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70993 UF.
ar
TTS —— Mi
Beiträge
zur
Befhihte Böhmens
Herausgegeben von dem Vereine
für
Geſchichte der Deultſchen in Böhmen
Abtheilung III. Ortsgefchichten.
— ET N —
Brag 1871.
Orud von D. Ruh. — Berlag des Bereines für Geſchichte der Deutichen in Boin
Beiträge
zur
zeschichte Böhmens.
Abtheilung III.
—— — —
Orts-Geschichten.
Band II.
eſchichte der Stadt Keitmeritz.
1}
Qearbeitet von 507
Dulius Jippert. | aber!
— 23 ——
— ————
Prag 1871.
id von D. Kuh. — Verlag des Vereines für Geſchichte der Drutigen vn Bihparn.
il
Geſchichte
der
Deituerits.
Von
Sulius Dippert,
Director Der Voilto⸗ und Bürgerfchule in Vudweis.
Herausgegeben vom
Dereine für Geſchichte der Deutfhen in Böhmen.
Mit zwei Karten.
ae RO"
Prag 1871.
end von D. Kuhh. — Verlag des Vereines fiir Gefchichte der Deutichen ın Tann.
Vorwort.
Eine „Geſchichte des Bürgertume in Böhmen“ wäre gewiß
ein danfbarer nnd wiürdiger Vorwurf eines Hiftorifere, ſowol in
Anbetracht der Bedeutung diefes Culturfactors in einem von ver-
ſchiedenen Culturkreiſen berührten Lande, wie auch in Rückſicht
auf die bieherige VBernachläffigung feiner Gefchichte von Seiten
der „berufenen“ Gefchichtfchreiber.
Mit der Vedentung des Werke fteht aber auch die Schwierig:
feit der Ausführung im Verhältniſſe. Es würde Talent, Zeit,
reihe Hilfsmittel und vichjeitige Vorarbeiten verlangen. Bon
Geſchicke in den kleinen Kreis einer Landftadt gebamıt, auf
wenige Mußeſtunden befchränft, der Mittel entblößt, darf ic)
mih an cin ſolches Werk nicht wagen. Meiner Neigung aber
dennoch folgend und mich andrerfeits beicheidend habe ich es unters
nommen, für cin ſolches Werk eine Heine Vorarbeit zu liefern, die
einjt dem, der jene® im die Hand nimmt, bei ber Zerftreutheit und
Diaffenhaftigfeit des ungeordneten Material® zu ftatten kommen
möge. Zugleich aber ift es mir Bedürfnis gewejen, die vielen
Denfmale einer Schönen, an Erinnerungen reichen und mir wic
zur Heimat gewordenen Gegend meinen Freunden zu interpretieren.
Diejenigen Lefer, die nur das allgemein Bedeutfame intereffiert,
das ich genügend Hervorzufuchen und zu heben mir Mühe ans,
mögen daher ſchon entfchnfdigen, wenn ich auf meinem Wege bie
und da einen Stein umkehre, an dem nichts zu liegen ſcheint —
das geſchieht nur denen zu Lieb, die dort alltäglich wandeln, denen
jeder Stein von Jugend an befannt und Tieb geworben ift.
Die Duellen, die ich benützte, habe ich unter dem Texte
genannt; die größte Maffe des Stoffes habe ich mit oft wahrlich
mehr mühſamer als danfbarer Arbeit aus den vordem wol felten
oder gar nicht benütten, mit Nüdjicht auf die Zwecke der Forſchung
jo gut wie nicht geordneten Materialien des Teitmeriger Stabt-
archives, anderes aus anderen innen genannten Archiven gefchöpft.
Budmweis am 20. Feber 1871.
Julius Rippert.
Inhalt.
L Zeitraum.
Die Alteste Zeit bis zur E&ecbisierung der Stadt 1421.
I. Theil. Gefchichte der Stadt.
Seite
1. Die älteften Berhältniffe vor der Gründung der Stadt. . . . 2... 1
2. Die Qurggrafen. . . ...12
3. Ausbreitung der geiſtlichen Veſitzungen ... een... 17
4. Einführung des dentichen Städtewefens in Yöhmen . nn.
5. Die Gründung der Stadt Leitmerizzze. 36
6. Die Stadt unter den Premyſliden... 38
7. Die Zeit von Ausſterben der Bremyfliden bie um Auftauchen des Hufitiemus 44
& Tas Hufitenthbum oo 2 2 een nn. 67
II. Theil. Gefcichte dee Eultur.
1. Das Redt . . . > 7 |
2. Die firchlichen Verhäliniſſe ...48244110
3. Die Stadt und ihre Bewohner. Der Weinbau . » » 2 2 2020202 ,197
4. Die Nachbarſchaftt.. ee. . 138
OD. Beifraum.
Bon der Cechisitrung der Stadt bis zur Beschränkung ihrer Autonomie durch Jerdinand J.
1421 — 1547.
I. Theil. Geſchichte der Stadt.
1. Die Zeit des Hufitenkrieges und der Gedifierung. . . . . 180
2. Son Sigmund bis Wladislav Il. — Die Zeit der Beourationeeruch und
die Borfpiele neuer Kämpfe . . . 0 0.2..19
2. Die Regierung Wladislave IL und der Kampf des Bilrgerthums um feine Sriftenz 204
3. Die Regierung Yudwigs und der Vergleich der Stände. - . 2 2 2..2..349
5. Ferninand J. — Untergang der bürgerlehen Autonomie. . » 2 2 2.2.2364
II. heil. Geſchichte der Ealtur.
1. Tas ee RO
2. Kirche und Schule & 2 or... 30
3. Stadt und Bürge.310
4. Die Nachbarſchaft. rn BD
HI Beifraum.
