schrift nicht vor 213 geschrieben sei. 

Der Montan ismus liegt klar vor in folgender Stelle, die sich nur im Agobardinus 
findet (c. 10): Item per sanctam prophetidem Priscam ita evangelizatur , quod sanctus 
minister sanctimoniam noverit ministrare. Purificantia enim caneordat, ait, et iHsiones 
vident et ponentes fadem deorsum etiam voces audiunt manifestas, tarn saJutares quam et 
occüUas, Aber sonst finden sich nur leise Spuren des Montanismus. Sie gehört wohl in 
die Zeit vor der f^nnhchen Trennung. 



Quintiui Septimiiui Florens Tertollianas. 269 

688. De monogamia (ttber die Einehe). Es ist das die dritte 
Schrift, in der das Thema der Einehe oder das Verbot der Wiederver- 
heiratung für Verwitwete behandelt wird. In derselben tritt der monta- 
nistische Standpunkt stark hervor. Gleich im Eingang wird in scharfer 
Antithese die Mittelstellung des Montanismus zwischen den Häretikern, 
welche die Ehe überhaupt verdammen, und den Psychikem, welche die 
wiederholte Ehe gestatten, hervorgehoben. Auch in dieser Abhandlung 
kehren die sophistischen Argumente und die haarsträubenden Interpreta- 
tionen von Bibelstellen wieder, allein die Argumentation findet jetzt eine 
Stütze in dem Parakleten, der gegen die Wiederverheiratung ist (c. 14). 

Eine Analyse der Schrift liefert Rolffs, Urkunden aus dem antimontanistischen 
Kampfe, Leipz. 1895 p. 50. Er will den Nachweis liefern, dass Tertullian die Quellen- 
Schrift des Epiphan. (Haer. 48, 1—13) hek&mpfe, und dass diese Quellenschrift auf Hippolyt 
zurückgehe. 

Die Abfassungszeit. Eine chronologische Angabe will Tertullian machen c. 3, 
indem er sagt, dass von der gegenwärtigen !Zeit noch mehr gelte als von der Zeit des 
ersten Korintherbriefs: tempua in coUecto factum est annia circiter CLX exinde productia. 
Also er rechnet von dem ersten Korintherbrief bis auf die Zeit, in der er diese Schrift 
achrieb, c. 160 Jahre. Nimmt man als Entstehungsjahr fOr den ersten Korintherbrief 57 
an, so würde sich beiläufig für unsere Schrift 217 ergeben. Der Zusammenhang, in dem 
diese Schrift mit de pudieitia und de ieiunio steht, bestätigt diese Berechnung (vgl. Har- 
MAOK, Zeitschr. f. Kirchengesch. 2, 581). 

Der Montanismus ist ein stark ausgesprochener, er nennt die Katholiken pay^ 
chici (c. 1. 11) und stellt sich in Gegensatz zu denselben: c. 1 penea noa, quoa apiritalea 
merito diei faeit agnitio apiritalium chariamatum — Sed paychicia non recipient^ua api" 
ritum ea qtiae aunt apiritua non pUicent, c. 2 monogamiae diaciplinam in haereaim 
exprobrant nee ulla magia ex eauaa paracletum negare coguniur, quam dum exiatimant 
norae diaeiplinae inatitutionem c. 14 cur non et paracletua ahatulerit quod Paulua indulait 
— nova pfophetia (abatulit) aecundum matrimonium, 

689. De ieiunio adversus psychicos (ttber das Fasten). Ausser der 
zweiten Heirat, welche die Montanisten verwarfen, die Psychiker d. h. die 
Anhänger der alten Richtung gestatteten, war auch noch das Fasten ein Zank- 
apfel zwischen den Gemässigten und den Rigoristen in der Kirche. Man warf 
den Montanisten vor, dass sie ein obligatorisches Fasten einführten, wo es in 
der Orosskirche dem individuellen Bedürfnis anheim gegeben war, dass sie 
die Stationstage über die regelmässige Zeit bis zum Abend ausdehnten und 
dass sie Xerophagie und Enthaltsamkeit vom Bade in die Fastendisziplin 
aufiiahmen. In dieser montanistischen Praxis erbUckte man eine Neuerung, 
welche unter die Häresie oder unter die Pseudoprophetie falle. ^) Diesen 
Vorwürfen gegenüber sucht Tertullian nachzuweisen, dass das Fasten durch 
das Essen Adams vom verbotenen Baum notwendig geworden sei, dass 
aber auch das Fasten nützlich sei, an und für sich und als Abwehr gött* 
lieber Strafen. Weiterhin wahrt er sich gegen den Vorwurf, als seien 
die Xerophagien eine Neuerung; er findet sie schon in der hl. Schrift an- 
gedeutet. Dann wendet er sich zu dem Differenzpunkt bezüglich der 
Stationstage, der darin bestand, dass die Psychiker das Fasten mit der 
neunten Stunde, d. h. mit drei Uhr nachmittags beendigt wissen wollten, 
während die Montanisten dasselbe bis zum Abend erstreckten. Endlich 



') c. 1 novitatem obieetant, de euiua m- 
Uciio praeaeribant aut hofreain iudicandam, 
$i humana praeaumtto eat, aut paeudopro- \ 



phetiam pronuntiandam , ai apirUalia in* 
dietio est. 



270 fiOmiBche LiiteratargeBohiohte. n. Die Zeit der Xonaroliie, 2. Abteilimg. 

erörtert er noch, dass die streng geregelte Fastendisziplin der Montanisten 
weder auf Häresie noch auf Pseudoprophetie beruhe, sondern völlig recht- 
mässig sei. 

Eine Analyse der Schrift gibt Rolffs, Urkunden ans dem antimontanistischen 
Kampfe, Leipzig 1895. 

Das Wesen der Xerophagien ergibt sich aus den Vorwürfen der Psychiker 
(c. 1): arguunt nos, quod ieiunia propria ctistodiamus, quod Stationen plerumque in vesperam 
producamuSy quod etiam xerophagias ohaervemus sieeantes eibum ab omni carne 
et omni iurulentia et uvidioribus quibusdam pomie nee quid vinositatis 
vel edamua vel potemua; lavacri quoque abatinentiam, congruentem arido 
victui. 

Die Stationes sind Fasttage am Mittwoch und am Freitag, c. 2 stcttionum, quae 
et ip8ae auos quidem dies habeant quartae feriae et sextae (c. 14) c. 10 aeque stationes 
nostra» ut indictM, quasdam vero et in serxim constitutas novitatis nomine ineusant, hoc 
quoque munus et ex arbitrio obeundum esse dicentes et non tdtra nonam detinendum. Die 
Einrichtung dieser Fasttage wurde damit begründet, dass Christus am Mittwoch yenraten 
wurde und am Freitag starb. Die Beweisstellen bei Funk in Kraus* Realencyklopädie II 282 ; 
vgl. auch RoLFFs 1. c. p. 39. 

Die Abfassung der Schrift fällt nach de monogamia c. 1 de modo qtUdem 
nubendi iam edidimus monogamiae defensionem, 

Quelle. Die Vorwürfe gegen die Mont. Fasten sind hier so bestimmt gefasst, nicht 
minder die positiven Aufstellungen der Katholiken, dass die Vorlage eines gegnerischen 
Werkes vollKommen wahrscheixilich wird. Möglich ist, dass T. bei seiner in diesen mon- 
tanistischen Hauptschriften eingehaltenen Methode, die hl. Schrift in der Reihenfolge: Gesetz, 
Evangelium und Apostel durchzugehen, den kleinasiatischen antimontanistischen Schriften 
folgt. BoitwsTSCH, Die Schriften T., p. 65. Bolffs sucht 1. c. nachzuweisen, dass Tertnllian 
eine antimontanistische Schrift vor Augen habe, und dass diese von dem römischen 
Bischof Kallistus verfasst worden sei. Allein der Beweis erscheint nicht als gelungen. 

Der Montanismus zeigt sich in schroffer Form. Die Katholiken heissen Psy- 
chiker c. 1, er tritt ihnen c. 1 aufs heftigste entgegen: piget iam cum talibus congredi, 
pudet etiam de eis altercari, quorum nee defensio vereeunda est. c. 12 plane vestrum est 
in carceribus popinas exhibere martyribus incertis. c. 16 deus tibi venter est et pulmo 
templum etc. 

690. De pudicitia (ttber die Keuschheit). Auch diese Abhandlung 
ist eine Streitschrift. Ein Ausspruch des obersten Bischofs hatte Anlass 
dazu gegeben. Bisher wurden die drei Sünden, Götzendienst, Ehebruch, 
Mord als solche angesehen, welche von der Kirche nicht vergeben 
wurden. Der römische Bischof Kallistus hatte diese Trias durchbrochen, 
indem er ein Edikt erliess des Inhalts, dass die Sünden der Hurerei und 
des Ehebruchs denen, welche Busse gethan, vergeben werden können. 
Gegen diese Verfügung^) kämpft TertuUian aufs heftigste an; er tadelt 
es scharf als eine Inkonsequenz, die Unzucht aus der IMas loszulösen und 
sie milder als die beiden anderen Sünden zu beurteilen. Die Basis der 
Widerlegung findet er in der hl. Schrift; hier liegt ihm aber eine doppelte 
Aufgabe ob, einmal Stellen beizubringen, welche geeignet sind, seine 
rigorose Ansicht zu stützen, dann einer Stelle, auf welche die Gegner re- 
kurrieren, ihre Beweiskraft zu benehmen. Dies geschieht oft in sehr 
gezwungener Weise. Seine Theorie in Bezug auf die Sündenvergebung 
ist folgende: Die Sünden, die vor der Taufe begangen wurden, kann die 
Kirche vergeben, von den Sünden nach der Taufe nur die geringeren ; die 



>) £ine Rekonstruktion derselben ver- p. 48 und Rolffs, Das Indulgenzedikt d. röm. 

sucht £. Pbeuschbk, Tertullians Schriften Bisch. Kallistus in Texte u. Untersuchungen 

de poenitentia xmd de pudicitia mit Rücksicht ' XI 8, 1893; vgl. femer Harnaok, Geschichte 

auf die Bussdisziplin unters. Giessen 1890 j der altchristl. Litt. 1, 603. 



Quinta« Bepümina Florens Teriiillianas. 271 

Vergebung der schweren Sünden muss der göttlichen Qnade vorbehalten 
bleiben. Wenn die Apostel solche schwere Sünden vergeben, so waren 
sie dazu durch die Wunder, die sie ausrichteten, legitimiert. Der Satz, 
dass die Kirche die Macht habe, die Sünden zu vergeben, ist zwar in der 
Theorie richtig, allein sie wird es hier nicht thun wollen, da durch eine solche 
Vergebung der Kirche ein grosser Schaden erwächst. Übrigens kommt 
dieses Recht nicht der Kirche der Katholiken zu, sondern der Geistes- 
kirche d. h. der montanistischen. Scharf tadelt er, dass auch den Mär- 
tyrern das Recht der Sündenvergebung eingeräumt wird. 

Ueber die Bussdisziplin der Montanisten vgl. Bonwbtsgh, Die Geschichte des 
Montanismus p. 108; Habnack, Art. Lapsi in der Realencyklopädie von Herzog 8, 420. 

Die Abfassungszeit. Dass unter dem pontifex maximua c. 1 aller Wahrschein- 
lichkeit nach EallistuB zu verstehen ist, zeigt Habnack, Zeitschr. fQr Eirchengesch. 2, 582. 
Die Schrift ist also in der Zeit von 217 — 222 geschrieben. Früher sah man als Autor des 
peremptorischen Ediktes Zephjrin an (vgl. Langen, Qesch. d. röm. Kirche, p. 220; Döllikgbb, 
Hippolytus und Eallistus p. 126). 

Der Montanismus der Schrift ist der extreme. Die Eatholiken heissen psychiei 
(c. 1 ; c. 6). c. 21 eccleaia quidem delicta donabit, aed ecclesia spirUua per spiritalem haminem, 
non eccUsia numerus episcoporum, c. 22 tnartyras tuos, c. 7 procedant ipsae picturae 
calicum vestrarum, 

y) Antihftretische Werke. 

691. Übersicht Auch nachdem Tertullian sich dem Montanismus 
angeschlossen hatte und selbst nachdem er aus der Grosskirche ausge- 
schieden war, hörte er nicht auf, die christlichen Wahrheiten gegen die 
Ketzer zu verteidigen. Er erkannte wohl mit scharfem Blick, dass die 
Niederwerfung der Gnosis eine Lebensfrage für das Christentum war. 
Diesem Kampf sind die Schriften gegen Hermogenes und gegen die 
Valentinianer gewidmet. Ausser den Gnostikem war dem Christentum 
ein höchst gefahrlicher Feind in Marcion erwachsen, da dieser Häretiker 
eine grosse organisatorische Kraft besass und es mit ihr zu einer fest- 
geschlossenen Kirchengründung brachte. Gegen ihn schrieb Tertullian sein 
grösstes Werk, fünf Bücher adver sus Marcionem. In der Trinitätslehre 
hatte Praxeas mit vielem Glück die monarchianische Auffassung vertreten ; 
auch dessen Bekämpfung war eine für das Christentum wichtige Sache; 
Tertullian nahm dieselbe vor in der Schrift gegen Praxeas. Häretische 
Lehren berühren auch die Monographien über die Seele, über den 
Leib Christi und über die Auferstehung des Fleisches. Von 
diesen kann die zuerst genannte auch ein sehr hohes allgemeines Inter- 
esse für sich in Anspruch nehmen, da wir hier grosse Partien aus einem 
Werk des griechischen Arztes Soranos vor uns haben. 

692. Die Onosis. So lange das Christentum sich vorwiegend aus den 
niederen Kreisen der Gesellschaft ergänzte, waren Glaube und Hoffnung 
die massgebenden Faktoren in seinem Leben; der Glaube, dass Gott seinen 
einzigen Sohn, Jesus Christus, den Menschen geschickt habe, die Hoffnung, 
dass Jesus bald wiederkommen werde, um sein himmlisches Reich aufzurich- 
ten ; dieser Glaube und diese Hoffnung gaben den ersten Christen die Kraft, 
ein sittenreines, Gott gewidmetes Leben zu führen. Anders gestaltete sich 
die Sache, als das Christentum in stets wachsender Zahl Anhänger aus den 
Kreisen der besseren Gesellschaft erhielt. Diese brachten natürlich ihre 



272 BömiBche Litteratargesohichte. IL Die Zeit der Xonarohie. 2. Abteilung. 

heidnische Bildung mit ins Christentum und es stellte sich bei ihnen das 
Bedürfnis ein, ihr bisheriges Wissen mit dem christlichen zu vergleichen 
und eine neue Grundlage fär ihre Bildung zu gewinnen. So wurde statt 
des Glaubens und der Hoffaung die Erkenntnis das treibende Element 
im Christentum. Diese Erkenntnis ging nicht darauf aus, die in dem 
Christentum liegenden Gedanken herauszustellen und in systematische Form 
zu bringen, sondern ihr Streben war vielmehr dahin gerichtet, dem Christen- 
tum die heidnischen Philosopheme dienstbar zu machen. Solche lagen in 
reicher Fülle vor. Nicht bloss das Griechentum, sondern auch der Orient 
hatte eine Reihe von Ideen aufgespeichert. Dieselben hatten vielfach Be- 
rührungen mit religiösen Problemen und sogar zu kultisch asketischen 
Formen geführt. Es lag daher sehr nahe, christliche und philosophische 
Ideen zu kombinieren. Der Synkretismus war ja überhaupt ein hervor- 
stechender Zug jener Zeiten. In der Ausfiihrung wurde die christliche 
Religion als die absolute angenommen, allein ihr historischer Inhalt wurde 
verflüchtigt, das Heilsprinzip zurückgeschoben und kosmologische Prin- 
zipien in den Vordergrund gestellt. Eigentümlich ist die Form der gnosti- 
schen Spekulation, indem sie mit Vorliebe die Allegorie verwendet und 
an Stelle der Begriffe mythologische Formen einführt. 

Es ist klar, dass die christliche Religion an einen Wendepunkt ihres 
Seins gelangt war, es handelte sich um die Entscheidung, ob der Glaube 
durch ein Wissen ersetzt werden, und ob das Christentum in eine philo- 
sophische Lehre aufgelöst werden sollte. Gewiss hatte die hellenische Philo- 
sophie grossen Einfluss auf die wissenschaftliche Gestaltung des Christen- 
tums gewonnen, allein der Weg, den sie damals dem Christentum zeigte, 
war nicht der richtige, die Kirche überwand jene Formen der Erkenntnis, 
um in ruhiger, allmähliger Entwicklung eine neue zu gewinnen, welche 

dem christlichen Geist entsprach. 

Quellen des Gnostizismus. Unsere Hauptquelle für die Kenntnis des Gnostisbrnos 
sind die Kirchenväter. Von der gnostischen Litteratur besitzen wir grösstenteils nor Frag- 
mente, femer die Pistis Sophia, die koptischen Schriften des codex Bruciantts und den 
Brief des Ptolemäus an Flora, Fragmentsammlung bei Grabe, Spicilegium T. 1. II, Oxf. 
1700; VoLKMAB, Die Quellen der Ketzergeschichte 1855; Hilgenfbld, Die Ketzergeschichte 
des Urchristentums, Leipzig 1884; Lipsius, Quellen der ältesten Ketzergeschichte, Leipzig 
1875; Lipsius, Zur Quellenkritik des Epiphanios, Wien 1865; A. Harnaok, Zur Quellenkritik 
der Geschichte des Gnostizismus, Leipzig 1878; Hilgbnfeld, Judentum und Judenchristentum, 
Leipz. 1886; Habnack, Dogmengeschichte 1 >, 211; I. Kuvzb, De historiae gnosticismi fonttbus 
novae quaestianes criticae, Leipz. 1894; Habnack, Theologische Litteraturztg. XIX 1894, 340 f. 

Allgemeine Werke. Nbandkb, Genet. Entw. d. vornehmsten gnostischen Systeme, 
Berlin 1818; Baue, Die christliche Gnosis, Tübingen 1835; Lipsius, Der Gnostizismus (in 
Ersoh. u. Grubers Allgem. Encyklopädie 71. Bd. [1860]); Kino, The gnostics and their remains, 
London 1887 ; Mansel, The gnostic Heresies of the 1 and 2 cent. Edit. hy Lightfoot 1875 ; 
Jacobi, Art. «Gnosis* in Herzogs R.Encykl. 2. Aufl.; Kbügeb, Geschichte der altchiist- 
lichen Litteratur in den ersten drei Jahrhunderten, Freibiurg und Leipzig 1895 p. 43 If. 
Habnack, Geschichte der altchristlichen Litteratur, Leipzig 1893, I 143; Lipsius, Die apo- 
kryphen Apostelgeschichten, I. Bd. 1883, II. Bd. 1. Abt. 1887, 2. Abt. 1884. Ergänzungsh. 1890. 

Einzelne Systeme. G. Heinbioi, Die valentinianische Gnosis und die M. Schrift, 
Berlin 1871; Lipsius, Art. Valentin im Dietionary of Christ, Biogr., Habnack, Art Valentin 
in der Encykl. Britt.; J. N. Gbubeb, Ueber die Ophiten, Würzburg 1864 ; A. Habnack, De 
ApeUis gnosi monarchica, Lips. 1874; Ders., Sieben neue Bmchsäcke der Syllogismen des 
Apelles in Texte und Untersuchungen VI 3, 1890 p. 109—120; KGstlin, Das gnost. System 
der Pistis Sophia in Theol. Jahrb. XIII, 1854, p. 1—104, 137-196; Habnack, Texte und 
Untersuchungen VII 2, 1891; C. Schmidt, Gnostische Schriften in koptischer Sprache aus 
dem Codex Brucianus (Texte u. Untersuchungen VllI 1. 2, 1892). 



Qnintus Saptimina Florens TertallianuB. 



273 



693. Adversus Hermogenem (gegen die Ewigkeit der Materie). 

Den Maler Hermogenes hatte das Problem des Verhältnisses zwischen Gott 
und Welt zu tiefsinnigen Untersuchungen angeregt. Fest stand ihm der 
Satz, dass Gott die Welt erschaffen habe. Schwierigkeiten stellten sich 
ihm aber gegenüber, als näher festgestellt werden sollte, in welcher Weise 
diese Schöpfung vor sich ging. Hermogenes sagte, es lassen sich drei 
Möglichkeiten denken. Die erste ist die, dass Gott die Welt aus seinem 
Wesen gebildet habe, die andere, dass Gott die Welt aus nichts geschaffen 
habe, die dritte, dass neben Gott eine ewige Materie bestehe, und dass 
Gott aus dieser Materie die Welt geschaffen. Die beiden ersten Theorien 
erscheinen ihm widerspruchsvoll. Die Emanationstheorie setzt Veränder- 
lichkeit und Teilbarkeit Gottes voraus, diese Eigenschaften aber wider- 
streiten der Anschauung, welche wir von dem göttlichen Wesen haben. 
Da er noch auf andere Widersprüche mit dem göttlichen Wesen in jener 
Theorie stiess, so war sie für ihn beseitigt. Aber auch der Schöpfung 
aus nichts stand nach seiner Anschauung ein unübersteigliches Hinder- 
nis gegenüber. In der von Gott geschaffenen Welt findet sich unstreitig 
das Böse. Wie soll nun dies erklärt werden? Gott ist doch durchaus 
gut und kann auch nur Gutes wollen. Wenn er aus nichts schuf, war es 
doch selbstverständlich, dass er dann etwas schuf, was seiner Natur ent- 
sprach, also nur Gutes, denn in diesem Fall war ja lediglich sein Wille 
massgebend. Sonach fiel auch die zweite Annahme weg. Es blieb also 
nur die dritte übrig, Gott schuf die Welt aus der ewigen, nicht erschaf- 
fenen und nicht gewordenen, unendlichen Materie.^) Interessant ist es 
nun, dass diese Lehre von der Ewigkeit der Materie von Hermogenes 
nicht bloss spekulativ, sondern auch durch die Schrift begründet wurde. 
Dieser Versuch eines Schriftbeweises ist interessant, weil eruns zeigt, wie 
sehr die Gesetze einer vernünftigen Exegese verletzt werden konnten. 
Um seine Ewigkeit der Materie aus der Bibel zu erweisen, scheut er sich 
nicht, die Anfangsworte der Genesis „Im Anfang '^ auf dem schon vorhan- 
denen Urstoff zu deuten. Die nächste Aufgabe für Hermogenes war, die 
Eigenschaften der Materie festzustellen; dies war keine leichte Aufgabe, 
er durfte ihr keine Attribute beilegen, die schon eine bestimmte Körper- 
lichkeit bezeichnen, er musste ihr Gegensätze zuschreiben, um damit die 
Möglichkeit der Entfaltung nach zwei Seiten zu kennzeichnen.^) Die Krone 
der ganzen Spekulation gipfelte in der Darlegung der göttlichen schöpfe- 
rischen Thätigkeit. Dieselbe nimmt einen ziemlich phantastischen Verlauf. 
Damit Gott auf die Materie einwirken kann, muss zwischen ihm und ihr 
etwas Gemeinsames vorhanden sein, es ist dies die Bewegung.^) Aber die 
Bewegung Gottes ist eine geordnete, die Bewegung der Materie dagegen 
ist eine wirre, er stellte sich daher den Urstoff unter dem Bilde eines 
brodelnden, überfliessenden Kochtopfes vor. Die Materie ist daher von 



^) c. 1 materiam cum domino paseit, 
quae et ipsa semper fuerit, neque nata neque 
facta nee initium Juibens nee finem, ex qua 
dominus omnia poatea fecerit. 

*) z. B. c. 85 neque corporalis neque in^ 



corporalis; o. 37 nee bona nee mafa, 

') c. 42 commune atäem infer illa facis 
(deum et materiam), quod a aemetipsis mo- 
ventur — sed detuf composite, materia in» 
condiie moventur. 



Handbuch der Umm. AltertnmawifMenscbaft. VUI. A. Teil, 



18 



274 Bömisohe LitieratargeBchiohie. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilmig. 



Sehnsucht nach Gestaltung durch die Gottheit erfüllt. Diese vollzieht aber 
Gott nicht in der Weise, dass er durch die Materie hindurchgeht, sondern 
dass er ihr bloss naht und durch seinen Glanz und seine Schönheit wirkt. >) 

Unleugbar ist Hermogenes ein scharfsinniger und interessanter 
Denker; er behandelt Probleme, die auch heutzutage noch die Geister be- 
wegen, und wir finden bei ihm Äusserungen, die auch jetzt noch ihren 
Wert haben, wie z. B. die Bestreitung des Satzes, dass das Böse not- 
wendig sei als Folie des Guten.') Freilich hat auch er wie die Gnostiker 
nicht ganz den phantastischen Zug in seiner Spekulation abstreifen 
können. 

Die Widerlegung TertuUians ist dialektisch scharf, nur von gehässigen 
persönlichen Ausfällen vermag er sich nicht frei zu halten. Man darf auf 
Grund derselben wohl vermuten, dass TertuUian mit Hermogenes persön- 
lich bekannt war ; der Häretiker wird also eine Zeitlang in Karthago gelebt 
haben. Auch ist TertuUian nicht ganz gerecht, es ist ihm mehr darum zu 
thun, einzelne, aus dem Zusammenhang gerissene Sätze ad absurdum zu 
führen, als das ganze System vorurteilsfrei zu würdigen. 

Quelle TertuUians war vielleicht die Schrift des Theophiloe von Antiochia (f etwa 
182), welche sich gegen die H&resie des Hermogenes gerichtet hatte (Eusebius h. e. 4, 24 
rov di SsoffiXov — tgia rd ngog JvröXvxoy atoixBKudrj q>eQettti avyyQttfÄfjtaTa xai aXlo 
ngog xijy algeciy 'Egfioyiyovg tijy intygafprjy ^/oi', 4y ^ ix t^f anoxaXvtfßemg 'Itaarrov 
*^XQV^^^ f^ixQtvgiais (Habnack, Geschichte der altchristl. Litteratur 1, 200). 

Ueber Hermogenes vgl. Hiloenfrld, Ketzergeschichte des Urchristentums (Leipz. 
1884) p. 558, wo die hauptsächlichsten Fragmente zusammengestellt sind. Notwendig ist 
eine scharfe Rekonstruktion der Lehre des Hermogenes. Nobldbchbk (TertuUian p. 203) 
weist die vielfache Uebereinstimmung des Systems des Hermogenes mit dem des nach der 
Mitte des zweiten Jahrh. lebenden syrischen Griechen Numenios auf. 

Die Abfassungszeit. Das Werk fällt vor de anima; denn dort c. 21 heisst es inesse 
nobis To (tvTB^ovaMy naturalUer tarn et Marcioni ostendimus et Hermogeni. adv, Hermog. c. 10 
audictt et Hennogenea, dum alibi de malt ratione distinguimus. c. 16 igitur in praestructume 
huiua articuH et alihi foraitan retractandi beziehen sich auf Marc. 2, 5—10 und 14 und 
zwar nimmt man an, dass bereits auf die erste Ausgabe des Marcion diese Anspielung 
geht. Auch nach de prcteacr. müssen wir es setzen nach c. 1 aolemus haeretieis fom- 
pendii gratia de posteritate praescribere. Der Montanismus des Vf. liegt indirekt vor in 
seinem Urteil über die Wiederverheiratung des Hermogenes (c. 1 pingit ülicite, nubit 
assidue, legem dei in libidinem defendit, in artem contemnit vgl. Nbaitoer p. 344), 

694. Adversus Valentinianos (gegen die yalentinianische Onods). 

Unter den Gnostikern ist nach dem einstimmigen Urteil der Theologen 
der bedeutendste und hervorragendste Valentinus. Seine Blüte fällt in die 
Regierungszeit des Antoninus Pius, nach 140.*) Als Tertullian seine Schrift 
schrieb, war daher Valentinus nicht mehr am Leben. Aber seine Schule 
war noch in voller Blüte. Sie war über das ganze römische Reich ver- 
breitet und in zwei Hauptrichtungen gespalten, in eine italische und in 
eine orientalische. Beide Sekten unterschieden sich dadurch von einander, 
dass die orientalische sich treuer an die Lehren des Stifters hielt als die 



^) c. 44 wird als eine Aeusserung des 
Hermogenes angef&hrt non (deua) pertran- 
8ien8 ilktm (materiam) facit mundum, aed 
aolummodo apparena et adpropinquana 
ei, aicut faeit qui decor aolummodo ap- 
parena et magnea lapia aolummodo adpro- 
^inquana. 



*) c. 15 Hermogenea expugnat quaruf^ 
dam argumentationea dieentium mala neees- 
aaria fuiaae ad inluminationem bonorum ex 
eontrariia inteUigendam, 

') Irenaeus adv. haer. 3, 4, 3. HEnruci, 
Die valentinianische Gnosis p. 10; Hilgsn- 
FBLD, Ketzergeschichte p. 285. 



QuintaB Septimiiui Florens Tertallianns. 275 

italische. Einer so stark verbreiteten antikirchlichen Richtung konnte Ter- 
tullian nicht gleichgiltig gegenüberstehen; er wendet sich daher in seinen 
Schriften öfters gegen die valentinianische Onosis,') er widmet derselben 
sogar eine eigene Schrift. In derselben geht er aber ganz anders zu Werk 
als in den Bestreitungen des Marcion und des Hermogenes; er will nicht 
in die Tiefen des Systems eindringen und dasselbe mit den Waffen der 
Wissenschaft bekämpfen, er steckt sich ein geringeres Ziel, er will das- 
selbe lächerlich machen. Zu dem Zweck beschränkt er sich auf die ins 
Scurrile gehende Darstellung der valentinianischen Lehre. Sein Material 
entnimmt er aus der Eetzerbestreitung des Irenaeus; die Entlehnung be- 
ginnt mit dem siebenten Kapitel. Selbständigkeit können daher nur die 
ersten sechs Kapitel beanspruchen, die wir kurz skizzieren wollen. Der 
Eingang weist auf den esoterischen Charakter der Schule hin. Bei den 
Valentinianem geht es zu wie bei den eleusinischen Mysterien. Ihre Ge- 
heinmisthuerei prägt sich auch in den Unterredungen aus. Fragt man sie 
etwas, so nehmen sie eine ernste Miene an und sagen „das liegt sehr 
tief*. Sie wollen eher bereden als belehren, während doch bei der Wahr- 
heit das Umgekehrte der Fall ist. Auf die ausserhalb der Sekte Stehenden 
sehen sie mit einem gewissen Mitleid herab, diese erscheinen ihnen einfaltig. 
Allein Tertullian hielt ihnen das Wort der Schrift entgegen. „Seid klug 
wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben**, d. h. er wollte sagen, dass 
die Einfalt der Christen mit der Weisheit verbunden sei. Den Schlangen- 
windungen der valentinianischen Onosis gegenüber liegt die christliche 
Wahrheit einfach und offen da. Die Valentinianer haben allen Grund, mit 
ihren Wunderlichkeiten anfangs zurückzuhalten, um nicht abschreckend zu 
wirken. Allein ihre Geheimnisse müssen und können enthüllt werden. 
Tertullian gibt sofort sein Wissen kund, indem er die Sektenhäupter uns 
vorführt; dann macht er uns mit den Bestreitern der Häresie bekannt. 
Zuletzt berührt er die Frage der griechischen Terminologie und rechtfer- 
tigt sich, dass er viele griechische termini beibehalten müsse. Es folgt 
die Darstellung des Systems. Allein der Autor sieht selbst ein, dass damit 
die Aufgabe nur zum Teil gelöst ist; er nennt daher auch seine Schrift 
nur einen ersten Gang, dem ein zweiter hätte folgen sollen, die Kritik des 
Systems. 

lieber den Charakter der Schrift gibt der Autor c. 6 deutlichen Aufschluas: 
si et ridMtur cUicubi, maUrüs ipsis aatisfiet . MtUta sunt sie digna revinci, ne gramtate 
adorentur, — CongruU et veritati ridere, quia laetans, de aemulis suis ludere, quia seeura 
est. Daas die Schrift nur der Vorläufer einer Bestreitung der valent. Lehre sein kann, 
besagen c. 3 hunc primum euneum congreasionis armavimtia, detectorem et deaignatorem 
tatius eonscientiae iUorum primamque hanc viciariam auspicamur. c. 6 Igitur hoc Hbeüo, 
quo demonatrationem aolutn promittimus illius arcani — quamquam autem distulerim 
congressionem, aolam interim proftasus narrationem — congresaionis luatonetn 
deputa, leetor, ante pugnam. Bonwbtsch (p. 51) schJiesst mit Recht daraus, dass Ter- 
tullian die Absicht hatte, dieser Darstellung eine zweite folgen zu lassen. Er geht noch 
weiter, indem er die Vermutung ausspricht: ,Es ist durchaus möglich, dass T. wirklich 
ein Werk geschrieben, dessen erstes Buch aber nur erhalten ist und diese Möglichkeit er- 
hftlt grosse Wahrscheinlichkeit durch de reaurr, cam, 59, wo eine frühere Schrift T.s 
gegen die Valentinianer erwähnt wird, welche adv, VaJ. 1 (c. 29) gar nicht und auch Scor« 
piace (c. 10) nicht leicht sein kann.* 



*) Eine Sammlung der Stellen bei Habnacx, Geschichte der altchristl. Litt. 1, 117. 

18* 



276 BOmische LitteratargeBohiohte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilnng. 



AbfassungBzeit. Aas c. 16 {fuiec erit materia quae naa commisü cum Hermogene 
ceterisque, qui deum ex materia, non ex nihilo operatum cuncta praeaumunt) folgt, dass 
unsere Schrift später ist als die gegen llermogenes. Sie fällt in die montanistische Epoche 
Tertullians; denn er stellt (c. 5) bei der Aufzählung der Bestreiter des Valentinianismus dem 
Miltiades ecclesiarum aophista den Procains noster gegenüber. Nun scheint aber Miltiades 
(aus der Zeit des Antoninns Pius und Marc Aureis) eine Schrift gegen die Montanisten 
über die Ekstase geschrieben zu haben (Harkack, Gesch. der altchrisÜ. Litt. 1, 255); wir ver- 
stehen sonach, warum T. den Miltiades ecclesiarum aophista nennt. Weiterhin redet er von 
^Proculus noster''. Proculus aber hatte in einer Schrift für den Montanismus gestritten 
(Harnack I. c. 1, 600). Kein ausreichendes Kriterium findet sich für die Entscheidung, 
ob die Schrift vor oder nach dem Austritt aus der Kirche geschrieben ist (Bokwbtsgh, Die 
Schriften Tert. p.51, 33; für die Zeit vor dem Bruch Hauok, Tert. 275,2). 

Quelle. Nachdem er gesagt, dass er auf die Urheber der Sekte eingehen woUe, 
fährt er (c. 5) fort: nee undique dicemur ipsi nobis finxisse materias, quas tot tarn viri 
sanctitate et praestantia insignes nee solum noatri anteceasores, aed ipaorum haereaiarekarum 
contemporalea, inatructiaaimia voluminibua et prodiderunt et retuderunt, tU Juatinua, phi- 
loaophua et martyr, ut Mütiadea, eccleaiarum aophiata, ut Irenaeua, omnium doctrinarum 
curioaiaaimua explorator, ut Proculua noater, Virginia aenectae et Ckriatianae eloquentiae 
dignitaa, quoa in omni opere fidei, quemadmodum in iato, optaverim aaaequi. Seine Quelle, 
aus der er im wesentlichen seinen ganzen Stoff entnimmt, ist Irenaeus' Werk iXayxog xal 
dyaTQonij rrjg \ffevd(oyvfÄOv yyaiaaatg. Sexleb (Oehl. Ill, 658) hat die übereinstimmenden 
Partien der beiden Schriften zusammengestellt und Bemerkungen hinzugefügt. Die c. 7 bis 
33 entsprechen den ersten zwölf Kapiteln des ersten Buchs bei Irenaeus, jedoch finden 
sich Auslassungen und Umstellungen gegenüber dem Original. Sonach können also nur 
die ersten sechs Kapitel als geistiges Eigentum Tertullians betrachtet werden (Heinrici, 
Die valentinianische Gnosis, Berl. 1871 p. 39). Merkwürdige Citate sind: c. 12 eum eog- 
nominant — ut ex omnium defloratione conatructum, Crraculum Aeaopi, Pandoram Heaiodi, 
Acci Patinam, Neatoria Cocetum, Miacellaneum Ptolemaei. c. 14 CatuUi Laureolua. c. 34 
ne apud aoloa Lunenaea Hermaphroditum exiatimet annalium eommentator FeneateUa. Le- 
HASNBüR, Le traitS de Tertullien contre lea Valentiniena, Caen 1886. 

Ueber das System Valentins vgl. Baus, Die christl. Gnosis, Tüb. 1835 p. 124. 

695. Die Häresie Marcions. Der Häretiker Marcion war darum der 
allgemeinen Kirche so gefährlich, weil sich seine Lehre nicht in den 
Schranken der Schule hielt, sondern sich ins Leben umsetzte. Es gab 
fest organisierte marcionitische Kirchen bis ins fünfte Jahrhundert hinein ^) 
und diese Kirchen hatten ihre Bischöfe, Presbyter und Märtyrer. Die Be- 
streitung seiner Häresie war daher fiir den Bestand der katholischen Ge- 
meinde von der grössten Wichtigkeit, und nicht wenige widmeten diesem 
Gegenstand ihre Kräfte.*) Die tiefe Überzeugung, mit der TertuUian 
die katholischen Lehren umfasste, lässt es leicht begreiflich erscheinen, 
dass auch er in einem umfassenden Werk die marcionitische Irrlehre zu 
widerlegen suchte. Dasselbe bildet für uns eine hochwichtige Quelle für 
die Kenntnis der Häresie. Wir geben die wesentlichsten Züge derselben. 

Marcion stammte aus dem Pontus;^) seinem Berufe nach war er 
Rheder.-*) Er kam nach Rom und schloss sich dort der christlichen Ge- 
meinde an, der er ein Geldgeschenk von 200,000 Sesterzien machte.*) In 
Rom kam er auch mit dem Gnostiker Kordon in Berührung.®) Obwohl 
derselbe sicherlich nicht ohne Einfluss auf den pontischen Schiflfsherm war, 
so vermochte er doch nicht, diesen in die trüben gnostischen Spekulationen 
zu verstricken. Marcion ging im wesentlichen seine eigenen Wege und 



*) Adv. Marc. 4, 5. Zahn, Geschichte 
des neutest. Kanons 1, 595. 

^) Vgl. die Uebersicht bei Hilobnfeld, 
Ketzergeschichte p. 318; Zahk 1. c. p. 606. 

•^) TertuUian spottet mit Vorliebe über 
die Heimat Marcions vgl. 1, 1 und nennt ihn 



gern Ponticus (1,2). 

*) 1, 18 noa Marcionem nauelerum no~ 
vimua 3, 6. 

*) De praeacr. c. 30. Adrers, Mareion, 
4, 4. 

«) 1,2. 1,22. 3,21. 4,17. 



Qnintna Septimina Florens Tertnllianns. 277 

trennte sich von der allgemeinen Kirche. Dies geschah nicht vor der 
Regierung des Antoninus Pius, also nicht vor 138. Marcion gelangte zu 
seiner Lehre auf einem ganz einfachen Wege. Er verglich das alte und 
das neue Testament mit einander und fand, da er die allegorischen Deu- 
tungskünste der damaligen Zeit verschmähte, dass der Gott in diesem ein 
anderer sei als in jenem ; der Qott des alten Testaments erschien ihm als 
ein strenger, zorniger und harter Richter, der Gott des neuen als ein Gott 
der Liebe und der Erbarmung. Die Widersprüche, die sich zwischen den 
beiden Testamenten in Bezug auf die Gottheit ergaben, stellte er in einem 
Buch zusammen, dem er den Titel „Antithesen' gab. Eine Identifizierung 
der beiden Gottheiten erschien ihm danach absolut unmöglich, er zog da- 
her die Konsequenz, dass er zwei Gottheiten annahm. Der gute Gott hat 
sich uns als Christus geofifenbart, der strenge ist der Weltschöpfer. Beide 
Gottheiten haben keine Beziehungen zu einander, der gute Gott liess sich 
plötzlich, ohne Wissen des Weltschöpfers, auf die Erde herab, er nahm 
menschliche Gestalt zum Schein an, wurde daher nicht geboren, sondern 
trat plötzlich in der Synagoge zu Kapernaum mit seiner Offenbarung her- 
vor. Er legitimierte sich durch seine Wunder, und Zweck seines Kommens 
war, das Gesetz aufzulösen, nicht wie die Kirche lehrte, es zu erfüllen. 
Der in dem alten Testament verheissene Christus ist ein anderer, noch 
nicht erschienener und nur für das israelitische Volk bestimmter. Auf dieser 
Grundlage schritt nun Marcion kühn weiter. Vor allem stand für ihn fest, 
dass nur die gute Gottheit, die ja allein Erbarmen mit der Menschheit 
habe, für diese massbestimmend sein könne. Dies führte dazu, den alt- 
testamentlichen Gott und mit ihm das alte Testament bei Seite zu schie- 
ben, also eine völlige Trennung des Judentums und Christentums herbei- 
zuführen. Weiterhin ergab sich für Marcion, alles, was an die Schöpfung, 
sonach an den strengen Gott erinnert, geringschätzig zu behandeln und 
so den Geist in Gegensatz zu dem Stoff zu bringen. Es musste sich die 
Askese einstellen, die sogar bis zum Verbot der Ehe fortschritt. Da Mar- 
cion seine Lehre nicht in theoretischem Interesse aufstellte, sondern zu 
dem Zweck, eine Kirche zu gründen, erkannte er die Notwendigkeit, seinen 
Anhängern eine den Glauben normierende Schrift in die Hände zu geben. 
Den Gebrauch der damals in der Kirche rezipierten Bücher konnte er 
seinen Gläubigen nicht vorschreiben; denn sie enthielten zu vielerlei, was 
seiner Lehre widersprach. Diesen Widerspruch erklärte Marcion damit, dass 
schon frühzeitig heilige Schriften interpoliert, entstellt und sogar unter- 
schoben worden seien. Zum Beweis dafür berief er sich auf das zweite 
Kapitel des Galaterbriefes , wo . der Apostel Paulus selbst ausdrücklich 
Petrus tadelt, dass er nicht richtig nach der Wahrheit des Evangeliums 
wandele. Es war also Kritik notwendig, um den überwucherten Stamm 
wieder blosszulegen. Aus dem Lukasevangelium schälte er einen Kern 
aus, dann wählte er von dem Apostel, der ihn als Verkünder der Gnade 
Gottes besonders anziehen musste, von Paulus zehn Briefe aus, die natür- 



^) 1, 19 Antoninianus haereticuB est, sub Bio impius. Vgl. dazn Hilobnfbld, Ketzer- 
geschichte p. 330, 557. 



278 HOnÜBohe litteratnrgesofaiohte. ü. Die Zeit der Monarclde. 8. Abteilung« 



lieh auch erst von den Entstellungen gereinigt werden mussten. Diese 
zwei Bücher, das Evangelium und das Apostolicum, ^) bildeten mit den Recht- 
fertigungen in den Antithesen die kanonischen Schriften der marcioni- 
tischen Gemeinden. 

Marcions 'Avth^ioBis, 1, 19 separatio legis et evangeUi proprium et principdle 
opus est Marcionis, nee poterunt negare discipuli eius quod in summo instrumento habent, 
quo denique initiantur et indurantur in hanc haeresim, Nam hae sunt Antitheses Mar- 
cionis, id est contrariae oppositiones, quae eonantur diseordiam evangelii cum lege eom- 
mittere, ut ex diversitate sententiarum utriusque instrumenti diversitatem quoque argumen- 
tentur deorum. Vgl. noch 2, 28. 4, 1. 4, 4. 4, 6. 4, 9. 4, 28 u. 8. w. Hahn, Marcionis Anti- 
theses liber deperditus — restitutus, Königsberg 1823. Eine neae Bearbeitung ist dringend 
notwendig. 

Der zweifache Gott Marcions. 1,6 Marcion dispares deos constituit, aUerum 
iudicem, ferum, belUpotentem, alterum mitem, placidum et tantummodo honum atque optimtun. 

696. Der Antimarcion. Dreimal ging dieses Werk durch die Hände 
des Autors, bis es seine jetzige Gestalt erhielt. Wahrscheinlich bald nach- 
dem er die allgemeine Schrift über die Eetzerbestreitung (de praescriptione) 
geschrieben, machte sich TertuUian daran, die Lehre Marcions zu be- 
kämpfen. Der Häretiker lebte damals nicht mehr, gleichwohl behandelt er 
denselben in seiner Darstellung mehrfach als lebend. Aber es gab, wie wir 
bereits gesagt, zahlreiche, fest organisierte Kirchen, die seinen Namen trugen. 
Seine Schrift hatte Tertullian mit einer gewissen Eile abgefasst; sie ge- 
nügte ihm daher später nicht mehr. So beschloss er denn sie umzuarbeiten 
d. h. sie zu erweitern. Noch war er mit der Umarbeitung nicht zu Ende 
gekommen, da zeigte er das fertig Gestellte einem Glaubensbruder, der 
aber später abtrünnig wurde. Dieser fand grosses Gefallen an dem Werk 
und schrieb sich manches daraus ab. Wider Wissen und Willen des 
Autors drangen diese Stücke und zwar noch dazu in sehr fehlerhafter 
Gestalt ins Publikum. Dem Schriftsteller konnte diese Entstellung seines 
Werkes nicht gleichgiltig sein; er musste daher daran denken, ein kor- 
rektes Exemplar des Werks in das Publikum zu bringen ; . allein er ging 
darüber hinaus, indem er noch manche Partien hinzufügte. In dieser 
dritten Gestalt ist das Werk auf uns gekommen. Das erste Buch dieser 
dritten Auflage erschien im Jahre 207. Die übrigen Bücher scheinen in 
nicht zu grossen Zwischenräumen nachgefolgt zu sein. 

1. Adversus Marcionem L I (gegen die Annahme zweier 
Gottheiten). Tertullian packt sofort den Kern der Frage, indem er nach- 
weist, dass der Begriff des göttlichen Wesens notwendigerweise den Be- 
griff der Einheit in sich schliesst.') Die absolute Yollkonmienheit kann 
nicht zweimal nebeneinander bestehen, sondern die eine muss mit der 
andern zusammenfallen oder die eine muss geringer sein als die zweite.^) 
Damit war für den Bestreiter eigentlich die Sache abgethan, allein er führt 
die Widerlegung weiter, indem er sich auf den Standpunkt der Marcioniten 
stellt. Da ist es ihm nun unverständlich, wie der gute Gott als ein neuer, 
erst spät zur Erscheinung gekommener aufgefasst werden soll. Existierte 



^) Vgl. Zasdi, Geschichte des neutestam. 
Kanons I (Erlang. 1888) p. 622: ,Die andere 
Hälfte seines Neuen Testaments hat Marcion 
wahrscheinlich selbst {td) anocroXutdy (sc. 
ßißXloy) genannt.* 



') c. 8 summum magnum unieum sit 
necesse. 

') c. 7 nee pares nee dispares deos sistere 
potes. 



Qnintna Septiinin« Floren« Tertnllianus. 



279 



dieser Qott wirklich, so musste er sich auch von Anfang an den Menschen 
kundgeben,^) d. h. er musste schon als Schöpfer auftreten,*) nicht erst 
als Erlöser seine Wirksamkeit entfalten. Die Welt ist durchaus nicht des 
höchsten Gottes unwürdig. Zerreissen wir das Band zwischen Gott und 
der Welt, so wissen wir nicht, welches Reich wir diesem zweiten Gott 
anweisen sollen.*) Von diesem neuen Gott wussten die Apostel nichts, er 
ist eine Erfindung Marcions. ^) Aber auch der Begriff des „guten"" Gottes 
kann nicht aufrecht erhalten werden, wenn zwei Gottheiten statuiert wer- 
den. Wir finden dann Momente, welche der Güte eines höchsten Wesens 
widerstreiten. Auch die Trennung zwischen dem „guten"" und dem „ge- 
rechten"" d. h. Zorn äussernden und strafenden Gott führt auf ernstifche 
Schwierigkeiten. Hier zeichnet nun der Autor in lebhaften Farben, zu 
welchen Ungeheuerlichkeiten im praktischem Leben die Lehre Marcions 
führt. Besonders schrecklich erscheint ihm das Gebot der Ehelosigkeit, 
und er unterlässt nicht, den Unterschied der montanistischen und der mar- 
cionitischen Doctrin in diesem Punkt klar zu stellen. Nur die zweite Ehe 
gestattet der Paraklet nicht. 

Ein kleines Exzerpt über das göttliche Prinzip der antiken Philosophen findet sich 
c. 18 (DiELS, Doxogr. 129, 1). 

2. Adversus Marcionem L II (Identität des alttestamentlichen 
Gottes mit dem guten Gott). Der Weg, den TertuUian in diesem 
zweiten Buch betritt, ist der, dass er zeigen will, dass der alttestament- 
liche Gott, der Weltschöpfer, die Eigenschaften besitzt, welche die Marcio- 
niten ihrem guten Gott zuteilen, dass sonaöh die Annahme zweier Gott- 
heiten absurd ist. Zu diesem Zweck muss vor allem nachgewiesen werden, 
dass der Schöpfer zugleich die höchste Güte ist. Diese tritt dadurch zu tage, 
dass er nicht verborgen bleiben wollte, sondern sich offenbarte. Beweise seiner 
Güte sind, dass er die Welt durch seine Worte aus dem Nichts hervor- 
rief, den Menschen nach seinem Ebenbild schuf und ihm väterlich die 
Folgen vor Augen stellte, die eine Übertretung des ihm gegebenen Ge- 
botes nach sich ziehen würde. Dies führt auf das schwierige Problem 
der Sünde. Wie konnte der gütige Gott, der noch dazu mächtig und all- 
wissend ist, den Menschen in die Sünde fallen lassen? wie konnte er eine 
solche Entstellung seines Ebenbildes zulassen? Die Schuld liegt nicht in 
Gott, sondern in dem Menschen, der seine Freiheit missbrauchte.*) Dass 
es aber notwendig war, dem Menschen den freien Willen zu geben, wird 
ausführlich dargelegt. Auch der Fall des Satans kann Gott nicht zur Last 
gelegt werden; der Engel trägt selbst die Schuld, da auch er wie der 
Mensch seinen freien Willen missbrauchte. Nach dem Sündenfall musste 
Gott, der bisher nur seine Güte geoffenbart hatte, auch die Gerechtigkeit 
manifestieren. Die Gerechtigkeit aber ist mit der Güte durchaus verein- 
bar, da das Gerechte nur da ist, wo auch das Gute ist. Gottes Qüte schuf 
die Welt, die Gerechtigkeit leitet sie. 



') c. 9 potest et non esse, ^ia si esset, 
nottis fuisset, 

*) c. 11 exhibe rationem deo dignam, 
cur nihil condideHt, si est, 

') c. 11 si universitas creat&ris est, iam 



nee loeum video dei aiterius. 

*) c. 21. 

^) 0. 9 libertas arbitrii n&n ei aUpam 
suam respuet a quo data est, sed a quo non 
ut ddmit administrata est. 



280 BOmische Litteraturgesohiolite. n. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilnng. 



Ist die Gerechtigkeit Gottes begründet, so ist es auch seine Strenge, 
sein Eifer und sein Zorn. Die Affekte sind bei Qott anderer Art als bei 
dem Menschen. Dann wendet sich die Untersuchung zur Rechtfertigung 
der Aussagen und Gebote, welche in dem alten Testament mit dem gött- 
lichen Wesen in Verbindung gebracht werden. Die Widersprüche^) und 
Ungeheuerlichkeiten, welche Marcion in seinen Antithesen aus dem neuen 
Testament in Bezug auf den Gottesbegriff heraus interpretiert, lassen eine 
andere Deutung zu. Gegen viele dieser Ausstellungen führt aber Tertul- 
lian auch die allgemeine Beobachtung ins Feld, dass Christus, wenn er 
sich zu dem Menschen herablassen wollte, auch menschliche Eigenschaften 
annehmen musste.«) 

3. Adversus Marcionem l. III (gegen die Christologie Mar- 
cions). In diesem Buch handelt es sich um den Nachweis, dass Christus 
nicht als ein neuer, vom Weltschöpfer verschiedener (Jott gefasst werden 
kann. Bei dem Christus des Marcion stört den Tertullian das plötzliche, 
vorher nicht angekündigte Erscheinen desselben, dann sein Erscheinen vor 
dem im alten Testament verheissenen Christus; denn Marcion hatte be- 
hauptet, dass der Christus, der im alten Testament verheissen sei, noch 
nicht gekommen wäre, und als Beweis dafür angeführt, dass ja viele Juden 
nicht an Christus glauben. Allein aus diesem Irrtum, entgegnet der Be- 
Streiter, darf eine solche Folgerung nicht gezogen werden; für den Irrtum 
kann übrigens eine Erklärung gegeben werden.^) Dann wendet sich Ter- 
tullian gegen die Scheinleiblichkeit, welche Marcion Christus zugeteilt hatte, 
und betont besonders stark die Eonsequenz eines solchen Trugs, welcher 
das ganze Heilswerk Christi zerstören muss. Der Grund, dass ein wirk- 
licher Leib Gottes nicht würdig sei, ist nicht stichhaltig; vielmehr ziemt 
sich der Schein für Gott nicht. Auch dass Marcion mit seinem Doketis- 
mus die Geburt des Herrn leugnen muss, wird berührt, natürlich muss auch 
hierin Tertullian den Häretiker bestreiten. Wenn Christus den Tod über 
sich ergehen liess, wie soll es dann eine Unwürdigkeit sein, wenn er auch 
in die Geburt einwilligte? Selbst ein Anrecht auf den Namen Christus 
und Jesus spricht Tertullian den Marcioniten ab. Endlich zeigt das Buch, 
dass wirklich die Weissagungen des alten Testaments in Christus zur 
Erfüllung kamen, z. B. seine Kreuzigung und seine Auferstehung; auch 
die Weissagungen, die sich auf das Werk Christi nach seinem Tod be- 
ziehen, sind eingetreten wie der Glaube der Völker an Christus, die Wirk- 
samkeit und die Geschicke der Apostel^) und die Strafe der Juden. Das 
Buch klingt montanistisch aus, indem es das tausendjährige Reich, den 
Weltuntergang und das himmlische Reich mit einigen Strichen zeichnet.^) 



^) 0. 26 ptmlJUates, infirmitates, incon" 
gruentias. 

') c. 27 deum non potuisse humanos con- 
gressus inire, nisi humanos et sensus et af- 
fectus auscepisset. 

») c. 7. 

*) Interessant ist die folgende Erlftute- 
rung der Stelle in Hesekiel 9,4: pertranH 



in medio portae in media Hierusalem, et 
da Signum Tau in frontibus virorum. Ipsa 
est enim liUera Graecarum Tau, nostra 
autem T, species crucis. 

^) Tertullian erwähnt hiebei ein pro- 
digium |mi8 dem Partherkrieg des Seyems 
und zwar allein. 






Qnintns Septimias Floren« TertallianiiB. 



281 



4. Adversus Marcionem L IV (gegen das Evangelium Mar- 
cions). Verschiedenheiten zwischen dem alten und dem neuen Testament 
kann Tertullian nicht leugnen. Allein er findet die Einheit in demselben 
Gotte, der sowohl im alten als im neuen Testament herrscht. Im alten 
Bund selbst ist das neue Gesetz verheissen. Dass dieses Gegensätze 
schaffen muss, ist selbstverständlich. Von einem Evangelium muss ver- 
langt werden, dass es die apostolische Auktorität für sich hat, dass es 
sonach entweder von einem Apostel selbst oder von einem Apostelschüler 
verfasst ist. Diese Erfordernisse erfüllen die vier Evangelien, dagegen ver- 
mag Marcion sein Evangelium nicht auf eine bestimmte apostolische Auk- 
torität zurückzuführen, er legt zwar den Lukas zu Grund, allein er muss 
denselben erst zurichten. Dann ist zu bedenken, dass Lukas nur als Apostel- 
schüler schreibt, also nicht eine Autorität ersten Grades darstellt. Selbst die 
Autorität des Paulus, an den sich Lukas anschloss, steht nicht in erster Linie. 
Um die anderen Evangelien zu verwerfen, benutzte Marcion den Galater- 
brief, besonders die Stelle (2, 14), wo der Apostel sagt, dass Petrus und 
seine Anhänger nicht richtig nach der Wahrheit des Evangeliums wan- 
delten. Tertullian weist die Berechtigung Marcions, mit jenem Tadel sein 
Testament zu verteidigen, zurück und deutet auf die Unmöglichkeit der 
Annahme, welche dem Vorgehen Marcions zu Grunde liegt, hin. Auch 
macht er den Einwand geltend, dass sein (des Tert.) Testament die Priorität *) 
für sich habe und sich bei den apostolischen Gemeinden finde, und dass es 
nicht verständlich sei, warum Marcion gerade an Lukas sich halte. Doch 
noch in anderer Weise glaubt Tertullian das Testament Marcions zu nichte 
machen zu können. Der Häretiker ging, als er sein Testament konstru- 
ierte, von dem Gedanken aus, dass der Gott des neuen Bunds ein anderer sei 
als der des alten. Wo er daher mit letzterem übereinstimmende Eigen- 
schaften in seinem Lukas fand, musste er zu Änderungen schreiten. Allein 
auch so konnte er nicht jede Kongruenz beseitigen. Selbst in dem zurecht- 
gemachten Werk des Marcion finden sich noch genug Stellen, welche Mar- 
cions Ansicht von der Verschiedenheit des alttestamentlichen und des neu- 
testamentlichen Gottes widerlegen. Selbst das Evangelium Marcions war 
also nicht im Stande, die Wahrheit von dem einen Christus zu verdrängen.') 
Die Zusammengehörigkeit des alten und des neuen Testaments wird an 
der Hand vieler Stellen bewiesen. 

5. Adversus Marcionem L V (gegen das Apostolicum Mar- 
cions). Den zweiten Teil der marcionitischen Bibel bildeten zehn Briefe 
des Apostels Paulus. Es sind das der Brief an die Galater, der erste und 
zweite Brief an die Korinther, der Brief an die Römer, der erste und 
zweite Brief an die Thessalonicher, der Brief an die Laodicener, an die 
Kolosser, an die Philipper und an Philemon. Unter dem Brief an die 
Laodicener versteht Marcion den an die Epheser. Mit Ausnahme des 
letzten Briefs hatte auch hier Marcion Änderungen und starke Streichungen 



') verUas falsum praecedat necease est 
(c. 5). 

') c. 28 wird eine Fabel des Aesop ci- 
tiert: oHnus de Ataopi puteo modo venis, 



et iam exclamas. 

') Das Buch schlieast mit den Worten: 
Christus Jesus in evangelio tuo meus est. 



• 

282 BdmiBche Litteraiargesohichte. n. Die Zeit der Monarchie. 2, Abieilang. 



vorgenommen.*) Auch beim Apostolicum sucht TertuUian zuerst die all- 
gemeine Grundlage zu erschüttern, er wendet ein, dass Marcion mit seinem 
Evangelium gar nicht im stände ist, die höhere Autorität des Paulus zu 
begründen. Dann zeigt er an den von Marcion verstümmelten Briefen 
des Paulus, dass auch der Apostel keinen neuen Grott lehrt. ^) 

Eine Restitution der hl. Schrift Marcions versucht Zahn, Geschichte des neuteetamentl. 
Kanons II, 1 p. 455—529. 

Entstehungsgeschichte. 1, 1 pritnum opusculum quasi properaium pleniore 
postea eampoaitione rescideram. Hanc quoque nondum exemplariis suffeetam fraude tune 
frcUris, dehinc apoatatae, amiai, qui forte descripaerat quaedam mendosissime et exhibuU 
frequentiae . Emendationis necessUcta fctcta est; innovationis eins oceasio {Uiquid adicere 
perRuasit, 

Verhältnis der ersten und der dritten Bearheitung. Die zweite Be- 
arbeitung ist niemals vollständig erschienen, sie ging aber mit einigen neuen Zusätzen in 
die dritte über. Wir haben es daher im Grunde genommen nur mit zwei Ausgaben zu 
thun. Das Verhältnis der ersten und dritten Bearbeitung ist im wesentlichen dies, dass 
die letztere ausführlicher war. So sagt Tertullian ausdrücklich, dass das erste und zweite 
Buch der dritten Ausgabe in der früheren ein einziges Buch bildeten (2, 1 occasio reformandi 
opuscuU huiua — hoc quoque contulit nobis, uti duobus deis adversus Marcionem retrac- 
tandis suum cuique titulum et volumen distingueretnus pro materiue divisione). Dass die 
Christologie Marcions in der zweiten Bearbeitung behandelt war, erhellt aus 3, 1 : aeeundum 
vestigia prUtini operis, quod amissum reformare peraeveratnus, tarn hinc ordo de Chriato. 
Allein es ist wahrscheinlich, dass sie auch in der ersten Bearbeitung vorkam, da sie zu 
wichtig war. Weiterhin ist es undenkbar, dass Tertullian eine Bekämpfung der mardo- 
nitischen Häresie vorgenommen, ohne auf die marcionitische Bibel einzugehen. Wir müssen 
daher auch diese Streitmaterie der ersten Bearbeitung zuteilen; der Hinweis de eame Chriati 
c. 7 quid iam reaponaum ait Marcioni a nobia eo libello, quo evangelium ipaiua provoeavi- 
tnua wird sich auf diese erste Bearbeitung beziehen. 

Abfassungszeit der dritten Ausgabe. Unter allen Schriften Tertullians hat 
nur der Antimarcion ein ausdrückliches chronologisches Datum (1, 15): at nunc quäle esi, 
ut dominua a XII Tiberii Caeaaria revelatua ait. auhatantia vero ad XV iam Severi impe- 
ratoria nuUa omnino comperta ait. Das 15. Jahr des Kaisers Severus ist, die Rechnung 
nach Tribunatsjahren vorausgesetzt, das Jahr 207. (Ueber die Abfassungszeit der ersten 
Ausgabe vgl. Hauck p. 188 Anm. 5, der die Schrift auf Grund des Verhälüiisses zum Anti- 
Hermogenes [c. 10 und c. 16] gleich nach den Präskriptionen entstanden sein lässi) 

Montanismus. 1,29 aed et ai nubendi iam molua ponitur, quem quidem apud 
noa apiritalia ratio paracleto auctore defendit unum in fide matrimonium praeacribena. 
4, 22 defendimua in cauaa novae propheticte gratiae ecataain, id eat amentiam, canvenire? 
In apiritu enim homo conatitutua, praeaertim cum gloriam dei conapicit, vel cum per ipaum 
deua loquitur, neceaae eat excidat aenau, ohumbratua acilicet virtute divina; de quo inier 
noa et paychicoa quaeatio eat, 3,24 et qui apud fidem noatram eatnovae prophe- 
tiae aermo. 

Die Zeitintervalle zwischen den einzelnen Büchern. Es ist eine Streit- 
frage, ob zwischen den einzelnen Büchern ein grösseres Zeitintervallum anzusetzen ist 
Mehrere Gelehrte nehmen zwei solche Intervalle an und zwar zwischen dem ersten ond 
zweiten Buch und zwischen dem vierten und fünften. Für das erste Intervallum wird an- 
geführt adv. Marc. 1, 1 in tantum haereaia deputabitur, quod poatea indueitur, in quantum 
veritaa habebitur, quod retro et a primordio traditum eat. Sed aliua libeUua hunc gradum 
auatinebit adver aua haereticoa, etiam aine retractatu doctrinarum revincendoa, quod hoc 
aint de praeacriptione novitatia. Nunc quatenua admittenda congreaaio eat, interdum ne 
compendium praeacriptionia ubique advocatum diffidentiae deputetur, regulam 
adveraaHi priua praetexam. ne cui Jateat in qua principcdia quaeatio dimicatura eat. Die 
mit libellua angedeutete Scnrift ist die de praeacriptione, wegen des auatinebit hat man 
dieselbe in die Zukunft gerückt und demnach angenommen, dass 1. 1 adv, Marcionem vor 
de praeacriptione fällt Der letzgenannte liber soll wie de cenau animae, de paradiao, de 



*) c. 21 aoli huie epiatulae brevitaa aua 
profuit, ut falaariaa manua Marcionia eva- 
deret. 

*) c. 1 ut — profiteamur noa proinde 
probaturoa nuUum alium oleum ab apostolo 



circumlatum, aicut probavimua nee a Christo, 
ex ipaiua utique ^nsttdis Pauli, quas pro- 
inde mutilatas etiam de numero forma iam 
haeretici evangelii praeiudieasse debdnt. 



QnintuB Septimins Florens TertnllianiiB. 283 

aHima, adrersus Valent,, ade. Appell, zwischen dem 1. 1 und 1. II des Antimarcion verfasst sein 
(vgl. Uhlbobk, Fundam, p. 60). Allein nach dem Sprachgebrauch TertuUians kann das Futurum 
sich auch auf eine bereits geschriebene Schrift beziehen, da ja die Realisierung der durch 
das Futurum ausgedruckten Handlung erst durch die Kenntnis der Schrift eintritt (de pud, 2 
sed et Joannes docebit; vgl. BonwbtscHi Die Schriften TertuUians p. 44, 6). Die Worte 
eampendium praeaeriptianis vhique advocatum machen aber die Beziehung auf den libellus 
de praescriptiane fast zur Notwendigkeit. Der Schluss dieser Schrift führt zu demselben 
Ergebnis. Es heisst dort: sed nunc quidem generalUer actum est nobis adversus haereses 
amnes certis et iustis et necessariis praescriptianibus repellendas a conlatione scripturarum. 
De reliquo, si dei gratia adnuerit, etiam specialiter quibusdam respondebimus. Wäre der 
Antimarcion schon damals vorhanden gewesen, so würden diese Schlussworte, zumal bei 
der Wichtigkeit des Werks, sehr anfällig sein. Wir müssen im Gegenteil annehmen, 
dass die Streitschriften gegen die einzelnen H&retiker nach dem libellus de praeseriptione 
fallen. Allerdings ist ein Intervallum zwischen dem 1. 1 und II anzunehmen; denn am 
Schlüsse des 1. I heisst es: prainde si eui minus quid videmur egisse, speret reservatum 
suo tempori, sieut et ipsarum scripturarum examinatianem quibus Marcion utitur. Aus 
diesen Worten muss man folgern, dass das zweite Buch nicht zugleich mit dem ersten 
ausgegeben wurde. Die Annahme Haücxs (p. 345), dass Tertullian, als er in der neuen 
Ausgabe den Stoff in zwei Bücher sonderte, nur die Schlussworte des ersten und die ein- 
leitenden Bemerkungen des zweiten einfügte, ohne sonst etwas zu ändern, ist unwahr- 
scheinlich. Dass aber das Intervallum durch andere Schriften ausgefüllt wurde, ist sehr 
wenig glaublich, denn es handelte sich ja nur um die Umarbeitung eines bereits 
fertigen Werks. Das zweite grössere Intervallum soU zwischen 1. IV und V liegen und 
durch die Schriften de came Christi und de resurrectione carnis ausgefÜUt sein. Hier 
stützt man sich auf die Stelle de carne (c. 7): audiat ApeUes quid iam responsum sit a 
nobis Marcioni eo libeUo quo evangelium ipsius provocavimus. Uhlhom bezieht diese Worte 
auf das vierte Buch der letzten Ausgabe, allein sie können ebensogut auf die erste Aus- 
gabe des Antimarcion hindeuten. BePdem engen Zusammenhang, in dem 1. IV und V zu 
einander stehen, ist ein längerer Zwischenraum zwischen beiden nicht wahrscheinlich. 

Quellen. Benutzt hat Tertullian sicher die Antithesen Marcions und zwar in allen 
fünf Büchern und dessen Bibel. Auch einen Brief Marcions kannte er (1, 1): non negabunt 
discipuli eius primam iUius fidem nobiscum fuisse, ipsius litteris testibus (vgl. 4, 4). Dass 
er ausser diesen Quellen auch noch eine ältere Streitschrift herangezogen habe, behauptet 
Habnack, Gesch. der altchristl. Litt. 1, 192; Zahn (Zeitschr. f. Eirchengesch. 9, 285) glaubt, 
dass die Schrift des Theophilus gegen Marcion benutzt ist (Habnack p. 502). 

697. AdversuB Prazeam (gegen den Monarchianismus in der Tri- 
nitätedehre). Die grössten Schwierigkeiten bereitete der sich entwickeln- 
den Theologie die Lehre von der Trinität. Auch hier wogte der Kampf 
Jahrhunderte hindurch, bis die jetzt geltende Lehre fixiert wurde. Auch 
Tertullian griff mit einer Schrift in diesen Kampf ein, die ein interessantes 
Denkmal dieses theologischen Streites ist. Es ist die Schrift gegen Pra- 
zeas. Die Veranlassung derselben erzählt uns der Autor im Eingang fol- 
gendermassen: Praxeas, ein unruhiger Kopf, der ausserdem sich wegen 
einer kurzen Gefangenschaft den Ruhm des Martyriums anmasste, hatte 
eine nach der Ansicht TertuUians häretische Lehre über das Verhältnis 
des Vaters zu dem Sohn zuerst aus Asien nach Rom gebracht. Zu diesem 
Unheil gesellte sich noch ein zweites. Der römische Bischof war damals 
gerade daran, die Prophetien des Montanus, der Prisca (Priscilla) und 
der Maximilla anzuerkennen und mit den Oemeinden Asiens und Phrygiens 
Frieden zu schliessen, da griff Praxeas ein und bestimmte den Bischof, 
indem er auf die Entscheidungen der Vorgänger desselben hinwies, die 
bereits abgeschickten Friedensbriefe {lüUrcie pacis) zurückzunehmen und 
dem Montanismus seine Anerkennung zu versagen. So kam es, fügt Ter- 
tullian seiner Erzählung hinzu, dass Praxeas zwei Teufelswerke in Rom 
glücklich vollbrachte, er trieb die Prophetie aus und führte dafür die 
Häresie ein, mit anderen Worten, er trieb den Parakleten in die Flucht 



284 Bömische Litteratnrgesohichte. ü. Die Zeit der Honarchie. 2. Abteilung. 

und Hess den Vater ans Kreuz schlagen. Von Rom aus, erzählt Tertul- 
lian weiter, dehnte sich die Häresie auch nach Afrika aus und gewann 
Verbreitung, da viele „in der Einfalt der Lehre schliefen**; allein es stellte 
sich doch auch die Opposition ein; und ihr gegenüber konnte Praxeas nicht 
stand halten; er musste eine Erklärung abgeben, welche die Katholiken 
zufriedenstellte und die bei ihnen aufbewahrt wurde. Aber auch das half 
nichts. Nachdem sich Tertullian von der Kirche getrennt hatte, brach 
die Häresie von neuem aus. 

Dies ist der Bericht Tertullians. Ganz deutlich werden bezüglich 
der Häresie des Praxeas drei Stufen unterschieden: die erste ist die, in 
der Praxeas die häretische Lehre nach Rom brachte; die zweite die, in 
der Praxeas seine Lehre in Karthago verbreitete; die dritte endlich die, 
in der die Häresie von neuem ans Tageslicht trat. 

Dieser Entwicklungsgang last auch ein Licht auf die Komposition 
unserer Schrift fallen. Durch die schriftliche Erklärung des Praxeas, 
welche die Katholiken völlig zufriedenstellte, war seine Person jedem Streit© 
völlig entrückt. Und in der That, betrachten wir die Schrift genauer, so 
erkennen wir, dass Praxeas nur eine vorgeschobene Person ist. Seine Lehre 
war längst abgethan, monarchianische Gedanken in Bezug auf das Ver- 
hältnis des Sohnes zum Vater wurden jetzt von anderen Persönlichkeiten 
und zum Teil in modifizierter Gestalt verteidigt. Gegen diese neuen Monar- 
chianer wendet sich Tertullian in der Streitschrift. Wenn er nun statt 
der damaligen Häupter den gar nicht mehr in Betracht kommenden Pra- 
xeas vorschob, so muss dies doch einen Grund haben. Wir werden nicht 
irren, wenn wir annehmen, dass die montanistische Anschauung hier von 
Einfluss war. Tertullian, der, als er unsere Schrift schrieb, völlig mit den 
Katholiken gebrochen hatte, konnte es nicht vergessen, dass Praxeas es 
war, der den dem Siege nahen Montanismus noch in letzter Stunde zum 
Fall gebracht hatte. Tertullian wollte sich rächen und er rächte sich da- 
durch, dass er den Praxeas als einen Ketzer an den Pranger zu stellen 
suchte. Wir haben daher auch keine völlig objektive Darstellung zu er- 
warten. Widersprüche waren bei dem eigentümlichen Standpunkt der 
Schrift nicht zu vermeiden. Der Gegenstand des Streites war, wie gesagt, 
das Verhältnis des Sohnes zu dem Vater. Die Entscheidung musste in 
der heiligen Schrift gesucht werden. Die Monarchianer gingen von Stellen 
aus wie „ich und der Vater sind eins", „wer mich sieht, sieht den Vater*, 
„der Vater ist in mir und ich in ihm* und wurden dadurch zur Leugnung 
der Verschiedenheit des Vaters und des Sohnes geführt. Die Gegner 
legten wieder auf andere Stellen der heiligen Schrift allen Nachdruck und 
gelangten so zur Unterscheidung des Vaters und des Sohnes, ohne jedoch 
dadurch die Einheit Gottes aufheben zu wollen. Dass zur Zeit Tertullians 
die monarchianische Anschauung auch in den Gemeinden die verbreitete war 
und keineswegs als Häresie angesehen wurde, kann nach dem eigenen 
Zeugnis Tertullians nicht zweifelhaft sein.^) Es war vielmehr die Lehre 
Tertullians, die verteidigt werden musste. Er thut dies in der Weise, 

') Vgl. c. 3. 



QnintuB Sepümioa Florens Tertullianiu. 285 

dass er, nachdem er seine Auffassung über das Verhältnis, in dem der 
Sohn zum Vater steht, dargelegt, einerseits dafür den Sehriftbeweis zu 
erbringen sucht, andrerseits die Schriftstellen, welche die Monarchianer 
für sich anführen, widerlegen will. Auch der Nichttheologe muss den 
grossen Scharfsinn, der für die Lösung des Problems aufgeboten wurde, 
bewundern und anerkennen. 

Die Stellung des Praxeas in dem Werk hat Lipsius in grundlegender Weise 
behandelt (Jahrb. f. d. Theologie 13 [1878] 701). Doch hatte zuvor auch Haobmann (Rom. 
Kirche, Freib. 1864) richtige Blicke in das Verhältnis, in dem Praxeas zu dem Werk des 
Tertullian steht, gethan. 

Die Frage nach dem römischen Bischof, unter dem Praxeas die Häresie 
nach Rom brachte, ist nicht mit voller Sicherheit zu lösen. Aus den Worten Tertullians 
kann der Bischof nicht festgestellt werden, da dieselben zu unbestimmt gehalten sind. 
Ausserdem steht uns noch ein ausdrückliches Zeugnis des Ubellus adversua omnes haereses 
zu Gebote (c. 8): sed post hoa omnea etiam Praxeaa quidam haeresim introduxit, quam 
Victarinus corrohorare curavit. Das corroborare zwingt uns an einen einflussreichen 
Mann zu denken; es wird daher ein römischer Bischof hier zu verstehen sein; allein wir 
kennen in dieser Zeit keinen Victorinus, wohl aber einen Victor (189-198/9). Ein Teil 
der Gelehrten glaubt daher, dass unter Victor die Häresie eingeführt wurde, und dass 
dessen Vorgänger den Montanisten feindselig gesinnt waren, so z. B. Zahn ; andere nahmen 
an, dass schon unter Eleutherus (c. 175 — 189) Praxeas nach Rom kam, aber erst unter 
Victor zu grösserem Einfluss gelangte. Vgl. Lipsius 1. c. p. 715 und Chronologie der röm. 
Bischöfe, Kiel 1869 p. 174; Habnacx, Dogmengeschichte 1', 692. Die wahrscheinliche Ent- 
scheidung kann nur auf Grund einer Betrachtung der ganzen Zeitlage vorgenommen werden, 
eine solche Untersuchung kann aber hier nicht stattfinden. Die Worte des libellus scheinen 
mehr f&r die zweite Ansicht zu sprechen. 

Die Abfassungszeit. Das entscheidende Kriterium ist die Trennung Tertullians 
von der Kirche, (c. 1): et noa quidem postea cLgnitio paracleti atque defenaio disiunxit a 
psychieia. Es sind also viele Jahre seit dem Auftreten des Praxeas verflossen und es be- 
greift sich leicht, dass Hippolytos diese verschollene Persönlichkeit in seiner , Wider- 
legung aller Häresien*' nicht mehr berücksichtigte. 

Zur Quellen frage. Peteb Cobsskn (Die Ältercatio Simonia Jtidaei et Theaphili 
Chriatiani, Jever 1890, p. 32) stellt die Ansicht auf, dass Tertullian den griechischen Dia- 
log 'Jaaovog xai Haniaxov dyjiXoyla negl XQiarov (vgl. tlber denselben Harnack, Gesch. 
der altchristl. Lit. 1, 92) benutzt hat. 

698. De anima (ttber die Natur der Seele). Diese Schrift schliesst 
sich an die verlorene gegen Hermogenes gerichtete „über denUrsprung 
der Seele^ an. Der Eingang hebt den Gegensatz zwischen der Philosophie 
und dem Christentum in scharfen Zügen hervor. Die christliche Wahr- 
heit gibt uns allein in dieser Frage den festen Inhalt; selbst die Stand- 
haftigkeit des Sokrates im Kerker wird als eine künstliche hingestellt. 
Zwar wUI der Autor nicht leugnen, dass die Philosophen bezüglich der 
Seele manches Wahre gefunden, allein dies ist mehr dem Zufall imd den 
natürlichen Gaben der Seele zuzuschreiben. Die Grundlage für die Unter- 
suchung muss demnach die Lehre des Christentums sein. Nachdem in der 
vorausgegangenen Schrift der Ursprung der Seele aus dem Hauche Gottes 
dargelegt ist, handelt es sich in der vorliegenden darum, ihr Wesen ge- 
nauer darzulegen und das dort Vorgebrachte in allen Beziehungen zu ver- 
vollständigen. Kurz wird abgemacht, dass die Seele geschaffen oder ge- 
boren sei. Um so ausführlicher wird der merkwürdige Satz zu begründen 
versucht, dass die Seele körperlich ist. Um diesen Satz zu stützen, 
wird erst die gegenteilige Ansicht, dass die Seele unkörperlich ist, zu 
widerlegen versucht. Und hier nennt der Schriftsteller die Autorität, auf 
die er sich stützt, es ist der zur Zeit Hadrians lebende Arzt Soranos, der 



286 Bömisohe Liiieratiirgeaöhiolite. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteüung. 

auch für die Körperlichkeit der Seele eintritt, aber folgerichtig ihre Un- 
sterblichkeit leugnet. Allein das Entscheidende ist, dass auch aus der 
heiligen Schrift (Luc. 16, 23) die Eörperiichkeit der Seele erwiesen werden 
kann. Freilich ist diese Eörperiichkeit eine eigentümliche. Um diese 
darzulegen, verwertet Tertullian sogar eine Vision, die einer montanisti- 
schen Jungfrau zu teil wurde. ^) Diese körperliche Seele ist aber einheit- 
lich und einförmig und weiterhin vernünftig. Bei dieser Darlegung müssen 
die verschiedenen Ausdrücke, welche für das Seelenwesen in der Sprache 
üblich sind {anima, Spiritus, animus), erörtert werden, um die Einfachheit 
der Seele {anima) festzusetzen. Aus der Einfachheit der Seele ergibt sich 
weiterhin ihre Unteilbarkeit. Die Teile, welche die Philosophen von der 
Seele angenommen haben, sind nur als verschiedene Kräfte^) anzusehen. 
Diese brauchen aber eine führende Kraft, ein rjefiovMov. Das Zentral- 
organ dieser führenden Kraft ist das Herz. Auch dafür wird der Beweis 
in der heiligen Schrift gesucht. Die Untersuchung kommt dann auf die 
Unterscheidung eines Vernünftigen und eines Unvernünftigen in der Seele. 
Eine solche Trennung, meint Tertullian, lag nicht von Anfang in der Seele, 
dieser kam vielmehr ursprünglich nur das Vernünftige zu, das Unvernünf- 
tige stellte sich erst später durch die Sünde ein und verwuchs mit ihr. Auch 
bezüglich der Zuteilung des Mutes und der Begierde zum Unvernünftigen 
der Seele erhebt Tertullian Einwendungen. Es folgt eine Untersuchung 
über die Zuverlässigkeit der Sinne. Hier tritt der Autor jenen Anschau- 
ungen scharf entgegen, welche die Zuverlässigkeit der Sinneswahmehmung 
bestreiten, da dadurch die Ordnung des ganzen Lebens verkehrt würde; auch 
würde damit der Vorsehung ein schlechtes Zeugnis ausgestellt, wenn sie 
die Sinne trügerisch gestaltet hätte ; denn dann sei auch kein Verlass mehr 
auf die Offenbarung. Naturgemäss reiht sich daran eine Betrachtung der 
Sinneswahrnehmung im Verhältnis zu der rein geistigen Erkenntnis. Plato 
schätzt jene bekanntlich gering und betrachtet die Sinne als ein Hemmnis 
in der Erkenntnis. Und die Systeme der Gnostiker bauen sich auf diesem 
Gegensatz auf. Allein Tertullian kann der Erkenntnis keinen Vorzug vor 
der Sinneswahrnehmung einräumen; der Unterschied werde ledighch durch 
die Verschiedenheit der Objekte begründet; beide sind aufeinander ange- 
wiesen und können daher nicht völlig von einander getrennt werden. 
Wenn manche die Behauptung aufstellen, dass der Mensch im Zustand 
der Kindheit ohne Intellekt sei, so muss Tertullian auch diese Ansicht 
bekämpfen ; schon das Kind besitzt alle Kräfte der Seele, und die Spuren 
solcher können in den Äusserungen des Kindes aufgezeigt werden. Nur 
die Entwicklung der Kräfte ist der Zukunft vorbehalten und sie vollzieht 
sich nach den auf sie einwirkenden Ursachen in verschiedener Weise. 
Aber unrichtig ist es, wie der Gnostiker Valentin gethan, von vornherein 
drei Arten der Seelen zu statuieren und demnach Geistes-, Fleisches- und 
Seelenmenschen zu unterscheiden. Die Veränderlichkeit der Seele ist eine 
Folge ihres Gewordenseins, denn nur das Ewige ist unveränderlich. Und 
auch hier müssen wir wieder auf die Schrift hören, die uns ja eine Um- 

*) Danach ist die Seele tenera et lucida ' (c. 9). 
et aerii coloris et forma per omnia humana | *) vires et efficaeiae et operae (c. 14). 