Bie Reit der beschränkten Gemeindenutonomie bis zum Ende des dreissigjährigen Krieges.
* 60 —
mama D -
we 69 1 ⸗æ
1547 — 1650.
I. Theil. Geſchichte der Stadt.
. Reftanrationsverjuhe . .
. Ein unglüdliher Prozef .
. Eine Zeit der Gährung .
. Die Zeit der Gegenreformation.
. Die Kriegsereignifie.
11. Theil. Geſchickte dee Euftur.
. Das Recht. re
. Kirche und Schule. . . » ..
. Die Stadt und ihre Umgebung, die Bing u. ih Leben .
. Die Nahbarfchaft . . . - . . N
IV. Beifraum.
Vom boestpbälischen Frieden bis zu den Zeiten Üniser Soscpbs 11,
I. Theil. Die Schichfale der Stadt.
‚ Der Verfall derjelben .
. Das Interdict
Die Bauern nnd die Peſi.
. Pfalz von Oſtrigggg.
. Die Kriegszeiten. .. en
. Das Ende der Autonomie
II. Theil. Geſchichte der Eultur.
. Das Recht .
. Kirche und Schule.
. Stadt und Bürger
.Nachbarſchaft
V. Zeitraum.
(Als Anhang.)
Ber Absolutiamus und die neueste Aecit.
.Schichkſale der Stadt .
. Kirche Schule und Wolthätigteitsanflalten
‚„ Stadt und Bürger . rn
. Nahbarın
. 631
. 637
. 639
. 643
I. Theil.
Geſchichte der Htadt.
1. Die älteſten Verhältnife vor der Gründung der Stadt.
Einige im Volke umgehende Sagen genügten bisher, die Fragen
nad) den ältejten Verhältniffen und Scidfalen eines der fchönjten Land⸗
ſtriche Böhmens und der Art und Zeit der Entftehung einer feiner ältejten
Städte zu beantworten. Wir können von diefen Sagen nur anführen, daß
ihre noch ganz unentwidelten Keime nicht weiter al8 bis in's 16. Iahr-
hundert hinaufreichen, während fie fi) doch anſchicken, über das achte
zu berichten. Sie tragen auch ſämmtlich nicht den Charakter der Volks—
jage, Sondern den der Erfindung durch irgend einen Scheingelehrten.
Wären wirkliche Xolfsjagen vorhanden, fo könnten uns durch fie immer⸗
hin neben den Refultaten der hiſtoriſchen Forſchung Euthüllungen ermöglicht
werden — doc würden wir foldhe Sagen vergeblih bei uns fuchen,
da der mehrmalige fait vollftändige Wechſel der BVevölkerung auch ihre
Traditionen vernichtet hat. Schon im 16. Jahrhunderte hatte man, wie
ans allen derartigen Denkmalen hervorgeht, eine Auffaſſung und Boritel-
lung von den älteften Verhältniffen, die ihrer wirklichen Beſchaffenheit
ſchnurſtracks entgegenlief. Kine folche Vernichtung aller Traditionen hatte
ein einziges Jahrhundert zu bewirken vermocdt, das Jahrhundert ver
Hufitenftürme.
As hierauf im 16. Sahrhunderte Hajek in feiner Lügenchronik
faft jedem Dörfchen feinen Seburtsfchein aus dem Kopfe fchrieb, da konnte
natürlich auch Yeitmerig einer kurzen Erwähnung nicht entgehen und
1
— 2 —
mit dieſer durchaus willkürlichen Nachricht begnügte ſich die Folgezeit
als der Grundlage ihrer weiteren Ausſchmückungen und Anreihungen, deren
Erfinder einzelne Bürger geweſen zu ſein ſcheinen. Der gelehrteſte unter
ihnen, M. Paul Stranffy, konnte dieſe abweichenden Sagen ſchon einer
gewilfen Sichtung unterzichen. Weiter al8 auf ziemlich Eindifche Ethymo—
fogien erjtredte fid) aber aucd) feine Korfchung nicht, und man kann nicht
einmal fagen, daR feine Entfcheidung aud) nur von feinem Standpunkte
aus eine glückliche gewefen fei. ') Auf folher Grundlage fußen dann
ſämmtliche chronifenartigen Arbeiten, wie fie einzelne Bürger als Denk—
bücher, Ephemeriden nnd unter ähnlichen Bezeichnungen verfaßten, die nur,
infofern fie aus ihrer Zeit berichten, von einigem Werthe find. Im Nach—
folgenden ſoll nun das erzählt werden, was ſich aus verfäßlichen, wic wol
dürftigen Quellen darftellen läßt.
Lange, viele Jahrhunderte vor der Zeit, in der der erſte Schwache
Strahl der Geſchichte auf unſere Gegend fällt, war diefe ſchon bevölfert.
Dies beweifen die Denkmäler jener Völker, die im Strome der Völfer-
wanderung verfchwunden find, ohne uns mehr zu hinterlaffen, als den
Ruhm ihres Namens und die Afche ihrer Zurücgebliebenen. Einladend
für jeden Eroberer mochten von je die Gefilde am Fuße des Mittelge-
birges fein. Wenn ſich die Wogen der Gäfte ftromanfwärts von Norden
her durch die engen Thäler drängten, dann mußten fie vor Yeitmerig auß-
einander fließen, und wenn fie fich dem Fluſſe nad) nach Norden wälzten,
dann dämmte das fchöne Gebirge wohl ihren Yanf.