Qainias Beptimins Floren« Tertnlliaanfl. 287 

Wandelung des Menschen durch die Gnade lehrt. Auch die Willensfreiheit 
hat die Veränderlichkeit der Seele zur Voraussetzung. 

Eine Rekapitulation aller Eigenschaften der Seele schliesst diesen 
Abschnitt. Es folgt der zweite Teil der Abhandlung, über die Entsteh- 
ung der einzelnen Seelen. Kurz fertigt er einige gnostische Ansichten 
ab, die auf eine Präexistenz der Seele hinauslaufen; dagegen hält er sich 
länger bei ihrer Quelle, der platonischen Lehre auf, dass alles Lernen nur 
eine Wiedererinnerung sei. TertulUan bestreitet aufs entschiedenste diesen 
Satz. Einmal findet er es widerspruchsvoll, auf der einen Seite der Seele 
durchaus göttliche Eigenschaften zuzuteilen, auf der anderen Seite die Ver- 
gesslichkeit. Entscheidend ist aber zweitens, dass, wenn die Ideen von 
Natur aus in dem Menschen liegen, sie gar nicht vergessen werden können; 
die Zeit kann ja auf die ungewordene, also ewige Seele keinen Einfluss 
haben ; auch beim Leib ist nicht denkbar, dass er, der gewordene, das un- 
gewordene bestimmt, dass er zugleich das Vergessen und das Wieder- 
erinnern leisten, dass er bei allen Menschen in gleicher Weise die Vergessen- 
heit hervorrufen soll. Also ist die Seele geworden. Aber auch hier ist 
gleich eine irrige Anschauung abzuweisen, dass nämlich erst bei der Ge- 
burt die Seele sich mit dem Leibe verbindet, eine Anschauung, gegen 
welche schon die Erfahrung der Mütter spricht. Das Richtige ist viel- 
mehr, dass die Seele mit dem Leibe zugleich empfangen wird.^) 
Als Christ sucht auch hier TertuUian zuerst einen Schriftbeweis; dann 
geht er zu philosophischen Argumenten über, um zuletzt wieder auf 
die Schöpfungsgeschichte zurückzukommen.^) Nachdem TertuUian die 
Wahrheit seiner Theorie erwiesen zu haben glaubte, schickt er sich an, 
die anderen Theorien über die Entstehung der einzelnen Seelen zu wider- 
legen. Er wendet sich gegen die Lehre von der Seelen Wanderung; spöt- 
tisch wird Pythagoras mit seinen Fabeln abgemacht; ja als Lügner und 
Betrüger behandelt.') Alsdann kritisiert er die platonische Lehre, dass 
die Toten aus den Lebenden und die Lebenden aus den Toten werden. 
Den ersten Tefl der Behauptung gibt er zu, nicht aber den zweiten, denn 
zuerst sind doch die Lebenden anzusetzen, auch bei Gegensätzen wie 
Jugend und Alter ist die Rückwärtsbewegung nicht vorhanden. Ein an- 
deres Argument ist, dass bei dieser Theorie nicht das Wachstum des 
Menschengeschlechts erklärt werden könne.*) Aber noch andere Schwie- 
rigkeiten stellen sich für TertuUian ein, z. B. die Seele eines Greises 
soll wieder eine kindUche werden. Doch ganz schrecklich ist dem 
Autor der Wahn, dass Tiere aus Menschen hervorgehen und umge- 
kehrt. Eine Menschenseele kann unmöglich in ein ihr so entgegenge- 



') Er anterscheidet zwar einen körper- 
lichen und einen seelischen Samen, aber 
beide sind untrennbar miteinander verbunden 
(c. 27): duas species confitebimur setninis, 
indiseretM tarnen vindicamus et hoc modo 
contemparales eiusdemque tnomenti. 

') Da er hier auf das Sexuelle eingehen 
muss, schickt er einen Grundsatz voraus 



(c. 27): natura veneranda est, non erubes- | c. 39). 



cenda . concubitum libido, non condicio 
foedavit. 

*) Hiebei wird eine beachtenswerte Sen- 
tenz vorgebracht (c. 28) : neque veritas desi- 
derat vetustatem neque mendacium deritat 
novellitatem. 

*) Hier (c. 30) finden wir eine Benutzung 
der antiquitates Varros (und wohl noch 



288 RömiBohe Litteraturgeeohichte. TL Die Zeit der Monarohie. 2, AbteUnng. 

setztes Wesen, wie es das Tier ist, übergehen. Auch in der Rücksicht 
auf eine ausgleichende Gerechtigkeit findet diese Theorie keine Stütze, 
sowohl die Bestrafung als die Belohnung erscheinen nicht adäquat den 
Thaten. Endlich erörtert er auch noch einige gnostische Phantasien, die 
des Simon aus Samaria und die des Karpokrates, ^) welche an die Metem- 
psychose anstreifen. Nach dieser langen Erörterung kommt er wieder 
auf den Gedanken zurück, dass der Keim der Seele zugleich mit der Zeu- 
gung gelegt werde, und fügt hinzu, dass durch die Zeugung auch das Ge- 
schlecht bestimmt werde. Die Vereinigung des Leibes und der Seele *) ist 
also vom Moment der Zeugung an gegeben, Leib und Seele treten nach 
der Geburt auch zusammen in das Stadium der Entwicklung. Im vier- 
zehnten Lebensjahr tritt sowohl im Leib als in der Seele eine gewisse 
Reife ein; es stellt sich jetzt die Erkenntnis von Gut und Bös ein. Daran 
schliesst sich eine Betrachtung über die Stellung der Seele und des Leibes 
zum Bösen und über die Entstehung des Bösen in der Seele durch die 
Erbsünde. 

Es folgt der dritte Teil, der die Trennung der Seele vom Leibe d. h. 
den Tod bespricht. Zuvor aber will der Verf. vom Schlafe als einem Bild des 
Todes handeln. Er führt die verschiedenen Definitionen an, er seinerseits 
schliesst sich der stoischen an, welche den Schlaf als eine Auflösung der 
leiblichen Kraft definiert.^) Die Seele kann niemals passiv erscheinen, da 
sie unsterblich ist. Ihre Thätigkeit im Schlafe zeigt sich im Traum. Das 
Erwachen aus dem Schlaf ist uns ein Sinnbild der Auferstehung. Der 
Traum führt nebenbei auf eine verwandte Erscheinung, auf die Ekstase. Es 
handelt sich noch darum, festzustellen, ob den Träumen eine Bedeutung 
innewohnt. TertuUian ist der Ansicht, dass sich manche Träume erfüllen ; 
er führt auch eine Reihe von Träumen an, die sich erfüllt haben. Diese 
Beispiele sind aus den fünf Büchern des Hermippos von Berytos über die 
Träume geschöpft. Die Träume kommen teils von Gott, teils von den 
Dämonen; teils entstehen sie aus dem eigenen Antrieb der Seele. Ter- 
tuUian untersucht nun, inwiefern die natürlichen Verhältnisse auf das 
Traumleben Einfluss haben, und spricht den Gedanken aus, dass auch die 
Kinder träumen, und dass überhaupt das Träumen eine natürliche Funk- 
tion der Seele ist. Diese ganze Auseinandersetzung war jedoch lediglich 
eine Vorbereitung für den dritten Teil, der dem Tode gewidmet ist. 
Der Tod ist ein Tribut, den wir der Natur schulden ; es ist deshalb lächer- 
lich, wenn Menander denen, die seine Taufe annehmen, Befreiung vom 
Tode verheisst. Das Wesen des Todes wird in einer Trennung der Seele 
vom Leibe erblickt, und diese Trennung als eine vollständige, nicht etwa 
als eine partielle betrachtet.^) Bezüglich der Unsterblichkeit der Seele 
wird hervorgehoben, dass hier nur Glaube und Offenbarung, nicht 
aber Philosophie Überzeugung verschaffen könne. Im Anschluss an die 



') Baub, Die Christi. Qnosis, p. 306 
Anm. 74. 

*) c. 87 societatem carnis atque animae 
iamdudum commendaptmus a roncretione se- 



minum ipsorum usque ad figmenti per- est . 8% quid animae remanserit, vita est 



fectionem, 

') c. 43 aamnus rescHutio sensualis rt- 
goris, 

*) c. 51 mors, si non semel tata est, non 






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ibtttc QaintuB Sepüinina Florena Tertiillianiui. 289 

Kcf[ Offenbarung wird auch die Unterscheidung eines natürlichen und eines un- 
DAj' natürlichen Todes bekämpft; für den Christen ist jeder Tod unnatürlich, 
weil er eine Folge der Sünde ist. Doch die wichtigste Frage ist, wohin 
kommt die losgelöste Seele. Ehe diese Frage beantwortet wird, sucht der 
^v, Verfasser einen Einwand, der gegen die Unsterblichkeit erhoben werden 
kann, zurückzuweisen. Von mancher Seite wurde nämlich auf das stück- 
weise Hinschwinden der Seele bei dem langsam eintretenden Tod aufmerk- 
,K sam gemacht und daraus auf die Vergänglichkeit der Seele geschlossen. 
Allein die Seele bleibt auch bei diesem Vorgang eine einheitliche Substanz, 
nur die Trennung geschieht stückweise. Bezüglich des Ortes, wohin die Seelen 
nach ihrer Trennung vom Leibe kommen sollen, machen die Thilosophen 
einen Unterschied zwischen den Seelen der Weisen und Unweisen. Ter- 
tuUian statuiert einen ungeheuren Raum in der Erde, wohin alle Seelen 
nach dem Tode kommen, und in den selbst Christus hinabgestiegen ist. 
Erst mit dem Untergang der Erde wird der Himmel erschlossen. Nur 
der Martyrertod kann sofort das Paradies öffuen. Der Eintritt in die 
Unterwelt geschieht sogleich nach dem Tode, und eine Rückkehr in die Ober- 
welt ist der Seele nicht möglich. Die Magie, welche sich anheischig macht, 
Seelen aus der Unterwelt emporzuziehen, ist Betrügerei. Sofort mit dem 
Tode beginnt in der Unterwelt die Belohnung oder die Bestrafung. In- 
haltsleer kann das Leben der Seele in der Unterwelt nicht sein. Dies 
darf um so weniger angenommen werden, als die Seele schon auf Erden 
ihre vom Körper unabhängigen Freuden oder Schmerzen hat und auch 
ohne den Leib Gutes oder Böses thut. Es ist daher gerecht, wenn die 
Seele dafür, ohne dass sie auf den Leib zu warten hat, bereits ihren Lohn 
empfängt. 

Aus dieser Skizze wird jedermann die Überzeugung gewinnen, dass 
die vorliegende Schrift eine ungemein hohe Bedeutung hat. Sie ist die 
erste Psychologie, welche auf christlichem Boden entstanden ist. Stört 
uns auch öfters, dass mit den philosophischen Argumenten die aus der 
heiligen Schrift genommenen verquickt werden, so erfüllen uns doch die 
mannigfaltigen Fragen, die angeregt werden, und der Scharfsinn, der allent- 
halben hervorleuchtet, mit hoher Bewunderung. Mit Recht sagt ein be- 
rühmter Forscher: Das Werk „über die Seele** nimmt einen Ehrenplatz 
in der wissenschaftlichen Litteratur der Kaiserzeit ein.^) 

Die Disposition der Schrift. Der erste Teil wird durch die Worte eingeleitet 
(c. 4): Post definitionem censtts (in der Schrift gegen Hermogenes) quaeationem Status 
patitur. Die Bestimmong des Wesens der Seele reicht bis c. 22, wo er seine Erörterungen 
zusammenfasst: cetera animae naturalia tarn a nobia audiit Hermogenes cum ipsorum de- 
fensione et probatione, per quae dei potius quam maieriae propinqua cognoscitur . hie solum- 
modo nominahuntur, ne praeterüa videantur; dedimus enim Uli et libertatem arbitrii — et 
dominaiumem rerum et divinationem interdum, seposita quae per dei gratiam obvenU ex 
jprcphetia, — Definimus animam dei flatu natam, immortalem, corporalem, effigiatam, sub' 
stantia simplicem, de auo sapientem, varie procedentem, liberam arbitrii, aecidentiis obnoxiam, 
per ingenia mutabilem, rationalem, dominatricem, diinnatricem, ex una redundantem. Der 
zweite Teü wird mit den gleich darauffolgenden Worten angedeutet: sequitur nunc ut quomodo 
ex una redundet eonsideremus, id est unde et quando et qua ratione sumatur; also es handelt 



^) Habnack (Texte und Untersuch. VIII. 
Bd. 4. Ueft p. 78). Ganz unbegreiflich ist 
es mir daher, wie £bert diese Schrift, die, 



wenn irgend eine, ein allgemeines Interesse 
beanspruchen kann, von seiner Betrachtung 
ansschliessen konnte. 



Bandlnioli der klMH. Altcrlnmiwlaieiisebaft. Vm. S.Teil. 19 



J 



290 ^mische LitteraiorgeMhioliie. IL Die Zeit der Monaroliie. S. Abteilung. 

sich um die Entsteh ung der Einzelseele. Dies schliesst aber auch Betrachtangen über 
die Entwicklung der Seele ein. Der letzte Teil beginnt mit 42: De morie iam super- 
est. Allein er handelt zuerst Ober Schlaf und Traum ; c. 50 heisst es: Satis de speculo 
mortis, id est samno, tum etiam de negotiis somni, id est de somniis . Nunc ad originem 
huius excessus (dieses Exkurses), id est ad ordinem mortis, quia nee ipsa sine quaestionibus, 
licet finis omnium quaestionum. Man sieht, der Autor will die Dreiteilung des Werks und 
deutet sie an. 

Abfassungszeit Einen festen terminus post quem gibt an die Hand die Plrwlh* 
nung des Martyriums der Perpetua (c. 55): Perpetua fortissima martyr sub die passionis 
in reveUUione paradisi solos illic eommartyres suos vidit. Sie ist also nach 203 geschrieben. 
Weiterhin steht fest, dass unsere Monographie nach den Schriften gegen Hermogenes (c. 21) 
und gegen Marcion (c. 21) und den verlorenen de eensu animae (c. 1), deparadiso (c. 55), de 
fato (c. 20) verfasst ist. Dagegen geht sie der Schrift de rtsurreetione eamis und damit 
auch der de carne Christi voraus (Haüok, Tertullian p. 284 Anm. 2). Dass sie nach der 
völligen Ausscheidung des Montanismus aus der Grosskirche geschrieben ist, erhellt ans 
der in dem folgenden Absatz .Montanistisches* citierten Stelle. Vgl. Ublhobk p. 53, 

BONWETSCH p. 48. 

Montanistisches, c. 9 quia spiritalia eharismata agnoseimus, post Johannem 
quoque prophetiam meruimus consequi . est hodie soror apud nos revelationum eharismata 
sortita, quas in eeclesia inter dominica sollemnia per eestasin in spiritu patitur; eonver-^ 
satur cum angelis, aliquando etiam cum domino, et videt et audit sacramenta et quorundam 
eorda dinoscit et medicinas desiderantibus submittit . iam vero prout scripturae leguntur 
aut psalmi canuntur aut allocutiones prcferuntur aut petitiones delegantur, ita inde materiae 
visionibus subministrantur, Ueber die Ekstase cf. c. 45; über den Parakleten c. 58 (Schlnss). 

Quellen, c. 2 sagt Tertullian: sed et medicinam inspexi, sororem, ut aiunt, philo- 
sophiae\ der medizinische Autor, den er einsah, war lediglich Soranos, und diesen nennt 
er (c. 6): ipse Soranus plenissime super anima eommentatus quatuor voluminibus et cum 
Omnibus philosophorum senientiis expertus corporaiem animae substantiam vindicat, etsi 
illam immortalitate fraudavit. Die Stücke, die aus Soranus genommen sind, lassen sich 
mit ziemlicher Sicherheit ausscheiden (vgl. Dibm, Doxograph, Berl. 1879 p. 206). Die For- 
scher fehlen vielfach dadurch, dass sie kurzweg diese Partien als einfach tertullianisch 
ansehen.') Auch das Verhältnis Tertullians zu dem Stoizismus hängt zum Teil von der 
Frage ab, inwieweit Soranos Stoisches in seine Lehre aufgenommen hat. Ausser Soranos 
hat Tertullian noch ein Werk des Hermippos von Berytos über die Träume benutzt und 
daraus einen längeren Abschnitt mitgeteilt, in dem die Erfüllungen von Träumen mit An- 
gabe der Quellen berichtet werden. Am Schluss sagt er: cetera cum suis et originibus et 
ritibus et relaioribus, cum omni deinceps historia somniorum Hermippus Bergtensis quinione 
voluminum satiatissime exhibebit (c. 46); auch c. 57 ist ein Passus daraus entnommen. End- 
lich ist noch Varro benutzt. 

699. De carne Christi (über den Leib Christi). Zwei Sätze be- 
stimmen sowohl den Inhalt als die Gliederung der Schrift, erstens, dass 
der Leib Christi ein wirklicher und menschlicher war; zweitens, dass 
Christus diesen Leib aus der Jungfrau Maria genommen. Diese zwei 
Glaubenslehren werden gegen die Meinungen der Häretiker festgestellt. 
Im ersten Teil bestreitet er die verschiedenen Irrlehren, welche über den 
menschlichen Leib Christi verbreitet waren. Er wendet sich zuerst gegen 
Marcion, der einen Scheinleib Christi statuiert und infolge dessen anch 
Christi Geburt leugnen muss.*) Dann bekämpft er Apelles, der auf eine 
Offenbarung der Philumene hin zwar einen materiellen Leib Christi con- 
cediert, aber dessen Geburt in Abrede stellt^) und ihn aus den Himmels- 
körpern entstanden sein lässt.^) Endlich erhebt er Opposition gegen Ya- 
lentinus, der eine vermittelnde Stellung einnimmt, indem er den Leib, .ein 



*) Nur ein Beispiel. Habhack (Texte 
und Untersuch. YUI. Bd. 4. H. p.87,8) macht 
auf eine ftlr die Geschichte der Geburtshilfe 
interessante Stelle aufmerksam. Allein die- 
selbe gehört nicht Tertullian, sondern Sora- 
nus an. 



') 1 Afarcion, ut camem Christi negaret, 
negavit etiam nativitatem. 

*) 6 solidum Christi corpus, sed sine 
nativitate. 

*) 6 de sideribus et de substantiis supe-' 
rioris mundi mutuatus est camem. 



Qnintns Septimiua Floreiui Teiiidliaiiiui. 



291 



geistiges Fleisch'' nennt, ^) also die Grenzen zwischen Geist und Leib ver- 
wischt. In streng syllogistischer Weise wird gegen diese Irrlehrer zu Felde 
gezogen. Zuletzt wird noch eine Unterstellung des Valentinianers Alexander 
scharf abgewiesen; derselbe behauptet nämlich, der Lehre, welche Ter- 
tullian vertritt, liege der Gedanke zu Grund, Christus habe ein irdisches 
Fleisch angenommen, um in sich selbst das Fleisch der Sünde zu » ent- 
leeren*.*) Weder Vernichtung noch Sündhaftigkeit des Fleisches werde 
in der Eirchenlehre angenommen. Nachdem TertuUian in dieser Weise 
negativ durch Abwehr der Irrlehren dargethan, dass der Leib Christi ein 
wirklicher und ein menschlicher war, liegt ihm noch ob, an der Hand der 
Schrift den Nachweis zu liefern, dass Christus seinen Leib ohne Vermitt- 
lung des männlichen Samens aus der Jungfrau Maria genommen. 

Wir staunen über die dialektische Gewandtheit, die TertuUian in 
dieser Schrift entfaltet hat, stossen uns aber sehr an der wenig zarten 
Weise, in der er das Sexuelle besprochen. 

Abfassungszeit. Einige Citate belehren uns, nach welchen Schriften die Ab- 
handlung geschrieben ist. Er citiert de praescriptionibus (c. 2 aedplenius eiusmodi prae- 
»criptUm^Sus adveraus omnea haereaea alibi tarn usi sumus); de teatimonio animae (c. 12 
pUniua haec proaeguüur liheüua quem acripaimua de teatimonio animae); adveraua Mar» 
cionem (c. 7 audiat et Apeüea quid iam reaponaum ait a nobia Mareioni eo libello quo 
evangelium ipaiua provocammua). Weiterhin steht fest, dass die Schrift yov de reaurrectione 
earnia f&llt, da sie ausdrücklich als die Qrundlage jener zweiten Abhandlung bezeichnet 
wird (c. 25 reaurreetio noatrae earnia alio libeUo defendenda, hie habehit praeatructianem, 
manifeato iam quäle fuerit quod in Chriato reaurrexii), 

700. De resurrectione camis (über die Auferstehung des Fleisches). 
Die Schrift »Über den Leib Christi" bildete den Vorläufer einer 
grösseren „Über die Auferstehung des Fleisches''. Man kann sich 
denken — und auch TertuUian verschweigt es nicht — , dass gerade die 
Lehre von der Auferstehung des Fleisches dem gewöhnlichen Verstände 
widerstrebte, und dass die Häretiker hier leicht ansetzen konnten, um flir 
sich Propaganda zu machen. Daher ist die Feststellung dieser Lehre gegen 
alle Zweifel fUr TertuUian eine wichtige Sache. Er sucht daher möglichst 
gründlich und möglichst methodisch das Problem zu behandeln. Drei Sätze 
sind es, welche er vor allem feststellt: erstens, der Leib verdient auf- 
zuerstehen; zweitens, er kann durch die Macht Gottes auferstehen; drittens, 
er muss auferstehen.*) Am wichtigsten ist natürlich für ihn der dritte 
Satz. Derselbe wird im wesentlichen durch den Hinweis auf das Richter- 
amt Gottes begründet. Dasselbe kann nur dann sich vollständig und voll- 
kommen gestalten, wenn der ganze Mensch vor dasselbe gestellt wird. 
Leib und Seele wirken gemeinsam im Leben, sie müssen daher auch beide 
an der Strafe oder an der Belohnung ihren Anteil haben. Dem Einwand 



*) 10 camem Christi animaUm affir- 
mani, quod anima caro ait facta, ergo et 
coro anima et aieut caro animalia, ita et 
anima eamalia; 15 licuit et Valentine ex 
priviUgio haeretico eamem Chriati apiritalem 
eamminiaei, 

') 16 quaai noa affirmemua ideirco 
Chriatum terreni cenaua induiaae camem, ut 
evacuaret in aemetipao camem peccati. 



*) Vgl. die Rekftpitalation und üeber- 
leitiing c. 14 exorai aumua ab auctoritate 
earnia, an ea ait cui dilapaae aalua com- 
petat, dehinc proaecuii de potentia dei, an 
tanta ait quae aalutem conferre dilapaae rei 
adleai . Nunc -— velim etiam de causa r«- 
quiraa, an ait aliqua tarn diqna quae resur^ 
rectionem earnia neceaaariam et rationi carte 
omni modo debi am vindieet. 



292 Römisohe LitteraturgMohiohte. IL Die Zeit der Konarohie. 2. Abieilimg. 

der Häretiker, dass f&r den Richter bloss die Seele in Betracht komme, 
da sie sich des Leibes wie eines Instrumentes bediene, setzt er den Satz 
entgegen, dass das dienende Wesen, wenngleich es aus sich nichts denkt, 
doch vom Gericht ergriffen werden muss, weil es ein Teil dessen ist, 
welches denkt, nicht ein blosser Hausrat.^) Auf der andern Seite billigt 
er aber auch nicht die Ansicht derer, welche die Auferstehung des Leibes 
damit motivieren, dass die Empfindung der Rache oder der Belohnung nur 
durch den Leib vermittelt werden könne; denn er statuiert auch Körper- 
lichkeit der Seele. Allein obwohl die Seele für sich empfinden kann, so 
verlangt sie doch die Mitgenossenschaft des Leibes, weil sich ja die Thaten 
der Seele nur mit Hilfe des Leibes vollziehen.*) 

Diese Betrachtungen bilden die Grundlage für den Schriftbeweis, 
zu dem sich jetzt die Abhandlung wendet, und in dem sie ihren Schwer- 
punkt findet. Hier galt es vor allem, die von den Häretikern vorgenom- 
mene allegorische Deutung der Schriftstellen, welche fUr die Auferstehung 
des Leibes sprechen, zu beseitigen. Tertullian gibt zwar zu, dass die hei- 
lige Schrift eine Auferstehung im bildlichen Sinne kennt, allein dieser 
geistigen Auferstehung tritt die leibliche gegenüber, welche durch Bibel- 
stellen ausser Zweifel gesetzt wird. Diese Stellen, teils prophetische, 
teils evangelische, teils apostolische, werden eingehend besprochen, und 
die Einwendungen der Gegner zurückgewiesen. Steht die Auferstehang 
des Leibes durch die Untersuchung fest, so handelt es sich noch darum, 
die Natur des Auferstehungsleibes näher zu bestimmen. Es ist derselbe 
Leib, aber verklärt und seiner Unvollkonunenheiten entkleidet.') 

Abfassungszeit. Verwiesen wird auf die Schrift de anima c. 17 nas atäem animam 
corparalem et hie profUetnur et in 8uo volumine probamtis, habentem proprium genus ȟb- 
stantiae aoliditatis, per quam quid et sentire et pati poesit. Allem Anschein nach ist hier 
probavimus zu lesen ; denn dass die Schrift de anima schon fertig war, zeigt c. 42 diximus 
iam de isto alihi, was sich aaf c. 51 bezieht, und c. 45 docuimus in eommentario animae 
(anf c. 27 bezüglich); weiterhin auf die Schrift adversus Mareionem lib. 2 et occurttum est 
iam 8UO quoque titulo de deo quidem unieo et Christo eius adversus Mareionem (c. 14), end- 
lich auf die Schrift de carne Christi c,2 et nos voiumen praemisimus de carne Christi, 

701. Die verlorenen Schriften Tertullians. Mehrere Schriften Ter- 
tullians haben sich nicht erhalten, aber doch noch Spuren ihres Daseins 
zurückgelassen. Wir führen zuerst die Schriften an, die Tertullian selbst 
in seinen uns noch erhaltenen Schriften erwähnt. 

1. De spe fidelium (über die Hoffnung der Gläubigen). Diese 
Schrift gehört in das Gebiet der Eschatologie. Wie wir bereits gesehen, 
war der Gedanke bei den Montanisten besonders lebendig, dass nach der 
Auferstehung und mit der Wiederkunft Christi ein tausendjähriges Reich 
auf Erden aufgerichtet werde, da sich das himmlische Jerusalem in Pepuza 



') c. 16 ita et ministerium tetiehitur 
iudicio et si de suo nihil sapiat, quia portio 
est eius quae sapit, non supellex, 

') c. 17 expecians (anima) tamen et 
carnem, ut per illam etiam facta compenset 
cui cogitata mandavit» 

■) c. 63 resurget coro et quidem omnis, 



et quidem ipsa et quidem integra» c 52 ae^ 
cipiet et ipsa (caro) suggestum et omatum 
qualem Uli deus voluerit superducert «ecuit- 
dum meriia. c. 55 ita et in resurreetionis 
eventum mutari, eonverti, reformari licebii 
cum salute substantiae. 



Qaintiu Septimiiis Florens Tertallianns. 



293 



hemiederlassen werde. Als AbscUuss der Geschicke Israels ward dieses 
tausendjährige Reich von Tertullian nicht betrachtet. Die Weissagungen 
der Propheten seien nicht auf Israel zu beziehen, sondern was an örtlich- 
keiten genannt werde, sei allegorisch auf Christus und seine Kirche zu deu- 
ten. Diesem tausendjährigen Reich, das den Aufgestandenen einen Ersatz 
für das, was sie in der Welt gelitten, bieten will und daher die leibliche 
Auferstehung voraussetzt, folgt das himmlische. 

Adv. Marcion. 3, 24 De restitutione vero ludaeeif, quam et ipsi ludaei ita, ut descri- 
hitur, 8perant loeorum et regionum nominibus inducti, quomodo allegorica interpretatio in 
Chrietum et in ecclesiam et hahitum et fructum eins apiritaliter competat, et longum est 
persequi et in alio opere digeetum, quod inscribimus „de spe fidelium" et in 
praesenti vel eo otiosum, quia non de terrena, sed de caeleati promiaaiane sit quaestio. Nam 
et canfttemur in terra nobia regnum reprofnissum, 8ed ante caeJum, sed alio statu utpote 
post resurrectionem in tnille annoa in civitate divini aperis HierusaJem eaelo delata, Dass 
Tertallian über den zuletzt genannten Gegenstand gehandelt, bezeugt auch Hieronymus in 
Ezech. c. 36 neque enim — gemmatam et auream de caelo expectamus Hierusalem — quod 
et mülti nostrorum et praecipue Tertulliani Über qui inscribitur de spe fidelium 
et Lactantii institutionum volutnen septimum poüicetur (cf. de vir. ill. 18). — Scbwbglkb, 
Montanismus p. 74; Bonwetbch, Montanismus p. 79; Hauck, Tertullian p. 330. 

Der Zeit nach wird sich die Schrift an .die Ober die Auferstehung angeschlossen 
haben (Hauok p. 330). 

2. De paradiso (von dem Paradies). Über das Paradies spricht 
Tertullian im 47. Kapitel seines Apologeticus ; er nennt es dort einen Ort 
voll göttlicher Anmut, der bestimmt ist, die Geister der Heiligen aufzu- 
nehmen, und der durch eine Feuerzone von dem Erdkreis geschieden ist. 
Alle Fragen, die sich auf das Paradies beziehen, waren in dieser Schrift 
behandelt. So wissen wir durch ein ausdrückliches Zeugnis, dass Tertul- 
lian hier den Nachweis zu liefern versuchte, dass jede Seele bis zum Tag 
des Herrn in der Unterwelt aufbewahrt werde. 

Ady. Marc. 5, 12 de paradiso suus stilus est ad omnem quam patitur quaestionem; 
De anima c. 55 habes etiam de paradiso a nobis libellum, quo constituimus omnem 
animam apud inferos sequestrari in diem domini, — Hauok, Tertullian p. 281. 

3. Ädversus Apelleiacos (gegen die Anhänger des Apelles). 
Ausser Marcion und Valentin nennt Tertullian am häufigsten den Qnostiker 
Apelles. Er erzählt von ihm, er sei ein Schüler Marcions gewesen, habe aber 
seinem Lehrer aus den Augen gehen müssen, als er mit einem Weibe sich 
eingelassen. Jetzt bildete Apelles sich eine eigene Lehre, indem er mit 
einer Jungfrau in Beziehung trat, deren , Offenbarungen'' {fPavsQdaeig) er 
niederschrieb. *) Dieses Werk lag sicher Tertullian vor, und es wird seine 
Quelle gewesen sein, als er gegen die Häresie des Apelles die oben ge- 
nannte Schrift schrieb. In derselben wurde die Schöpfungstheorie des Häre- 
tikers angegriffen; Apelles hatte nämlich die Weltschöpfung einem her- 
vorragenden Engel Gottes beigelegt, diesen Engel aber als Geschöpf des 
höchsten Gottes bezeichnet; dadurch glaubte er einerseits die Monarchie 
Gottes gerettet, andrerseits Gott die Schöpfung der sündigen Welt abge- 
nommen zu haben. Der Engel schuf die Welt nach dem Vorbild der 
höheren Welt (also mit dem Geiste und Willen Christi), aber, da ihm sein 
Werk nur unvollkommen gelang, mischte er noch die Reue bei. Diese 



*) de praescr, 30 Ueber diesen Einfluas 
der Phüumene auf Apelles' Lehrmeinung 



spöttelt Tertullian noch 5fter; vgl. de earne 
Christi 6 und 24, de praeser, 6. 



294 Bömisohe Litteratargeflohiohte. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 



Anschauung bekämpfte Tertullian in der verlorenen Schrift. Er spricht 
nur an einer einzigen Stelle, die unten folgt, ausdrücklich über dieses Werk. 
Wir dürfen aber vermuten, dass auch das, was er an anderen Stellen über 
Apelles sagt, darin behandelt war. So z.B., dass Seelen, nach dem Qeschlecht 
geschieden, bereits vor ihrem Eintritt in den Leib existierten,^) dass 
Christus einen wirklichen Leib an sich gehabt habe, dass aber dieser 
siderischer Natur gewesen sei. ^) Wir bedauern den Verlust dieser Schrift, 
da Apelles unter den Onostikem durch manche eigentümliche Züge her- 
vorragte; er legte nicht das Hauptgewicht auf die Forschung, da er be- 
zweifelte, ob sie zur Wahrheit führe; dagegen legte er alles Gewicht auf 
den Glauben, und wie ein modemer Satz klingt es uns entgegen, wenn er 
sagt: Selig wird werden, wer sein Vertrauen auf den Gekreuzigten setzt, 
nur muss er in gutem Wirken befunden werden.^) 

De earne 8. Sed qtwniam et isti ÄpeUeiaei earnis ignaminiam praeUnduiU tnaxime, 
quam volunt ah igneo iUo praeside malt soUicitatis animabus adstructam et idcireo indignam 
Christo et idcireo de aideribus Uli subatantiam eompetisse, debeo eos de stta paratura re- 
pereutere . Angelum quendam inclitum nominarU qui mundum hune instUuefit et in^ituto 
eo paenitentiam admiserit. Et hoc suoloco tractavimus; nam est nobis adversus 
iUo8 libellus, an qui spiritum et voluntatem et virtutem Christi habuerit ad ea opera, 
dignum aliquid paenitentia fecerit, cum angelum etiam de figura erratieae ovis inier^ 
pretentur. 

Benutzt wurde diese verlorene Schrift von Uippolvt im Syotagma und von Pseudo- 
tertullian adt>ersus omnes haereses , der uns daraus mitteilt, dass Apelles auch eine Schrift 
„Syllogismi" geschrieben, in denen er den Nachweis zu liefern versucht hatte, dass alles was 
Moses tlber Gott geschrieben, falsch sei (Habnack, Geschichte der altchristl. Litteratnr 
1, 199). 

üeber Apelles vgl. A. Eabvack, De ÄpeUis gnosi monarchica, Leipzig 1874; 
A. HiLOBNFBLD, Der Gnostiker Apelles in Zeitschr. f. w. llieol. 1875, I p. 51 — 75. 

4. De censu animae adversus Hermogenem. Wir haben oben 
bereits eine Schrift kennen gelernt, welche Tertullian gegen die dualistische 
Theorie eines ewigen Gottes und einer ewigen Materie richtete; er schrieb 
aber noch eine zweite, leider verlorene Schrift gegen ihn „über den Ur- 
sprung der Seele". Die herkömmliche Lehre hatte, gestützt auf die 
Stelle Gen. 2, 1 finxit deus hominem de limo terrae et afflavit in faciem 
ein 8 f tat um vitae, angenommen, dass die Seele aus einem Hauche Gottes 
entstehe. Allein auch hier ergeben sich für Hermogenes dieselben Schwie- 
rigkeiten wie bei der Annahme, dass Gott die Welt aus nichts erschaffen 
habe; denn die Entstehung der Seele aus einem Hauch schliesst notwen- 
digerweise die Annahme in sich, dass dann der „göttliche" Hauch sich 
auch an der Sünde beteiligen muss. Da dies unmöglich ist, so muss auch 
für die Seele ein materielles Substrat gesucht werden; er setzte daher an 
Stelle deis „flatus*^ den Ausdruck „spiritus" und verstand darunter den 
Wind, der ein Teil der Materie ist. Eine weitere Eonsequenz dieser An- 
schauung war, dass der Häretiker die Willensfreiheit dem Menschen ab- 
sprechen musste. 

De censu. Das Wort „census^ gehraacht Tertullian im Sinne von „Ursprung*. 
Apol. 0. 7 census istius disciplinae, ut iam edidimus, a Hberio est, c. 21 hune edidimus 
et seetae et nominis censum cum suo auctore, vgl. OEm<BB asu de cor, c. 18. 

Zeugnisse üher das verlorene Werk, de anima c.\ de solo censu animae 



') de anima 36 nnd 23. 

') de came Christi 6. adv, Marc. 3, 11. 



') Vgl. den Bericht Rhodons bei Eoseb. 
hist, ecrl, 5, 13. 



QaintiM Septimina Florena Tertnllianiu. 295 

eongressus Hermogeni, quatenus et istum ex materiae potius suggestu quam ex dei flatu 
eonstitiase praesumpsit, nunc ad reliquaa conversua quaestiones plurimum videhor cum phi- 
losoph%9 dimicaiurus (vgl. c. 3). c. 11 adversus Hertnogenem, qui eam {animam) ex materia, 
non ex dei flatu contendit, flatum proprie tuemur . ille enim adversus ipsius scripturae 
fidem flatum in spiritum vertit, ut, dum ineredibüe est spiritum dei in delictum et mox in 
iudicium devenire, ex materia anima potius eredatur quam ex dei spiritu. c. 21 inesse 
auism nobis ro avts^ovaioy naturaliter iam et Mareioni ostendimus et Hermogeni (vgl. 
o. 24). Habnack vermutet (Geschichte der altchnstL Litt. 1, 200), dass noch Philastrius die 
Schrift gelesen. 

5. De fato. Über den Inhalt dieser Schrift können wir genaueres 
nicht mitteilen, da sich Tertullian nur an einer Stelle über sie ausspricht. 
Danach scheint er gegen die Annahme eines fatum gekämpft zu haben; fUr 
ihn gibt es kein blindes unpersönliches fatum, sondern einen &ott und 
einen Teufel. 

Zeugnis, de anima c. 20 enimvero praesuni secundum nos quidem deus dominus 
et diabolus aemiUus, secundum communem autem opinionem et Providentias fatum et neces- 
sitas et fortunae et arhitrii libertas, nam haee et phüosophi distinguunt et nos secundum 
fidem disserenda suo iam vovimus titulo. Dass diese Schrift nach der Schrift de anima 
erschienen ist, beweist ein Citat aus ihr bei Fulgentius Planciades p. 562 ed. Merc; vgl. 
Havok, Tertullian p. 282. 

Bisher konnten wir die Spuren der verlorenen Schriften bei Tertul- 
Uan selbst aufzeigen; für mehrere nicht erhaltene Schriften fehlen da- 
gegen Zeugnisse bei Tertullian. Sie gehen auf andere Quellen zurück. 
Aus Hieronymus erhalten wir Kunde von folgenden Werken Tertullians, 
welche wir nicht mehr besitzen: 

6. De ecstasi libri VIL Wie bekannt, stützt sich der Montanismus 
auf eine neue Prophetie des heiligen Geistes. Diese erfolgt durch Men- 
schen im Zustand der Ekstase. Überwältigt vom Parakleten und in Ver- 
zückung geraten redeten die montanistischen Propheten und Prophetinnen. 
Solche Aussprüche wurden gesammelt und galten als neue Prophetien. Die 
Grosskirche musste sich gegen diese neue Form der Offenbarung ent- 
schieden erklären. Es traten Bestreiter der montanistischen Lehre auf. 
Sie mussten sich vor allem gegen die Ekstase wenden. Zu diesem Zweck 
führten sie aus, dass das Wesen der Ekstase bei den Montanisten ein 
ganz anderes ist als in der heiligen Schrift; weiter suchten sie darzu- 
legen, dass die Aussprüche der montanistischen Propheten mit der heiligen 
Schrift in Widerspruch stünden und dass sie nicht in Erfüllung gingen 
und dass sie keine Berechtigung hätten. Dies musste auf das Verhältnis 
der neuen Offenbarung zu der alten führen. Man sieht, eine Reihe von 
wichtigen Fragen knüpfte sich an dieses Problem. Der Verlust des Wertes 
ist daher sehr zu beklagen. Es erschien zuerst in sechs Büchern, später 
erhielt es einen Nachtrag; als nämlich ApoUonius gegen die Ekstase 
polemisch vorging, schrieb Tertullian noch das siebente Buch. 

Zeugnisse. Hieron. de vir iil. c. 58 speeialiter adver sum ecclesiam texuit volumina 
de pudieitia, de persecutione, de ieiuniis, de monogamia, de eestasi libros 
sex et septimum, quem adversus Apollonium scripsit, c. 24 huius (seil, Melito 
von Sardes) elegans et declamatarium genus laudans Tertullianus in VII libris, quos scripsit 
adversus ecclesiam, pro Montano dieit, eum a plerisque nostrorum prophetam putari. Ueber 
die Stellen im «Praedestinatus* c. 26 scripsit contra eos (Montanisten) librum sanetus Soter, 
papa urbis, et ApoUonius, Ephesiorum *) antistes . contra quos scripsit Tertullianus, pres- 



Gegen diese Bezeiohnnng Habnaok, Geschichte der altchr. Lit. 1,241. 



296 Römische Lltteratnrgesoliiolite. ü. Die Zeit der Monarchie. 2, Abteilung. 

byter CarthaginiensiSy qui cum omnta bene et prime et incomparahUüer scripserit, in hoc 
solum se reprehensihilem fecitf quod Mantanum defendit, agens contra Soterem supra dietun^ 
urbis papam und c. 86 Tertuflianum autem catholica hinc reprehendit auctoriicis, quod animam 
ex anima nasci dicit et defendit Montanum et Priscam et Maximillam contra fidem catho- 
licam et contra Apöllonium episcopum orientis et contra Soterem papam urbis Romae, ut 
supra diximus, dum Cataphrygas dettgeremus geht die Ansicbt der Gelehrten, soweit es 
sich um Soter (166/7 — 174/5) als Bestreiter der Montanisten handelt, auseinander. Meistens 
wird dies Zeugnis verworfen (vgl. die Citate bei Voigt, Eine verschollene Urkunde, Leipz. 
1891 p. 73 Anm. 3). Voigt sucht einen berechtigten Kern herauszuschälen: , Prädestinatos 
fand irgendwo, dass schon Soter den Montanismus verdammt habe (Tertüttianistas olim a 
Sotere papa Romano damnatos legimus c. 53). Er fasste dies auf. Sein Irrtum bestand 
nur darin, dass er aus Absagebriefen ein Buch machte. Und eine Ungenauigkeit war 
es, dass er fQr Montanisten oder Eataphryger Tertullianisten sagte. Diese Ungenauigkeit 
wird am besten durch die Annahme, dass er von Aeusserungen Tertullians ausging, erklärt.* 
Ueber die Abfassungszeit (circa 218) vgl. Rolffs, Urk. aus dem antimont. Kampfe 
des Abendl., Leipzig 1895, p. 94 (Texte und Unters. XII, Hf. 4). 

Die griechische Abfassung des Werks. Hiefür kommt in erster Linie als 
beweisend in Betracht, dass Uieronymus an folgender Stelle das W^erk mit griechischem 
Titel citiert (de vir. Hl, c. 40): Tertullianus sex voluminibus adversus ecclesiam quae 
scripsit nsQi intatdasviSy septimum proprie adversum ApoUonium elaboratfit, in quo 
omnia, quae ille arguit, conatur defendere. Mit dieser ftusseren Thatsache steht im Ein- 
klang, dass sich dieses Werk vornehmlich gegen griechisch schreibende Autoren, besonders 
gegen ApoUonius (ungefähr um 200, vgl. Harnack, Geschichte der altchristl. Litt. 1, 241) 
richtete, also für die morgenländische griechische Welt bestimmt war. Schon der Heraus- 
geber Tertullians Pamelius hat sich daher mit Recht für die griechische Abfassung des 
Werks ausgesprochen. Harnack, Texte, Bd. VIII H. 4 p. 7 Anm. 1 ; Zahn, Gesch. des neu- 
testamentl. Ean. 1,49; Voigt, Eine verschollene Urk. p. 10, der die Gründe unvollständig 
aufzählt. 

Benutzung des Werks. Epiphanius hat haeres. 48,2—13 eine Schrift gegen den 
Montanismus benutzt, die sich unter anderem gegen die Ekstase richtete. Voigt (Eine 
verschollene Urk.) hat die Hypothese aufgestellt, dass diese Schrift wahrscheinlich Rhodon 
zum Verfasser hatte und gegen die sechs ersten Bücher Tertullians negi ixardaew^ ge- 
richtet war. Dagegen betrachtet Rolffs, Urk. aus d. antimont. Kampfe p. 99 Bippolyt als 
Verf. der antimont. Schrift. 

7. De Aaron vestibus. Das Priestertum wurde bei den Israeliten 
aus dem Stamme Levi genommen und war fest gegliedert. Die Mitglieder 
der Familie Aaron standen als eigentliche Priesterschaft den Nichtaaro- 
niten oder Leviten im engeren Sinne gegenüber. Unter den Aaroniten 
hob sich wieder der Hohepriester ab. Auch äusserlich machte sich der 
Unterschied geltend und zwar in der Kleidung. Die nichtaaronitischen 
Leviten bedurften keiner eigentlichen Amtskleidung, dagegen war eine 
solche den Aaroniten, sowohl den einfachen Priestern als dem Hohe- 
priester notwendig.!) 

Hieron. ep. 65, 23 ad Fabiolam : fertur in indice Septimii Tertulliani über de Aaron 
vestibus, qui interim usque ad hunc diem a me non est repertus. Nobldbchen (Gebhardt und 
Harnack, Texte 5, 157 Anm. 1) meint, dass es möglich sei, dass adv. Marc. 4, 13 (p. 127 O.) 
die Worte „duodecim gemmas in tunica sacerdotali Aaronis^ sich auf dieses Werk beziehen. 

8. Liber ad amicum philosophum. Noch von einer Schrift gibt uns 
Hieronymus Kunde, und zwar soll sie Tertullian in seiner Jugend verfasst 
haben. Das Thema waren die ^angustiae nuptiarum'*. 

ep. 22,22 ad Eustochium: Et in principio libeüi praefatus sum me de angustiis 
nuptiarum aut nihil omnino aut pauca dicturum . et nunc eadem admoneo, ut si tibi 
placet scire quibus molestiis virgo libera, quot uxor adstricta sit, legas Tertuüianum ad 
amicum phÜosophum et de virginate alios libeUos, Advers. Jovin. 1, 13: non est huius loci 
nuptiarum angustias describere — certe et Tertullianus, cum esset adhuc adoleseens, luHt 
in hae materia. 



') P. ScHBOo, Bibl. Archäologie, Freib. 1887 p. 542. 



Qaiiitns Septimins Floren« TertnlUanna. 297 

Die letzte Quelle endlich, die uns verlorene Schriften Tertullians an- 
zeigt, ist der Index Agobardinus, d. h. das dem Codex des Bischofs Ago- 
bard von Lyon vorausgeschickte Inhaltsverzeichnis. Der Codex umfasste 
21 Werke Tertullians; allein der letzte Teil des Codex ging verloren. Da- 
durch sind uns die zweite Hälfte der Schrift de came Christi und ausser- 
dem die acht folgenden Schriften abhanden gekommen; von diesen letzteren 
sind uns drei, nämlich de virginibus velandis, de patientia und de 
paenitentia in anderen Quellen erhalten. Dagegen sind uns fUnf Werke 
nicht anderweitig aufbewahrt worden, de spe fidelium und de paradiso, 
über welche wenigstens einzelne Notizen bei TertuUian übrig sind. Da- 
gegen fehlt jede weitere Kunde von folgenden Werken des Index: 

9. De carne et anima. 

10. De animae submissione, 

11. De superstitione saeculi. 

Ausserdem sind uns verloren gegangen die griechischen Bearbeitungen 
von drei Themata, während uns die lateinischen derselben erhalten sind. 

12. De spectaculis. Der Gebrauch der griechischen Sprache wird mit 
den Rücksichten auf die karthagischen „suavUudii*^ motiviert. 

de cor. mil. 6 sed et hüte tnateriae propter auaviludios tiostros graeeo sermone quo- 
que aatisfecimus. Vgl. über die Stelle Zahn, Gesch. des neutest. Kanons 1,49 Anm. 1; 
RöNscH, Das N. Test. Tertullians, p. 19 Anm. 6. 

13. De baptismo. Hier war die Frage behandelt, ob die Ketzertaufe 
giltig sei. TertuUian verneint dieselbe. Die Häretiker stehen ausserhalb 
der Kirche, sie können daher nicht erfüllen, was der £[irche aufgetragen 
ist. Wenn auch die Häretiker taufen, so ist doch ihre Taufe eine andere 
als die der Kirche, wie auch ihr Gott ein anderer ist. Diese Erwägungen 
fuhren daher zu dem praktischen Resultat, dass ein Häretiker, wenn er 
zu der Kirche zurücktritt, von neuem zu taufen ist. 

de bapt. 15 nan debeo in Ulis cognoseere quod mihi est praeeeptum, quia non idem 
deus est nobia et Wie, nee unus Christus, id est idem, ideoque nee baptismus unus, quia 
nan idem; quem cum rite non habeant sine dubio non habent nee eapit numerari, quod non 
habetur; ita nee possunt aecipere, quia non habent . sed de isto plenius iam nobis in Graeeo 
digestum est. Hauck, TertuUian p. 102. 

14. De virginibus velandis. Die griechische Bearbeitung war der 
lateinischen vorausgegangen. 

c. 1 der lat. Schrift heisst es: proprium iam negotium passus meae opinionis Latine 
quoque ostendam virgines nostras velari oportere, ex quo transitum aetatis suae feeerint, 
hoc exigere veritatem, cui nemo praescribere potest, non spatium temporum, non patrocinia 
personarum, non Privilegium regionum. 

Wir kommen nun zu den Schriften, die mit Unrecht TertuUian zu- 
gewiesen worden sind. 

702. unechte Schriften. In das Corpus der tertuUianischen Schrif- 
ten sind auch solche eingedrungen, die nicht von ihm herrühren. 

1. Fragtnentum Vaticanum {de execrandis gentium diis). Joseph 
Maria Juarez fand in einem Codex der vatikanischen BibUothek, der die 
Chronik des Beda und einiges andere enthielt, ein Excerpt aus einer christ- 
Uchen Apologie ; er vergUch das Stück mit TertuUian und, obwohl ihm die 
Stilverschiedenheit nicht entging, glaubte er dasselbe doch dem TertulUan 
beUegen zu können; er publizierte das Fragment in Rom im Jahre 1630. 



298 BOmisolie Litteraturgesohiohte. n. Die Zeit der Honarchie. 2. Abteilung. 

Dass das Stück einer christUchen Apologie entnommen ist, kann nicht 
zweifelhaft sein. Zweck derselben ist, an Juppiter zu zeigen, welche un- 
würdige Vorstellungen die Heiden von der Gottheit haben. Der Verf. erzahlt 
daher die Geburt des Juppiter mit Angabe der Zeit, die zwischen der 
Erschaffung der Welt und der Geburt liegt, seine Erziehung auf Creta, 
seine Kämpfe mit seinem Vater Saturnus und seine übrigen Schandthaten, 
die, wenn sie heutzutage begangen würden, die Sühne des Gesetzes her- 
beiführen würden. Die Schrift hat nichts mit TertuUian zu thun, da sie 
keine seiner Stileigentümlichkeiten an sich trägt. In welche Zeit sie ge- 
hört, läfist sich nicht bestimmen. 

Abgedruckt iat das Fragment bei Obhlbb II 766. Der Codex, ana dem dasselbe 
Jaarez genommen, ist nocb vorhanden; es ist der codex VtUicaßua 8852 s. X. 

2. Fragmentum Fuldense. Im Jahre 1597 gab Franciscus Junius 
den TertuUian heraus. Als der Druck abgeschlossen war, erhielt er von 
Caspar Schöpfe (Scioppius) neues handschriftliches Material. Dasselbe 
war von Franciscus Modius vorwiegend aus einem Fuldaer Codex entnom- 
men worden, kam dann in die Hände des Augsburger Patriiders Marcus 
Welser, der es dann dem genannten Schoppe überliess. Dieser Fuldaer 
Codex, den Modius verglichen hatte, enthielt Tertullians Apologie und seine 
Schrift gegen die Juden; derselbe ist jetzt verschollen. Dies ist um so 
mehr zu bedauern, als dieser Codex einen längeren Traktat enthielt, der 
im 19. Kapitel des Apologeticus nach dem Worte adserere eingeschoben 
ist. Dieser Traktat handelt über den hohen Wert der heiligen Schriften. 
Dieser beruht einmal auf dem hohen Alter, das denselben zukommt. Moses 
lebte ungefähr 800 Jahre, ehe Danaus nach Argos kam, 1000 Jahre vor 
dem trojanischen Krieg; er ist folglich auch älter als Saturnus, der 320 
Jahre vor dem Fall Trojas Krieg mit Juppiter führte. Selbst der jüngste 
Prophet, Zacharias, ist mit Thaies, Krösus und Selon gleichzeitig. Es könne 
daher die heidnische Litteratur manches aus den heiligen Schriften ge- 
schöpft haben. Doch noch einen höheren Wert verleiht den heiligen 
Schriften die eingetretene Erfüllung der Prophezeiungen, welche dort ge- 
geben wurden. Diese Erfüllung gibt den Christen Gewähr, dass sich auch 
die übrigen Weissagungen noch erfüllen werden. 

Dies ist der wesentliche Inhalt des Stücks. Dass dasselbe aus einer 
Apologie des Christentums entnommen ist, kann nicht zweifelhaft sein. 
Darauf deutet, dass öfters die Anrede mit der zweiten Person vorkommt. >) 
Merkwürdig ist, dass die Yergleichung des Fuldaer Fragments mit 
dem 19. Kapitel des Apologeticus, in das es eingeschoben ist, die gleiche 
Gedankenfolge ergibt, so dass man auf dieselbe Quelle, wenigstens in dieser 
Partie schliessen muss. 

Das Verhältnis des Fragments zum Apologeticus. Paul db Laoabdb hat 
zuerst (Gott. Gesellsch. der Wissensch., Histphilol. Klasse XXXVII [1891] 77) diese Ver- 
gleichung vorgenommen. Er streift auch die Frage nach dem Verfasser und denkt an 
Victor und an Apollonius. Die Hauptsache für ihn ist, dass das Stttck der verlorenen 
Quelle des Minucius Felix und des TertuUian angehört Doch ist diese Ansicht nicht wahr- 
scheinlich, da der Partie h(ue — persequendo nichts in dem Fragment entspricht und 
sonach die Annahme einer neuen Quelle für diesen Abschnitt notwendig wäre. 



1) Z. B. dliiprophetae petustiores litteris vestris; Bpta nostra, quam ridetia; hahetis H ro». 



Quintas Saptlmins Floren« Tertnllianiui. 



299 



3. Libellus adversus omnes haereses. In mehreren Handschrif- 
ten findet sich als Anhang zur Schrift de praescriptione haeretkorum ein 
Anhang, welcher sich gegen die Häretiker richtet. In demselben werden 
die Ketzer von Dositheus bis auf Praxeas behandelt. Dass die Abhand- 
lung nicht von TertuUian sein kann, ist zweifellos. Man hat vermutet, 
dass Victorin von Pettau der Verfasser ist. Die Quelle des Traktats 
scheint Hippolyts Syntagma zu sein. 

üeberliefert ist die Schrift in Cod, SeleUtadtiens, 88 s. XI und jüngeren Hand- 
Schriften. 

Litteratur. A. Habnack, Zar Gesch. der marcionit. Kirchen, Ztschr. f. wies. Theol. 
1876 S. 115; ders., Zur Quellenkritik d. Gesch. d. Gnosticismus Leipz. 1873; Lipsius, Quellen 
der ftltesten Eetzergeschichte 1875. 

Die Werke de trinitate und de cihia iudaieia, die auch unter dem Namen Ter- 
tnllians kursieren, gehören dem Novatian an. Auch die Gedichte adveraus Marcionem, 
de SodomOf de Jona und de genest werden in manchen Handschriften dem Tertuliian 
beigelegt Ueber de iudieio domini vgl. Oshleb, Tert. II p. 776. 

703. Charakteristik Tertullians. Nicht leicht prägt sich bei einem 
Autor seine Individualität in seinen Schriften in so klarer Weise aus, als 
dies bei Tertuliian der Fall ist. Man braucht nur einige Seiten zu lesen, 
um in Tertuliian eine der leidenschaftlichsten Naturen ^) kennen zu lernen, 
die je gelebt haben. Was er einmal erfasst hat, das erfüllt seine ganze 
Seele. Alles Halbe, Verschwommene und Vermittelnde hat bei ihm keinen 
Platz. Wer nicht für ihn ist, der ist wider ihn. Durch diesen Qrundzug 
seines Wesens ist sein Leben ein Leben des fortwährenden Kampfes. Als 
er mit aller Innigkeit sich dem Christentum angeschlossen hatte, war für 
ihn jede Konzession an das nationale Wesen ausgeschlossen; selbst in in- 
differenten Dingen will er eine undurchdringliche Scheidewand aufgerichtet 
wissen. Die Lehren, die dem von ihm erkannten Christentum gegenüber- 
stehen, bekämpft er in leidenschaftlicher Weise bis zum Ende seines Le- 
bens. Ja selbst der Kirche, für die er einst gestritten und gekämpft, trat 
er mit den Waffen in der Hand gegenüber, seit die extremen Anschau- 
ungen der Montanisten seinen Sinn gefangen genommen hatten. Einen 
Streit in sachlicher Weise durchzuführen, ist diesem heissblütigen Men- 
schen eine Unmöglichkeit. Er braucht durchweg das Persönliche. Mit 
Vorliebe wühlt er den Schmutz aus dem Privatleben seiner Gegner auf; 
mit Schimpfnamen werden sie in geschmackloser Weise beworfen. Ein 
Kampf ohne eine zu bekämpfende Persönlichkeit ist ihm ein Scheinkampf. 
Das Persönliche ist ihm so sehr Bedürfnis, dass er selbst, wenn der 
Stifter einer von ihm bestrittenen Häresie gar nicht mehr am Leben ist, 
doch gegen den stillen Mann die Waffen schwingt, wie dies bei Marcion 
und Praxeas geschehen ist. In seiner Kampfeslust geht er nicht immer 
offen und ehrlich vor. Sophistische Beweisführungen laufen ihm massen- 
haft unter ; auch schiebt er gern dem Qegner einen Einwand unter, für den 
er die Widerlegung schon bereit gehalten.*) 



Der Autor kennt sich selbst, vgl. den 
Eingang zum Schriftchen de patientia, 

*) Habnaok, Quellenkritik der Gesch. 
des Gnoetizismus, Leipz. 1873 p. 64. Voiot, 
Eine verschollene Urkunde des antimontan. 



Kampfs, Leipz. 1891, p. 109: .Das war ja 
die Eigenart dieses ehemaligen Advokaten, 
dem Gegner stielend zuzugeben, was schon 
als falsch erwiesen war, um sich dann auf 
einem andern Weg noch um so nachhaltiger 



300 BOmiaphe LitteratnrgeBohlohte. II. Die Zeit der Xonarchie. 2. Abteilimg. 



Die grosse Leidenschaftlichkeit führt unsern Autor nicht selten auch 
zur Masslosigkeit. Dann durchzucken Flammen des wildesten Hasses seine 
Kampfesrede. Als er gegen den Besuch der Schauspiele wetterte, verwies 
er den Christen auf das letzte Gericht als einen Ersatz für die entgangenen 
Schauspiele hin. Hiebei malte er mit einem wahrhaft grauenhaften Be- 
hagen sich das Bild der von dem Herrn Verworfenen aus. Wie seinem 
Leben alles Harmonische abging und nur das Extreme für ihn eine An- 
ziehungskraft ausübte, so fehlt auch seinen Schriften das Gefühl für das 
Schöne und Zarte. Man spürt kaum einen Hauch der griechischen Charis 
in den Werken dieses wunderlichen Mannes. Nur hie und da, wie in 
dem Schriftchen vom Zeugnis der Seele und in der Ansprache an die Mär- 
tyrer, klingen zartere Töne hindurch. Sonst fasst er uns in der Regel 
mit rauher Hand an und nimmt auch nicht die Rücksicht auf den Leser, 
dass er ihm das Gemeine und Unsaubere entweder verschweigt oder in 
schonender Verhüllung darbietet. Am schärfsten tritt uns der Mangel 
harmonischen Wesens bei dem Autor in seinem Stil entgegen. Derselbe 
ist geschraubt und zerhackt, unnatürlich und nach Effekt haschend, nie- 
mals einfach und durchsichtig. Spitze Antithesen, frostige Wortspiele, 
Reimereien^) bilden die Würze seiner Darstellung. Das Verständnis des 
Autors ist daher ausserordentlich erschwert. Aber trotz aller Mängel nimmt 
doch Tertullian unter allen Schriftstellern, die in lateinischer Sprache über 
das Christentum geschrieben haben, einen der ersten Plätze, wenn nicht 
den ersten ein. Selbst auf die Nichttheologen übt der Schriftsteller grosse 
Anziehungskraft aus, denn was uns den Schriftsteller, ja den Men- 
schen überhaupt anziehend macht, besitzt er in reichstem Masse, nämlich 
die Originalität. Jeder, der gern einen Blick in das Leben einer scharf 
ausgeprägten Individualität werfen will, wird bei diesen knorrigen Schrif- 
ten nicht ohne Behagen verweilen. Für die Gestaltung der christlichen 
Lehre ist sein Wirken wahrhaft epochemachend. Und mit vollem Recht er- 
weist ihm die Kirche, obwohl er in seinen späteren Lebenstagen ausserhalb 
ihrer Reihen stand, doch die grösste Hochschätzung. Vor ihm gab es sogut 
wie kein lateinisches christliches Schrifttum. Welche gewaltige Aufgabe 
war es, nur die Sprache für eine ganz neue Weltanschauung gefügig zu 
machen! Wie viele Worte mussten gebildet werden, um die neuen Be- 
griffe auszudrücken! Nur einem Genie war es gestattet, hier schöpferisch 
vorzugehen und für eine ganz neue, reiche Abstraktionen einschliessende 
Welt den entsprechenden Ausdruck zu erringen. Alle späteren Genera- 
tionen zahlen mit diesen Münzen. Aber auch die Fundamente der Theologie 
sind von ihm für alle Zeiten gelegt worden. Probleme, die nach ihm Jahr- 
hunderte hindurch die Geister beschäftigten, finden bei ihm ihre erste For- 
mulierung. Er hat die abendländische Theologie im Gegensatz zur morgen- 
ländischen begründet und ihr die führende Stellung in der Geschichte 
der Kirche erobert. Er war es, der scharfe Formulierung der dog- 



ZQ salvieren. Ich wfisste nicht, welcher 
Schriftsteller der alten Kirche in dieser Be- 
ziehang mit Tertullian verglichen werden 



Nur ein Beispiel De anima 3: aui 
Piatonis honor aut Zenonis vigar aui Ari^ 
atcielis tenor aut B^Heuri Stupor aut Hera" 
eliti maeror aut Empedoclis furor. 



Quintna Sepiimiiui Aorenfl Tertvlliaiitt«. 



301 



matischen Begriffe anstrebte, der in streng syllogistiseher Weise vorging, 
der auch die Psychologie in den Kreis seiner Forschungen zog. Legte er 
auch den höchsten Wert auf die Erkenntnis der religiösen Dinge, so war 
ihm damit doch keineswegs genug gethan. Die Dogmen sind ihm nicht 
bloss eine Sache der Erkenntnis, sondern noch mehr, lebendige Faktoren 
seines Lebens. Man wird selten Glaubenserkenntnis in so hohem Grade 
mit Glaubenswärme verbunden finden. Bergen seine Werke auch viel 
Bizarres und Schrullenhaftes, Irriges und Abstruses, so hat er doch noch 
inmier genug reines, lauteres Gold zutage gefördert, das die Zeit von den 
Schlacken gereinigt. 

Eine gute Charakteristik Tertallians gibt Hauck p. 407. Ueber seine grosse 
theologische Bedeutung vgl. HabnacKi Dogmengeschichte 3, 12. 

Monographien über Tertullians Lehren. Hausobild, Die rationale Psychologie 
und Erkenntnistheorie Tertullians, Leipz. 1880; G. Esseb, Die Seelenlehre TertuUians, 
Paderb. 1893; G. Ludwig, Tertullians Ethik, Leipz. 1885; F. Nielsen, Tertullians Ethik, Af- 
handling, Schönberg 1879. — II. Rönsch, Das Neue Testament Tertullians, Leipz. 1871 (vgl. 
noch Zeitschr. f. wiss. Theol. Bd. 28 [1885] p. 104); J. Kolberg, Verf., Cult. u. Disziplin der 
christl. Kirche nach d. Schriften Tertullians, Braunsberg 1886; Lbimbaob, Tert. als Quelle 
f. d. Christi. Archäol., Ztschr. f. d. bist. Theol. Bd. 54 (1871) p. 108, 430; ders., Beitr. z. Abend- 
mahlsl. Tertullians, Gotha 1874 ; Fr. Barth, Tertullians Auffassung des Ap. Paulus u. seines 
Verhftltn. z. d. Urapost., Jahrb. f. prot. Theol. Bd. 8 (1882) p. 706; K. H. Wirth, Der .Ver- 
dienst 'begriff bei Tert., Leipz. 1893. Vgl. ausserdem die oben S. 241 zitierten Schriften, 
wozu noch gefügt werden kann Frbppel, Tertullien, Paris' 1872.') 

Ueber Tertullians Wortschöpfung vgl. Hauscbild, Grundsätze und Mittel der 
Wortbildung bei Tertullian, Leipz. lo76 und 1881; Kellner, Ueber die sprachl. Eigen- 
tümlichkeiten Tertullians in der Tübinger Theol. Quartalschr. 58 (1876) 229 (allgemeine 
Uebersicht der hauptsächlichsten Erscheinungen). 

704. Fortleben Tertullians. Von Cyprian berichtet uns Hieronymus, 
dass er Tertullian seinen Meister nannte und keinen Tag vorübergehen 
liess, ohne etwas in Tertullian zu lesen. Und in der That zehrt Cyprian 
auch in seinen Schriften von den Ideen Tertullians. Ja ein nicht un- 
wesentliches Verdienst Cyprians besteht darin, dass er es verstanden, die 
originellen Ideen seines Vorgängers dem gemeinen Verständnis zu er- 
schliessen. Auch die folgenden kirchlichen Schriftsteller benützen Tertul- 
lian. Als Novatian sein Buch de trinüate schrieb, zog er Tertullians Schrift 
adversus fraxean zu Rate. Auch Lactanz hat Tertullian zitiert; dass diesem 
der Sprache Ciceros nachstrebenden Autor der Stil Tertullians nicht ge- 
fallen kann, ist leicht begreiflich. >) Aber niemand hat häufiger Tertullian 
angezogen als der Kirchenvater Hieronymus. Augustin dagegen zitiert 
ihn nur gelegentlich. Selbst die Christen griechischer Zunge, die doch 
sonst lateinische Produkte bei Seite schoben, wurden auf den Autor auf- 
merksam; der Apologeticus wurde sogar ins Oriechische übersetzt. Mit der 
Zeit wurde aber TertuUian zurückgedrängt und schliesslich ganz vergessen. 
Zwei Ursachen mögen hier mitgewirkt haben, einmal war der Afrikaner 
nicht völlig orthodox,') dann schreckte gewöhnliche Leser die Dunkelheit 
seines Stils. Mit dem Erwachen der Wissenschaften feierte auch Tertul- 
lian seine Auferstehung. Die Humanisten lasen wieder den Autor, infolge 



') Hier sei noch bemerkt, dass p. 241 
im Pasaus «Ueber seinen Namen etc.* noch 
beizufügen ist J. Juvo, Zu Tertullians ausw. 
Beziehungen, Wiener Studien Bd. 18 (1891) 
p. 281. 



*) Instit. V 1, 23. 



Zuerst hat Augustin den T. in den 
Katalog der Ketzer gestellt (Harnack, Berl, 
Sitzungsber. 1895, p. 557). 



302 AOmiflohe LitieriktiirgMohiohte, IL XMe Zeit der Monarohie. d. Abteilung. 

dessen wurde er abgesehrieben und unsere Handschriften stammen daher 
zum grössten Teil aus dieser Zeit. Es folgten dann die Ausgaben, zum Teil 
durch hervorragende Gelehrte besorgt. Doch dauerte es lange, bis wir 
einen methodisch gesichteten Text erhielten. Über die hohe Bedeutung 
Tertullians ist heutzutage die gelehrte theologische Welt einig. Seine 
Worte sind mehrfach durch Analysen dem Verständnis näher gebracht. 
Aber noch immer fehlt uns eine systematische Darstellung des theologi- 
schen Systems Tertullians. 

Habnaok, Teitullian in der Litterator der alten Kirche, Sitzongsber. d. preose. Akad. 
1895 p. 545. 

Die Ueberliefernng Tertullians. Wir unterscheiden zwei Familien. Die filtere 
wird repräsentiert durch drei Codices, den Parisinus 1622 s. IX, von seinem früheren Be- 
sitzer Agobardinus genannt, den Montepessulanus 54 s. XI, von seinem früheren Besitzer 
P. Pithoeus Pithoeanus genannt, endlich den Seletstadtiensis 88 s. XI. Diesen wenigen 
alten steht eine Schar jüngerer Handschriften aus s. XV gegenüber, welche auf einen 
Archetypos zurückgehen. Der Apologeticus hat noch eine von den Gesamtschriften ge- 
trennte Ueberlieferung. Wertvolle verschollene Handschriften werden uns ersetzt durch die 
Ausgabe des B. Rhenanus vom J. 1521 und 1589, die Pariser Ausgabe von 1545 (Joannes 
Gangneius), die Ausgabe des Gelenius vom J. 1550, die Ausgabe des Pamelius (1579) und 
des Junius (1597). Nur auf Ausgaben beruhen die Schriften de baptismo, de ieiunio 
und de pudieitia. 

Ueber den eod, Agobardinus (A) vgl. Maxim. Elttssmann, eurarum TertuB. partieulae 
tres (Gothae 1887) p. 6; Rbiffbbsoheid Ausg. 1 p. VI (der Codex hat durch Feuditigkeit 
stark gelitten, bes. in lib. II ad natianes (Habtel, Patrist. Studien, 2. Heft, Wiener Sitzungs- 
bericht 121 [1890] p. 1). Ueber die durch die Ausgaben repräsentierten Codices vgL 
Proleg. zu Rbiffrbschsids Ausg. 1 p. IX; Habtel, Patrist. Studien, 1. Heft p. 8 (Wiener 
Sitzungsber. 120); Ebotmann, QtMest TertuU, crU., Innsbruck 1894 p. 5; H. Gompebz, Ter- 
tuUianea, Vindob. 1895 p. 1; (M. Klussmavn, Exeerpta TertuUianea in Mdori HiapaL 
Etymologiia coli, et expJan. Progr., Hamb. 1892). 

Ausgaben. Ausser den genannten ist besonders die des Nie. Rioaltius (Paris 1684) 
hervorzuheben. Wenig Lob verdient die von Fb. Obhlbb vol. 1 Leipz. 1858, vol. II 
(Leipz. 1854); vol. III (1854) enthält Dissertation es verschiedener Autoren zu Tertullian. 
Kleinere Ausg. Leipz. 1854. Eine neue Ausgabe im Wiener Corpus scriptarum eeelesia- 
stieorum gibt uns erst eine kritische Grundlage; von derselben liegt der erste Band vor 
(Wien 1890), enthaltend de spectaculis, de idohkUria, ad nationes, de testimonio animae, 
Scorpiace, de oraiione, de baptistno, de pudieitia, de ieiunio, de anima. Die Becension stammt 
aus dem Nachlass Reifferscheids, für den Druck vorbereitet wurde sie von Hartel und 
Wissowa, welch letzterer die übrigen Schriften bearbeiten wird. — Spezialausgaben. Ad 
nationes ed. Jag. Gothofbedus 1625 (editio princeps dieser Schrift); vergl. Habtel, Patr. 
Stud., 2. H. (Wiener Sitzungsber. 121) d. 2; de Fallio ed. Salmasius Par. 1622, Leid. 1656; 
apolog, et ad nationes ed. Oehleb Halle 1849; de spectaculia ed. E. Klusskank, Leipzig 
1876; de praescriptione von E. Pbeüsobbk Freiburg 1892; von demselben depaenit. depudie. 
Freib. 1892; de praescr., ad mart., ad Scap, ed Bikblet Oxford 1894; das Kap. 19 des 
Apolog. von Lagabdb GOtt. Abh. Bd. 37 (1891) p. 78. — J. van der Vuet, Studia ecclesiastiea: 
TertuUianus L Critica et interpretatoria, Leyden 1891. 

Uebersetzungen. Sämtliche Schriften sind übersetzt von Ebllkbb EOln 1881 
(3 Bde.). Auswahl von Eellner in der BibL der Eirchenvater (I. Bd. Eempten 1871 Apolog., 
de testitn, animae, de praescr,, de spectac,, de patientia, de poenit,, de orat,, ad ux., de 
Corona; II. Bd. Eempt. 1872 de anima, de came Christi, de resurrectione carmis, de 
baptismo). 

4. Thascius Caecilius Gyprianus. 
705. Quellen zum Leben Gyprians. Wir haben eine vüa Cyprians 
aus seiner Umgebung, nämlich von dem Diakon Pontius. Für die Beur- 
teilung dieser vüa ist es durchaus notwendig, sich von der Absicht des 
Verfassers eine klare Darstellung zu machen ; er setzt sich nicht das Ziel, 
das gesamte äussere Leben Gyprians zur Darstellung zu bringen, sondern 
er verfolgt vielmehr einen panegyrischen Zweck, nämlich den Bischof als 
ein ungewöhnliches Muster christlichen Lebens und Wirkens der Nach- 



Thasoiiui Caeoilins Cyprianiia. 303 

Welt zu empfehlen. Dieses Ziel schliesst ein näheres Eingehen auf die 
heidnische Zeit aus; dagegen muss der Verfasser natürlich die christlichen 
Tugenden Cyprians in den Vordergrund stellen ; damit steht das Bestreben 
des Panegyrikers im Einklang, die Flucht Cyprians in der Verfolgung als 
eine weise, von der Vorsehung bestimmte That hinzustellen. Pontius ist 
von der höchsten Begeisterung für seinen Helden erfüllt, er trägt daher 
stark auf und ergeht sich in Überschwänglichkeiten. Mit der Tendenz 
steht auch der Stil im Einklang, er ist aufgedunsen, greift gern zu rhe- 
torischen Fragen und wird nicht selten unklar und verschwommen. Auf 
der anderen Seite ist aber auch zu erwägen, dass der Verfasser als Zeit- 
genosse, ja als Begleiter Cyprians während dessen letzter Lebenszeit be- 
richtet, und dass er über das frühere Leben Cyprians Erkundigungen von 
älteren Personen einzog. Eine noch wichtigere Quelle für das Leben Cyp- 
rians, und zugleich eine wichtige Quelle für die Eirchengeschichte jener 
Zeit sind seine Schriften, besonders aber sein Briefwechsel, in dem sich 
auch Schreiben anderer Persönlichkeiten finden. Endlich kommt hinzu das 
Kapitel bei Hieronymus. 

Die vita Cypriani von Pontius. Die Autorschaft In mehreren Hand- 
schriften ist uns eine vUa Cyprians überliefert, die von einem Mann herrührt, welcher 
der st&ndige Begleiter Cyprians während seines letzten Exils bis zu seinem Tode war. 
c. 12 p. cm H. ,eo enim die, quo in exilii laeo mansimus' {nam et me inter domesticos 
eomites dignatio earitatie eius delegerat exuUm voluntarium, quod utinam et in pcueione 
licuisset) ,apparuit mihi, inquit, — iuvenie ultra modum hominis enormis*. Nun sagt 
Hieronym. de vir. ittustr. c. 68. Pontius dicmonus Cypriani usque ad diem passionis eius 
cum ipso exilium sustinens egregium volumen vitae et passionis Cypriani reliquit. Danach 
müssen wir als Verfasser der vita den Diakon Pontius betrachten. Von einem Diakon 
Pontius lesen wir zwar in den Briefen Cyprians nicht, aUein wir wissen, dass Cyprian 
nicht ohne geistliche Begleiter in seinem Exil war. Was Teuffel, Gesch. der rOm. Litt. 
§ 882, 1 von der Schrift sagt «Die den Namen des Pontius tragende vita Cyprians ist min- 
destens stark verfälscht" ist völlig unbegründet. 

Die Tendenz der vita des Pontius spricht der Verf. c. 1 mit den Worten aus: 
placuit summatim pauca conscribere, non quo aliquem vel gentUium lateat tanti viri vita, 
sed ut ad posteros quoque nostros ineomparabile et grande documentum in immortalem 
memoriam porrigatur et ui ad exemplum sui litteris dirigantur. 

üeber Pontius Quellen gibt uns c. 2 Aufschluss. si quibus eius interfui, si qua 
de antiquioribus comperi, dicam. Auch die Martyrerakten Cyprians kennt er (c. 11). Als 
Augenzeuge berichtet Pontius über die Verbannung und die passio Cyprians, über die 
frühere Zeit scheint er meistens sich auf die Erzählungen anderer Zeugen gestützt 
zu haben. 

Die üeberlieferung der vita beruht auf dem eod, Reginensis 118 s. X, Vindob. 
798 s. XV, Monae, 18208 s. XV u. a., Hauptausgabe von Habtel in seinem Cyprian III p. XL 

Das Zeugnis des Hieronymus de vir. iUustr. 67 lautet: Cyprianus Afer primum 
gloriose rhetoricam docuit, suadente presbytero Caecilio, a quo et eognomentum sortUus est, 
Christianus f actus omnem substantiam suam pauperibus erogavit, ae non postmüUum temporis 
aüeetus in presbyterium etiam episeopus Carthaginiensis constüutus est. Huius ingenii 
superfiuum est indicem texere, cum sole clariora sint eius opera. Passus est stib Valeriana 
et GaUieno prineipibus persecutione octava eo die, quo Romae Cornelius, sed non eodem anno. 

706. Biographisches. Über Ort und Zeit der Geburt Cyprians, der 
sich mit vollem Namen Thascius Gaecilius Cyprianus nennt, fehlen 
uns genauere Notizen. Sicher ist jedoch, dass Afrika seine Heimat ist, 
denn es liegt das ausdrückliche Zeugnis des Hieronymus hiefär vor. Seine 
Eltern, über die wir ebenfalls nichts genaueres wissen, Hessen ihm zwei- 
felsohne eine gute Erziehung zu teil werden; denn er konnte später den 
Unterricht in der Rhetorik als Lebensberuf sich erwählen. Von seiner 
rhetorischen Ausbildung legen seine Schriften ein sprechendes Zeugnis ab. 



304 BftmiMhe LiiteraiargeMhiolite. IL Die Zeit der Monarehie. 2. AbieUnii«. 

Geboren wurde Cyprian als Heide, und sein Leben blieb aucb den Lastern 
des Heidentums nicht fremd.') Er trat später zum Christentum über, vor- 
nehmlieh auf die Anregung eines karthagischen Priesters mit Namen Cae- 
cilianus hin.') Als Christ scheint er sich dem neuen Leben mit allem 
Ernst hingegeben zu haben; er wurde Presbyter und später (im Jahre 248 
oder 249) Bischof. Seine Wahl zum Bischof erfolgte nicht ohne Kampf; 
ein Teil des Klerus machte Opposition; aUein das Volk verlangte stürmisch 
seine Erwählung. Als Bischof hatte Qrprian die Stellung gefunden, in der 
er sein entschiedenes organisatorisches Talent aufs schönste entfalten konnte. 
Allein seiner Thätigkeit wurde ein grausames Ende durch die Christen- 
Verfolgung, welche einige Monate nach dem Regierungsantritt des Decius 
ausbrach, bereitet. Cyprian floh und lebte an einem nicht näher be- 
zeichneten Orte in Verborgenheit vom Anfang des Jahres 250 bis etwa 
April 251. Diese Flucht Cyprians hat stets eine geteilte Beurteilung er* 
fahren. Der römische Klerus z. B. sprach in einem Schreiben an den 
karthagischen Klerus sehr anzüglich düüber. Allein Cyprian rechtfertigte 
seine Flucht mit Rücksichten auf seine Gemeinde; er glaubte, dass sie 
durch seinen Martyrertod führerlos den grössten Gefahren entgegengehen 
werde, und dass er auch von seinem Exil aus die Gemeindeangelegenheiten 
leiten könne. Und in der That bUeb er in fortwährendem brieflichen Ver- 
kehr mit seiner Gemeinde; sein Eingreifen war nicht selten notwendig, da 
die Behandlung der während der Verfolgung Gefallenen und das Schisma 
des FeUcissimus grosse Wirren hervorgerufen hatte. Es war Zeit, dass 
Cyprian zu seiner Gemeinde zurückkehrte, denn die ganze Kirche wurde 
durch das novatianische Schisma erschüttert. Zu Rom wurde nach der Sedis- 
Vakanz, welche vom 21. Januar 250 bis Anfang März 251 dauerte, Cor- 
nelius zum Bischof gewählt, ihm entstand ein Gegner in dem hochgebil- 
deten und der strengen Richtung huldigenden Novatianus, der sich zum 
Gegenbischof wählen liess. Mit Energie, jedoch zugleich mit Vorsicht, trat 
Cyprian in diesem Kampf für Cornelius ein. Auch die Sache der lapsi und 
das karthagische Schisma machten neue Massregeln notwendig. Da zeigten 
sich wieder die Vorboten einer neuen Christenverfolgung. Eine furchtbare 
Pest, die wahrscheinlich noch unter Decius ausgebrochen war und dann 
viele Jahre hindurch das römische Reich verwüstete, hatte wieder den Hass 
gegen die Christen erregt, da man sie für das hereingebrochene Unglück 
verantwortlich machte, unter dem Nachfolger des Decius, Gallus (251 — 
253) erschien ein Edikt, durch welches zur Abwendung der Not Opfer vor- 
geschrieben wurden. Diejenigen, welche an denselben nicht teil nahmen^ 
galten als Verächter der Götter d. h. als Christen. Auch gegen Cyprian 
kehrte sich wieder die Volkswut. Allein es kam zu keinem weiteren Akte. 
Anders gestaltete sich die Sache in Rom. Dort wurde Cornelias nach 
Centumcellae («vita Vecchia) geschickt, wo er Mitte Juni 253 starb.») Sein 
Nachfolger war Lucius, der nur 8 Monate den römischen Bischofsstuhl 
inne hatte. Ihm folgte Stephanus (254—257). Mit diesem fährte Cyprian 



>) ad Donat. c 4. i) VgL den Liberianischen Katalog XXII 

*} wto c 4. ; (p. 275 Lipaica). 



(C. 



Thosoins Caeoilius Cyprianns. 305 

den erbitterten Streit über die Giltigkeit der Ketzertaufe. Im Jahre 257 
brach eine neue Verfolgung der Christen aus, welche von dem Kaiser Va- 
lerian eingeleitet wurde. Cyprian wurde vor den Prokonsul Paternus zum 
Verhör geführt und, da er sein Christentum bekannte, ins Exil nach der 
in Africa proconsulaf-is gelegenen Stadt Curubis verbannt. Es geschah 
dies im September 257.^) Allein die Christen liessen sich auch durch die 
Verfolgung nicht entmutigen; in Rom, wo Stephanus bald nach dem Aus- 
bruch der Verfolgung starb, ward sogar ein neuer Bischof in der Person 
von Xystus ü. (257 — 258) gewählt. Es erschien ein neues, schärferes 
Dekret. Noch ehe dasselbe nach Afrika gelangt war, wurde Cyprian 
jetzt von Galerius Maximus, dem Nachfolger des Paternus wegen Fluchtge- 
fahr aus der Verbannung zurückgerufen und erhielt als Aufenthaltsort seine 
Gärten angewiesen. Als Cyprian vernommen hatte, dass er nach ütica, 
wo sich der Prokonsul damals befand, gebracht werden sollte, entwich er; 
denn er wollte, wie er in seinem letzten Brief seiner Gemeinde mitteilte, 
in ihrer Mitte den Martyrertod erleiden. Als der Prokonsul wieder in 
Karthago war, kehrte Cyprian in seine Gärten zurück. Am 13. Sep- 
tember 258 wurde er verhaftet. Am andern Tag wurde er zur Verhand- 
lung geführt, zum Tode verurteilt und sofort hingerichtet. 

Das Jahr der Erwfthlung zum Bischof ergibt sich aus ep. 59,6, wo Cyprian 
von sich sagt: plebi auae in episcopatu quadriennio tarn probatus. Der Brief gehört dem 
J. 252 an. Demnach fahrt das quadriennium aufs J. 248 (oder falls das angefangene Jahr 
voll gezfthlt wird 249; Ostern 249 war er sicher Bischof, vgl. Petebs p. 84, Fechtrup p. 16). 

Gyprians Flucht während der decianischen Verfolgung. ep,4S,inon 
suffeeerat exilium iam bienni et a tmitibus cUque ad oculis vestris Ittguhris separatio. Dieser 
Brief ist kurz vor Ostern 251 geschrieben, ep. 43, 1 sagt er: qtwrundam preabyterorum 
maliffniias et perfidia perfecit, ne ad vo8 ante diem Pascher venire licuisset; ep. 48, 7 per- 
eeeutiani» istius novieaima haec est et extrema temptatio, quae et ipsa cito Domino pro- 
tegente transibit, ut repraeaenter vobis poet Paschae diem; also er stellt seine Rfickkehr nach 
Ostern 251 in Aussicht Die Flucht Gyprians erfolgte gleich beim Beginn der decianischen Ver- 
folgnng (ep. 20, 1 orto statim turbafionis impetu primo, cum me clamore^violento 
frequenter popuiua flagitaaset, non tam meam salutem quam quietem fratrum publicam 
cogitans interim aecesai, ne per inverecundam praeaentiam noatram aeditio quae coeperat plua 
provocaretur). Die Verfolgung brach wenige Monate nach dem Regierungsantritt des Kaisers 
Decius aus; der römische Bischof Fabianus wurde am 20. Jan. 250 hingerichtet. Sonach 
werden wir annehmen dürfen, dass auch in Africa 250 die Verfolgung ausbrach und 
dass Cyprian von Karthago abwesend war seit Anfang des Jahres 250 bis etwa April 251, 
also keine zwei volle Jahre ; das biennium in ep. 43, 4 ist nur eine runde Zahl. 

Die valerianische Ghristenverfolgung. Es sind zwei Dekrete zu unter- 
scheiden; das erste erschien im J. 257, denn in den gegen Gyprian geführten Protokollen 
wird das Jahr bestimmt; Imperatore Valeriano quartum et Gallieno tertium conaulibua, 
Dionysius (Euseb. hiat. eccL Vll 10) wendet auf ihn Apocal. 13, 5 an, ido&ij avtt^ i^ovcia 
xal fi^rsg reaoagaxoyra dvo. Also 42 Monate wurden Valerian fttr seine Christenver- 
folgung eingeräumt. Da Valerian im Herbst 260 fiel, so kommt man, 42 Monate zurück- 
geiälilt, aufs J. 257 als Anfang der Verfolgung. Das zweite verschärfte Verfolgungsedikt, 
welches tlber die Bischöfe, Presbyter und Diakonen die Todesstrafe verhängte (ep. 80), 
erschien 258. (Vgl. oben p. 220.) 

Ueber den Prozess des Cyprian geben die acta proconaularia (Habtel IIl p. CX) 
Aufschlnss. Von den zahlreichen Handschriften, welche dieselben enthalten, hat Hartel 
den Gompediensis 68 (jetzt Parisinus 17349) s. X und den Monac. 208 s. IX benutzt. 

Litteratur. Thascius Gaecilius Cyprianns von Fb. Wilh. Rbttbebo, Qöttingen 1831; 
Der hl. Cyprian von Karthago dargest. von Joe. Petebs, Regensburg 1877; Der hl. Cyprian, 
sein Leben und seine Lehre dargestellt von B. Fbohtbup, I. Gyprians Leben, Mttnster 1878, 
dann im I. Bd. 1. Abi (p. 375) des Werks von Böhbiugeb, Die Kirche Christi und ihre 



vUa c. 12. 

HMidbQoh der U«m. Altertuniwlasenachaft. VIII. 3. Teil. 2Q 



306 BOmiflohe litieraiiirgMeliiolite. IL Üie Zeit der Monarohie. 2. Abieilmig. 

Zeugen, ZOrich 1842 (2. Aufl. 1873). E. Fbeppel, St. Cyprien et VigUse d'Afrique au UI* 
stiele, PariB* 1890. In der Ton Fell und Psarson besorgten Ozforder Ausgabe (1682) 
finden sich die annales Cypriani nnd die dissertationes Cyprianictu von H. Dodwsll. 

707. Die Schriftstellerei Gyprians. Die Schriften Cyprians zer- 
fallen in zwei Gattungen, in Traktate (sermones, libdli) und in Briefe. 
Die Grenzen zwischen beiden sind nicht scharf geschieden, die Traktate 
sind ja mehrmals an einzelne Personen gerichtet und nähern sich daher 
der Form des Briefs; andrerseits gestalten sich die Briefe zu förmlichen 
Abhandlungen. Traktate sind uns dreizehn überliefert; von denselben 
heben sich zwei als Materialsanmilungen ab, die eine ad Quirinum gibt 
uns eine Stellensanmüung aus der heiligen Schrift zur Einführung in das 
Christentum, die andere ad Fortunatum ist ebenfalls eine Sammlung von 
Stellen aus der heiligen Schrift, die zu dem Zweck angelegt wurde, die 
Bekenner und Märtyrer in der Zeit der Verfolgung zu stärken. Ausser- 
dem sind noch an einzelne Persönlichkeiten gerichtet die Traktate ad Do- 
natutn und ad Demetrianum; der erstere tritt f&r die christliche Weltan- 
schauung ein, der zweite widerlegt den oft wiederholten Vorwurf, dass 
das Christentum an den damals über die Welt hereingebrochenen Leiden 
schuld sei. Die übrigen neun Traktate sind: 1. Quod idola dii non sint, 2. de 
habüu virginum (über das äussere Auftreten der Jungfrauen), 3. de lapsis 
(über die in den Zeiten der Verfolgung Gefallenen), 4. de catholicae ecclesiae 
unüate, 5. de dominica oratione, 6. de mortalitate (Trostschrift zur Zeit der 
Pest), 7. de opere et eleemosynis, 8. de bono patientiae, 9. de zelo et livore. 
Die Schriften de lapsis^ de catholicae ecclesiae unüate, de dominica ora- 
tione, de opere et eleemosynis, de bono patientiae und de zelo et livore 
wenden sich an die fratres düedissimi, d. h. an die christliche Gemeinde. 
Die Schrift de haUtu virginum richtet sich zunächst an die Jungfrauen, 
der Traktat de mortalitate in erster Linie an die, welche in dieser Zeit 
der Not mutlos geworden sind. Die Schrift quod idola dii non sint, ein 
unerfreuliches Produkt, hält sich in den Grenzen der Abhandlung. 

Neben den Traktaten sind von grosser Wichtigkeit die 81 erhaltenen 
Briefe; sie gewähren uns einen reichen Einblick in die kirchlichen Ver- 
hältnisse jener Zeit. Die Sammlung enthält auch Briefe, die nicht von 
Cyprian herrühren; wir lernen dadurch noch die eine oder die andere 
litterarische Individualität der Zeit kennen. 

Endlich sammelte sich unter dem berühmten Namen Cyprians eine 
Reihe unechter Produkte, welche verschiedenen Zeiten angehören. 

Wir haben demgemäss drei Gruppen zu unterscheiden: a) Cjrprians 
Traktate; ß) die cyprianische Briefsanmilung ; y) pseudocyprianische 
Schriften. 

Für die Erkenntnis der C3rprianischen Schriftstellerei sind zwei Ver^ 
zeichnisse nicht ohne Bedeutung. Das eine liegt, wenngleich verschleiert, 
in der vita des Pontius vor. Um nämlich den Nachweis zu führen, dass 
sich Cyprian mit Recht der ersten Verfolgung durch die Flucht entzogen, 
macht er geltend, dass nur so eine Reihe von heilsamen Massregeln von 
Cyprian ausgeführt werden konnte. Diese heilsamen Massregeln wurden 
nach der Ansicht des Biographen durch Cyprians Schriften bewirkt; er 



ThaBoiuB Caeoilias Gyprianna. 307 

führt sie aber nicht nach ihren Titeln auf, sondern deutet in Frageform 
auf ihren Inhalt hin. Anderer Art ist das sog. MoMMSEN'sche Verzeichnis. 
Dasselbe geht auf ein Exemplar vom Jahr 359 zurück und enthält zuerst 
die Schriften des alten und neuen Testaments, dann die Schriften Cyprians 
mit Stichenangaben. Der Verfasser des Verzeichnisses gibt den Zweck 
seiner Arbeit selbst an; er will die Käufer der verzeichneten Schriften 
gegen Übervorteilungen von Seiten der Buchhändler sicher stellen, d. h. 
sein Katalog soll den Käufer in den Stand setzen, durch die Kenntnis der 
den Preis bedingenden Stichenzahl sich vor einer Mehrforderung zu sichern. 

Das Schriftenverzeichnis des Pontius. Nach der Einleitung (c. 7ITI p.XCVTlH) 
finge enim tune illum martyrii dignatUme translatutn werden die verschiedenen Schriften 
also bezeichnet: 

1. Ad Dona tum = quis emolutnentum graiiae per fidem proficieniia astender et? 

2. De habitu virginum = quis virgines ad cangruentem pudicitiae diseiplinam 
et habitum sanctitnonia dignum vdut frenis quibusdam lectionis dominiccte coerceret? 

3. De lapsis = quis doceret paenitentiam lapsos? 

4. De eatholicae eeelesiae unitate = {quis doceret) veritaiem haereticos, schis^ 
matieos unitatemf 

5. De dotniniea oratione = {quis doceret) filios dei pacem et evangelieae preeis 
legem ? 

6. Ad Demetrianum = per quem gentiles blasphemi repercussis in se quae nobis 
ingerunt vincerenturf 

7. De mortalitate = aquo Christiani molliaris äff ectus circa amissionem suorum 
aut, quod magis est, fldei parvioris consolarentur spe futurorum? 

8. De opere et eJeemosynis == unde sie misericordiam (disceremus)? 

9. De bono patientiae = unde patientiam disceremus? 

10. De zelo et livore = quis livorem de venenata invidiae malignitate venientem 
dulcedint remedii salutaris inhiberet? 

11. Ad Fortunatum (de exhortatione martyrii) = quis martyres tantos ex- 
hortatione divini sermonis erigeret? 

12. De laude martyrii = (?) quis denique tot confessores frontium notatarum 
secunda inscriptione signaios et ad exemplum martyrii superstites reservatos incentivo tubae 
eaelestis animaret? Die Beziehung dieser Worte ist zweifelhaft, nicht unwahrscheinlich 
ist, dass sie auf den unter den Cyprianischen Schriften befindlichen Traktat de laude 
martyrii gehen (vgl. Götz, Geschichte der cyprian. Litteratur, Basel 1891, p. 39); dagegen 
Matzikobb, Cyprians Traktat de bono pudicitiat, Nürnberg 1892, p. 2, 9. 

Die Angabe Habvacks (Gesch. der altchr. Litt. I 693), dass Götz das der vita zu 
Grunde liegende Verzeichnis entdeckt habe, ist eine irrige; die Entdeckung hat zuerst 
Rbttbbbg (Cyprian, Gott. 1831) gemacht. 

Das Verzeichnis hat also alle Traktate, die in der Regel als echt bezeichnet werden ; 
nur quod idola dii non sint (eine etwas yerdftchtige Schrift) und die testimonia fehlen. 
Dagegen zählt Pontius allem Anschein nach bereits ein unechtes Produkt de laude martyrii 
zu den cypr. Schriften. Was die Anordnung der Traktate anlangt, so ist dieselbe keine 
wiUkflrliche, sondern Pontius folgt, wie aus der handschriftlichen Ueberlieferung hervorgeht, 
einer bestimmten Sammlung (ygl. Habnack, Gesch. der altchr. Litt. I 695). Diese Sammlung 
aber gab aller Wahrscheinlichkeit nach die Traktate in chronologischer Anordnung 
(GGtz, G^esch. der cypr. Lit. p. 41). Weiterhin lernen wir aus der vita, dass alle auf- 
gefOhrten Traktate erst nach der Flucht Cyprians bei der ersten Verfolgung abgefasst 
wurden. 

Das Mommsen'sche Verzeichnis. Mommsen fand in der Bibliothek des Phi- 
lipps zu Cheltenham eine Handschrift nr. 12266 s. X, welche hinter dem liber generationis 
des Bischofs Hippolytus, einem chronographischen Kompendium, ein Verzeichnis der Schriften 
des alten und neuen Testaments, sowie ein Verzeichnis der Cyprianischen Schriften mit 
Stichenangabe entbot. Eine in den liber generationis eingeschobene chronologische Angabe 
fahrt auf eine Vorlage des Jahres 359; auf diese Zeit weisen auch Erwägungen, welche aus der 
Geschichte des Kanons sich ergeben (vgl. Zahn, Geschichte des neutest. Kan. II 155). Das 
Verzeichnis wurde von Moxmsen veröffentlicht Herm. XXI (1886) 142. Der Katalog der 
cyprian. Schriften wird mit den Worten (nach der Herstellung Mommsens, p. 146) eingeleitet: 
quoniam indiculum versuum in urbe Roma non ad liquidum, sed et alibi avariciae causa 
non habent integrum, per singulos libros computatis syllabis posui numei^o XVI versum Virqi* 

2Q* 



308 BOmisohe Lüteraturgesohiohte. S. Die Zeit der Honarohie. 8. Abteilung. 

lianum, omnibua libris numerum adseribsif d. h. als Normalzeile wurde der sechzehmalbige 
ver8U8 Vergüianus zu Grande gelegt. Bald darauf wurde in der St. Gallener Handschrift 
nr. 183 s. X ein zweites Exemplar des liber generationis aufgefunden, das mit dem Chelten- 
hamensis desselben Stammes ist. Die Varianten des Katalogs wurden von Mommsen, Hermes 
XXV (1890) p. 636 publiziert. Das Verzeichnis umfasst folgende Schriften. >) 

1. ad Dtmatutn 410 23. ad lobianum 550 = ep. 73 

2. ad virgines 500 = de habitu virginum 24. ad Quintum 100 = ep. 71 

3. de lapsis 980 (880) 25. Ade pfh. XIII n. XXX = ep 



70 

26. Ade ~pfh. n. CXX 

27. aenUntiae epiaeoporum 520 

28. ad Pompeium 290 = ep. 74 

29. ad Stephanum 100 = ep. 72 (ep. 68?) 

30. ad Fidum 106 = ep. 64 

31. ad Magnum 284 (184) = ep. 69 

32. ad Martialem *) 350 = ep. 67 

33. Lud*) ad Eucratium 40 = ep. 2 

34. Felici et eeteris 20 ■= ep. 56 (?) 

35. de Numidia conf, 30 = ep. 40 

36. ad FloretUium 207 (208) = ep. 66 

37. ad presb. 72 = ep. 12 (ep. 34?) 

38. ad eosdem et diac. 25 (30) = ep. 32 

39. ad clerum urb, 70 = ep. 20 

40. Romani restiaol) 215 (315) = ep. 30 

41. adversua Iud{aeo8) 290 

42. bis 50. ad Cornelium Villi (VUI) 1108 
= ep. 44. 45. 47. 48. 51. 52. 57. 
59.60 

51. vüa Cypriani 600 



4. de opere ei elemaayna 670 (770) 

5. ad Demetrianum 535 

6. de aecleeiae unUate 750 (700) 

7. de zelo et livore 420 

8. de martalitate 550 

9. de patientia 860 (500) 

10. ad Fortunatum 740 (860) 

11. de domini oratione (so) (740) 

12. ad Quirinum (1. I) 550 

(1. II) 850 (950) 
(1. 111) 770 

13. od Antonianutn 650 -= ep. 55 H. 

14. de caliee dominico 450 = ep. 63 

15. de laude tnartyrii 830 

16. ad confessores martyrum 140 = ep. 10 

17. Moffsi et Maximo 70 = ep. 28 

18. ad eosdem alia 120 = ep. 37 

19. de precando deum 190 = ep. 11 

20. ad clerum 54 = ep. 38 

21. Aurelio leetori pro ordinato 140 (111) 

22. Celerino 100 = ep. 39 

Ueber die Identifizierungen der Schriften des Verzeichnisses bestehen fast keine 
Differenzen (vgl. jedoch Sanday und Tübkeb, Studia bibl. et ecclea., Oxford. III 308). Im 
einzelnen ist folgendes zu bemerken: 

1. nr. 21 hat Mommsen nicht identifiziert. Allein diese nr. 21 stellt gar keine selbst- 
ständige Schrift dar, die Worte Aurelio leetori pro ordinato gehören, wie die üeberlieferung 
der ep. 38 zeigt, noch zur Adresse dieses Briefes. Die Stichenzahl ist wohl eine Erfindung 
(Götz, Gesch. der cypr. Litt. p. 57); 

2. Schwierigkeiten bereiten auch nr. 25 u. 26. Beide Nr. stellen aller Wahrschein- 
lichkeit nur eine Schrift dar und zwar ep. 70. Nach Götz (Gesch. der cypr. litt. p. 108) 
sind die verdorbenen Worte so zu lesen, beziehungsweise aufzulösen : Ad epiacopoa prea- 
bffteroaque XIII numero XXX epiacopi et preabyteri CXX (Stichenzahl); 

3. Wegen der grossen Differenz, die zwischen der Stichenangabe und dem wirk- 
lichen umfang der Schrift de laude martyrii besteht, nimmt Götz (Gesch. der cypr. Litt 
n. 55 fg.) an, dass ursprünglich noch ep. 6 mit der Schrift verbunden war, da eine handschrift- 
liche Üeberlieferung zwischen ep. 63 und ep. 10 die ep. 6 gibt. 

Aus dem Verzeichnis ersehen wir, dass damals noch sehr wenige pseudocyprianische 
Traktate unter die cyprianischen Schriften aufgenommen waren (nämlich nur adveraua 
ludaeoa und de laude martyrii). Weiterhin sehen wir, dass zwischen dem Verzeichnis 
des Pontius und dem unsrigen fast völlige Uebereinstimmung besteht, in beiden fehlt 
quod idola dii non aint; die einzige Nr. 1, die das Mommsen'sche Veizeichnis an echten 
Schriften mehr hat, ist die Stellensammlung ad Quirinum, Dagegen ist die Anordnung 
der Traktate (abgesehen von den ersten drei Nr. eine ganz verschiedene, und eine in dem 
Mommsen'schen Verzeichnis schwer zu deutende. So interessant auch die Stichenangaben 
desselben sind, so sind doch Schlussfolgerungen aus denselben mit grosser Behutsamkeit 
vorzunehmen. 

tt) Cyprians Traktate. 

708. Ad Donatum (gegen das Heidentum für das Ghristentnm). 

Es ist die Zeit der Weinlese. Cyprian hatte sich mit einem ebenfalls für 
das Christentum gewonnenen Donatus in eine abgelegene Laube zurück- 



') Die beigesetzten Zahlen bedeuten die 
Stichenzahlen des Codex Gheltenhamensis (in 
Klammern sind die Varianten des SangaJ- 



lensis beigefGigt). 

') es sollte de Martiale heissen. 
^) dieses LmH ist sinnlos. 



Thasoias CaeciliuB Cyprianna. 



309 



gezogen und gibt einem früheren Versprechen gemäss eine begeisterte 
Schilderung der Segnungen, welche das Christentum bringt. Im Eingang 
bedauert er zwar, dass er die Kunst der Rede nicht in genügendem Masse 
besitze, allein der Gegenstand, von dem er reden wolle, brauche keinen 
äusseren Glanz. Dann geht er zu dem Thema über und versetzt uns in 
die Zeit vor seinem Übertritt zum Christentum. Er war so in die Sünde 
verstrickt, dass ihm die Befreiung von derselben eine Unmöglichkeit 
däuchte. Doch die Taufe brachte ihm eine vollständige Wiedergeburt; er 
fühlte an sich das Wirken der göttlichen Gnade, deren Entfaltung in war- 
mer Weise geschildert wird. Als Gegenbild soll die verderbte heid- 
nische Welt vorgeführt werden, wie wenn dieselbe von einem hohen 
Berge aus betrachtet werden könnte. Da bietet sich ein trübes Bild 
dar; auf dem Lande wie auf dem Meere hausen die Räuber und die 
ganze Erde gleicht einem Eriegslager.^) Wenden die Beschauer ihre 
Blicke auf die Städte, so erfüllen die Gladiatorenspiele sie mit Ent- 
setzen. Entrüstet ruft Cyprian aus, dass das Töfen der Menschen eine 
Kunst sei, die gelehrt werde und grossen Ruhm einbringe. Er streift 
weiterhin die Tierkämpfe und verweilt länger bei der entsittlichenden Wir- 
kung der Theater. In den Tragödien werden die Greuelthaten der alten 
Zeit, die längst vergessen sein sollten, wieder ins Leben zurückgeführt; 
in den Mimen bildet der Ehebruch den Mittelpunkt des Interesses, sie sind 
eine förmliche Schule der ünsittlichkeit. Was soll man endlich dazu sagen, 
dass selbst schimpfliche, unsittliche Thaten der Götter auf die Bühne 
kommen? Und was würde sich unseren Augen darbieten, wenn sich 
das Privatleben denselben erschlösse? Wir würden Schandthaten sehen, 
welche sogar die, welche dieselben insgeheim begehen, öffentlich verdam- 
men müssen. Selbst das Forum, das man doch als Schutz und Schirm 
des Rechts ansehen möchte, bietet des Schrecklichen genug. Angesichts 
der Gesetze wird hier gesündigt; Betrüger ist der Advokat nicht minder 
als der Richter. Die Unsumme von Verbrechen, die begangen werden, 
lernt man hier kennen. Ja, sogar das, was die heidnische Welt preist, 
enthüllt sich bei näherem Zusehen als etwas Schreckliches. Was für 
Demütigungen müssen die über sich ergehen lassen, welche jetzt im Be- 
sitz hoher Ämter sind? Welche Qualen bereiten nicht dem Reichen 
seine Schätze? Welcher steten Angst sind die Machthaber ausgesetzt? 

Diesem wüsten Treiben der heidnischen Welt stellt Cyprian die Ruhe 
gegenüber, welche das Christentum uns verleiht. Der allein, welcher sich 
von der Welt losgesagt hat, besitzt den wahren Frieden. Zum Schluss 
mahnt Cyprian den Donatus, der ja auch in den Kriegsdienst Gottes auf- 
genommen ist, sein Herz zu einem Tempel der göttlichen Gnade zu machen. 
Dann lädt er, da sich die Sonne geneigt, ihn ein, mit ihm das Mahl ein- 
zunehmen, dasselbe aber durch Absingen von Psalmen zu würzen. 

Das Schriftchen verfolgt, wie es scheint, das Ziel, den Übertritt 
Cyprians zum Christentum zu rechtfertigen und für dasselbe auch andere 



') Bier (c. 5) lesen wir den bezeich- 
nenden Satz: homicidium cum admittunt 
singuHf crimen est: tnrtus rocatur, cum pu- 



blice geritur; inpunitatem aceleribus adguirit 
non innocentiae ratio, aed saevUiae magni- 
tudo. 



310 BömiBohe LitteratnrgeBohiohte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

zu gewinnen, es wird daher bald nach seinem Übertritt geschrieben sein. 
Der Stil ist noch sehr gekünstelt; Antithesen werden mit Vorliebe ange- 
wendet, der Ausdruck ist nicht selten überladen. 

709. De habitu virginiim. Die Notwendigkeit einer festen Zucht 
in der Kirche bildet den Ausgangspunkt der Schrift; dann redet Cyprian die 
Jungfrauen an, deren Stand er in begeisterten Worten feiert. Seine Mahn- 
worte richten sich aber in erster Linie an jene Jungfrauen, welche sich Gott 
geweiht haben. Diese müssen lediglich dem Herrn zu gefallen suchen, 
von dem sie den Lohn im Himmel für ihre Jungfräulichkeit erwarten. 
Solche Jungfrauen können aber unmöglich an irdischem Tand Freude haben, 
schon das Äussere muss sie als Jungfrauen erscheinen lassen, sie sollen durch 
nichts kundgeben, dass sie zu gefallen suchen; ihr Sinn soll stets auf die 
bleibenden Qüter gerichtet sein. Nun meinten manche Jungfrauen, die 
aus reichen Familien stammten, sie müssten doch von ihrem Reichtum 
Gebrauch machen. Allein zunächst muss die Jungfrau, wendet Gjrprian 
ein, sich stets vor Augen halten, dass der wahre Reichtum nicht die irdi- 
schen, sondern nur die himmlischen Güter sind, dass die heilige Schrift 
sich sogar gegen den Putz der Frauen ausspricht und dass durch Putz die 
Jungfrau in anderen unreine Begierden erregt. Die Jungfrau soll ihren 
irdischen Reichtum zu guten Werken anwenden und sich damit einen 
himmlischen Schatz anlegen; dies ist der rechte Gebrauch des Reichtums. 
Der übertriebene äussere Schmuck passt nur für Dirnen. Die Putz- und 
Verschönerungsmittel sind eine Erfindung der Dämonen, ti der künst- 
lichen Veränderung des Äusseren sieht Cyprian einen frevelhaften Eingriff 
in Gottes Werk und eine Lüge. Am Tage der Auferstehung wird der 
Herr sein verunstaltetes Gut nicht anerkennen. Noch andere Verirrungen 
der Jungfrauen geben dem Bischof Anlass zur Mahnung. Manche der gott- 
geweihten Jungfrauen nehmen an Hochzeiten teil; ganz abgesehen davon, 
dass sie hier viel Unzüchtiges hören, ist es schon von vornherein unbe- 
greiflich, was die Jungfrauen, die nicht heiraten wollen, bei einer Hoch- 
zeit zu thun haben. Noch tadelnswerter ist es, dass Jungfrauen auch 
öffentliche Bäder besuchen. Mit starken Worten eifert gegen solchen Un- 
fug Cyprian. In allen diesen Ausschreitungen glaubt der Bischof ein Werk 
des Teufels zu erkennen. Mit einer eindringlichen Mahnrede an die Jung- 
frauen, auf die Erhabenheit der Virginität und auf den hohen Lohn, der 
ihr in Aussicht gestellt ist, schliesst die Schrift. 

Der Titel. Der codex Veronensis gibt als Titel de disciplina et habitu vir- 
ginutn. In dem Mommsen'schen Verzeichnis ist die Schrift betitelt cuL virgines, welchen 
Titel Mommsen für den ursprünglichen hält (Hermes XXI [1886] p. 151). Allein Augustin 
{de doctrina christ. lY 21, 48) bestätigt den Titel de habitu virginum, 

Quelle. Benutzt ist Tertullians de cuUu feminarum vgl. Fbohtbup, Cyprian 1, 13. 

Litteratur: Haussleitbb, Comment. Woelffl. p. 377. 

710. De lapsis (über die in der Verfolgung Abge&Uenen). Mit 

dem Ausdruck der Freude über den in der Kirche wiedergewonnenen Frie- 
den hebt die Schrift an; unwillkürlich muss sich da unser Blick auf die 
ruhmreichen Bekenner richten, wglche in den Zeiten der Verfolgung trotz 
aller Marter ihrem Glauben treu geblieben sind. An diese Zeugen Christi 
wendet sich das Schreiben und zwar, weil sie bei einer wichtigen Frage, 



Thaaoiafl CaeoilioB Cyprianna. 311 

nämlich der Frage über die Wiederaufiaahme der Gefallenen beteiligt sind. 
Der Verfasser spricht zuerst über die Verfolgung und betrachtet sie als 
eine Strafe für die im Glauben eingerissene Laxheit, besonders scharf 
geisselt er das Treiben der Bischöfe ; dann schildert er, wie leicht es viele 
mit dem Abfall in der Verfolgung nahmen, wie sie, noch ehe ein Gewalt- 
akt gegen sie vorgenommen wurde, schon den Göttern opferten; selbst 
ihre Kinder schleppten die Eltern herbei, damit sie an dem Götzenopfer 
teilnähmen. Besonders darüber ist der Bischof indigniert, dass diese Ab- 
trünnigen nicht, um den Verfolgungen zu entgehen, den Ausweg gewählt 
haben, ihr Vermögen in Stich zu lassen und zu entfliehen; allein ihr Herz 
hing zu sehr am Mammon und sie sind Sklaven ihres Geldes. Dagegen, 
meint Cyprian, seien die milde zu beurteilen, welche erst unter den grossen 
Martern ihren Glauben abschwuren, denn sie zeigten doch wenigstens ihren 
guten Willen, wenn auch das Fleisch zu schwach war. Allein keine Nach- 
sicht verdienen die Gefallenen, welche ohne jeden Kampf freien Willens 
dem Glauben entsagten. Milde versperrt hier den Weg zur Reue und zur 
Busse. Solchen Leuten darf nicht ohne weiteres die Gemeinschaft der 
Kirche gewährt werden; mit Nachsicht ist diesen Gefallenen selbst kein 
Dienst gethan. Die Verzeihung kann nur der Herr gewähren, nicht Men- 
schen. Dies müssen auch die Bekenner bedenken und dürfen nicht in un- 
gerechtfertigter Weise für die Gefallenen eintreten. Sie versündigen sich 
gegen die Worte des Herrn ,wer mich verleugnet, den werde ich auch 
vor meinem Vater verleugnen^. Die Gefallenen aber steigern noch ihr 
Vergehen durch ihr unbotmässiges Verfahren gegen die Oberen. Sie soll- 
ten in sich kehren und sich immer vor Augen halten, dass schon hienieden 
der Abfall oft bestraft wird. Der Autor führt mehrere wunderbare Bei- 
spiele vor. Auch die sog. libellatici müssen Busse thun; denn auch sie 
haben, wenngleich sie an den heidnischen Opfern nicht teil genommen 
haben, doch durch libelli ihr Gewissen befleckt. Ja selbst die, welche noch 
durch kein äusseres Zeichen ihren Abfall bekundet, welche also weder 
durch Teilnahme an den heidnischen Opfern, noch durch libeUi sich ver- 
gangen haben, sondern welche nur den Willen hatten, ihrem Glauben un- 
treu zu werden, können sich der Busse nicht entziehen. Von dieser Busse, 
die für den Gefallenen so notwendig ist, lässt aber ihr weltliches Treiben 
nichts merken. Cyprian mahnt sie daher ernstlich, Busse zu thun und 
nicht auf die verstockten Schismatiker zu hören. Die Busse soll aber im 
rechten Verhältnis zu der Schwere des Vergehens stehen; vornehmlich 
reiches Wohlthun ist geeignet, den Frevel zu tilgen. Der Bussfertige wird 
von Gott Verzeihung erlangen. 

Die Abfassungszeit. Das Schriftchen ist nach der Rückkehr Cyprians geschrieben; 
denn er hat schon wieder das Opfer in seiner Gemeinde gefeiert (c. 25); es ist aber noch 
vor der Synode, die nicht lang nach Ostern 251 stattfand, verfasst, da es gegen die libella- 
tiker eine andere Stellung einnimmt als jene Synode (Fbchtbvp p. 119). 

Auf unsere Schrift weist der Brief 54, 4 hin : quae amnia penitus pctestia inspicere 
leetU libellU, guoa hie nuper legeram, et ad vo8 quoque legendo8 pro communi düeetione 
transmiaeram, übt lapsis nee eeneura deest quae increpet nee medicina quae sanet 

711. De catholicae ecclesiae unitate (Aber die Einheit der katho- 
Kirche). Die Einleitung geht davon aus, dass nicht bloss die 



312 RömiBohe Litteraturgefioliiohte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abieilnng. 

Verfolgungen, sondern auch die Häresien als Werke des bösen Feindes zu 
fürchten sind ; ja die Häresien und Schismata sind noch weit gefährlicher 
als die Verfolgungen. Die Häresien wenden sich gegen die Einheit der 
Kirche, welche der Herr deutlich vorgeschrieben hat, indem er den Apostel 
Petrus über alle anderen Apostel setzte und ihm die höchste Vollmacht 
mit den Worten ^Du bist Petrus, auf diesen Felsen will ich meine Kirche 
bauen ^ verlieh, i) Diese Einheit ward vorbildlich im alten Testament an- 
gedeutet, und sie hat auch der Apostel Paulus (Eph. 4, 4) mit den Worten 
verkündet: „Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid auf einer- 
lei Hoffnung eures Berufs, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe.'' Es ist selbst- 
verständlich, dass die Christen diesem Gebot nachkommen müssen, besonders 
aber der Episcopat muss ein einheitlicher sein. Wenn auch mehrere Strahlen 
von der Sonne ausgehen, wenn auch von einer Quelle sich viele Bäche er- 
giessen, wenn auch von einer Wurzel viele Äste sich ausbreiten, so ist doch 
die Einheit durch den gemeinsamen Ursprung gewahrt. Auch die Christen 
haben ihre alle einschliessende Einheit in der Kirche. Wer sich von der 
Kirche trennt, kann nicht seinen Lohn von Christus empfangen, wer ausser- 
halb der Kirche steht, ist ihr Feind, wer die Kirche nicht zur Mutter hat, der 
kann auch nicht Gott zum Vater haben, wer die Einheit preisgibt, gibt das 
Gesetz Gottes, den Glauben an den Vater und den Sohn, sein Leben und 
sein Heil preis. Man sieht, wie sehr die Seele Cyprians von dem Gedanken 
an die Einheit der Kirche erfüllt war. Wir werden uns daher auch nicht 
sehr wundern, wenn er sogar in dem ungenähten Rock Christi ein Sym- 
bol dieser Einheit zu finden glaubte, wenn er daraus, dass der heUige 
Geist in der Gestalt einer Taube erschien, das Gebot des Friedens und 
der Verträglichkeit für die christliche Kirche ableitete. Nur die Bösen 
und die Unverträglichen verlassen die Kirche. Gott hat aber die Häresien 
zugelassen, damit er unsere Herzen prüfe. Vor den Häretikern, die sich 
von der Kirche getrennt und sich eine eigene Organisation gegeben haben, 
warnt uns in eindringlicher Weise die heilige Schrift. Wenn diese Ab- 
trünnigen sich auf das Herrenwort berufen „wo zwei oder drei in meinem 
Namen versammelt sind, da bin ich unter ihnen', so beachten sie den Zu- 
sanmienhang, in dem die Stelle steht, nicht. Selbst wenn die von der Kirche 
Geschiedenen um ihres Glaubens willen den Martyrertod erleiden, kann ihnen 
das Heil nicht zu teil werden. Wer nicht in der Kirche steht, kann kein 
wahrhafter Märtyrer sein; denn nach den schönen Worten des Apostels 
Paulus (1. Kor. 13,2—5) ist der Glaube ohne die Liebe nichts. Dass gerade 
jetzt das Schisma so um sich greift, deutet auf das Ende der Dinge, wie 
wir aus Paulus erfahren (2. Tim. 3, i). Um so mehr haben wir Ursache, 
uns vor diesen falschen Propheten zu hüten, selbst ihren Umgang müssen 
wir fliehen. Der Häretiker ist viel schlimmer als der Gefallene (lapsus). 
Dass sich auch Bekenner (confessores) der Häresie zuwenden, ist nicht zu 
verwundem ; denn auch vor diesen macht der böse Feind nicht Halt. Der 
Bekenner hat den Weg zur Krone des Lebens beschritten, diese selbst 
hat er noch nicht erlangt; er muss daher ganz besonders auf seiner Hut 



0. 4 exordium ab unitate proficiscüur, ut ecclesia Christi una monstretur. 



ThasoiuB Caeciliaa Cypriann«. 313 

• 

sein und treu zur Kirche stehen; thut er das nicht, hat er die ewige Be- 
lohnung verwirkt. Sind auch manche Bekenner abtrünnig geworden, der 
grössere Teil ist der Kirche treu geblieben. Zum Schluss mahnt Gyprian 
alle, die sich von der Kirche getrennt haben, zu ihr zurückzukehren, denn 
alle Zeichen sprechen dafür, dass die Ankunft des Herrn nahe ist. 

Auf die Schrift wird hingewiesen in Brief 54, 4 : sed et cathoHcae ecclesiae unitcUem 
quantum potuU expreasU nostra mediocritas: quem libellum magis ac magis nunc vobis 
placere confido, quando eum iam sie legitis, ut et probetis et ametis. 

Von unserer Schrift ist ahhftngig ad Novatianum; vgl. Harnack, Texte etc. 13, 1 
(1895) p. 34. 

712. De dominica oratione (ttber das Gebet des Herrn). Das Ge- 
bet, das uns Christus gelehrt hat, so leitet Gyprian ein, ist das beste und 
das wirksamste. Dann gibt er allgemeine Lehren über die echte Art und 
Weise des Gebets und führt dafür biblische Beispiele an. Da bereits fest- 
steht, welches Gebet wir beten sollen, so kann es sich nur darum han- 
deln, in den Sinn dieses Gebetes einzudringen, damit wir genau wissen, 
was wir beten. Gyprian gibt daher eine Erklärung des „Vaterunser''. 
Diese Erklärung geht darauf aus, möglichst vieles in die einfachen Worte 
des Gebets hineinzugeheimnissen. Neben manchen schönen Deutungen 
finden sich daher auch viele gezwungene und allegorische, die uns höchst 
befremdend anmuten. Nachdem die einzelnen Bitten erklärt sind, ergeht 
sich der Verfasser in allgemeinen Betrachtungen. Vor allem bewundert 
er die Kürze, in der es der Herr versteht, seine Lehren zu geben, dann 
hebt er hervor, dass der Herr uns auch durch sein eigenes Beispiel zum 
Beten auffordert, und dass er für uns gebetet hat. Wenn wir beten, 
müssen wir mit dem ganzen Herzen dabei sein und uns aller Weltgedanken 
entäussem; denn auch bei dem Betenden sucht sich der böse Feind einzu- 
schleichen und ihn Gott abtrünnig zu machen. Zu dem Gebet soll sich 
aber noch Fasten und Almosengeben hinzugesellen, dann erst erreicht es 
seine volle Wirksamkeit, wie dies aus der heiligen Schrift erhellt. Zuletzt 
spricht er noch von den Gebetszeiten, auch hier wieder stark allegori- 
sierend, und schliesst mit dem Satz, dass der Ghrist Tag und Nacht im 
Gebet verharren müsse. 

Master für die Schrift; bUdete Tertallians Traktat de oratione; siehe oben § 671. 

713. Ad Demetrianum (gegen die Verlenmdiuig des Christentums). 
An Demetrian richtet sich der vorliegende Traktat; schon früher war 
dieser uns nicht näher bekannte Mann mit Gyprian in Verbindung ge- 
treten, nicht aber um sich belehren zu lassen, sondern um zu streiten. 
Daher erachtete es der Bischof als das Beste, ihn zu ignorieren. Allein 
als er von der Behauptung Demetrians vernommen, dasß von vielen 
Leuten für die über die Welt hereingebrochenen Drangsale, wie Pesti- 
lenz, Krieg, Hungersnot die Ghristen verantwortlich gemacht würden, ver- 
bot ihm sein Gewissen, weiter zu schweigen; er entschloss sich jene üble 
Nachrede zu widerlegen ; indem er dies thut, tritt die Person des Demetrian 
ganz in den Hintergrund. Es ist ein alter Vorwurf, der hier seine Wider- 
legung findet, der Vorwurf, dass die Missachtung der Götter von Seite der 
Christen das Strafgericht über das römische Reich heraufbeschworen habe. 
Gyprian beginnt seine Entgegnung mit dem allgemeinen Satz, dass die 



314 Bömisghe LitteratnrgeBohiohie. II. Die Zeit der Xonarohie. 8. Abieilnng. 

Welt ihrem Ende entgegengehe, und dass sie daher in dem Zustand der 
Erschöpfung nicht mehr das leisten könne, was sie einst in ihrer Blüte 
geleistet; es sei daher nicht zu verwundem, wenn z. B. die Erde nicht 
mehr die Fruchtbarkeit zeige, wie früher, oder wenn die Bergwerke nichts 
mehr lieferten. Die Spuren des Greisenhaften trage jetzt alles an sich. 
Nach dieser allgemeinen Betrachtung rückt er dem Vorwurf näher. Die 
Drangsale, führt er aus, sind vielmehr wegen des Unglaubens der Völker 
von Gott verhängt und auch vorausgesagt. Die Sünde der Menschen macht 
das Strafgericht notwendig; Gott hat das Recht, den ungehorsamen Men- 
schen zu strafen wie der Herr seinen Sklaven. Und obwohl auch noch 
die ewige Strafe droht, lassen die Menschen doch nicht von ihrem bösen 
Treiben ab. Ihre Klagen über die hereingebrochenen Drangsale laufen auf 
eine Unaufrichtigkeit hinaus, sie beschweren sich über Misswachs, und doch 
schlägt ihr Geiz grössere Wunden als der Misswachs, sie jammern über die 
Pest, und benützen dieselbe, um ihrer Habsucht zu fröhnen. Wer über die 
Laster, die gar nicht mehr ein Versteck aufsuchen, sondern ohne Scheu 
in der Öffentlichkeit ihr Wesen treiben, ernstlich nachdenkt, wird sich 
nicht über Gott beklagen, wenn er uns Leid schickt. Allein ganz beson- 
ders rufen die Verfolgungen der Christen das göttliche Strafgericht heraus; 
nicht genug, dass die Heiden selbst nicht an den einzigen Gott glauben, 
fallen sie auch noch mit unerhörter Grausamkeit über seine Bekenner her. 
Sie gebrauchen die Folter gegen die Christen, um diese ihrem Glauben 
abtrünnig zu machen, statt mit den Waffen des Geistes gegen sie vorzu- 
gehen. Mit Fug und Recht kann man von den Göttern verlangen, dass 
sie sich selbst schützen ; wenn sie fremden Schutz brauchen, so zeigen sie 
ihre Ohnmacht. Dem Bischof sind die Götter nichts anderes als Dämonen, 
über die der Christ durch Beschwörung volle Macht erhält. Daran reiht 
der Autor eine warme Mahnung, vom Götzendienst abzulassen und sich 
zu dem wahren Gotte zu bekennen. Zuletzt muss er noch dem nahelie- 
genden Einwurf begegnen, dass auch die Christen von den Drangsalen 
betroffen werden. Allein die Christen stehen den Leiden ganz anders 
gegenüber als die Ungläubigen, sie ertragen mit Ergebung dieselben, 
denn ihrer wartet ja ein besseres Leben im Jenseits. Und mit einem 
Hinblick auf dieses Jenseits schliesst die Schrift, sie weist auf das letzte 
Gericht hin, das den Kindern Gottes ewige Freuden, den Ungläubigen ewige 
Strafe bringt; sie mahnt, solange es noch Zeit ist, sich von der Höllen- 
strafe zu erretten. 

Für wen ist die Broschüre bestimmt? Denkt man an die Heiden, 
so stören die Stellen aus der heiligen Schrift, die ja für Nichtchristen 
keine Beweiskraft haben können. Man wird eher anzunehmen haben, 
dass sie Christen im Auge hat, die noch der Stärkung in ihrem Glauben 
bedürfen. Die Persönlichkeit des Demetrian ist schattenhaft und hat auf 
die Komposition keinen Einfluss gewonnen. 

Die Persönlichkeit des Demetrian kann in keiner Weise festgestellt 
werden. An einen Statthalter oder an einen anderen hohen römischen Beamten zn denken, 
ist durch den Ton, der gegen ihn angeschlagen wird, völlig ausgeschlossen. Mir ist nicht 
zweifelhaft, dass Demetrian eine fingierte Persönlichkeit ist. 

Die Ahfassungszeit. Eine ziemlich allgemein gehaltene zeitliche Anspielung ent- 



ThaspittB CaeoiliuB CyprianiiB. 315 

halten folgende Worte (c. 17) ut memorias taceamus antiquas et ultiones pro cidtoribus Dei 
saepe repetitas nullo vocis pnxeconio revolvamas, documentum recentis rei satis est, quod sie 
celeriter quodque in tanta celeritate sie granditer nuper secuta defensio est ruinis rerum, 
iacturis oputn, dispendio militum, deminutione castrorum. Man bezieht diese 
Worte anf den Tod des Decins und seiner Kinder, der Ende 251 erfolgte. 

Interpolationen. Die aus der Stichenzahl von Götz (Geschichte der cypr. Litt, 
p. 53} hergenommene Ansicht von Interpolationen (und zwar in c. 17 — 25) ruht auf sehr 
schwachen Fundamenten. Die Echtheit der Schrift bezweifelt Aub^, Viglise et VÜat etc., 
Paris 1885 p. 305. 

714. De mortalitate (Trostschrift Aber den Tod). Die grosse Pest, 
die in Karthago ausgebrochen war, hatte auch die christliche Gemeinde 
aufs tiefste erschüttert. Die Mutlosigkeit war in ihre Reihen ge- 
drungen, der Glaube hatte bei manchen seine Kraft versagt. An diese 
Schwachen wendet sich Cyprian in seiner Ansprache, um sie aufzurichten 
und ihnen die Todesfurcht zu benehmen. Der Bischof erinnert vor allem 
daran, dass die Drangsale dem Christen nicht unerwartet kommen, da sie 
ja der Herr vorausgesagt; die Erfüllung muss aber den Christen in dem 
Vertrauen bestärken, dass sich auch die tröstenden Yoraussagungen er- 
füllen werden. Wer den Glauben hat, kann den Tod nicht fürchten. Unser 
Leben ist ein fortwährender Kampf mit dem Teufel und mit den Leiden- 
schaften. Wir sollten uns daher freuen, wenn wir aus diesem Jammer- 
thal abberufen werden. Wir müssen auf das, was der Herr sagt, fest 
vertrauen, die heilige Schrift besagt ja klar, dass Sterben für uns ein Ge- 
winn ist. Nach dieser Trostrede wendet sich Cyprian zu einem Vorwurf, 
den die Schwachen in jenen Zeiten der Drangsal erheben. Sie stiessen 
sich daran, dass Heiden wie Christen von dem gleichen Unheil betroffen 
worden seien. Offenbar waren sie bisher des Glaubens, als Christen stün- 
den sie unter der besonderen Obhut Gottes. Allein, wendet der Bischof 
ein, der Christ muss sich auf grösseres Leid gefasst machen als der Heide; 
der Christ muss in allem Ergebenheit in Gottes Willen zeigen wie Job und 
Tobias; er darf im Leid nicht murren, er soll im Kampf seinen Mut er- 
proben. Die Ansprache kehrt nun zu der gegenwärtigen Drangsal zu- 
rück, gibt eine sehr anschauliche Schilderung der Pest und fährt mit 
den Trostgründen fort. Den Tod hat nur der zu fürchten, den die ewige 
Verdammnis erwartet. Für viele ist der Tod ein Wohlthäter, ein Erlöser. 
Auch die furchtbare Krankheit hat ihr Gutes, indem sie die wahre Natur 
vieler Menschen offenbart. Aber merkwürdigerweise selbst in den Kreisen 
der Glaubensstarken rief die Pest Klagen hervor. Manche waren unge- 
halten, dass ihnen durch die Pest die Krone des Martyriums, auf das sie 
sich vorbereitet hatten, entgehen könne. Diesen Leuten hielt der Bischof 
entgegen, dass das Martyrium eine Gnade Gottes sei, dass übrigens ihm 
der Willen schon genüge. Dann fährt Cyprian fort: Wir müssen unserem 
täglichen Gebet entsprechend in allem den Willen des Herrn ruhig hin- 
nehmen. Ein Sträuben gegen den Tod ist eine Versündigung, wie einem 
sterbenden Geistlichen in einer Vision geoffenbart wurde. Cyprian selbst 
hatte Visionen, die ihm einprägten, dass die Trauer um die Verstorbenen 
mit der christlichen Hoffnung im Widerstreit sei; die gleiche Mahnung 
lässt der Apostel Paulus an uns ergehen. Der Tod führt uns aus dem 
irdischen Leben ins himmlische; wen Gott lieb hat, nimmt er daher früh- 



816 RömiBohe Liiteratnrgesohiohte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilang. 

zeitig hinweg, nur wer an der Welt hängt, kann sich vor dem Tode fürch- 
ten; gerade jetzt, wo die Vorzeichen von dem Ende der Welt sich uns 
aufdringen, sollte man gern von hinnen scheiden in jene Welt, wo uns 
so viele Freuden erwarten. 

Die Pest wird also geschildert fc. 14) quod nunc corporis vires solutus in fluxum 
venter eviscerat, quod in faucium vulnera conceptus meduUitus ignis exaestuat, quod adsiduo 
vomitu intestina quaiiuntitr, quod oculi vi sanguinis inardescunt, quod quorundam vel pedes 
vel aliquae memhrorum partes contagio morhidae pufredinis amputatUur, quod per iacturas 
et damna corporum prorumpente languore vel dehÜUatur incessus vel audUus obstruitur 
vel caecatur aspectus, ad documentum proficit fidei. 

715. De opere et eleemosynis (über Wohlthätigkeit und Almosen- 
geben). Der Eingang der Schrift erinnert den Leser, welche hohen Gna- 
den dem Menschengeschlecht durch die Menschwerdung Qottes zu Teil 
geworden. Sie hat ihm die Erlösung von der Sünde gebracht. Allein 
Gott sorgt noch weiter für die Menschen; da er die Rückfölligkeit der- 
selben in die Sünde voraussieht, hat er ihnen ein neues Mittel in die 
Hand gegeben, auch die neuen Flecken abzuwaschen. Es ist dies die 
Wohlthätigkeit und das Almosengeben. Durch diese Kraft, welche 
die heilige Schrift ausdrücklich bezeugt, tritt das Almosengeben an die 
Seite der Taufe. Da nun niemand von Sünden sich freihalten kann, so 
ist die Wohlthätigkeit eigentlich selbstverständlich, doch wird sie auch 
ausdrücklich von der Schrift anbefohlen. Nachdem so die Notwendigkeit 
des Almosengebens festgestellt ist, geht der Autor daran, die Hindernisse, 
die sich der Wohlthätigkeit entgegenstellen, hinwegzuräumen. Nichtig ist 
die Furcht, das Almosengeben werde uns in Not und Mangel versetzen; 
denn Gott ersetzt uns reichlich unsere Aufwendung. Die Hauptsache ist, 
dass wir nicht an unserer Seele Schaden leiden. Der Herr sorgt stets 
für seine Kinder. Der grösste Feind der Wohlthätigkeit ist der Geiz. 
Das Geld hat nur Wert, wenn wir uns mit demselben das Himmelreich 
erkaufen. Auch die Sorge für die Kinder kann uns nicht von der Unter- 
stützung der Armut befreien; denn Gott steht höher als unsere Kinder. 
Und Gott können wir dieselben am besten anvertrauen. Das Erbteil, das 
wir bei ihm anlegen, ist vor allem Verlust gesichert. Tobias soll uns in 
Bezug auf die Kinder als Muster vorschweben. Zuletzt vergleicht der 
Autor das Wohlthun mit einem herrlichen unter den Augen Gottes vor sich 
gehenden Schauspiel und stellt daneben, was alles für den bösen Feind, 
der selbst sprechend eingeführt wird, geschieht. Dann rückt er uns das 
letzte Gericht vor Augen, wo die Barmherzigen auf die rechte Seite, die 
Hartherzigen auf die linke verwiesen werden, und schliesst endlich mit 
einer warmen Aufforderung zum Wohlthun. 

Ueber die grosse Bedeutung der Schrift für die Satisfaktion vgl. Habkack, Dogmen- 
geschichte l, 351 ; Hauptstelle (c. 2): sicut lavacro aquae saluiaris gehennae ignis extinguUur, 
ita eleemosynis adque operationibus iustis delictorum flamma sopitur, et quia semel in baj}- 
tismo remissa peecatorum datur, adsidua et iugis operatio baptismi instar imitata dei rursus 
indulgentiam largiatur, 

716. De bono patientiae (über den Wert der Oeduld). Während 
des Streites über die Ketzertaufe schrieb Cyprian die Schrift über die 
Geduld; er will die durch den Meinungskampf erbitterten Gemüter be- 
-"••ftigen, in feiner Weise vermeidet er es aber, diesen Anlass zu er- 



ThaBoias Gaecilius Cyprianns. 317 

wähnen. Die Gedanken zu der Schrift entnimmt er aus TertuUian. Der 
Inhalt ist in kurzem folgender: Der Schriftsteller, der über die Geduld 
schreibt, muss vor allem die Geduld der Leser fQr seine Betrachtung in 
Anspruch nehmen. Zur Erreichung des Heils, so fährt der Autor nach 
dieser launigen Einleitung fort, ist die Geduld ganz besonders not- 
wendig. Diese Geduld ist aber nicht die, welche die Philosophen ver- 
künden, die wahre Geduld findet sich nur im Christentum; wir haben 
diese Tugend mit Gott gemein. Die Geduld Gottes zeigt sich überall, er 
duldet die Götzenopfer, er lässt die Sonne über Gute und Böse aufgehen, 
er ist voll von Langmut gegen den Sünder; Christus gebietet uns sogar 
unsere Feinde zu lieben, er hat das schönste Beispiel der Geduld durch 
sein Leben gegeben. Mit sichtlicher Vorliebe verweilt Cyprian bei dieser 
Schilderung, und man spürt sein warmes Empfinden. Die Betrachtung zieht 
nun die Schlussfolgerung. Da unser Leben ein Leben in Christo sein soll, 
so müssen wir auch seine Geduld nachahmen; Beispiele derselben bietet 
uns auch das alte Testament. Durch die Sünde Adams ist das Leid ein 
Erbteil des Menschengeschlechts, die Geduld daher ausserordentlich not- 
wendig, ganz besonders für den Christen, der unter den fortwährenden 
Nachstellungen des bösen Feindes steht und seines Glaubens wegen ver- 
folgt wird. Auch zur Ausübung des Guten ist Geduld notwendig, denn 
unser Ausharren wird erst in einem andern Leben belohnt. Die Geduld 
schützt nicht nur das Gute, sondern vertreibt auch das Böse, vor einer 
Reihe von Vergehen ist der Geduldige bewahrt. Auch die schönste Tugend, 
die Liebe braucht die Geduld; unser irdisches Leben macht täglich die 
Geduld notwendig, leuchtende Beispiele der Geduld sind Job und Tobias. 
Der Wert der Geduld tritt in ein heUeres Licht, wenn wir ihr Gegenteil, 
die Ungeduld, ins Auge fassen. Wie die Geduld die Sache Gottes, so ist 
die Ungeduld die Sache des Teufels. Mit warmen Worten wird die ver- 
schiedene Wirksamkeit der Geduld dargelegt. Die Geduld wird auch an- 
gesichts der Verfolgungen empfohlen, denn der Tag der Rache kommt, 
wenn auch spät, beim letzten Gericht, an dem Christus Vergeltung üben 
wird. In aller Geduld müssen wir auf diesen Tag warten. 

Titel. In dem Mommsen'schen Verzeichnis ist der Titel der Schrift de pcUientia; 
allein Cyprian bezeugt selbst den Titel de bono patientiae ep. 73, 26. 
Verhältnis Cyprians zu TertuUian: vgl. oben § 673. 

717. De zelo et livore (ttber die Scheelsucht und den Neid). Ge- 
wöhnlich betrachtet man den Neid als ein geringes Übel und ist daher 
nicht auf der Hut vor ihm. Aber derselbe ist ein Werk des Teufels, 
dessen Mittel, den Menschen in die Sünde zu verstricken, ausserordentlich 
viele sind. Durch den Neid ist der Engel zu Fall gekommen, und seitdem 
ist dieses Laster auf der Erde heimisch. Zu welchen Yerirrungen das- 
selbe führt, zeigen Eain, Esau, die Brüder Josephs, der König Saul, die 
Juden, kurz der Neid ist die Quelle vieler Sünden, des Hasses, der Er- 
werbssucht, des Ehrgeizes, der Zwietracht, des Schismas, der ünbotmässig- 
keit und Unzufriedenheit. Das Charakteristische für den Neid ist, dass 
derjenige, welcher sich ihm hingibt, einen steten Peiniger mit sich herum- 
trägt. Schon im äussern des Neidischen spiegeln sich die Qualen, die 



Slg ROmisohe LiUeratargeBohiohte. Ü. Die 2eit der Monarchie. 2. Abteünng. 

ihm sein Laster bereitet. Die heilige Schrift nimmt eine klare und aus- 
gesprochene Stellung gegen den Neid ein. Der Herr verkündet dem De- 
mütigen die Erhöhung, der Apostel Paulus erhebt seine warnende Stimme, 
besonders scharf geht der Apostel Johannes in seinem ersten Briefe vor 
(3, 15). Mit Lämmern und Schafen verglich Christus seine Anhänger, er 
gab uns das Gebot der Liebe und der Apostel Paulus feiert diese Liebe 
als die höchste Tugend. Das christliche Leben verlangt die Umgestaltung 
des ganzen Menschen, und mit einer lebhaften Aufforderung dazu und 
mit einem Hinweis auf die hinunlischen Freuden schliesst dieses im 
Predigerton geschriebene Schriftchen. 

718. Ad Fortonatum de ezhortatione martyrii (AufiDOLiintenmg 
zum Martyritun). Fortunatus hatte Cyprian gebeten, Stellen der heiligen 
Schrift zu sammeln, welche geeignet seien, die Mitbrüder in diesen Zeiten 
der Verfolgungen zu stärken. Einer solchen Aufforderung konnte sich 
Cyprian nicht entziehen, er war überzeugt, dass dem Christen Waffen 
gegen die zahllosen Künste des Teufels notwendig seien. Seine Aufgabe 
löst Cyprian in der Weise, dass er eine Anzahl Thesen aufstellt und diese 
Thesen durch ausgehobene Bibelstellen erläutert und begründet. Er gibt 
also nur Material oder wie er sich bildlich ausdrückt, er gibt nicht das 
fertige Kleid, sondern nur Wolle und Purpur, aus dem jedermann das fQr 
ihn passende Kleid sich fertigen kann. Die ersten Thesen beziehen sich 
auf die Nichtigkeit des Götzendienstes und die Strafen, welche die Götzen- 
diener von Gott zu gewärtigen haben; dann folgen Thesen, welche den 
Glauben an Christus zum Gegenstand haben. Wir müssen, heisst es, 
Christus über alles stellen und wenn wir uns von der Welt losgemacht 
haben, dürfen wir uns nicht in den Zeiten der Bedrängnis wieder vom Teufel 
in die Welt verstricken lassen. Wir müssen stets fest im Glauben bleiben 
und stets nach der himmlischen Palme streben. Damit leitet der Autor 
zu den Verfolgungen über, bezüglich deren eine These sagt, dass sie das 
beste Mittel zur Bethätigung des Glaubens sind. Es folgen die Sätze, dass 
man die Verfolgung nicht zu fürchten habe, da der Herr immer mächtiger 
als der Teufel sei, dass die Verfolgungen voraus verkündet werden und dass 
ihr Eintreffen uns auch Sicherheit gibt, dass auch die in Aussicht ge- 
stellte Belohnung in Erfüllung gehen wird. Zum Schluss wird gezeigt, 
welche Belohnung des Bekenners im Himmel wartet und weiterhin, dass 
diese Belohnung weit die überstandenen Leiden aufwiegt. 

Wer FortuDatos war, können wir nicht mit Bestimmtheit sagen. Ein Fortunatus 
„a Thuecabori^ (Habtbl I p. 444) wird von Cyprian im J. 251 nach Rom geschickt. Mög- 
lich, dass es derselbe ist. 

Interpolation nimmt anf Grand der stichometrischen Angabe des Mommsen'schen 
Verzeichnisses Götz (Gesch. der cypr. Litt. p. 54) an. 

719. Ad Quirinum (Testimoniomm libri ni). Das Werk ist nach 
der Vorrede auf Bitten des Quirinus, den er als Sohn anredet, abgefasst. Er 
schickt ihm zunächst zwei Bücher, in dem ersten soll gezeigt werden, dass 
an Stelle des Judentums das Christentum, das seine Bekenner aus allen 
Nationen sammle, getreten ist; im zweiten wird dann über Christus ge- 
handelt. In beiden Büchern geht der Autor so zu Werk, dass er den 
Stoff in jedem Buch in eine Anzahl von Sätzen zerlegt und zu jedem Satz 



Thasoias CaecUins Gyprianna. 319 

eine Stelle oder eine Reihe von Stellen aus der heiligen Schrift beibringt. 
Später fügt er ein drittes Buch hinzu, das deshalb seine eigene Vorrede 
erhält. Das erste Buch stellt 24, das zweite 30, das dritte endlich 120 
Sätze auf. Im ersten Buch sollen die Bibelstellen erweisen, dass die 
Juden sich schwer gegen Gott vergangen, dass sie ihre Propheten umge- 
bracht, dass sie ihre eigenen Schriften nicht verstehen können, wenn sie 
nicht Christen werden, dass die körperliche Beschneidung durch die geistige 
ersetzt sei, dass das alte Gesetz aufgehoben und ein neues Gesetz gegeben 
werden musste, dass die Heiden eher ins Himmelreich kommen als die 
Juden, dass die Juden nur durch die Taufe Verzeihung für ihre schwere 
Sünden erlangen können u. a. Das zweite Buch gibt eine Christologie nach 
der Auffassung jener Zeit, es bestimmt zuerst Christi Herkunft und sein 
Wesen, geht dann zu seiner Mission unter den Menschen über, führt uns 
seine Menschwerdung, sein Leiden, sein Auferstehen vor, und weist 
zuletzt auf sein künftiges Richteramt hin. Der Plan, den der Verfasser ver- 
folgt, ist klar ; seine erste Aufgabe ist eine negative, nämlich zu zeigen, dass 
das Judentum seine Erfüllung in dem Christentum gefunden; seine zweite 
Aufgabe ist aber eine positive, nämlich die Bedeutung Christi darzulegen. 
Damit war der feste Glaubensgrund gelegt; es fehlte noch die Regelung 
des gesamten praktischen Lebens im Geiste des Christentums. Die Lösung 
dieser Aufgabe unterninmit das dritte Buch. Eine Ordnung wie in den 
zwei ersten Büchern ist hier nicht wahrnehmbar. Wie sie ihm in den 
Wurf kamen, so stellt Cyprian seine Thesen hin. Auch ihr Inhalt ist 
mannigfaltig genug. Bald sind die Sätze spezifisch christlichen Geprägs, 
bald sind sie wieder ganz allgemein gehalten, wie z. B. man soll nicht 
schmähen (13), man soll nicht vorschnell über einen andern urteilen (21), 
man soll den Eltern gehorchen (70), auch das dogmatische Gebiet streifen 
sie. Der Form nach erscheinen sie bald als Vorschriften, bald als Be- 
hauptungen. 

Das ganze Werk ist also nur eine Materialiensammlung; die eigene 
Thätigkeit des Schriftstellers beschränkt sich auf die Aufstellung der Fächer 
und auf das Zusammensuchen der SteUen. Gleichwohl ist das Sammel- 
werk von nicht geringem Interesse; in seinem Gerippe gibt es uns ein 
Bild von dem Stand der theologischen Gelehrsamkeit in der damaligen 
Zeit; wir erfahren, welche Gesichtspunkte damals die junge Wissenschaft 
beherrschten. Wir erhalten durch die Sammlung auch einen Blick in die 
damalige Bibelexegese, deren hauptsächliche Tendenz dahin geht, aus dem 
alten Testament das neue zu deuten. Was den praktischen Zweck des 
Buchs anlangt, so gehört es zu den Not- und Hilfsbüchem, wie sie 
auch in der profanen Litteratur üblich waren, ^) und deren einziges Ziel 
ist, dem Leser in bequemer Weise das nötige Material zu liefern. 

Ueber das Verhältnis der Schrift zu Gommodian vgl. Dombabt, Ueber die 
Bedeutung Gommodians für die Textkritik der testimania Cyprians (Zeitschr. fQr wissensch. 
Theol. 22 [1879] p. 374). 

Das dritte Buch. Zweifel bezüglich der Echtheit des dritten Buchs hegt Har- 
HAOK (der pseudocypr. Traktat de aleiUoribus p. 53 Anm.), indem er sagt: „die praefatio 



') Ich erinnere an die Sammlung des Valerius Maximus fQr die Redner. 



320 AOmiache LitteratorgeBchiohie. n. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

kQndigt nur zwei Bflcber an, und die Ueberlieferungsgesohichte ist auch nicht durchweg 
der Echtheit des 3. Buchs günstig*. Dagegen vgl. Hiubsleitkb, Comm. Woelffl. p. 377. 

Abfassungszeit. Die zwei ersten Bücher werden ins Jahr 248, das letzte etwa 
in das Jahr 249 gesetzt. 

Interpolationen. Aus den stichometrischen Angaben des nach ihm benannten 
Verzeichnisses will Mommsen (Hermes 21 [1886] p. 151) schliessen, dass dem Verfasser 
unseres Verzeichnisses das letzte Buch in kürzerer Form vorlag als unsere Ausgaben es 
aufzeigen; es werden in demselben nicht bloss die Abschnitte, die allein die Würzburger 
Handschrift hat, p. 134, 15 bis 138, 21. 161, 8 bis 162, 26 gefehlt haben, sondern noch 
viele andere dieser »Zeugnisse' dürften von späterer Hand zugesetzt sein. Götz (Gesch. der 
cypr. Litt. p. 55) will, auf dasselbe Argument sich stützend, nicht bloss für das dritte, 
sondern auch für das zweite die Annahme zahlreicher Interpolationen offen halten. 

720. Quod idola dii non sint (die NichtgOtüichkeit der GHttzen). 

Ohne jede Einleitung stellt der Autor den Satz an die Spitze, dass die 
von den Heiden als Götter verehrten Götzen nichts waren als ehemalige 
Könige, denen nach ihrem Tod göttUche Ehren erwiesen wurden. Dies 
wird durch Beispiele aus der Geschichte erläutert. Jedes Volk hat darum 
seine eigenen Götter; auch dies wird an Beispielen dargethan, und aus der 
Thatsache, dass die Götter, die aus der Fremde nach Rom verpflanzt wur- 
den, ihr Land nicht schützen konnten, wird geschlossen, dass sie auch 
für die Römer nichts thun können. Sehr verbreitet war damals die An- 
sicht, dass das römische Reich nur durch seine Götter so emporgekommen 
sei. Gegen diese Ansicht wendet sich der Autor und stellt den Satz auf, 
dass die einzelnen Reiche sich ablösen. Weiterhin weist er auf den 
mächtigen Einfluss der Dämonen hin. Damit schliesst der erste Teil; der 
zweite (c. 8 und 9) will zeigen, dass nur ein Gott ist und dass. dieser un- 
sichtbar, unermesslich und unbegreiflich ist. Im dritten Teil wird eine 
kurze Christologie gegeben. In historischer Weise geht der Verfasser von 
dem Judentum aus und zeigt, dass die Juden im Laufe der Zeit der gött- 
lichen Gnade verlustig gingen, und dass jetzt die Christen an ihre Stelle 
getreten sind. Er berührt dann noch das Erscheinen Christi, sein Leiden 
und seinen Tod, seine Auferstehung, seine Himmelfahrt und sein künftiges 
Gericht. 

Die Schrift ist keine selbständige Arbeit, sie ist in den beiden ersten 
Teilen ein Auszug aus dem Octavius des Minucius Felix, in ihrem dritten 
hat sie ihre Quelle in dem Apologeticus des TertuUian. Sie macht daher 
auch im ganzen einen höchst unerfreulichen Eindruck. 

Bezüglich der Abfassungszeit ftnssert eine nicht begründete Vennutung Matzihoer, 
Des hl. Cypr. Traktat de bona pudicitiae p. 5 Anm. 15, dass die Schrift im J. 248 bald 
nach des Origenes xtcrd K^Xaov im Osten und dem Octavius des Min. Felix im Westen im 
Zusammenhang mit der heidn. Feier des Millenarfestes entstanden sei. 

Die Echtheitsfrage. In den beiden Verzeichnissen, dem Mommsen*schen und 
dem des Pontius fehlt die Schrift. Hieronymus fahrt sie als cyprianisch an. ep. 70, 5 (ed. 
Vallarsii I p. 427) C^prianus, quod idola dii non sint, qua brevitate, qua hisioriarum omnium 
scientia, quo cum verhorum et aensuum splendore perstrinxit. 

Hausslbiteb (Theol. Litteraturbl. Jahrgang 1894 Nr. 41) hat zu zeigen versucht^ dass 
die Schrift von Novatian herrühre; allein die Beweisgründe sind nicht durchschlagender 
Natur. 

ß) Cyprians Briefe. 

721. Übersicht. Unter den Schriften Cyprians nehmen seine Briefe 
eine ganz hervorragende Stelle ein. Sie geben uns ein ausgezeichnetes 
Bild von dem Wirken des Mannes und von den kirchlichen Verhältnissen 



Thasoins Gaeoilina Gyprianna. 321 

in der damaligen Zeit. Wir behandeln daher diesen Briefwechsel mög- 
lichst ausführlich, und wir glauben um so mehr dazu berechtigt zu sein, 
als die Briefe sich oft nicht wesentlich von den Abhandlungen unter- 
scheiden. Auch lernen wir durch die cyprianische Briefsammlung einge- 
streute Briefe anderer Persönlichkeiten kennen. Bei der Besprechung des 
Briefwechsels haben wir drei chronologische Gruppen unterschieden, 
nämlich: 1. Briefe aus der Zeit der Flucht Cyprians (250 — 251); 

2. den Briefwechsel mit dem römischen Bischof Cornelius; 

3. den Briefwechsel, welcher den Streit Cyprians mit dem römi- 
schen Bischof Stephanus zum Gegenstand hat; 4. Briefe aus der 
Zeit der letzten Verbannung. Diesen Gruppen schliessen wir 5. die 
Briefe ohne Zeitangabe an. Endlich haben wir 6. aus dem corpus 
der cyprianischen Briefsammlung fünf Briefe herausgehoben, welche in 
vulgärer Sprache von anderen geschrieben sind. 

722. Briefe aus der Zeit der Flacht Cyprians. Cyprian hatte 
sich, wie wir gesehen haben, der Verfolgung des Kaisers Decius durch 
die Flucht entzogen, da er dadurch besser die Interessen seiner Ge- 
meinde wahren zu können glaubte als durch seinen Mart3rrertod. Er be- 
hielt daher, soweit dies möglich war, die Leitung seiner Gemeinde bei 
und blieb im fortgesetzten schriftlichen Verkehr mit derselben. Dass sich 
daraus Schwierigkeiten ergaben, ist klar. Cyprians Aufgabe war aber 
um so schwieriger, als die karthagische Earchengemeinde durch zwei 
grosse Wirren aufs tiefste erschüttert wurde, durch den Streit über 
die Sache der Gefallenen und durch das Schisma des Felicissimus. Auch 
mit Rom war bei der massgebenden Bedeutung, welche diese Ge- 
meinde besass, vielfache Korrespondenz notwendig. Die Briefe, die wäh- 
rend dieser Zeit (250 — 251) geschrieben wurden, umfassen in der Hartel'- 
schen Sammlung die nr. 5 — 43. Um wenigstens eine Übersicht über den 
Inhalt dieser Briefe dem Leser zu verschaffen, empfiehlt es sich, be- 
stimmte Gruppen vorzuführen. Wir behandeln 

1. Das Corpus der dreizehn Briefe. Aus einem Schreiben, das 
Cyprian an den römischen Klerus gerichtet hatte (nr. 20), erfahren wir, 
dass dieser von den Briefen an seine Gemeinde dreizehn Stück zusammen- 
gestellt hatte, um sie nach Rom gelangen zu lassen. Diese dreizehn Briefe 
sind uns noch erhalten; es sind in der Hartel'schen Sammlung die 
nr. 5 — 7 und 10 — 19. Zu bemerken ist jedoch, dass die chronologische 
Ordnung dieser Briefe erheblich gestört ist und erst durch Kombinationen 
festgestellt werden muss. Den Mittelpunkt dieser Briefe bildet die 
Frage über die Wiederaufnahme der lapsi, d. h. derjenigen, welche in 
der Verfolgung ihren Glauben verleugnet hatten. Ursprünglich galt der 
Abfall vom Glauben als eine Todsünde, die von der Kirche definitiv aus- 
schloss und deren Vergebung bei entsprechender Busse durch das ganze 
Leben hindurch nur von Gott gehofft werden konnte. Allein nachdem die 
Christenverfolgung hereingebrochen war, ergab sich, dass dieser Grund- 
satz nicht strikte durchzuführen war, denn der Abtrünnigen waren zu 
viele; auch war schon früher durch den römischen Bischof Kallistus 
(217 — 222) den Fleischessünden gegenüber die strenge Disziplin durch- 

Huidbiich der Uaas. Altertusuwineniobaft. YIU. 8. Teil. 21 



322 BOmisohe Litteratnrgesohiolite. IL Die Zeit der Monarehie. 2. Abteilang. 

brochen worden. Die Verhältnisse machten eine Änderung des Verfahrens 
gegen die lapsi durchaus notwendig. Ciyprians Standpunkt in der Frage, 
wie er sich in den Wirren herausgebildet hatte, war nun der, dass die 
lapsi erst nach einer längeren Zeit der ernstlichen Busse wieder zur Eir- 
chengemeinschaft zugelassen werden könnten. Allein dieser Weg war 
vielen lapsi zu langwierig. Sie wollten sofort wieder in die Kirche auf- 
genommen sein. Und zur Erreichung ihres Zieles boten sich Bekenner 
und Märtyrer dar. Die Glaubenszeugen nahmen nämlich das Recht für 
sich in Anspruch, auch die Vergebung der Todsünden zu erwirken; es 
geschah dies in Form von Friedensbriefen. Solange diese Friedensbriefe 
nur als eine Voraussetzung für die Aufnahme der lapsi betrachtet wurden, 
und die Wiederaufnahme in die Gemeinde Sache der Eirchenleitung blieb, 
wäre ein Missstand wohl nicht zu tage getreten. Allein die Märtyrer 
liessen sich zu Ausschreitungen hinreissen; besonders war es Lucian, der 
in der leichtfertigsten Weise Friedensbriefe verteilte (ep. 22, 2. 27, 1). Eine 
ernstliche Schwierigkeit erhob sich, als die Märtyrer die sofortige Aner- 
kennung ihrer Friedensbriefe forderten, und in Karthago sich einige Pres- 
byter in der That bereit finden liessen. Gefallenen, welche im Besitz von 
Friedensbriefen waren, Gemeinschaft zu gewähren. Sonach hatte Gyprian 
auch gegen die Kleriker den Kampf zu führen (ep. 14). Allein der Bischof 
musste doch Konzessionen machen. Die erste bestand darin, dass den 
Gefallenen, falls sie sich in Todesgefahr befinden und im Besitz von Frie- 
densbriefen sind, die sofortige Aufnahme in die Gemeinde gewährt werden 
solle (ep. 18). Dadurch war der Zwiespalt zwischen dem Bischof und 
seinem Klerus beseitigt. Allein die Mart3rrer waren noch nicht befriedigt. 
Sie richteten ein höchst sonderbares Billet (23) an Gyprian, und die Gt^ 
fallenen stützten sich auf dasselbe. In diesen Wirren erhielt Gyprian 
Hilfe von Rom und zwar doppelte Hilfe, sowohl von seite des römischen 
Klerus als der römischen Bekenner. Auch die Römer traten der Lax- 
heit in Bezug auf die lapsi entgegen. Aber ganz konnte der Unfriede in 
der karthagischen Gemeinde nicht gebannt werden, bald bildete sich 
sogar ein förmliches Schisma heraus. 

Zeugnis über die 13 Briefe, ep. 20,2 schreibt Gyprian an den r&mischen Klerus: 
et quid egerim, locuntur tohis epiatulae pro temparibua emissae numero tredeeim, quas 
ad V08 transmiai, in quibus nee clero consilium nee eonfessoribua exhorttUio nee exiorrUms 
quando oportuit obiurgatio nee universae fraternitati ad depreeandum dei mieerieordiam 
adloctUio et pereuasio nostra defuit, quantum eecundutn legem fidei et timorem dei domino 
suggerente nostra mediocritaa potuit eniti. Im nachfolgenden geht er noch weiter auf den 
Inhalt der Briefe ein. Danach kOnnen wir mit der grössten Wahrscheinlichkeit als diese 
18 Briefe bezeichnen die Briefe 5. 6. 7. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. Von diesen 
13 Briefen hat Gyprian nach ep. 25 (quoa [lapaos] nunc urgentes et paeem fernere atque 
inportune extorquentes quomodo disposuerimus ut scirea, librum tibi cum epistuJis numero 
quinque misi quas ad cJerum et ad plebem et ad martgres quoque et confeeaores feci: quae 
episttdae etiam plurimia coUegis nostris missae placuerunt) ffinf in ein Gorpus zusammen- 
gefasst. 

Ghronologische Anordnung dieser Briefe. Fbohtbüp, Gyprian 1878 1, p. 41 
kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu folgendem Resultat: „Die Reihenfolge dieser 
Briefe wftre demnach folgende: 5. 6. 7. 18. 14. 12. 11. 10. 15. 16. 17. 18. 19. Der 5. 6. 7. 13. 
14. 12. ist nach unserer Meinung vor dem Ausbruch der Hauptverfolgung im April abgefassi» 
der 11. beim ersten Beginn dieser Erisis, die übrigen, der 10. 15. 16. 17. 18. 19 der Reihe 
nach später bis zum Monat Juli oder Anfang August*. Nur in einem Punkt weicht 
Q. Ritschly Gyprian p. 242 ab. Er glaubt, dass ep. 7 geschrieben wurde, ehe die Yer* 



ThaBoins Caeoilins CyprianiiB. 323 

folgnng ausbrach, ep. 5 dagegen ebenso wie ep. 6 nach dem Beginn derselben, lässt es aber 
unentschieden, ob ep. 5 oder ob ep. 6 früher geschrieben wurde. 