"Daß die Ströme und Tlüffe Böhmens den Einwandernden bie
Wege gewiefen, fcheint außer der Naturgemäßheit der Sache eine Vieberficht
der bisher entdeckten Heidengräber zu beftätigen. *) Auch die Sage, die
Cosmas erzählt ?) beurfundet mindeftene den alten Glauben des Volkes,
daß in der Ebene zwifchen den Flüſſen Eger, Elbe md Moldau
die erften Wohnſitze aufgefchlagen wurden.
Ein ficherer Veweis für die frühzeitigen Anjiedlungen in unferer
Gegend find die daſelbſt nachgewichenen Gräber aus den Zeiten der heid-
nifchen Bewohner des Landes. Niht nur um Yeitmerig be Zir—
n, Er entſchied ſich fir die befannte läppiiche Sage vom „Miller mit der Metze.“
Wir führen jene Sagen hier nit an, da fie in feiner Beziehung Wert haben,
und den Einhermifchen überdieß genügend belannt- find. ?) Eiehe die Karte zu
Kalina von Jäthenſteins „Böhmens Opferpläge,“ deren Angaben nun freilid
bedentend vermehrt werden müßten und die zu Wocel's Pravek. Il. Band.
8) Seriptores rer. bohem. Tom. I. ©. 7.
— 3 —
kowitz und Klapai"), bei Maſchkowitz und Sobenitz, bei Ploſch—
kowitz und vVoboſitz, ſondern in und bei Veitmeritz ſelbſt find
durch Eutdecknug von Heidengräbern menſchliche Anſiedlungen in vorgefcjicht:
licher Zeit ſichergeſtellt, ſo wie in der Gegend der Haſenburg erſt
unlängſt gefundene zierliche Bronzewaffen darauf ſchließen laſſen, daß auch
in den Zeiten der celtiſchen Bojer unſere Gegend keine menſchen⸗
leere Einöde war. Ob jedoch einzelne Anſiedelungen aus der Zeit der
Bojer oder Markomannen die Stürme der Völkerwanderung über⸗
dauert und bis in die von der Geſchichte erhellteren Zeiten der Slha—
venherrichaft fortbeftanden haben, ift bis jett durch nichts ficher zu
jtellen, obaleidy es ebenſo wenig gelängnet als behanptet werden Tann.
Ein jicheres Yicht fällt auf die Sefchichte der Gegend, in der jegt die
kön. Kreisjtadt Yeitmerig ſteht, erjt im jenen Zeiten, da das Yand
Böhmen bereits von dem flaviihen Stamme der Gehen in Beſitz
genommen und bevölkert war. Aber ſelbſt für dieſe Zeit läßt ſich ein
beiläufiges Wild der älteſten Verhältniſſe nur mühſam durch Rückſchlüſſe
aus dem Nachſolgenden, Anwendung des allgemein Gültigen und Verglei—
hung des Analogen gewinnen. °) Es ſcheint, daß gleich bei der Einnahme
de8 Yandes durch Slaven ein Stamm derfelben auch unfere Gegend
in Befit nahm und bevöfferte, deffen Namen ferner auf eben diefe Provinz
übertragen wurde. Dielen Namen nennt Coemas, der ältejte Chroniſt
Böhmens, Ichon für das nennte Jahrhundert Lutomerici (Lu-
thomerich). ?) Die Wohnfige diefes Stammes zuſammengenommen bil-
deten, wie die der benachbarten Imezane*) (Saazer) und Daziane ®)
ı Tetfchener) eine „Provincia“, „Zupa“ oder einen Hau. Die ältefte
urkundliche Erwähnung diefer „Provincia Lutomiricensis" geſchieht in
der allerdings aefälfchten, aber dem Inhalte nad) richtigen Stiftungs-
urfunde des Kloſters Brevnov.“) Diefe Urkunde beweift aud), daR
ſchon damals - im 10. Jahrhunderte — in diefen Sauce Dörfer
bejtauden, deren Einwohner dem Yandesherrn zu gewiljen VDienften und
veiſtungen verpflichtet waren, ſowie and), daR als Haupt: und Mittel:
punkt des Gaues ein nad den Bedürfniſſen der Zeit befeftigter Ort
„.eivitas" im älteren Sinne) deſſen Namen führte. Dies war die Zu—
penburg „eastrum oder civitas Lutomiricz" 7), die wohl, wie man
ı, Kalina's Tpferpläte. *) Bergleiche Tomel, Gedichte Brags; Balady, Geſchichte
Fohmens. ') Cosmas in serip. rer. hoh. I.25. ') %.a. DO. °) Coemas 169
Erbeu, 1086 73. *) Erben regesta Boh. 933, 34. °) So bie erfie Leſeart,
die iibrigen find: Luthomiriei, Lutomeric, Lutomerich, Lutmerizt, Lutho-
1*
— 4 —
ans dem Gebrauche bei Hajek ") ſchließen kann, in der Gegend ſelbſt nur
ichlechwweg. Hradec“ genannt wurde.