2. Die Korrespondenz mit Rom. Ungemein wichtig für die Kir- 
ehengeschichte ist die Korrespondenz zwischen Karthago und Rom in der 
Zeit der Abwesenheit Gyprians. Diese Korrespondenz umfasst in der Hartel'- 
sehen Sammlung die nr. 8. 9. 20. 21. 22. 27. 28. 30. 31. 85. 36. 37. Diese 
12 Stücke lassen sich in folgende Gruppen bringen: 

a) Briefe des römischen Klerus und zwar an den karthagischen (8) 
und an Cyprian (30. 36); 

ß) Cjrprians Briefe an den römischen Klerus (9. 20. 27. 35); 

y) Briefwechsel zwischen Cyprian und den römischen Bekennem 
Moyses und Maximus (28. 37. 31) ; 

i) Korrespondenz zwischen dem römischen Könfessor Celerinus und 
dem karthagischen Könfessor Lucian (21. 22). 

Von diesen Briefen sind in vulgärem Dialekt geschrieben nr. 8. 21. 22 
und werden unten § 726 p. 330 behandelt, unsere besondere Aufmerksam- 
keit nehmen aber die Briefe 30 und 36 in Anspruch, weil sie von einem 
der bedeutendsten Männer der damaligen Zeit herrühren, nämlich von No- 
vatian. Am wichtigsten sind die Briefe des römischen Klerus, der während 
der Sedisvakanz nach dem Tode Fabians die Zügel der Regierung in die 
Hand genommen hatte. Wir sehen, dass die römische Kirche sich damals 
als die leitende betrachtete, und sind erstaunt, mit welcher Umsicht und 
Klugheit sie in der Leitung der kirchlichen Angelegenheiten vorging. Als 
Cyprians Flucht in Rom bekannt geworden war, wendet sich der römische 
E3erus in einem äusserst vorsichtig gehaltenen Schreiben an den kartha- 
gischen und legt ihm nahe, ohne Rücksicht auf den flüchtigen Bischof, 
selbst die Leitung der Gemeinde in die Hand zu nehmen. Zugleich gibt 
das Schreiben Yerhaltungsmassregeln bezüglich der Oefallenen. Auch 
Cyprian benimmt sich in seiner schwierigen Situation äusserst klug, er 
bezweifelt, natürlich wider besseres Wissen, ob das römische Schreiben 
echt sei. Allein bald ergeben sich engere Beziehungen zwischen dem 
römischen Klerus und Cyprian, nachdem der Bischof seine Flucht gerecht- 
fertigt und sich herausgestellt hatte, dass in sachlicher Beziehung keine 
Differenzen bestanden. Die Oefallenensache war es, welche Rom und Cyp- 
rian zusammenführte. Von den obigen Briefen sind die der Konfessoren 
merkwürdig; sie sind wenig erfreulich, besonders das grosse Schreiben der 
römischen Konfessoren Moyses und Maximus (31) ist ein hohles, aufge- 
dunsenes, widerwärtiges Produkt. 

üeber diese Groppe von Briefen handeln Caspasi, Zur Gesch. des Taufsymb. III, Chri- 
stiania 1875, p. 437 (Uebersicht); 0. Ritscbl, Gvprian p. 6 (mit eingehender Berücksich- 
ügong der kirchlichen Verhältnisse); Habkack, «Die Briefe des röm. Klerus aus der Zeit der 
Sedisvakanz im J. 250 in Theol. Abhandl. zu Ehren Weizsäckers (Freib. 1892) p. 1. (,Far 
die Geschichte der röm. Kirche d. h. fOr die Universalgeschichte ist die Einsicht, welche 
nnsere Briefe gewähren, von höchster Wichtigkeit, dass jene Kirche damals lediglich des- 
halb gross war, weil sie ihre Pflicht universaler erkannte und gewissenhafter erfüllte als 
die anderen Kirchen. Unzweifelhaft besass sie im Jahre 250 einen anerkannten Primat: es 
war der Primat des Anteils und der erfüllten Pflicht' p. 36.) 

Die chronologische Reihenfolge dieser Briefe ist nach Ritschl (Cyprian p. 249): 
8. 9. 21. 22. 20. 27. 28. 30. 31. 35. 86. 37. 

21* 



324 Bömisohe Litteratnrgesohiohie. IL Die Zeit der Monarohie. 2. Abteilang. 

3. Die übrigen vor das Schisma fallenden Briefe. Es sind 
dies in der Harterschen Sammlung die nr. 23. 24. 25. 26. 29. 32. 33. 34. 
38. 39. 40, also im ganzen 11 Stück. Mit Ausnahme von zwei Briefen 
sind alle übrigen von Cyprian selbst geschrieben. Jene zwei fremden 
Briefe sind das merkwür<Uge verletzende Billet (23), das Lucian im Namen 
der Konfessoren an Cyprian richtete, und das Schreiben des Bischofs Cal- 
donius an Cyprian in Sache der Oefallenen (24). Von den cyprianischen Briefen 
sind die meisten an die karthagische Gemeinde gerichtet, nur nr. 25 wendet 
sich an Caldonius und enthält die Antwort auf die Anfrage dieses Bischofs, 
femer haben wir einen Brief (nr. 33) ohne Überschrift, ein Strafschreiben 
an die Gefallenen. Die an die Gemeinde gerichteten Briefe betreffen An- 
zeigen von Ordinationen und die Ausschliessung eines Diakons. Der Brief 
26 beschäftigt sich mit der Gefallenensache, der Brief 32 ist ein Begleit- 
schreiben bei der Übersendung von Schriftstücken, die aus der Korrespondenz 
mit Rom sich in der Sache der lapsi ergeben haben. 

Die chronologische Reihenfolge der erwähnten Briefe ist nachRirscm. (Cyp- 
rian p. 249) folgende : 24. 25. 23. 26. 29. 82. 83. 34. 38. 39. 40. 

4. Die auf das Schisma des Felicissimus sich beziehenden 
Briefe. Die Briefe 41. 42. 43 beschäftigen sich mit dem Schisma des 
Felicissimus. Über die Entstehung des Schisma gibt uns der 41. Brief 
Aufschluss. Cyprian hatte eine Kommission nach Karthago geschickt, 
welche aus den Bischöfen Caldonius und Herculanus und aus zwei Pres- 
bytern Rogatianus und Numidicus bestand. Es galt, Handwerkern einen 
Zuschuss (aus den Mitteln des Bischofs) zur Ausübung ihres Gewerbes 
darzureichen, dann zugleich die Personalien dieser Leute zu erheben, um 
danach ermessen zu können, welche sich für ein geistliches Amt eignen. 
Dieser Auftrag führte zu einem Aufstand, Felicissimus und sein Anhang 
widersetzten sich der Ausführung. Wahrscheinlich fürchtete man, dass 
sich der verbannte Bischof mit jener Unterstützung einen neuen Anhang 
in der Gemeinde verschaffen wolle. Auch eine dem Bischof feindselig ge- 
sinnte Partei von fünf Presbytern zeigte sich in Aktion. Die Streitigkeiten 
führten zunächst dazu, dass Felicissimus und noch sechs andere Persön- 
lichkeiten von den Bischöfen Caldonius, Herculanus und Victor und den 
Presbytern Bogatianus und Numidicus aus der Kirche ausgeschlossen 
wurden; Cyprian wurde in einem Billet von dieser Ausschliessung Kenntnis 
gegeben (42). Diese Ausstossung scheint aber die Aufregung der kartha- 
gischen Gemeinde noch wesentlich gesteigert zu haben; jetzt werden die 
feindselig gesinnten Presbyter die Agitation gegen den abwesenden Bischof 
geleitet haben. Cyprian, der schon im Begriffe war, nach Karthago zu- 
rückzukehren, musste angesichts der gegen ihn sich erhebenden Bewegung 
seine Rückreise verschieben; er richtet daher ein längeres Schreiben (43) 
an seine Gemeinde; er beschuldigt die fünf Presbyter als die Urheber des 
von Felicissimus ausgehenden Schismas ; er warnt die Gemeindeglieder ganz 
besonders vor den Fallstricken derselben. Auch bringt er das Schisma 
mit der Sache der Gefallenen in Zusammenhang, über die er sich wiederum 
in der bekannten Weise ausspricht. Ein Konzil wird für die schwebenden 
Fragen in Aussicht gestellt. 



ThasoiiiB Gaeciliiia Cyprianiui. 325 

Die den drei Briefen za Grunde liegenden karthagischen Verhältnisse sind sehr ein- 
gehend erörtert von 0. Ritsohi*, Cyprian p. 55. 

Es wird nicht unpassend sein, die chronologische Reihenfolge aller Briefe, welche 
während der Abwesenheit Gypriana von Karthago geschrieben wurden, hier zusammenhängend 
nach 0. Ritsohl vorzuführen: 5. 6. 8. 9. 13. 14. 12. 11. 10. 21. 22. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 24. 
25. 23. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 87. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 

723. Der Briefwechsel mit dem römischen Bischof Cornelius. — 
Das Schisma des Novatianns. Es handelt sich um die Briefe 44—60 
der Hartel'schen Sammlung. Von denselben haben alle Cyprian zum Ver- 
fasser mit Ausnahme von nr. 49 und 50, welche uns zwei Schreiben des römi- 
schen Bischofs Cornelius an Cyprian geben, und von nr. 53, einem Billete 
römischer Bekenner an Cyprian, in dem sie ihre Rückkehr zur Kirche an- 
zeigen; endlich nr. 57 ist ein Schreiben der karthagischen Synode vom 
Jahre 252 an Cornelius in Sache der Gefallenen. Die Ereignisse, auf 
welche sich die Briefe beziehen, ^ind in kurzem folgende. Etwa im April 
des Jahres 251 kehrte Cyprian nach Karthago zurück. Es war höchste 
Zeit, denn wichtige Aufgaben harrten ihrer Lösung. Es wurde deshalb 
ein Konzil nach Karthago berufen, welches bald nach Ostern 251 zu- 
sammentrat. Von diesem Konzil wurde vor allem der Schismatiker Feli- 
cissimus und sein Anhang aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen. 
Sodann beschäftigte es sich mit der Sache der Gefaüenen. Das rigori- 
stische Prinzip wurde, nicht ohne Kampf, aufgegeben. Man ging aber 
andererseits auch nicht zur extremen Milde über, sondern man schlug einen 
Mittelweg ein (55, 6), d. h. man verlangte ernstliche Busse und Unterschei- 
dung der verschiedenen Klassen der lapsi. ^) Während der Beratungen des 
Konzils kam die Nachricht, dass CorneUus zum römischen Bischof erwählt 
sei. Das Konzil nahm nur soweit Stellung zu der Wahl, dass es beschloss, 
Gesandte zur Information nach Rom zu schicken. Allein nach dem Schluss 
des Konzils (45, 1) zeigte sich, dass diese Wahl zu einem Schisma 
führte ; Novatianus, wohl das geistig bedeutendste Mitglied des römischen 
Klerus, liess sich ebenfalls zum Bischof ordinieren. Cyprian wurde zu einer 
Entscheidung gedrängt, denn Novatian liess durch eigene Abgesandte seine 
Wahl in Karthago anzeigen. Cyprian ging nicht vor, ohne genaue Er- 
kundigungen über die Wahl eingezogen zu haben, und musste deswegen 
manches harte Wort von Cornelius hören. Die Wahl des Cornelius war 
auch für die Sache der Gefallenen nicht ohne Bedeutung. Da Novatian 
in dieser Frage den extremen Standpunkt vertrat, so war nur mit seinem 
Gegner die mildere Auffassung aufrecht zu erhalten. Es kam hinzu, dass 
sich ein schismatischer karthagischer Presbyter, Novatus, auf die Seite 
Novatians stellte. Cyprian trat daher mit voller Energie für Cornelius 
ein, dessen Sache besonders dadurch gefährdet war, dass sich die Be- 
kenner zu dem Gegenbischof schlugen. Cyprian richtete daher ein ein- 
dringliches Schreiben an dieselben (46). Diese traten auch später von 
dem Schisma zurück. Allein trotzdem machte die novatianische Bewegung 
grosse Fortschritte. Auch in Karthago gewann sie an Boden. Man 
erwählte sogar einen eigenen Bischof namens Maximus (59, 9). Ein 



') Das Genauere siehe bei 0. Ritsohl, Cyprian p. 192. 



> 



324 Eömiaohe LitteratnrgeBchiohie. n. Die Zeit der Konarohie. 2. Ab^teOnng. 

3. Die übrigen vor das Schisma fällenden ^en. Ein langer 
dies in der Harterschen Sammlung die nr. 23. 24. ^^jweiM zu benehmen. 
38. 39. 40, also im ganzen 11 Stück. Mit Ausr y^ Karthago statt. Es 
sind alle übrigen von Cyprian selbst geschr- ^^„ gerichtete Agitation; 
Briefe sind das merkwürdige verletzende B^*' Jiq^ früher schon exkommuni- 
der Konfessoren an Cyprian richtete, w ^verlangte, dass man seine Ver- 
donius an Cyprian in Sache der Gefalle' -^wiesen; er organisierte nun mit 
sind die meisten an die karthagis^' ""^eue Bewegung gegen Cyprian; es 
sich an Caldonius und enthält ^, ;'^ischof in der Person des Fortunatus 
femer haben wir einen Bri^ y^ckte sofort Felicissimus mit einigen 
an die Gefallenen. Die >'^'^i anzuzeigen und seine Anerkennung zu 

zeigen von Ordination^ .-^^/rreiben (59) an Cornelius gab Cyprian über 

26 beschäftigt sich .. ^]^gcbln88. Allein auch dieser neuen Revolution 

schreiben bei der ' .^j^'f ^ 

mit Rom sich ' i^l'^^^l Uhoeh, Geschichte der röm. Kirche bis Leo I., Bonn 

Die ehr . ; >*,><p5n P. 67. 
rian p. 249) f ... 'j>^^^ %n Bnefe ordnet Bitscbl also: 45. 44. 48. 46. 47. 50. 49. 53. 51. 

fi^^if^^eO. Die Briefe 44—54 fallen yermnüich alle noch ins Jahr 

^' ;. '*> /Jf^^- % und 59 schreibt Ritschl dem Jahr 252 zn, 56. 57. 58. 60 

Brief r •* >?^^^- 

Felio* p '^^ g^it Gyprians mit Stephanus von Rom (Briefe 67—75). 
^^^ ^ fi^' P%)\g^ Lucius, der aber nur kurze Zeit den römischen Bischofs- 
"^ fCo^^ftt/a (253—254). Auch an ihn findet sich in unserer Samm- 

^jj i^%,lireiben (61); es ist eine Oratulation zu der aus der Verban- 
f^^ Igten Bückkehr des Bischofs. Nachfolger des Lucius war Ste- 
pufl^ %r von 254 — 257 die Leitung der römischen Kirche inne hatte. 
pb^p%ti&ceA ist von grosser Wichtigkeit, weil unter demselben ein hef- 
5^^ Streit über die Eetzertaufe ausbrach. Es handelte sich nämlich um 
fei^^^ge, ob die in den ketzerischen Kirchen erteilte Taufe giltig sei. 
^^ flds entwickelte sich eine Fehde zwischen Cyprian und Stephanus. Ehe 
^ v. die auf diese Kontroverse bezüglichen Briefe skizzieren, erwähnen wir 
^ocb 2^^^ Schreiben, die andere Angelegenheiten betreffen, nämlich nr. 67 
yiid 68. Schon der Brief 67 gibt uns von einer Differenz zwischen Cyp- 
rian und Stephanus Kunde. Zwei spanische Bischöfe, Basilides und Mar- 
tialis, waren während der Verfolgung Libellatiker geworden. Selbst- 
verständlich waren sie dadurch für den Episkopat unfähig. An ihrer 
Statt wurden neue Bischöfe gewählt. Allein Basilides, der anfangs seine 
Stelle niedergelegt hatte, wandte sich später nach Rom und erlangte 
von Stephanus seine Wiedereinsetzung. Auch Martialis wollte sich in 
seiner Bischofswürde behaupten. Die rechtmässigen Bischöfe wandten sich 
nach Karthago, wo eben eine Synode versammelt war. In ihrem Namen 
erteilt Cyprian an die betreffenden Gemeinden die Antwort, dass Basilides 
und Martialis kein Recht auf eine Rehabilitation hätten. Oegenstand des 
68. Briefes ist das novatianische Schisma. Ein Bischof in Arles war No- 
vatianer und vertrat als solcher den extremen Standpunkt den lapsi gegen- 
über. Cyprian fordert Stephanus in ziemlich ernstem Tone zu einem Ein- 
schreiten auf, es sei keine Frage, dass der novatianische Bischof abgesetzt 
und ein neuer erwählt werden müsse. Die übrigen Briefe beziehen sich 



w 
1 



ThasoiuB Caeoilins Cyprianiia, 



327 



f den Streit wegen der Eetzertaufe. Seit dem novatianischen Schisma 
* die Frage eine brennende geworden, da es häufig vorkam, dass Leute 
der novatianischen Kirche zu der allgemeinen zurücktraten. In einem 
lusführlichen Schreiben (69) beantwortet Cyprian die Frage, ob die 
n Häretikern gespendete Taufe giltig sei, mit einem entschiedenen 
^enn wie es nur eine Kirche, so kann es auch nur eine Taufe 
ie Häretiker können den heiligen Geist nicht haben, folglich können 
.licht die Taufe erteilen, denn Sünden kann nur nachlassen, wer 
iiigen Geist besitzt.') Im Jahre 255 fand ein Konzil in Karthago 
ti; dasselbe erliess an die numidischen Bischöfe ein Schreiben, worin 
auf ihre Anfrage die üngiltigkeit der Ketzertaufe dargethan wurde (70). 
Ebenso sprach sich Cyprian in einem Schreiben an Quintus aus (71), 
von dem Cjrprian um Rat in dieser Angelegenheit angegangen worden war; 
zugleich schickte er ihm eine Abschrift des Synodalschreibens. Im Früh- 
jahre 256 wurde wieder ein Konzil abgehalten, an dem 71 Bischöfe aus 
Afrika und Numidien teil nahmen. Auch hier war die Ketzertaufe Gegen- 
stand der Beratung; abermals wurde die Üngiltigkeit derselben festge- 
stellt. Im Briefe 73 an Jubajan rekurriert Cyprian auf dieses Konzil und 
begründet wieder in ausführlicher Weise dieselbe Ansicht; allein am Schluss 
sagt Cyprian, er wolle seine Ansicht niemandem aufdrängen; jeder Bischof 
solle thun, was er für recht halte. Im September 256 trat wieder ein 
Konzil zusaminen; die Bischöfe aus Afrika, Numidien und Mauretanien 
waren zusammengekommen und sprachen sich für die Wiedertaufe der 
Schismatiker und Häretiker aus, erklärten sich aber für Duldung, wenn 
ein Bischof anderer Meinung sei. Die Akten dieses Konzils sind uns er- 
halten (Hartel 435). Die Frage nahm aber eine ernste Wendung an, als 
der römische Bischof Stephanus für die Giltigkeit der Ketzertaufe eintrat. 
In dem 72. Briefe gibt Cyprian dem Stephanus von dem Synodalbeschluss 
Kenntnis, der anordnete, die Häretiker und Schismatiker wieder zu taufen 
und häretischen Priestern bei der Rückkehr zur Kirche nur die Laienkom- 
munion zu gestatten; zugleich legt er das Schreiben an die numidischen Bi- 
schöfe und das an Quintus bei. Scharf tritt der Gegensatz zu Stephanus in den 
Briefen 74 und 75 zu tage; der erste ist an Pompeius gerichtet und so ge- 
halten, dass die Möglichkeit einer Einigung völlig ausgeschlossen ist; man 
sieht, die afrikanische Kirche steht im Kampfe mit der römischen ; der zweite 
ist von Firmilian, Bischof von Cäsarea in Kappadokien, an Cyprian ge- 
schrieben. In dem Streite hatte nämlich der karthagische Bischof auch 
auf den Metropoliten Firmilian als Bundesgenossen sich gestützt. Die Ant- 
wort gibt uns der 75. Brief, der aber aus dem Griechischen übersetzt 
ist. In diesem Schreiben stellt sich der orientalische Bischof ganz auf die 
Seite Cyprians und verurteilt scharf Stephanus.*) 



') Didse Argamentation ist am bündig- 
sten zusammengefasst 70, 3: ai sanctum spiri- 
tum dare ntm potent, quia fori* conttUutus 
cum sancto 8piritu non est, nee haptizare 
venientem patest, quando et baptisma unum 
sU et Spiritus sanctus unus et una ecclesia 



a Christo domino tiostro super Petrum ori' 
gine unUatis et ratione fundata. 

') Es wird z. B. geredet von der tnani- 
festa Stephani stuUitia (c. 17); non pudet fHe- 
phanum talibus adversus eeclesiam patroci" 
nium praestare (o. 25). 



828 Römische Litteratargesohiclite. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 



Die Echtheitsfrage des Briefes des Firmilianus. Der Brief wurde in seiner 
Echtheit besonders in früherer Zeit vielfach angefochten. Eine kurze Greschichte dieser 
Frage gibt Rettbkbg, Cyprian p. 189 Anm. 1. In neuester Zeit hat 0. Ritschl (Cjprian 
p. 126) die Echtheit der Schrift untersucht und ist zu dem Resultat gekommen, dass die- 
selbe interpoliert ist und zwar aus Schriften Cyprians (vgl. 73, 14 = 75, 20; 74, 5 = 75, 12). 
Vgl. dagegen Ernst, Die Echtheit des Briefes Firmilians über den Keizertaufstreit in neuer 
Beleuchtung (Zeitschr. f. kath. Theol. 18 [1894]) p. 209; denselben, .Zur Frage über die Echt- 
heit des Briefes etc." (1. c. 20 (1896) p. 364. 

Die chronologische Ordnung der Briefe. Ritschl statniert folgende Reihen- 
folge: 68. 69. 70. 71. 73. 67. 72. 74. 75. 

725. Briefe aus der Zeit der letzten Yerbannang (76—81). Von 

diesen Briefen gehören zusammen m*. 76 — 79. Der erste (76) dieser vier 
Briefe ist ein Trostschreiben des verbannten Cyprian an den Bischof 
Nemesianus und acht andere namentlich bezeichnete Bischöfe, dann an 
Presb3rter und Diakonen wie an Laien, welche sämtlich wegen ihres Glau- 
bens in einem Bergwerke ^) gefangen gehalten wurden. Wir erfahren aus 
dem Brief, dass ein Teil der Bekenner schon den Unbilden erlegen war, 
und dass die Überlebenden durch Rutenhiebe, Fesseln, hartes Lager, 
Hunger und Frost schwer litten. Diese armen Dulder tröstet der fromme 
Bischof, indem er ihre Misshandlungen im Lichte des Glaubens zu ver- 
klären weiss und eine Aussicht auf den ewigen Lohn eröf&iet. Den Priestern, 
die nicht im stände sind, das heilige Opfer darzubringen, gibt er die be- 
ruhigende Versicherung, dass sie selbst dem Herrn ein wohlgefälliges 
Opfer sind. Weiterhin weist er rühmend darauf hin, d^s durch das 
glänzende Beispiel der Kleriker viele Gemeindeglieder, ja selbst schwache 
Jungfrauen und Kinder zum mutigen Bekenntnis ihres Glaubens angespornt 
wurden. Kurz, Cyprian versäumt nichts, um die armen Dulder zum Aus- 
harren zu ermutigen. Auf dieses Trostschreiben liegen uns merkwürdiger- 
weise drei Antworten in den Briefen 77 — 79 vor; aus denselben gewinnen 
wir zugleich die Kenntnis einer neuen Thatsache, nämlich dass Cyprian 
zugleich mit seinem Schreiben den in den Bergwerken Detinierten eine 
Geldunterstützung zukommen liess, die er im Verein mit Quirinus zusam- 
mengebracht hatte. Dass uns drei Antworten vorliegen, kann kaum anders 
erklärt werden als dadurch, dass die Bekenner, an die sich Cjrprian ge- 
wendet, in verschiedenen Bergwerken gefangen gehalten wurden, und dass 
sonach der Brief Cyprians eine Art Rundschreiben darstellt. Die 
dritte Antwort (79) ist geschäftsmässig gehalten, die zweite (78) zeigt 
schon reichere Farben; die erste (77) gestaltet sich zu einem kleinen 
Panegyrikus auf Cyprian. 

Von den zwei übrigen Briefen bezieht sich nr. 80 auf den Fortgang 
der Verfolgung unter Kaiser Valerian. CSyprian hatte einige aus seinem 
Klerus nach Rom geschickt, um über den Stand der Dinge Erkundigungen 
einzuziehen. Diese Boten überbrachten Cyprian den zweiten Erlass des 
Kaisers, der anordnet, dass die Kleriker mit dem Tod bestraft werden 
sollen, und auch die Strafen gegen die anderen Christen hervorragenden 
Standes im einzelnen bestimmt. Dieses Reskript teilt Cyprian dem Suc- 



*) Im Briefe 79 wird das Bergwerk be- 
zeichnet als metallum Siguensem, «Dies weist 
auf den Ort Sigos in Nnmidien, an der 
Strasse zwischen Girta und Macomades**, 



ScHWABZB, Untersucfanngen Aber die ftnssere 
Entwickl. der afrik. Kirche, Göttingen 1892, 
p. 112. 



ThaaciiiB Caecilias Gyprianns» 



329 



cessus, einem seiner Geistlichen, mit. Zugleich meldet er, dass der römische 
Bischof Sixtus der Verfolgung zum Opfer gefallen sei. In dem anderen 
Schreiben (81) eröffnet Cyprian, der jetzt in seinen bei Karthago gelegenen 
Gärten verweilt, seinem Klerus, dass er nach Utica gebracht werden solle, 
dass er aber auf den Rat einiger Freunde sich verborgen halten wolle, 
um dieser Überführung zu entgehen und in Karthago vor den Augen seiner 
Gemeinde den Martyrertod zu erleiden. 

üeber die Briefe, welche in die Jahre 257 und 258 fallen, vgl. Schwabzb, Untersuch, 
über die Äussere Entwickl. der afrik. Kirche, Göttdng. 1892 p. 112. 

726. Briefe ohne Zeitangabe (1—4 und 68). Die ersten vier 
Briefe sind kirchlichen Fragen gewidmet und daher nicht ohne Inter- 
esse; im ersten wird angesichts eines Vorkommnisses der durch eine 
Synode festgestellte Grundsatz eingeschärft, dass kein Kleriker zum 
Vormund oder Kurator* eingesetzt werden dürfe, da der geistliche Stand 
nicht durch diese weltlichen Geschäfte vom Opfer und vom Gebet ab- 
ccezogen werden solle. Merkwürdig ist der Fall, welcher Gegenstand 
des zweiten Briefes ist. Es handelt sich um die Frage, ob ein christ- 
licher Schauspieler, der zwar nicht mehr auftrete, aber seine Kunst 
lehre, in der Gemeinde geduldet werden könne. Diese Frage wird ver- 
neint; ist jener Schauspieler bedürftig, so soll ihm eine massige Unter- 
stützung von Seiten der Kirche zu teil werden, dagegen soll man ihm 
nicht seine Sünde abkaufen. Der dritte Brief betri£Ft die schweren Be- 
leidigungen, die ein Bischof durch seinen Diakon erfahren. Cyprian, über 
die Sache um seinen Bat befragt, meint, dass der beleidigte Bischof nach 
den Aussprüchen der heiligen Schrift zu einer strengen Ahndung des Dia- 
kons berechtigt sei, hofft aber, dass die ernstliche Reue und Besserung 
des Übelthäters von einem Einschreiten gegen ihn absehen lasse. Für die 
Sittengeschichte liefert einen wichtigen Beitrag der vierte Brief. Jung- 
frauen, die sich für den jungfräulichen Stand entschieden hatten, wohnten 
mit Männern, unter denen sich sogar ein Diakon befand, zusammen, ja 
teilten sogar das Lager mit ihnen und machten trotzdem auf jungfräu- 
liche Reinheit Anspruch. ^) Der Bischof, in dessen Gemeinde dies vorkam, 
hatte diese Leute aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen; Cyprian 
billigte völlig dieses Verfahren und gab noch genauere Ratschläge über 
die Bedingungen, unter denen die Übelthäter wieder in die Kirche auf- 
genommen werden könnten.^) Der 63. Brief ist auch unter dem Titel »Über 
den Kelch des Herrn {de sacramento ccUicis dominiciy bekannt. Der Brief 
ist mehr eine Abhandlung. Es war der Missbrauch eingerissen (c. 11), 
dass bei dem Opfermahle im Kelch Wasser statt Wein dargebracht wurde. 
Diesen Missbrauch verwirft der Bischof aufs entschiedenste und zwar an 
der Hand der heiligen Schrift. Die allegorische Auslegung spielt hier eine 
sehr entscheidende Rolle, freilich ruft sie unser Erstaunen in hohem Masse 
hervor. Auch die Verteidigung des Missbrauchs durch die lange Gewohn- 
heit lässt Cyprian nicht gelten, denn hier handele es sich nur darum, den 



') Solche Jungfrauen hiessen avysiüax- 
TM oder subintroduetae. 

'} Hier kommt c. 4 der Satz vor cum 



domus Dei una sit et nemini salus ewe nisi 
in ecclesia possit. 



330 R<)miBohe Litteratnrgeschiclite. II. Die Zeit der Xonarohie. 2. Abteünng. 

Befehl des Herrn auszufuhren. Wie das Wasser das notwendige Element 
der Taufe, so ist der Wein das notwendige Element des heiligen Mahls, 
der Zusatz von Wasser weist uns auf die Verbindung Christi mit den 
Gläubigen hin (c. 13). 

Die Zeitbestimmung. Fbchtbup (p. 22) legt die Briefe 1—4 vor die decianiache 
Verfolgung, „da sie von allem dem, was später unseres Bischofes Herz bewegte, gar nichta 
enthalten". 0. Ritschl (p. 239) dagegen sacht aus inneren Kriterien (dem Kirchenbegriff) 
die Briefe 2. 3. (4) in spätere Zeit zu setzen. Der 63. Brief ist nach ihm (p. 242) yor der 
decianischen Verfolgung entstanden. 

727. Fünf Briefe in vulgärer Sprache. In der cyprianischen Brief- 
sammlung finden sich f&nf von anderen herrührende Briefe, welche in 
vulgärem Dialekt geschrieben sind und daher unsere Aufinerksamkeit in 
hohem Grade auf sich ziehen. Es kommt hinzu, dass zwei Schreiben des 
Jahres 250 aus Rom stammen. 

Der erste Brief (8) ist von dem römischen IGerus an den kar- 
thagischen gerichtet, zur Zeit, als der römische Bischofsstuhl nach dem 
Tode des Papstes Fabianus (250) verwaist war; es war nämlich die Kunde 
nach Rom gelangt, dass Cyprian sich der Verfolgung durch die Flucht 
entzogen habe. Die Römer lassen deutlich durchblicken, dass sie mit dieser 
Handlungsweise Cyprians nicht einverstanden sind und sie erinnern an 
Joh. 10,12*. „Ich bin ein guter Hirte. Ein guter Hirte lässt sein Leben 
für seine Schafe.'' Sie weisen daher darauf hin, dass sie auch diesem 
Gebote gemäss handeln und die Furcht Gottes höher stellen als die 
Furcht vor den Menschen; selbst auf die Gefallenen haben sie ihre Sorg- 
falt erstreckt; sie ermahnen zu gleichem Thun den karthagischen Klerus 
und empfehlen ihm die gleiche Fürsorge für die verschiedenen Klassen der 
Gläubigen. 

Der zweite Brief (21) ist ein Schreiben des Römers Celerinus an 
den karthagischen Konfessor Lucianus. Der letztere, ein Bekenner, wird 
von Celerinus ersucht, für die gefallenen Christinnen Numeria und Candida 
einzutreten. 

Der dritte Brief (22) ist die zusagende Antwort des Lucianus 
auf dieses Schreiben; die gefallenen Christinnen sollen, nachdem die Sache 
dem Bischof vorgetragen und sie sich der Exomologesis unterzogen, den 
Frieden wieder erhalten. 

Der vierte Brief (23) ist ein von Lucianus geschriebenes, im 
Namen aller Konfessoren an Cyprian gerichtetes Schreiben, in dem allen 
Gefallenen der karthagischen Gemeinde der Frieden verliehen wird. 

Auch der fünfte Brief (24) betrifft die Sache der lapsi. Der 
Bischof Caldonius wendet sich an Cyprian und seine Presbyter, und fragt 
an, ob Gefallenen, die anfangs das Götzenopfer darbrachten, dann aber bei 
einer neuen Untersuchung sich des Landes verweisen Hessen, wieder die 
Gemeinschaft der Kirche gegeben werden könne; nach der Ansicht des 
Bischofs haben sie durch ihr späteres Verhalten das erste Vergehen ab- 
gewaschen, doch er will nicht einseitig in der Angelegenheit vorgehen. 

Sprachlich sind diese fünf Schriftstücke ungemein wichtig; denn sie 
führen uns das Latein der niederen Kreise vor und zeigen uns das schwere 
Ringen der Briefschreiber, sich mit der schriftlichen Form ihrer Gedanken 



Thasoina CaecilinB Cyprianiui. 331 

zurechtzufinden.^) Besonders zu beachten ist es, dass die römische Kirche 
im Jahr 250 noch nicht im stände war, offizielle Schreiben im korrekten 
Schriftlatein abzufassen. 

Diese Briefe sind eigens ediert von Miodonski in seiner Schrift Anonymus adver aus 
aleatores p. 114. Vgl. Aber die Briefe auch Harnaok, Der pseadocypr. Traktat de ahtUorihus 
p. 47. Der 8. Brief (mit der Antwort Gyprians nr. 9) ist recensieit und erläutert von Ha.b- 
KACK» TheoL Abh. zu Ehren Weizsäckers p. 6. 

Auf den 8. Brief weist der 9. (Gyprians) mit den Worten hin: (c. 2) legi etiam lUtercts, 
in guibus nee qui scripseHnt nee ad quos scriptum sü signifieanier expressum est, eine 
Ueberschrift fehlt dem 8. Brief; vgl. Habmack 1. c. p. 6 und 25, der auch eingehend Ober 
die Bedeutung der Schreiben des röm. Klerus aus dieser Zeit gehandelt hat.') 

y) Apokryphes. 

728. Übersicht. Mit den echten cyprianischen Schriften hat sich 
eine Reihe unechter oder zweifelhafter Schriften verbunden. Der berühmte 
Name Gyprians diente als Sammelpunkt fär dieses herrenlose Gut. In 
einem Teil der Handschriften ist Gyprian als Autor genannt, in anderen 
sind die Stücke anonym überliefert. In die Hartel'sche Sammlung sind 
folgende Stücke aufgenommen: 1. de spedaculis; 2. de bono pudicüiae; 3. 
de laude maHyrii; 4. ad Novatianum; 5. de reiaptismate; 6. de aleatoribus; 
7. de montibus Sina et Sion; 8. ad Vigüium episcopum de ludaica incredulüate; 
9. adversus ludaeos; 10. oratio I; 11. oratio II; 12. de XII abusivis saeculi; 
13. de singularitate clericorum; 14. de duplici martyrio ad Fortunatum; 
15. de pascha computus; 16. vier epistulae; 17. sechs Gedichte. Diese Ge- 
dichte sind a) Genesis; b) Sodoma; c) de lona; d) ad Senator em ex Christiana 
religione ad idolorum servitutem conversum; e) de Pascha; f) ad Flavium 
Felicem de resurrectione mortuorum. 

Von diesen Produkten sind von uns hier zu behandeln die vorkon- 
stantinischen. Es sind dies 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 9 und 15. 

Allein damit sind nicht alle Apokryphen erschöpft (Habnaox, Gesch. der altchr. Litt. 
I p. 691). So ist auch der Traktat Exhartatio de paenitentia unter dem Namen Gyprians 
üherliefert Vorkonstantinisch ist derselbe nicht (vgl. Wundebeb, Bruchstücke einer afrik. 
Bibelflbersetzung, Erlangen 1889 n. 84, der den IVaktat dem Ende des 4. oder Anfang des 
5. Jahrh. zuweist); derselbe ist also später zu besprechen. Ueber den angeblichen Anteil 
Gyprians an den notae Tiron, vgl. Sohiiitz, Symb. phiJol., Bonn p. 540. 

Zur Ueberlieferungsgeschichte der pseudocyprian. Schriften vgl. Habnack, Texte und 
Unters. XIII (1895) 4 b p. 55. 

729. De spectaculis (gegen den Besuch der Schauspiele von selten 
der Christen). Nachdem der Briefschreiber im Eingang gesagt, dass er 
jede Gelegenheit, bei der er mit den Adressaten in Verkehr treten könne, 
mit Freuden ergreife, geht er gleich zum Gegenstand seines Briefes über; 
er hatte nämlich vernommen, dass manche für den Besuch der Schau- 
spiele sogar die heilige Schrift ins Feld führen, indem sie nicht nur gel- 
tend machen, dass dort jener Besuch der Schauspiele nirgends verboten 
sei, sondern sogar noch positive Momente wie das Tanzen Davids vor der 
Bundeslade und den ,, Wagenlenker'' Helias anführen. Scharf tadelt der Brief- 
schreiber ein solches Vorgehen der Christen und meint, dass es besser 
sei, völlig schriftunkundig zu sein, als einen solchen Missbrauch von der 
Schrift zu machen; die vorgebrachten Beispiele seien in ganz anderer 



') Mit Recht sagt Habnaok p. 9: „Der 
Schreiber (des 8. Briefis) verrät noch mehr 
durch seinen hilflosen Satzhau als durch die 
Verstösse gegen die Formenlehre, dass er 



nicht einmal eine mittlere Büdung genossen 
hatV 

^) Es sind sonach alle Briefe herange- 
zogen, ausgenommen 61, 62, 64, 65, 66. 



832 Bf^misohe Litteratiirgeschiohie. ü. Die Zeit der Monarohie. 8. Abteilung. 

Weise zu interpretieren; auch das Schweigen der heiligen Schrift über 
den Gegenstand dürfe nicht missdeutet werden. Die heilige Schrift ver- 
dammt allen Götzendienst und damit auch die Schauspiele; denn beide 
Dinge hängen aufs innigste zusammen. Die Idololatrie ist die Mutter aller 
Spiele. Die Schauspiele sind eine Erfindung der Dämonen; da der Ge- 
taufte den bösen Geistern entsagt hat, so muss er auch den Schauspielen 
entsagen. Dann muss den Christen schon das, was in den Spielen geboten 
wird, vom BesiTch desselben abhalten, so die dort zur Darstellung kom- 
mende Grausamkeit und das sich breit machende nichtige Treiben der Zu- 
schauer. Durch die Unzucht hindurch führt der Weg zu den Spielen. Der 
Brief schildert dann die Obscönitäten und Frechheiten der scenischen 
Spiele, die eine wahre Pflanzschule der Unzucht sind. Hier ist doch wahr- 
lich für den Christen kein Platz; denn er lernt das Schändliche thun, 
während er sich daran gewöhnt, dasselbe zu schauen. Nicht bloss die 
Gegenwart muss den Darstellungen das hässliche Material liefern, auch 
die Vergangenheit wird nach solchem abgesucht. Auch in den Artisten- 
produktionen findet der Verfasser eitles Wesen, mit dem der Christ nichts 
zu schaffen hat. Dem Christen sind bessere Schauspiele beschieden; da ist 
die Welt mit ihren zahllosen Schönheiten ; auch in der heiligen Schrift findet 
der Christ würdige Schauspiele, die Schöpfung der Welt, die Belohnung 
der Guten und die Bestraftmg der Bösen, grosse Wunderthaten und end- 
lich das letzte Gericht. 

Die Echtheitsfrage. WOlfflin hat in seinem Archiv f. lai Lexicogr. VIII p. 1 
die Echtheit dieser Schrift nachzuweisen versucht. (Vgl. dagegen Haussleitbb, Theol. Lit- 
teraturbl. 13. Jahrg. 1892 p. 431.) Weyma» (Historisches Jahrbuch XIII [1892] p. 737; vgl. 
auch XIV [1893] 330) legt diese Schrift wie die de hono pudiciUcie dem Novatian bei. 
Völlig überzeugend ist keine der beiden Ansichten. Doch ist die durch feine Beobach- 
tungen begründete Ansicht Weyman's die wahrscheinlichere. Dieselbe wurde weiter aus- 
geführt von DsMicLER in der Tübinger Quartalscbrift 1894 p. 223, wozu noch zu vergleichen 
Wethan, Wochenschrift f. kl. Philol. 1894 p. 1027 und Haussleiter, Theo!. Litteraturbl. 15. 
Jahrg. 1894 p. 481.) Ich finde keine echte Aktualität in beiden Schriften; sie gleichen zu sehr 
Schulübungen. An Cyprian als Autor zu denken, hindert mich schon der Umstand, dass 
die zweimalige Abwesenheit des Bischofs von seiner Gemeinde mit Christen Verfolgungen 
zusammenhängt; wie ist es nun aber denkbar, dass Cyprian die Verfolgungen bei diesem 
Gegenstand nicht erwähnte? Das Gleiche gilt von Noyatian, der auch während einer 
Verfolgung diesen Brief geschrieben haben müsste (Weyxan p. 747). 

730. De bono pudicitiae. Bestrebt, seine Gläubigen in jeder Be- 
ziehung auf dem Wege des Heils zu fördern, glaubt der Autor sie auch 
zur Bewahrung der Keuschheit ermuntern zu müssen; er richtet daher 
dieses Schreiben an seine Gläubigen, von denen er getrennt ist und mit 
denen er nicht in persönlichen Verkehr treten kann; er weiss, dass sie 
den Schmuck der Keuschheit an sich tragen, es ist also eigentlich kein 
Lob derselben notwendig. Allein trotzdem preist er die Keuschheit, indem 
er ihr Wesen in überschwänglicher, rhetorischer Weise bestimmt, dann 
mit gleichem Wortschwall die Unkeuschheit ausmalt und das hässliche 
Bild der Unkeuschheit dem lieblichen Bild der Keuschheit gegenüberstelitw 
In der Keuschheit, fährt der Verfasser fort, sind drei Grade zu unter- 
scheiden, den höchsten bietet die Jungfräulichkeit, den niedersten die Ehe 
dar; zwischen beiden steht die freiwillige Enthaltsamkeit. Das Gebot der 
Keuschheit ist alt, es ist so alt als das Menschengeschlecht, er begründet 



Thasciaa Caeoiliiui Gyprianaa« 333 

dies, soweit die Ehe in Betracht kommt, durch Stellen aus der heiligen 
Schrift. Das Höchste bleibt aber doch die Virginität; es folgt ein rheto- 
rischer Preis derselben. Nach dieser allgemeinen Betrachtung werden 
zwei leuchtende Beispiele für die Reinheit vorgeführt, der ägyptische 
Joseph und Susannna; es wird erzählt, wie beide ihre Keuschheit vor den 
Anfechtungen bewahrten. Dann wird wiederum in der bekannten rhetori- 
schen Manier ihre That gefeiert. Der Verfasser kehrt wieder zur Be- 
trachtung der Keuschheit zurück und legt dar, welch herrlichen Sieg der 
Mensch durch dieselbe über sich selbst feiert, und dass für diesen Sieg 
nur der feste Wille von uns notwendig ist; er setzt weiterhin auseinander, 
wie sich die Keuschheit zu bethätigen hat; er findet mit derselben die 
ängstliche Sorge um das Äussere des Körpers und den Schmuck nicht ver- 
einbar und verwirft die künstlichen Schönheitsmittel und den lästigen Putz. 
In eine Paränese läuft der Traktat aus; er verkennt nicht die grossen 
Gefahren, denen die Reinheit durch die Begierden des Fleisches ausgesetzt 
ist und bei denen der böse Feind seine Hand im Spiele hat, allein trotz- 
dem soll der Mensch nicht verzagen und den Kampf mit dem Leibe mutig 
aufiiehmen, für welchen der Verfasser eine Reihe von Verhaltungsmass- 
regeln gibt. 

Dies der Inhalt der Schrift, die wenig Gedanken, aber um so mehr 
Worte enthält. 

lieber das Ziel der Schrift vgl. die Schlussworte: ego pauca dictavi, qtwniam 
non est proposUum volumina aeribere, aed adloeutionem tranamittere. 

Die Echtheits frage. Die Schrift fehlt in dem MoMMSEN^schen Verzeichnis, auch 
in der vita des Pontius finden wir keine Anspielung auf den Traktat. Hieronymus und 
Augustin zitieren sie ebenfalls nicht. Fest steht, dass der Verfasser in Sprache und Gedanken 
sich vielfach mit Cjprian berührt. Die I<Vage ist also nur, ob diese Uebereinstimmungen 
nicht auch aus Nachahmung erklärt werden können. Matzinoer (Des hl. Thascius Gaecilius . 
Ojrprianus Traktat „de bano pudicitiae^ Nürnberg 1892) entscheidet sich dafür, dass diese 
tfebereinstimmungen auf denselben Verfasser hinweisen, dass also der Traktat de bona 
pudicüiae ein Werk Cyprians sei. Anders Wbtman, er erklärt (Hist. Jahrb. 13 [1892] 
p. 737) die Uebereinstimmungen aus der Nachahmung und hält, wie wir bereits gesagt, für 
den Verfasser Novatian, indem er 1. sprachliche Parallelen zwischen den Schriften Nova- 
tians und der unsrigen aufdeckt; 2. indem er auf die bekannte Thatsache hinweist, dass 
Novatian sich auch an Cjprian als Vorbild angeschlossen. Schwierigkeiten macht, dass 
der Brief zu wenig aktuell ist; er lässt keinen klaren Anlass erkennen, wie man solchen 
bei Männern, die so tief mit dem kirchlichen Leben verflochten waren, zu erwarten be- 
rechtigt ist. So fällt dem Leser auf, dass der Briefschreiber seine Adressaten als Muster 
der pudicUia hinstellt, also mit einer ganz merkwürdigen capteUio benevolentiae beginnt 
(c. 2). Ich weiss nun nicht, ob die feine Beobachtung Wbyman's als ausreichend be- 
funden wird, dass «diese Komplimente trefiflich in die Feder des ehrgeizigen Führers der 
Rigoristen passen, der auf die Erhaltung und Vermehrung seiner Partei ängstlich bedacht 
sein musste* (p. 747). (Vgl. Hausslbiter, Theol. Litteraturbl. 13. Jahrg. 1892 p. 431.) 

781. De laude martyrü Die Abhandlung hat die Form der Rede, 
sie wendet sich an die fratres carissimi. Nach einem schwülstigen 
Eingang, der die Schwierigkeit der Aufgabe darlegt, gliedert der Autor 
das Thema in drei Teile, indem er zuerst das Wesen, dann die Be- 
deutung, endlich den Wert oder Nutzen des Martjrriums darlegen will. 
Allein bei der Ausführung vermissen wir nur zu oft die strenglogische 
Einhaltung dieser Disposition, indem die drei Teile nicht scharf von ein- 
ander abgegrenzt sind. Das Wesen des Martyriums wird in rhetorischer 
Weise durch eine Reihe lobender Prädikate bestimmt (c. 4—12). Die Be- 



3^4 Itömisohe LitteratiirgeBchlolite. tt. Die Zeit der Itonarohie. 2. Abteilung. 



deutung des Martyriums ist besonders in der Jetztzeit ersichtlich, da das 
Weltende droht; es ist etwas Schönes, von den Bitterkeiten dieser Welt 
zur ewigen Herrlichkeit einzugehen (c. 13 — 18). Um den Nutzen des Mar- 
tyriums darzuthun, wird eine grässliche, von antiken Elementen durch- 
zogene Schilderung der Hölle einer Schilderung des Paradieses gegen- 
übergestellt. Die Märtyrer gehen durch das Martyrium in den Ort ewiger 
Freude ein (c. 19—24). 

So sehr sich der Verfasser Mühe gibt, so weiss er doch nicht uns 
für seinen Stoff zu erwärmen. 

Autorschaft. Den Traktat kennt das Mommsen'sche Verzeiclinis, ja inaii 
wird wenigstens die Möglichkeit zugeben mflssen, dass derselbe bereits in der vüa des 
Pontius berücksichtigt ist. Weiterhin steht fest, dass der in der Mitte des 4. Jahrhunderts 
lebende Lucifer von Gagliari *) unsem Traktat zu Grunde gelegt hat.*) Ea hat daher neuer- 
dings nicht an einem Versuch gefehlt,') die Schrift dem Oyprian zuzuweisen. Allein 
nichts kann gewisser sein, als dass der Traktat nichts mit Gyprian zu thun hat. Wer 
nur einige Vertrautheit mit der cyprianischen Darstellung erworben hat, wird sofort f&hlen, 
dass hier ein Schriftsteller von ganz anderer Indiyidualitftt uns entgegentritt, ein Schrift- 
steller, der geschraubt, unklar, spitzfindig^) und geschmacklos ist.^) Habnack, Texte und 
Unters. XIIl (1895) 4 b, will die Schrift dem Novatian beilegen ; gegen denselben vgl. Wst- 
MAN, Litterarische Rundschau 1895 Sp. 331. 

Chronologische Anzeichen. Genauere fehlen; es wird nur auf ein groases 
Sterben, auf feindliche Verheerungen hingewiesen (c. 8 p. 32 H.). 

732. Ad Novatianum (gegen Novatiaims' Ansicht über die lapsi). 

Im Jahre 1477 erschien zum erstenmal dieses Schriftchen, ^) das in den 
Streit über die Wiederaufnahme der lapsi eingreift; es wendet sich an 
Novatianus und seine Anhänger, die bereits ausserhalb der Kirche stehen, 
ihre Gemeinschaft aber filr die rechtmässige Kirche halten.'') Die unheil- 
volle Lage der Schismatiker beschäftigt zuerst unseren Schriftsteller; er 
führt die Kirche unter dem Bild der Arche vor und deutet den von Noe 
ausgeschickten und nicht mehr zurückgekehrten Raben als ein Symbol der 
Schismatiker. Auch die Taube und ihre dreimalige Aussendung wird alle- 
gorisch erklärt. Die Taube, die keine Buhestätte für ihren Fuss fand, 
versinnbildlicht unserem Autor die lapsi. In der ersten und zweiten Aus- 
sendung findet er einen Hinweis auf die zweifache Verfolgung der Christen 
in seiner Zeit, in der ersten, der decianischen, seien die lapsi zu Fall ge- 
kommen, bei der zweiten hätten sie sich wieder aufgerichtet und ihren 
Glauben standhaft bekannt. Dann geht der Traktat auf die Streitfrage 
über, ob die lapsi Verzeihung erhalten können. Novatian hatte dies ge- 
leugnet und sich hiebei auf die Schriftstelle berufen : Wer mich verleugnet 
vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen 
Vater. Die Anwendbarkeit der Stelle auf die Sache der lapsi sucht der 
Verfasser dadurch abzuwenden, dass er sagt, sie bezöge sich nur auf das 
letzte Gericht, in dem Christus jene Worte zu den Häretikern und Schis- 
matikern sagen wird. Diese sind es, die Christus verleugnet haben. Aber 

^) In seiner Schrift moriendum esse pro 
dei filio. 

*) Götz, Qesch. der cypr. Lit. p. 48. 

') Götz, p. 40. FrOher hahen schon Ba- 
ronius und Bellarmin sich fUr die Echtheit 
ausgesprochen. 

*) Rbttbero, p. 288: ,So verworren, un- 
klar, geschraubt, affektiert, kurz so schlecht, 



wie diese Schrift verfasst ist, hat Cjprian 
nie geschrieben.' 

^) c. 7 morte vitam candemnat, ut vUtun 
morte custodiat. 

•) Vgl. Hartbl, Cypr. III p. LXXni. 

') Interessant ist der Satz (c. 1): in qua 
domo si perseverasses, vas farsitan et preti^ 
ostim fuisaes. 



Thasoins Caeoilins Cyprianns. 335 

der Hauptvorwurf, den der Anonymus- den Novatianern macht, besteht 
darin, dass sie die Schriftstellen, welche die Barmherzigkeit Gottes kund 
thun, mit Stillschweigen übergehen. Solche Stellen werden nun in reicher 
Zahl angeführt und mit entsprechenden Bemerkungen, Anreden *) an No- 
vatian und Schmähungen begleitet. Besonderes Gewicht wird natürlich auf 
die Reue der Gefallenen gelegt.*) Auch das wird stark betont, dass Nova- 
tianus Mher, solange er der Kirche noch angehörte, über die strittige 
Frage andere Ansichten geäussert habe ; der Verfasser scheut selbst einen 
Vergleich Novatians mit dem Judas nicht. Es werden neue Stellen gegen 
Novatian vorgeführt und die Aufforderung zur Reue und Busse ange- 
schlossen. Der Traktat bricht unvollständig ab. 

Von Cyprian kann die Schrift nicht herrühren. Von vornherein ist 
es nicht die Art Cyprians, sich mit Schismatikern in Erörterungen einzu- 
lassen. Dann decken sich die in dem Traktat ausgesprochenen Ansichten 
nicht völlig mit den cyprianischen, da die Rücksichtnahme auf die den 
lapsi gegenüber zu beobachtende kirchliche Strenge neben der Milde fehlt. 
Auch in der Komposition zeigen sich zwischen unserem Verfasser und 
Cyprian Discrepanzen; so ist dies lange Verweilen bei der Taube kaum 
nach Cyprians Art.*) 

Die AbfasBungszeii ergibt sich ans c. 6, wo der Verfasser der decianischen Ver- 
folgung eine zweite gegenüberstellt Hamack betrachtet als diese zweite Verfolgung die 
des Gallus und Volnsianus und setzt demnach den Traktat zwischen 258 und 257 
(oder 258). 

Autorschaft. Es war eine Vermutung Habnack's (Gesch. der altchr. Lit. 1,751), 
dass mdglicherweise Reticius, Bischof von Antun, der Verfasser der Schrift sei, da von ihm 
bei Hieronym. de vir, inl, 82 erwähnt werden: commentarii in Canticum Cantieorum et 
aliud grande volumen adversus Novaiianum, Diese Vermutung ist unhaltbar 1. weil 
der Verfasser sicherlich ein Zeitgenosse Cyprians war, Reticius aber zur Zeit Kon- 
stantins lebte; 2. weil Hieronymus von einem grande volumen spricht; unser Traktat ist 
zwar unvollständig, allein soweit ich sehe, ist nicht viel verloren gegangen, da in der 
Schrift bereits der Schluss erkennbar vorliegt. Neuerdings hat Harvaoe (Texte und 
Unters. XIII [1895] 1) den Versuch gemacht, als Verfasser der Schrift Papst Xystus II 
(257—8) zu erweisen. Völlig durchschlagende Argumente hat er aber nicht beigebracht 

733. De rebaptismate. Diese Schrift stellt sich in Gegensatz zu 
Cyprian und verficht die These, dass die Taufe der Häretiker als gültig 
anzusehen sei. Es genügt, wenn Personen, welche von häretischen und 
schismatischen Kirchen zur allgemeinen Kirche zurückkehren, vom Bischof 
die Hand auferlegt wird, damit sie den hi. Geist empfangen, der nur 
in der Kirche ist (c. 10). 

Ueber den Inhalt der Schrift vgl. J. Ebnst, Zeitschr. f. kathol. Theol. 19 (1895) p. 241 ; 
nach demselben 1. c. 10 (1896) p. 193—255 (vgl. p. 360-62) ist die Schrift zwischen Herbst 
255 bez. Ostern 256 und 1. Sept. 256 (p. 244), wahrscheinlich in Mauretanien (p. 251), ver- 
fasst worden. 

784. Adyersus aleatores (gegen die Wflrfelspieler). Ein Bischof 
ist es, der in dieser Schrift zu seinen Gläubigen spricht. Er beginnt da- 
mit, dass er es als eine Obliegenheit seines bischöflichen Amtes hervor- 
hebt, über die ganze Gemeinde zu wachen, besonders erscheine dies ange- 
sichts des vermessenen Treibens gewisser Leute notwendig, um darzu- 

') Z. B. „non legisti*' (c. 13). ad saluiem, 

*) Novatian hatte gesagt (c. 13): paeni- *) Rbttbebo p. 285, 

tentia lapnorum vana nee poteet eis proficere 



336 Bömisohe titteratargesohiöhte. IL Die 2eit der llonarohie. 2. Abteilimg. 

thun, dass Nachlässigkeit und übel angebrachte Milde für ihn die schwer- 
sten Folgen nach sich ziehen werden, geht er in breiter Weise auf die 
Pflichten, die dem Episkopat auferlegt sind, ein. Der Bischof ist der Hirt 
seiner Herde, er ist Schatzmeister und Verwalter des Evangeliums; er 
muss den Geboten des Herrn gemäss gegen die Sünder einschreiten. Der 
Versuchungen, die der böse Feind vornimmt, um die Christen von dem 
rechten Pfad abzulenken, sind viele. <) Zu denselben gehört auch das 
Würfelspiel. Hier ist der Teufel besonders erfolgreich beim Werk. Der 
Bischof findet es ungeheuerlich, dass die Hand, die von menschlicher Sünde 
befreit und zum Opfer des Herrn zugelassen wurde, die sich zum Preis 
Oottes im Gotteshaus erhebt und die das Zeichen des Kreuzes macht, ja 
die göttlichen Mysterien vollzieht, sich vom Teufel umgarnen lässt und, 
indem sie zum Würfelbrett langt, sich selbst verdammt. Am Würfeltisch 
finden wir die unsinnigste Leidenschaft, den Meineid, Beden voll Schlangen- 
gift; Streit, Zank, wilde Gier machen sich hier breit. Der Würfelspieler 
vergeudet die Zeit und verliert Hab und Gut, den Schweiss seiner Vor- 
fahren; er vergeht sich gegen das Gesetz und setzt sich einer Verurtei- 
lung aus. Der Spieler fröhnt in der Regel auch zugleich der Unzucht 
und wütet so in doppelter Weise gegen sich. Nachdem der Verfasser in 
solch heftiger Weise die Nachteile des Würfelspiels dargethan hat, 
geht er auf den Ursprung desselben über. Der Erfinder war, erzählt er 
uns, ein gelehrter Mann, der auf Anregung des Teufels dieses Spiel er- 
sann. Da er nun auch zu göttlichen Ehren gelangen wollte, so liess er 
seine Statue mit dem Würfelbrett im Busen anfertigen und seinen Namen 
beisetzen, um sich so als Erfinder des verderblichen Spieles zu verewigen 
und zugleich den Spielern eine Klassenbezeichnung zu geben. ^) Aber noch 
mehr, die Statue wurde vervielfältigt, und der Erfinder verlangte, dass 
jeder Spieler vor dem Spiele der Statue ein Opfer darbringe. So wurde 
der böse Mensch auch noch ein Gegenstand göttlicher Ehren. Aus dieser 
Darlegung gewinnt der Bischof seine Hauptwaffe gegen das Würfelspiel; 
wer spielt, kann er jetzt sagen, treibt Götzendienst und verfällt der dafür 
angedrohten Strafe ; er ist kein Christ mehr, sondern Heide, er hat keinen 
Anteil mehr an Christus, sondern gehört dem bösen Feinde an. Wiederum 
benützt der Autor die Gelegenheit, das Unheilvolle des Würfelspiels vor- 
zurücken. Auch das Moment wird noch hervorgehoben, dass das Spiel 
die Leidenschaft immer stärker anfacht. Der Spieler, fährt unser Autor 
fort, begeht ein Verbrechen gegen Gott, und für ein solches gibt die hei- 
lige Schrift keine Nachsicht. Zum Schluss mahnt der Bischof, das Gteld, 
das man sonst dem Spiel geopfert hätte, lieber auf den Tisch des Herrn 
niederzulegen und an die Armen zu verteilen. Nicht dem Spiele, sondern 
der Kirche soll der Christ leben, durch gute Werke soll er sich Schätze 
im Himmel sammeln, durch Almosen und Gebet soll er sich Vergebung 
der Sünden erwirken. 



^) lieber den Lasterkatalog 5, 3 {idokUria, 
moechiae, furta, rapiwie, avaritia, fraus, 
ebrietasy impatientia, adulteria, homicidia, 
zelus, falsa tesHmonia, eloquium falsum, in- 



Harnack, Texte etc. 5. Bd. Hft 1 (1888) p. 86, 
FüWK, Bist. Jahrb. X (1889) p. 18. 

') Der Erfinder, den sich der Verfasser 
denkt, ist wohl Palamedes. Die Spieler 



vidia, extolUntiaj maledictum, error) vgl. | müssten also Palamedei heissen. 



Thasoina Caedlins Cyprianna. 337 

Die Schrift hat die Form einer Mahnrede; ob sie wirklich gehalten 
wurde, oder ob die schriftliche Darstellung statt der mündlichen von vorn- 
herein gewählt wurde, lässt sich nicht mehr ausmachen, ist auch ganz 
gleichgiltig. Dir Verfasser war im Schriftlatein nicht so bewandert, um es 
anwenden zu können ; er ist, wie die Satzbildung zeigt, in der schriftlichen 
Darstellung noch ungeübt; er kennt nur das vom Volke gesprochene 
Latein. Dass die Schrift nicht von Cyprian herrühren kann, zeigt selbst 
eine oberflächliche Vergleichung. Der ehemalige Rhetor Cyprian würde 
niemals zum Vulgärlatein gegriffen haben. 

Die Aatorschaft der Schrift. Diese Frage brachte eine Abhandlang Habnaok's 
«Der pseadocyprianiBche Traktat de aleeUorüma, die älteste lateinische christliche Schrift* (im 
V. Bd. der Texte und Untersuchungen, 1889) in Fluss. Nachdem bereits Pamelius (1568) die 
Schrift f&r nichtc^prianisch erklärt und als Verfasser einen nicht näher bezeichneten 
römischen Papst hmgestellt hatte, suchte Harnace nachzuweisen, dass dieser römische 
Papst Victor I. (189—198) sei, und dass unser Traktat somit die älteste christliche Schrift 
in lateinischer Sprache darsteUe. Allein seine Beweise sind unhaltbar vgl. Funk, Die Schrift 
de aleaioribus in Bist. Jahrb. 10 (1889) p. 1. Die Schrift ist nachcvprianisch; denn es 
lassen sich die Nachwirkungen der Lektüre Cyprians aufeeigen (vgl. Miodonski p. 26). Am 
wichtigsten ist aber der Nachweis von der Benutzung der Testimonia Cjprians (111,28 
Cypr. = c. 10 dtdv, (UecU.); vgl. ELausslbitbu, Theol. Litteraturbl. 1889 nr. 5. Als Verfasser 
werden noch vermutet der Papst Melchiades (Miltiades) 310—314 (Sanday, Classical Review 
März 1889, Miodonski p. 89) und Gelerinus (Baussleitbb, Theol. Litteraturbl. 1889 nr. 6). 

Mit der Frage nach der Autorschaft hängt aufs innigste zusammen die Frage nach 
dem Entstehungsort. Auch in dieser Frage ist eine Entscheidung nicht möglich. Hab- 
VACJL spricht fQr Rom und ihm stimmt bei Miodonski (p. 84 und 86); dagegen Funk p. 7. 

Ueber den Vulgärdialekt der Schrift vgl. die übersichtliche Zusammenstellung 
bei Miodonski p. 18. 

Die Ueberlieferung. Für die Texteskonstituierung zieht Miodonski in seiner 
Ausgabe, Erlangen 1889, vier Handschriften bei: 1. Monacenais {M) 20S, s. IX; 2. Treeensia 
(Q) 581, s. VlII/lX, 8. Reginensis (T) 118, s. X, 4. Parisiensis (D) 13047, s. IX, und erachtet 
als massgebend die Gruppe MQTf während Hartbl (und ihm folgend Harkack) D bevor- 
zugt hatte. (Vgl. auch Wölfflik, Arch. f. Lezikogr. 5, 488.) Mitteilungen aus jüngeren 
Handschriften bei Miodonski, Comm. Woslfflin. Leipz. 1891 p. 371. 

735. De montibus Sina et Sion. Die Grundlage der Schrift ist 
der Gedanke, dass das, was bildlich im alten Testament gesagt ist, seine 
geistige Erklärung durch das neue Testament findet. Der Verfasser geht 
von der Stelle Joh. 1, n aus, wo es heisst: „Das Gesetz ist durch Moses 
gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesum Christum geworden/ 
Dieses Gesetz ist auf dem Berge Sina gegeben. Nun heisst es andrerseits 
Jesaia 2, s : «Von Sion wird das Gesetz ausgehen und des Herrn Wort von 
Jerusalem. ' Der Verfasser legt sich jetzt die Frage vor, ob der Berg Sina, 
wo von Gott Moses das Gesetz gegeben wurde, und der Berg Sion, von 
dem das Gesetz ausgegangen ist, identisch oder verschieden sind. Er ent- 
scheidet sich für die Verschiedenheit. Der Berg Sion ist ihm ein himm- 
lischer und geistiger, der Berg Sina ein irdischer. Damit beginnen die 
wunderlichen Träumereien des Verfassers, deren Kern darauf hinausläuft, 
dass der Berg Sina das alte Testament, der Berg Sion das neue bedeutet, 
und dass der eine daher auf die Juden, der andere auf die Christen hin- 
weist. Die Schrift ist im Vulgärdialekt geschrieben. 

736« Adversus Judaeos. Etwas unvermittelt setzt die Bede mit 
einer Ermunterung zum Glauben ein und fordert die Erben Christi auf, 
unter Leitung des hl. Geistes Christi Testament sich anzueignen. Alsdann 
werden die Hauptmomente aus der alttestamentlichen Geschichte vorge- 

Handbuch der kUw. Alterhunawiatenicbaft. vm. 8. Teil, 22 



338 Römische IiitteratargeBohiolite. IL Die Zeit der Monaröhie. 2. AbieUnng« 



führt, und in stark rhetorischer Weise wird geschildert, wie Israel von 
jeher alle die, welche Christus verkündeten, verfolgte und wie zuletzt es 
sogar Oott in seinem Sohn bekämpfte und wie es dafür auch in verdienter 
Weise bestraft wurde. Nochmals wird die Undankbarkeit und Verstockt- 
heit Israels dargethan und besonders sein schreckliches Verhalten beim 
Tode Christi stark betont; Christus musste sich an die Heiden wenden 
und den Armen und Niedrigen den Zugang zu seinem Reich erschliessen. 
Nicht mehr Jerusalem ist das Reich, sondern bei den Christen ist das 
Feldlager, hier ist Christus und das ewige Leben. Israel dagegen irrt in 
der ganzen Welt umher. Trotzdem ruft ihm der Herr immer noch zu, 
in sich zu gehen und das Heil anzunehmen. Qanz andere haben jetzt die 
Kenntnis des hl. Gesetzes, und ein Knabe vermag jetzt über die höchsten 
Oeheimnisse zu belehren. Die Taufe kann allein Israel zum Heile führen. 
Aus dieser Skizze ersehen wir, dass es sich im vorliegenden Produkt 
nicht um eine wissenschaftliche, sondern um eine rhetorische Leistung 
handelt Der Anfang scheint zu fehlen. 

Der Traktat ist alt, denn er eteht schon in dem Mommsen'schen Veneichnis. Hab- 
VAOK (Gesell, der altchristl. Ut. 1,719) Äussert sieh also: «Die Schrift ist jedenfalls nicht 
jünger als aus der 1. Hftlfte des 4. Jahrh. Allein es ist mir wahrscheinlich, dass sie noch 
um ein Jahrh. älter und aus dem Griech. Übersetzt ist. Daher ist sie vieUeicht auf Htp- 
polyt zurückzuführen.' 

787. De pascha computus.^) Die Schrift ist ein Versuch, den 
16jährigen Ostercyklus des Hippolytus zu verbessern. Dieser Cyklus näm- 
lich, aufgebaut auf der griechischen Odaeteris, hatte nach Ablauf von 
16 Jahren um 3 Tage zu wenig, und dieser Fehler wurde mit jeder 16- 
jährigen Periode bedeutender. Der Verfasser, kein Astronom von Fach, 
sucht die Ursache des Fehlers nur in der falschen Deutung der betreffenden 
Schriftstellen. Er geht daher auch nur von der hl. Schrift aus, wenn er den 
Versuch macht, den ersten Tag des ersten Monats, der für das jüdische Oster- 
fest massgebend war, zu bestimmen. Der Autor sieht den Fehler darin, 
dass seine Vorgänger das Mondalter vom 1. Tage statt vom 4. Tage der 
Weltschöpfung an berechneten. Der Umstand, dass er glaubt, durch die 
Einschaltung von 3 Tagen die Fehler auszumerzen, legt Zeugnis dafür ab, 
dass die Schrift wirklich nach Ablauf der ersten 16jährigen Periode des 
Hippolytus, also bald nach 237 entstanden sein muss. 

Durch die ganze Schrift geht eine phantastische Erklärung der Bibel- 
stellen, sowie eine grosse Vorliebe für Zahlenmystik, wie sie uns bereits 
im Bamabasbriefe begegnet; einzelne Partien erinnern wörtlich an Hip- 
polytus,^) wie auch der durch den C!odex Remensis erhaltene Calcul sich 
unschwer als Nachahmung des Hippolyteischen erkennen lässt. 

Die Ahfassungszeit erhellt aus den Worten (c. 22) a quo tempore td est aptissione 
ueque ad annutn quintum Gordiani Arriano ei Papo coneulibus euppleti sunt anni CCXV, 
ab Exodo autem omnes anni i DCCXCIIII, Sie ist also geschrieben im fünften Jahr 
Gordian's vor Ostern 243. 



') Ich benutze hier Mitteilungen meines 
ehemaligen Zuhörers P. Hufmayr, den ich 
zur Untersuchung der Schrift veranlasst 
habe. 

') Vor allem gilt dies von der Berech- 



nung der 70jährigen Gefangenschaft» der 70 
Jahrwochen und in beeenders auffallender 
Weise von der Beschreibung der Herrschaft 
des Antichrist. Vgl. C. F^ick, Chron. min. 
I (Leipz. 1892) p. XXXIII n. 12. 



Thasoina CaeoiliuB Cyprianiia. 339 

Ueber die Methode des Verfassers belehren uns die Eingangsworte (c. 1): Mülto 
quidetn non modieo tempore anxii fuimus et aestuantes tum in 8<iecularibus sed in aanctis 
et divinis seripturis quaerentes invenire, quisnam esset primus dies novi mensis, in pio 
mense praeeeptum est ludaeis in Aegypto pro XIIII luna immolare Pcueha, — vgl. über 
das Schriftchen besonders Da Rossi, Inscr. Chr. ü. R. I p. LXXXI. 

788. Charakteristik Gyprians. Die Bedeutung Cyprians ruht nicht 
in seinen Schriften, sondern in seinem kirchlichen Wirken. Er war keine 
spekulative, sondern eine durchaus praktische Natur, er war kein Genie, 
sondern ein Talent. Sein Ziel lag klar in seiner Seele vor, und er ver- 
folgte dasselbe sein ganzes Leben hindurch mit unbeugsamer Energie. 
Dieses Ziel war aber das Wohl der christlichen Gemeinschaft. In der 
Idee der Kirche lebte und webte dieser bedeutende Mann; und an ihrer 
Organisation hat er redlich mitgearbeitet; die Idee der kirchlichen Ein- 
heit war es, zu der sein Geist siegreich fortschritt. Der kirchliche Poli- 
tiker ist es also, den wir in Cyprian bewundern, nicht der Theologe oder 
der Schriftsteller. Wir staunen über die weise Einsicht, welche ihn von 
allen unerreichbaren Idealen fem hielt und ihn auf den goldenen, schroffen 
Rigorismus wie sträfliche Laxheit in gleicher Weise vermeidenden Mittel- 
weg hinwies. Seine Schriftstellerei dient nur zur Stütze seiner praktischen 
Wirksamkeit. Er schrieb seine Schriften nicht, weil ihn ein Schaffensdrang 
beherrschte, sondern weil er in einer brennenden Frage Propaganda für 
eine Ansicht machen wollte, oder weil er irgend einem bestimmten Zweck zu 
dienen suchte. Wo das mündliche Wort nicht ausreicht, setzt er mit dem 
schriftlichen ein. Seine Schriften haben daher in der Regel die Form des 
Briefs oder die Form des dem Briefe nahestehenden Traktats. Sie lassen sich 
mit unseren Broschüren vergleichen und sind von vornherein für die Publici- 
tät bestimmt; es ist daher dem Bischof auch alles daran gelegen, dass 
seine Schriften gelesen werden, und er lässt es an nichts fehlen, dieses 
Ziel zu erreichen. Fassen wir den Inhalt dieser litterarischen Produkte 
ins Auge, so finden wir, dass sie der Spiegel seines Geistes sind. Sie sind 
durchweg von praktischen Gesichtspunkten durchzogen; keine gährende 
Gedankenwelt wird uns in denselben dargereicht, wir stossen auf kein 
heisses Ringen mit der Form, alles ist durchsichtig. Der Autor ist sich 
völlig klar über das, was er sagen will, und er weiss, wie er es sagen 
muss; er erfasst den Gedanken mit voller Energie und sucht denselben 
in eine gemeinfassliche Form zu bringen; er verweilt daher gern längere 
Zeit bei demselben, er lässt ihn in verschiedenen Beleuchtungen erscheinen, 
er zieht Bilder herbei, er greift zu Allegorien, kurz er versäumt nichts, 
seine Gedankenwelt in die Seele des Lesers einzubohren. Auch warme 
Töne weiss er anzuschlagen, die in den Herzen fortklingen. Seine 
Sprache ist gefällig, blühend, nicht selten wortreich, frei von aller Dunkel- 
heit. Er vereinigt so in sich die Eigenschaften, welche notwendig sind, 
um auf die Massen zu wirken: Leichtverständlichkeit, Eindringlichkeit, 
gefällige Sprache mussten auf die Leserwelt ihre Anziehungskraft ausüben. 
Wie ganz anders Tertullian! Unleugbar steht dieser in geistiger Beziehung 
weit über Cyprian, er ist ein origineUer Denker, allein er weiss nicht 
mit seinen Gedanken sich zur vollen Klarheit durchzuringen, es fehlt ihm 
die Gabe der durchsichtigen, allgemeinverständlichen Rede, es fehlt ihm der 

22* 



340 BömiBohe Litieratnrgesohiohie. II. Die Z«it der Monaroliie. 2. AbteUmig. 

Sinn für die Harmonie und der Sinn fiir die praktischen Bedürfnisse des 
Lebens. Cyprian steht auf den Schultern Tertullians; Hieronymus erzählt 
uns, dass kein Tag verging, ohne dass Cyprian sich seinen Meister, wie er ihn 
nannte, geben liess, um aus ihm Belehrung zu schöpfen. Er benützte ihn 
auch in seinen Schriften, ja manche sind mehr oder weniger ein Abklatsch 
von Tertullianischen ; und diese Schriften erregen unser besonderes Inter- 
esse, weil sie einerseits zeigen, wie die Gedanken Tertullians verständ- 
lich gemacht, andrerseits aber auch, wie sie verflacht werden. Aber ein 
Citat aus Tertullian wird man vergeblich bei Cyprian suchen; er schweigt 
völlig über ihn. Was mag wohl der Grund sein? Für Cyprian ^bt es nur ein 
Buch, dessen Zeugnis angerufen werden darf und muss, es ist das Buch 
der Bücher, die hl. Schrift. Von ihr sind daher seine Schriften durch- 
tränkt; man sieht, es ist der christliche Boden, aus dem die litterarische 
Produktion Cyprians ihre Nahrung zieht. 

Die Sorge Cyprians ffir die Verbreitung seiner Schriften, ep. 82 p. 565,8 
V08 eurate, quantum patestis pro diligentia vestra, ut et scripta nostra et iüorum reseripta 
fratribus nostris innotescant, sed et siqui de peregrinis episeopi collegae mei vel preshyteri 
vel diacanes praeaentes fuerint vel supervenerint, haec amnia de vohis atidiant. et 9% exempla 
epistuUtrum transcribere et ad auos perferre voluerint, faeuUatem transeriptianis aecipiant. 
quamvia et Satyro lect&ri fratri nostro mandaverim, ut singulis desiderantihus deseribenäi 
faciat pateatatem, ut in ecclesiarum statu quoquo modo interim eomponendo servetur ab 
Omnibus una fida consensio. Andere Stellen sind ep. 20, 2; 25; 26; 73 (799, 2); 54 (623, 16). 

Monographien über Cyprians Lehren. Le Pbovost, Aude phüologique et litth^ire 
sur St. Cyprien, Paris 1889; 6. Mobobnstsbn, Cyprian als Philosoph (Inaug.-Diss.), Jena 
1889; J. Petbbs, Die Lehre des hl. Cyprian von der Einheit der Kirche gegenüber den 
beiden Schismen in Karthago und Rom, Luxemb. 1870; J. H. RBnousNs, Die Lehre des hl. 
Cyprian von der Einheit der Kirche, Würzburg 1873; A. Kolbe, Cyprians Lehre von der 
Einheit der Kirche und der Stellung des röm. Bischofs in ihr (Ztsch. für die gesamt Inth. 
Theol. u. £arche, 35 [18741 p. 25); H. Gbisab, Cyprians «Oppositionskonzil* gegen Papst 
Stephan, Ztschr. f. kath. Theol., 5 (1881) p. 193; 0. Ritschl, Cyprian von Kwthago u. 
die Verfassung der Kirche, Gott. 1885; Ders., De epistulis Cgprian, (Diss. inaug.), Halle 
1885; Mbkden, Beitr. z. Gesch. u. z. Lehre der nordafrik. Kirche aus den Briefen des hl. 
Cyprian (Progr.), Bonn 1878 ; P. v. Hoensbbobch, Zur Auffassung Cyprians von der Ketzer- 
taufe, Zeitschrift für kath. Theol., 15 (1891) p. 727; dagegen J. Ebkst ebenda 17 (1893) 
p. 79; GoBTz, Die Busslehre Cyprians, KOnigsb. 1894; MOllbb, Die Bussinstitution in Kar- 
thago unter Cyprian, Zeitschr. f. £archenge8chichte 16 (1895) p. 1 — 44. 

789. Fortleben Gyprians. Schon der Martyrertod reichte hin, um 
Cyprians Andenken wach zu halten, da der Todestag durch eine kirch- 
liche Feier stets in Erinnerung gebracht wurde. Dieser Martyrertod warf 
aber seine Strahlen auch auf seine Schriften. Das Wort des Märtyrers 
hat einen besseren Klang als das Wort irgend eines anderen Sterblichen. 
Allein auch an und für sich besassen die Schriften Cyprians Eigenschaften, 
durch welche denselben ein längeres Fortleben gesichert wurde. Sie wan- 
deln auf der vielbetretenen Strasse der Mittelmässigkeit, sie stellen keine 
hohen Anforderungen an den Leser, sie bewegen sich in praktischen 
Fragen, sie sind salbungsvoll, so dass sie zugleich zur Erbauung dienen, 
sie sind in einem flüssigen und durch rhetorische Mittel gehobenen Stil 
geschrieben. Es kam hinzu, dass sie durch keine Konkurrenz bedroht 
wurden; die lateinische Kirche zählte in der ersten Zeit nur wenige 
Autoren, ihr bedeutendster, TertuUian, hatte durch seinen barocken, 
dunklen Stil, noch mehr aber durch seinen Abfall zum Montanismus 
seine Popularität verscherzt. Autoren, wie Minucius Felix, Amobius 
konnten, als mehr für heidnische Leserkreise bestimmt, gar nicht in Frage 



ThaBoins Caecilina Gyprianiui* 



341 



kommen. So brauchen wir uns daher nicht zu wundem, wenn Gyprian 
bis Augustin der massgebende Schriftsteller der Kirche in la- 
teinischer Zunge geblieben ist. Schon der bald nach Cyprians Tod ver- 
fasste Panegyrikus des Pontius zeigt uns seine wachsende Bedeutung. Wie 
stark aber Cjrprians Ruhm in verhältnismässig kurzer Zeit stieg, beweist 
nichts so schlagend, als das Mommsen'sche Verzeichnis, das die c}rpriani- 
schen Schriften neben die Bibel stellt. Sie gehörten also zur gangbarsten 
christlichen Lektüre. Aber auch eine Reihe von Schriftstellern der lateini- 
schen Kirche vermochte sich dem Einfluss Cyprians nicht zu entziehen. 
Der Dichter Commodian hat cyprianische Werke, besonders aber die 
testimonia ausgiebig benutzt; Lactantius fühlte sich durch die glänzende 
Darstellung Cyprians angezogen,*) dagegen war er nicht recht mit dem 
spezifisch christlichen Charakter der Schriften einverstanden; Lucifer von 
Cagliari benützte, wenn man von einem Citat TertuUians und Lactantius 
absieht, neben der Bibel keinen andern Schriftsteller als Cyprian.*) Der 
spanische Dichter Prudentius flocht dem Cyprian einen Ehrenkranz, indem 
er ihn für die ganze christliche Welt in Anspruch nimmt und ihn „die 
Zierde und den Lehrer des Erdkreises '^ nennt, der fortleben wird, so lange 
es Menschen gibt* (Peristeph. 13). 

Dum genus esse hominum Christus sinet et vigere mundum, 
dum liber ullus erit, dum serinia saera lUterarum, 
te leget omnis amans Christum^ tua, CyprianSy discet, 
Spiritus nie dei, qui fluxerat autor in prophetcts, 
fontihus eloquii te eaelitus actus inrigavit. 

Auch der Zeitgenosse des Prudentius Pacianus von Barcelona beruft 
sich in seinem Briefwechsel mit dem Novatianer Sympronianus auf Cyp- 
rian; ja selbst der Oegner sucht sich auf Cyprian zu stützen; man sieht, 
Cyprian wird Autorität für die Feststellung der Glaubenslehre; Ambrosius 
hatte keinen Anlass auf Cyprian einzugehen, sein jüngerer Zeitgenosse 
dagegen, Hieronymus, verrät eine sehr eingehende Bekanntschaft mit dem 
afrikanischen Bischof, auch überliefert er uns manche Notizen über den- 
selben. Eine grosse Rolle spielte Cyprian in den donatistischen Streitig- 
keiten. Die Donatisten erkannten die Gültigkeit der Ketzertaufe nicht an; 
sie konnten sich auf Cyprian und auf das bekannte Konzil berufen. Allein 
Augustin trat, so gut es gehen wollte, als Verteidiger Cyprians auf; seine 
gewichtige Stimme erhielt ihm den Ruhm eines orthodoxen Kirchenlehrers, 
allein Cyprians Gestirn begann doch zu erbleichen; in Augustin war ein neues, 
viel heller leuchtendes in der Kirche aufgegangen; neue Probleme waren 
formuliert, neue Lösungen versucht worden, für diese veränderten geisti- 
gen Regungen reichte die Kraft der cyprianischen Schriften nicht mehr 
aus. Doch zählt Cyprian stets zu den Zeugen der reinen Glaubenslehre 
im Abendlande.') Im Orient sind selbstverständlich seine Spuren bei wei- 
tem geringer, doch ist er auch hier nicht ganz ohne Einwirkung geblieben. 
Eusebius beschäftigt sich mit unserem Kirchenvater.^) Wir sehen aus 
seinen Angaben, dass manche Briefe Cyprians auch in den Orient gelang- 



») div, inst. V 1 und V 4. 

*) Götz, Gesch. der cypr. Litt. p. 49. 

') Vgl. das sogenannte Deeretum Oela- 



sianum de Itbris reeipiendis et non re- 
cijnendis. 

*) Mst. eccl VI 43 VII 8. 



842 BömlBohe Lüteraturgeschioliie. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

ten. Auf dem Konzil von Ephesus wurden Aussagen Cypriaps als eines 
Zeugen der Wahrheit angerufen. Selbst in das griechische und in das 
syrische Eirchenrecht ist manches von Cyprian eingedrungen. Übrigens 
trübt sich vielfach das Bild Cyprians im Orient, da seine Persönlichkeit 
mit der des Magiers Cyprian von Antiochien zusammenfliesst. ^) 

Eine richtigere Würdigung Cyprians hat die Neuzeit gewonnen, 
indem sie die Bedeutung desselben in seiner praktischen Wirksamkeit 
richtig erkannt hat. Die Idee der kirchlichen Einheit und die damit im 
Zusammenhang stehende Auffassung des Episkopats ist zu einem nicht 
geringen Teil sein Werk. 

Das Material liefert in reicher Weise Harnaok, Gesohichte der altchristL Litterator 
1, 701. Eine Bearbeitung des Materials gibt E. Götz, Geschiebte der cyprianiacben lit 
teratur bis zu der Zeit der ersten erhaltenen Handschriften, Basel 1891 (Marburger Disser- 
tation). 

Die handschriftliche Ueberlieferung Cyprians ist eine sehr umfangreiche. 
Wir können hier nur eine kurze üebersicht geben. Für die Traktate hat Habtisl benutzt 
Seguerianua-Parisinua 10592 s. VI/ VIT (teilweise verstammelt) ; Taurinensis s. VI, Aurdia- 
nensia 131 {olim Floriacerms) s. VII ; den verschollenen VeronenH», über dessen Lesarten 
wir aber unterrichtet sind (vgl. Habtel p. X); von den jüngeren Codices zog Habtzl be- 
sonders in Betracht den Wircehurgensis theoL 145 s. VIII/IX; den Sangaüenais s. IX, den 
Parisiniis 13047 (olim Sangermanensia 841) und (für die testimonia) den Sesaorianus 58 
s. VIII/IX. Für die Briefe ist der älteste und wichtigste Codex der Bobienais s. Yf, von 
dem ein Teil in Turin, ein Teil in Mailand ist; ausserdem wurden von Habtel drei Fa- 
milien in den Vordergrund gestellt: a) Laureshamenais-Vindobonenaia 962 s. IX; Casinaa 204 
s. X ; Parisinus 1647 A s. IX/X; b) Monaeefma 208 s. IX ; Trecensis 581 s. VIII/IX; Reginensia 
118 s. X; c) Reginensia 116 s. IX ; Corbeienaia 720 = Pariainua 12126 s. IX. Vgl. Miodonski, 
Diaaert, claaa, philol. cuiod, lit. Cracov, t, XVI p. 393 ff. — P. Cobssxv, Der cyprian. Text der 
ctcta apoatolorum (Progr.) Berlin 1892; J. Wordswobth, Old latin biblicid texte No. II, 
Oxford 1886; M. Mamitius, Zu Cyprian, Zeitschr. f. Osterr. Gymn., Bd. XXXIX (1888). 

Ins Griechische wurden übersetzt die aententiae epiaeaporum, sowie die Briefe Cyprians 
an Quintus u. Fidus (71, 64); aus dem Griechischen ins Syrische im Jahr 687; vgl. F. de 
Laoarde, Reliquicte iuria eccleauiatici antiquiaaimae graece 1856 p. 37 und Reliquiae iur. 
ecclea. antiq, ayriace 1856 p. 62; Martin in Pitra, ÄnaJ. acicra T. IV. 

Ausgaben Cyprians. Vgl. Habtel III p. LXX. Die editio princepa ist eine 
Romana vom Jahre 1471, besorgt von Joannea Andreaa epiacopua AletHenaia, der dann 
andere folgten. Die Emendation des Schriftstellers auf Grund handschriftlichen Materials 
nahm Erasmus in Angriff in der Basler Ausgabe vom Jahre 1520. Einen Fortschritt 
in der Emendation begründete die Ausgabe, welche bei Paulus Mannt ins in Rom 1563 
erschien. Auf einer neuen handschriftlichen Grundlage ruht die editio Moreliana (Paris 
1564). Einen Rückschritt machte die editio Pameliana (Antwerpen 1568). Vor- 
trefflich ist wieder die Ausgabe des Nie. Rigaltius vom Jahre 1648. Weiter 
ist zu nennen die Oxforder Ausgabe vom Jahre 1682, deren Heransgeber Fell und 
Pearson waren. Nicht zu Ende kam mit seiner Ausgabe St. Baluzius, der viel hand- 
schriftliches Material gesammelt hatte; sie vollendete nach dem Tod des Balnzios 
(1718) Prud. Maranus. Von den folgenden Editoren verdient Erwähnung nur Kra- 
binger, der einzelne Schriften Cyprians herausgab. Tüb. 1853. 1859. Die massgebende 
Ausgabe ist jetzt die von W. Habtel in Corpua acript. ecclea. latin. vol. III (Wien 1871). Es 
sind 3 Teile, I enthält die Traktate; II die Briefe; III die Apokryphen, die Indices und die 
umfangreiche Praefatio. (Zu vgl. die eingehende Recension von r. de Lagabdb, abgedr. in 
den Symmicta, GOtting. 1877 p. 65). — De cath. ecclea. unitate ed. Hydb, Buckingiton 1853. 

Uebersetzungen. Auserlesene Schriften Cyprians von Ebabingbb Augsb. 1848 
und von Uhl n. A. in der Bibl. der Kirchenväter, 2 Bde. 1869—79. 

5. Novatianus. 
740. Biographisches. Unter dem römischen Klerus war zur Zeit Cyp- 
rians ohne Zweifel Novatian die bedeutendste Erscheinung. Selbst sein Oegner 



') Zahn, Cyprian von Antiochien, Erlangen 1882. 



Novaüanna. 343 

Gyprian muss ihm eine hohe philosophische und rhetorische Bildung zuer- 
kennen, und das Wenige, das von ihm erhalten ist, bestätigt vollkommen 
dieses Urteil ; besonders lassen die zwei Briefe, die er im Namen des römischen 
Klerus an Gyprian richtete, den feingebildeten Mann erkennen. Seine Be- 
deutung scheinen auch die massgebenden kirchlichen Kreise Roms frühzeitig 
erkannt zu haben; denn obwohl er nur die klinische Taufe erhalten, wurde 
er doch zum Presbyter ordiniert, also zu seinen Gunsten von dem Herkom- 
men abgewichen. Eine Christenverfolgung veranlasste ihn zur Flucht, doch 
auch in seinem freiwilligen Exil hielt er die Beziehungen mit Rom auf- 
recht und richtete Schreiben gegen die Juden dahin; eines derselben, über 
die jüdischen Speiseverbote {de cibia ludaicis), ist uns erhalten; in 
demselben fällt die gewinnende und einschmeichelnde Art, mit der er sich 
zu den Adressaten in Beziehung setzt, auf. Wir erkennen leicht den ehr- 
geizigen Mann, der sich einen Anhang zu verschaffen sucht. Diesen An- 
hang muss er auch gewonnen haben ; denn als nach der bekannten Sedis- 
vakanz des Jahres 251 Cornelius zum Bischof der römischen Gemeinde 
erwählt worden war, machte er diesem den Bischofsstuhl streitig und 
liess sich durch drei Bischöfe Italiens weihen. Damit war Novatianus 
Schismatiker geworden. Das Schisma erschütterte die Kirche nicht wenig, 
und Cornelius konnte nur mit Mühe seine allgemeine Anerkennung 
durchsetzen. Die Trennung war noch dadurch kompliziert, dass auch 
eine dogmatische Frage, die Wiederaufnahme der GefaUenen in die Ge- 
meinschaft der Gemeinde, hereinspielte. Es ist sehr wahrscheinlich, dass 
Novatian, um seiner Trennung von der Kirche ein glänzenderes Relief zu 
geben, in dieser Streitfrage sich im Gegensatz zu früheren Anschauungen 
auf die Seite der Rigoristen stellte ; er erschien jetzt als der sittenstrenge, 
an der alten Disziplin festhaltende Bischof gegenüber dem laxen Cornelius. 
Und das mag der Grund gewesen sein, dass sogar ruhmreiche und 
standhafte Bekenner auf seiner Seite standen. Auch hatte ein von Cyp- 
rian exkommunizierter Presbyter Novatus mit Novatian gemeinsame Sache 
gemacht und selbst eine Schwenkung zum Rigorismus in der Frage der 
lapsi nicht gescheut. An gegenseitigen Beschimpfungen fehlte es natürlich 
in dem Kampfe nicht; die Gegner warfen sich die schlimmsten Vergehen 
vor. Allein der Kampf endete mit dem Siege des Cornelius, auch hier 
hatte sich gezeigt, dass die Mittelstrasse, welche die Kirche so oft ein- 
geschlagen, in der That die goldene Strasse war. Eine Kirche der Hei- 
ligen zu schaffen, erwies sich als eine Unmöglichkeit, mochte Novatian 
noch so sehr auf das Evangelium hinweisen. Die Kämpfe gegen die No- 
vatianer können noch längere Zeit hindurch verfolgt werden. Wir haben 
in der cyprianischen Sammlung einen Traktat gegen die Novatianer (§ 732), 
der die Frage der lapai behandelt; Reticius, Bischof von Autun, zur Zeit 
Constantins schrieb ein grosses Werk gegen die Schismatiker; der Erlass 
Constantins gegen die Ketzer führt auch die Novatianer auf; Pacianus, 
der unter Theodosius starb, schrieb contra Novatianos; es sind dies drei 
Briefe an den Novatianer Sympronianus. 

üeber die philosophische und rhetorische Bildung des Novatian vgl. 
Cyprian ep. 55, 24 j<ictet se licet {Novatianus) et philasophiam vel eloquentiam suam auperbie 



344 BOsuBohe LitieratnrgeBchiohie. II. Die Zeit der Konarohie. 2. Abieilnng. 

voribus praedicet. Die stoische Philosophie war es, die ihm die Syllogistik lehrte. Darauf 
spielt Cypr. 55, 16 an: alia est philosopharum et Staicortitn ratio, qui dicutU omnia pec- 
cata paria esse et virum gravem non facile flecti apartere. Vgl. Wochenschr. f. kl. Philo!. 
1894, 1030. 

lieber seine hohe Wertschätzung der hl. Schrift vgl. Cyprian 44, 3 {No- 
vatianu9 eiusque ctsaeclae) se adsertares evangelii et Christi esse canfitentur; 46, 2. 

Das Zeugnis des Hieronymus über die Schriftstellerei Novatians lautet 
{de vir. inlustr, 70): Navatiantts, Ramanae urbis presbyter, adversus Comelium caihedram 
sacerdotalem canatus invadere, Navatianarum quod Graece dicitur xa^a^v dogma can- 
stituit nalens apastatas suscipere paenitentes . Huius auctar Navatus Cypriani presbyter 
fuit , Seripsit autem 

1. de pascha, Hamack regt die Frage an, ob nicht der pseudoc^rianische, im 
Jahre 242/43 geschriebene Traktat de pascha camputua mit dieser Schrift identisch ist 
(Geschichte der altchristl. Lit. 1, 653); 

2. de sabbata; 

3. de circumcisiane. Ueber das Ziel der beiden Schriften handeltNovatian de eih, 
iud, c. 1 : duabtis epistalis superiaribtis, ut arbiträr, plene astendi, in quibus probatum est 
prarsus ignorare illos quae sit vera cireutncisio et quid verum Sabbatum; unter Hieronymus' 
Namen läuft eine ep. de vera circumcisiane um (Mignb T. XXX 188); allein dieselbe kann 
nicht die novatianische sein (Habnaok 1. c. p. 653); 

4. de sacerdote; 

5. de oratiane; (vgl. Bebnoülli, Der Schriftstellerkatalog des Hieron., Freib. 
1895 p.43); 

6. de cibis ludaicis ist uns erhalten; 

7. de instantia (vgl. Caspari, Quellen, III p. 428 n. 284); 

8. de Attala muUaque alia et 

9. de trinitate grande valumen, quasi htitofAijv aperis TertulUani faciens, quod 
plurimi nescientes Cypriani aestimant. 

Dazu kommen 

10. Briefe. Es sind uns davon zwei in der cyprianischen Sammlung erhalten (ep. 
30 und 36). Andere sind verloren gegangen (Hieron. ep. 10, 3 verlangt epistulas Na- 
vatiani, ut dum schismatici hominis venena cagnoscimus, lütentius sancti martyris Cypriani 
bibamus antidatum; vgl. femer 36, 1). 

Litteratur: Ueber Novatian vgl. den Artikel Habnaoks in der Theol. Realencykl. 
von Hebzog X 652. — Ausgabe von J. Jackson Lond. 1728; Mignb, Fatrolag. curs. campL 
3, Paris 1844 p. 885. 

741. Zwei Briefe NovatianB. In der cypriamschen Briefsammlung 
finden sich einige Briefe, welche während der Verwaisung des römischen 
Stuhls nach dem Tode Fabians im Jahre 250 vom römischen Klerus an 
Gyprian gerichtet wurden. Von denselben erregen unsere Aufmerksamkeit 
durch die Yortrefflichkeit der Darstellung besonders die Briefe nr. 30 und 
nr. 86. Wir geben eine kurze Analyse dieser Briefe. Der erste Brief 
nimmt den Eingang von dem Qedanken her, dass, obwohl ein gutes Ge- 
wissen in allen Handlungen das Entscheidende bleiben muss, doch auch 
der Beifall von selten der Brüder Gegenstand unserer Wünsche werden 
kann. Dieser allgemeine Gedanke findet seine Anwendung auf Gyprian, 
der in der Streitfrage über die lapsi sich der Übereinstimmung und Mit- 
wirkung des römischen Klerus versichern wollte. Das Schreiben betont 
dann die Notwendigkeit einer strengen Zucht, wie sie von Anfang an in 
der Kirche bestanden, und geht dann auf die Art und Weise, wie die Buss- 
disziplin gegen die verschiedenen Arten der Gefallenen ausgeübt wird, 
näher ein; es werden auch die verurteilt, welche sich noch einen gewissen 
Schein der Glaubenstreue wahren wollen ; mit besonderem Nachdruck wird 
aber die Notwendigkeit der Reue bei den Gefallenen und die Notwendig- 
keit der strengen Zucht von selten der Kirche hervorgehoben. Auch die 
Bekenner geben, wie ihr Schreiben zeigt, denselben sittlichen Ernst in der 
Frage kund. Der Brief spricht dann in wärmsten Worten Gyprian den 



KovatianuB. 345 

Dank für die den eingekerkerten Christen gewidmete grosse Sorgfalt aus 
und kehrt wieder zum Thema zurück; er teilt mit, dass die Römer in 
der gleichen Sache nach Sizilien geschrieben haben. Eine definitive Ent- 
scheidung der Frage, fahrt das Schreiben fort, ist zwar jetzt, solange der 
römische Bischofssitz verwaist ist, nicht möglich ; ist der Friede der Kirche 
wiedergegeben, so soll die Entscheidung in einer Versammlung aller Treu- 
gebliebenen getroffen werden. Den Gefallenen wird inzwischen Oeduld, Ab- 
lassen von allem Drängen, Bescheidenheit, Einkehr in sich selbst empfohlen. 
Sie sollen um Aufnahme in die Kirchengemeinschaft bitten, aber in aller 
Demut, sie sollen eingedenk sein, dass der Herr die Gnade, aber zugleich 
die Strafe in seinen Händen hat, dass er nicht bloss den Himmel, sondern 
auch die Hölle bereit hält. Vor der Einsetzung des neuen Bischofs will 
der römische Klerus keine Entscheidung bezüglich der Gefallenen treffen, 
nur denen, die sich in Todesgefahr befinden, soll, im FaU sie aufrichtige 
Reue zeigen, geholfen werden. 

Auch der 36. Brief betrifft wieder die Sache der Gefallenen und ist 
eine Antwort auf einen Bericht Cyprians, der uns im 35. Briefe vorliegt. 
Die Gefallenen waren nämlich anmassend aufgetreten und behaupteten, sie 
hätten alle bereits durch den Märtyrer Paulus den Frieden erhalten; sie 
brauchten also eigentlich gar nicht um denselben zu bitten. Cyprian ist aber, 
wie er schreibt, angesichts dieses Vorgehens der Gefallenen entschlossen, die 
Strenge des Evangeliums in Anwendung zu bringen. Die von Novatian 
verfasste Antwort des römischen Klerus billigt vollkommen das Verfahren 
Cyprians in der Streitfrage und tadelt scharf das ungestüme, anmassende 
Wesen der Gefallenen. Schon in der Thatsache, dass sie um den Frieden 
nachsuchen, liegt, wie das Schreiben dialektisch entwickelt, die Notwen- 
digkeit, sich der Entscheidung der massgebenden Organe zu fügen. Wenn 
die lapsi weiterhin die Autorität der Märtyrer in Gegensatz zu dem Evan- 
gelium stellen, so ergeben sich daraus die gefahrlichsten Konsequenzen; 
das Martyrium ruht ja auf dem Festhalten am Evangelium. Die Römer 
halten es geradezu für undenkbar, dass die Märtyrer, welche ihr Leben 
Hessen, um nicht opfern zu müssen, die Gefallenen, welche zum Götzen- 
opfer sich herbeigelassen, jetzt unterstützen; eine Bestätigung dieser An- 
sicht liege darin, dass die lapsi sich jetzt an die Bischöfe wenden. Auch 
in diesem Schreiben betrachtet der römische Klerus als erste Pflicht für 
die lapsi, ernstlich Busse zu thun, und er rät daher Cyprian an, eine zu- 
wartende Haltung einzunehmen; zugleich sprechen die Römer ihre Über- 
zeugung aus, dass die lapsi durch fremde Einflüsterungen zu ihrer Unbot- 
mässigkeit verleitet wurden und spenden zugleich ein warmes Lob der kartha- 
gischen Kirche. Zuletzt wird noch eines Privatus aus Lambaesis gedacht, über 
den Cyprian in einem nicht mehr erhaltenen Schreiben berichtet hatte. 
In der Differenz, die zwischen diesem Manne und Cyprian sich gebildet, 
stellte sich Rom auf seite des karthagischen Bischofs und teilte mit, dass 
es einem Sendling des Privatus, mit Namen Futurus, der den römischen 
Klerus zu einer schriftlichen Kundgebung veranlassen wollte, kein Gehör 
geschenkt habe. 

Die Autorschaft der beiden Briefe. Dass der 30. Brief von Novatian ver- 



346 ftömisohe litteratargOBohichte. U* Pio Zeit der Monarchie. 2. Abteilung, 

fasst ist, bezeugt uns Cypriau selbst, ep. 55, 5 fübrt er aus unserem Brief folgende Stelle 
an (c. 5 p. 553 B.): quamquam nobis in tarn ingenti negotio placecU, quod et tu ipse tractastij 
prius esse ecclesiae pacem sustinendatn, deinde sie canlatiane consüiarum cum episcapis, 
presbyteris, diaconis, confessoribus pariter ae stantibus laicis facta lapsorum tractare 
rationem und fügt dann bei: additum est etiam Novatiano tune seribente et quod 
scripserat sua voce recitante et presbytero Moyse tunc adhuc confessore, nunc iam 
martyre subscribente, ut lapsis infirmis et in exüu constitutis pax daretur . Quae Utterae 
per totum mundum missae sunt et in notitiam eeclesiis omnibus et unipersis fratribus 
perlatae. Den Brief kennt auch das Mommsen'sche Verzeichnis. 

Für den 36. Brief steht uns kein äusseres Zeugois zur Verfügung. Allein innere 
Gründe sprechen durchaus für Novatian als Verfasser. Vgl. Habnaok in den Theol. Abb. 
zu Ehren Weizsäckers (Freiburg 1892) p. 17; es ist derselbe Geist und derselbe Stil wie 
in Brief 30. 

742. De trinitate. Die Werke der Ketzer standen unter einem 
schlimmen Zeichen. Die Lektüre derselben war in den Augen der Recht- 
gläubigen schädlich. Was Wunder daher, wenn man sie zu vernichten 
suchte? Die meisten dieser Werke sind daher untergegangen« nur wenige 
haben sich erhalten, gedeckt durch einen einwandfreien Namen. Auch 
an der Schrift Novatians über die Trinität lernen wir das Schicksal 
der Eetzerschriften kennen. Die Macedonianer in Eonstantinopel hatten 
ein Interesse daran, die Schrift Novatians zu verbreiten. Was thaten sie 
also? Sie veranstalteten eine Neuausgabe der Briefe Cyprians zu einem 
ausnehmend billigen Preis und schmuggelten den Traktat in den Band ein. 
Der gut klingende Name Gyprian deckte die anstössige Schrift. Die Aus- 
gabe fand grosse Verbreitung. Da kamen einige Rechtgläubige hinter 
die Sache; sie deckten den Betrug auf und suchten, soviel es in ihren 
Kräften lag, das geschehene Unheil wieder gut zu machen. Rufinus, 
der uns diese Geschichte erzählt, glaubt, TertuUian sei der Verfasser. 
Dass auch Tertullian als Montanist nicht zur orthodoxen Gemeinde gehört, 
ist bekannt. Dieser Autorschaft des Tertullian tritt aber Hieronymus 
scharf entgegen; für ihn ist nicht zweifelhaft, dass der Verfasser des 
Traktats Novatian ist; er kannte Handschriften, in denen der Traktat dem 
Novatian beigelegt war; zu diesem objektiven Zeugnis gesellt sich auch 
noch ein subjektives, Stil und Komposition. Und wir müssen dem Kirchen- 
vater Recht geben, obwohl es auch in neuerer Zeit nicht an einem Ver- 
such gefehlt hat, die Abhandlung dem Novatian abzusprechen. 

Die Abhandlung führt den Titel de trinitate; allein es ist zu be- 
achten, dass dieser Ausdruck in der Schrift selbst nicht vorkommt. Wir 
haben gleich von vornherein die Vorstellung fem zu. halten, als sei uns 
in dem Traktat eine Trinitätslehre, wie sie uns heute aus dem Religions- 
unterricht geläufig ist, gegeben; das ist schon darum nicht möglich, weil diese 
Lehre damals noch nicht völlig ausgebildet war. Man sieht dies ganz 
besonders aus dem, was Novatian über den hl. Geist sagt; es fehlen hier 
die späteren subtilen Distinktionen, er beschränkt sich lediglich auf eine 
Darstellung der Wirksamkeit des hl. Geistes. Die Untersuchung geht 
daher besonders auf das Wesen des Vaters und des Sohnes und auf 
ihr Verhältnis ein. Die Schrift nimmt die regula fidei zur Grundlage und 
teilt den Stoff in vier Teile. Im ersten Teil (c. 1 — 8) handelt sie von 
Gott, dem Vater, dem allmächtigen Gott; im zweiten (der Hauptpartie, 
c. 9—28) von Christus; im dritten (c. 29) von der Wirksamkeit des 



NoYatianos. 



347 



hl. Geistes; endlich im vierten Teil sucht sie die Einheit Gottes trotz der 
Unterscheidung der göttlichen Personen nachzuweisen. Das Merkwürdige 
an der Darstellung ist, dass sie fast durchweg syllogistisch gehalten 
ist. Wir sehen daraus, dass auch die Gegner mit Schlussfolgerungen 
operierten.^) Diese Gegner, die durch Schlüsse ad absurdum geführt werden 
mussten, bildeten zwei Klassen, einmal diejenigen, welche Christus als Mensch 
betrachteten, dann diejenigen, welche Christus mit Gott Vater identisch 
erachteten und demnach sagten, dass in Christus Gottvater gelitten.^) Die 
Schwierigkeit der Frage lag darin, die Einheit trotz der Göttlichkeit 
der beiden Personen aufrecht zu halten. Nach dem Urteil eines ange- 
sehenen Fachmanns^) ist die Bedeutung der Schrift eine sehr grosse; als 
die bleibende Errungenschaft sieht derselbe die Thatsache an, dass „die un- 
mittelbare religiöse Überzeugung und der traditionalistische Symbolglaube 
formelhafte Distinktionen anzuwenden gelernt hatten **. Dass Novatian an 
der denselben Stoff behandelnden Schrift Tertullians adversus Praxeam nicht 
vorübergehen konnte, ist selbstverständlich. Auch dies hat Hieronymus 
bereits gesehen, nur hat er darin geirrt, dass er unseren Traktat als einen 
Auszug^) aus TertuUian bezeichnet. Dies ist er nicht, Novatian benützt 
Tertullian, aber mit Wahrung der vollen Selbständigkeit. 

Die Autorschaft. Hieron. de vir inluatr, 70 scripsU — de trinitate grande 
Totumen quasi imrofiijy operis TerttUliani faciens quod plurimi nescientes Cypriani aesH- 
tnant. Ruf. de adulter. libror. Orig. 25, 395 ed. Lomin. Sancti Cypriani martyris solet 
omne epistularum corpus in uno eodice seribi . huic corpori haeretici quidam^ qui in spiritum 
sanctum blasphemant, TertuUiani libellum De trinitate reprehenstbiliter [quantum ad veri- 
tatem fldei nastrae pertinet) scriptum inserentes et quam plurimum Codices de talilms ex- 
emplaribus conscribentes per totam Constantinopolin urbem maximam distrahi pretio viliori 
fecerunt, ut exiguüate pretii homines inlecti ignotos et latentes dolos facüius compararent, 
quo per hoc invenirent haeretici perfidiae suae fidem tanti viri auctorUate conquirere . Äc- 
cidü tamen, ut recenii adhuc facto quidam ex nostris frairibus catholicis inventi admissi 
sceleris commenta retegerent, et ex parte aliqua si quos possent, ab erroris huius laqueis 
revocarent. Quam plurimis tamen in Ulis partibus sanctum martyrem Cyprianum huius 
fidei, quae a Tertulliano non rede scripta est, fuisse persuasum est, Hieron. contra Ruf. 
U 19 transit {seil. Rufinus) ad inclytum martyrem Cyprianum et dicit TertuUiani librum, 
cui tUulus est De trinitate, sub nomine eius Constantinopdli a Macedonianae partis hae- 
reticis lectitari. In quo crimine mentitur duo; nam nee TertuUiani Über est nee Cypriani 
dicitur; sed Novatiani, cuius et inscribitur titulo et auctoris eloquium stili proprietas de- 
monstrat. Von neueren Gelehrten spricht die Schrift Novatian ab HAOEXAVif in seinem 
grOndlichen und gelehrten Werk „Die römische Kirche, IVeiburg 1864, p. 401*. und ver- 
setzt sie in die Zeiten des Kampfes zwischen Hippolytus und der römischen Kirche. «Wir 
haben in ihr eine Streitschrift, welche damals zu Gunsten des Hippolytus von einem seiner 
Anhänger verfasst worden ist*, die Zeit der Abfassung bestimmt er noch genauer. Ge- 
schrieben wurde unsere Abhandlung etwa um die Zeit, „wo SabeUius entweder nahe daran 
war, aus der Kirche ausgeschlossen zu werden, oder wo dieses eben geschehen war*, 
lieber den unbekannten Verfasser äussert er sich also (p. 406): „Der Verfasser war, wie 
die durchaus logische, schulmässige Haltung seiner Schnft bekundet, ein litterarisch ge- 
bildeter, mit der damaligen Philosophie vertrauter oder wenigstens in dem Formalismus 
der damaligen Schullogik gewandter Mann*. Alsdann konstatiert Hagemann des Autors 
AbhAngigkeit von Irenaeus und meint darnach, „dass wir entweder einen unmittelbaren 
Schüler des BischoÜB von Lyon oder doch einen Schriftsteller vor uns haben, welcher sich 



') Ueber die Schullogik im Dogma vgl. 
das lehrreiche Kapitel bei Hagbxavn, Die 
TÖm. Kirche p. 845. 

') c. XXX (p. 946 M.) cum animadver^ 
terent (haeretici) scriptum esse quod unus 
sit deus, non aliter putaverunt istam teuere 
se passe sententiam, nisi aut hominem tantum 



Christum, aut certe Deum Patrem pUtarent 
esse credendum; die letzteren sind die sog. 
Patripassianer. 

*) LooFS, Leitf. der Dogmengeschichte, 
Halle 1889, p. 51. 

^) Freilicn sagt er einschrftnkend quasi 
iTttJOfiijy» 



g48 BOmiflohe Litteratorgeaohiohie. n. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 



nach ihm gebildet hatte' (p. 406). Allein die BeweisfQhrang Hagemanns ist nicht durch- 
schlagend. 

748. De cibis ludaicis (gegen das jüdische Speisenverbot). Mit 

Komplimenten für die Adressaten, die fest zum Evangelium halten und 
eigentlich keiner Aufmunterung bedürfen, leitet Novatian seine Abhand- 
lung ein, welche sich als Glied einer gegen das Judentum gerichteten 
Schriftenserie einführt. Schon vorher hatte der Verfasser zwei Briefe ge- 
echrieben, einen über die wahre Beschneidung und einen zweiten über 
den wahren Sabbat. Jetzt lässt er einen dritten Brief folgen über die 
jüdischen Speisen. Die zwei ersten Briefe sind uns nicht erhalten; 
allein über die Tendenz derselben kann kein Zweifel sein; es ist dieselbe 
wie in unserem noch vorhandenen dritten Brief, die jüdischen (Gebote und 
Einrichtungen werden umgedeutet und geistig erklärt. So stellt daher 
gleich unser Brief als Grundlage der ganzen Betrachtung das Wort des 
Paulus hin (Rom. 7, m): „Wir wissen, dass das Gesetz geistig (spirüalis) ist*, 
und Novatian spielt sofort seinen Haupteinwand gegen die jüdischen Speise- 
verbote aus: Es ist unmöglich, dass Gott, der Schöpfer aller Tiere, manche 
für unrein von Haus aus hält und demgemäss über seine eigene Schöpfung 
den Stab bricht. Alsdann führt er die verschiedenen Stufen der mensch- 
lichen Ernährung, wie sie sich nach dem göttlichen Ratschluss entwickelt 
haben, seinen Adressaten vor. Die erste Speise des Menschen waren die 
Baumfrüchte, im aufrechten Zustand konnte er dieselben abnehmen. Die 
Sünde führte zur Nahrung aus den Früchten der Erde, die jetzt der 
Mensch gebückt gewinnen musste. Endlich die grössere über die ganze 
Erde sich ausdehnende Bevölkerung brauchte eine stärkere Kost, es kam 
die Fleischesnahrung. Das Gesetz machte aber in Bezug auf dieselbe 
Unterschiede, indem es reine und unreine Tiere auseinanderhielt und den 
Genuss der letzteren untersagte. Damit ist die Untersuchung zum eigent- 
lichen Kern vorgedrungen. Es handelt sich für den Verfasser darum, den 
angegebenen Unterschied als einen nicht in den Geschöpfen selbst liegenden 
zu erweisen, denn sonst müsste man, wie er bereits im Eingang bemerkt, 
den Schöpfer mit sich in Widerspruch bringen ; denn dieser sagte ja, nach- 
dem er mit der Schöpfung fertig war, dass alles sehr gut sei; auch hat 
er durch das Gebot der Aufnahme aller Tierarten in die Arche kundge- 
geben, dass er sie alle erhalten wissen wollte, demnach sie für gut hielt. Also 
kann das Fleisch der Tiere nicht an und für sich unrein sein. Die Sache 
verhält sich vielmehr so, dass mit den unreinen Tieren bildlich gewisse Un- 
reinheiten von Menschen, d. h. gewisse Sünden und Laster getroffen werden 
sollen. Im unreinen Schwein verurteilt das Gesetz das unreine, dem sinn- 
lichen Genuss hingegebene Leben der Menschen, im unreinen Hasen das 
weibische Wesen der Männer, in dem Habicht die Habsucht u. s. w. >) Bei 
den Tieren sind diese Eigenschaften nicht sündhaft, weil sie ihnen von 
Natur mitgegeben sind, beim Menschen sind sie Ergebnis des bösen Willens, 



') Solche Deatongen der Speisegesetze 
finden sich schon im Bamabasbrief c. 10. 
Allein ein Vergleich derselben mit den no- 
vatianischen ergibt, dass jene dem lateini- 



schen Autor nicht bekannt waren. Man kann 
daraus weiter auf die Unbekanntschaft No- 
vatians mit dem Bamabasbrief fiberhaapt 
schliessen. 



Crommodianna. 



349 



r, 



daher Sünde. Also um die Menschen rein zu machen, werden die Tiere 
unrein gemacht. Weiterhin erfolgte jene Unterscheidung auch zu dem 
höheren Zweck, um das israelitische Volk zur Massigkeit zu erziehen. 
Die Zeit für die Speiseverbote ist vorbei, weil sich die Zeit des Ge- 
setzes erfüllt hat; durch eine grosse Reihe von Schriftstellen wird er- 
wiesen, dass es, seit Christus erschienen ist, auf den inneren, nicht auf 
den äusseren Menschen ankommt. Aber die Aufhebung jener lästigen 
Speiseverbote gibt uns noch nicht das Recht, uns der Völlerei hinzugeben; 
scharf geisselt Novatian die, welche, obwohl Christen, hier ein schlimmes 
Beispiel geben.') Selbstverständlich ist auch das Opferfleisch für die 
Christen durchaus verpönt. 

Die Gliederung der Schrift deutet der Verfasser am Schluss mit den Worten 
an: quorum eibarum ratione perspeeta et consilio legis conaidercUo et Evangelicae gra» 
tiae beneficio cognito et temperantiae rigare servato et simidacris immoUUorum inquina^ 
mento reptUso regulam veritatis per omnia custodientes Deo gratiaa agere debemus etc. 

Die üeberliefernng der Schriften de trinitate et de cibis iudaicis. 
Heide Schriften sind handschriftlich nicht mehr nachzuweisen. Da der Traktat unter dem 
Namen Tertullians kursierte, sind wir auf folgende Tertullianausgaben beschränkt: 1. die 
editio PariHensis 1545, 2. die Basler Ausgabe 1550, 3. die Ausgabe des Pamelius Ant- 
werpen 1579. 

Wie wir oben gesehen haben, werden noch die Schriften de apectacuUs (§ 729 
. 331) und de bona pudicitiae (§ 730 p. 332) von Weyman, quod idola dii non sint 
9 720 p. 320) von Haussleiter, de laude mart, (§ 731 p. 333) von Hamack dem Novatian 
zugewiesen. 

6. Commodianus. 
744. Persönliches. Der älteste der erhaltenen lateinischen christ- 
lichen Dichter ist Commodianus. Die Nachrichten über ihn fliessen aber 
sehr spärlich. Hieronymus schweigt über ihn in seinem Buch de viris 
inlustribus. Sein Fortsetzer dagegen widmet dem Commodian einen Artikel, 
ans dem wir aber auch nichts Erhebliches lernen. Ja, der Schriftsteller 
ist so wenig über ihn unterrichtet, dass er ihn zu einem Nachahmer des 
später lebenden Lactantius machte. So ist denn die einzige Quelle, aus 
der wir schöpfen können, Commodian selbst. Allein auch aus ihm ge- 
winnen wir nicht besonders viel. Am schärfsten hebt er in seinen beiden 
Gedichten hervor, dass er früher Heide war und erst durch die Lektüre 
der hl. Schrift für das Christentum gewonnen wurde. Er wollte durch 
dieses Selbstbekenntnis Eindruck auf die Heiden machen und seinen Lehren 
ein grösseres Gewicht geben. Seine Heimat ist nicht sicher bestimmbar. 
Das letzte Gedicht der instructiones trägt die Überschrift „nomen Gasei". 
Liest man die Anfangsbuchstaben von der letzten Zeile bis zur ersten, so 
gewinnt man die Worte: Commodianus mendictts Christi, Man muss dem- 
nach „Oasei'* als eine Bezeichnung des Conmiodian ansehen. Das Nächst- 
liegende ist, „Gasei'^ auf die Heimat zu beziehen. Man hat Oasei = Gazaei 
gesetzt und dem Commodian sonach als Geburtsort Gaza und zwar 



*) Interessant ist die Stelle Aber den 
Frahschoppen c. VI (p. 962 M.) qmrum (Chri- 
gtianarum) ueque eo vitia venerunt, ut et 
ieiuni matutino tempore bibant, non putantes 
Christianutn esse potare post ctbum, nisi 
in vcieuas et inanes adhuc venas infusa 
statim post somnnm vina descenderint; m{nus 



enim quae bibunt sapere videntur, si inter 
vina eibi permiseeantur. Videos ergo tales 
novo genere adhue ieiunos et tarn ebrios, non 
ad popinam currentes, sed pcpinam seeum 
circumferentes: quorum quisquis salutat, non 
osculum dat, sed propinat. Vgl. Wbymak, 
Philol. 52, 728. 



350 Römische Litteratargesolilolite. It. Die Zeit der Monarclue. 2. Abteilimg. 

Gaza im palästinischen Syrien gegeben. Diese Deutung macht aber zu- 
gleich die Annahme notwendig, dass Commodian später nicht in seiner 
Heimat lebte; denn nur in diesem Fall können wir uns erklären, dass er 
Gazaeus genannt wurde. Manche wollen „Gazaeus^ in bildlichem Sinne auf- 
fassen, indem sie darin eine Anspielung auf die Bedeutung des Wortes 
Commodianus erblicken. Ich ziehe die Deutung auf die Heimat als die 
natürlichere vor. Seine Bildung scheint die gewöhnliche der besseren 
Stände gewesen zu sein; er ist mit den nationalen Autoren vertraut, be- 
sonders mit Vergil.») Aber in seinen Schriften schlägt er andere Wege 
als die klassischen Autoren ein, da er sich an das Volk wendet. Sein 
Versbau ruht auf einer ganz anderen Grundlage, auch die Sprache macht 
grosse Konzessionen an das Idiom des Volkes. Über seinen Lebensberuf 
lässt sich auch keine Klarheit gewinnen. Mendicus Christi ist natürlich 
hier nicht zu verwerten, denn dieses Prädikat bezieht sich auf ein 
geistiges Verhältnis; wahrscheinlich will damit Conmiodian sagen, dass er 
die Armut als eine Stufe zur christlichen VoUkommenheit ansieht.*) Deut- 
licher spricht die Subscriptio zum zweiten Gedicht. Hier wird dasselbe 
als ein Tradatus sancti episcopi hingestellt, aber der Name des Verfassers 
ist nicht mehr lesbar. Allein da das Gedicht ohne allen Zweifel von 
Commodian herrührt, so wird man als Thatsache betrachten dürfen, dass 
Commodian Bischof war. Und fast scheint es, dass manche Lehren der 
Gedichte erst dadurch ihre richtige Stellung erhalten. Niedergelegt sind 
diese Lehren in zwei Gedichten, den Instrudiones und dem carmen apolo- 
geticum; das letztere Gedicht ist erst in der neuesten Zeit bekannt geworden. 
Welchen Einfluss Commodian auf seine Zeit gewann, wissen wir 
nicht; die Litteratur konnte ihn nicht berücksichtigen, er wollte ihr nicht 
angehören; er erwartete seine Anerkennung von dem Volke. Und das 
scheint ihn nicht beiseite geschoben zu haben, denn sonst würde wohl 
nicht das sogenannte Decretum Gelasianum die Gedichte des Commodian 
unter die verbotenen Bücher aufgenommen haben. 

Die Stelle des Gennadius lautet: Commodianus dum inter scnculares lUieras 
etiam nostras legit, oecasionem accepU ftdei. Factus itaque Christianua et volens aliquid 
Studiorum auorum muneris offerre Christo, suae salutis auctori, scripsit mediocri sermone 
quasi versu adversus paganos. Et quia parum nostrarum adtigerat litterarum, magis 
illorum destruere potuit dogmata quam nostra firmare, Unde et de divinis repromissionibus 
adversus iUos agens vili satis et crasso, ut ita dixerim, sensu disseruit, iüis stuporem, 
nobis desperationem incutiens, TertuUianum et Lactantium et Papiam auctores secut^us 
moralem sane doetrinam et maxime voluntariae paupertatis amorem optime prosecutus stu^ 
dentihus inculcavit, (Dombart, Ausg. p. 1.) 

Ueber seine Heimat vgl. Ebkbt, Abhandl. der sächs. Gesellsch. der Wissenschaft 
5, 420; BoissiBH, Milanges Renier, Paris 1887, p. 39 „du titre que porte 1a pihce (Nomen 
Gazaei), on peut eonclure qu'au moment oi^ il Vicrivait, il n* habitait plus sa viUe nataU, 
et qu^ü viwtit dans un pays plus ou moins iloigni oü on Vappelait Vhomme de Qaza*^, Da- 
gegen vgl. DoMBABT, Archiv, für lat. Lexikogr. 6 (1889) p. 586. 

Einen Hinweis auf sein früheres Heidentum enthalten folgende Stellen: 
Instr. 1 ego similiter erravi tempore multo \ fana prosequendo parentibus insciis ipais; \ ab» 
stuli me tandem inde legendo de lege; \ Apolog. 3 erraham ignarus spatians, spe captua 
inani, \ dum furor aetatis primae me portabat in auras; (11) adgressusque fui tradito in 
codice legis, | quid tbi rescirem; statim mihi lampada fulsit, \ Tunc vero agnovi Dtum 



*) Vgl. Dombart in seiner Ausgabe de 
fontihus Commodiani p. 111. 



p. 39. 



*) BoissiER in den Milanges Renier 



Oommodianns. 



351 



tiMum summum in altisj \ et ideo tales hartor ah errore recedant; Instr. 1, 7, 21 sie ego 
colui dum errcm, quod modo culpo; l, 26, 25 et vitam istius acuetdi veram esse putäbam \ 
mortemque similUer sicut vos iudicabam adesse; 1, 23, 2 et ego, qui moneo, idem fui nes- 
ciiis errans; Apolog. 83 interdum quod meum est, qui prius erravi, demonstro \ rectum iter 
robis, qui adhue erraiis inanes, 

746. Die Instmctiones Commodians. Die Instructiones bilden eine 
Sammlung von 80 akrostichischen Gedichten. Für das Akrostichon 
wird die Überschrift der einzelnen Gedichte verwertet. Sie sind in zwei 
Bücher eingeteilt; das erste Buch wendet sich an die Heiden und an die 
Juden, um sie von ihrem Irrtum zu bekehren; das zweite ist für die 
Christen bestunmt; der Dichter ermuntert die verschiedenen Stände zur 
treuen Beobachtung der christlichen Lehre. Allein der Einschnitt der 
Bücher, wie er in der handschriftlichen Überlieferung vorliegt, scheint 
nicht an der richtigen Stelle erfolgt zu sein, es sind vier Gedichte zu dem 
zweiten Buch gezogen, welche nach dem Zusammenhang noch zum ersten 
gehören. 

Im ersten Buch bekennt der Verfasser, selbst früher ein Irrender 
gewesen zu sein, erst durch die Lektüre der hl. Schrift sei er zur Wahr- 
heit geführt worden. Um die Heiden von ihrem Wahn zu befreien, zeigt 
er, dass ihre Götter Menschen waren, und deckt deren Schandthaten auf. 
Auf diesen negativen Teil folgt ein positiver, in dem christliche Lehren vor- 
getragen werden; besonders ist/ es die Auferstehung nach dem Tode, das 
ewige Leben, das aufs eindringlichste hervorgehoben wird. Auch die ver- 
schiedenen Klassen der Gesellschaft erhalten Mahnungen, so z. B. die Reichen 
und die Selbstgefälligen. Dann wendet sich der Dichter wieder an die 
Heiden und fordert sie auf, ihren Irrtum abzulegen und das Christentum 
anzunehmen. Auch die Juden kommen an die Reihe ; ihre Hartnäckigkeit 
und Verstocktheit wird scharf gegeisselt. Hierauf spricht der Dichter von 
der Zeit des Antichrist, damit schliesst das erste Buch. Die darauffol- 
genden Kapitel bilden den Eingang des zweiten Buchs, es ist die Rede 
von dem verborgenen Volke Gottes, das jetzt erscheinen wird, von dem 
Ende der Welt, von der ersten Auferstehung und von dem Tag des Ge- 
richts. Allein diese Kapitel stehen, wie bereits oben gesagt, in einem 
unlösbaren Zusammenhang mit dem Schlusskapitel des ersten Buchs und 
sind noch zu demselben zu ziehen. 

Das zweite Buch richtet sich an die christliche Welt, und zwar 
zuerst an die Katechumenen, dann an die Gläubigen, an die Reuigen, an 
die Abtrünnigen u. a. Auch die christlichen Frauen werden mit Ermah- 
nungen bedacht, und die Schönheitsmittel, die in Anwendung kommen, als 
Teufelswerk betrachtet, i) Wir finden femer Instruktionen gegeben für die 
Priester, für die Trunksüchtigen, für die Betenden u. s. w. Andere Beleh- 
rungen nehmen irgend einen Gegenstand oder irgend einen Satz zum Aus- 
gangspunkt, z. B. das Martyrium, den täglichen Krieg, den der Christ zu 
f&hren hat, den trügerischen Frieden, die Pflicht, den E[ranken zu be- 



*) 18, 5 Res vanas adfeetas euncta de 
zabuli pompa, | ornas et ad speclum cineinnos 
fronte reflexos, \ nee nan et inducis malis medi^ 



camina falsa, \ in oeulis puris stibium per- 
verso decore, \ seu crines tingis, ut sint toto 
tempore nigri. Vgl. noch 19, 10. 



352 Bftmiflolie LiiteratiirgeBohiohte. H. Die 2eit der Xonarohie. 2. Abteilmig. 

suchen, das Verhalten des Christen beim Tod eines Kindes, das Leichen- 
begängnis. 

Seine instructiones schliesst Gommodian mit einem Gedicht, in dem 
die Anfangsbuchstaben, von dem letzten bis zum ersten Verse gelesen, 
wie bereits gesagt, die Worte ergeben: Commodianus mendicus Christi. 

Die Gliederung des Werks. Dass der Anfang des zweiten Buchs an unrich- 
tiger Stelle steht, scheint nicht bezweifelt werden zu können. Die Frage ist nur, wo der 
Einschnitt zu machen ist. Ebbet (Abh. der sächs. Ges. PhiloL-hist. El. 5, 415 Anm. 108) 
macht denselben bei 2, 5 «Gatecuminis*, so dass das ganze zweite Buch eine Instruktion 
fUr die Christen ist. Die Kapitel, die dadurch noch in das erste Buch kommen, sind 
I de populo ab8can80 sancto omnipotentis Christi dei rivi; II. de 8(ieeuli istius fine; III. de 
reaurrectiane prima; IV. de die iudieii. Diese Kapitel hftngen mit dem letzten des 
ersten Buchs de Anteehristi tempore zusammen. Ich glaube also, dass der Einschnitt 
richtig gemacht wurde. Weniger ansprechend ist die Teilung, die Doiibart (Sitznngsber. 
der Wiener Akad. 107, 740) empfiehlt, indem er jedem Buch 40 Gedichte zuweist, also 
nur das Gedicht 41 des I. Buchs zum zweiten zieht. 

lieber die Zeit des Gedichts vgl. den folgenden Paragraphen. 

746. Das Carmen apologeticum. Im Eingang kündigt sich der Ver- 
fasser als einen ehemals Irrenden an, der durch die hl. Schrift auf den 
Weg der Wahrheit geführt wurde; er verweist dann auf die Offenbarung 
und die Ereignisse der biblischen Geschichte, durch die Gott seinen Willen 
kund gethan; er mahnt die Heiden, des nahen Endes eingedenk zu sein 
und ihr Heil im Auge zu behalten, er will ihnen den Weg zeigen. Er 
beginnt mit einer Darstellung des göttlichen Wesens, das Vater, Sohn und 
hl. Geist genannt wird. Schon hier mündet die Erörterung in die Lehre 
von der Auferstehung aus (141). Der Verfasser kommt dann auf den 
Sündenfall des Menschen; durch einen Abriss der biblischen Geschichte 
zeigt er, wie Gott fortwährend das auserwählte Volk gelenkt und belehrt; 
allein dieses wollte nicht hören und bUeb verstockt; die Heiden traten 
an die Stelle der Juden (263). Er geht dann auf das Erlösungswerk ein ; 
der Vater kam in dem Sohne (277), sagt der Dichter von seinem monar- 
chianischen Standpunkt aus ; die !Eb:füllung der Weissagungen wird beson- 
ders betont') und als Frucht der Erlösung wiederum das ewige Leben 
hingestellt (312). Er kann nur die Hauptpunkte hervorheben (523): 

at ego nan tota, sed summa fastigia earpo 
quo possint facilius ignorantea diseere vera 

Zuletzt spricht der Dichter von der Auferstehung des Erlösers. Auch 
dieses Ereignis wird gegen alle Zweifel sicher gestellt. Damit ist der 
Verfasser bei einem Endpunkt seiner Belehrung angelangt, wenigstens 
soweit die Heiden in Frage stehen. Wollen sie nicht darauf hören, so 
haben sie sich ihr künftiges Unglück selbst zuzuschreiben. Jetzt lesen sie 
Vergil, Cicero und Terenz, allein (585) 

quid iuvat in vano saecularia prosequi terris 
et scire de vitiis regum, de bellis eorumf 
insanumque forum cognoscere iure peritum, 
quod iura vacillant, praemio ni forte reganturf 

Nachdem er den Heiden ihr sündhaftes Leben vorgehalten, werden 
wiederum die Juden vorgenommen und scharf getadelt, dass sie trotz der 



') 503 quaecumque dixerunt testes universi priores; \ in Christo fuerunt facta, aut 
in aUero dieant? 



Gommodianiis. 853 

Wunder Christi noch immer in ihrer Verstocktheit verharren. Dieser 
neue Angriff war, wie es scheint, notwendig, um die Heiden abzuhalten, 
in dem Judentum ihr Heil zu suchen. Aber am Schluss kehren die Götzen- 
verehrer wieder und die Leute, die sagen: nihil est post funera nostra; 
dum vivirnus, hoc est (Vs. 756). Nochmals werden die Grundzüge der neuen 
Lehre skizziert. 

Es folgt der merkwürdigste Teil des ganzen Gedichts, die phan- 
tastische Darlegung der letzten Dinge. Angesichts der drohenden sieben- 
ten Verfolgung der Christen erhebt der Dichter seine prophetische Stimme ; 
er schildert uns das Auftreten des doppelten Antichrist, der eine ist Nero, 
der andere ein Mann aus Persien. ^ 

nobia Nero f actus Äntiehrütus, iUe ludaeis*) 
isti duo 8emper prophetae sunt in ultima fine. 
urbis perdüio Nero est, hie terrae totiua. 

Endlich bricht das jüngste Gericht mit seinen Schrecknissen herein. 

So trocken sonst das Gedicht ist, so interessant ist diese Schluss- 
partie. Man staunt, wie aufgeregt die Vorstellungen der Christen in dieser 
Zeit waren und wie ihr ganzes Denken von dem Herannahen des letzten 
Endes erfüllt war. Es sind ganz wunderliche Phantasien, welche dieses 
Denken erzeugte. Besonders merkwürdig ist, wie sich der Sagenkreis von 
Nero mit dem jüdischen in Bezug auf den Antichrist vermischte.^) 

Ein Verfasser des Gedichts ist nicht genannt. Allein bereits der erste 
Herausgeber Pitra hat erkannt, dass das cannen von Commodianus her- 
rührt. Schon der eigentümliche, dem carmen apologeticum wie den instruc- 
tiofies gemeinsame Versbau ist ein sprechender Beweis dafür. Sodann 
finden sich in den beiden Gedichten dieselben Spracheigentümlichkeiten. 
Endlich berührt sich das carmen auch in dogmatischen Ansichten mit den 
Acrosticha, so z. B. in der wichtigen Frage nach dem Verhältnis des 
Vaters zu dem Sohne, welche in dem Sinn gelöst wird, dass der Vater es 
selbst ist, welcher für die Sünden der Welt gelitten hat. 

Die Zeit des Apologeticum ergibt sich aus folgenden Versen (805): 

sed ^idam hoc aiunt: Quando haec Ventura putamus 

accipite paucis, quibus actis illa sequantur, 

mvlta quidem signa fient iantae termini pesti, 

sed erit initium septima persecutio nostra, 

ecce iam ianuam pulsat et cingitur ense, 

qui cito traiciet Gathis inrumpentibus amne 

rex ApoUyon erit cum ipsis, nomine dirus. 

Die Zeitmomente, die in diesen Versen liegen, sind erstens ein Uebergang der 
Goten Ober einen Fluss, d. h. die Donau; zweitens die drohende siebente Ghristenverfolgung. 
Nach Ängustin de dv, dei 18, 52 ist die siebente Christenverfolgung die des Decius (249 
— 251). Um jene Zeit gingen in der That die Goten Über die Donau, zuerst unter Philipp 
(244—249), sie kehrten aber wieder zurück, um im Jahre 250 unter Decius aufs neue 
den Strom zu überschreiten. Man wird auf diese Indizien hin die Schrift in das Jahr 249 
nach dem Tod Philipps legen, von dessen Nachfolger Decius man eine neue Verfolgung 
der Christen erwarten musste (vgl. Ebert, Commodians carmen apolog., Abb. der s&chs. 
Gesellsch. der Wissenschaften, 5. [1870] p. 408). Damit steht im Einklang, dass die 
zwei ersten Bücher der tesiimonia Cyprians, welche 248 erschienen sind, bereits benutzt 



Ebbbt p. 405. *) Ebbrt p. 406. 

•) Vs. 933. 

Hutdbuoh der klaa. AltertumawiMeiucluift. YUI. 8. Teil, 23 



354 Römkohe litteratargesoliiohte. n. Die Zeit der Monarohie. 8. Abteümig. 

sind, nicht aber das später erschienene dritte, vgl. Dombabt, Zeitschr. f. wissensch. Theol. 22 
(1879) p. 384. 

Zeitliches Verhältnis zu den instructiones. Ebert war des Glaubens, dass 
die instrudionea das frühere, das Carmen apologeticum das spätere Gedicht seien, nor be- 
züglich des zweiten Bnchs der instructiones gibt er die Möglichkeit zu, dass dasselbe nach 
dem Carmen apologeticum entstanden ist. Allein was er beibringt, ist nicht überzeugend (ygl. 1. c 
p. 416 und 417). Ein anderes Resultat hat Dombart durch Betrachtung des Verhältnisses der 
inatructiones zu den testimonia Gyprians und dessen Schrift de habitu tdrginum gewonnen. 
Commodian hat nämlich, wie Ludwig in seiner Ausgabe der instructionea p. LXV zeig;!, 
Gyprians de habitu virginum benutzt (vgl. auch Dombabt, Zeitschr. f. wissensch. Theol. 22 
[1879] p. 385 Anm. 1). Da aber diese Schrift nicht sicher datiert werden kann, ist hier 
nicht viel zu gewinnen. Dagegen wirft das Verhältnis der instructionea zu den teaii^ 
monia ein bestimmtes Resultat ab. Wenn es nämlich richtig ist, dass Gommodian im 
Carmen apologeticum nur die zwei ersten Bücher von Gyprians testimonia, dagegen in den 
instructionea auch das dritte Buch dieser testimonia herangezogen (vgl. Dombabt 1. c. p. 385), 
80 muss das Gedicht instructiones das jüngere sein. 

Litteratur: Leimbach, üeber Gommodians earmen apologet., Schmalkalden 1871; 
AüBi, Essai dHnterpritation d*un fragment du Carmen apologeticum de Commodien, Revue 
archiol, 1883 p. 312, 342 (auch in V4glise et VHat etc., Paris 1885 p. 517). 

747. Gharakteristdk. Commodian flösst uns das grösste Interesse 
ein, einmal weil wir zum erstenmal durch ihn die Stimme der christlichen 
Dichtung vernehmen, alsdann weil diese Dichtung in einer ganz eigen- 
tümlichen, höchst merkwürdigen Form auftritt. Commodian hat sich einen 
Vers gebildet nach dem Musterbild des Hexameter, aber mit ganz eigenen 
Gesetzen. Er zerlegt die Langzeile in zwei Hälften, indem für ihn die 
Teilung des quantitierenden Hexameter durch die caesura penthemimeres 
vorbil^ich ist. Auch die erste Hälfte hat die Freiheiten des Versschlusses. 
Die Quantität wird nur am Ende dieser Eurzzeilen in Rechnung gezogen^ 
im Vorausgehenden aber fast ganz auser acht gelassen. So entsteht ein 
Vers, in dem zwei Prinzipien, Zählung und Quantität der Silben zu- 
gleich in Anwendung kamen, also eine Zwitterform. In der Aneinander- 
reihung der Verse hat sich Commodian merkwürdige Schranken auferlegt; 
die einzelnen Gedichte der instructiones sind akrostichisch angeordnet; ver- 
einzelt ist ein anderes Eunstmittel gebraucht, Bildung von Gedichten, in denen 
die Verse auf denselben Vokal ausgehen ; dieses Eunstmittel ist zweimal an- 
gewendet worden. In dem Apologeticum sind immer zwei Verse zu einer 
Gedankeneinheit zusammengeschlossen; das ganze Gedicht ist also distichisch 
aufgebaut; vielleicht waren die Disticha Catonis hier von Einfluss. In der 
Sprache treten uns Erscheinungen des Volksidioms sowohl in den Formen 
als in der Syntax entgegen. Die Darstellung ist trocken, besonders 
das Akrostichon legt dem Dichter so schwere Fesseln an, dass der Aus- 
druck darunter leiden muss. Auch das Bestreben, mit Bibelsprüchen seine 
Lehren zu begründen, tritt dem Fluss der Rede hindernd in den Weg. 
Doch fehlt andrerseits auch der oratorische Schwulst und alles Phrasen- 
hafte. Aber es steckt doch ein Stück Dichter in Commodian; wenn er 
auf ein Gebiet kommt, das sein ganzes Seelenleben beherrscht, regt sich 
in ihm die Dichterader. Es sind dies die letzten Dinge. In der Schilde- 
rung derselben thut sich vor unseren Augen ein wunderbar farbenreiches, 
wenngleich phantastisches Gemälde auf. Allein die Züge zu diesem Ge- 
mälde liefert dem Dichter die durch die Erwartung des Weltendes krank- 
haft aufgeregte Zeit; unseres Dichters Eigentum ist nur die Farbengebung. 



GommodianaB. 355 

Das Christentum ist für unseren Autor Lebenssache; es beherrscht 
sein ganzes Denken und Sein. Die Beziehungen zu dem Heidentum so- 
wohl als zu dem Judentum hat er vollständig gelöst; die nationale Götter- 
welt ist ihm ein Gegenstand des Spottes, die Hartnäckigkeit der Juden 
ein Gegenstand herben Tadels. Der Autor ist keine versöhnliche Natur, 
sondern ein Mann von dem Schlage Tertullians; es ist ihm Ernst mit den 
ethischen Grundsätzen des Christentums, und er steht Eonzessionen an die 
Weltgesinnung durchaus ablehnend gegenüber. Er richtet manches stra- 
fende Wort an seine Glaubensgenossen, und es ist interessant zu lesen, 
wie er gegen die Putzsucht der Frauen eifert.^) Für die Erkenntnis der 
Zustände in der christlichen Gesellschaft der damaligen Zeit liefern die 
Gedichte manchen interessanten Zug. Die dogmatischen Sätze sind weniger 
klar ausgeprägt; doch ist sicher, dass er Patripassianer ist.^) Die Kirche 
hat ihn darum von dem Elreis der rechtgläubigen Autoren ausgeschlossen. 
Ein Dogma ist aber bestimmt erkannt und wird in eindringlicher Fassung 
vorgetragen: Es gibt ein Leben nach dem Tode und dort eine Belohnung 
für die Guten und eine Bestrafung für die Bösen. 

Die Metrik Commodians. Der Vers des Gommodian ist eine Art Hexameter 
und zählt 18—17 Silben; derselbe zerfällt aber regelmässig in zwei Hälften und zwar 
wiederum in Nachahmung der Gäsur des Hexameters nach der 3. Hebung. Die erste Halb- 
zeile zählt entweder fttnf, sechs oder sieben Silben, die zweite acht, neun oder zehn 
Silben (Mrtbb p. 289). Die erste Eurzzeile nimmt die Freiheit des Versschlusses fQr sich 
in Anspruch, in der ersten Halbzeile wird die Quantität bei der vorletzten Silbe be- 
obachtet; eine Halbzeile zu fünf Silben mit vorletzter Kürze oder zu sieben Silben mit 
vorletzter Länge sind regelwidrig (Mbybb p. 292). Entspricht die erste Halbzeile der 
Hexameterhälfte 

d. h. ist die vorletzte Silbe kurz, so sollte auch die drittletzte Silbe kurz sein. Allein 
Gommodian befolgt hier das Gesetz, dass er fQr diese drittletzte Silbe von Natur lange 
Silben zugelassen, aber positionslange Silben fast gänzlich gemieden hat. Dasselbe Gesetz 
gilt fOr die zwei Kürzen des fünften Fusses, also die dritt- und viertletzte Silbe. Die vor- 
letzte Silbe ist regelmässig lang; auch beobachtet Gommodian die Schulregeln, dass die 
sechste Senkung nicht durch ein einsilbiges Wort und die fünfte Hebung nicht durch Wort- 
ende (höchstens durch ein einsilbiges Wort) gebildet wird. In den Silben, die den behandelten 
vorausgehen, wird die Quantität sehr wenig berücksichtigt. Siehe Mbtrb p. 297. Der 
Vers des Gommodian ist also ein solcher, in dem die Quantität nur zum Teil m Rechnung 
gezogen wird. Der Hiatus ist durchweg gestattet, Elision kommt nur selten vor und 
zwar vor est. Es fragt sich, inwieweit der Accent der Worte in Rechnung gezogen ist. 
Einmal hat er die oben erwähnten Schulregeln in Bezug auf den Ausgang des Hexa- 
meters beobachtet, dann hat er in die fünfte Hebung stets eine Silbe gesetzt, welche den 
Wortaceent hatte. Gesprochen wurden wahrscheinlich die Verse nach dem Wortaccent, 
nicht nach dem Versaccent (Mbybb p. 303). 

In der Gruppierung der Verse bringt Gommodian folgende Künsteleien in Anwendung : 
1. die Gedichte der instrtictianes sind akrostichisch gebaut, 1, 28 sogar akro- und tele- 
stichisch (Tbiblmann, Arch. f. Lexikogr. 5 [1888] 143); 2. zwei Gedichte der instructione.^ 
zeigen in allen Ausgängen der Zeilen denselben Vokal, 2, 8 den Vokal e, das Schlussgedicht 
den Vokal o (Mbybb p. 303); vielleicht noch 2, 27 den Vokal i; 3. er hat in der Apologie 
immer zwei Verse durch den Gedanken eng verbunden, also Paare von Versen vorgeführt 
(MxTiB p. 804). 

Litteratur. Hanssbn, De arte metrica Camtnodiani, Strassb. 1881; W. Mbybb, An- 
fang u. Ursprung der lateinischen und griechischen rythmischen Dichtung in den Abhandl. der 
Mflnch. Akad. XVII. Bd. 2. Abt, p. 288; Ludwig, Zu Gommodianus Phüolog. 86 (1877) 
p. 285; VxBHXEB, La veraification laHne poptdaire en Äfrique, Commodien et Verecundus 
{Revue de phüol 15 [1891] p. 14). {„La veraification de Commodien n'eat nuJlement ryth- 



>) instr. 2, 18 und 19. 

') Jacobi in Müllers Zeitsohr. f. christl. Wissensch. 4 (1853) Nr. 26. 

23 



356 Bömisohe litteraiiirgeBohiohte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. 

mique au sens moderne du mot. lyab&rd les longues ne aant pas nSeessairement remplaeiee 
par des toniquee, ni les brhes par des cUones, En outre, au quatre premiers pieds spon- 
datques la cöincidence de Victua et de VaeeetU est insiblement Svitie, ce qui est le contraire 
d*un rythme*' p. 32.) 

Die Ueberlieferttng des Gommodianus. 

a) Die instructiones. Verschollen sind der codex Patavinus und der von Angers 
(Ändeeavensis); von demselben machte sich aber der Jesuit Sirmond ein apographum, das 
Rigaltios fttr seine Ausgabe (Toni 1649) zn Grund legte. Auch dieses apographum ist 
uns nicht mehr erhalten, wohl aber eine Abschrift des apographum, der codex Parisinu^ 
8304 s. XVII, aus diesem Parisinus stammt wieder der Leidensis Yossianus 49 s. XVII. 
Die ftl teste der vorhandenen Handschriften der instructiones ist der Codex 1825, der frtther 
im Besitz des Thomas Philipps zu Middlehill sich befand und später mit der Bibliothek 
des gen. Philipps nach Cheltenham gebracht wurde; er stammt aus s. XL 

ß) Das Carmen apologeiicum ist uns lediglich durch eine Handschrift bekannt, 
durch einen Ck>dex aus der Bibliothek des genannten Philipps, früher in Middlehill, jetzt 
in Cheltenham, nr. 12261 s. VIII. 

Vgl. DoKBABT in der praef. zu s. Ausg., femer seine Commodian-Studien, Sitzungsber. 
der Wiener Akad. 96 (1880) p. 447; 107 (1884) p. 713 u. Blätter f. d. bayer. Gymnasial- 
schulw. 16 (1880) p. 841. 

Ausgaben. Ed.princeps der instructiones von Rigaltius 1649 (wiederholt 1650, 
1666). Femer Ausgaben von Sohüezflbisoh Wittenb. 1704 (Nachtrag 1709), bei Miohb, 
Patrol, cursus tom, V 1844, von Obhlkb hinter seinem Minucius Felix in Gebsdobfs 
bibl. Patr. eccles. Lat, vol. XIII, Leipz. 1847. — Ausgaben des Carmen apolog, von Pitba 
SpicUeg, Solesmense 1, 21, von Rönsoh (mit Erläuterungen), Zeitschr f&r bist. Theol. 1872 
p. 163. — Gesamtausgaben von £. Ludwio 2 T., Leipz. 1877. 78, und bes. von Dombabt im 
corpus scriptor, eccles. lat, vol. XV, Wien 1887. 

7. Victorin von Pettau. 

748. Leben und Schriftstellerei des Yictorinas von Pettau. Zwi- 
schen Anatolius und Pamphilus fUhrt Hieronymus den Bischof von Pettau 
(im heutigen Steiermark) Victorinus an. Damit bestimmt sich die Lebens- 
zeit des Oenannten. Es ist das Ende des dritten Jahrhunderts. Hierony- 
mus bezeichnet ihn auch als Märtyrer; diese Angabe wird bestätigt durch das 
Martyrologium Romanum, das seinen Martyrertod auf den 2. November setzt. 
Victorinus wird also ein Opfer der diocletianischen Verfolgung gewesen sein. 

Seine Schriftstellerei bezieht sich grösstenteils auf die Exegese; 
er ist der älteste Exeget der lateinischen Kirche. Wenn nun Hieronymus 
bemerkt, dass Victorinus der lateinischen Sprache weniger mächtig ge- 
wesen sei als der griechischen, und auch sonst noch seinen Stil tadelt, so 
wird die Annahme berechtigt sein, dass er ein gebomer Grieche war. — 
In seinen Kommentaren schloss sich Victorinus an Origenes an. Von den 
Schriften, welche bei Hieronymus erwähnt werden, sind verloren gegangen 
die Kommentare 1. zur Genesis; 2. zum Exodus; 3. zum Leviticus; 4. zum 
Jesaias; 5. zum Ezechiel; 6. zum Habakuk; 7. zum Prediger; 8. zum Hohen- 
liede. Ausserdem wird noch von einem Kommentar zu Matthäus berichtet 

Es sind noch übrig: 

1. Der Kommentar zur Apokalypse. Derselbe ist uns in einer 
kürzeren und einer längeren Fassung überliefert. Die längere Recension 
ist eine Überarbeitung der kürzeren, aber auch in der kürzeren liegt uns 
der Konmientar nicht in der ursprünglichen Fassung, sondern in einer 
Umarbeitung durch Hieronymus vor, bei der ein Kommentar des Tichonius 
benutzt wurde. Nur der chiliastische Schlussabschnitt des echten Kom- 
mentars hat sich — allerdings in sehr zerrütteter Gestalt — in einer 
jungen Handschrift (Vat. Ottob. 3288 A s. XV) erhalten. 



Viotorin von Pettan. 857 

2. De fabrica mundi. Dieses Fragment wurde zuerst von Cave 
publiziert. Gfegen die Echtheit desselben lässt sich nichts Stichhaltiges 
vorbringen. Die gewöhnUche Annahme ist, dass das Fragment dem Kom- 
mentar zur Genesis entnommen ist. 

3. Libellus adversus omnes haereses. Als die letzte Schrift von 
Victorinus führt Hieronymus „adversus omnes haereses" an. Mit dieser 
Schrift hat Harnack den hinter TertuUians de praescript haereticorum 
stehenden Traktat „adversus omnes haereses", der sicher nicht von Ter- 
tullian stammt, identifiziert. Da nach der Angabe des Hieronymus Vic- 
torin auch den Hippolytus benutzte, und der Traktat adversus omnes hae- 
reses wahrscheinlich auf Hippolyts Syntagma zurückgeht, so ist die Hypo- 
these nicht unwahrscheinlich. 

Andere Schriften, die unter dem Namen des Victorinus publiziert 
werden, sind entschieden unecht. 

Zeugnis des Hieronymus. de vir, inL 74 Victorintts, PitabianensU epiacopus, 
Hon aeque latine ut gmece noverat. Unde opera eius grandia sensibua viliora videntur 
composUione verbarum. Sunt autem haec: commentarii in Genesim (vgl. ep. 86, 16), in 
Exodum, in LevUicum, in Esaiam, in Ezechiel, in Abacue, in EecUaiasten (vgl. Comm, 
EzecK ad 4, 13 Op. V 425), in Canticum Canticarum, in Apocalgpsim Johannia, adveraum 
omnes hereses, et mtUta alia (Harkacx, Gesch. der altchristl. Litt. 1, 782). Ad extremum 
martyrio caronatus est. 

lieber den Kommentar zu Matthaeas vgl. Hieron., Comm. in Matthaeum 
praef. und Cassiod., instit, div, lit, c. 7. 

üeber seinen Stil vgl. noch Hieron. ep. 58, 10 Victorinus martyrio coronatus, quod 
intelligit, eloqui non poiest; femer ep. 70, 5 Victorino martyri in libris suis, licet desit 
eruditio, tarnen non deest eruditionis voluntas, 

Üeber seinen Anschlnss an Origenes vgl. Hieron. ep. 84, 7 nee disertiores sumus 
Hilario nee fideliores Victorino, qui eius tractatus non ut interpretes sed ut auctores proprii 
operis transtulerunt; femer ep. 62, 2. 

Der Kommentar zur Apokalypse. Die im Text aufgestellte Ansicht hat zu 
begrQnden versucht Hausslbiteb, Die Kommentare des Victorinus, Tiohonius und Hiero- 
nymus zur Apok., Zeitschr. f. kirchl. Wissensch. und kirchl. Leben 7 (1886) p. 289; vgl. 
femer Zahn und Haüsslbitbb, Forschungen zur Gesch. des neutestam. Kanons 4 (1891) 
p. 1. Vgl. Aber die Haussleiter'sche Ansicht die kritisierenden Bemerkungen von F. Katten- 
BUSCH, i)as apost. Symbol I, Leipz. 1894, p. 218. Die längere Recension ist neuerdings 
schlecht herausgeg. im Florilegium Casinense V 1 (1894), der echte Schluss steht bei Hauss- 
lbiteb, Theol. Litteraturbl. 1895 Nr. 17 Sp. 193 ff. 

Libellus adv. omnes haereses; vgL oben § 702, 3 p. 299; A. Habnack, Zur Ge- 
schichte der marcionit. Kirchen, Zeitschr. f. wiss. Theol. 1876 p. 115. lieber das Verhältnis 
des Traktats zu Hippolyt vgl. Hieron. ep. 36, 16; ferner Habnaok, Zur Quellenkritik d. Gesch. 
des Gnostizismus 1873 und Lipsiüs, Die Quellen der ältesten Ketzergesch., Leipz. 1875. 

Ausgaben. Theophylacti ennarrationes in Pauli ep. ed. J. Lonicbbus, Par. 1543 
(Apoc); M. DE LA BiGNE, Socra Bibliotheca s. patr. Tom. VI p. 713 (Apoc.) (Paris. Ausg. 
1575). MioNE vol. V. Die Apokryphen sind gesammelt von And. Rivikus, S. reliquiae 
duorum Victorinorum Pictaviensis unius episcopi et martyris, Gotha 1652. 

Litteratur. Launoius (Launoy), De Victorino episcopo et martyre dissertatio, Par. 
1653 (1664); Linke, Studien zur Itala, Breslau 1889 p. 17. 

8. Arnobius. 
749. Biographisches. Über Arnobius, der dem Namen nach zu ur- 
teilen griechischer Abstammung war, berichtet uns der Kirchenvater Hie- 
ronymus folgendes: Arnobius sei zur Zeit Diocletians ein angesehener 
Rhetor in Sicca in Afrika gewesen, zu seinen Schülern habe Lactantius 
gehört, lange Zeit habe Arnobius das Christentum bekämpft. Als er 
später zu demselben übertreten wollte, habe der Bischof erst einen trif- 
tigen Beweis seines Glaubens verlangt; infolge dessen sei von ihm ein 



358 Römisolie litteratorgeBoliichte« II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

Werk gegen die Heiden geschrieben worden, worauf er die Aufnahme 
in die christliche Gemeinschaft erlangt habe. Es fragt sich, ob dieser 
Bericht des Hieronymus vollen Glauben verdient. Es ist uns in der That 
unter dem Namen des Arnobius ein aus sieben Büchern bestehendes Werk 
gegen die Heiden erhalten; in der handschriftlichen Überlieferung führt 
dasselbe den Titel „adversus nationes", während es bei Hieronymus „orf- 
versus gentes^ betitelt ist. Diese Differenz ist natürlich von keinem Be- 
lang; wir werden den handschriftlichen Titel festhalten. Dass Arnobius 
Rhetor war, dafür spricht die ganze Haltung des Werkes, die eine durch- 
aus rhetorische ist. Weiterhin ergibt sich aus dem Werk, dass dasselbe 
sehr eilig abgefasst wurde, denn der Autor hat nicht einmal Zeit gefun- 
den, noch einige entworfene Abschnitte dem ganzen einzuverleiben, son- 
dern hat sie am Schlüsse unvermittelt angefügt. Endlich zeigt eine Be- 
trachtung des Inhalts der sieben Bücher, dass Arnobius in den Grund- 
sätzen des Christentums noch mangelhaft bewandert war. Sonach darf 
man wohl annehmen, dass die Veranlassung zu dem Werke von Hierony- 
mus richtig angegeben ist. Es wird daher der ganze Bericht des Hiero- 
nymus als ein glaubwürdiger anzusehen sein. 

Zeugnisse über sein Leben. Hieronym. Chron. ad ann. 2343 p. 191 Seh. Ar- 
nobius rhetor in Äfrica clartM habetur, qui cum Siccae ad declamandum iuvenes erudiret 
et adhuc ethnicus ad credulitatem somniis compelleretur neque ab episeopo impetraret fidem 
quam semper impugnaverat, elucubravit adveraum prtstinam religionem lueuientiMimos libros 
et tandem veluti quibuadam obsidibus pietatia foedua impetravit; de vir. inl. 79 Arnobius 
sub Diocletiano principe Siccae apud Africam florentissime rhetoricam docuit scripsUque 
adversus gentes volumina, quae vtdgo exstant; 80 Firmianus qui et Lactantius, Arnobii 
discipulus. 

UeberseinenNamen vgl. Rbiffbbsoheid. Venseich, d. Bresl. Vorlesongen 1879/80 p. 10. 

760. Skizze des Werkes. Arnobius will, wie er im Eingang 
ausdrücklich hervorhebt, in seinem Werk den Satz widerlegen, seit das 
Christentum aufgekommen sei, gehe es der Welt schlecht, und die Gtötter 
hätten sich von der Leitung der menschlichen Dinge zurückgezogen. Zur 
Widerlegung dieses Vorwurfs führt er aus, dass durch das Christentum 
die Natur der Dinge nicht verändert wurde. Und wenn die Gegner sagen, 
Pestilenz, Dürre, Kriege, Hungersnot u. s. w. seien von den Göttern wegen 
der Christen verhängt, so wendet der Apologet ein, dass diese Übel auch 
schon vor dem Christentum existierten. Ja, das Christentum trage sogar 
zur Verminderung derselben bei, wie z. B. der Krieg bei Durchführung 
der christlichen Grundsätze unmöglich sei. Übrigens stehe nicht einmal 
fest, ob immer das ein Übel sei, was die Menschen dafür halten. Auch 
könne nicht geleugnet werden, dass seit dem Christentum die Welt auch 
viel Erfreuliches gesehen habe. Der andere Teil des Vorwurfs, dass 
die Götter sich von der Welt abgewendet haben, gibt Arnobius Anlass 
zu seiner Apologie des Christentums. Die, welche jenen Vorwurf erheben, 
nehmen einen Zorn der Götter an. Allein der Zorn, entgegnet die Ver- 
teidigung, ist mit dem göttlichen Wesen unvereinbar. Und weshalb sollten 
die Götter auch zürnen? Die christliche Religion gibt dazu keinen An- 
lass; sie lehrt den Glauben und die andächtige Hingabe an ein* höchstes 
Wesen, den Schöpfer aller Dinge, dies kann aber kein Verbrechen begründen, 
zumal wenn man die verschiedenen schrecklichen heidnischen Kulte ins Auge 



Amobiiifl. 359 

fasst. Allein, fahren die Bestreiter des Christentums fort, die Christen ver- 
ehren als Gott einen Menschen, der noch dazu den schimpflichen Kreuzes- 
tod erlitten. Die heidnische Götterverehrung jedoch hat, selbst wenn Christus 
ein Mensch gewesen wäre, kein Recht sich zu beklagen, da sie auch 
menschliche Gottheiten hat. Christus ist aber wirklich Gott, der uns 
unzählige Wohlthaten erzeigt. Sein Kreuzestod beweist nichts gegen ihn; 
derselbe ändert nicht seine Thaten und Worte; er erlitt diesen Tod un- 
schuldig. Die Gottheit Christi thun seine Wunder dar, die er durch die 
blosse Kraft seines Willens vollbracht hat und die auch seine Jünger durch 
ihn vollbringen konnten. Und eine Folge dieser Wunder war die Ver- 
breitung der Lehre Christi. Die hl. Schrift, welche, wenn sie auch keine 
korrekte Rede zeigt, die Wunder erzählt, verdient vollen Glauben. Der letzte 
Angriff, den Amobius zurückzuweisen hat, richtet sich auf die mensch- 
liche Gestalt und den menschlichen Tod Christi. Die menschliche Gestalt 
war notwendig wegen der Menschen, denen er helfen wollte; der Tod aber 
berührte nicht sein göttliches Wesen. 