Dieſe lag?) auf dem mäßigen Hügel, der vom rechten Ufer der
Elbe aus ſich erhebt, auf der anderen Zeite aber zum Pofratigbade
abrällt und gegen Oſten zu in einer Tcharfen Kante ausläuft, fo daß fein
Rüden ein Treied bildet, deilen ſchmälere weltliche Seite urſprünglich
möglicherweile mit demjenigen Jlatean theilweile zuſammenhing, deſſen
Züdabhang man Polabe nannte. Tiefe Verbindung dürfte erit bei An»
fegung der Burg aus Rüdfichten der Bertheidigung durd einen künſt⸗
liben Turdichnitt abgebrochen worden jein. ” Es iſt befannt, daß es
die Sitte der Slaven war, eben einen ſolchen Hügel zum Bau ihrer
Yurgen zu wählen. "ı Außer den Andeutungen der urkundlichen Berichte
bezeichnete ferner die Tradition noch bie in Straneky's Zeiten (An
fang des 17. Jahrh.) den jetigen Domhügel als die alte Burg, indem
deriefbe damals noch den Namen „Hradie” führte, unter dem als dem
gewöhnlichen ihn au Hajek erwähnt?).
Tiefe Burg ſah aber wejentlih andere aus, als die in fpäteren
Zahrhunderten im Yande nad) deutſcher Art erbauten, deren Ruinen
auf jteilen Berggipfeln unfere Gegend zieren. Die jlavijche Gauburg
war mehr ein Kleiner cingehegter Urt, den die Wohnungen der fürftlicden
Beamten, der Belagungsmannichaft und des nöthigen Geſindes bildeten.
In ihnen entftanden nad) der Chrijtanifirung des Yandes auch die erften
Kirchen.
Sowohl die Einfriedung eines ſolchen Urtes, die zur Vertheidigung
desielben dienen jollte, al® auch die in demfelben jtehenden Gebäude,
waren in der ältejten Zeit natürlich nur von Holz. Wie die einzelnen
Gebäude in unferer Yurg vertheilt waren, und welcher Zugang zu ihnen
führte, läßt fi) bei der Mangelhaftigkeit der Nachrichten nidht mehr er:
mitteln. Daß der Zugang, der jett die Stadt mit dem „Dombhügel”
. meritz, Linthomeric, Lutmeric, Luttmeriz, J,utmiric, L,uthimeric, Liotmeric,
Luthomiriez, Luthomeriez, Leutmariez (1350). Leutmericz (1377), Luth-
meritz,. Leuthmericz, Leutlomericz (1379), l,uthemericz (1897), Luthomiericz,
Lithomicrezieze (1473), l.eutenm.ritz etc.
'; Hajel zum Jahre 682. *) Wie fi) durch Kombination der fpäteren Daten be-
ſtimmen läßt. ) Daranf ſcheint aud die im 16. Jahrh. übliche Bezeichnung des .:
£ries „vhrobkäch“ zu deuten. Durch Anlegung von Tehmgruben wurde diefer
Ort fpäter fehr erweitert und vertieft. ') Beifpiele find: Prag, Wyſchehrad, Lewy
Srodeen.a. Vergi. Tomel, Prag 1, 18. Baladu Böhmen I. 176. °) Stranely,
Respubl. boh, bei Goldaſt II. Ep. 446. Hajel erwähnt den Ort in Berbinbung
wit einer Erdichtung zum Jahre 682 u. a.
— 5 —
das iſt eben der alten Burg, verbindet, nicht beſtand, iſt ſchon deßhalb
anzunehmen, da die Nothwendigkeit eines ſolchen Weges, durch den die
Vertheidigung weſentlich erſchwert wurde, vor dem Beſtehen der Stadt
gar nicht vorhanden war. Wenn man nach der Aehnlichkeit anderer
Burgen von gleichem Zwecke, gleicher Yage und Zeit ſchließen darf, jo
wäre anzunehmen, daß fich der Haupteingang an der meftlichen Seite
befand, wofelbft eine hölzerne, leicht abwerfbare Brücke über den Graben
führte, der jetzt durch Jahrhunderte lang fortgefegte Abgrabungen freilich
bedeutend erweitert wurde. Ein anderer Eingang dürfte auf der entgegen-
geſetzten Seite von der Elbe aus durch cine kleinere Pforte geführt haben,
dort, wo jeßt noch der Weg bei der Johanniskapelle vorbei ziemlich fteil
zum Dome führt. Auf diefem Wege gelaugte man von der Burg herab
auf denjenigen Play an der Elbe, der ſchon in den älteften Zeiten als
Marttplag gedient haben muß. In diefen muß aud) jene alte „Markt—
ftraße” (via foralis) von Aufcha her eingemündet haben, die bereite
1088 erwähnt, in ihrem weiteren Zuge jegt noch genau erleuntlich ift. ")
Dit an die Burg fchloß ſich andererfeitS noch in der durch ge-
ſchichtliche Nachrichten erhellteren Zeit dichter Wald, der fi auf der
nördlichen Zcite derjelben, das Thal des BPofratigbades und den
Hügel, auf dem die heutige Stadt ftcht, bededend gegen Oſten hinzog.
Erft hinter diefem Walde, den man zur beiferen Vertheidigung gefliſſentlich
gefchont zu haben fcheint, breiteten fich bebaute Aecker aus ?)
Eines eigentlihen Burgfleckens bei diefer Burg, wie er fonjt als
„Suburbium“ genannt wird, geichieht in feiner Urkunde Erwähnung,
vielmehr werden alle die zerjtreut um die Burg herumliegenden Ans»
jiedelungen ftets mit dem allgemeinen Namen „villa“, Dorficaft, be»
zeichnet. Aus dem Umſtande aber, daß bei der ſpäter zu erwähnenden
Stiftung des Domcapiteld auf der Burg diefem die nothwendigjten Dand-
werfer und felbjt der Glödner in den Dorfe Zaſada (der „hinteren
Anfiedlung“) angewieſen werden, darf man fchließen, daß eben dieſes
Dorf, vielleicht als das bevölkertſte den nächften Anſpruch darauf machen
fonnte, für eine Art von Burgfleden zu gelten.
Die Dorffchaften im Umkreiſe von etwa zwei “Meilen um die
y Es geht dies hervor aus der Richtung diefer Straße felbft, die fie nicht weit vor
der jetzigen Stadt gegen die Elbe zu nimmt und aus der noch ſpäter üblichen
Berwendung diefee Platzee ?) Erben 1057. 51: Fratribus addimus circuitum
silvae ante urbem, cum agris eidem silvae adjacentibus et podvine
(Podirvin).
— 6 —
Burg !) waren ſchon im 10. und 11. Jahrhunderte ziemlich zahlreich,
wenngleid) von geringer Ausdehnung und Bevölkerung.
Dasjenige Dorf in umferem Gebiete, das zu allererit genannt
wird, ift Hröfy („Heridel“) am linken Elbe- und rechten Egerufer, dag
bereits im Jahre 993 angeführt wird. ?) Es lag damals zwiſchen Wäl—
dern und Sümpfen, die fih an den Ufern der Elbe und Eger aus—
breiteten, von da weiter an der Elbe hinzogen und die Gegend erfüllten,
die vielleicht in den Urzeiten cin Deltaland der Egermündung bildete.
Wald bedeckte noch in fpätern Iahrhunderten die Gegend der Eger:
mündung. Im beiläufig gleicher Entfernung von der Elbe auf deren ent-
gegengefettem Ufer wird jchon in demfelben Jahre das Dorf Tenzel
(„Vlencich“) angeführt.
Mehr als ein halbes Jahrhundert fällt nun wieder Fein Lichtblid
auf unfere Gegend; dann aber befchrt uns das Jahr 1057 über die Eri-
ftenz mehrerer Dörfer.) Am rechten Ufer der Elbe beftand bereits
das Dorf Kresic („Cresici‘), weiter unter diefem Trebantig („Tre-
bessici, Trebutschich“) und zmwifchen diefem und der Burg irgendwo
in der Gegend der jetigen Flur „Poſchka“ die Anſiedlung „Na boschi“
(auch naboste), von der jett außer dem erwähnten Flurnamen feine Spur
mehr zu finden ift. Das gleiche Schickſal hatte der etwas oberhalb gelegene
Ort Pirna („Prrna, Pirne‘), dejlen Name ebenfalls nur noch in der
Slurbezeihnung lebt. Oberhalb Ktesic lag aud damals fchon das Dorf
Nuenie (.„Nuchicih, Nucnieih“). In nördlicher Richtung wird fchon
genannt Trebutſchka („Tribrusco, Tribussko“, falls diefes fo zu
deuten ift) umd Repſch („Sepcici“), zwiſchen dieſem und der Burg aber
Zrnowan („Ternovas, Trrnovass‘). In der Nähe desjelben werden
Podivin („Podvine“ indeß nur in der gefälfchten Urkunde von angeb:
(ih 1057 und nicht in der Beitätigung von 1218) und Schüttenik
(„Sytenicih‘*) genannt. Nördlich von der Burg lag damals bereits außer
der Zafada Pofratig („Pocraticih‘‘) und weiter nordweftlih Tlugen
(„Na tleni, na diem“) und Libochovan („Lubochovaz, Lutbocho-
vass‘‘), weſtlich aber PBiftian („Peschaz, Pelceas“) und CTernoſ ct
(„Sernossiceh, Zernozecheh“). Auf dem Linken Elbeufer aber jind ung
aus dem Jahre 1057 befammt: Prosmik („Prosmicih“), Lukawetz
(„Lukoucih, Lucuvicih‘“), Kopiſt („Copisteh, Kopisstich“), Brnian
) Ohne Rüdfiht auf die ſpätere Kreiseintheilung. *) Erben, 998, 34. °) Erben,
1057, 51 fl.
— 1 —
(„Brennaz, Bremass“) und Bauſchowitz („Buscovici“, jedoch nur
in der unechten Urkunde erwähnt).
In weiterem Umkreiſe um die Burg bejtanden um das Jahr 1057
nachweislid) die Dörfer: Radaun („Radvine, Radugne, Radnine“)
Auſcha („Useri, Usti®), Konojed („Konogenli, Conoiedi“), Tauber:
wiß („Dubrawiz, Dubravicieca*), Auffig („Usthi, Vsti* ete.), 3a:
tezel („Zalezlech“), Dlaſchkowitz („Dlaskovicih*), Slatina
(„/latina*), Koſtelec („Kostelec*), Kotiefhau („Ilotissove, Ilote-
souc*). Die unächte Urkunde fügt noch Phoſchkowitz („Plosskovicih*),
Podſeditz (? „Peuodicih“) und Dolauek („Dolcass, Dolas*) hinzu,
In späteren Zeiten erjcheinen außer den genannten noch die Na-
men folgender Dörfer urkundlich: Voboſitz („Lowossicihh“ 1143)",
Pitſchkowitz („Biscowici“ 1219) 2), Triebfd (? „Tribuchic* 1226)?),
Ugezdec (7), Nezel (1235)*, das Dorf Kysfov („Kyhscowe*
1253, an der Stelle des nod) vor kurzem beftandenen Maierhofes Sick»
hof) °) und ein Augezd (1285)°) das wahrfcheinfich der Bezirk (circuitus)
bei Yeitmerig (jegt Flur Augezd) iſt.