Das zweite Buch beginnt mit einer Erörterung des Hasses, den die 
Heiden gegen Christus hegen ; die Vernichtung des nationalen Kultus soll 
nach Angabe der Gegner der Grund sein. Aber, erwidert Amobius, Christus 
führte die wahre Religion ein. Wenn die Heiden Beweise für die Ver- 
heissungen Christi verlangen, so verlangen sie etwas Unmögliches, das 
Künftige lässt sich nicht erweisen, hier handelt es sich, das, was Hoff- 
nungen erweckt, dem Hoffnungslosen vorzuziehen. Aber wer die Aus- 
breitung des Christentums und den Mut der Märtyrer betrachtet, wird 
gern den Verheissungen derselben glauben. Die Heiden werden an die 
Unwissenheit, an der sie in den wichtigsten Dingen leiden, erinnert; den 
Glauben, den sie an den Christen tadeln, bethätigen sie selbst in ihrer prak- 
tischen und in ihrer wissenschaftlichen Thätigkeit, und christliche Lehren, 
die sie verspotten, können sie bei ihren hervorragenden Denkern finden, 
so z. B. die Unsterblichkeit bei Plato. Allein hier entdeckt man auch 
einen Widerspruch bei dem Philosophen, indem er eine Bestrafung der 
Seelen, also einen Schmerz derselben statuiert. Dies ist aber unmöglich. 
Dies gibt dem Rhetor Gelegenheit, eine in vieler Beziehung merkwürdige 
Psychologie hier einzuschalten, deren Grundzüge folgende sind: Die Seelen 
sind Mittelwesen, sie können zu Grunde gehen, wenn sie Gott nicht kennen, 
sie können fortdauern, wenn sie sich an seine Barmherzigkeit wenden. Der 
göttliche Ursprung der Seelen ist unmöglich. Dies sucht Amobius durch 
eine Reihe von Argumenten darzuthun. Er verweist auf die Ähnlichkeit 
der Menschen mit den Tieren, auf das mühsame Fortschreiten der Kultur 
und auf das Lernen, durch welches die Lehre von der Wiedererinnemng 
unmöglich ist. Der Mensch, allein in der Einsamkeit aufgewachsen, zeigt 
keine Göttlichkeit, sondern Roheit der Seele. Das Bewusstsein, dass die 
Seelen an und für sich unsterblich sind, würde das Streben nach sittlicher 
und intellektueller Vervollkommnung unmöglich machen, da ja die Seele 
vor dem Untergang gesichert ist. Für die Richtigkeit seiner Ansicht von ^ 
der mittleren Natur der Seelen beruft sich Amobius darauf, dass auch 
die Götter, Engel, Dämonen solche Mittelwesen sind. Wären die Seelen 



360 Komische LitieraturgeBohichte« n. Die Zeit der Monarchie, d. Abteilnng. 

göttlichen Ursprungs, heisst es weiter, so wäre kein stichhaltiger Grund 
denkbar, warum sie auf die Erde gekommen sein sollten. Übrigens ge- 
steht der Verfasser sein Unvermögen ein, auf alle Fragen, die hier herein- 
spielen, eine genügende Antwort zu geben und den Ursprung der mensch- 
lichen Seele genauer darzulegen, fUgt aber zu seiner Entschuldigung bei, 
dass auch die Heiden in vielen Dingen auf blosse Vermutung angewiesen 
sind. Zuletzt berührt Arnobius noch das schwierige Problem, wie das 
Böse der Welt mit Gott vereinbar sei. Auch hier gesteht er sein Nicht- 
wissen ein. Aber er weiss doch einen Trost, das ist Christus, der allein 
die Wahrheit ist. 

Mit dem dritten Buch beginnt die Polemik gegen das Heidentum. 
Sie nimmt ihren Ausgangspunkt von dem Vorwurf der Heiden, dass die 
Christen sich nicht an dem nationalen Kultus beteiligen. Der Rhetor ant- 
wortet, dass den Christen der Kultus des Gottes, der Vater und Lenker 
aller Dinge ist, genügt, da er alle übrigen Kulte in sich schliesst, voraus- 
gesetzt, dass es sich um wirklich göttliche Wesen hiebei handelt. Allein 
dies ist solange zu bezweifeln, bis ein triftiger Beweis geliefert wird; aber 
die Heiden können nicht einmal den Ursprung der Göttemamen erklären, 
noch wissen sie die Zahl der Götter. Und was sie von den herkönmi- 
lichen Göttern sagen, widerspricht dem göttlichen Wesen, so der Ge- 
schlechtsunterschied, die körperliche Gestalt, die den einzelnen Göttern 
eigentümlichen Beschäftigungen, die verschiedenen Deutungen derselben. 

Das vierte Buch hat seinen Schwerpunkt in der Aufdeckung der 
Absurditäten, welche der Glaube an die nationalen Götter mit sich fuhrt. 
Da sind einmal die Personifikationen abstrakter Begriffe, dann eine unge- 
heure Schar von Gottheiten für alle möglichen Dinge, die Vervielfältigung 
eines und desselben Gottes, endlich aber die schändlichen Geschichten, 
welche von den Göttern erzählt werden. Der Einwand, dass diese Ge- 
schichten bloss in der dichterischen Phantasie leben, trifft nicht zu; 
diese Mythen leben im Volke. Aber selbst wenn Erfindungen der Dichter 
vorlägen, würde schon die öffentliche Duldung solcher Erzählungen ein 
Verbrechen und geeignet sein, den Zorn der Götter, falls ein solcher 
möglich ist, hervorzurufen. 

Aber, fährt das fünfte Buch fort, nicht bloss die Dichter, auch die 
Historiker erzählen solche anstössige Mythen von den Göttern; so berichtet 
Valerius Antias eine Geschichte von Numa, Timotheus die Sage von Attis; 
diese Mythen werden in weitschweifiger Weise von Arnobius analysiert. 
Auch die religiösen Feste, Mysterien, Riten beruhen auf unwürdigen 
Mythen (18). Der Bhetor weiss, dass diese anstössigen Geschichten auch 
allegorisch erklärt werden, er bestreitet aber die Zulässigkeit der allego- 
rischen Methode zur Deutung der Mythen. 

Im sechsten Buch kommt die Rede auf den heidnischen Kultus, den 
die Christen verwerfen, weil er mit ihren Ansichten von dem göttlichen 
Wesen in Widerstreit steht; Arnobius eifert gegen die Zulässigkeit der 
Tempel und der Götterbilder. In erster Beziehung legt er das Unnütze 
der Tempel für Götter und Menschen dar und behauptet, dass sie früher 
vielfach Grabstätten waren. In Bezug auf den Bilderdienst wendet Arno- 



- . Arnobias. 361 

bius ein, dass die Qötter der Yermittlung durch Bilder nicht bedürfen, dass 
es zweifelhaft sei, ob die Statuen die wirklichen Ebenbilder der Götter 
darstellen; sie seien der Hände Werk, sie könnten nicht Sitz der Götter 
sein, auch nicht den Zweck haben, das gewöhnliche Volk mit Ehrfurcht 
gegen die Götter zu erfüllen. 

Dieses Thema wird fortgesetzt im siebenten Buch, welches sich 
gegen den heidnischen Opferdienst kehrt. Der Rhetor findet es unbe- 
greiflich, dass sich göttliche Wesen nach solchen materiellen Dingen, wie 
sie in den Opfern dargebracht werden, sehnen, und sieht nicht ein, was die- 
selben für einen Nutzen für sie haben sollten. Auch weist er die Vorstellung, 
dass durch die Opfer der Zorn der Götter besänftigt werde, als eine unge- 
hörige schon aus dem Grunde zurück, weil die Affekte mit der göttlichen Natur 
unvereinbar seien. Die Opfer könnten dies auch gar nicht leisten. Weiterhin 
bekän^ft er die Annahme, dass nur die Opfer Belohnungen von selten der 
Götter verschafften, und die Annahme, dass sie zu Ehren der Götter ver- 
richtet würden. Die Absurdität der Opfergebräuche wird weitläufig er- 
örtert und zwar nach den Kategorien der Opfergaben, der Tiere, des 
Weihrauchs und des Weins. Auch die Spiele werden herangezogen. Der 
Grund aller Verkehrtheiten ist die unrichtige Auffassung von dem gött- 
lichen Wesen; dieser heidnischen Gottesvorstellung setzt Arnobius die 
christliche gegenüber, indem er ihre verschiedenen Erscheinungen mit- 
einander vergleicht. 

Eine Analyse der sieben Bücher siehe bei Ebbbt, Geschichte der christlich-latei- 
nischen Litterator 1, 65. 

751. Charakteristik. Die vorgeführte Skizze zeigt uns, dass Ar- 
nobius sein Werk in zwei Teile gegliedert hat; die ersten zwei Bücher 
sind der Verteidigung des Christentums gewidmet und wehren besonders 
den Vorwurf ab, dass die Christen an den gegenwärtigen Leiden der Welt 
schuld seien. Die fünf übrigen Bücher gehen zum Angriff gegen das 
Heidentum vor; zuerst wird in dem dritten, vierten und fünften Buch die 
Absurdität des Polytheismus dargethan, alsdann wird in den zwei letzten 
Büchern die Thorheit des heidnischen Kultus aufgedeckt. Spezifisch christ- 
liche Ideen erscheinen in dem Werk nicht oft; man gewinnt den Eindruck, 
dass der Verfasser sich noch gar nicht in die christliche Weltanschauung 
eingelebt hatte. Eine Berücksichtigung der hl. Schrift des neuen Testamentes 
lässt sich nur an zwei Stellen nachweisen.^) Auch in seiner Seelenlehre, die 
von jeher die grösste Aufmerksamkeit auf sich gezogen, setzt sich Arnobius 
mit den christlichen Anschauungen in Widerspruch. Er statuiert nämlich, 
wie wir gesehen haben, dass die menschlichen Seelen nicht unmittelbar 
mit Gott verwandt und die Geschöpfe eines niederen Wesens sind, ferner 
dass dieselben von Natur aus sterblich sind, aber durch die Güte Gottes 
die Unsterblichkeit erlangen können. Das Wesen der Seelen ist also eine 
gewisse Medietät, da sie sowohl zur Vernichtung als zur Verewigung ge- 
langen können. Der Autor legt auch in moralischer Hinsicht den 
höchsten Wert auf den Satz, dass man sich durch Befolgung der christ- 
lichen Lehren erst die Unsterblichkeit verdienen muss. Abgesehen von 

*) Rbivfebschbids Ausgabe p. 289. 



362 BAmisohe LüterAinrgeseliiohte. IL Di« Zeit der Moaarehie. 2. Abtmlsag. 

dieser Theorie, bietet die Schrift wenig neue Gedanken des Verfassers; er 
ist von fremden Autoritäten abhängig. Der Schwerpunkt des Werkes liegt 
in dem Negativen, in den Angriffen auf das Heidentum, und hier lag ihm 
eine vorzügliche Quelle vor. Der Autor zeigt sich nirgends als ein be- 
sonnener Forscher, der einen Gedanken in methodischer Beweisführung 
entwickelt; er geht vielmehr sprunghaft zu Werk und ermOdet den 
Leser durch seine im Übermass zur Anwendung gekommenen rhetorischen 
Kunstgriffe. Der Wortschwall ist ein sehr grosser; die Wortstellung eine 
verschrobene, der Wortschatz vielfach gesucht. Da der Verfasser noch 
kein inneres Verhältnis zum Christentum gewonnen hat, so strahlt keine 
Wärme aus seiner Darstellung zu uns herüber. Wir bleiben kalt; es 
spinnen sich keine Fäden zwischen uns und dem Autor. Die Schrift ist 
jedoch interessant, weil sie uns zeigt, wie sich ein gebildeter Mann in der 
damaligen Zeit mit dem Christentum abfinden konnte. Geschrieben wur- 
den die Bücher nicht lange nach der diocletianischen Christenverfolgung. 
Die letzte Feile haben sie nicht von der Hand des Verfassers erhalten, denn 
wir finden am Schluss einige Skizzen, welche nicht mehr in das Werk 
hineinverarbeitet wurden und welche einen Bück in die Werkstätte des 
Autors thun lassen. Gelesen wurde Amobius nicht viel; nur Hieronymus 
hat ihn genauer berücksichtigt. Das sogen. Decretum Gelasianum stellt den 
Autor in die Reihe der apokryphen. ^ Auf die Nachwelt ist Amobius nur 
durch eine Handschrift gekommen. 

Die AbfasBungszeit erhellt aus folgenden Stellen: 1,13 treeenti 8unt anni ferme 
minus rel plus aliquid, ex quo eoepimus esse Christiani et terrarum in orhe censeri. Ein 
Hinweis auf die diocletianische Christenverfolgung: 4, 36 Quod si haberet vos aliqua 
vestris pro reUgionibus indignatio, hos potius litteras vos exurere debuistis olim, libros 
istos demoUri (über diese Verbrennung der Bücher vgl. Euseb. hist, sechs. VIII, 2). Doch 
dass das Christentum noch nicht offiziell anerkannt war, beweisen die Worte: 2, 5 cum 
genera poenarum tanta sint a vobis proposita religionis huius sequentibus leges. Vgl. Ebbet, 
Geschiente der christlich-lateinischen Litteratur 1, 64 Anm. 5. 

Zur Komposition des Werkes. Wichtig sind die letzten Kapitel, in denen wir 
nach dem Epilog c. 87 noch Adversarien finden, in denen derselbe Gedanke anf mehr- 
fache Weise variiert wird. Es ist eine Materialsammlnng, die Amobius, da die Zeit drftngte, 
nicht mehr in das Werk hinein arbeitete, sondern am Schlüsse beifügte, vgl. Rbiffbbsghbid 
Ausg. p. XIV. 

Zur Quellen frage. Eine nach allen Seiten hin abschliessende Qnellenunter- 
suchung fehlt zur Zeit. Kettner (Cornelius Labeo, Ein Beitrag zur Quellenkritik des 
Amobius, Naumburg 1877) hat den Satz aufgestellt, dass Cornelius Labeo die Haupt- 
quelle, obwohl er nicht genannt wurde, für Arnobius gewesen ist. Dieses 
Ergebnis wurde bisher allgemein angenommen (z. B. von Kahl, Comelius Labeo (PhüoL 
iSupplementb. 5) p. 720, von Röbbicht, Die Seelenlehre p. 30 und Muelleneisen (de Cor- 
nelii Labeonis fragmentis, Marburg 1889); doch wird es neuerdings, ohne Angabe von 
Gründen, bestritten von Buresoh (Klares, Leipzig 1889, p. 54, 128). Ueber das Ver- 
hältnis des Arnobius zu Clemens von Alexandria handelt Röhbicht (De demente 
Älexandrino Arnobii in irridendo gentilium cüliu deorum auctore, Kiel 1892); über das 
Verhältnis des A. zu Lukrez vgL Röhbicht, Die Seelenlehre p. 2; über das Ver- 
hältnis des A. zu Plato vgL denselben p. 21. 

Litteratur: Leokblt, üeber des Amobius Schrift: adversus nationes, Programm 
von Neisse 1884; der Artikel von Jüliohbb in Panlys Real-Encyklopädie, Stattgart 
1895; Cbuttwell, a literarg history of early Christianity II (London 1893) p. 680; 
Fbamckb, Die Psychologie und Erkenntnislehre des Amobius, Leipzig 1878; Röhbicht, 
Die Seelenlehre des Amobius, Hamburg 1893; Gbillekbergeb, Studien zur Philosophie der 



^) Habnack, Gesch. der altchristl. Litt. 1, 735. 



L. Gaecilini Firmianas Laotaatins. 363 

patrist. Zeit II die Unsterblicfakeitslehre des Arnobius, Jahrb. f. Philos. u. spekul. Theologie 
Bd. 5 (1890) 1 ; Fbbfpbl, Cammodien, Arnobe, Laetance et autrei* fragmenta inMUs, Paris 1893. 
Die Ueberlieferang. Arnobius ist uns nur durch eine Handschrift erhalten, den 
cod. Paris 1661 s. IX. Es ist derselbe Codex, welcher uns nach den sieben Büchern des 
Arnobius als achtes den Octavius des Minucius Felix gibt. Aus diesem Codex publizierte, 
als er noch in Rom war, Faustus Sabaeus Brixianus im Jahre 1543 zum erstenmale den 
Arnobius. Von den folgenden Ausgaben nennen wir: Die Basler des Sigism. Qelenius 
V. J. 1546, die römische des Fvltius Ubsinus v. J. 1583 etc.; die Leidner des Cl. Salma- 
Bius ▼. J. 1651 und die OjSHLaa'sche (Leipz. 1846, XII. Bd. der Gersdorfschen biblioth, patr.) 
Die massgebende Ausgabe ist die von Rkiffeescbbio, Wien 1875. 

9. L. Gaecilius Firmianus Lactantius. 

762. Sein Leben. Auch Lactantius ist ein Afrikaner. Zwar hat 
es nicht an Versuchen gefehlt, ihn für Italien zu reklamieren, allein das, 
was man f&r diese Ansicht beigebracht, ist unhaltbar. Sein Lehrer ist 
Arnobius. Freilich in seinem Stil folgt er nicht dessen Spuren, sondern 
nimmt sich Cicero zum Vorbild. Auch erwähnt er nirgends seinen Lehrer 
in seinen Schriften. Lactantius wurde von heidnischen Eltern geboren 
und trat erst in reiferem Alter zum Christentum über; er hatte jahre- 
lang Rhetorik doziert; dem Christentum gewonnen, bereute er es tief, 
dass er die Jugend zur „arguta malitia" angeleitet habe. Dieser Über- 
tritt muss in Nikomedien erfolgt sein; dahin wurde er nämlich von Dio- 
cletian mit dem lateinischen Grammatiker Flavius berufen, um hier die 
lateinische Rhetorik zu lehren. Lange Zeit war er in dieser Weise thätig 
gewesen, als die diocletianische Verfolgung ausbrach (24. Februar 303), die 
seiner Wirksamkeit ein Ziel setzte. Als ängstlicher Mann hielt er sich 
in der Zeit der Verfolgung möglichst zurück und widmete seine nun ver- 
fügbar gewordenen Kräfte der Schriftstellerei. Schon früher hatte er 
litterarische Arbeiten produziert, jetzt schrieb er im Sinne des Christen- 
tums und für dasselbe. 

Das Hauptwerk seines Lebens waren die divinae instUutiones; die- 
selben wiurden in Nikomedien begonnen; als er aber das fünfte Buch schrieb, 
war er bereits ausserhalb Bithyniens; wohin er sich gewendet hatte, weiss 
man nicht. Wenn er, wie höchst wahrscheinlich, der Verfasser der 
Schrift de mortibus persecutorum ist, so muss er sich später (311 — 313) 
wieder in Bithynien befunden haben; ^ man wird also annehmen dürfen, 
dass er nach dem Toleranzedikt des Galerius nach Bithynien zurückkehrte 
und seine Lehrstelle wieder aufnahm. Im hohen Greisenalter wurde er von 
Constantin zum Erzieher seines Sohnes Crispus nach Gallien berufen. Über 
sein späteres Leben wissen wir nichts. 

Zeugnis des Hieronymus über das Leben des Lactantius. de vir. inl. 
c. 80 Firmianus qui et Lactantius, Arnobii discipulus, sub Diocietiano principe accitus 
cum Flavio grammatico, cuius de medicinalibus versu conpositi extant libri, Nicomediae 
rheioricam docuit ac penuria discipuiorum ob Graecam videlicet eivitatem ad scribendum 
se contutU. — hie extrema senectute magister Caesaris Crispi filii Constantini in Oallia 
fuit,^ qui postea apatre interfectus est; Cbronik ad a. Abr. 2333 = 317 nacb Chr. (Sohobnb 
p. 191) Crispus et Constantinus fUii Constantini et Licinius adulescens Licini Augusti 
filius Constantini ex sorore nepos Caesares appellantur . quorum Crispum Lactantius 



') De mort. pers. c. 35 und 48; vgl. Sebck, Gesch. des Untergangs der antiken 
Welt I, Berlin 1895 p. 429. 



364 Bömisolie LitteratiirgeBehiohte. ILDie Z^t.der.lIoiiArohie. 2. Abieüuig. 

Latinis Utteria erudivü vir omnium 9uo tempore eJoquentisHmus, sed adeo in hae riia 
pauper, ut pUrumque etiam necessariis indiguerit, 

Name. Hieronymus nennt ihn de vir. inl. c. 80 Firmianus gui et Laetantius. In 
dem Bononiensia zeigt die suhacriptio mehrerer Bflcher: L, Caeli Firmiani Lactanti, demnach 
wäre also der Name L. Caelius Firmianus Laetantius; aber andere allerdings etwas 
jüngere Handschriften haben Gaecilius (vgl. Bbandt, Ueber das Leben des LactantioB, 
Wiener Sitzungsber. 120 V p. 3). Entschieden wird die Frage dnrch eine numidisdie In- 
schrift des CIL. VIII 7241 D{is) Mianibus) L. Catcüius Firmianus v{ixU) a(nni») XXV 
h{ic) 8{itu8) e{8t). Das Cognomen Firmianus kann nicht eine Ableitung von Firmum in 
Picenam sein, denn eine solche ergibt nur Firmanus, sondern ist eine Weiterbildung von 
Firmus, wie Priscianus, Severianus Weiterbildungen von Priscus und Severus sind. 

Die afrikanische Heimat des Laetantius ergibt sich mit grdsster Wahrschein- 
lichkeit daraus, dass er Schnler des Amobius, der in Sicca die Rhetorik dozierte, war 
(Hieronym. c. 80), in Afrika ein Symposium als cuiulescentulus, femerein hodoeporicum j,Äfrica 
usque Nicomediam** schrieb. 

Lehrthätigkeit in Nikomedien. Dass L. unter Diocletian mit einem latein. 
Grammatiker Flavius nach Nikomedien als Lehrer der latein. Rhetorik berufen wurde, be- 
zeugt Hieronym. c. 80 und er selbst inst. 5, 2, 2. Ueber seine Lehrthätigkeit spricht er sich 
noch also aus: 1, 1, 8 professio iüa oratoria, in qua diu versati non ad virtutem, aed plane 
ad argutam malitiam iuvenes erudiebamus; 3, 13, 12 eloquens nunquam fui quippe qtU 
forum ne adtigerim quidem. 

Seinen späteren Uebertritt zum Christentum bezeugen die eben angeführte 
Stelle inst. 1, 1, 8 und Augustin de doctrina christ. 2, 61 nonne aspi^nmua, quanto auro et 
argento et veste suffarcinatus exierit de Äegypto Cyprianus doetor auavissimus et martgr 
beatisaimus, quanto Laetantius, quanto Victorinus, Optatua, Hilariua? Die Thatsache, dass 
die Israeliten beim Auszug aus Aegypten Gold und Silber von den Aegyptem mitgenommen, 
wird allegorisch hier auf die gedeutet, welche aus dem Heidentum ure Bildung mit ins 
Christentum hinübernahmen. 

Seine Abwesenheit von Bithynien. Als er das 5. Buch der inst schrieb, war 
er nicht mehr in Bithynien, vgl. 5, 2, 2 ego cum in Bithynia oratoriaa litteraa aceitua do- 
cerem; 5, 11, 15 vidi ego in Bithynia praeaidem gaudio mirabiiUer elatum tamquam bar- 
barorum gentem aliquam aubegiaaet, quod unua, qui per biennium magna virtute reaiiterat, 
poatremo cedere viaua eaaet, Kechnet man das biennium von dem Jahr des allgemeinen 
Opferzwangs (304) oder von dem Jahr 303, wo schon Christen eingekerkert worden, so 
kommt man in das Jahr 306 oder 305. Also um diese Zeit war L. noch in Bithynien. 
Aber das 5. Buch der inst, schrieb er nicht mehr in Bithynien. Dass die zwei erwämten 
Stellen nicht anders interpretiert werden können, als es hier geschehen, ist mir nicht 
zweifelhaft, und es wundert mich, dass Brandt diese Erklärung, die er früher selbst ge^ 
billigt, aufgegeben (Fleckeis. Jahrb. 147 [1893] p. 123). 

Ueber die Berufung nach Gallien besteht ein Streit unter den Gelehrten. 
Einige wollen die zwei oben citierien Stellen, welche die Abwesenheit des Laetantius von 
Bithynien voraussetzen, damit in Verbindung bringen; allein diese Ansiebt ist eine irrige, wie 
Sbeck, Gesch. des Unterg. der antiken Welt, I (Berlin 1895), p. 428 nachweist. Laetantius 
kann kaum vor 317, in welchem Jahr Crispus Caesar wurde, nach Gallien berufen worden 
sein. Vgl. dagegen Brandt, Fleckeis. Jahrb. 147 (1893) p. 133. 

Litteratur. Dieselbe verzeichnet Brandt in seiner Abhandlung «Ueber das Leben 
des Laetantius* (Sitzungsber. der Wiener Akad. 120 [1890] V p. 1 Anm. 6). 

753. Übersicht der Schriftstellerei des Laetantius. Über die 

Schriftstellerei des Laetantius liegt uns ein Bericht des Hieronymus vor. 
Wir sehen aus demselben, dass Laetantius ein ziemlich fruchtbarer Autor 
war. Von den bei Hieronymus aufgezählten Schriften hat sich nur ein 
Teil erhalten; die wichtigsten sind folgende Lehrschriften: 

1. De opificio dei vel formatione hominis ad Demetrianum 
auditorem suum; 

2. Divinarum institutionum libri Septem; 

3. De ira dei; 

4. Epitome divinarum institutionum. 

Die drei erstgenannten Schriften sind von dem Autor in einen gewissen 
Zusammenhang gebracht. Als er die Abhandlung de opificio schrieb, war 



L. Caeoilins Firmianiia LaötantiuB« 365 

er bereits mit den divinae institutiones beschäftigt. In den Institutionen 
kündigt er die Schrift de ira dei an. Hiezu kommt noch ein Fragment 
de motibus animae. Weiterhin werden Lactantius Werke zugesprochen, 
deren Echtheit von anderen bestritten wird; es ist dies besonders die 
Schrift de mortibus persecutorum und das Gedicht de Fhoenice. Wir werden 
zuerst von den erhaltenen Schriften handeln; dann von den verlorenen, 
endlich von den angezweifelten. 

HieroDymus aber die Schriftstellerei des Lactantius. (De vir. inl. c. 80) 
Hdbemus eins Symposium quod adulescentulus scripsit Africae, et hodoeporicum Afriea 
usque Nicamediam hexametris scriptum versihuSj et alium librum, qui inscribitur Gram- 
fnatieus et pulcherrimum de ira Dei et institutionum divinarum adversus 
gentes Itbros Septem et ijutofi^y eiusdem aperis, librum unum dxä<paXot^ et ad Ascle^ 
piadem libros duos, de persecutione librum unum, ad Prob um epistularum libros 
quattuor, ad Se verum epistularum libros duos, ad Demetrianum auditoi'em suum epi- 
stularum libros duos, ad eundem de opificio dei vel formatione hominis librum 
unum (vgl. Bbasdt, Ausgabe II, 1 p. 161). 

Zeitfolge der erhaltenen Schriften. Die Schrift de opificio dei geht den 
Institutionen voraus. Inst. 2, 10, 15 quam {materiam sc. de Providentia) ego nunc idcirco 
praetereo, quia nuper proprium de ea re librum ad Demetrianum auditorem meum scripsi. 
Anderseits wird de opificio dei auf die Inst, als kttnftig erscheinende Schrift verwiesen 
(15,6; 20,2). Die Schrift de ira dei ist nach den Inst, verfasst worden, sie wird in den- 
selben erat in Aussicht gestellt. 2, 17, 4 sed seponatur interim nobis hie locus de ira dei 
disserendi, quod et uberior est materia et opere proprio latius exequenda, 

er) Erhaltene Schriften. 

754. De opificio DeL Diese Schrift ist an Demetrianus gerichtet. 
Dieser war ein früherer Zuhörer des Lactantius und lebte jetzt in guten 
Verhältnissen. Lactantius, der das Wohl seines Schülers auch nach dem 
Austritt desselben aus der Schule im Auge behielt, fürchtete, derselbe 
möchte in seiner äusseren glücklichen Lage die Güter des Geistes hintan- 
setzen; der Geist sei aber doch der wahre Mensch, der Leib nur dessen 
Gefäss. Dies veranlasst Lactantius, an den ehemaligen Schüler eine Schrift 
zu richten, in der er ihm die beiden Seiten des Menschen, Leib und Seele, 
darlegt. Ehe er zum eigentlichen Thema übergeht, schickt er eine sach- 
liche Einleitung voraus (c. 2 — 4). In derselben werden die Gedanken aus- 
geführt, dass Gott dem Menschen die Vernunft zum Schutze gegeben, 
während er den Tieren körperliche Mittel zum Zweck der Erhaltung ver- 
liehen habe; die Klage sei nicht berechtigt, dass die Vorsehung die 
Menschen im Gegensatz zu den Tieren schlechter gestellt habe. Auch die 
andere Klage, der Mensch sei Krankheiten und einem frühen Tod ausge- 
setzt, müsse zurückgewiesen werden. Schon hier deutet der Schrift- 
steller auf das Walten der Vorsehung beim Menschen hin. Um diese 
göttliche Vorsehung noch genauer darzulegen, will er jetzt den Bau des 
meöschlichen Körpers erörtern. Er gibt daher (c. 5—13) zuerst eine ana- 
tomische und physiologische Beschreibung des menschlichen Leibes. Er 
schildert das Knochengerüst und dann die einzelnen Teile des Körpers 
vom Kopfe anfangend. Mit Kapitel 14 geht er zur Seele über; eine Reihe 
von psychologischen Fragen wird hier behandelt und zwar fast durch- 
weg vom skeptischen Standpunkte aus; dieser Teil reicht bis zum 
Kapitel 19. Das Schlusskapitel 20 ist wieder persönlich gehalten; der 
Verfasser kündigt dem Demetrianus ein grosses Werk an, in dem die Philor 



366 ftömtaolie LÜteratnrgeBohiokte« tl. Die 2eit der Monarohie. 2. Abteilimg. 



sophen, diese Feinde der Wahrheit, bekämpft werden sollen ; er weist mit 
diesen Worten auf die divinae instüutiones hin. 

Charakteristisch ist für die Schrift, dass alles Christliche bei Seite ge- 
setzt wird; nur an einer einzigen Stelle') kann man eine sehr versteckte 
Anspielung auf eine christliche Lehre finden. Offenbar wurde Lactantius 
zu dieser vorsichtigen Haltung durch die diocletianische Christenverfolgung, 
aufweiche 1,7; 20, 1 angespielt wird, veranlasst. Das Werkchen hat daher 
einen vorwiegend philosophischen Charakter und führt sich selbst als eine 
Ergänzung zum lY. Buch der Republik Ciceros ein, die dem Autor auch 
deshalb geboten schien, weil Cicero jene Lücke auch im ersten Buch de 
legibus und im zweiten Buch de natura deorum nicht ausgef&Ut habe. 

Quellen. Brandt, Ueber die Quellen von Lactanz' Schrift de opificio dei (Wiener 
Studien XlII 1891 p. 255). Brandt sucht nachzuweisen, dass in dem ersten Teile (c. 5 
bis 13) des Buches so viele Stücke hermetischen Ursprungs enthalten sind, dass es nicht 
mehr möglich ist, Varro als einzige oder als Hauptquelle für denselben zu betrachten 
(p. 275). Bezüglich des zweiten Teils kommt Brandt zu einem negativen Resultat; nur 
so viel glaubt er feststellen zu können ,dass Varro hier nicht als direkte oder indirekte 
Quelle gedient haben kann, und dass doch Lactantius diesen Abschnitt aus irgend einer 
Vorlage entlehnt haben muss, die jedoch auch nicht die hermetische Schrift gewesen ist* 
(p. 285). Aus diesen beiden Quellen, von denen die erste teleologischen, die zweite 
nichtteleologischen Charakter hat, sei die Schrift von Lactantius zusammengesetzt Nur die 
Kap. 3 n. 4, das Kap. 6 und Kap. 8, 12—14 wiesen auf eine andere Quelle hin. Hiezu 
kämen noch einige Stellen, welcne sich an Cicero anlehnen (p. 289). Die Richtigkeit der 
Brandt'schen Resultate scheint mir zweifelhaft. 

Zur Gliederung der Schrift. Im Eingang (1, 11) wird das Thema mit den Worten 
angekündigt: temptabo tarnen, qucniam corporis et animi facta metUio est, utrius^ue ratumem 
quantum pusUlitas inteUegeniiae mea percidet, explieare. Vom ersten zum zweiten Teil 
leiten die Worte über (13, 9): explicasse videor omnia quorum ratio inteflegi potest: nunc ad ea 
venio quae vel dubia vel obscura sunt. Am Schluss der sachlichen Einleitung wird das 
Thema nochmals genauer formuliert; es heisst dort: 4, 23 de cuius (providentiae) operibu^ 
universis si nunc libeat disputare per ordinem, infinita maieria est. sed ego de uno cor- 
pore hominis tantutn institui dicere, ut in eo divinae providentiae potestatem quanta fuerit 
ostendam, his dumtaxat in rebus, quae sunt conprehensibHes et apertae: nam Wa quae 
sunt animi, nee subici oculis nee conprehendi queunt. nunc de ipso vase hominis loquimur, 
quod videmus. Eine ausführliche Analvse der Schrift gibt Habnaok, Texte u. Untersuch, 
(die griech. Uebers. des Apologeticus Tertullian's, Medicinisches aus der alt. Kirchengesch. 
8. [1892] p. 89). 

Ueber den in manchen Handschriften erscheinenden dualistischen Zusatz (19, 8) 
vgl. Brandt, Sitzungsber. der Wiener Ak., Bd. 118 Abb. VIII p. 20 f. 

Zeit der Abfassung. Dass die Schrift nach Ausbruch der diodetianischen Ver- 
folgung (24. Februar 303) geschrieben ist, beweisen die Stellen 1, 1 quam minime sim 
quietus in summis necessitatibus; 1,7 nam iüe conluctator et adpersarius noster scis 
quam sit astutus et idem saepe violentus sieuti nunc videmus; 20, 1 haec ad te, De- 
metriane, interim paucis et obscurius fortasse, quam deeuit, pro rerum ae temporis 
neeessitate peroravi. Doch entstand die Schrift nicht unmittelbar nach dem Ausbruch 
der Verfolgung, sondern erst etwas später; denn als Lactantius das Werkchen schrieb, trag 
er sich bereits mit dem Plane der institutiones; die Anregung zu den letzteren gaben aber 
zwei Bestreitungen des Christentums, deren Erscheinen in die Anfangszeit der Verfolgung 
fällt; inst. V, 2, 2 sagt er: ego cum in Bithynia oratorias litteras aceitus docerem contigisset- 
que ut eodem tempore dei templum everteretur, duo extiterunt ibidem qui ia- 
centi atque abiectae veritati nescio utrum superbius an inportunius insuUarent. Mit den 
Worten templum everteretur muss auf ein in Bithynien allgemein bekanntes Ereignis an- 
gespielt sein ; wie wir aus der Schrift de mort. persec. ersehen, wurde am 23. Februar 303 
^ie christliche Kirche in Nikomedien zerstört (c. 12 templum illud ediitssimum paucis horis 
solo adaequarunt); diese Zerstörung der Kirche in Nikomedien bildet aber den Anfang der 



*) c. 10,11 ut sicut in ipso mundo summa 
rerum vel de simplici duplex vel de 
duplici Simplex et gubernat et cotitinet 



totum, ita in corpore de duobus universa 
conpacta indissociabilem praetenderent um- 
totem. 



L. Caedlii» FirmiannB Laotantina. 367 

diocletiaDiscIien Christenverfolgung. Eine bildliche Erklärung der Stelle templum dei im 
Sinn von «Gläubigen der Kirche* wie Huvzikeb in BUdinger's Unters. II. (1868) p. 162 
annimmt, erscheint unnatürlich. Die zwei Streitschriften können nach obiger Stelle höch- 
stens einige Monate nach Ausbruch der Verfolgung erschienen sein, und folglich kann 
auch nicht viel später Lactantius den Plan zu den institutiones gefasst haben; ehe er 
aber diesen ausführte, schrieb er noch unsem Traktat de opificio. Mit einiger Wahrscheinlich- 
keit wird man sonach die Abfassung desselben Ende 308 oder anfangs 804 setzen können. Die 
vielfach mit grosser Sicherheit über die Abfassungszeit ausgesprochenen Ansichten, z. B. von 
Bblsbr, Theol. Quartalschrift 74 (1892) p. 348; Brandt, Fleckeis. Jahrb. 147 (1893) p. 127 
sind entweder schwach oder gar nicht fundamentiert. Vgl. über die Frage noch Ebert, 
Ber. über die Verb, der k. Sachs. Gesellsch. der Wissensch., 22. Bd. (1870) p. 128. 

Ueberlieferung der Schrift. Benutzt wurden von Brandt besonders codex 
Banoniensis 701 s. VI/VII; fragmenta Flariacensia s. Vl/VII codicis Aurelianensia 169; 
Palatino-Vaticanus 161 s. VIII/IX; Mantepessulanus 241 s. IX/X; Parisinus 1664 s. XII; 
Parisinus Puteani 1662 s. IX; Valentianensis 141 s. VIII/IX. 

756. Äussere Geschichte der Institutionell. Als Lactantius in 
Nikomedien die lateinische Rhetorik dozierte, brach eine Verfolgung aus, 
unter der die Christen schwer zu leiden hatten. Aber nicht bloss die 
rohe Gewalt wütetiB gegen sie, auch mit geistigen Wa£fen ging man gegen 
sie vor. Es traten zwei Schriftsteller auf, welche gegen das Christentum 
schrieben. Lactantius nennt sie nicht, aber er charakterisiert so ein- 
gebend ihre Werke, dass wir uns ein bestimmtes Bild von den Persönlich- 
keiten machen können. Der eine war ein Philosoph. Allein zwischen seinen 
Lehren und seinem Leben bestand eine auffallende Disharmonie; er war 
einerseits habgierig, andrerseits ein Schlemmer; nach aussen hin freilich 
suchte er seine Laster zu verbergen. Er schrieb drei Bücher gegen das 
Christentum; in denselben wollte er durch die Philosophie die Christen zu 
dem Götterkultus zurückführen. Zugleich pries er in adulatorischer Weise 
die Kaiser wegen ihrer Fürsorge für die alte Religion. Allein der Be- 
streiter hatte keine sachlichen Kenntnisse, und Lactantius konnte daher 
seiner spotten. Viel gefährlicher war der zweite Gegner der Christen, er 
gehörte dem Richterstand an und war Haupturheber der Christenver- 
folgung. Er war ein überzeugter Feind des Christentums ; deshalb suchte 
er auch auf litterarischem Wege die Christen von ihrem Irrtum abzu- 
bringen. Als das geeignetste Mittel hiefür erschien ihm ein Angriff auf 
das Centrum des christlichen Glaubens, auf die hl. Schrift, den er in zwei 
Büchern durchführte. Er wollte auffallende Widersprüche in derselben 
finden, er beschuldigte die Apostel, die falschen Lehren eingeführt zu 
haben, andrerseits spottete er über ihre Unbildung, er schmähte Christus 
als einen Räuberhauptmann und hielt denen, welche an die Wunder 
Christi glaubten, Apollonius entgegen, da derselbe ja noch grössere Wunder 
vollbracht habe. Lactantius musste zu seinem Schmerz einer Vorlesung 
dieser Schriften beiwohnen. Diese Angriffe gegen das Christentum be- 
stimmten ihn zu dem Entschluss, eine Apologie des Christentums zu 
schreiben. Hiebei war es ihm nicht nur um Wiederlegüng der zwei ge- 
nannten Schriften zu thun, sondern er wollte überhaupt allen ^Bestreitungen 
des Christentums ein für allemal jeden Boden entziehen, um dieses Ziel 
zu erreichen, durfte er nicht wie Cyprian in den testimania die heilige 
Schrift zur Grundlage nehmen, sondern er musste von aUgemeinen und 
philosophischen Beweisen ausgehen. Die Schrift verdankt also ihre Ent- 
stehung einer Christenverfolgung. Dass darunter die diocletianische, nicht 



368 ttömisohe LitieratiirgeBohioliie. U. Die SSeit der Monarohie. 2. Abteilung. 

die licinianische zu verstehen sei, ist jetzt die allgemeine Annahme. Diese 
begann am 24. .Februar 303. Da aber Lactantius erst de opificio dei 
schrieb, da femer auch die erwähnten zwei Streitschriften geschrieben 
waren, so muss einige Zeit nach dem 24. Februar verflossen sein, ehe 
er die institutiones in Angriff nahm. Als er das sechste Buch verfasste, 
war das Edikt des Galerius (311) noch nicht publiziert. Wir werden so- 
nach die Abfassungszeit des ganzen Werks in die Zeit von 304 — 311 ver- 
legen dürfen. 

Ueber die zwei Beatreiter des Christentuma aind nur Vermatiingen mög- 
lich. Bei dem eraten Beatreiter, dem Philoaophen, hat man an Porphjrina gedacht 
(Baroniua Annal. eccles. II 853 ed. Pagiua). Allein Porphyriua kann hier nicht gemeint sein, 
denn deaaen antichriatliche Schrift beatand aua 15 Büchern; auch wird Porph3rriua damals 
kaum mehr am Leben geweaen aein fHABNACK, Geaoh. der altchriatl. Litt 1, 878). Als den 
zweiten Beatreiter, den Richter, aient man Hieroklea an (vgl. auch de mortibns persecu- 
torum \^ ex picario praesidem, qui auetor et conailiarius ad faciendam perseeutianem fuU), 
gegen den Eusebiua in einer eigenen Schrift polemiaiert hat (Habnack p. 873, p. 564). 

Ueber die .diocletianiache Verfolgung ala Anlaaa zur Abfasaung der 
Institutionen vgl. Brandt, Sitzungaber. der Wien. Akad. 125 (1892), VI p. 12. 

Ueber die Abfaaaungazeit der Inatitutionen handeln Ebbrt, Berichte der k. 
aächa. Geaellach. der Wiaaenach. 22. Bd. (1870) p. 123; P. Meybb, Quaestionum Ladantia- 
narum partictda prinia^ Jülich 1878 (Gymn.-Progr.) p. 3; Bbakdt, Ueber die Entstehungs- 
verhältnisae der Proaaachriften dea Lactantiua, Wiener Sitzungsberichte 125, VI (1892), 
p. 11; Bblsbb, Ueber den Verfasaer dea Buchea de mortibua persectUorum, Theol. Quartal- 
achrift 74. Jahrgang (1892) p. 248; Bbandt, Ueber den Verfasser des Buches de mor- 
tibu8 persecutorum, Fleckeisens Jahrbücher 147 tl893) p. 126 (gegen Belser gerichtet). 
Da Lactantius in der Schrift de opificio c. 20 auf die Institutionen als auf ein inten- 
diertes Werk hinweist, das Werkchen de opificio aber nicht vor 304 abgefasst sein kann 
(vgl. oben p. 366), so fällt der Anfang der Institutionen nicht vor 304. Begonnen wurde 
die Schrift in Nikomedien; als L. das 5. Buch schrieb, befand er sich nicht mehr in Bi- 
thvnien vgl. Instit. V, 2, 2; V, 11, 15. Es fragt sich nun, wann etwa das Werk zum Ab- 
schluss kam. Hier lässt sich soviel sicher sagen, dass das VI. Buch geschrieben sein 
muss, bevor das im Jahr 310 abgefaaate Toleranzedikt dea Galeriua erachien, was im Jahr 
311 der Fall war; denn VI, 17, 6 heiaat ea: spectatae sunt enim aemper spectanturque 
adhuc per orbem poenae ctätorum dei. Da ea nun kaum wahracheinlicn ist, dass das 
VII. Buch durch ein längeres Zeitintervall von dem VI. getrennt ist, so werden wir den 
Endtermin des ganzen Werks auf 311 ansetzen dürfen. Die Abfassungszeit liegt also 
zwischen 304—11. (Ueber die Abfaaaungazeit dea 5. Buchea handelt eingehender Ebebt 
1. c. p. 129.) Beatimmtere Angaben machen Bbandt, der zuerat (1892) 307 oder 308, später 
(1893) 309 das Werk abgeschlossen sein lässt, und Bblsbb, der den Abschluss auf 
Ende 310 oder Anfang 311 setzt und das Jahr 311 als das Jahr der Publikation in An- 
spruch nimmt; allein die Beweise sind nicht durchschlagend. 

766. Inlialtsübersicht der Institutiones. Vor allen Dingen ist es 
dem Autor darum zu thun, die religiösen Irrtümer der Menschen aufzu- 
decken. Liegen diese offen vor, so ist damit das Haupthindernis in der 
Erkenntnis der christlichen Wahrheit hinweggeräumt. Der fundamentalste 
Irrtum ist aber der Polytheismus; Lactantius muss daher in erster Linie 
den Nachweis liefern, dass es nur einen Oott geben kann. Er geht zu- 
erst auf dem Wege der logischen Argumentation vor; aus dem Begriff 
des göttlichen Wesens als der höchsten Vollkommenheit schUesst er, dass 
dasselbe ein Zweites ausschliesst; denn in diesem Fall ist ja nicht mehr 
die höchste göttliche Vollkommenheit gegeben. Alsdann schlägt er das 
historische Argumentationsverfahren ein; er zeigt an der Hand der Pro- 
pheten, der Dichter, der Philosophen, der sibyllinischen Orakelsprüche, dass 
hier klare Zeugnisse für den Monotheismus vorliegen. Von da schreitet 
Lactantius zur Offensive gegen den Polytheismus vor, indem er zu er- 



L. Caeoilins Firmianns Laetantias. 369 

weisen sucht, dass die heidnischen Götter Menschen waren. Mit dem Be- 
griff des wahren Gottes ist aber der Begriff der Ewigkeit unlösbar ver- 
bunden, folglich ist auch der Geschlechtsunterschied und die Zeugung hier 
ausgeschlossen. Es werden die einzelnen Gottheiten von diesem Gesichts- 
punkt aus eingehend besprochen, und der Apologet nimmt sein Material mit 
Vorliebe aus dem rationalistischen Werk des Euhemeros, das ihm in einer 
prosaischen Bearbeitung des Ennius vorlag. Den römischen Gottheiten 
wird ein eigener Abschnitt gewidmet; der Autor lässt sich natürlich 
nicht die Gelegenheit entgehen, die schändlichen Göttergeschichten heran- 
zuziehen; auch die physische Erklärung der Götter verwirft er. Nach 
den Göttern behandelt er die Kulte. Zum Schluss versucht er den Nach- 
weis der Geburtszeit des Satumus, des Ahnherrn der ganzen Götterfamilie 
festzustellen, und glaubt offenbar damit einen Hauptschlag gegen den 
Polytheismus geführt zu haben. Dies ist der Inhalt des ersten Buchs, 
das die Überschrift de falsa religione führt. 

Im zweiten Buch, das de origine erroris betitelt ist, will Lactantius 
den Ursachen des Polytheismus nachspüren. Er schickt aber auch Be- 
trachtungen, welche das Widersinnige der heidnischen Gottesverehrung 
darthun, voraus; er spricht von der Bestimmung des Menschen, den schon 
sein aufrechter Gang nach oben zum Himmel weist; er zeigt in längerer 
Argumentation, wie sinnlos die Verehrung der Statuen sei, die, selbst ein 
Erzeugnis der Menschenhand, sicherlich dem Verfertiger nachstünden, 
welche, dem Stoffe nach Erde, allen irdischen Schicksalen ausgesetzt 
seien, also gestohlen, verbrannt und vernichtet werden könnten, und 
welche die ihnen dargebrachten Ehrungen nicht zu fühlen vermöchten. 
Dann bekämpft der Autor die Verehrung der Sterne als göttlicher Wesen ; 
gerade in dem, was andere hiefür geltend machen, in der gesetzmässigen 
Bewegung, findet er ein Argument gegen die Göttlichkeit, welche die Frei- 
heit für sich in Anspruch nimmt. Nach dieser Einleitung kommt er zum 
eigentlichen Gegenstand des Buchs und legt sich die Frage vor, wie es 
komme, dass die Götter ihre Majestät in Prodigien, Orakeln und Augurien 
dokumentieren: Das Faktum will Lactantius nicht leugnen, er gibt aber 
dafür eine andere Erklärung; er erblickt nämlich hier das Walten der 
Dämonen. Um den Ursprung derselben aufzudecken, muss er auf die 
Schöpfungsgeschichte eingehen, verschiedene Materien, welche mit der 
heidnischen Anschauung im Widerspruch stehen, die Schöpfung aus nichts, 
die Erschaffung des Menschen werden eingehender besprochen. Das für 
für die Entscheidung der vorliegenden Frage Wesentliche ist: Gott er- 
zeugte vor der Erschaffung der Welt einen sich ähnlichen Geist, einen 
Sohn, der die Tugenden des Vaters besass ; ein zweiter Geist, den er auch 
erschuf, blieb dem göttlichen Ursprung nicht treu; es ist der Teufel. 
Dieser sinnt auf das Verderben der Menschen. Zu ihrem Schutze sandte 
Gott die Engel, wobei er ihnen zugleich den Befehl erteilte, sich von mensch- 
licher Befleckung frei zu halten. Allein der Teufel verleitete sie dazu, 
sich mit Frauen einzulassen. Diese Vermischung hatte zur Folge, dass 
sie vom Himmel auf die Erde verwiesen wurden und nun als Gehilfen 
des Teufels thätig sind. Die Sprossen dieser gefallenen Engel sind 

BftQdbach der klaM. Altertiunswünenschaft. VIII. 3, T«U, 2i 



372 Römiache Litteratargettohiohte. ll. Die Zeit der Monarohie. 2. Abteilung. 

wie der Mensch sich die rechte Gesinnung aneignen könne, knüpft er an die 
aus der heidnischen Litteratur bekannten zwei Wege an, nur dass er sie in 
christlichem Sinne deutet. Der eine Weg ist beschwerlich, führt aber in 
den Himmel, der andere ist anmutig, führt aber in die Holle. Dort winkt 
ewiger Lohn, hier ewige Strafe; auf dem ersten ist der Führer Gott, auf 
dem zweiten der Teufel. Was hat aber der Mensch zu thun, um die 
ewige Freude zu erlangen? Er hat sich der christlichen Tugend hinzu- 
geben, diese besteht aber darin, dass man Gott erkennt und ihn allein 
verehrt. Die Philosophen, welche keine wahre Gotteserkenntnis besassen, 
konnten infolgedessen auch nicht den wahren Tugendbegriff gewinnen. 
Nachdem der Verfasser das Verhältnis des Menschen zu Gott dargelegt, 
erörtert er die Beziehung, in der die Menschen zu einander stehen. Die 
Grundlage ist die humanitds, welche uns gebietet, unsere Mitmenschen zu 
lieben und jedes Unrecht gegen dieselben untersagt. Im einzelnen er- 
geben sich die Pflichten erstens der Gastfreundschaft, zweitens der Aus- 
lösung der Gefangenen, drittens der Unterstützung der Witwen und 
Waisen, viertens der Sorge für die Kranken, fünftens der Bestattung der 
Fremden und Armen. Das letzte Gebot ist den Heiden ganz unbekannt 
Der Lohn soll nicht im zeitlichen, sondern im ewigen Leben erwartet 
werden. Hier ist die Grenze, durch die sich Philosophie und Christentum 
scheiden. Die Philosophie muss den zeitweiligen Nutzen bei den Hand- 
lungen ins Auge fassen, das Christentum blickt nur auf die göttliche Ver- 
geltung; dort ist scheinbare Klugheit, hier scheinbare Thorheit. Aber 
auch der Christ rechnet, durch die Erfüllung jener Gebote sichert er sich 
die Tilgung der Sünden des Fleisches. Alsdann schreitet Lactantius zur 
Betrachtung der Affekte, welche die Stoiker ganz ausgerottet wissen 
wollen, während sie die Peripatetiker anerkennen, aber ihnen ein be- 
stimmtes Mass setzen. Nach der Ansicht unseres Autors sind die Af- 
fekte an und für sich nicht verwerf Uch, sie werden es nur durch die ver- 
kehrte Anwendung. So ist die Furcht durchaus heilsam, wenn sie die 
Furcht Gottes ist; und die Begierde ist zulässig, wenn sie sich als Ziel 
das Himmlische steckt. Im folgenden wendet er sich in eingehender Be- 
trachtung gegen die Lüste der fünf Sinne, besonders sind es die Schau- 
spiele und die Unzucht, die er aufs schärfste bekämpft. Am Schluss 
kommt Lactantius wieder auf die Gottesverehrung. Die Gabe, die man 
Gott darbringen muss, ist die Reinheit des Herzens, das Opfer besteht in 
seinem Lob. Der Christ muss ständig mit Gott in geistiger Beziehung 
bleiben, und sein Herz als Tempel Gottes herrichten. 

Im siebenten Buch, welches de vita beata betitelt ist, wird der 
Schlussstein für die ganze Betrachtung gelegt. Diesen Schlussstein bildet 
im christlichen Leben die Unsterblichkeit. Seine Erörterungen beginnt 
Lactantius mit der Welt und stellt den Satz auf, dass sie von Gott wegen 
des Menschen geschaffen worden sei, der Mensch aber zur Verehrung 
Gottes. Den Lohn für diese Verehrung erhalte er durch die Unsterblich- 
keit, die ihn in den Stand setze, ewig Gott zu dienen. Für die Unsterb- 
lichkeit der Seele bringt der Autor noch eine Reihe von Argumenten vor, 
;. B. dass der Mensch allein den Gottesbegriff habe, dass er allein die 



L. Caecilins Firmianna Laotantins. 373 

Tugend besitze u. s. w. Auch Einwände werden nicht ausser acht ge- 
lassen. Der Schwerpunkt des ganzen Buchs liegt in der phantastischen 
Darstellung der letzten Dinge. Wir führen nur einige Grundzüge an. 
Wie nach sechs Tagen ein Ruhetag folgt, so folgt auf sechs grosse Tage, 
von denen jeder 1000 Jahre umfasst, ein siebenter, ebenfalls tausend Jahre 
umfassender Tag, der das Reich Gottes bringen wird. Dann wird alle 
Bosheit auf der Erde getilgt sein und überall die Gerechtigkeit herrschen. 
Von diesem tausendjährigen Reich trennen uns noch etwa 200 Jahre. 
Eingeleitet wird dasselbe durch grosse Revolutionen und durch die Herr- 
schaft des Antichrist. Nach seiner Besiegung wird Christus ein Gericht 
halten über die, welche Gott kannten, und das tausendjährige Reich nimmt 
seinen Anfang. Nach Ablauf desselben werden sich nochmals die Gott- 
losen gegen die heilige Gemeinde erheben, dann wird das letzte Gericht 
abgehalten, die Welt wird erneuert, die Gerechten werden in Engel ver- 
wandelt, die Ungerechten werden auferweckt, um in die ewige Pein ein- 
zugehen. 

Zur Charakteristik des Werks. Ueber den Titel. 1,1,12 et si quidam 
prudentes et arbitri aequitatis institutianes civilis iuris conpositas ediderunt, quibus eivium 
dissidetUium liies contentionesque sopirent, qaanto melius nos et rectius divifUM institiUiones 
litteris per*equemur, in quibus non de stiUicidiis aut aquis arcendis aut de manu con^ 
serenda, sed de spe, de vita, de salute, de immortalitate, de deo loquemur, ut superstitiones 
mortiferas erroresque turpissimos sopiamus? 

Ueber die Darstellung vgl. 1, 1, 10 muUum tamen nobis exercitatio Wa fictarum 
litium cantulit, ut nunc maiare copia et facuUate dieendi causam veritatis peroremus . quae 
licet possit sine eloquentia defendi, ut est a muHis saepe defensa, tamen claritate ac nitore 
sermonis inliMtranda et quodammodo adserenda est, ut potentius in animos influat et vi sua 
instructa et luce orationis omata, 

Ueber das Ziel. 5, 1,9» lu^rari hos a morte, ad quam cancitatissime tendunt, 
non potuerimus, si ab illo itinere devio ad vitam lucemque revocare, quoniam ipsi saluti 
suae repugnant, nostros tamen eonfirmabimus, quorum non est stabilis ac sölidis radicibus 
fundata et fixa sententia . nutant enim plurimi ac maxime qui litterarum aliquid attige- 
runt . nam et in hoc philosophi et oratores et poetae perniciosi sunt, quod incautos animos 
facile inretire possunt suavUcUe sermonis et carminum dulci modulatione currentium . ob 
eamque causam volui sapientiam cum religione conjungere, ne quid studiosis inanis iVa 
doctrina possit officere, ut iam scientia litterarum non modo nihil noceat religioni atque 
iustitiae, sed etiam prosit quam plurimum, si is qui ea didicerit, sit in virtutibus instructiof\ 
in reritate sapientior . praeterea etiamsi nulli alii, nobis certe proderit: delectabit se con- 
scientia, gaudebitque mens in veritatis se luce versari, quod est animae pabulum incredibili 
quadam iucundidate perfusum . verum non est desperandum, fortasse non canimus surdis, 
nee enim tam in mcdo statu res est, ut desint sanae mentes, quibus et veritas placeat et 
monstratum sibi rectum iter et videant et sequantur . circumlinatur modo poculum caelesti 
melle sapientiae, ut possint ab inprudentibus amara remedia sine offensione potari, dum 
inliciens prima dulcedo aeerbitatem saporis asperi sub praetexto suavitatis occuUat, 

Die Ueberlieferung der divinae institutiones beruht auf dem Bononiensis 
nr. 701 8. VI/V II, dem Sangallensis rescriptus nr. 213 s. VI/VIT, welche auf eine Quelle 
zurückgehen, dem codex Parisinus nr. 1663 s. IX mit einem aus einer Handschrift von 
Pleinpied ergänzten Stfick, dem Pcdatino-Vaticanus nr. 161 s. X, dem mit ihm aufs engste 
verwandten Montepessulanus nr. 241 s. X (die ersten 8 Blätter s. XV sind später hinzugefQgt), 
dem Parisinus 1662 s. IX, dem Valentianensis 140 s. X XI, dem Parisinus 1664 zum 
Teil 8. XII, zum Teil s. XV, dem Casinensis 595 s. XI'XII (vgl. Brandt, Prolegomena 
p. LI), dem Gothanus membr. I 55 s. XlVy'XV. Die jüngeren Handschriften sind sehr 
zahlreich. Vgl. Wissowa, Qött Gel. Anz. nr. 7 (1895) p. 518. 

Ueber die Zusätze. In den Text der Institutionen sind Zusätze dop- 
pelter Art eingedrungen; einmal Erweiterungen in Bezug auf den Inhalt (die sog. dua- 
listischen Zusätze); es sind dies drei Hauptstellen: inst. 2, 8, 7 p. 130, 5; 7, 5, 27 p. 602, 2; 
de opificio dei 19, 8 (kleinere Einschübe inst. 2, 8, 3 p. 129, 9; 2, 8, 4 p. 129, 13; 2, 8, 5 
p. 130, 2 und 4). Weiterhin sind Zusätze gemacht worden, welche für den Kaiser Con- 



374 BOmische Litteratnrgesohichte. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilnag. 

Btaniin bestimmt sind (die sog. panegyrischen Zusätze); es sind folgende: inst. 1, 1, 12 
p. 4, 10 werden durch den Zusatz die Institutionen Gonstantin gewidmet; 7, 27, 2 p. 668, 5 
wird das, was an der ersten Stelle als Wunsch vorgetragen wnrde, als erfüllt dargestellt. 
Ausser diesen beiden Hauptstellen sind kflrzere Anreden eingeeehoben worden : 2, 1, 2 
p. 95, 13; 3, 1, 1 p. 177, 3; 4, 1, 1 p. 274, 3; 6, 3, 1 p. 485, 6. — Die Zusfttze finden sich in 
den älteren Handschriften nur teilweise. Vgl. § 766 p. 388. 

Litteratur: Brandt, in den Proleg. zu seiner Ausgabe; ferner dessen Abhandinngen: 
Der St. Galler Palimpsest der div. inst, des Lactantius (Sitzungsber. der Wiener Akad. 
108 [1884] p. 231). Ueber die dualist Zusätze und die Kaiaeranreden bei Lactantius 
(Sitzungsber. der Wiener Akad., 118 [1889] Abh. VIII; 119 [1889] Abb. I). 

767. Die Epitome, Von dem grossen Werk der divinae instüutiones 
lag dem EUeronymus auch eine Epitome vor; dieselbe war aber axatpalo^, 
d. h. im Eingang verstümmelt. Diese verstümmelte Epitome ist auf die 
Nachwelt gekommen. Sie ist uns in zahlreichen, meist jüngeren Codices 
erhalten; die massgebenden sind aber zwei ältere, der Bononiensis (701) aus 
dem 6. oder 7. Jahrhundert der von der Epitome c. 51 bis zum Schluss 
(c. 68,5) enthält, und der Parisinus 1662 s.IX, der aber nur von c. 51 — 61,6 
reicht, also auch am Schluss verstümmelt ist. Lange Zeit war nur dieses 
Fragment der Epitome bekannt. Nicht gering war daher das Erstaunen, 
als im Anfang des 18. Jahrhunderts die vollständige Epitome bekannt 
wurde. Zwei Oelehrte teilen sich in den Ruhm der Entdeckung, ein Ita- 
liener und ein Deutscher. Scipione ItfafFei fand 1711 in Turin einen früher 
dem Kloster Bobbio gehörigen Codex, der die vollständige Epitome ent- 
hielt; er machte seinen Fund bekannt und gab als Probe zugleich die 
fünf ersten Kapitel heraus. Zu gleicher Zeit machte der württembergische 
Theologe M. Pfaif dieselbe Entdeckung; er Hess die ganze Epitome im 
Jahre 1712 in Paris erscheinen. Erst jetzt, nachdem das Werk unver- 
stümmelt vorlag, konnte man dasselbe würdigen. Der Eingang unter- 
richtet uns über die Entstehung der Schrift. Hier stellt sich uns Lac* 
tantius selbst als Verfasser der Epitome vor und teilt uns zugleich mit, 
dass er sie auf Wunsch des f rater Pentadius geschrieben habe. Der Aus- 
druck frater kann zwar auch von dem Freundschaftsverhältnis gebraucht 
werden, allein wahrscheinlicher ist es, dass hier mit frater der leibliche 
Bruder des Lactantius bezeichnet ist. Es liegt kein Grund vor, den 
Worten, in denen sich Lactantius die Autorschaft der Epitome beilegt, 
zu misstrauen und zu glauben, dass ein Dritter nur die Itfaske des Lac- 
tantius vorgenommen hat, ebensowenig wie ein Grund vorliegt, Hiero- 
nymus, der die imrofnj unter den Schriften des Lactantius aufzählt, als 
unglaubwürdig anzusehen. Ja, die rechte Würdigung dieses Produkts ge- 
winnen wir erst mit der Autorschaft des Lactantius. Wir haben näm- 
lich in demselben nicht eine Epitome, die sich sklavisch an das zu ex- 
zerpierende Werk hält, sondern eine freie kürzere Bearbeitung desselben 
Gegenstandes. Diese Freiheiten zeigen sich darin, dass der Epitomator 
sich nicht immer an die Ordnung des Hauptwerks hält, dass er Stücke des- 
selben übergeht, dass er neues hinzufügt und endlich, dass er Verbesse- 
rungen anbringt. Daraus ergibt sich, dass die Epitome neben dem Haupt- 
werk noch in Betracht zu ziehen ist. 

Veranlassung der Epitome. praef. (p. 675 B.) quamquam Divinarum Institu- 
tionum Hhri, quos iam pridem cuL infusirandam veritatem religionemque ctmacripsimus, ita 
legentium tnentes inatruant, ita informent, ut nee prolixitas pariat fastidium nee <mcret 



L. Caecilina Firmianna Laotantiua, 375 

uhert€t3, tarnen horum tun epUomen fieri, Pentaäi frater, desidercis, credo, tU ad te aliquid 
scribam tuumque nomen in nostro qualicumque opere celebretur . faciam quod postulas, 
etsi difficüe videtur ea quae Septem maximis voluminihus explicata sunt, in unum conferre. 

Die massgebende Ueberliefernng bemht nach dem Gesagten auf dem Bono^ 
nienaia 701 s. VI/VII, anf dem Farisinus Puteani 1662 s. IX und auf dem codex Tauri- 
nensis I b VI 28 a. VII. In dem Teil, den der Taurinenais mit dem Bononiensis und Pet- 
risintts gemeinsam hat, stammt er aus derselben Quelle; der erste Teil geht auf eine 
andere Vorlage zurück; aus derselben drangen aber auch Lesarten in den gemeinsamen Teil. 

Litteratur. Bbandt, üeber die Echtheit der Epitome der Institutionen, Sitzungs- 
ber. der Wiener Akad. 125. (1892) VI. Abb. p. 2. 

768. De ira Dei. Schon in der alten Philosophie wurde das Pro- 
blem behandelt, ob dem göttlichen Wesen Affekte zugeschrieben werden 
können. Die Entscheidung fiel in den einzelnen Schulen verschieden aus. 
Die Epikureer stellten die Behauptung auf, dass Gott weder Zorn noch Güte 
haben könne. Die Stoiker dagegen behaupteten, dass Gott die Güte zukäme 
aber nicht der Zorn. Auch Lactantius interessierte sich für dieses Problem. 
Schon in den göttlichen Unterweisungen 2, 17, 5 streift er die Frage über 
den Zorn Gottes und verspricht eine eigene Untersuchung über dieselbe. 
Diese liegt uns in der Schrift De ira dei vor, welche einem Donatus gewidmet 
ist. Vor allem betont der Autor, dass das Problem nur im Lichte der christ- 
lichen Erkenntnis gelöst werden könne. Diese vollziehe sich in drei 
Stufen: 1. In der Verwerfung des Götzendienstes; 2. In der Annahme 
eines einzigen Gottes des Schöpfers und Begierers der Welt; 3. In dem 
Glauben an die göttliche Offenbarung durch Jesus Christus. Die er- 
wähnten Philosophen irren, weil sie keine genügende Erkenntnis des einen 
Gottes haben. Die Epikureer fehlen, weil ihre Anschauung von der Un- 
thätigkeit Gottes auf eine Leugnung desselben hinausläuft. Die Stoiker 
irren, weil sie nicht bedenken, dass die Annahme der göttlichen Güte 
auch den Gegensatz in sich schliesst. Für den Christen ergibt sich die 
Notwendigkeit des göttlichen Zornes aus der Notwendigkeit der Religion, 
die uns von den Tieren unterscheidet. Wenn es feststeht, dass es einen 
Gott gibt, der die Welt erschaffen hat und regiert, so folgt mit Not- 
wendigkeit, dass wir diesem Leiter der Welt Verehrung schulden, und 
dass wir denselben fürchten müssen. Würde diese Furcht vor Gott 
fehlen, so würden die Menschen ihre bösen Begierden nicht zügeln und 
die menschliche Gesellschaft könnte nicht bestehen. Die Leugnung des 
göttlichen Zornes führt also auf eine Leugnung der Religion. Es kann 
aber dargethan werden, dass der Mensch für die Religion geschaffen ist. 
Da in den menschlichen Handlungen neben dem Guten auch das Böse er- 
scheint, wofür der Autor Gründe anführt, so muss Gott auf doppelte Weise 
bewegt werden, durch die guten Thaten zur Gnade, durch die bösen zum 
Zorne. Apathisch, wie Epikur will, kann die Gottheit nicht bleiben. Der 
Zorn ist also nach der Definition des Verfassers eine Bewegung der Seele 
zur Abwelir der Sünden. Eine Vernachlässigung, dieses Affektes würde 
auf eine Billigung der Sünde hinauslaufen. Wenn Gott gnädig ist, so 
muss er auch zornig sein können und auch den Menschen hat Gott keines- 
wegs den Zorn untersagt. Was er verbietet ist nur im Zorn zu ver- 
harren. Es folgt der Epilog. Er bringt Zeugnisse der Sibyllen für den 
göttlichen Zorn bei und schliesst mit der Ermahnung so zu leben, dass 



376 R^^misolie LitteratargeBcIliohie. IL Die Zeit der Xonarohie. 2. Abteiliuig. 

wir den göttlichen Zorn nicht verdienen. Hieronymus erteilt der Schrift 
grosses Lob. Er schreibt, sie zeichne sich ebenso durch Gelehrsamkeit 
als durch Formvollendung aus. Allein dieses Urteil kann vor einer unbe- 
fangenen Kritik nicht bestehen. Gewiss ist die Schrift anmutig geschrieben, 
allein scharfes Eindringen in das Wesen des Problems geht ihr ab. 

Ankflndigung der Schrift, inst. 1. 2, 17, 5 quidam putant ne irasci quiäem 
deum omnino, quod adfectihus, qui sunt perturbationea animi, subiectus non 9it, quia fragile 
est amne animal quod adficUur et commovetur. Quae persuasio vtritatem ae reUgionem 
fundüus tollit. Sed seponatur Interim nobis hie locus de ira dei disserendi, quod et uberiar 
est materia et opere proprio latius exequenda, 

Zeugnis des Hieronymus. In epist. ad Ephes. c. IV Fimnanus noster 
Ubrum de ira Dei docto pariter et eloquenti sermone conscripsit. 

Die Ueberlieferung beruht auf dem codex Bononiensis 701 s. VI; VII und dem 
codex Parisinus Puteani 1662 s. IX. 

759. Das Fragment de motibus animL Ein Codex der Ambro- 
siana, der sich früher in Bobbio befand (F 60 sup.) s. YIII/IX, enthält 
Excerpte aus verschiedenen Autoren, deren Namen an der Seite stehen. 
Auf f. 26 findet sich ein Excerpt, dem am Rande die Bemerkung beige- 
schrieben ist: Ladantius de motibus animi. Das Fragment zählt eine 
Anzahl Affekte auf und fügt bei, dass dieselben von Gk)tt dem Menschen 
eingepflanzt worden, um denselben zur Übung der Tugenden anzuleiten; 
denn diese Affekte fuhren, in richtigen Grenzen gehalten, zu Tugenden 
und zum ewigen Leben, anderenfaUs zu Lastern und zur ewigen Strafe. 
Weder sachliche noch formelle Bedenken bestehen, das Fragment dem 
Lactantius abzusprechen. 

Es wird daher einer verlorenen Schrift des Lactantius entstammen. 

Zuerst publizierte das Fragment Muratori, Äntiquitates Hol. lll (1740) p. 849; 
dann Rbiffebscbeid, Biblioth. Patr. Lot, Ital. II p. 36, endlich Bbandt in der Ausgabe des 
Lactantius, partis II fasc. I p. 157. 

Analysiert wurde das Fragment und dessen Text kritisch festgestellt von Brandt 
in dem Heidelberger Gymnasialprogramm vom J. 1891 : ,Ueber das in dem patristischen 
Excerptencodex F 60 sup. der Ambrosiana enthaltene Fragment des Lactantius de motibus 
animi*. Vgl. noch desselben Abhandlung über die Entstehungs Verhältnisse p. 126. 

ß) Verlorene Schriften. 

760. Die erste Oruppe der yerlorenen Schriften. Wir unter- 
scheiden unter den verlorenen Schriften zwei Gruppen; einmal die Brief- 
bücher, dann die übrigen Schriften. Wir zählen zuerst die letzteren auf. 

1. Symposion. Durch Plato war die Litteraturgattung des Sym- 
posion in die griechische Litteratur eingeführt worden; sie nahm in der- 
selben eine hervorragende Stellung ein. Auch in der römischen Litte- 
ratur war diese Form der Darstellung eine beliebte. Den späteren Autoren 
war diese Gattung sehr willkommen, um in Form von Tischgesprächen 
gelehrte Untersuchungen anzubringen. Lactantius schrieb das Symposion 
in seiner Jugend und zwar in Afrika. Worüber es handelte, ist uns gänz- 
lich unbekannt. 

In seiner Ausgabe des Lactantius (1722) hat Heumann den Versuch gemacht, das 
Symposion in der Rätselsammlnng des Symphosius zu finden. Schon der Palatino-Vaticanus 
hat bei den Rfttseln die Randbemerkung incanus firmianus, was wohl als Lactantius 
Firmianus zu lesen ist (doch vgl. K. Sghenkl, Wien. Stud. 3, 147). AUein der Salmasianus 
gibt ausdrücklich Symphosius als Autor der Rätselsammlung an. 

2. Das Hodoeporicum. Die poetischen Reisebeschreibungen waren 



L. CaeciUiis Firmianas Laotantins. 377 

in der römischen Litteratur ziemlich verbreitet. Lactantius beschrieb in 
diesem Gedicht, das in Hexametern abgefasst war, seine Reise von 
Afrika nach Nikomedien. Es wird daher wohl in die erste Zeit seines 
Aufenthalts in dieser Stadt fallen. 

3. Grammaticus. Dass in dieser Schrift grammatische Fragen be- 
handelt waren, ist nicht zweifelhaft. Über Zeit und Ort der Entstehung 
der Schrift sind nicht einmal Vermutungen gestattet. 

Dieser Schriffc wird gewöhnlich das Fragment zugewiesen: Victorinus 6, 209, 11 E. 
nostra quoque memoria Lactantius de metria „pentameter inquit et tetrameter** . Allein wahr- 
scheinlich stand die Stelle in den Briefen ad Prohum. Eher wird man unserer Schrift bei- 
legen Servius Aen. VIl 543 dicit etiam Firmianus commentator non „convexa^ sed „con- 
vecta*^ Jegendum (Brandt, Entstehungsverhältnisse etc. p. 127). 

4. ad Asclepiadem libri ü. Den Adressaten erwähnt Lactantius 
in den Institutionen 7, 4, 17. Er nennt ihn dort „Asclepiades noster*^ 
und sagt, dass derselbe ihm eine Schrift über die Vorsehung gewidmet 
habe. Es wird also das Werk des Lactantius eine Gegengabe auf jene 
Schrift sein und daher nach den Institutionen fallen. Über den Inhalt 
der Schrift ist nichts bekannt. 

Inst. 7, 4y 17 wird ein Citat eingeführt mit den Worten: optime igitur Asclepiades 
noster de Providentia summi dei disserens in eo libro quem scripsit ad me. 

761. Die zweite Gruppe der verlorenen Schriften (Brief bücher). 

Von Lactantius lag eine ausgedehnte Briefsammlung vor, die nach den 
Personen, denen sie gewidmet war, in mehrere selbständige Teile zerfiel. 
Wir dürfen annehmen, dass die Briefe keine eigentlichen Briefe waren, 
sondern gelehrte Abhandlungen, die nur die Scheinform des Briefes ange- 
nommen hatten. Einzelne Briefe waren bis zu der Grösse von tausend 
Zeilen angeschwollen. Sie handelten über religiöse und weltliche Dinge, 
als Stoffe werden uns z. B. Metrisches, Geographisches und Philosophisches 
angegeben. 

üeber die Briefe sagt Damasus ep. ad Hieron., {Hieronymi epist. 35, 1) vgl. Brandt, 
Ausg. 11, 1 p. 163 fateor quippe tibi, eos quos mihi iam pridem Lactantii dederas libros 
ideo non libenter ügo, quia et phirimae epistulae eius usque ad mille spatia versuum ten- 
duntur et raro de nostro dogmate disptUant, quo fit ut et legenti fastidium generet 
longitudo et si qua brevia sunt, scholasticis magis sint apta quam nobis, de metris et 
regionum situ et philosophis disputantia. Merkwürdig ist eine Notiz des Ha- 
drianns Junius, nach der das Benediktinerkloster Egmond zwei Bttcher Briefe des Lac- 
tantius besessen habe. Vgl. Brandt, üeber die Entstehungsverhältnisse etc. p. 128. 

Die einzelnen Briefsammlungen sind folgende: 

1. ad Probum epistularum liAri IV. Der Miscellan-Charakter ist 
aus den Fragmenten, die sich von dieser Briefsammlung erhalten haben, 
deutlich erkennbar. Über die Zeit der Abfassung lässt sich ein sicheres 
Urteil nicht gewinnen. 

Hieron. comm. in ep. ad Galat. II praef. Lactantii nostri quae in tertio ad Probum 
volumine de hoc gente opinatus sit verba ponemus, Vergl. noch ein Fragment bei Rufinus, 
Comment, in metra Terent. G L. 6, 564, 7—565, 2 E. 

2. ad Demetrianum epistularum libri IL Der Adressat Demetrianus 
ist uns näher bekannt. Er ist ein Schüler des Lactantius und derselbe, 
dem er sein Werk de opificio dei gewidmet hatte {de op. 1, 1). Da er in 
dieser Widmung dieser Briefe nicht gedenkt, und andrerseits feststeht, 
dass in unserem Briefwechsel auch theologische Dinge behandelt waren, 



378 Römisohe LitteratargeBoliiohte. II. Die Zeit der Moiiar9hie. 2. Abteiliing. 

80 darf man wohl annehmen, dass die Briefe an Demetrianus später sind 
als das Werk de opificio dei. 

Wir haben zwei Citate aus diesem Briefwechsel. Hieron. comm. in ep. ad 6al. II 
zu c. 4 multi per inperitiam Scripturarum, quod et Firmianu8 in octavo ad Demetrianum 
epistuJarum libro facit, adserunt spiritum sanctum aaepe patrem, sctepe filium naminari. 
Statt octavo schreibt Vallarsi alt er o. Bbahdt, Entstehnngsverh. etc. p. 123, vermatet 
sehr ansprechend, dass die Brief bücher des Lactantias auch durchgehends gezählt wurden 
und dass das 2. Buch an Demetrianus das 8. Buch der ganzen Sammlung war. Hieron. 
ep. 84, 7 Lactantius in libris suis et maxime in epistulis ad Demetrianum Spiritus sancti 
omnino negat aubstantiam et errore ludaico dicit tum vel ad pairem referri vel filium et 
sanctificationem utriusque personae aub eiua nomine demonatrari, 

3. ad Severum epistularum libri U. Der Adressat ist, wie wir aus 
Hieronymus de vir, inl. 111 ersehen, ein Verwandter des Spaniers Aquilios 
Severus. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Beziehungen zwischen Se- 
verus und Lactantius erst in der Zeit entwickelt haben, in der Lactantius 
bereits in GalKen verweilte. 

Hieron. de vir, inh 111 Aquiliua Severua in Hiapania de genere iUiua Severi, ad 
quem Lactantii duo epiatularum acribuntur libri. (Syobowski, Hieronymus als litterar- 
historiker, Eirchengesch. Stud. II 2 p. 187). 

Angekündigte Schriften. Wir reihen hier zwei Schriften an, welche Lactantius 
angekündigt hat, die aber wahrscheinlich nicht erschienen sind; wenigstens fehlen alle 
Spuren: 

1. £ine Schrift gegen alle Häresien; inst. 4, 30, 14 poatea pUniua et uberius 
contra omnea mendadorum aectaa proprio aeparatoque opere pugnabimus; de ira 2, 6 de 
tertio vero ii praecipitantur qui eum aciant legatum dei eundemque divini et inmortalis 
templi conditorem, tarnen aut non aecipiunt eum aut aliter accipiunt quam fidea poscit: quaa 
ex parte iam refutavimua in quarto aupra dicti operia libro et reftUabimua poatea düigentius, 
cum reapondere ad omnea aectaa coeperimua, quae veritatem dum diaaipant, perdiderunt. 

2. Eine Schrift gegen die Juden; inst. 7, 1, 26 aed erit nobis contra Judaeoa 
aeparata materia, in qua illoa erroria et aceleria revineemua, 

Y) Angezweifelte Schriften des Lactantius. 

762. De mortibus persecutomm. Als der Sieg des Christentums 
nach der diocletianischen Christenverfolgung nicht mehr zweifelhaft war, 
werden sich die Blicke vieler Christen auf das grossartige Drama zurück- 
gelenkt haben. Da mochte ihnen besonders lebhaft das Walten der gött- 
lichen Vorsehung vor Augen getreten sein. Wie wäre es möglich ge- 
wesen, dass die Christen so viele Trübsal siegreich bestanden, wenn sie 
nicht die Hand Gottes geführt hätte? Wo waren die Verfolger ge- 
blieben, welche das Christentum mit Gewalt auszurotten versuchten? Die 
meisten waren eines schmählichen Todes gestorben. Für ein frommes, 
christliches Gemüt lag es nahe, in dem Ende der Verfolger den Finger 
Gottes zu erblicken. Von dieser Idee war der Verfasser des Schrift- 
chens de mortibus persecutorum beseelt, als er vor der Licinia- 
nischen Christenverfolgung daran ging, zu erzählen, dass alle Kaiser, 
welche gegen das Christentum wüteten, ein schreckliches Ende ge- 
nonmien haben. Vielleicht verfolgte das Schriftchen auch noch das 
Ziel, den Licinius, der schon Spuren eines veränderten Verhaltens 
gegen die Christen zeigte, von einer Christenverfolgung abzuschrecken. 
Nachdem der Autor kurz die Entstehung des Christentums dargelegt, 
behandelt er das traurige Ende der Christenverfolger, des Nero, Domi* 
tian, Decius, Valerian, Aurelian. Allein diese Erzählung bildet nur die 
Einleitung; das eigentliche Ziel des Autors ist vielmehr, die Christen- 



L. Gaeciliofl FirmianoB LaotantiaB. 379 

Verfolgungen seiner Zeit zu schildern und an der Hand derselben das 
Walten der göttlichen Strafgerichte darzulegen. Zuerst kommen an die 
Reihe Diocletian und Maximian; in ihrer unfreiwilligen Abdankung erblickt 
der Verfasser den ersten göttlichen Strafakt. Alsdann wird die Christen- 
verfoigung des Galerius und der entsetzliche Tod dieses Kaisers in allen 
Einzelheiten ausgemalt. Der Zeitfolge entsprechend wird hier das traurige 
Ende des Maximian eingeschaltet. Ein neuer Abschnitt beginnt mit der 
Erzählung der Christenverfolgung des Maximinus und der Vollziehung 
der göttlichen Strafe an ihm. Eingeschoben wird in die Darstellung das 
Ende des Diocletian. Zum Schluss erzählt der Verfasser den Untergang 
des ganzen Geschlechts der christenfeindlichen Kaiser. 