Von Flüffen wird nur die Elbe („Labe, Albea, Albia“) zu wies
derhoften VRialen amd die Eger („Ogre* zuerjt 993) genannt; ebenfo
von den nächften Bergen nur zwei, der St. Stephansberg”) (1253)
ober dem Dorfe Kysfow (nunmehr Fort N. ID) und der Lbin (Welbine
c. 1088) ®) mit feiner Quelle, wofelbft wir zuerjt 1356 das gleichnamige
Dorf Welbine finden. ?)
Dean kann natürlich nicht behaupten, daß die hier nicht angegebenen
Torfichaften bis ins 15. Jahrhundert überhaupt nicht bejtanden hätten,
jo wenig als man beftimmen Kann, wie lange die angeführten ſchon vor
ihrer erjten urfundlichen Erwähnung beftanden. Wenn wir uns aber aud
nur an das Zichergefteltte halten, fo muß uns die Gegend um Yeitmerig
ihon im 11. und 12. Jahrhunderte als cine verhältnißmäßig wohlbevöl—
kerte und in Folge dejfen wol aud) wohlbebante erfcheinen. Beſonders am
rechten Elbeufer, das wegen feiner mäßigen Erhebung mehr Sicherung
gegen die damals verhältnißmäßig nod) weit größere Gefahr häufiger
Ueberſchwemmungen bot, zicht fi ein fo dichter Kranz von Dörfern
y Tomel, Prag, I. 100. ?) Erben, 1219, 284. ) Erben, 1226, 326. ') Erben,
1233, 877. ) Erben, 1253, 607. *) Tomel, Prag 1. 155. °) Erben, 1258,
7.) Erben, c. 1088, 77. Die Bildung analog wie Liheta-Welhotta etc.
Tomek, Prag 1. 455.
— 8 —
unterhalb und oberhalb der Burg hin, daß er bis heute nicht nur nicht
dichter, ſondern durchbrochener erſcheint.
Libochowan, Cernoſek, Piftian, Burg Yeitinerig mit der
Zafada, Bozki, Pirna, Kyskov, Trebautig, Krefhik und
Nucnig lagen durchſchnittlich kaum mehr als je cine Vierteljtunde Wegs
ans einander. Dagegen treten Yeitmeriß gegenüber auf dem linken
Ufer der Elbe die Anfiedlungen nod etwas weiter von Fluſſe zurüd,
theils wegen der erwähnten Waſſergefahr, da das Ufer niedrig und flach
fih in den Fluß hinein verliert, theils weil nod) Teiche und Sümpfe die
Gegend zwifhen Profmif und Kopift (anf der Stelle des heutigen
Therefienftadt) bededen mochten.
Aller Grund und Boden wurde als dem Fürſten des Yandes
gehörig angejchen, infofern diefer ihm nicht al8 Gnadenbezeugungen oder
Belohnungen an einzelne feiner Diener und Getrenen verfchenft oder ver-
fauft hatte. So finden wir in dem oft erwähnten gefälfchten Stiftungs
briefe einen Paul als Kigenthümer eines Gutes in Ploſchkowitz, mit
dem er frei verfügen konnte und desgleichen einen Wlah (vielleicht derjelbe,
der als Burggraf von Peitmerig unter dem Namen Blah vorkömmt)
al8 Herren eines Gutes in Dolanek; anderswo erfcheint Buno, der
Sohn eines (vielleicht desjelben) Blah als Herr über ein Gut in Ban-
ſchowitz (1226) '), Stephan, ein getaufter Iude und treuer „mi
nister“ besgleidhen in Kopift (1228) 9, und Smil von Yihtenburg
in Loboſitz. Solche freie Grundeigenthümer bildeten jpäter den Stand
der Wladyken oder Nitter und konnten, falls fie ſich durdy reichen Beſitz
oder Hofdienft hervorthaten, auch als Herren gelten.
Die große Menge der Yandbebauer aber ftand in bald mehr bald
minder drückenden Lnterthänigfeiteverhältnilfen. Alle mußten für den
Grund und Boden, den fie bebauten, gewiſſe Abyaben in Naturalien leiten
oder gewiſſe Tienfte verrichten, die im Einzelnen ſehr voerſchieden fein
mochten, in deren Wefen wir aber wegen Kargheit der Tuellen feine klare
Kinfiht mehr haben. Auch fällt es jchwer zu beftimmen, wie Yoeit
bei dieſem Berhältniffe eine perfönliche Freiheit noch möglich var.
Gewiſſe Terpflichtungen bedingten von felbft, daß der Verpflichtete mit
ſich und feiner Zeit nicht mehr frei verfügen Eonnte, wie etwa der Bauer
der von feinem umfreien Boden nur cine bejtimmte Abgabe feiftete.
Häufiger wol al8 durch Kriegegefangenfchaft mögen die perfönlich freien
ı) Erben, 1226. 827. ”) Erben, 1228. 888.
— 9 —
Bauern durch Gewalt der Grundherren oder deren Beamten oder durch
irgend ein Unglück, das ſie betraf, gezwungen nad) und nach auch per-
ſonlich unfrei geworden fein.