Die Tendenz des Schriftchens liegt, wie man sieht, klar vor. Dem 
Verfasser ist es in erster Linie darum zu thun, Dinge aufzuzeigen, in 
denen sich die strafende Hand Gottes kundgibt. Auch verweilt er mit 
Vorliebe bei den grauenvollen Ereignissen und schreckt selbst nicht vor 
den ekelhaftesten Einzelheiten zurück, wenn sie dazu dienen, das Straf- 
gericht Gottes ins hellste Licht zu setzen. Die Gefühle des Hasses und 
der Erbitterung lodern überall zu hellen Flammen empor. Auch fromme 
Mährchen werden in die Erzählung eingewoben. Allein im grossen und 
ganzen ist der historische Stoff, welcher der Tendenz dienstbar gemacht 
wird, wahrheitsgetreu niedergeschrieben. Der Schriftsteller hat nicht bloss 
als Zeitgenosse, sondern auch als Augenzeuge geschrieben; denn es ist 
nicht zweifelhaft, dass er während der Verfolgungen in Nikomedien lebte. 
Er war also in der Lage, Zuverlässiges zu berichten, und wollte er mit 
seiner Tendenz durchdringen, so durfte er die Wahrheit nicht gröblich 
verletzen. Unsere Schrift bleibt also immerhin eine wichtige Quelle zur 
Kenntnis der diocletianischen Zeit. 

üeber die Persönlichkeit des Donatns vgl. 16 Verum quid opus est illa nar- 
rare, praecipue tibi, Danate carissime, qui praeter ceteros tempestatem turbid(u peraecu- 
tionut expertus es? Natn cum incidisses in Flaccinum praefectum, nonpusillum homicidam, 
deinde in Hieroclem ex vicario praesidemy qui auctor et consiliarius ad faciendam per- 
secutianem fuit, postremo in PrisciUianum, auccesaarem eius, documentum omnibua invictae 
fartitudinia praebuiati. 

Tendenz der Schrift, c. 1 Qui inauUaverant Deo, iaceni; qui templum aancium 
everterant, ruina maiore ceciderunt; qui iuataa exearnifieaverant, caeleatibua plagia et cru- 
ciaiibua meritia nocentea animcM profuderunt. Sero id quidem, aed graviter ac digne. 
Diatulerat enim poenaa eorum deua, ut ederet in eoa magna et mirabilia exempla, quibua 
poateri diacerent, et deum eaae unum, et eundem iudicem digna videlicet aupplicia impiia 
ae peraecutoribua irrogare. De quo exitu eorum teatificari placuit, ut omnea, qui procul 
remoti ftteruni, vel qui poatea futuri aunt, acirent, quatenua virtutem ae maieatatetn auam 
in exatinguendia delendiaque nominia aui hoatibua deua aummua oatenderit. ah re tarnen 
non eat, ai a prineipio, ex quo eat eccleaia conatituta, qui fuerint peraecutorea eiua et quibua 
poenia in eoa eoeleatia iudicia aeveritaa vindicaverit, expotiam. 

Der Verfasser als Augenzeuge der Ereignisse. Am Schluss der Schrift 
heisst es 52, 1 quae omnia aecundum fidem — ita ut geata aunt mandanda litteria cre-- 
didi, ne aut memoria tantarum rerum interiret aut ai quia hiatoriam acribere voluiaaet, cor- 
rumperet verttatem vel peccata iVorum adveraum deum, vel iudieium dei adveraua illoa reti- 
cendo. Beweiskräftiger sind die Worte 1, 7; hier erklärt der Verfasser zu schreiben för 
die qui procul remoti fuerunt vel qui poat noa futuri aunt; er selbst stellt sich also in 
Gegensatz zu denjenigen, welche von den Ereignissen lokal getrennt sind oder später 
leben; sonach muss er als Augenzeuge die Ereignisse mitbeobachtet haben. Dass dies in 
Nikomedien geschah, zeigen die Stellen 34, 4 idque rognitum Nicomediae und 48, 1, wonach das 
Mailänder Toleranzedikt dem Verfasser erst bekannt wurde, als es in Nikomedien veröffent- 
licht wurde (vgl. Hunzikeb in Bfidingers Untersuchungen zur röm. Kaisergesch.» 2. Bd., 



380 BOmische litteratnrgeBchichte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abieilnng. 

Leipz. 1868 p. 121, 1). Wenn weiter behauptet wird, dass der Verfasser sein Schriftchen 
auch in Nikomedien geschrieben, so wird zu viel behauptet; denn die Stelle, die z. B. 
P. Meyer anfQhrt 7 Huc accedebat infinita quaedam cupiditcis ctedifieandi, non minor pro- 
vinciarum exactio in exhibendis operariis et artificibus et plaustris omnibusque guaeeumque 
sint fabricandis operibus necessaria. Uic basilicae, hie eireus, hie moneta, hie 
artnorum fabrica, hie uxori domus, hie filiae kann das unmöglich beweisen. 

Ueber die Glaubwürdigkeit der Schrift gehen die Urteile der Historiker 
sehr auseinander. Bdbckhardt wendet sich in seinem berühmten Werk, die Zeit Con- 
stantins des Grossen, Leipz.' 1880 an mehreren Stellen gegen die Glaubwürdigkeit und 
scheint sehr gering von dem Autor zu denken. Eine ähnliche Ansicht hat J. Rothfüchb, 
Qua historia fide Ldctantius usus sit in libr. de mort, persec, Marb. 1862. Er sagt p. 39 
Plurima ita eomparata sunt, ut partium studio ductum Laetantium aut falsa finxisse out 
vera narrando depravasse aut dissimulavisse appareat. Eine gerechtere Würdigung der 
Schrift bahnte Hunzikeb in Büdingen Untersuchungen zur röm. Kaisergesch., IL Bd., 
Leipz. 1868 an; er sagt p. 120: Es «zeigt eine eingehende Vergleichung aller über diese 
Zeit berichtenden Quellen, dass der in die Darstellung verwobene geschichtliche Stoff 
selber im Ganzen zuverlässig ist und dadurch gewinnt das Buch als gleichzeitige und zu- 
gleich im Mittelpunkt des diocletianischen Reichs stehende umfassende Darstellung dieser 
Periode einen unschätzbaren Wert, da alle andern Darstellungen nicht hinreichen würden, 
ein lückenloses Bild dieser Zeit zu geben, ja uns oft an den wichtigsten Punkten im 
Stiche lassen*. Sebck, Gesch. des Unterg. der antiken Welt, Bd. 1, Berlin 1895 p. 480 
meint, dass der Verfasser nicht immer die Wahrheit sagen wolle, doch seien die Lügen 
ausnahmslos so naiv, dass jeder, der in historischer Kritik nicht ganz Neuling sei, sie ohne 
Mühe erkennen könne (vgl. noch das Saalfelder Programm von Wbhkbb vom Jahre 1885). 

763. Über den Autor der Schrift. Seit Baluze die Schrift de 
mortibus persecutorum veröflfentlicht, wogt der Streit hin und her, ob die 
Schrift dem Lactantius angehört oder nicht. In neuester Zeit schien 
durch Ebert die Frage zu Gunsten des Lactantius entschieden zu sein. 
Allein es dauerte nicht lange, und es erhoben sich wiederum gewichtige 
Stimmen gegen Lactantius als Verfasser; das Problem ist demnach so 
ungelöst wie zuvor. Wir glauben aufs Entschiedenste f[ir die Autorschaft 
des Lactantius eintreten zu müssen. Für die Entscheidung der Frage ist es 
wesentlich, dass die äusseren und inneren Momente scharf voneinander ge- 
schieden werden. Die ersteren müssen vor allem festgestellt werden; sie 
haben die Grundlage in der vorliegenden Frage zu bilden. Sicher ist erstens, 
dass der Verfasser die Ereignisse, die sich in Nikomedien zugetragen, als 
Augenzeuge mit erlebt hat; zweitens, dass er seine Schrift vor dem Aus- 
bruch des Krieges des Constantin mit Licinius veröffentlichte; drittens, 
dass er sie an einen Bekenner Namens Donatus richtete; viertens, dass 
diese Monographie in der Überlieferung die Überschrift trägt: Lucii Cecilii in- 
cipit liber ad Donatum confessorem de mortibus persecutorum. Nun kannte 
Hieronymus eine Schrift von Lactantius mit dem Titel de persecutione. 
Es ist also zweifellos, dass es zur Zeit dieses Kirchenvaters Handschriften 
gab, welche eine Schrift de persecutione dem Lactantius zuteilten. Der 
überlieferte Titel des Schriftchens ist zwar de mortibus persecu- 
torum, aber jedermann wird zugeben, dass eine solche Schrift auch 
mit dem abgekürzten Titel de persecutione citiert werden kann.') Der 
Verfasser unseres Schriftchens heisst weiter Lucius Cecilius. Lactantius 
hiess mit vollem Namen Lucius Cecilius Firmianus (und auch Lactantius). 
Es stimmen also zwei Namen überein, so dass es wahrscheinlich ist, dass 
der dritte Name in der Überlieferung unseres Schriftchens ausgefallen ist. 



^) Hieronymus verändert nicht selten die BQchertitel vgl. Stchowski, H. als Litterar- 
historiker (1894) p. 23. 



L. Caeoilintf Firmianiis Laotantiiui. 381 

Es unterliegt daher kaum einem Zweifel, dass unser Traktat bereits zu 
Zeiten des Hieronymus unter dem Namen des Lactantius im Umlauf war. 
Allerdings liegt die Möglichkeit vor, dass bereits vor Hieronymus die 
Schrift mit Unrecht dem Lactantius beigelegt wurde. Hier sind wiederum 
zwei Fälle denkbar. Ein Fälscher hat absichtlich die Maske des Lactantius 
vorgenonmien und dem entsprechend, um fUr seine Fälschung Qlauben zu 
finden, sie an Donatus, dem Lactantius seine Schrift über den Zorn Gottes 
gewidmet hatte, gerichtet. Aber eine solche Fälschung ist zu Lebzeiten 
des Lactantius völlig undenkbar. Wir müssten also annehmen, dass die 
Schrift nach dem Tode des Lactantius erschienen wäre; allein in diesem 
Falle wären höchstens wenige Jahre verflossen gewesen, so dass dann 
auch der Betrug leicht entdeckt werden konnte. Es bliebe also nur die 
Annahme übrig, die Schrift sei anonym herausgegeben und dann erst 
später dem Lactantius beigelegt worden. Allein es ist wiederimi sehr unwahr- 
lich, dass eine Schrift anonym erscheint, welche einer ganz bestimmten 
Persönlichkeit gewidmet ist; die Widmung hebt die Anonymität ge- 
radezu auf. Um diese Schwierigkeiten zu beseitigen, könnte man noch 
auf den Gedanken kommen — auch ein solcher Versuch liegt vor — , 
dass der Verfasser des Traktats Lucius Caecilius hiess und von Lactantius 
verschieden war; in diesem Falle jedoch hätten wir es mit einem wahren 
Wunder zu thun; denn wir müssten annehmen, dass zu derselben Zeit in 
einer griechisch sprechenden Stadt zwei lateinische Rhetoren gelebt hätten, 
von denen der eine Lucius Caecilius, der andere Lucius Caecilius Firmianus 
(Lactantius) hiess, und dass beide einen Freund gehabt hätten, der den- 
selben Namen Donatus trug. Die äusseren Momente sprechen sonach für 
Lactantius als Verfasser der Schrift de mortibus persecMtorum. Geschwiegen 
haben wir bisher von einem Moment, welches in der Frage eine grosse 
Rolle spielte; man hat nämlich behauptet, dass die Schrift nicht bloss 
von einem Augenzeugen der Ereignisse, die sich in Nikomedien abspielten, 
herrührt, sondern dass dieser Autor die Schrift auch selbst in Nikomedien 
abgefasst hat. Durch mühsame Berechnungen glaubt man festgestellt 
zu haben, dass Lactantius in der Zeit, als die Schrift in Nikomedien ge- 
schrieben worden sein soll, nicht dort, sondern in Gallien war, sonach 
nicht der Verfasser sein konnte. Aber diese Schlussfolgerung bricht 
zusammen, da meines Erachtens der Beweis nicht geführt werden kann, 
dass die Schrift auch in Nikomedien niedergeschrieben wurde; es steht 
nichts im Weg, dass ein Augenzeuge die Darstellung der Ereignisse, die 
er an einem Orte erlebt, an einem andern niederschreibt. 

Es bleiben also noch die inneren Kriterien. Hier ist nun zuzugeben, 
dass der Eindruck, den die Schrift macht, ein anderer ist, als der, den 
die übrigen Schriften hervorrufen. Allein diese Verschiedenheit findet ihre 
volle Erklärung in der Verschiedenheit des Stoffes. Unser Traktat ist 
eine gehässige Tendenzschrift, die übrigen Arbeiten des Lactantius sind 
dagegen gelehrte theologisch-philosophische Abhandlungen. Dass die Ver- 
schiedenheit des Stoffes eine Verschiedenheit des Stils bedingt, ist eine 
bekannte Thatsache; man vergleiche z. B. Momhseks Römische Geschichte 
mit dessen Römischem Staatsrecht. Aber wie der aufmerksame Lesei: 



382 fiOmlBplie LitteraturgeBohlohte. tl. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

auch bei Mommsen in beiden Werken trotz der Verschiedenheit des Stils 
dieselbe schriftstellerische Individualität erkennen wird, so bei unserem 
Autor. Ja, selbst die, welche unsere Schrift dem Lactantius absprechen, 
können die Ähnlichkeiten, welche zwischen den ächten Schriften des Lac- 
tantius und der angezweifelten bestehen, nicht in Abrede stellen, sie er- 
klären dieselben in unwahrscheinlicher Weise aus der Nachahmung. 

Die Geschiebte der Frage gibt Ebbst 1. c. p. 116 und Brakdt, lieber die Ent- 
stebungsverhältnisse der Prosaschriften des Lactantias, Wiener Sitznngsber. 125 (1892) 
p. 22 und in kurzen Umrissen in Fleckeisens Jahrb. f. Philol. 1893 p. 222. Der erste Heraus- 
geber der Schrift Baluze hat im J. 1679 dieselbe dem Lactantius zugesprochen. Die 
folgenden, Columbus (1684) und der Mauriner Le Nourrj (in seiner Ausgabe 1710), be- 
klünpften die Autorschaft des Lactantius (vgl. noch Le Nourbts, Apparatus ad bibl. mctar. 
vei. patrum 11 1715). Es kamen dann (belehrte, welche sich wieder für Lactantius er- 
klftrtien z. B. Lbstooq, Disquis. in Hb, de mart. pers. in der Ausgabe von Le BBUir-LEKOi.BT 
DuFRBSNOY, Paris 1748, Tom. 11 p. XLVIII und HEUMAmr in seiner Ausgabe 1722 p. 211. 
Gibbon, History of the decline and fall of Roman empire 111 p. 260, London 1820, war 
bezüglich der Autorschaft schwankend. In jüngster Zeit mehrten sich die Stimmen, 
welche dem Lactantius das Werk aberkannten; so z. B. der Herausgeber des Lac- 
tantius Fbitzsche, femer EoTzi, De Lactantio, p. 28, p. 105; Bbbnhabdt, Gnmdriss 
der römischen Litteratur, Braunschweig 1857 ^ p. 795 u. a. Da griff Ebebt mit seinem 
Aufsatze: üeber den Verfasser des Buches „De mortibua persecutorum*' (Berichte über 
die Verhandlungen der k. s&chs. Gesellschaft der Wissenschaften, philoL-hist. Klasse 22 
[1870] p. 118) in die Frage ein und entschied sich für Lactantius. Seine Abhandlung 
machte so grossen Eindruck, dass selbst Gelehrte, welche früher die Nichtautorschaft des 
Lactantius behauptet hatten, ihre Ansicht aufgaben, wie z. B. Bubokbabdt, Die Zeit 
Gonstantins des Grossen, Leipz.' 1880 p. 39 Anm. 4. Eberts Ausführungen suchte Kxhbxek 
in seiner Dissertation: Quis scripserit libeUuvn qui est Lueii Caecilii de mortibus perseeu- 
forum? Stuttgart 1877, dahin zu ergänzen, dass er die Uebereinstimmung der Sc^ft, so- 
wohl was Wortschatz als Syntax anlangt, mit den Institutionen darlegen zu können glaubte. 
Doch fand Ebert auch Gegner. Ihn bekämpften P. Metbb „Quaeationum Lactant, par- 
ticula I, Programm v. Jülich 1878* und ganz besouders Bbaivdt, Sitzungsber. der Wiener 
Akademie, B. 120 (1890) und B. 125 (1891). Gegen diese beiden Gelehrten sind dann 
wieder aufgetreten Grosgubth, De auctore libri qui est Lud Caeeüii ad Donatum eonfes- 
Sorem de mortibus persecutorum, Berlin 1892; femer Bblsbb, üeber den Verfasser des 
Buches de mortibus persecutorum (Theol. Quartalschr. 74. Jahrg. 1892, p. 246 und 489). Um 
seine Meinung gegen diese Gelehrten zu verteidigen, behandelte Bbakdt nochmals die Fra^e 
in dem Aufsatz , lieber den Verfasser des Buches de mortibus persecutorum* Fleckeisen^ 
Jahrb. f. Philolog. 147 (1898 p. 121 u. 203). Für Lactantius hat sich endlich jüngstens auch 
Sbeck in einer längeren Auseinandersetzung erklärt (Geschichte des Untergangs der antiken 
Welt, 1. Bd., Berlin 1895 p. 425). 

Abfassungszeit. Die Geschichte der Frage ist in kuizem folgende: Ebbbt, Ber. 
über die Verb, der k. sächs. Gesellsch. der Wissensch., 22. Bd. (1870) p. 124 ist der An- 
sicht, dass die Schrift ,wenn nicht noch 813, doch spätestens im Anfang des Jahres 314* ge- 
schrieben ist, sieht sich aber infolgedessen gezwungen, das Kap. 51 für interpoliert zu erachten. 
Bbakdt (Wiener Sitzungsber. 125 [1892] VI p. 28, 112 setzt die Schrift in das Jahr 315 
(April oder einige Monate später); nach Göbbbs, Philolog. XXXVI p. 597 f. ist die Schrift 
im September 314 vollendet worden, nach Belsbb, Theol. Quartalschr. 74 (1892) p. 252, 256 
fällt der Abschluss in den Dezember 814. Neuerdings ist auch Sbeck, (jesch. des Unter- 
gangs der antiken Welt Bd. 1 Berlin 1895 p. 429 der Frage näher getreten; er schreibt, 
dass die Schrift sicher nach dem Tode Diocletians (3. Dez. 816) verfasst sein müsse und 
zwar wahrscheinlich recht viel später, dass sie sonach in die gallische Zioit des Lac- 
tantius falle, aber noch vor den Beginn der Licinianischen Verfolgung (321). Unsere 
Ansicht ist folgende: Mit voUer Sicherheit läset sich nur das Eine sagen, dass die 
Schrift vor der Licinianischen Christenverfolgung geschrieben ist. Hätte 
Licinius schon damals, als der Verfasser schrieb, eine christenfeindliche Gesinnung be- 
thätigt, so hätte Lactantius unmöglich im Eingang seiner Schrift sagen können c. 1 er- 
citavit deus principes qui tyrannorum nefaria et cruenta imperia resciderunt et humano 
generi providerunt, ut iam, quasi discusso transacti temporis nubüo, mentes omnium pax 
iueunda et serena laetificet. Hier werden Constantin und Licinius als Beschützer des Glau- 
bens gefeiert. Vgl. auch den Schluss der Schrift Jeder weitere Versuch, die Abfassungs- 
zeit genauer zu bestimmen, führt indes auf Schwierigkeiten. So ist die Zeit des Ausbruchs 
der Licinianischen Christen Verfolgung ein viel bestrittener Punkt; vgl. oben p. 228 Note 3; 



L. Caedlins Fimiiaiiiia Laotantias. 383 

die Autoren schwanken zwischen 315, 319 and 321 ; vgl. Sbbk, Gesch. des ünterg., Berlin 
1895 p. 465 (nicht 165, wie es auf S. 223 irrtOmlich heisst); auch ein anderer Weg, den 
man eingeschlagen, scheint nicht zum Ziele zu ftthren; man hat aus den Wünschen des 
Autors, die er am Schluss ausspricht c. 52 ut pacetn post anno 8 decem plebi auae datam 
confirmet in saeeulum schliessen wollen, dass, da die diocletianische Ghristenverfolgung 
Ende 303 hegann, die Schrift etwa 313 verfasst wurde; allein dagegen spricht schon, dass 
in dem Kap. 51, welches für interpoliert zu erachten kein stichhaltiger Grund besteht, 
Tfaatsachen erwähnt sind, die später sind (Hinrichtung der Valeria und ihrer Mutter); auch 
treffen die 10 Jahre nicht zu, wenn Diocletian, dessen Tod in der Schrift c. 42 erwähnt 
wird, am 3. Dezember 316 (nicht 313) gestorben ist, wie Srbck 1. c. sehr wahrscheinlich ge- 
macht Es scheint sonach, dass der Autor die Zahl 10 als eine Rundzahl gebraucht hat. 
Es ist die Möglichkeit zuzugeben, dass Lactantius die Schrift, wie Seek annimmt, erst in 
Gallien verfasst hat. 

Die Ueberlieferung der Schrift. Im Jahr 1678 entdeckte Graf Foucault in der 
Benediktinerabtei von Moissac in Quercy die Handschrift s. IX. Der berühmte mer- 
kantilistische Finanzminister Colbert kaufte sie von genanntem Kloster, daher Colbertinus 
Nr. 1297 genannt; später kam sie in die Nationalbibliothek, wo sie sich unter Nr. 2627 
noch befindet. Sie ist durch Feuchtigkeit sehr beschädigt. 

764. De ave Phoenice. Wir geben zuerst eine Inhaltsübersicht 
des Gedichtes. In fernem Osten ist eine Hochebene, die unsere höchsten 
Berge noch überragt. Hier befindet sich ein ewig grünender Hain der 
Sonne, in den die Übel der Erde nicht dringen, nicht Krankheit, nicht 
Greisenalter, nicht der Tod, nicht die Leidenschaften und die Laster, 
nicht Kummer, Not und Sorge. Auch Sturm, Prost und Regen sind hier 
unbekannt. In der Mitte ist eine Quelle, welche in jedem Monat 
austritt und den ganzen Hain bewässert. Die Bäume tragen Früchte, 
welche nicht zu Boden fallen. In diesem Haine haust der Vogel Phoenix 
als Diener der Sonne. Sobald die Morgenröte sich am Himmel zeigt, 
erhebt er sich und taucht zwölfmal seinen Leib im Wasser unter 
und zwölfmal nimmt er einen Trunk. Alsdann schwingt er sich 
auf den Gipfel eines hohen Baumes und erwartet, das Gesicht gegen 
Osten gewandt, den Aufgang der Sonne. Sobald der erste Strahl sich 
zeigt, stimmt er einen wundervollen Gesang an. Ist die Sonne heraus, 
dann schlägt er dreimal mit den Flügeln und wiegt dreimal andachtsvoll 
sein Haupt. Weiterhin zeigt er Tag und Nacht die Stunden durch un- 
sagbare Laute an. So lebt der Vogel tausend Jahre dahin. Jetzt ver- 
lässt er seine glückliche Heimat und begibt sich auf die Erde, wo der 
Tod das Regiment führt. Er wendet sich nach Phönicien und sucht sich 
in einem einsamen Haine eine hohe Palme aus. Hier baut er sich ein 
Nest und sucht die wohlriechendsten Kräuter und Harze für dasselbe zu- 
sammen. In diesem Nest lässt er sich nieder und bestreut sich mit den 
Wohlgerüchen den Leib. Dieser wird warm, entzündet sich und wird zu 
Asche. Aus dieser Asche entsteht aber ein neuer Phönix. Zuerst bildet 
sich ein gliederloser Wurm von milchweisser Farbe, dieser dehnt sich 
gewaltig aus und nimmt die Form eines Eies an. Aus dem Ei entwickelt 
sich der neue Phönix, der keiner Nahrung bedarf, sondern sich vom 
himmlischen Tau ernährt. Ist er flügge geworden, schickt er sich an, in 
seine alte Heimat zurückzukehren. Zuvor aber bringt er die Überreste des 
alten, vermischt mit wohlriechenden Kräutern, zur Sonnenstadt ^) und legt 



^) 121 wir folgen der Konjektur Gryphianders Solia ad urbem statt des tiber- 
lieferte Solis ad ortus. 



384 BOmisohe Litteraturgeacliiohte. !!• Die Zeit der Konarchie. 2. Abteilung. 

sie im Tempel auf den heiligen Altar nieder. Jetzt sehen ihn die Men- 
schen. ^ Der Dichter beschreibt uns die wunderbare Gestalt des Vogels. 
Ganz Ägypten eilt herbei, um ihn zu sehen; sie meisseln sein Bild aus 
und fixieren das Ereignis durch eine Inschrift. Alle Vögel, des Baubes 
uneingedenk, sammeln sich um ihn. Der ganze Chor schwingt sich empor. 
Wenn der reine Äther erreicht ist, trennt sich der Phönix von der Schar 
und begibt sich in seine alte Heimat. Das Gedicht schliesst mit der 
wunderbaren Schilderung des Vogels: 

tnof*8 tili Venus est, sola est in morte voluptas, 

ut possit nasci, appetit ante mari, 
ipsa sibi proles, suus est pater et suus heres, 

nutrix ipsa sui, semper alumna sibi 
ipsa quidem, sed non eadem est, eademqtie nee ipsa est, 

aetematn vUam mortis adepta hono. 

Das Gedicht ist zweifellos von einem Christen verfasst, und es ist 
interessant, zu sehen, wie christliche und heidnische Anschauungen sich 
berühren. Der Dichter drängt sich zwar nicht mit seinen christlichen 
Ideen in den Vordergrund, allein er sieht den heidnischen Mythus mit 
christlichen Augen an. Dass unser Gedicht von Lactantius stanunt, ist 
jetzt allgemeine Annahme. Für dieselbe spricht einerseits die Überliefe- 
rung, andererseits die Übereinstimmung in Ideen und Sprachen mit den 
anerkannt echten Werken des Lactantius. Das Gedicht ist auch in der 
Folgezeit nicht unbeachtet geblieben. Claudianus hat es gekannt und in 
seinem gleichnamigen Idyllion nachgeahmt. Bei den Angelsachsen hat 
es eine poetische Bearbeitung gefunden. 

üeber den Mythus des Vogels Phönix vgl. R. J. F. Henrichsen, De Fhoen, 
fdb. apud Oraecos, Romanos et populos Orientales eomment., P. I, Kopenhagen 1825, II 
ebenda 1827, die lehrreiche Abhandlung von Fb. Scholl, Vom Vogel Phönix, Heidel- 
berger Progr. V. J. 1890, Feiner, Vom Phoenix, Mttnchen 1850 (Programm) und das Ver- 
zeichnis der alten Zeugnisse über den Mythus bei R. Lobe, Jahrbflcher fflr prot. Theol. 18 
(1892) p. 64. Vgl. femer Pjpeb, Myth. u. Symb. der chrisÜ. Kunst I, p. 466 ff. Eine 
Analyse des Gedichts gibt Ebebt, Geschichte der chrisilat. Litt. (Leipzig 1892'), p. 97. 

Aeussere Zeugnisse für die Autorschaft des Lactantius. Was die hand> 
schriftliche Ueberlieferung anbelangt, so hat der Parisinus keine Üeberschrift des Gedichtes, 
es steht hier unter den Gedichten des Venantius. Der Veronensis gibt die Üeberschrift: 
„Lactantii de eadem ave**. Der Vossianus hat die Üeberschrift: „versus Ladantii de 
nve foenice*'. Es steht sonach fest, dass zwei dieser alten Handschriften für die Autor- 
schaft des Lactantius sprechen. Hiezu kommen noch andere äussere Zeugnisse. Gregorius 
von Tours schreibt in seiner Schrift „De cursu stellar um**, welche vor 582 ge- 
schrieben ist: „Tertium {miracülum) est quod de Phoeniee Lactantius refert** {script. rerum 
Merov, I, 2 p. 861 Kbusch). Endlich citiert der Anonymus de dubiis nominibus (GL. 5, 5, 77, 
14—593, 26 K.), der zwischen Isidor und dem neunten Jahrhundert anzusetzen ist, mehr- 
fach unser Gedicht unter dem Namen des Lactantius. Auch dem Alcuin scheint imser 
Gedicht unter dem Namen des Lactantius bekannt gewesen zu sein; denn im Torker 
Bibliothekskataloge führt er den Lactantius unter den christlichen Dichtem auf (Poetae 
latini aevi Carolini ed. DOmmleb 1 204). Dass Hieronymus in seinem Katalog unser Ge- 
dicht nicht nennt, ist belanglos; vgl. Riese, Rhein. Mus. 31 (1876) p. 450. 

Innere Kriterien für die Autorschaft des Lactantius. Zunftchst ist daran 
festzuhalten, dass das Gedicht von einem Christen geschrieben ist. So weisen Wendungen 
wie V. 93 animam commendat auf das Ev. Luc. 23, 46 hin; auch v. 64 hune orbem, mors 
ubi regna tenet; ferner v. 25 fons in medio est, quem vivum nomine dicunt u. a. auf christ- 
liche Ideen. Vgl. Dbchbnt, Rhein. Mus. 35 (1880) p. 40. Weiterhin zeigt ein Vergleich 
des Gedichtes mit den als echt anerkannten Schriften des Lactantius, dass wir es mit den- 
selben christlichen Anschauungen zu thun haben, wenn sie auch in dem Gedicht durch die 
mythologische Hülle verschleiert sind. Der Zweck des Lebens ist auch in dem Gedicht 
selige Unsterblichkeit. Die Beschreibung der Heimat des Phönix erinnert an Schilderungen 



L. Gaecilias Firmianas Laotantina. 3g5 

des Paradieses in den inst Auch die chiliastiscben Ideen blicken durch den Phönix- 
myihns, wie ihn der Dichter bearbeitet hat, hindurch. Selbst Spuren des dem Lactantius 
eigentümlichen Dualismus entgehen dem aufmerksamen Äuge bei der Lekt&re des Ge- 
dichtes nicht. Auch in der Sprache finden sich Berührungspunkte zwischen dem Gedicht 
und den prosaischen Schriften des Lactantius. 

Zur Geschichte der Frage. Gegen die Autorschaft des Lactantius haben sich 
von älteren Herausgebern ausgesprochen : Heuxakn und Fbitzsche, von neueren Behrens, 
Poei. tat. min, 3, 248; vgl. Rhein. Mus. 29 (1874) p. 200; 30 (1875) p. 220; Bursians Jahres- 
bericht (1873) p. 220. Von anderen Gelehrten sprachen das Gedicht dem Lactantius ab: 
Bernhardt, Rom. Litt., Braunsehweig ' (1857) p. 795 und Ritschl, opusc. 3, 806. Durch 
methodische Untersuchungen haben die Autorschaft des Lactantius festgestellt Riese, Ueber 
den Phönix des Lactantius und andere Gedichte der lateinischen Anthologie (Rhein. Mus. 
31 [1876] p. 446); Decbbnt, Ueber die Echtheit des Phönix von Lactantius (Rhein. Mus. 35 
[1880] p. 39); Lobe, In scriptorem carminia de Phoenice, quod L. Cktelii Firmiani Lac- 
ta ntii esse creditur, observationes (Jahrb. für protest. Theol. 18 [1892] p. 34) und besonders 
Brandt, Rhein. Mus. 47 (1892) 390. 

Ueber das Verhältnis des Gedichtes zu dem gleichnamigen des Clau- 
dian (vgl. die Ausgabe Glaudians von Jeep 2, p. 147 und die Claudianausgabe von Biet 
[Berlin 1892] p. 311), handelt Riese (Rhein. Mus. 31 [1876] p. 446 u. p. 450) und zeigt, dass 
Clandianus der Nachahmer ist. Vgl. auch Dechent 1. c. p. 40 und Birt (Rhein. Mus. 34 
[1879] p. 8). 

Ausgaben: Von Wernsdorf in Poetae lat. min. III p. 281—322; von Martini, 
Lüneburg 1825; von Leyser, Quedlinburg 1839; von Riese in Claudii Claudiani Carmina, 
reo. Jeep II (Leipzig 1879) p. 212; von Barrens, Poet. lat. min. III (Leipz. 1881) p. 247; 
von Brandt in seiner Ausgabe des Lactantius, II, 1, p. 135. 

Ueberlieferung. Die beste Handschrift ist der Parisinus 13048 (ein ehemaliger 
Corbeiensis) s. VIII/IX. Ausser demselben kommen noch in Betracht der codex Veronensis 163 
der Kapitelsbibliothek s. IX und der Vossianus Q. 33 s. X. Vgl. Riese im 2. Bd. der Jeep'- 
schen Ausgabe von Claudii Claudiani carmina p. 190. 



Gedichte, welche Lactantius irrtümlich beigelegt wurden. In jungen 
Handschriften wird dem Lactantius zugeschrieben: 

1. De resurreetione, auch de Pascha genannt. Allein dieses Gedicht gehört 
dem Venantius Fortnnatus an (III p. 59 Leo); vgl. Brandt, Sitzungsber. der Wiener Akad. 
125 (1891) p. 132 und Ausgabe II, 1 p. XXXIII. 

2. De passione Domini. Für dieses Gedicht ist eine Handschrift bisher nicht 
bekannt geworden : zuerst wurde es mit den Werken des Lactantius verbunden von Egna- 
tius in der Aldina von 1515. Heümann (PoeciU III [1729] p. 225) wies es einer viel spä- 
teren Zeit zu, S. Brandt hält es für eine Fälschung der Humanistenzeit (Comm. Woelfffin. 
Leipz. 1891, p. 79—84), vgl. auch seine Ausg. II 1 p. XXII; der Text findet sich p. 148. 

765. Charakteristik. Lactantius ist nicht als Theolog zu hetrachten ; 
wir finden bei ihm nicht wie bei Tertullian ein tief gehendes Interesse 
für dogmatische Spekulationen; die Dogmengeschichte hat daher keinen 
Anlass, auf Lactantius als eine Quelle zurückzugehen, und nicht mit Un- 
recht hat ihn ein hervorragender Gelehrter *) „zu den theologischen Belle- 
tristen" gerechnet. Offenbar war es die moralische Grundlage des Christen- 
tums, welche auf Lactantius die grösste Anziehungskraft ausübte. Er war 
zum Christentum übergetreten, weil ihm dasselbe festere Normen für das 
Handeln darbot, als die Philosophie. Diese hatte nicht vermocht, eine 
befriedigende Definition des höchsten Gutes zu geben; das Christentum 
dagegen sagte seinen Bekennem, dass das höchste Gut die ewige Selig- 
keit sei. Da die christliche Religion dem Lactantius alle Fragen beant- 
wortete, welche sich seinem Geiste aufdrängten, gelangte er zu dem wich- 
tigen Satz, dass die wahre Religion und die wahre Weisheit identisch 
seien. Aus diesem Satze ergab sich für Lactantius das Ziel seiner Schrift- 



^) NrrzscH, Christi. Dogmengeschichte I (Berlin 1870) p. 169. 

QllQdbqeh der kl«n. AUcrinnwwiMeuMbaft. VUT. 3. Teil. 25 



386 Bömische Litteraturgesohichte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abieilimg. 

stellerei. Er schloss so: Wenn die wahre Weisheit und die wahre Reli- 
gion nur in dem Christentum gegeben ist, so muss unsere Bildung auf den 
christlichen Boden gestellt werden. Von diesem Oedanken ausgehend, 
unternimmt er es also, in seinem Hauptwerk {Divincte instüuHones)^ seine 
Leser in das Christentum einzuführen. Für die äussere Form konnte er 
sich an Muster der heidnischen Litteratur anlehnen; die Form der instüutio 
hatte sich in der Rhetorik und in der Jurisprudenz zu einer Litteratni^ 
gattung ausgebildet ; es ist das Verdienst des Lactantius, diese Litteratur- 
gattung auch in die Theologie eingeführt zu haben. Er hat zuerst den 
Versuch gemacht, in lateinischer Sprache ein System der christlichen Welt- 
anschauung zu entwerfen. Das Werk ist im wesentlichen auf die Moral 
begründet, denn es will die wahre Lebensweisheit, welche die Philosophen 
ihren Jüngern nicht zu bieten vermochten, aufzeigen. (Gewiss hatten die 
Philosophen brauchbare Momente für die Ethik geliefert; auch unser Autor 
hat dies erkannt; er benutzte daher auch die Errungenschaften der 
Philosophie, aber er korrigierte und modifizierte dieselben durch die christ- 
lichen Ideen. So erhält er eine Moral, die sich im wesentlichen von der 
heidnischen unterscheidet. Für ihn ergeben sich die Normen unseres 
Handelns nicht aus blossen Vernunffcgründen, wie bei den Phflosophen, 
sondern aus den Lehren der heiligen Schrift; seine Ethik ruhte auf dem 
Doppelgebot der Liebe zu Qott und zu den Menschen; er hatte in Christus 
ein untrügliches Vorbild für das Leben; ihm lag ein bestimmtes höchstes 
Ziel und Gut in der seligen Unsterblichkeit vor. So bildete sich für 
Lactantius eine Tugendlehre mit festen Normen und festem Ziele heraus. 
Das Werk lässt ohne Zweifel in Bezug auf die Gründlichkeit der Spekulation 
vieles zu wünschen übrig. Man sieht, dass sich der Geist des Verfassers 
nicht in die Tiefe der christlichen Ideen versenkt hat; ja man kann sogar 
eine Oberflächlichkeit des Denkens nicht verkennen. So hat er sich zur 
Erklärung des Guten und des Bösen in einen Dualismus >) verrannt, dessen 
schwerwiegende, höchst bedenkliche Eonsequenzen er sich nicht klar ge- 
macht hatte. Auch seine chiliastischen Träumereien erregen unser Be- 
fremden. Allein trotzdem erfreuen „die göttlichen Anweisungen' den 
Leser durch die Wärme und durch die Eleganz der Darstellung. Lac- 
tantius hatte ganz richtig erkannt, dass, wenn die Bildung eine christ- 
liche werden solle, die Schönheit der Form von wesentlicher Bedeutung 
sei. So lange das Christentum sich aus den Kreisen der Ungebildeten 
ergänzte, konnte man auf das feine Schriftidiom verzichten und in vul- 
gärer Sprache reden; als aber die Gebildeten sich in immer grösseren 
Scharen zu dem Christentum drängten, musste das Vulgärlatein unbrauch- 
bar werden; jezt war das den Gebildeten von der Schule her geläufige 
Schriftlatein das notwendige Organ der Mitteilung. Schon Minucius Felix 
hatte dies erkannt; sein würdiger Nachfolger auf diesem Gebiet ist unser 
Autor. Sein Latein ist gefallig und leicht, es ist ersichtlich, dass er sich 
durch das Studium des grossen Meisters der römischen Prosa, Cicero, ge- 



') Ueber diesen Dualismus vgl. die eingehende Darstellung bei Brandt, Sitzongsber. 
der Wiener Akademie 118 (1889) Abb. Vllf, p. 4. 



L. Caeoilins Firmiann« Laotantins. 387 

bildet hat. Sein stilistisches Verdienst ist aber um so grösser zu erachten, 
als seine afrikanischen Zeitgenossen und vor allem sein Lehrer Arnobius 
andere Wege gewandelt waren. Sein guter Geschmack bewahrte ihn vor 
den Irrwegen des Stiles. Auch die sklavische Nachahmung und die Ein- 
tönigkeit der DarsteUung ist ihm fremd; in der Schrift de mortibus per- 
secuUyrum weiss er ganz andere Töne anzuschlagen, als in den Lehrschriften. 
Durch die letzteren zeigt er, dass dem christlichen Geist das lateinische Idiom 
dienstbar gemacht werden kann. Unserm Autor wird stets der Ruhm 
bleiben, wenn auch kein tiefer, so doch ein geschmackvoller Darsteller des 
Christentums zu sein. 

Litteratur. a) Allgemeine Schriften: Bkbtold, Prolegomena zu Lact., Metten 
1861; KoTzi, Speeimen hi8tor%cO''theologicum de Lact.f Utrecht 1861; Lkihllier, Audes 
nur Lactance, apologiste de la religUm chritienne, Gaen 1846; Htjbeb, Die Philosophie der 
Kirchenväter, Mfinchen 1859, p. 218; J. A. Dorner, Die Lehre von der Person Christi I 
(Stattgart 1845) p. 777. 

ß) Spezielle Schriften. Hbinio, Die Ethik des L., Qrimma 1887 (Leipziger 
Dissert.); Mabbach, Die Psychologie des Firmianus Lactantios, Halle a. S. 1889; Ovbblach, 
Die Theologie des L., Schwerin 1858 (Progr.); Alt, De ducUismo Lctct., Breslau 1839. 
Dasselbe Thema behandelt Müller, Quaestianes Lactantiancte, Göttingen 1875; Lbuillieb, 
De variis Lactantii Firmiani contra phüosophiam aggressionihus, Belle vaci 1846; Ch. Fb. 
Jacob, Lactance comidM eamme apologiste, Strasbourg 1848. 

Ueber seine Sprache. J. A. Kbbbs, Dissert. de stilo Lact., Halle 1702; J. H. 
Boss, De Cicerone Christiano, Qiessen 1711; H. J. Sptkbb, De pretio instit. div. Lact, 
tribuendo, Leyden 1826; 0. Eoffmakb, Gesch. d. Kirchenlateins, Breslau 1879. 

766. Fortleben des Lactantius. Bald nach dem Tode des Lactantius 
wurden die Schriften, welche zur Einführung in das Christentum dienen 
sollten, de opificio dei, die institutioneSf die institutionum 
epitome, de ira, wie es scheint zu einem Korpus von 10 Büchern*) zu- 
sammengestellt. Diese vier Werke fanden die grösste Beachtung von 
Seiten der Leser und blieben daher erhalten. Die übrigen Schriften des 
Autors traten dagegen im Laufe der Zeit immer mehr in den Hintergrund 
und gingen schliesslich verloren; nur das Gedicht vom Vogel Phoenix und 
das Schriftchen de mortibus persecutorum haben sich noch auf unsere 
Zeit herübergerettet. Die christlichen Schriften hatten bald nach dem 
Tode des Verfassers, wahrscheinlich noch im vierten Jahrhundert, ein 
eigentümliches Schicksal, sie gerieten nämlich in die Hände eines Fälschers. 
Lactantius hatte nämlich die Notwendigkeit des Bösen behauptet, dabei 
aber die Schwierigkeiten, welche dieser Lehre anhaften, übersehen. Der 
Fälscher strebte daher grössere Eonsequenz in der Frage an und suchte 
schliesslich das Böse in Qott selbst. Es ist kaum zweifelhaft, dass diese 
Zusätze, vom Standpunkt der Überlieferung, des Inhalts und der Sprache 
aus betrachtet, nicht etwa als spätere Zusätze des Lactantius, sondern 
nur als Fälschungen angesehen werden können. Dagegen besteht kein 
Qrund, die panegyrischen Zusätze diesem Fälscher zuzuschreiben; die- 
selben rühren vielmehr anscheinend von Lactantius selbst her, der seine 
früher erschienenen Institutionen nachträgUch dem Kaiser Constantin de- 
dizierte. Zeugte schon die erwähnte Fälschung von der hohen Wert- 
schätzung, welche Lactantius genoss, so erhellt auch aus anderen Indizien, 



') Bbakdt, Ueber die dualistischen . Zusätze, Sitzungsber. der Wiener Akademie 119 
[18891 p. 69. 

25* 



3gg Bömische LitteratargeBohichie. II. Die Zeit der Honarohie. 2. Abieilnng. 

dass er ein beliebter, viel gelesener Autor war. Durch eine ganze Reihe 
von christlichen Schriftstellern, auch solchen, die ihn nicht nennen, kann 
man seine Spuren verfolgen. Hieronymus erwähnt unsem Autor öfters; 
an einer Stelle fasst er sein Urteil über ihn dahin zusammen, dass er ihn 
in Bezug auf die Form mit Cicero vergleicht, in Bezug auf den Inhalt 
aber bemerkt, dass seine Stärke mehr in der Bekämpfung des Heidentums 
als in der Begründung des Christentums liege. Ein ähnliches Urteil fallt 
auch Apollinaris Sidonius. Augustin führt den Lactaiitius zwar selten an, 
allein, dass er ihn studiert hat, ist nicht zweifelhaft. Tiefer gehende 
Wirkungen auf die Entwicklung der Theologie konnten von Lactantius aller- 
dings nicht ausgehen, da ihm Schärfe der Spekulation abgeht und sein 
Standpunkt nicht durchweg orthodox ist. Es ist daher kein Wunder, dass 
in dem sogenannten decretum GeUmanum Lactantius verworfen wurde. Allein 
die Schönheit der Form und die Leichtfasslichkeit des Inhalts sicherten dem 
Autor sein Fortleben. In zahlreichen Exemplaren wurde sein Hauptwerk 
abgeschrieben. Besonders in der Zeit des Wiedererwachens der Wissen- 
schaft wurde er sehr gefeiert. Petrarca ergeht sich in begeisterten Lob- 
sprüchen über denselben und Pico Mirandola (1470 — 1533) nennt ihn 
den christlichen „Cicero**.^) Ähnliche Urteile könnten noch viele angeführt 
werden. Die neuere Zeit steht dem Autor kühler gegenüber; er wird viel 
weniger gelesen als früher und mitunter geringschätzig beurteilt. So 
nennt ihn der ausgezeichnete Eirchenhistoriker Hase ') einen „ christlichen 
Sophisten^. Den Theologen unserer Zeit, welche der Entwicklung der 
christlichen Dogmen nachgehen, bietet die Eleganz der Form keinen Er- 
satz mehr für die Schwäche des Inhalts. 

Ueber die dualistischen und panegyrischen Zusätze handelt sehr eingehend 
mit genauer Berücksichtigung der früheren Litteratur BRAin>T, üeber die dualistischen Zu- 
sätze und die Kaiseranreden bei Lactantius. f. Die dualistischen Zusätee (Sitzungsber. 
der Wiener Akademie 118 [1889] Abh. VllI), II. Die Kaiseranreden (Sitzungsber. der Wiener 
Akademie 119 [1889] Abh. I). In der letzten Abhandlung fasst Bbandt p. 67 seine Unter- 
suchungen dahin zusammen ,dass die dualistischen und panegyrischen Stücke einem und 
demselben Verfasser ihren Ursprung verdanken. Irgendwelche äussere Umstände oder 
Widersprüche zwischen beiden» um derentwillen jene Annahme unmöglich wäre, liegen 
nicht vor, vielmehr stimmt alles aufs beste zu derselben, wobei man naturgemäss ja auch 
den verschiedenartigen Inhalt berücksichtigen muss. Beide sind in denselben Handschriften 
überliefert, beide zeigen, wie auch ohne besonderen Nachweis gesagt werden darf, im 
ganzen denselben sprachlichen und stilistischen Charakter. In beiden finden wir dieselbe 
Nachahmung des Lactanz unter variierender Benutzung zahlreicher Stellen desselben, 
beide weisen auf das vierte Jahrhundert als Entstehungszeit, beide auch auf Trier als £nt- 
stehungsort. Beider Verfasser ist nicht ein Geistlicher, sondern allem Anscheine nach ein 
Rhetor, vielleicht ein Lehrer der Schule von Trier, jedenfalls ein Mann, der die rheto- 
rische Schulung jener Zeit durchgemacht hat*. Die Gleichstellung der dualistischen 
und panegyrischen Zusätze ist entschieden unrichtig. Vgl. auch Sekk, Gesch. des 
Untergangs der antik. Welt 1 (1895) p. 437. 

Zeugnisse. Uieron. ep. 58, 10 Lactanti%i8 qtiasi quidam fluviua eloquentiae TuUianof, 
iäinam tarn nostra affirmare potuisset, quam facHe aliena destruxit. Comm. in Eocles. zu 
1, 2 Firmianua quoque noster in praeclaro instittUianutn suarum opere Y litterae meminii 
et de dextris ac sinistria plenisaime disputavit (inst. 6, 3, 6 [I, 486 B]); Apollinaris Sido- 
nius ep. IV, 3, 7 (p. 55, 25 ed. Luetjohann) : iatn si ad sacrosanetoa patres pro comparatume 
veniatur, instruit {Claudianus MamerttM) ut Hteronymtis, destruU ut Lactantius, adstruit 
ut Äugtistinus. 



^) Opera omnia Jo. Franc. Pici Miran- 
dulae Bas. 1573 p. 21; vgl. Brandt, Proleg. 
P. 1 (1890) p. XI. 



*) Kirchengeschichte 1, Leipz. 1885, 
p. 255. 



. . ReiiGins von Antun. 399 

Ausgaben. Die Ausgaben des Lactantius sind sebr zahlreicb, sie werden auf 112 
angegeben. Kein Kircbenscbriftsteller wurde so oft ediert als er. Die editio prineepa er- 
schien 1465 zu Subiaco und ist das erste Buch, das in Italien gedruckt wurde. Ueber die 
folgenden Ausgaben, die römischen vom Jahre 1468 und 1470, über die von Venedig aus den 
Jahren 1471 und 1472 und die von denselben abhängigen vgl. Bbahdt II, In. XLII. Grossen 
Einfluss gewann dann die editio des Janus Parrhasius vom J. 1509. Für die Textgestaltung ist 
dann yon Wichtigkeit geworden die des Jo. Bapt. Egnatius, eine Aldina v. J. 1515; noch 
einflussreicher wurde die zweite Aldina vom J. 1535, welche von Honoratus Fasitelius besorgt 
wurde. Von den folgenden Ausgaben sind zu nennen eine Kölner ,ex officina Petri 
Quentel' v. J. 1544, eine Basler des Xystus Betuleius (Sixtus Birken) vom J. 1563 und die 
zweite Tomesiana vom J. 1567. Das Jahr 1712 wurde insofern epochemachend für Lactantius, 
als in diesem Jahre die ganze Epitome von PfafF ediert wurde. Von den Herausgebern 
des 18. Jahrhunderts nennen wir Jo. G. Walch, der 1715 (und 1735) den Lactantius publi- 
zierte; Christoph Aug. üeumann, der in seiner Ausgabe (Göttingen 1736) die Textkritik 
etwas willkürlich handhabte, endlich Ludolph Bnenemann, der unsem Autor zu Leipzig 
1739 erscheinen liess; von seiner Ausgabe sagt Bbamdt LXVI: cuius editio inter eos est 
lihros, qui numquam obaoleseent; qui quamqttam nunc neglegi solet ab iis qui historiam 
phVologiae scribunty inter praeelarissimo» tarnen philologoa quos saeculum XVIII tulit nume' 
randus est. Wir reihen an die französischen Gelehrten Jo. Bapt. Brun u. Nie. Lenglet Du- 
fresnoy, von denen der letztere die von dem ersten begonnene Ausgabe vollendete (Paris 
1748); wiederholt liegt der Text in der Ausgabe von Oberthür (Würzburg 1783) vor. 
Unserm Jahrhundert endlich gehören an die Ausgabe von 0. Fr. Fbitzschb, welche den 
10. Bd. der bibliotheca Patr, ecclea. lat, von Gersdorf bildet (Leipzig 1842 und 1844) und die 
ausgezeichnete, jetzt allein massgebende Ausgabe von S. Bbandt und Laubmann: L, C. F, 
Lactantii opera omnia . Accedunt cannina eius quae feruntur et L. Cctecilii qui inscriptus 
est de martibus perseeutorum liber, recensuerunt S. Bbandt et G. Laubmann, Pars I, Div, 
inst, et epit. div. inst., rec. S. Bbandt (Corpus Script, eecles. lat., vol. XIX) Wien 1890; 
Partis II Fase. 1 Libri de opifieio Dei et de ira Dei . Carmina . Fragmenta . Vetera de 
Lactantio testimonia. Ed. S. Bbandt (Corp. Script, eecles. lat., vol. XXVII, Wien 1893). Die 
Schrift de mortibus persecutorum, deren Bearbeitung Bbandt in Verbindung mit G. Laub- 
MANN übernommen, ist noch nicht erschienen, befindet sich aber im Druck. 

10. Reticius von Autun. 

767. Die Schriften des Betioius, Eine hervorragende Stelle nahm 
unter den Kirchenhäuptern der konstantinischen Zeit der Bischof von 
Autun, Reticius, ein. In der Donatistensache wuEde ihm das Schieds- 
richteramt übertragen. Dies geschah auf der Synode zu Rom, im Jahre 313. 
Auch als Schriftsteller war er thätig. Er verfasste: 1. einen Kommentar 
zum hohen Lied, über welchen Hieronymus ein sehr abfalliges Urteil fällt ; 
2. ein grosses Werk gegen Novatianus, aus dem uns Augustin einen Satz 
aufbewahrt hat {Augustin. contra Julianum Pelag, 1, 3, 7 und Op. imp, 
contra JuL 1, 55). 

lieber den Kommentar zum hohen Lied vgl. Hieron. ep. 37, 1 innume- 
rabilia sunt, quae in illius mihi eommentariis sordere visa sunt . est quidem sermo com^ 
positus et GaUicano cothurno fluens, sed quid ad interpretem, cuius professio est, non quo 
ipse disertus appareat, sed quo eum^ qui lecturus est, sie faciat inteUigere, quomodo ipse 
intellexit qui scripsit? (vgl. noch ep. 5, 2). 

Die grosse Schrift gegen Novatian war Hamack früher geneigt in dem 
unter den cyprianischen Schriften stehenden Traktat zu erblicken ; allein er hat neuerdings 
diese Ansicht fallen lassen, indem er den Papst Sixtus II. (257—258) als Verfasser der 
Schrift erweisen will; vgl. § 731 p. 335. 

Hieron. de vir. inl. 82. Beticius Aeduorum id est Augustodunensis episcopus sub 
Constantino celeherrimae famae Habitus est in Galliis. leguntur eius eommentarii in 
Cantica Canticorum et aliud grande volumen adversus Novatianum, nee praeter 
haec quidquam eius operum reperi. (Stchowski,* Hieronymus als Litterarhistoriker p. 173). 

Ueber seine Teilnahme an der Synode von Rom (313) und sein Schieds- 
richteramt in Sachen der Donatisten vgl. Augustin. contra Julianum Pelag. 1» 3, 7: 
Retieium ab Augustoduno episcopum magnae fuisse auctoritatis in eeclesia tempore episcO' 
pcUus sui, gesta illa ecclesiastica nobis indicant, quando in urhe Roma, Melchiade apostclicae 



390 Bömisohe Litteratargeachiohte. II. Die Zeit der Honarohie. 2. Abieilimg. 

sedis episcopo praeaidente, cum aliis iudex interfuU Donatumque damnavit, qui prior auctor 
Donatistarum achismatis fuit, et Caecilianum episcopum ecclesiae Carthaginierma äbacUvU. 

Die Martyrien. 

768. AUgemeines. Die Martyrien der Glaubenszeugen bildeten von 
jeher die Bewunderung der christlichen Gemeinden. Die Märtyrer waren ihre 
Helden, deren Thaten man im Gedächtnis behielt und gern erzählte. Be- 
sonders waren es die Sterbtage derselben, die'sich der grössten Beachtung er- 
freuten. Bald entstanden Verzeichnisse dieser Tage, es sind dies die soge- 
nannten Martyrologien, von denen vier historischen Wert besitzen: Die 
depositio martyruw, der karthagische Kalender, das syrische Mar- 
tyrologium, das Martyrologium fiieronymianum. Auch kam früh- 
zeitig die Sitte auf, dass an den Gedenktagen das Leben der Märtyrer zur 
Erbauung der Gemeinde vorgelesen wurde. Den Stoff zu diesen Martyrer- 
geschichten gaben zwei Quellen an die Hand: Die acta und die pas^ 
8 ton es. Die acta sind die öffentlichen Protokolle, welche in dem Prozesse 
der Märtyrer aufgenommen wurden. Solche Protokolle konnten sich die 
Christen aus den Archiven verschaffen oder abschreiben; auch der Fall 
ist denkbar, dass Christen bei den Verhandlungen gegen die Blutzeugen 
anwesend waren und sich die wichtigen Momente des Prozesses notierten. 
Dieser öffentlichen Quelle steht eine private in den passiones gegenüber. 
Dies sind Erzählungen eines Martyrium. Stammen diese Erzählungen von 
Augenzeugen her, so verdienen sie trotz des subjektiven Gepräges volle 
Wertschätzung des Historikers. Leider bemächtigte sich die fromme Phan- 
tasie der Martyrien; es entstanden Dichtungen, die zwar einen historischen 
Kern voraussetzen, allein denselben so überwuchert haben, dass er sich 
nur in den seltensten Fällen herausschälen lässt. 

Unsere Aufgabe kann nur sein, einige charakteristische Proben dieser 
Litteraturgattung zu geben. Um die beiden Formen zur Anschauung zu 
bringen, besprechen wir die Prozessakten der Märtyrer von Scilli und die 
2)a8sio der Perpetua und der Felicitas. 

Martyrerkalender. Solche sind 

1. Depositio martyrum des Chronographen v. J. 354 (vgl. Momieskn, Abb. der 
Bachs. Gesellsch. d. Wissenschaft 1850 p. 631—633); 

2. Der karthagische Kalender aus dem Anfang des 6. Jahrhunderts (MASiLLoy, 
Veterum analectorum tont III, Paris 1682 p. 398—401. Kalendarium antiquiasimum ec- 
clesiae Carthaginiensis); 

3. Das syrische Martyrologium, das in einer Handschrift vom Jahr 412 vor- 
liegt (der syrische Text findet sich in the Journal of sacred literature and biblical record, 
edited hy B. Uabbis Cowpeb, vol. VIII {new series) London 1866 p. 45—56; eine englische 
Uehers. auf Seite 423—432; eine deutsche bei Eoli, Altchristi. Stud., Zürich 1887 p. 5—29. 

4. Das Martyrologium Hieronymianum aus der Zeit des Papstes Sixtus Hl. 
(432—440), herausgeg. von De Rossi und Duchesne in acta sanctorum Novemb. T. II Pars prior 
(3 und 4 Nov.) Brüssel 1894. Vgl. Neues Archiv 20, 437. De Rossi, /{ martirologio geronimiano 
in La Borna sotteranea cristiana II, 1867; De Rossi, Le martyrologe Hi^onymien, ^6cole 
frangaise de Rome, Milanges d'archSologie et d^histoire, F« annSe 1885 p. 115— 119; Duchbshk, 
Lessources du martyrologe HiSronymien; M^lanoes a. a. 0. p. 120 — 160; dazu vgl. Habnack, 
Theol. Litteraturztg., 13. Bd., 1888, S. 350—352. Durch glänzende Untersuchungen haben De 
Rossi und Duchesne festgestellt, dass die Ueberlieferung auf eine Form des Martyrologinms 
zurückführt, welche zu Ende des 6. oder zu Anfang des 7. Jahrh. in Gallien und zwar in Auxerre 
entstand. Diese alte Vorlage wurde aus Kalendern verschiedener Kirchen zusammengearbeitet: 
aus einem orientalischen Martyrologium aus der Zeit von 363—381, aus einem vorvanda- 
lischen Kalender von Afrika und aus einem römischen Kalender, wahrscheinlich aus der 



Die Martyrien. 391 

Zeit von 312—422. Der Verfasser des Mariyr. Hier, will, wie aus dem vorausgeschickten 
Briefe erhellt, für üieronymus gelten (vgl. Neuxann, Der röm. Staat etc. I p. 280). 

Ueher den Wert der Martyrologien urteilt Neumann (1. c. p. 282) also: 
«Sollen die alten Martyrien auf ihre ölauhwürdigkeit geprüft werden, so Kommen der 
Chronograph v. J. 354, das syr. Martyrol., das Hieronymianum und der alte karthag. Kalender 
in Betracht. Die Fortdauer und Wandelung des alten Kultus, sowie das Auftauchen neuer 
Gestalten lehren die späteren Martyrologien.* 

Acta sanctorum. Die <icta sanctorum der sogenannten Bollandisten wurden be- 
gonnen von dem Jesuiten J. Bolland im Jahre 1643. Die acta ordnen die Heiligen nach 
den Tagen des Kalenders. Im Jahre 1894 erschien von dem Werk, das nicht durch die 
Auflösung des Ordens, sondern nur durch die französische Revolution unterbrochen wurde, 
der Foliant, welcher die Heiligen des 4. November und zum Teil noch die des 3. umfasst. 
Ein Supplement zu dem Werk bilden die analecta BoUandiana und die Hsskataioge der Bol- 
landisten. Sekundäre Bedeutung haben die Sammlungen von Subius, De probatia sanctorum 
vitis, erschienen 1570 — 1575 und das Sanctuarium von Moxbritiüs. Im Jahr 1689 erschien 
das wichtige Werk <icta primarum martyrum sincera von Th. Ruinabt, eine hervorragende 
kritische Arbeit. Nachdruck Regensburg 1859. 

Die Bearbeitungen. Die Verwertung des in den <icta BoUandiana ruhenden histo- 
rischen Materials ist deshalb so erschwert, weil die Heiligen nach den Kalendertagen an- 
geordnet sind. NsuvAim hat die Martyrien von der Regierungszeit des Commodus bis 
zur Regierungszeit des Philippus Arabs chronologisch zusammengestellt (Der röm. Staat 
n. die aUg. Kirche, Bd. I (Leipzig 1890 p. 483). 

Litteratur. £. le Blant, Les actes des martyrs, Suppldment aux acta sincera de 
Dom RüiKABT. MSmoires de Vinstitut nat, de France, Äcadimie des inscriptions et bellest 
lettres, T. XXX. 2, Paiis 1883, p. 57 — 347 (auch separat erschienen); die Methode des- 
selben wird ab^lig beurteilt von Neukann, Der röm. Staat etc., 1 p. 279; E. Egli, Alt- 
christliche Studien (2. Abt., ürchrisÜiche Märtyrer), Martyrien und Martyrologien ältester 
Zeit, mit Textausgaben im Anhang, Zarich 1887, p. 91). — lieber die passio S, FeUcitatis 
et Septem filiorum eius (bei Rüinart 1. c. p. 21 — 23) vgl. Fühbbr, Ein Beitrag zur Lösung 
der Felicitasfrage, Freising 1890 (Progr.); Zur Felicitasfrage, Leipzig 1894; Künstle, Hagio- 
graphische Studien über die Passio S. FelicUatis cum VII filiis, Paderborn 1894; Doüloet, 
Memoire relatif a la date du martyre de S, Felicitd et ses sept fUs et d'un Appendice ^t- 
graphique in issai sur les rapports de Viglise chrüienne avec Vitat romain pendant les 
trois prSmiers sikcles, Paris 1883. 

769. Acta martyrum Scillitanomm (die Prozessakten der Märtyrer 
von Scilli). Eine interessante Urkunde ist uns in den acta martyrum 
ScüUtanorum erhalten, welche uns das Verhör und die Verurteilung 
mehrerer Christen aus Scilli, einem Orte Numidiens, vorführen. Die Ver- 
handlung fand am 17. Juli 180 vor dem Prokonsul F. Vigellius Saturninus 
statt. Diese Akten waren lange Zeit nur in sehr interpolierter Gestalt 
bekannt. Ein Fragment, das Mabillon aus einer Reichenauer Handschrift 
veröffentlicht*) hatte, und das einen viel interpolationsfreieren Text dar- 
bot, erregte den Wunsch nach einer ursprünglicheren Gestalt des Textes. 
Dieser Wunsch ward in neuester Zeit erfüllt. Usener entdeckte in einer 
Handschrift der Pariser Nationalbibliothek (890) einen griechischen Text 
der acta, welcher ersichtlich der Originalfassung beträchtlich näher kam 
als die bisher bekannten Exemplare. Allein da die Verhandlungen vor 
dem Prokonsul doch sicherlich in lateinischer Sprache erfolgten, so konnte 
es sich bei den griechischen acta nur um eine Übersetzung handeln; was 
man brauchte, war das lateinische Original. Im Jahr 1890 fand Robinson 
im britischen Museum einen Text, der wenigstens bis jetzt mit der grie- 
chischen Übersetzung am meisten harmoniert und in nicht wenigen Fällen 
deren Interpolationen erweist. 



*) Vetera analecta 4, 155. 



392 Römisohe LitteraturgeBchiohte. II. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilnng. 

Diese Akten, deren Echtheit in ihrem Kerne nicht angefochten 
werden kann, sind darum von grosser Wichtigkeit, weil sie uns den Vor- 
gang vor Gericht bei Christenverfolgungen typisch veranschaulichen. Die 
Standhaftigkeit und die Glaubensfreude der Märtyrer stellt sich in diesem 
schlichten Schriftstück in glänzender Weise dar. Zur Geschichte des Kanons 
der hl. Schriften liefert dasselbe einen wichtigen vielbesprochenen Beitrag. 

Die handschriftliche Ueberlieferung und ihr Eriterinm. Die Hand- 
schriften der acta onterscheiden sich besonders durch die Erweiterungen des Textes von- 
einander. Der Grundsatz' ist hier, dass die Handschrift dem Original am näciisten kommt, 
welche sich am freiesten von Zus&tzen h&lt. Vergleichen wir z. B. die drei von Robinson 
beigezogenen latein. Handschriften (A = Brit. Mus. 11880 s. IX; B = Vindobonensis 377 
8. XI; C = £broicensis [Evreux] 87 s. XIII), so sehen wir, dass B und C Znsätze enthalten, die 
sich als Interpolationen erweisen. Ebenso unterscheidet sich die von den BoUandisten 
publizierte {andlecta Bollandiana VI II [1889] p. 5—8) Recension eines codex Camatensis 
von A, indem sie meistens die Zusätze von B und G zeigt (Zahn, Geschichte des nenteetam. 
Kanons 2, 992). Auch die griechische Uebersetzung zeigt A gegenttber Erweiterungen, z. B. 
gibt sie regelmässig den Märtyrern das Prädikat ayioij während in A der blosse Name 
erscheint. Ein besonders sprechendes Kriterium bieten die Eingangsworte. Der authen- 
tische Text ist hier PraesenU bis et Claudiano commlibus. Die Verwechslung des Eigen- 
namens Praesens mit dem Participium praesens ist eine stufenweise fortschreitende Fehler- 
quelle geworden z. B. presidente bis Claudiano consule (A), presente Claudiano consule (C), 
residentibus Saturnino et Claudiano consulibus (Bruxellensis). 

Der Kanon in den acta. Die wichtige Stelle lautet in A: Satuminus proconsul 
dixit: quae sunt res in capsa vestra? Speraius dixit: Libri et epistuiae Pauli viri iusti; 
in der griechischen Uebersetzung: £arovQyTyog 6 ay&vnarog ^q>rj * 'Onotai (1. nwai) nqay 
ftatsTai roig v/dSt^Qois anoxarrai axevBaiy; Y) tty^og ZnsQatog einsy * M xa&^ ijf^äg ßlßXoi xal 
ttl TiQoc im rorroK (ngoaenl tavta^s: Zahn, Geschichte des neutest. Kanons 1,86 Anm. I) 
iniCToXai IlavXov rov oaiov dydgog. Das lat. Original zeigt deutlich, dass die Briefe des Paulus 
den hl. Schriften (des alten und neuen Testaments) gegenüber gestellt werden, also mit 
denselben noch nicht zu einer Einheit verbunden waren. Nicht aber können die Worte 
das bedeuten, was Zahn (Geschichte des neutest. Kanons 1, 82), sich auf den griechischen 
Wortlaut stützend, hineininterpretiert , Unsere Bücher und die mit dazu gehörigen 
Briefe des heil. Mannes Paulus*. Ist die oben entwickelte Auffassung richtig, so entibSlt 
die Stelle ein sehr wichtiges Zeugnis für die Echtheit, da sie auf eine Zeit hinweist, in der 
der neutestamentliche Kanon noch nicht feststand. 

Litteratur. Acta martyrutn Scilitanorum Oraece edita (ed. H. UssinsR) Bonner 
index lect. 1881. Am bequemsten ist die Ausgabe von Robinsom {Texts and Studies vol. 1 
nr. 2 p. 112), da hier der lat. und griech. Text nebeneinander gedruckt ist. Auai, Aude 
sur un nouveau texte des actes des tnartyrs SciüUains, Paris 1881 (Les chrStiens etc.. Paris 
1881, p. 499); Nbuxakn, Der röm. Staat 1, 284. Vgl. auch dessen Uebersetzung des Proto- 
kolls (nach dem Griechischen) p. 72. 

770. Das Martyrium der Perpetua und der Felicitas (Fassio 
S. Perpetuae et Felicitatis). Im Jahre 202 oder 203 wurden in Afrika 
mehrere Katechumenen wegen ihres Christentums vor Gericht gezogen, 
es waren dies Revocatus und Felicitas, beide dem Sklavenstand ange- 
hörig, Satuminus und Secundulus, dann die vornehme Vibia Perpetua, 
Zu ihnen gesellte sich noch Saturus, der sich freiwillig dem Gericht ge- 
stellt hatte. Secundulus war im Gefängnis gestorben, ^) die übrigen sollten 
nach dem richterlichen Spruch des Procurators Hilarianus im Amphi- 
theater mit den wilden Tieren kämpfen, und zwar wurde hief&r der G^ 
burtstag des Cäsar Geta bestimmt. ^) Hier erlitten die genannten Personen den 
Martyrertod (7. März). Bald nach dem Martyrium gab ein Anhänger des Monta- 
nismus einen Bericht über dasselbe heraus ; derselbe sollte bei den Yersamm- 



M c. 14 p. 82 Robinson. 

«) c. 7 p. 74 R. 

') c. 1 und c. 21. Wahrscheinlich er- 



folgte die Abfassung noch vor Eintritt des 
ersten Gedenktags (Bonwxtscb, Die Schriften 
Tertullians p. 76). 



Die Martyrien. 893 

lungen zur Erbauung vorgelesen werden;^) derselbe sollte ferner den 
Beweis liefern, dass der hl. Geist sich noch immer in neuen Offenbarungen 
entfalte. Auch bei unseren Märtyrern war das Wirken des Paraklets 
sichtbar; denn Perpetua und Saturus hatten Visionen und dieselben nebst 
ihren Erlebnissen in der Verfolgung aufgezeichnet. Diese stellte der Re- 
dactor zusammen und fügte, einem Wunsch der Perpetua entsprechend, 
die Erzählung des Martyriums selbst hinzu. In dem Eingang und in dem 
Schluss des ganzen Berichts suchte er die montanistische Lehre von der 
neuen Prophetie zu rechtfertigen. Wer dieser Redactor war, kann nicht 
sicher festgestellt werden. Manches spricht für Tertullian. 

Die Passio ist in rührender Einfachheit gehalten; auch gewinnen 
wir durch das Schriftstück eine Einsicht in die Bewegungen der kartha- 
gischen Kirche, welche durch den Montanismus entstanden waren.*) 

Die Persönlichkeit des Redactors. Der erste, der sich fürTertalliaD als Re- 
dactor aussprach, war meines Wissens Zahn in seinen Promotionsthesen (1868); vgl. dessen 
Geschichte des neutest. Kanons 1 p. 10 Anm. 2. Beifällig nahm diese Ansicht auf Bonwetsch, 
Die Schriften Tertullians p. 84, Robinson sucht sie in seiner Ausgabe p. 47 zu erweisen, 
indem er in Bibelcitaten, Aeusserungen und sprachlichen Wendungen eine Uebereinstim- 
mung zwischen der passio und den Schriften Tertullians findet. Gegen die Identifizierung 
spricht hauptsächlich, dass Tertullian die Vision des Saturus mit der der Perpetua ver> 
wechselt (de anima c. 55 quamodo Perpetua fortissima martyr suh die passionis in reve- 
latione paradisi solos illic commartyres suos vidit, nisi quia nullis romphaea paradisi 
ianitrix cedit nisi qui in Christo decesserint, non in Adam? vgl. Neumank, Der römische 
Staat 1, 300). 

Das Datum des Martyriums fällt auf den 7. März, wie die depositio martyrum 
beim römischen Chronographen des J. 354 bezeugt. Das Jahr muss durch Kombination ge- 
wonnen werden. Die Daten dafür sind erstens das Edikt des Sevems gegen die Christen; 
zweitens die Statthalterschaft des Uilarianus und seines Nachfolgers Rufinus. Das Edikt 
des Severus wurde nicht vor 202 gegeben, das Martyrium muss nach demselben erfolgt 
sein. Rufinus wurde 203 Prokonsiü. Also fällt das Martyrium auf den 7. März 202 oder 
203 (Neumann, Der röm. Staat und die allgem. Kirche 1, 171 Anm. 3). 

Die Komposition der passio. Nach der Einleitung folgt der kurze Bericht des 
Redactors über die Verhaftung; dann fährt er fort (c. 2): haec {Perpetua) ordinem totum 
martyrii sui iam hine ipsa narravit, sictU conscriptum manu sua et suo sensu reliquit; 
es folgt also die Aufzeichnung der Perpetua; sie reicht bis zu c. 10 (inkl.) und führt die 
passio bis zum Vorabend des Martyriums; ipsius autem muneris actum, si quis voluerit, 
scribat. Dann kommt die Vision des Saturus (c. 11 Sed et Saturus benedictus hanc visionem 
suam ediditf quam ipse conscripsit). Die Erzählung derselben reicht bis c. 13. Im Ein- 
gang des c. 14 heisst es: hae visiones insigniores ipsorum martyrum beatissimorum Saturi 
et Perpetuae, quas ipsi conscripserunt. Es folgt die kurze Erzählung von der Felicitas. 
Auch hier werden wir Aufzeichnungen der Märtyrer anzunehmen haben; denn erst mit dem 
folgenden Kapitel setzt der Redactor wieder ausdrücklich ein (c. 16): quoniam ergo per- 
misit et permittendo voluit Spiritus Sanctus ordinem ipsius muneris conscribi, etsi indigne 
ad supplementum tantae gloriae describendae, tamen quasi mandatum sanctissimae Per- 
petuae, immo fideicommissum eius exequimur, unum adicientes documentum de ipsius con- 
stantia et animi sublimitate. 

Die Ueberlieferung. Die lateinische Fassung des Martyriums wurde von 
Lucas Holste (1596—1661) in einer Handschrift des Benediktinerklosters zu Monte Casino 
entdeckt und bearbeitet, aber erst nach seinem Tode von Poussin 1663 in Rom heraus- 
gegeben. Im Jahre 1889 wurde von Prof. Rbndel Habbis in Jerusalem die griechische 
Version entdeckt und 1890 in Cambridge veröffentlicht (The acts of the Martyrdom of 
Perpetua and Felicitas by J. R. Harris and S. K. Giffobd, London 1890). Ausser dieser 
vollständigen, sowohl lateinisch als griechisch vorliegenden Version gibt es noch eine ab- 
gekürzte lateinische, in zahlreichen Handschriften vorhandene. Diese wurde (nach Pariser 
Handschriften 5269, 5279, 5292, 5297, 5311, 5318, 5349) zuerst publiziert von AüBi, Les 



>) Vgl. die Vision des Saturus (Ritsobl, 1857 p. 546; Bonwbtsch, Die Schriften Ter- 
Die Entstehung der altkath. Kirche S Bonn tullians, Bonn 1878 p. 80). 



394 BOmiBche litteratargesohichie. II. Die Zeit der Monarohie. 8. Abteilimg. 



Chritiena dans Vempire romain, Paris 1881, p. 521. Eine etwas abweichende Fassung bietet 
der Bruxellensis 207/8, veröffentlicht in CcUalogus eodicum hagiogr. hibliotheeae BruxeU 
lensis, P. I, Brfissel 1886, p. 158, und der Parisinus 14650, veröffentlicht von Pillet, Histoire 
de S. Perp^tue, p. 460 (zugleich mit den Varianten des Bmxellensis). 

Der Unterschied der vollst&ndigeren und kttrzeren lateinischen Version besteht 
vornehmlich darin, dass die kürzere Version das Martyrium in die Zeit des Valerianus 
und Gallienus verlegt, und dass sie als den Schauplatz der pcLssio die civUots TüburbUa- 
narum (Thuburbo) angibt. Merkwürdigerweise zeigt auch die griechische Uebersetznng 
diese falschen Bestandteile (Ueber andere Berührungspunkte derselben mit dem kürzeren 
lateinischen Text vgl. Robikson, Texts and Studies, vol. I nr. 2 p. 16). Das Verhältnis der 
lateinischen Fassung zu der griechischen ist das des Originals zur Kopie. Vgl. Robikson 
1. c. p. 2. Massgebend für den Text ist in erster Linie der Gasinensis. 

Litteratur. Rüinart, Actaprimorum marturum sincera et seleday 2. Aufl., Amster- 
dam 1713. Lateinischer und griechischer Text nebeneinander in den Texte and Studka^ 
vol. 1 nr. 2 The passion of S. Perpetua by J. A. Robinson, Cambridge 1891 (p. 60- -95), 
jetzt die massgebende Ausgabe. Lat. Text mit französischer Ueberse^^ung bei A. Pillbt, 
Histoire de Sainte Perpitue, Lille- Paris (sine anno) p. 441 ; das Buch hat vorwiegend er- 
baulichen Charakter. L. Duchbsne, En quelle langue ont ä^ icrits les actes des Saintee 
Perp^tue et Filiciti? Äcad, des inseriptions et beUes-lettres. Comptes rendus 1891, janv.- 
fenr, p. 39—54 und Bullet. crU, 1892 p. 470. 

Obersetzungen. 

771. Allgemeines. Das Organ, durch welches das Christentum sich 
über die Welt ausbreitete, war die griechische Sprache. Selbst im Abend- 
land war das Oriechische vorwiegend die Sprache des Christentums. In 
Rom bestand bekanntlich die christliche Gemeinde in den ersten Jahr- 
hunderten grösstenteils aus Griechischsprechenden. Es ist daher selbst- 
verständlich, dass der Gottesdienst dort in griechischer Sprache gehalten 
wurde. Auch die christliche Litteratur bediente sich in Rom anfangs des 
griechischen Idioms; erst mit Novatian trat in Rom ein hervorragender 
lateinischer Schriftsteller christlichen Bekenntnisses auf. Nur allmählich 
konnte sich daselbst die lateinische Sprache die Gleichberechtigung mit 
der griechischen erringen; um die Mitte des 3. Jahrhunderts war dieser 
Prozess vollzogen;*) allein dabei blieb es nicht; das Lateinische gewann 
in der Hauptstadt immer mehr Boden, bis es das Griechische schliesslich 
verdrängt hatte. Um 430 wurde das Griechische vom höchsten kirchlichen 
Organ nicht mehr verstanden.*) 

Auch in Gallien war im zweiten Jahrhundert das Griechische in den 
christlichen Gemeinden die dominierende Sprache. Der Bischof von Lyon, 
Irenäus, schrieb gegen Ende des 2. Jahrhunderts sein gelehrtes Werk 
gegen die Ketzer griechisch. Bis tief in das 3. Jahrhundert hinein wurde 
noch der Gottesdienst im südlichen Gallien regelmässig in griechischer 
Sprache gehalten.*) 

Selbst in Afrika finden wir das Griechische in den kirchlichen Kreisen 
sehr verbreitet. Sogar TertuUian, dessen Verdienste um Ausbildung der 
lateinischen Sprache für christliche Ideen nicht hoch genug anzuschlagen 
sind, sah sich gezwungen, manchmal des Griechischen sich zu bedienen. 
Über drei Themata: über die Schauspiele, über die Taufe, über die 
Verschleierung der Jungfrauen, hat er sowohl in lateinischer als in 
griechischer Sprache geschrieben; über die Ekstase, wie es scheint, nur 
in griechischer Sprache.^) 



>) Gaspari, Quellen III p. 450, 460. 
*) Casfari 1. c. 465. 



*) Zahn 1. c. I, 1 (Erlangen 1888) p. 47. 
') Vgl. oben p. 294 u. p. 296. 



üeberseisungen. 



395 



Allein von Anfang an existierte in den christlichen Gemeinden ein 
Bruchteil, welcher nicht griechisch verstand. Und dieser Bruchteil wurde 
inuner grösser, je mehr das Christentum in der römischen Welt an 
Boden gewann. Anfangs half man sich damit, dass man die gottesdienst- 
lichen Schriftlektionen sofort mündlich in die betreffenden Landessprachen 
übersetzte. ^) Das konnte natürlich für die Länge der Zeit nicht genügen ; 
die schriftliche Übersetzung erwies sich als eine Notwendigkeit. Dass eine 
solche nur in der lateinischen Sprache erfolgen konnte, ist bei dem Vor- 
herrschen des lateinischen Idioms im ganzen römischen Reich leicht be- 
greiflich. So finden wir denn eine Reihe griechischer christlicher Schriften 
in lateinischen Übersetzungen vor. Zeit und Heimat derselben ist natür- 
lich sehr schwer zu bestinmien. Am wichtigsten ist die lateinische Über- 
setzung der heiligen Schrift. Wir werden dieselbe zuerst behandeln; 
daran wird sich eine Auswahl der wichtigsten Übersetzungen anderer christ- 
licher Schriften schliessen. 