So bejtanden zur Zeit, in die wir einige Cinficht haben, zwei
Klaſſen von Unterthanen, perföntich freie, wofür wir einen Theil der Bauern
ırustici) halten müffen, und Yeibeigene, unter denen wir alle Arten von
damals vorkommenden Handiverfern finden, denen der Grundherr gewöhnlich
zu ihrem leiblichen Unterhalte ebenfalls ein kleines Stück Feld überwies,
wofür jie ihre Handfertigfeit und einen nicht immer beftimmt bemeflenen
Theil ihrer Zeit zu feinen Gunſten verwerthen mußten. Selbit bei den
perſönlich freien Bauern mußten die Handarbeiten (roboty), die fie nebit
der Zinjung (census) zu verrichten hatten, nad) uud nach zur Unfreiheit
führer, wenn fie nicht beſtimmt genug bemeilen waren. ')
Die Beichäftigung der fürftlichen Unterthanen um Yeitmeriß
bezog fih zwar zumeift auf Acderbau und Viehzucht, war aber doch fchon
von einiger Deannigfaltigfeit. Wir finden, ohne daß wir in jedem ein:
seinen Falle angeben können, ob von freien oder von Yeibeigenen, außer
den Aderbau nod Weinbau und Bienenzucht betrieben. Der Weinbau in
unjerer Gegend ijt älter als unfere Quellen reichen. Schon die ältejten
Urkunden ?) nennen Winzer (vinitores) in der Zaſada, in Pofratig
und Schüttenig. Auch Obſtgärten (pomeria) werden bereits im 11.
Jahrhunderte in Schüttenig genannt. Die Bienenzudt wurde nad):
weislich bereits 1057 in Trnomwan betrieben. Fiſcher gab es wahr:
Icheinfic in allen Orten an der Elbe, obgleih wir in jener Zeit nur
Kinen, und zwar in Viboch owan nachweiſen können. Schuſter (sutores
nigri) wohnten bei oder in der Burg felbit, in Zaſada und Yula-
weg, desgleihen Kürſchner (pellitices albi et nigri), Schmiede (fabri),
Zimmerfeute (carpentarü) in Zafada, Trnowan, Bozei, Pferde:
züchter (nutritores equorum) in Shüttenit und Brnian, Müller und
Bäder aber bei der Burg.
Die einzelnen Dörfer waren jedenfalls nicht groß und die Hütten
in denjelben fo aneinander gebaut, wie dies jeßt noch die Törfer von
flaviicher Anlage kennzeichnet. Jedes einzelne Dorf ift urfprünglic)
durch Kine Familie gebildet, bevölfert und nach deren Bedürfniffen
erweitert worden, fo daß man die Familie und das Dorf mit dem—
jelben Namen nannte ?). Natürlich nahın die Bevölkerung nicht überall
') Bergleihe Tomet, Prag 1. W. *) Erben I. 1057. 77. 9 Unfere Dorfnamen
auf itz find ſammtlich pluralia, die in den Urkunden gewöhnlich im luocativ
— 10 —
in gleichem Berhäftniffe zu, obgleich dem Grundherrn an einer gleich-
mäßigen Vertheilung feiner Arbeiter gelegen fein mußte. Es fand daher
ein gewiſſer Ausgleich ftatt, indem in zu wenig bevöfferte Orte gleichſam
Säfte geladen wurden. Solche Zuzügler aus einer fremden Gemeinde
wurden denn auch fo (hospites) genannt und das Yand, das ihnen
angeboten und eingeräumt wurde, hieß „terra hospitalis.“ Dadurd)
gieng day vatriaralifche Element, das in sinem folchen flavifchen Familieu—
dorfe waltete, nad) nud nach verloren. Big heute aber erhielt ſich äußer-
(ich diefer Charakter. Es ift begreiflich, daß fi) gerade um die Gauburg
herum, wo wegen des Dearktes cin Leichter Austaufc der geernteten Früchte
oder der gefertigten Handarbeit in Ausfiht jtand, die meisten ſolcher
Säfte zuſammenfauden. Befonders wird die Zaſada aldreid) an ſolchen
angeführt. Durch folhe Säfte dürfte auch die ganze Umgegend der
Burg immer mehr und mehr bevölkert worden fein, indem ihnen der
Yandesfürft Theile des anszurodenden Waldes amwies. Daß auf diele
Weiſe aud) auf der Fläche, die jeßt die Stadt einnimmt, einzelne Höfe
eutſtanden, ift fehr wahrfcheinlich, obgleic) wir davon feine Nachricht Haben,
da ſolche Berträge gewiß ohne Urkundenausfertigung gefchloffen wurden.
Es ijt felbjtverftändfich, daß alle diefe Säfte in Bezug auf ihren Beſitz
Umfreie waren. Auch diefe um die Burg herum zerftreut liegenden An—
fiedelungen werden mit den allgemeinen Namen Lutomeric bezeichnet. ')
Lieber alfe diefe Unterthanen hielt der Burggraf (Zupan, castel-
lanus, comes, Gaugraf) Aufficht und Gericht. Ueber die Art der Ver»
waltung ift uns freifih wenig bekannt — ſicherlich aber war es eine
einträgliche Sache, leitmeriger Burggraf zu fein. Als es fi im Jahre
1130 einer Partei darum handelte, cinen Mörder für den Herzog
Sobtjlaus zu finden, konnte man diefem nichts Höheres ver:
Iprechen, als daB Burggrafenamt von Saaz oder Yeitmerig —
oder eines der Aemter des fürjtlichen Kämmerers, Truchſeß oder Hof:
marichalfe!?) Auch dies beweilt, daß der Yeitmeritger Gau be-
reits eine der eultivirteren Gegenden Böhmens gewefen fein muß, denn
hiemit hing ja die Ergiebigkeit des Amtes zuſammen. — Außer dem
Burggrafen wohnte noch auf jeder Gauburg®) ein Gaurichter (cüdar,
vorfommen, 3. B. Pokraticich, Trebauticich, Kresieich etc. Die auf ik wie
Prosmik find verderbt aus Prosmicich (Prosmici). Ebenfo wie der Sitz der
Familie wurde der Sit des Stammes (Liutomerici, Dacandc) und des Bolles
(Cechy) bezeichnet.