Litteratur. üeber die lateinischen Ueberaetznngen handelt im allgemeinen Hab- 
NACK, Gesch. der altchristl. Litteratur I, p. LIX. Ein Verzeichnis der alten Uebersetzungen 
gibt derselbe 1. c. p. 883. Ueber das Griechische in Rom handelt sehr ausfQhrlich Gaspabi, 
Quellen zur Geschichte des Taufsymbols und der Glaubeosregel III (Cbristiania 1875) 
p. 267—466; über das Griechische in Gallien und in Afrika vgl. Zaun, Geschichte des 
neutestamentlichen Kanons I (Erlangen 1888) p. 45, 49. 

772. Die vorhieronymianiBchen Bibelttberseizungen — Afra und 
Itala. Mit der Ausbildung des christlichen Gottesdienstes stellte sich die 
Lektüre von Abschnitten der heiligen Schrift notwendigerweise ein. Allein 
man würde irren, wenn man annehmen wollte, dass die heilige Schrift zur 
Befriedigung dieses Bedürfnisses sofort in die Landessprachen schriftlich 
übersetzt wurde. Wir hören von keiner keltischen und keiner punischen Bibel. 
Wir haben vielmehr anzunehmen, dass, wie bereits oben erwähnt, die Über- 
setzung beim Gottesdienst mündlich vom Vorleser vollzogen wurde. Ebenso 
wird es in den lateinisch redenden Gemeinden gehalten worden sein. Allein 
dieser Zustand war doch ein höchst unvollkommener. Mit der wachsenden 
Ausbreitung des Christentums im Abendlande, wo die lateinische Sprache 
durchweg herrschte, musste sich die Notwendigkeit einer lateinischen 
Bibelübersetzung gebieterisch geltend machen. Es fehlt uns an einem 
historischen Zeugnis, in welchem Land diese Übersetzung entstanden ist. 
Aber wer das Entstehen der christlich lateinischen Litteratur mit auf- 
merksamem Auge verfolgt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Afrika als 
das Geburtsland der lateinischen Bibelübersetzung betrachten. Und in der 
That lässt sich erweisen, dass Cyprian ein fester lateinischer Bibeltext 
bereits vorlag. Über die Abfassungszeit der Übersetzung lassen sich nur 
Vermutungen äussern. Hat TertuUian, wie es allem Anschein nach der 
Fall ist,*) noch keine lateinische Bibel in Händen gehabt, so wird 
dieselbe zwischen 210 und 240 entstanden sein. Ob die lateinische Bibel 
der afrikanischen Kirche von einem oder mehreren verfasst wurde, muss 
natürlich unentschieden bleiben. Selbst die Sprache dürfte hier keine Ent- 



Zahh p. 43. 

') Zahn, Geschichte des neutestament- 
lichen Kanons I, 1 (Erlangen 1888) p. 59; 



vgl. dagegen Zimmbb, Ein Blick in die Ent- 
wicklungsgeschichte der Itala, p. 838, 



1 



396 RömiBohe Lüteratargeschiohte. II. Die Zeit der Honarclüe. 2. Abieilimg. 

Scheidung geben; denn hier bildet sich nur zu leicht ein allgemeiner 
Typus heraus. Eine andere Frage ist, ob die mit grosser Wahrschein- 
lichkeit anzunehmende Afra die einzige lateinische Bibelübersetzung war, 
oder ob neben ihr noch andere tJbersetzungen in anderen Ländern 
aufgekommen sind. Für die ersten Zeiten des Christentums, in denen 
Afrika in der christlichlateinischen Litteratur tonangebend war, lässt sich 
dies kaum annehmen. An Rom darf man in keinem Fall denken, da hier, 
wie wir oben gesehen, lange Zeit die griechische Sprache die Sprache der 
christlichen Gemeinde war. Allein für spätere Zeiten, in denen sich auch 
in anderen Provinzen ein reiches, kirchliches Leben entfaltete, ist die Mög- 
licTikeit zuzugeben, dass der Afra andere Übersetzungsversuche gegenüber 
traten. Und wirklich finden wir die Spuren einer nichtafrikanischen 
Version, welche Augustin mit dem Wort „Itala* bezeichnet. Da der 
Kirchenvater von einer wortgetreueren und dabei doch klareren Über- 
setzung spricht, so können wir kaum an eine Neubearbeitung einer schon 
vorhandenen Übersetzung denken, sondern müssen eine selbständige 
Leistung annehmen. Dem Namen nach haben wir die Heimat dieser Ver- 
dolmetschung in Italien zu suchen. Es wird die Vermutung gestattet sein, 
dass Augustin') die genannte Übersetzung bei Ambrosius in Mailand ge- 
braucht hatte. Auch bei dieser Bibelübersetzung ist unserer Kenntnis ent- 
rückt, ob sie von einem oder mehreren Übersetzern verfasst wurde. Ihre 
Abfassung kann vermutungsweise in die Zeit nach Cyprian bis auf Am- 
brosius, also etwa 260 — 350 angesetzt werden. Von anderen Bibelüber- 
setzungen als den zwei genannten, der Afra und der Itala, sind keine 
Spuren vorhanden. Solche sind auch wenig wahrscheinlich. Dagegen ist 
es naturgemäss, dass an den vorhandenen Bibelübersetzungen vielfache 
Verbesserungen vorgenommen wurden. Dadurch entstanden dann in den 
Exemplaren die grossen Textesverschiedenheiten, über welche sowohl 
Augustin als Hieronymus Klage erheben. Durch die sogenannte Vulgata 
des Hieronymus traten jene alten Übersetzungen nach langem Ringen in 
den Hintergrund; doch sind sie nicht ganz vernichtet worden. Von Jahr 
zu Jahr kommen neue Bruchstücke ans Licht. Man vereinigt diese Frag- 
mente unter dem Sammelnamen „Itala''; allein nach dem Gesagten kann 
es nicht zweifelhaft sein, dass diese Bezeichnung eine missbräuchliche ist. 
Allerdings ist es fraglich, ob es gelingt, aus den vorhandenen Fragmenten 
die Itala und die Afra als für sich bestehende Versionen herauszuheben; 
denn der sprachliche Charakter dieser Bruchstücke ist ein gleichmässiger, 
da sie alle in vulgärem Latein geschrieben und durchaus wortgetreu ge- 
halten sind, was zur Folge hatte, dass dem Geist der lateinischen Sprache 
Zwang angethan werden musste. 



') Die Annahme liegt nahe, dass Augu- 
stin die Uebersetzung der heil. Schrift, welche 
er Itala nannte, und deren Vorzüge er so 
rühmte, Überwiegend auch seinen Bibelcitaten 
in seinen Schriften zu Grunde legte. Diese An- 
nahme gewinnt dadurch an Wahrscheinlich- 
keit, dass sich die Fragmente der Freisinger 



Blätter vielfach mit den Bibelcitaten bei Augu- 
stin decken; vgl. darüber die eingehende Unter- 
suchung von ZiBOLRB, Die latein. Bibelüber- 
setzungen vor Hieronymus und die Itala des 
Augustinus p. 65 und p. 77, femer Wöltfus 
(Münchner Sitzungsber. 1893 p. 257). 



üeberttetmngeii« 397 

Aagastinüs de doctr. ehr. 2, 15: In ipsis interpretationibus itala eaeteris prae- 
feratur, nam est verborum tenacior cum perspicuitate sententiae, Bbntlbt schrieb statt 
Uala ceteris praeferatur, nam —: illa ceteria prtieferatur, quae — ; diese Bentley'sche 
Eonjektnr wird neaerdings verteidigt von P. Cobssen: Die vermeintliche ^ Itala' und 
die Bibelübersetzung des Hieronymus (Jahrb. f. protest. Theol. 7 [1881 p. 507J). Allein 
die Worte Augustins sind durchaus richtig, vgl. Mommsen, Rom. Geschichte 5, 658, Anm. : 
,Die zwiefache Aenderung ist ohne alle äussere Probabilität, überdies nam durch den 
Ausschreiber Isidor etvm. 6, 4, 2 geschützt. Was man ferner eingewendet hat, dass 
der Sprachgebrauch Italica fordere, trifft nicht zu (Italus schreiben z. B. Sidonius und Jor- 
danes, sowie die Inschriften der späteren Zeit C. I. L. X. p. 1146 wechselnd mit Italiens), 
und mit dem Rat möglichst viele Uebersetzungen zu vergleichen besteht sehr wohl die 
Bezeichnung einer einzelnen als der im ganzen zuverlässigsten; durch die geänderte Fas- 
sung dagegen wird eine verständige Bemerkung in einen inhaltslosen Gemeinplatz umge- 
wandelt.* Zu dieser Auseinandersetzung Mommsens ist noch zu vergleichen, was Wölfflik 
(Münchner Sitzungsber. 1893 p. 256) und vor Mommsen Zieoleb, Die lat. Bibelübersetzungen 
vor Hieronymus, München 1879, p. 19 f. über den Gebrauch von Italus und Italiens 
sagte. Richtig ist, dass Italus als Adjektiv der Dichtersprache angehört, allein auch in 
die spätere Prosa ist das Wort gedrungen. So finden wir bei Plinius ncU, hist, 3, 54 
Italum mare, Amobius 2, 73 bietet res italas. Damach liegt gar keine Neuerung 
vor, wenn Augustin Italus statt Italieus gebraucht. Er hat übrigens auch noch an 
anderen Stellen diese Form, z. B. de civit. dei 3,26 Itala e gentes; quaest. in gen. 95 
peeudum Italarum; contra lulian. Pelag. 6, 7 montes vel Africanos vel Italos; ebenda 
Oleom non Äfricanam non ItaJam. — Augustin de doctr. ehr. 2, 11 qui scripturas ex 
hebraea lingua in graeeam verterunt, numerari possunt, latini autem interpretes nullo 
modo, üt enim cuiquam primis fidei temporibus in manus venu codex gr accus , et aliquan- 
tulum facuUatis sihi utriusque linguae habere videbatur, ausus est interpretari; Hieron. 
praef. in evv. ad Damasum: Si latinis exemplaribus fides est adhibenda, respondebunt : 
quibus? tot sunt enim exemplaria paene quot Codices. Si autem veritas est quae- 
renda de pluribus, cur non ad graeeam originem revertentes, ea quae vel a vitiosis inter- 
pretibus male reddita, vel a praesumtoribus imperitis emendata perversius, vel a librariis 
dormitantibus aut addita sunt aut mutata corrigamus? 

Litteratnr. Ueber die vorhieronymianischen Bibelübersetzungen handeln die Ein- 
leitungen in das neue und alte Testament; man vergleiche z. B. Blbek, Einleitung in das 
neue Testam., Berlin 1862, p. 738; Hilgenfbld, Hist.-krit. Einleitung in das N. T., Leipzig 
1875, p. 797; Weiss, Einleitung in das neue Testament, Berlin 1886, p. 631; Rbuss, Ge- 
schichte der heiligen Schriften neuen Testaments, Braunsehweig 1874^, p. 187; Jülicher, 
Einleitung in das neue Testament, Freib. u. Leipz. 1894, p. 388. Femer F. Zixmeb, Ein 
Blick in die Entwicklungsgeschichte der Itala (Theol. Stud. u. Kritik., Jahrg. 1889 p. 331); 
J. Ztcha, Bemerkungen zur Italafrage im Eranos Vindobonensis, Wien 1893 p. 177; Wölff- 
Liir, Münchner Sitzungsber. 1893 p. 253; Linke, Studien zur Iteda, Breslau 1889; Zahn, Ge- 
schichte des neutest. Kanons 1, 1, Erlang. 1888; Ziegleb, Die lateinischen Bibelübersetzungen 
vor Hieronymus und die Itala des Augustinus, München 1879 (vgl. Fleekeis. Jahrb. 119,713); 
RöNSOH, Itala und Vulgata, das Sprachidiom der urchristlichen Itala und der katholischen 
Vulgata, Magdeburg und Leipzig 1869. 1875', derselbe publizierte femer verschiedene Auf- 
sätze in der Zeitschr. f. wissensch. Theol. 24 (1881) p. 198; 25 (1882) p. 104; vgl. auch seine 
CoUecianea philologa, Leipzig 1891; W. Welssbbodt, De versionibus Script, sacrae lat. obser^ 
vationes miscellaneae, Braunsberg 1887; Wiseman, Essays on various subjects, London 
1853, I, 24 (in deutscher Ausgabe Regensburg 1854, 1, 21); Rbikkbns, Hilarius v. Poitiers, 
Sehaffh. 1864, p. 335 (die lat. Uebers. der Bibel um die Mitte des 4. Jahrb.). 

773. Die Fragmente der vorhieronymianischen lateinischen Bibel- 
flbersetzimg. Diese Fragmente lassen sich gewinnen 1. aus Handschriften, 
2. aus Zitaten lateinischer Rirchenschriftsteller, 3. endlich aus der Vulgata 
des Hieronymus. Die Fragmente der Handschriften fliessen reichlicher 
f&r das neue Testament als für das alte. Sie beziehen sich dort zum 
grösseren Teile auf die Evangelien und die Paulusbriefe. 

Von den Kirchenvätern liefern Material Cyprian und seine Nach- 
folger bis auf Qregor den Grossen. Die Vulgata kommt insofern für die 
Itala in Betracht, als Hieronymus einesteils grosse Partien der vorhiero- 
nymianischen Übersetzung nur revidierte, andernteils gewisse Abschnitte 
ganz unverändert herübernahm; diese herübergenommenen Teile sind: das 



( 



398 ROmisohe Litteratnrgeschiohte. D. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 



Buch der Weisheit, der Ecclesiasticus, Baruch mit dem Brief 
des Jeremias, endlich die Makkabäerbücher.^) 

I. Handsohriften« 

In ftlterer Zeit haben sich die grössten Verdienste um die Sammlang des hand- 
schriftl. Materials erworben Sabatibb, ') (Bibliarum sacrorum IcUinae verHones antiquae etc. 
Rheims 1743; Paris 1749— 5 P, und 6. Bianchini,*) Evangeliarium quadruplex latinae 
verHonia antiquae 1749). In neuerer Zeit ist das handschriftliche Material sehr bereichert 
und fast unübersehbar geworden. Allgemeine Zusammenstellungen der benutzten Hand- 
schriften geben Rönsch, Itala u. Vulgata, Marb. u. Leipz. 1869, p. 18; Tibchendobf in seiner 
7. Ausgabe des griech. Neuen Testaments p. GCXLIII; Raitkb, Fragmenta Curensia p. 7; 
ZisoLER, Die lateinischen Bibelübersetzungen vor Hieronymus u. die Itala des Angastuias, 
Manchen 1879; Holtzmann, Einl. in das neue Testament. Freib. 1885, p. 57; C. R. GasooRT, 
Novum testamentum graece etc., ed. Tischendobf^ vol. III, Leipzig 1894, p. 948. 

Im nachfolgenden liefern wir eine aus yerschiedenen Quellen zusammengeetellte 
Uebersicht der Publikationen. 

A. Altes Testament 

ÜL. RoBBBT, Pentateuchi versio latina antiquisaima e codiee Lugdunensi, Paris 1881 ; 
(Asbbübnhak), Librarum Levitici et Numerorum versio antiqua Itala e codiee peraniiquo 
in bibliotheca Ashbumhamenei conservato nunc primum typia edita, London 1868. Der 
Codex Ashbumhamensis wurde vor der Revolution gestohlen, ist aber jetzt wieder an 
Frankreich zarückgegeben; er bildet einen Teil des Lngdunensis s. VI. Ueber die Schidc- 
sale des Codex vgl. Robbkt 1. c. im Avant-Propos. Neuerdings hat man weitere Teile 
dieser Lyoner Bs. entdeckt, nämlich Josua und Richter. Vgl. z. B. Bullet, crit. 1896 p. 99. 

— Rankb, Par palimpsestorum Wirceburgensium antiquissimae veterie testamenti veraionis 
Ijotinae fragmenta, Wien 1871 (Abschnitte des Pentateuchs und der Propheten); vgl. auch 
MüLLBB, Fragmenta vereionis antiquae Latinae antehieronymianae propketarum leremiae, 
EzechieliSy Danielis et Hoseae e codiee rescripto univereitatia Wirceburgenaia, Kopenhagen 1819. 

— (Haupt) Veteria antehieronymianae veraionia libri II Regum aive SamueUa (2 Sam. 
X, 18-XI. 17; XIV, 17—30) fragmenta Vindobonenaia (Nr. 15479, suppl. 2868 s. VIl/VIII) 
Wien 1877; vgl. Ranke, Litter. Centralbl. 1878 p. 759. — Rabkb, Fragmenta veraionia LtUinae 
antehieronymianae prophetarum Hoaeae, Ämoai et Michaeae e codiee Fuldenai eruta. Marb. 1856; 
Nachträge hiezu Marb. 1858; Vogbl, Beiträge zur Herstellung der alten lat BibelObersetzung, 
Wien 1868; Ranke, Fragmenta veraionia aacrarum acripturarum latinae antehieronymianae 
e cod. macr. eruit atque adnoiationibua inatruxit . Editio libri repetita, cui accedit appendix, 
Wien 1868; Rankb, Antiquiaaimae V. T. veraionia lat, fragmenta Stutgardiana, Mar- 
burg 1888. Alle diese Fragmente (s. V) stehen auf Deckeln von Handscluiften aus dem 
ehemaligen Kloster Weingarten; sie wurden gefunden in Fulda, Darmstadt, Stuttgart und 
zu St. Paul im Lavantthal in Kämthen. — F. Monb, De libria palimpaeat,, Karlsruhe 1855 
(p. 49 ein kleines Stück der Sprüche Salomos aus einem Palimps. zu St. Paul im Lavant- 
thal). — J. Bblshbik, Palimpaeatua Vindobonenaia (Nr. 17, olim 821) antiquiaaimae veteria 
ieatamenti tranalationia latinae fragmenta e cod, reacripto eruit et primum edidit, Christiania 
1885 (Separatabdr. aus Theologisk Tidsskrift). — Tisohbndobf, Anecdota aacra et profana, 
Leipz. 1861, p. 231 (Palimps. Sangallensis Nr. 912 s. V, Bruchstücke aus Jerem. und zwar 
17, 10-16 ; 49, ii-is). — F. GusTAFSON, Fragmenta veteria teatamenti in latinum converai e 
palimpaeato Vaticano eruta in Act. scient. Fenn. 12 p. 243. — L. Zibglbb, Bruchstücke 
einer vorhieronymianischen Uebersetzung des Pentateuch aus einem Münchener Palimpsest, 
München 1883. — R. Bbksley, The miaaing fragment of the latin tranalation of the fourth 
book of Ezra diacovered and edited toith an introduction and notea, Cambridge 1875. Durch 
diese Publikation aus dem Corbeiensis in Amiens s. IX wurde die Lücke ergänzt, welche 
im Cod. Sangermanensis (Lat. Nr. 17 in Paris s. IX) durch Ausschneiden eines Blattes im 
4. Buch Esdras nach cap. 7, ss entstanden war. Vgl. jetzt die Ausgabe des 4. Esdrasbuches 
V. Benslt u. James, Cambridge 1895 {Teocta and Studiea III 2) — Quedlinburger Blätter; 
es handelt sich um drei Funde ; der erste, der in Magdeburg gemacht wurde, enthielt den Text 
1 Kön. 5, t-9 und 2 Sam. 2,99—3,»; der zweite Fund, der auf Quedlinburg selbst fiel, ent- 
hielt 1 Sam. 9, 1 .8 u. 15, 10 - 17 ; beide Funde hat MClvebstbdt hrsg. in Zeitschr. d. Vereins 
f. d. Geschichte des Harzes 1874 p. 251 ; den zweiten Fund gab W. ScHini in Theol. Stud. 
u. Krit. 1876 p. 121 abermals heraus; hiezu kommt noch A. DObiko, Ein neues Fragment 



^) Vgl. Kaulbk, Geschichte der Vulgata, 
Mainz 1868 p. 168; Bleek, Einl. in d. alte 
Testam., Berlin » (1886) p. 556. 

'^) Die von Sabatier (Benediktiner f 1742) 



und Bianchini benutzten Handschriften sind 
übersichtlich zusammengestellt in Röksch, 
Itala und Vulgata, Marb. 1869. 



Vebersetsnngdii. 399 

des Quedlinburger Itida codex (Progr.) Quedlinb. 1888, enthaltend 1 Kön. 5,o--6, ?; F. Eehb, 
Die Quedlinburger Italafragmente in Mitt des Inst, für Osterr. Geschichtsforschung 10, 2 
(1889). — EicBENFBLD u. Endlichkb, Änalecta fframmcUica, Wien 1837, p. IX (Public, von 
Sam. 11, t— • aus dem Palimps. Vindobon. Nr. XVII (olim Bobbiensis s. V). — Am. Pbtbon, 
M, Tuttii Ciceronis fragmenta inedita, Stuttgart 1824 (p. 73 2. Buch der Makkabäer aus Cod. 
Ambrosianus E 76 inf. s. X). — 0. F. Fsitzsobb, £xeg. Handbuch zu den Apokryphen des 
alten Testaments, 5. Lief., Leipz. 1859 (einiges aus dem Buch der Weisheit und Jesus-Sirach 
nach dem Cod. Carolinus der Eantonalbibl. in Zürich s. IX); G. Doüais, üne ancienne version 
de V EccUaicistique (21, so— si; 22, i— st), Paris 1895. — Vebobllone, Variae lectianes 
Vuigatae Latinae bibliarum editionis, Rom 1860 (I p. LXXXVI, 182, 307 Mitteilungen aus 
Cod. Ottobonianus-Yaticanus Nr. 66 s. VIII, Kapitel aus Genesis und Exodus; p. XGIII, II 
p. XXI, 180 Mitt. aus Cod. Gothicus Legionensis); S. Bbroeb, Notice sur quelques texts latins 
ifUdits de Vancien testament, Paris 1893. Vgl. Theol. Litteraturztg. 1894 Nr. 1 (Reg. Job, 
Maccab., Ruth). 

B. Neues Testament. 

Biakchini (Jos. Blanchinus), Evangeliarium quadruplex latinae versianis antiquae 
seu veteris Italicae etc., Rom 1749, 2 Teile in 4 Bd. fol. Darin sind abgedruckt der Ver- 
cellensis (jetzt sehr defekt) zu Vercelli in Piemont, angeblich von Bischof Eusebius von Ver- 
celli (t 371), geschrieben und schon von Irico 1748 herausgegeben, neuerdings ediert von 
Belshbim Christ. 1894; der Veronensis s. IV jY in der Kapitelsbibliothek zu Verona; der 
Brixianus s. VI in der Kapitelsbibliothek zu Brescia, weniger Lücken als die beiden ersten 
enthaltend, aber mit Bestandteilen der Vulgata untermischt; siehe die Vulgataausgabe von 
Wobdswobth-Whitb, wo unter dem Vulgatatext der des cod. Brix. steht; der Corbeiensis ff^ 
Nr. 195 zu Paris (jetzt 17225) s. VI nach der Vulgata interpoliert. Neuerdings ist der letztere 
herausg. auch von J. Bblshbim, Codex ff* Ck>rbeiensis sive quatuor evangelia ante Hiero- 
nymum translata, Christiania 1887; andere Materialien teilt mit Bianchini in Vindidae 
canonicarum scripturarutn vuigatae latinae editionis, Rom 1740. — P. Sabatibb, Bibliarum 
sacrorutn latinae versiones antiquae sive vetus italica, 3 Bde., zuerst in Rheims 1743, dann 
in Paris 1749 — 51' erschienen; der 3. Bd. enthält das neue Testament. Die 4 Evangelien 
sind gegeben nach dem Colbertinus in Paris (Nr. 254) s. XII (siehe unten p. 400 Z. 32 v. o. 
anch Belsheim), die Apostelgeschichte nach dem Cod. Laudianus, die Paulinischen Briefe 
mit Einschluss des Hebräerbriefes nach dem Cod. Claromontanus und Sangermanensis, der 
Brief des Jakobus nach der Martinay*schen Ausgabe des Cod. Corbeiensis, die andern 
katholischen Briefe nach den fragmentarischen Citationen verschiedener Kirchenväter, die 
Apokalypse nach einem Codex des Kommentars des Primasius (vgl. Haüsslbitbb und Zahn, 
Forschungen z. G. d. neutest. K. IV, 1891). Ausserdem ist noch anderes handschriftliches 
Material benutzt. — J. Mabtianat, Vulgata antiqua Latina et Itala versio evangelii secundum 
JMatthaeutn etc., Paris 1695 enthält im Anhang das Evangel. Matthäi und den Jakobusbrief 
aus dem Corbeiensis ff^ Nr. 21 s. VIII/IX jetzt in Petersburg. Neue Ausgaben sind: 
Brlshbim, Das Evangelium des Matthäus nach dem lateinischen Codex ff* Corbeiensis 
auf der kaiserl. Bibliothek zu St. Petersburg, nebst einem Abdruck des Briefes Jakobi 
nach Martianays Ausgabe von 1695, Christiania 1881 und Der Brief des Jakobus in alter 
lateinischer Uebersetzung, Christiania 1883 (Theologisk Tidskrift 9 fasc. 2); vgl. J. Wobds- 
WOBTH, Siud. bibl., Oxford 1885. — Matthabi, Codex tredecim epistularum Pauli Boeme- 
rianus, Meissen 1791 (der Cod. s. IX in griechischem Text mit einer versio interlinearis 
führt seinen Namen von dem ehemaligen Besitzer, dem Leipziger Theologen Bömer, und be- 
findet sich jetzt in Dresden) ; P. Cobssen, Epistularum Paulinarum Codices graece et latine 
scriptos Äugiensem, Boernerianum, Claromontanum cxaminavit etc. I, Jever Progr. 1887. — 
Knittbl, Fragmenta ep. ad Roman. Latin, et Gotk., Braunschweig 1762 (nach dem Guelfer- 
bytanus s. VI); Berichtigungen dazu Ihbb 1763; der lat. Text neuerdings hrsg. von Tibchbn- 
DOBF, Anecdota saera et profana, Leipz. 1861, p. 165. — Anoblo Mai, Scriptorum veterum 
nova eollectio, Rom 1828, III p. 257 (Claromontanus s. V jetzt im Vatican, Iflckenhaft das 
Matthäusevangelium enthaltend); neu wurde der Cod. herausgeg. von J. Belshbim, Evangelium 
secundum Matthaeum ante Hieronymum latine transUUum, Christiania 1892 (Christiania Videns- 
kabs-Selskabs Forhandlinger for 1892 Nr. 5). — E. Rankb, Fragmenta antiquissimae evangelii 
Lucani versionis latinae e membranis Curienstbtis (Chur), Wien 1874. — Batiffol, Fragmenta 
Sangaüensia (Bruchstücke aus Matth., Mark., Joh.) in der Revue arch^olog. 1884 2, 305. — 
Ziboleb, Italafragmente der paulin. Briefe nebst Bruchstflcken einer vorhieronym. Uebersetzung 
des 1. Joh.-Briefes aus Pergamentblättem der ehemal. Freisinger Stiftsbibliothek zum erstenmal 
verOffentl. und krit. bei., Marburg 1876; derselbe, Bruchstücke einer vorhieronymianiscben 
Uebersetzung der Petrusbriefe in den Mflnch. Sitzungsber. 1876 p. 607; Wölffli», Neue Bruch- 
stücke der Freisinger Itala (Gal. 3,» — Anfang des Epheserbriefs) in den Münch. Sitzungsb. 1893 
p. 253. — J. WoBDSwoRTH, W. Sandat and H. J. Whitb, Portions of the gospels aecording tQ 



400 Bömi8obe Litteratnrgeaohiohte. Ü. Die Zeit der Honarohie. 8. Abteilan 

iS^. Mark and St. Matthew front the Bobbio MsJk) nan numbered G VII 15 in the national libf 
at Turin together with other fragments of the gospels from six Ma, in the libraries of 
Gall, Coire, Milan, Berne ttaually Hted as n, o, p, at, « and t, Oxford {biblical texts Nr 
1886. (Frlmer wurde der BobbienHa hrsg. von Fleck, Äneedota, Leipz. 1837; TiscHBirD 
in den Wiener Jahrb. der Litterator 1847/48.) — H. J. Whitb, The fomr fospeU from 
Munich Ms. (q) now numbered lat. 6224 in the royal Itbrary at Mumieh wUh a fragt» 
from St. John in the Hof - Bibliothek at Vienna (cod. Lat, 502) ed., Osford (OUUatin bibt 
texts Nr. III) 1888. — J. Wordsworth, The gospels according to 9t, MüM^w fr^m the 
Germain Ms. (gi) now numbered lat, 11553 in the national Itbrmry in Paris €d., Ox 
(Old'latin biblical texts Nr. i) 1883. (Der vorhieronym. Charakter dieaer UebetMtmig i 
jedoch bezweifelt; vgl. P. Gorssbn, Gott. Gel. A. 1889, 299 ff. — J. Bnenov, 4^1^ 
Paulinae ante Hieronymum latine translatae ex cod. Sangermanensi gr.-Ust., oUm Bariaii 
nunc Petropolitano, Christiania 1885. — Tischbndorf, Codex Laudianus ^Um aetmB api 
lorum graece et latine ex codice olim Laudiano iam Bodleiano sexti fere saeculi. AddUa i 
nonnulla ex celebri codice prophetarum Marchaliano Vaticano, Leipz. 1870. {Momtum 
Sacra inedita Vol. IX); neue Ausg. des lat. Textes von Bblshbix, Christ 1893. Aoi 
Proben eines Textes der Apostelgeschichte aus einem Palimps. Vindob.-BobbienM \ 
TiscHBNDORF mit: Wiener Jahrbücher 120,37. — Tisohbndorf, Codex Claromontanut 
epistulae Pauli omnes graece et latine ex cod, Paris, (Nr. 107), Leipz. 1852. (Dieser Cod. f! 
den Namen Claromontanus, weil er nach Angabe seines früheren Besitzers Beza aus ( 
Kloster Clermont stammt; er ist bekannt wegen seiner Stichometrie — vgl. Zahn, Gesch. 
neutest. Kanons II, 1, Erl. 1890 p. 157 — ; dieser Codex wird mit einem zweiten, den el 
falls Beza besass und 1581 der Universität Cambridge schenkte, unter dem Namen Ca 
brigiensis D zusammengefasst; dieser zweite wurde früher herausgegeben von Thom. Kipl 
Cantabr. 1793 und abermals und in verbesserter Gestalt von Fr. H. Scrivbner, Cambri 
1864. üeber die zwei genannten Codices vgl. Holtzmakn, Einleitung p. 42 u. Hab 
Text and studies II [J891].) — Tischbndorf, Evangelium paJatinum ineditum sine reliqi 
textus evangeliorum latini ante Hieronymum versi, Leipzig 1847. (Ungef&hr ''& der Evangeli 
Ueber die Schicksal^ dieses Codex —Palatinus Vmdobonensis Nr. 1185 s. IV/V — ' 
Hüoo LiKXB, Neue Bruchstücke des Evangelium Palatinum (Münchn. Sitzungsberichte 1 
p. 281), wo aus einem Apographum 2 Blätter, welche heute der Handschrift fehlen, i 
geteilt sind. — J. Belshbim, Cod, Colbertinus Parisiensis (jefczt Nr. 254 s. XII) quattuor evang 
ante Hieronymum latine translata, Christiania 1888. — J. Bblsheih, Codex Vindobonen 
Leipzig 1885 (Fragmente aus Lucas und Marcus; vgl. die frühere Publikation von A 
bei Paulus, Report, der biblischen und morgenl. Litteratur III, Jena 1791 p. 115; Mei 
rabilien VII, Leipzig 1795 p. 58j. — J. Bblsheim, Codex aureus sive IV evangelia a 
Hieronymum latine translata ex codice Holmiensi, Christiania 1878. Nach Holtzkanv gel 
dieser in Stockholm befindliche Codex s. VII wohl zu den Handschriften, welche die Uel 
Setzung des Hieronymus bieten, aber mit Nachklängen aus der älteren durchzogen. — J. Bi 
heim. Die Apostelgeschichte und die Offenbarung Johannis in einer alten lateinisc! 
Uebersetzung aus dem „Gigas librorum'^ auf der kgl. Bibliothek zu Stockholm, zum erst 
male herausgeg; nebst einer Vergleichung der Übrigen neutestamentlichen Bücher in ( 
selben Handschrift mit der Vulgata und mit anderen Handschriften. Christiania 18 
auch dieser Codex bietet Uebersetzungen von Hieronymus und zeigt nur hie und da Spu 
der Itala (Holtzmanv 1. c. p. 59). — T. K. Abbot, Evangeliorum versio antehieron. ex t 
Usseriano; accedit versio vulgata secundum cod. Amiatinum, Dublin 1884 II (Hermt 
14, 346). — M. Cebiaki, Monumenta sacra et profana I, 1 p. 4, Mailand 1861 (Luc 
fragm. aus einem Palimps. Ambros. s. VI; vgl. auch 1866 fasc. 2). — Ueber einen C 
Turicensis s. XII/XlII vgl. Volkmar, Handb. der Einleitung in die Apokryphen 2. Abt. i 
über den Cod. lat. Monacensis 6239 s. IX vgl. Zieglbr 1. c. p. 106. — H. Hagen, Itf 
fragmente {ev. Marci 1—3), nach dem Codex Bernensis s. VI in Zeitschrift 
wissenschaftliche Theologie 27, 470. — F. J. A. Hobt, Old lat. palimps, of the Acts i 
Apocal, Class, Review 3 Jahrg. 1889 p. 11. — S. Bergeb, Le palimpseste de Fleu 
Fragments du Nouveau Testament en Latin publUs, Paris 1889. Der Palimpsest s. \ 
befindet sich in Paris Nr. 6400 G und enthält Fragmente der Apokalypse, Apos 
geschichte und katholische Briefe; Un ancien texte latin des actes des apötres; noticei 
extraits des mscr, tom. 35, 1, Paris 1895; vgl. Haüsslbitbb, Theol. Litteraturbl. 1896 Ni 
und Blass, Theol. Stud. u. Krit. 1896, 436 (Spuren der sog. B-Recension der Apostelgesc 
— H. F. Haasb, Breslauer Programme 1865/1866 (Evangelienfiragmente nach dem Rhc 
geranus s. VII in Breslau). — Angelo Mai, Patrum fwva bibliotheca T. 1, 2 1852 (Verzeich 
von Bibelstellen aus Speculum Augustini qui dicitur (m) s. VI), wozu noch zu vergl. A. }A 
spicilegium, Rom T. IX 1848 append. — Gubrkino Akblli, ün antichissimo codice bibl 
latino purpureo conservato nella chiesa di Sarezzano (jetzt in Montecassino, vgl. Arch. f. ) 
Lexikogr. 9 [1896] p. 323) Milano 1872 (vgL Philol. Anzeiger 1873 p. 478); der Cod. e 
hält Stücke aus Ev, Job. — - W. Wbissbrodt, De cod, Cremifanensi miUenario et de fra^ 



üeberaetsnngen, 401 

evangel. Vindob. 383, Salisb. 400, Noritnb. 27932 I, Braunsb. 1887. — Schepss, Die ältesten 
Evangelienhandschriften der Würzburger Universitätsbibliothek, Würzb. 1887 (von diesen 
zeigen mehrere .reichliche Spuren der sog. Itala*^). — Kleinere Mitteilungen über Frag- 
ment« Yorhieronym. Uebersetzungen vgl. bei Zikglek 1. c. p. 107-111. Vgl. überhaupt 
Gregory, Proleg. zu Tischendorfs N. T. ed. 8 fasc. 3 (1894) p. 849 und Scbivbnbr, A piain 
introduction to the crüicism of the N, T. ed. IV. 1894 vol. II cap. 3. 

n. Citate der Kirchenväter. 

H. RövscH, Das neue Testament Tertullians aus dessen Schriften, Leipz. 1871. (Vgl. 
jedoch Zahn, Geschichte des neutestamentl. Kanons 1,1, Erlangen 1888 p. 53: .Einen 
lateinischen Bibeltext aus TertuUian herzustellen, ist ein vergebliches Unternehmen, weil 
Tertollian einen solchen nicht gehabt, sondern stets aus dem Stegreif und daher in der 
mannigfaltigsten Weise aus seiner griechischen Bibel beider Testamente seine Citate ex- 
cerpiert und zugleich übersetzt hat*.) — H. Rönsch, Die alttestamentl. Itala bei Oyprian, 
Z. f. bist. Theol. 1875 1,97; Z. f. wiss. Theol. 18,425; 19,287. 397; 22,224; Rhein. Mus. 
34, 501, 632; P. Corsssn, Der c^r. Text der ctct. apost, Berlin 1892, Progr. — H. Likkb, 
Studien zur Itala (p. 1—24: Die vorhieronym. Ueberlieferung der Offenbarung Johannis, 
Progr. Breslau 1889). — P. db Laoabdb, Probe einer neuen Ausgabe der lat. Uebersetzungen 
des alten Testaments, Göttingen 1885. — C. Wundebbb, Bruchstücke einer afrikanischen 
Bibelübersetzung in der psendocyprianischen Schrift Exhartatio de paenitentia, Erl. 1889, 
Progr. Reiches Material steckt in verschiedenen patristischen Monographien. 

m. Vulgata. 

Litteratur. Hier sind besonders die Schriften aufzuzählen, welche die vorhieronym. 
Uebersetzungen mit der Vulgata vergleichen. H. Ehbensbebgbb, Psalterium vetus und die 
Psalterien des h. Hieron3rmus, Psalm 1 — 17, Tauberbischofsheim 1887. — P. Cobssbk, Epi- 
st lila ad Galatas ad fidem optimorum codicum Vulgatae recognovit et prolegomenis instruxit 
Vulgatam cum atUiquiaribiis reraionibus cotnparavit, Berlin 1885 ; Zimmbb, Der altlateinische 
Text des Galaterbriefs als Grundlage für einen textkritischen Apparat der Vetus Latina 
(Theol. Studien und Skizzen aus Ostpreussen Bd. I 1887 p. 1). — Ph. Thiblxann, Die 
europäischen Bestandteile des lat. Sirach (Archiv f. lat. Lexikogr. 9 [1894] p. 247). 

774. Die Übrigen Übersetzungen. Ausser der Bibelübersetzung haben 
wir noch eine Reihe von lateinischen Übersetzungen griechischer christlicher 
Werke. Dieselben traten sehr frühzeitig auf. So hatte, wie es scheint, be- 
reits TertulUan den Irenäus in einer lateinischen Übersetzung vor sich.^) 
Vielfach trat durch diese lateinischen Versionen der griechische Text ganz 
in den Hintergrund und wurde schliesslich vergessen, so dass derselbe 
später erst wieder förmlich entdeckt werden musste. Die Übersetzungen 
ziehen einmal als Sprachdenkmäler unser Interesse auf sich, zumal solche, 
die in vulgärem Dialekt abgefasst sind; femer haben sie auch in text- 
kritischer Hinsicht Wert, mitunter ersetzen sie uns auch das verlorene 
Original. Ihre Zeit ist meistens sehr schwer zu bestimmen. Auch über 
die Verfasser der älteren Versionen ist nichts bekannt. Wir geben nur 
eine Auswahl ; auf eine eingehendere Analyse des Inhaltes muss verzichtet 
werden, da diese Produkte der griechischen patristischen Litteratur an- 
gehören. 

Eine Zusammenstellung der alten lateinischen Uebersetzungen gibt Harnaok, Ge- 
schichte der altchristl. Litteratur I p. 883. 

1. Der erste Clemensbrief. Über die hohe Bedeutung dieses 
Briefs der römischen Gemeinde an die korinthische herrscht unter den Theo- 
logen völlige Übereinstimmung. ^) Er ist keine dogmatische Schrift, sondern 
er ist »ein praktisches Mahnschreiben"; der Zweck dieses Briefs ist, der Ver- 
wirrung, welche durch persönliche Streitigkeiten in der korinthischen Ge- 



') Zabk, Qesch. des neutestam. Kanons { *) Weizsäcker, Das apostol. Zeitalter 

1, 1 (1888) Erlangen p. 58. | p. 488; Pfleidereb, Urchristentum p. 640. 

Bandbaob der klaw. AlteriBmtwiaaeuMhaft. YIII. 3. Teil. 26 



402 BOmiBohe Litteratiirgeaohiohte. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abieilii 

meinde ausgebrochen waren, zu steuern; er legt daher allen Schwerpi 
auf das thätige Christentum, er ermahnt zu einem christlichen Leben, 
Bewahrung des Friedens, zur Untergebung, Bruderliebe und Demut, 
ist (c. 59) ein Gebet eingestreut, das zu den merkwürdigsten D« 
malern des Christentums gehört, es ist ein Lobpreis auf Oott, und 
Bitte um seine Hilfe für alle Bedrängten, eine Anrufung seiner Bi 
herzigkeit; es folgt die Fürbitte für die Obrigkeiten und dann 
Schlussformel. 

Dieser Brief fällt in die Zeit von 100 — 120 n. Chr.,^ denn er t ' 
den zur Zeit Domitians oder Traians geschriebenen Hebräerbrief voi * 
andererseits kennt er noch nicht den Gnostizismus und die entwicl 
Gemeindeverfassung. Das Dokument war bis 1875 nur in verstumm« 
Gestalt bekannt; in neuerer Zeit traten das vollständige Original, 
syrische und eine lateinische Übersetzung ans Licht. 

Das lückenhafte und verstümmelte Exemplar befindet sich im Codex Alexand 
s. V in London. 1875 entdeckte der Metropolit ßryennios in Konstantinopel in einer Handsc 
des Jahres 1056, welche jetzt in der Patriarchatsbibliothek zu Jerusalem aufbewahrt 
den vollständigen griechischen Text. Bald darauf fand sich eine syrische Übersetzung 
vollständigen Briefes in einer jetzt zu Cambridge befindlichen Handschrift des Jahres 
Endlich im Jahre 1898 wurde von dem Benediktiner Morin in der Seminarbibliothe 
Namur ein Codex des XI. Jahrhunderts entdeckt, der eine lateinische Uebersetzung 
Briefs enthielt. Der Fund war um so merkwürdiger, als von dieser Uebersetzung sc 
wie keine Spuren sich erhalten hatten. 

Die Uebersetzung ist in vulgärem Latein geschrieben und nicht lange nach 
Original entstanden, das sie Wort für Wort wiedergibt. Sie ist nicht nur ein interessi > 
sprachliches Denkmal, sondern auch ein schätzenswerter Zeuge für das ihr zu Grunde Heg 
vortreffliche griechische Original. 

Ausgaben des griechischen Originals: Von Brtenkios, Eonstantinopel 1 
von Gbbhabdt-Habnaok 1876, Fukk 1878, Hilokrfbld Leipzig 1876, Lightfoot in 
Werk S, Clement of Rome (2 Bde. London 1890). 

Die lateinische Uebersetzung ist publiziert von Gebm. Mobik in Änet 
Maredsolana vol. IT, Maredsoli 1894. 

Ueber die Zeit der Uebersetzung vgl. Mobik p. 149, welcher der Ansich 
(p. XII), dass die Uebersetzung bald nach dem Original entstanden; bis in die Zeit 
tullians geht hinab Wölfflih p. 97; Habnaok lässt sie c. 150 entstanden sein, Sitzung, 
der Berliner Ak. 1894 p. 262; vgl. auch Blätter f. d. bayer. Gymn. 30, 897. 

Ueber den Ort der Uebersetzung vgl. Hausslbiteb, Archiv für latein. Lexikon 
(1894) p. 154; er nimmt Afrika (schwerlich mit Recht) an. 

Litteratur: Ueber das Latein handelt Wölfplin, Archiv für lat. Lexicogr. 9 (1 * 
p. 81. Ueber eine angeblich tendenziöse (in pseudoisidorischem Sinn erfolgte) Aende; 
des Gebets für die Obrigkeit in der Uebersetzung handelt Habnack, Sitzungsberichte 
Berl. Akad. 1894 p. 261 (vgl. 601). Dagegen vgl. Eihk, Theolog. Quartalschr. 1894 p. 

2. Der Barnabasbrief. Dieser Brief, wahrscheinlich dem 1. Js 
hundert angehörig, wendet sich an die ganze Christenheit, um sie vor c 
Judentum zu warnen und sie in der richtigen christlichen Sittlichkeit 
erhalten. Die vorhandene lateinische Übersetzung ist nicht vollstänc . 
es fehlen die Kapitel 18 — 21. 

Die lateinische Uebersetzung publizierte zuerst der Mauriner H. M^nard zu F 
1645 aus einem Cod. Corbeienais saec. X, der sich jetzt in Si Petersburg befindet. Hzl* 
FBLD gab auf Grund einer neuen CoUation diese Uebersetzung in der Ztschr. f. wias. Tl 
XIV (1871) p. 261 heraus. Vgl. auch dessen Ausgabe des Bamabasbriefes, Leipzig l: 
Auf einer abermaligen CoUation (1874 durch Gebhardt) beruht die Ausgabe des Bri 
von Gbbhabdt und Ad. Habnaok, Patr. apoet, op., Fase. 1, Leips. 1875; Fase, l, partii >' 
Ed. 2. 1878. 



*) Pfleiderer, Urchristentum p. 654. 



üebersetsnngeii. 403 

3. Die Ignatiusbriefe. Von Ignatius, der unter Traian den Mar*- 
tyrertod erlitten haben soll, sind uns sieben Briefe, welche derselbe auf 
seiner Reise von Antiochien nach Rom schrieb, in griechischer Sprache 
erhalten. Diese Briefe werden jetzt ziemlich allgemein als echt angesehen 
und gehören zu den wichtigsten und vielbesprochensten Denkmälern der 
patristischen Litteratur. Sie sind gerichtet an die Epheser, Magnesier, 
Trallesier, Römer, Philadelphier, Smymäer und an Polykarp. Um 1250 
wurde von diesen sieben Briefen in England eine lateinische Übersetzung 
angefertigt. Neben dieser Sammlung der 7 Briefe, welche bereits dem 
Eusebius hist. eccl. TU, 36 vorlag, existiert noch eine längere Rezension. 
Dieselbe fügt den 7 Briefen noch 6 unechte hinzu und gibt die 7 echten 
in interpolierter Gestalt. Diese 13 Briefe sind: 1. Ein Brief der Maria 
von Eassobola an Ignatius; 2. ein Brief des Ignatius an Maria; 
3. ein Brief des Ignatius an die Trallesier; 4. an die Magnesier; 5. an die 
Tarser; 6. an die Philipper; 7. an die Philadelphier; 8. an die Smyr- 
näer; 9. an Polykarp; 10. an die Antiochener; 11. an Hero; 12. an 
die Epheser; 13. an die Römer. Diese Sammlung ist sowohl im griechi- 
schen Urtext als in einer alten lateinischen Übersetzung erhalten. In der 
lateinischen Übersetzung folgen sich die Briefe ebenso wie in der grie- 
chischen, nur dass der Brief der Maria an Ignatius fehlt; derselbe ist nur 
im Codex Caiensis erhalten; am Schluss ist femer die laus Heronis hinzu- 
gefugt. In manchen Handschriften wurden die. zwei Briefe des Ignatius an 
Johannes und der Briefwechsel des Ignatius und der Jungfrau Maria an die 
Spitze gestellt. Diese lateinische Übersetzung ist in der Zeit zwischen 
Gregor I. (um 540—604) und Ado (f 874) entstanden. Für die Herstellung 
des griechischen Originaltextes leistet uns jedoch diese Version keine grossen 
Dienste. Ganz allein kommt sie selbstverständlich in Betracht in den Pro- 
dukten, welohe nur lateinisch erhalten sind. Es sind dies folgende: 
1. Die laus Heronis, ein Gebet Heros zu Ignatius; 2. zwei Briefe des 
Ignatius an den Apostel Johannes ; 3. ein Brief des Ignatius an die Jung- 
frau Maria ; 4. die Antwort der Maria an Ignatius. Von diesen Produkten 
ist die laus Heronis auch in nordägjrptischer Sprache aufbewahrt. 

Die lateinische Uebersetzung der echten Briefe. Die Uebersetzung rtthrt 
von Robert Grosseteste aus dem Jahre c. 1250 her. Sie ist nach einem sehr guten grie- 
chischen Codex mit grösster Genauigkeit hergestellt worden. V^on dieser Uebersetzung 
existierten zwei Handschriften, von denen die eine, Codex Caiensis 395 zu Cambridge anni 
1440, noch erhalten, die bessere und filtere, der Codex Montacutianus, verloren ist; doch 
hat uns die Varianten des letzteren Usher in die ihm zugeschickte Abschrift des Caiensis, 
die in Dublin sich befindet, sorgf&ltig eingetragen. 

Die lateinische Uebersetzung der interpolierten und vermehrten Briefe. 
Es sind 13 Handschriften bekannt, von denen die beste der Codex Reginensis 81 im 
Vatikan ist. 

Ausgaben. Zahv, Ignatii et Polycarpi epistuUu martyria fragmenta, Leipz. 1876 in 
Patrum apoatolicarum opera, Fase. H; Funk, Ignatii epistulae in Op, Patr, apostol., Tom. II, 
Tfib. 1881 ; Die Echtheit der ignat. Briefe, Tüb. 1883, Anhang. J. B. Liohtfoot, The apo- 
stölie fathers, Part. II; S. Ignatius, S. Polycarp, London' 1889. 

4. Der Polykarpbrief. Unter dem Namen des Polykarp, des Bischofs 
von Smyma, ist ein Brief an die Philipper sowohl in lateinischer als in 
griechischer Sprache erhalten. Die lateinische Übersetzung ist zwar „auf 
Qrund eines nicht sehr guten Originals angefertigt, ziemlich frei, und die 

26* 



404 Römiaohe LitteratnrgeBohiohie. El. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilimg. 

uns erhaltenen Abschriften sind fehlerhaft^, allein sie ist wichtig, weil 
sie die in dem griechischen Text fehlenden Schlusskapitel, ffir die uns 
Eusebius nur teilweise Ersatz bietet, enthält. 

Die Ueberliefening der Uebersetzung ist dieselbe, wie die der interpolierten und 
unechten Ignatiusbriefe. Veröffentlicht wnrde dieselbe zuerst von Faber Stapnlensis, Paris 
1498. Vgl. die obengenannten Ausgaben der Ignatiusbriefe von Zahn, Fukk und Light- 
FooT (Bardbnhiwbb, Patrologio, Freiburg 1894 p. 75). 

5. Pastor Herrn ae. Der „Hirte" des Hermas, ein apokalyptisches 
VtTerk, welches sich das Ziel setzt, die Christenheit aus ihrem Sttndenleben 
aufzurütteln, um die Mitte des zweiten Jahrhunderts entstanden, war bis 
zum Jahr 1856 nur in einer lateinischen Übersetzung bekannt, welche in 
zahlreichen Handschriften überliefert ist. In diesem Jahre wurde der grie- 
chische Text einer Handschrift auf dem Berge Athos, welche Simonides 
gefunden hatte, publiziert. Im Jahr 1857 wurde auch eine andere Version 
der Übersetzung aus dem Codex PaJatinus-Vaticanus s. XIV Nr. 150 be- 
kannt. Seitdem unterscheidet man die zwei Versionen als Vulgata und 
als Palatina. 

Die Vulgata wurde zum erstenmal publiziert von J. Faber Stapulensis, Paris 1513; 
die Palatina veröffentlichte A. R. M. Dbksskl im Jahr 1857 {Patr. apastol. opera, Leipzig 
1857 ed. II 1863). Die Vulgata siehe jetzt bei Hilobnfeld, Hermae Pastor, Veterem laiinam 
interpretationem e codicibus ed,, Leipz. 1873. Die Palatina in verbesserter Gestalt bei 
Gbbhardt und Habnack in ihrer Ausgabe des griechischen Textes im III. Bd. der Patr. 
apoat, Leipz. 1877. 

Was die Zeit der Uebersetzungen anlangt, so ist die gewöhnliche Ansicht die, 
dass die Vulgata dem 2. Jahrhundert und die Palatina dem 5. Jdbrhundert angehört; da- 
gegen statuiert Hausslbitbr, De versionibua Pectoris Hermae latinis, Erlang. 1884, in den acta 
item.philoL, Erlang. 3, 399, dass die Palatina älter ist, als die Vulgata. — Vgl. auch W. Hollen- 
BERG, Pastorem Uertnae emendavit, indieem verborum addidit, Berl. 1868; Hausslbitbb, 
Textkritische Bemerkungen zur palatinischen Uebersetzung des Hirten des Hermas, Ztsehr. 
f. wiss. Theol. Bd. XXVI (1883) p. 345; Füvk, Zur versio Palatina des Pastor Hermae, Ztsehr. 
f. die österr. Gymnasien Bd. 36 (1885) p. 245. 

6. Irenäus, Widerlegung der Häresien. Irenäus,.zur Zeit der 
Christenverfolgung in Lyon und Vienne (177) Presbyter, später Bischof 
in Lyon, schrieb in der Zeit von 174 — 189 eine Bestreitung ketzerischer 
Irrtümer seiner Zeit unter dem Titel ^i^yxo^ xal ävargontj trjg ^cvitovvfxov 
yvcitfewg. Das griechische Original dieser Schrift ist uns nur in Bruch- 
stücken bei Hippolyt, Eusebius, Epiphanius u. a. erhalten, Ersatz für das 
Original bietet eine anscheinend vollständige und sklavisch getreue Über- 
setzung, die, wie es scheint, schon Tertullian gekannt, sicher aber Augustin 
benutzt hat. 

Die lateinische Uehersetzung existiert in 19 Handschriften, Üher die Loofs, Die 
Handschriften der lat. Uebersetzung des Irenäus und ihre Kapitelteilung in den kirchenge- 
schichtlichen Studien, H. Reuter gewidmet, Leipzig 1888 p. 1 — 93 eine grundlegende Abhand- 
lung publiziert hat. Derselbe fasst seine Studien in dem Satz zusammen p. 92: «Der 
lateinische Irenäus ist uns so gut tiberliefert, wie wenige alte Schriftsteller. Denn der 
verlorene Archetypus aller unserer Handschriften scheint noch aus den Zeiten der alten 
Kirche zu stammen, und die beiden Handschriftenfamilien« die uns vorliegen, reichen durch 
ihre Archetypi in die Karolingerzeit, bezw. — das gilt von der ersten Familie — noch 
weiter zurück." Vgl. noch W. Sandat, The msa, af Iretuieus in The Journal cf phÜölogy, 
Vol. XVII (1888) p. 81 und Habnack, Gesch. der altchr. Litt. I (1893) p. 265. 

Ausgaben von R. Massvet, Paris 1710 und von W. W. Habvbt, Cambridge 1857. 

7. Die Chronik des Hippolytus. Die Chronik des Hippolytus ist 
durch die bekannte Inschrift seiner Statue bezeugt. Das griechische Ori- 
ginal ist verloren gegangen, doch lassen sich einige Beste aus späteren 



üebersetaBaiigett. 405 

byzantinischen Chroniken gewinnen. Das ganze Werk kann einiger- 
massen aus zwei lateinischen Bearbeitungen rekonstruiert werden ; nämlich 
et) aus dem sog. Über generationis, ß) aus Angaben des sog. Barbarus Sccdigeri 
{Chronicon Alexandrinum). Die Bischofsliste, welche die Chronik des Hip- 
polytus enthielt, wird aus dem dreizehnten Abschnitt des Chronographen 
vom Jahre 354 restituiert. Die Chronik des Hippolytus reichte bis zum 
letzten Jahr des Alexander Severus und hatte stark den Clemens von 
Alexandrien und wohl auch die Chronographie des Africanus*) benutzt. 

Die Ueberliefemng des liber generationis ist eine doppelte, eine für sich bestehende, 
dann eine mit dem Chronographen vom Jahre 354, der auf ein Chronicon vom Jahre 834 
znrQckgeht, verbundene; hier bildet der lUier generationis den 15. Abschnitt. Die mass- 
gebenden Zeugen der Ueberlieferung sind: 1. Philippsianus 1829 (Meermannianus 715) 
s. IX jetzt in Berlin; 2. die Handschriften der Chronik Fredegars, Parisinus 10910 
8. VII/VIll und Londiniensis des britischen Museums 5251 s. IX; für den ethnographi- 
schen Teil des liber der Parisinus 7418 s. XIV, der Cavensis s. XI und der Matritensis 
A 16 s. XII. Für den Chronographen vom Jahre 354 bezw. das Chronicon vom Jahre 334 
hat Frick zu Grunde gelegt den Vindobonensis 3416 s. XV, für den Bischofskatalog noch 
den Bruxellensis 7546 s. XVI. Vgl. über andere Handschriften Mohmsbn in den Chronica 
minor a I p. 17. 

Die Ueberlieferung des sog. Barbarus Scaligeri {Chronicon Alexandrinum) beruht 
auf einer Handschrift, dem Codex Parisinus 4884 s. VII/VIII (vgl. die Ausgabe von Schöne 
in Euseb., Chron, libri duo p. 175). 

Das Verhältnis des Hippolytus zum liber generationis ist strittig. P. db 
Laoabdb und Faics leugnen, dass in dem erwähnten liJber eine Uebersetzung resp. Bear- 
beitung der Chronik des Hippolytus vorliege. Frick gesteht lediglich eine Benüteung zu 
(vgl. dessen Ausgabe p. XL), allein die Gründe sind nicht durchschlagend. 

Schon das Original scheint in zwei Recensionen verbreitet worden zu sein; vgl. 
MomisEiT, Chronica tninora p. 86: iam cum supra viderimus operis huius duas formas 
extitisse Graece scripias, pleniorem alteram, quam adhibuit auctor Alexandrinus, alteram 
breviorem, quam sub inscriptione libri generationis mundi Latine verterunt interpretes 
duo, aut formam ilJam pleniorem auctori Uippolyti attribuemus, aut, si ipsa est Hippolyti, liber 
generationis versio est epitomae chronicorum Hippolytianorum. quaestio quamquam hoc loco 
iractari non potest, mihi seeunda opinio magis probatur. nam titulus diversus chronicorum 
et libri generationis rede explicabitur, ubi hunc ex iUis breviatum esse sumimus et cum 
mtdta capita pariter deficiant in utroque libeüo, adsint autem apud Alexandrinum, partem 
eorum verisimile est afuisse iam ab archetypo communi Graece scripto, 

Ausgaben: Momxsbn, Chronica minora, saec. IV, V, VF, VII, vol. I, Berlin 1892 
{Monumenta Germaniae historica, Tom. IX); Frick, Chronica minora, vol. I, Leipz. 1892. 

8. Anatolius, de ratione paschali. Eusebius führt von Ana- 
tolius, der um 268 Bischof von Laodicea wurde, ein Werk ticqI tov nafs%a 
an und teilt daraus ein grösseres Fragment mit {hisi, eccl. 7, 32. 14). Nun 
existiert auch ein liber Anatoli de ratione paschali in lateinischer Sprache. 
Da sich in diesem Werk das von Eusebius mitgeteilte Bruchstück findet, 
so ist aller Grund vorhanden, die Schrift für eine Übersetzung aus dem 
Griechischen zu halten. Was man gegen die Echtheit vorbrachte, erscheint 

nicht stichhaltig. 

Die Echtheit bestreitet Erusch, Stadien znr christlich-mittelalterlichen Chronologie; 
der 84jähri{^e Ostercyklus und seine Quellen, Leipz. 1880. Er setzt das Buch in das 6. Jahr- 
hundeit. Die Echtheit resp. Integrität verteidigt Zahn, Forschungen zur Geschichte des 
nentestamentlichen Kanons und der altkirchl. Litteratur 3. (1884) p. 177. Herausgegeben 
wurde die Schrift von A. Bücher, de doctrina temporum commentarius (1634) p. 439 und 
von Erüsoh 1. 0. p. 316. 

9. Lehre der zwölf Apostel (Didache). Von der berühmten 
Lehre der zwölf „Apostel'' hat sich auch ein lateinisches Bruchstück in 



') Bestritten von Salxon, Dictionary of Christian Biography, B. I (1877) p. 507. 



1 



406 BOmiacho LitteratnrgeBohiohte. IL Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilung. 

einem Melker Codex aufgefunden. Das Fragment ist darum besonders 
interessant, weil es uns eine ältere Fassung der Didache darstellt. 

Das Fragment entdeckte Gbbhabdt in dem Abdruck eines Melker Codex, «den 
Pez für den zweiten Teil des 4. Bandes des Thesaurus anecdotorutn navissimus Martene 
mitgeteilt hat" (Habnack, Geschichte der altchristl. Litt. 1, 87). Finne hat den Codex 
in Qu. 52 s. XII wieder aufgefunden, vgl. dessen Abhandlung: Zur alten lateinischen Ueber- 
Setzung der Doctrina apostolarum (Theol. Quartalschrift LXVIII [1886] p. 650—655). Das 
Fragment ist abgedruckt in der Ausgabe von Habnack (Leipz. 1884 und 1893), vgl. Proleg. 
p. 275 und bei Funk in seiner Sonderansgabe. 

10. Das Thomas-Evangelium. Dasselbe ist eine abgeschmackte 
und gemeine Erzählung von der Kindheit Jesu. Der Verfasser nennt sich 
Thomas der Israelit; allein weder die Sprache noch der Inhalt weist auf 
eine israelitische Abstanmiung. Zweifelhaft ist auch, ob der Verfasser in 
den Kreisen der Onostiker zu suchen ist. Die Erzählung ist in drei von 
einander abweichenden Versionen, welche sämtlich eine Verkürzung des 
Originals darstellen, erhalten. Zwei Recensionen sind in griechischer 
Sprache, eine in syrischer abgefasst. Hiezu kommt eine von Tischendorf 
entdeckte lateinische Rezension. 

Ffir die lateinische Uebersetzung liegt ein Codex Vaticanus vor (vgl. Tisobbndorf, 
Proleg. zu den Evangelia apocrypha, Leipz.* 1876 p. XLVI) und ein Wiener Palimpsest 
(Proleg. p. XLIIII). 

11. Canon Muratorianus. Wir reihen hier diesen berühmten Canon 
noch an, weil er von angesehenen Forschem als Übersetzung eines griechi- 
schen Originals betrachtet wird. Im Jahre 1740 publizierte Muratori ein 
Verzeichnis der neutestamentlichen Schriften, welches er in einer alten 
ehemals dem Kloster Bobbio angehörigen Miscellanhandschrift gefunden 
hatte. Der Katalog umfasst 85 Zeilen, und ist sowohl am Anfang als wahr- 
scheinlich auch am Ende verstümmelt. Die Verstümmelung am Anfang war 
ursprünglich nicht vorhanden, sie entstand durch einen Blätterausfall; da- 
gegen findet ein Defekt des Schlusses keine Erklärung durch eine äussere 
Ursache. Das Latein der Urkunde zeigt eine ganz merkwürdige Inkorrekt- 
heit, welche sich besonders in der Orthographie, in der Trübung der Vokale 
und in dem Schwanken der Flexionsendungen ausprägt. Der Kanon be- 
gann zweifelsohne mit den Evangelien des Matthäus und Marcus ; von dem 
Bericht über das letztere sind noch einige Worte übrig, in denen gesagt 
war, dass Marcus nur einige der von ihm berichteten Thatsachen als 
Augenzeuge miterlebt hatte. Beim Lukasevangelium wird hervorgehoben, 
dass der Berichterstatter, ein Arzt, den Herrn im Fleische nicht gesehen, 
dass er aber Begleiter des Apostels Paulus auf seinen Reisen gewesen sei. 
Die Entstehung des Johannesevangeliums wird in der Weise geschildert, 
dass Johannes das Evangelium erst auf Bitte der Bischöfe und Mitjünger 
verfasste und zwar erst, nachdem dem Apostel Andreas ein Traumgesicht 
geworden war mit dem Befehl, dass Johannes das Evangelium schreibe 
und die übrigen Jünger dasselbe nur revidieren. An die Charakterisierung 
der Evangelien schliesst sich ein Satz über die Harmonie der Evangelien. 
Trotz aller Verschiedenheiten seien die vier Evangelien in allen für den 
Glauben wesentlichen Stücken einig, da sie alle von einem Geiste beherrscht 
würden. Hier fügt der Verfasser eine Bemerkung über eine Stelle im 
ersten Johannesbrief bei, dass es nicht zu verwundern sei, wenn Johannes 



üebenetraagen. 



407 



1,' 



'v 






in starker Weise das Erzählte als Selbsterlebtes charakterisiert. Es folgt 
die Apostelgeschichte, welche im Gegensatz zu den vier Evangelien in 
einem Buch niedergelegt ist. Als ihr Verfasser wird Lukas bezeichnet, 
der nur das, was er als Augenzeuge miterlebt, geschildert und deshalb 
das Martyrium des Petrus und die Reise des Paulus nach Spanien aus- 
geschlossen habe. Der Kanon geht zu den Briefen des Paulus über und 
behandelt zuerst die Qemeindebriefe. Von den Briefen an die Korinther, 
Galater und Römer wird Hauptinhalt und Zweck angegeben. Dann zahlt 
er die zwar an einzelne Gemeinden gerichteten, aber für die ganze Kirche 
bestimmten Briefe an die Korinther, Epheser, Philipper, Kolosser, Galater, 
Thessalonich er, Römer auf, es sind 7 Gemeinden, aber neun Briefe, da 
an die Korinther und Thessalonicher zweimal geschrieben wurde. So habe 
auch Johannes seine Apokalypse an sieben Gemeinden gerichtet, aber 
eigentlich dieselbe für die ganze Kirche geschrieben. Diesen allgemeinen 
Sendschreiben treten die Privatschreiben des Apostels Paulus gegenüber, 
der Brief an Philemon und die drei Pastoralbriefe (an Titus und zwei 
an Timotheus). Es werden also im ganzen 13 Briefe dem Paulus zuge- 
schrieben; bemerkenswert ist, dass der Hebräerbrief sich unter denselben 
nicht befindet. Auf die echten Briefe lässt der Fragmentist zwei Schreiben 
folgen, eines an die Laodicener und eines an die Alexandriner, diese laufen 
zwar auch unter dem Namen des Paulus um, aber sie haben nichts mit 
demselben zu thun, sondern dienen dem Interesse der marcionitischen 
Häresie. Weiter werden aufgezählt ein Brief Juda's und zwei Briefe, 
welche in der Überschrift den Namen Johannes führen (wahrscheinlich der 
zweite und dritte Johannesbrief). Auch diese Dokumente haben in der 
katholischen Kirche Platz gefunden wie die Sapientia Scdomonis.^) Alsdann 
ist die Rede von der Apokalypse des Johannes und des Petrus, welche 
letztere der Verfasser trotz des Widerspruchs anderer Gläubigen auf- 
genonmien wissen will.*) Bezüglich des Hirten des Hermas, dessen Ab- 
fassung der Fragmentist in die Zeit des römischen Bischofs Pius (138— 
154), eines Bruders des Hermas, verlegt, gesteht der Kanon zwar zu, dass 
derselbe gelesen werde, allein den Gebrauch desselben im öffentlichen 
Gottesdienst und seine Gleichstellung mit den Propheten und den Aposteln 
lehnt er ab. Ebenso werden zum Schluss gnostische und montanistische 
hl. Schriften ausgeschlossen. Nach der allgemeinen Ansicht ist der letze 
Satz verstümmelt.^) 

Wir sehen, der Katalog ist nicht ein nacktes, sondern ein «räsonierendes" Verzeichnis 
der nentestamentlichen Schriften ; er ist ein historisches Denkmal der alten Kirche von 
einziger Art.'*) Es wäre daher von hohem Interesse, wenn wir die Entstehungsgeschichte 
des Katalogs darlegen konnten. Allein hier kommen wir über Vermutungen nicht hinaus. 
Nur in Bezug auf die Zeit gelangen wir zu einem ziemlich bestimmten Resultat. Der Ver- 
fasser bezeichnet sich als einen Zeitgenossen des Hermas, des Bruders des römischen 



1) Ueber diese schwierigen Worte vgl. 
Zahn, Geschichte des neutest. Kanons II p. 99. 

') Die Worte lauten apocalapae etiam 
Johanis et Petri tantum recipitnua quam 
quidam ex nostris legi in eelesia noluni. 
Den Intentionen des Verfassers gemäss muss 
sich quam bloss auf die Apokalypse des 



Petrus beziehen. Der Text wird freilich 
viel bestritten und als Iflckenhaft betrachtet, 
vgl. Zahk p. 107. 

•) Anders Zahn p. 126. 

*) Fr. Oveubbck, Zur Qeschichte des 
Kanons, Chemnitz 1880 p. 85. 



408 BOmisohe Litteratnrgaschiohte« II. Die Zeit der IConarohie. 2. Abteilung. 

Bischofs PiuB (188—154). Wie lange nach dem Hirten er den Katalog verfasste, kann 
nur aus der Betrachtung der kirchlichen Lage, besonders des Montanismos, der im Schloss- 
satz geringschätzig behandelt wird, erschlossen werden. Wir kommen dabei etwas fiber 
das Jahr 200 hinaus. Ungelöst ist die Frage, ob wir in dem Veneichnis ein Original oder 
eine Uebersetzung aus dem Griechischen haben. Für ein griechisches Original 
treten ein A. Hiloenfbld, Kanon und Kritik des neuen Testaments 1863 p. 39, Zeitschr. f. 
wissensch. Theol. 1872 p. 560; Nolte, Tflb. theol. Quartalschr. 1860 p. 193; Zahn, der wie 
andere eine Rflckttbersetzung ins Griechische (Gesch. des neatestam. Kanons 11 140) ver- 
sucht hat und andere (vgl. Zahm p. 13 Anm. 1). Eine sichere entscheidende Stelle, welche 
unbedingt die Uebersetzung aus dem Griechischen voraussetzt, ist meines Wissens nicht 
beigebracht worden. Die grosse Verwirrung, die in Bezug auf die Deklinationsendangen 
herrscht, kann ganz gut auf Rechnung eines Schreibers, dem das Schriftlatein nicht mehr 
geläufig war, gesetzt werden. Aber diese Nichtkenntnis des Schriftlateins bei einem Kenner 
des Griechischen anzunehmen, wird man sich nur schwer entschliessen können. Als fmt- 
stehungsort des Verzeichnisses wird gewöhnlich Rom angenommen, wenngleich auch hier 
ein ausschlaggebendes Argument fehlt. 

Ueber den Autor existieren nur Vermutungen, vgl. Zahn p. 13 Anm. 1. Lightfoot 
hat zuletzt Hippolytos als Verfasser des Kanons bezeichnet und zwar soll das griechische 
Original in jambischen Senaren geschrieben gewesen sein. Diese hätten einen Teil der 
auf der Statue des Hippolvtos aufgeführten i^Sai (Batiffol, Revue biblique 5, 268 liest 
dafür CTtovdai) «^ naaag %tts yQofpäi gebildet (der andere, gänzlich verlorene Teil hätte 
sich auf das alte Testament bezogen). Diese Hypothese wird bestritten von Zahn 1. c. p. 137. 

Untersuchungen über das Fragment. Hesse, Das murator. Fragment, Giessen 
1873 (wo die frühere Litteratur steht). (Vgl. Zahn, Jahrb. f. deutsche Theol. 1874 p. 146). 
J. Seh. Stiokhovbn, Hetfragment van MurcUori, Utrecht 1877; Habnack, Zeitschr. f. Kirchen- 
geschichte III 358 (dagegen Overbeck, Zur Geschichte des Kanons, Chemnitz 1880 p. 95); 
KoFFMANB, Jahrb. f. deutsche Theol. 1893 I, 163; Langen, Gesch. der röm. Kirche bis zum 
Fontifikate Leos I., Bonn 1881 p. 160; Liohtfoot, Clement of Rome* II 405. 

Die Ueberlieferung. Der Canon ist uns erhalten durch einen verschiedenes ent- 
haltenden Ambrosianus s. VIII in Mailand, welcher ursprünglich dem Kloster Bobbio an- 
gehörte. Der Entdecker desselben, Muratori, publizierte den Katalog in seinen ÄntiquUattsi 
Italicae medü aevi III (Medio). 1740) p. 851. Neuere Abdrücke des Textes geben B^iffbr- 
SCHEID (Sitzungsb. der Wiener Akad. Philol.-hist Kl. 67 [1871] 496 und [der genaueste] S. P. 
Trkoelles. Canon Muratorianus The earHeet catafogue of the hooka of the new testament, 
Oxford 1867). Vgl. auch Achblis, Zeitschrift f. wissensch. Theol. 37, 223 ff. Eine aUe Einzel- 
heiten des Textes besprechende und kommentierende Untersuchung liefert Zahn, Geschichte 
des neutestamentlichen Kanons II. Bd. 1 H., Erlangen 1890 p. 1—143. 

776. Bttckblick. Die Formen der christlichen litteratur. Es ist 

eine interessante Zeit, die wir durchwandert haben, interessant nicht bloss 
fUr den Theologen, sondern auch für jeden Gebildeten. Eine Fülle mäch- 
tiger Ideen entfaltete sich in dem von uns behandelten Zeitraum. Nicht 
bloss dogmatische, sondern auch wichtige organisatorische Fragen wurden 
entschieden. Das Endergebnis dieser mächtigen Bewegung der Geister 
war die Begründung der christUchen Kirche, eines grossartigen Baues, der 
stets Gegenstand der Bewunderung bleiben wird. Hier kann es sich natür- 
lich nicht darum handeln, diese imposante Ideenwelt in ihren Grundzügen 
vor die Augen des Lesers zu stellen. Für uns kommen nur die Littera- 
tur formen in Betracht, durch welche das Christentum seinen Siegeslauf 
auf dem Erdkreis vollzogen. Vorbilder waren für die christliche Litteratur 
in der heidnischen reichUch vorhanden. Zuerst übertrug sich die Form 
der Apologie auf das neue litterarische Schaffen. In den ersten Jahr- 
hunderten, in denen das Christentum um seine Existenz zu ringen hatte, 
stellte sich nämlich vielfach die Notwendigkeit ein, die Sache des Christen- 
tums gegen unberechtigte Angriffe zn verteidigen. Eine Reihe von Schrift- 
stellern trat auf, welche mit dem Namen , Apologeten* bezeichnet werden. 
In der christlich-lateinischen Litteratur finden wir zwei Formen der Apologie, 



ttüokbliok. 409 

den künstlerischen Dialog und die Anrede. Jene Form hat Minucius Felix in 
Anlehnung an Cicero gewählt und seine Aufgabe in ausgezeichneter Weise 
gelöst. Die Form der Anrede an die Provinzialstatthalter gebrauchte Ter- 
tullian in seinem Apologeticus. In einer anderen Schrift richtet TertuUian 
aligemein seine Verteidigung an die heidnischen Völker. Mit dem Fort- 
schreiten des Christentums erhielt aber die Apologie noch ein neues Feld 
zu ihrer Bethätigung. Es kamen die Häresien auf, auch diese mussten 
bekämpft werden; es geschah dies oft mit einer Leidenschaft und 
Erbitterung, dass die Apologie in die Invektive umschlug. Auch für 
diese Spielart gab die heidnisch-philosophische Litteratur Muster ge- 
nug an die Hand. Bei Tertullian finden wir diesen Litteraturzweig 
reichlich ausgebildet vor. Mit der antihäretischen Schriftgattung ist ver- 
wandt die Abhandlung oder der Traktat. Das christliche Leben 
führte auf so viele neue Erscheinungen, dass eine wissenschaftliche 
Erörterung derselben sich oft im Interesse der Gläubigen als not- 
wendig erwies; denn nicht selten waren dabei irrige Meinungen abzu- 
wehren. Besonders als in den christlichen Gemeinden strengere und laxere 
Richtungen sich schieden, griffen die Streitenden oft mit Broschüren in 
den Kampf ein. Auch für den christlichen Traktat ergaben sich An- 
knüpfungspunkte an die nationale philosophische Litteratur. Als die 
Lehrgewalt im Laufe der Zeit nach langen Kämpfen unlösbar mit dem 
Episkopat verbunden wurde, gewann der Traktat die Form des Hirten- 
schreibens; es spricht der Bischof zu der ihm anvertrauten Gemeinde: 
der Ton der Rede nimmt eine gewisse Salbung an, die Gläubigen sind für 
den Bischof nur Brüder. Der Traktat wird so eine schriftliche Predigt; von 
dem eigentlichen Brief unterscheidet er sich nur dadurch, dass weniger die 
individuellen Verhältnisse der Adressaten hervortreten. Das Hirtenschreiben 
hat seine Begründung und Ausbildung besonders durch Cyprian erfahren. 
Wenn auch das litterarische Schaffen nach der Ausbildung des Episkopats 
vorzugsweise in dessen Händen lag, so war doch auch noch für die Laien 
ein Spielraum für schriftstellerische Wirksamkeit gegeben. Sie, die sich 
keine entscheidende Stimme in schwebenden, strittigen Fragen anmassen 
durften, konnten systematische Werke in Angriff nehmen. Es liegen 
uns zwei solche Versuche vor. Der eine rührt von Arnobius her, der den 
Polytheismus in einem ausführlichen Werke bekämpfte. Noch viel inter- 
essanter ist der zweite Versuch seines Schülers Lactantius. Dieser führte die 
Institutio, die sich in der Jurisprudenz und der Rhetorik zu einer wich- 
tigen Gattung entwickelt hatte, in die christliche Litteratur ein. Sein 
Werk „divinae instüutiones** ist das erste Lehrgebäude des Christentums. 
Wenn nach dem Gesagten die Ausbildung der lehrhaften christlichen 
Litteratur in lateinischer Sprache eine reiche genannt werden muss, so 
können wir nicht gleiches von den übrigen Litteraturgattungen sagen. 
Die Exegese der Lateiner steht in unserer Periode in den Anfängen und ist 
von den Griechen abhängig. Wir konnten nur zwei Exegeten, Viktorin 
von Pettau und Reticius von Autun, namhaft machen. Auch für die 
historische Litteratur haben wir in unserem Zeitraum nur Ansätze. 
Die Geschichte der Christenverfolgungen und die Martyrien bieten den 



410 Römische LitteraturgeBchiohte. 11. Die Zeit der Monarchie. 2. Abteilimg. 

Stoff f&r die ersten Versuche historischer Schriftstellerei dar. Auf dem 
ersten Gebiet hat Lactantius die Bahn durch seine Tendenzschrift de mortis 
bvs persecutorum eröffnet, für die Martyrien lernten wir zwei hervorragende 
Muster in den Acta der Märtyrer von Scilli und in der Leidensgeschichte 
der Perpetua und der Felicitas kennen. Beide Formen entwickelten sich 
in späterer Zeit in reicher Entfaltung zur Kirchengeschichte und zur 
Legende. Ganz kläglich ist es in den Anfängen des Christentums mit 
der christlich-lateinischen Poesie bestellt. Hier haben wir nur eine kümmer- 
liche Form des Lehrgedichts bei Commodian angetroffen. Wir beben 
also, wie die christliche Litteratur noch bei manchen Gattungen in unserer 
Periode auf der Stufe des Versuchs stehen bleibt ; wir werden im nächsten 
Bande kennen lernen, wie auch diese Gebiete von den christlichen Schrift- 
stellern erobert wurden. Auch in Bezug auf die Sprache können wir ein 
mächtiges Ringen und eine progressive Entwicklung wahrnehmen. Die 
christliche Litteratur war auf griechischem Boden erwachsen. Die heiligen 
Schriften des neuen Testaments waren in griechischer Sprache geschrieben. 
Ein grosser Teil der Angehörigen der christlichen Gemeinden bestand aus 
Griechischredenden; der Gottesdienst wurde daher lange Zeit nur in grie- 
chischer Sprache gehalten. Allein die lateinische Sprache nahm den 
schweren Kampf mit der griechischen auf und focht ihn siegreich durch. 
Es ist das Verdienst der Afrikaner, das lateinische Idiom zu einem ge- 
eigneten Organ christlicher Gedanken gemacht zu haben. Und nicht genug 
bewundem können wir die Thätigkeit dieser Männer, welche für so viele 
neue Ideen die richtigen Worte zu finden oder zu stempeln wussten. Über- 
setzungen ersetzten bald die griechischen Schriften; die christlichen Ge- 
meinden latinisierten sich von Jahr zu Jahr mehr, so dass die christliche 
lateinische Litteratur ein zahlreiches Publikum fand. Daneben ging die 
Nationallitteratur, die auf längst abgestorbenen Ideen beruhte, noch eine 
Zeit lang einher, allein ihre Kraft war gebrochen, der Keim ihres Todes 
war gelegt. 



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Syntax und Stilistik), von Professor Dr. Stolz (Innsbruck) und Gymnasialdirektor 
Schmalz (Tauberbischofeheim). 

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Dritter Band, Zweite Abteilung: A. Geographie und Topographie von 
Griechenland und den griechischen Kolonien. Nach dem Tode des Ver- 
fassers der ersten Auflage Dr. M. Lolling völlig neubearbeitet von Prof. 
Dr. Eugen Oberhummer (München). — B. Topographie VOn Athen, von 
Dr. Walter Judeich (Marburg). [Erscheint 1897.1 

Dritter Band, Dritte Abteilung: A. Geographie und Topographie der 
Länder des romischen Reiches, von Prof. Dr. Jul. Jung (Prag). - B. Topo- 
graphie von Rom, von Gymnasialdirektor Prof. Dr. Otto Richter (Berlin). 
[Die 2. Aufl. erscheint Ende 1896.] 

♦Dritter Band, Vierte Abteilung: Grundriss der griechischen Geschichte 

nebst Quellenkunde, von Prof. Dr. Robert Pohl mann (Erlangen). Zweite 



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