i) Erben 1228. 339. 128.877. ?) Eosmas S. 300. *) Nach Tomel, Prag I. 45.
judex czudarius, Zaudner), ein Kämmerer (camerarius), der mit
Xm Maier (villicus) die fürftlichen Einkünfte verwaltete, und ein
Jägermeifter(Lowdi, venator, forestarius), der die Wälder und die
Jagd beauffichtigte. Alle diefe zufammten bildeten zugleich eine Art Rich—
tercolfegium in Sachen der Unterthanen, bei dem der Nichter oft nur
den Borfig führte. Außer ihnen gab c8 auf der Burg noch untergcord-
nete Beamte, wie den Schreiber, den Kellermeifter, den Berwalter der
Kleiderfanmer, die „Alte” (vetula), die das Wäfchzeug zu beforgen
hatte u. A. Alle diefe hatten wieder ihre Diener bei fid), neben denen
aud) noch eine bewaffnete Befagung die Bevölkerung unferer Burg bil-
dete. Diefen letteren Dienft fuchten zumeift die Söhne der freien Grund—
herren, da er möglichermeife zu Ehrenftellen führen konnte. Auch Büttel,
Stenereinnehmer, Mautner, Zöllner, Förfter, Hundehüter (holoty) und
Handwerker gehörten zu den Bewohnern einer folhen Burg.
Ihren Unterhalt nahmen fie theil8 aus der allgeineinen Vorraths—
fammer,, theil8 aus beſtimmten Antheilen an Strafen, Gerichtegebühren
und Taren verſchiedener Art, theils aus dem Erträgniffe liegender Gründe,
mit denen fie zeitweilig belohnt wurden.
Solde Einkünfte, die eigentlich dem Yandesfürften zufamen, von
diefem aber an einzelne feiner Diener und fpäter auch an andere,
bejonders geiftliche Perfonen und Körperfchaften verlichen wurden, waren
die Abgaben, die bei den Märkten, welche bei der Burg gehalten wur-
den, einliefen, die Zölle und Mauten, die fhon damals bejtanden
und die Bußen für beſtimmte Verbrechen. Auch für das Führen des
Holzes mußte dem Jägermeifter ein Bejtimmtes gezahlt werden, das man
cestnd nannte.
Um die Bedürfniffe einer jo zahlreichen und gewiß nicht in Be—
ſchränkung Lebenden Bevöllerung der Burg herbeisufchaffen, Fanden ſich
natürlich nicht nur die Hiezu Verpflichteten mit ihrer Habe ein, fondern
audy diejenigen, die ihre Erzeugnilfe zu Markte bringen wollten. So
war die Gauburg aud) der natürlichite allgemeine Marktplatz des Sauce.
Auch daher ſchreibt ſich die größere Tiichte der Bevölkerung in der nächften
Umgegend der jegigen Stadt Yeitmeriß.
2. Die Burggrafen.
In der Zeit vor Boleslav J. dem Graufamen (9336—967) waren
die Gaugrafen (Zupane) von Yeitmerik jedenfalls Fürſten, wie die
übrigen Lehen Böhmens, die in feiner befonderen Abhängigkeit unter
jenem ihres Gleichen jtanden, der gerade als ihr Borderjter für den
Landesfürften galt. Erſt dem genannten Herzoge gelang es, die Macht
diefer ZTheilfürften zu brechen und diefelben zu feinen Alnterthanen und
Beamten herabzudrüden. *), Die alten Yechenfamilien verfchwanden ſeit
der Zeit bis auf zwei der berühmtelten und reichjten, die die Geſchichte
als unverföhnliche Rivalen und Gegner nennt, die Familie der Stavnit
und die der Wrſchowetze. In dem Kampfe beider ging das Haus
der erfteren unter; die Wrſchowetze allein retteten noch für fich den
Glanz alter TFürjtenherrlichkeit. Diefen fah noch die Gauburg von Veit:
merig, denn als ihr ältejter nachweisbarer Bewohner und als fürftlicher
Beamte, über den Yeitmeriker San erfcheint eim treffliches Glied des
Haufe Wrihoweg — der Burgaraf Mutina.
Erwähnung gefchieht feiner zuerit zum Jahre 1096 durch den Vater
der böhmifchen Geſchichte Coſsmas, der ihn einen Sohn des Boza
(Bosa) nennt?) Diefe mächtigen Beamte lichen fi aber durd ihr Amt
nicht an einen beitimmten Sig binden, fondern verbrachten ihre Zeit
größtentheils am fürftlichen Hofe und überließen die Gejchäfte der Gau-
verwaltung wahrjcheinlich ihren Richter. Auh Mutina war der Be—
gleiter und geheime Rath des Herzogs Bretiflap II. (collateralis et
secretarius). Sein Verwandter Boziey, Sohn des ac, herrſchte
als Zupan über den Saazer Gau. —
Einen alten Groll vergaß bei allem Scheine der Freundſchaft das
fiegreiche Fürftenhaus der Premyfliden gegen das einzige Geſchlecht,
das feine Ebenbürtigfeit nicht läugnen laffen wollte, nie. Bei einem
Striege, den Bretislaus in Polen führte, kam er zum Augbruche.
Mutina hatte ihn auf dem Zuge nah Bolen (Schlefien) begleitet
und war an feiner Seite al8 Bretislaus am Neißenfer unterhalb
dem wartner Paile das Schloß Kamenz bauen ließ. Dort über-
wältigte den Herzog ein Argmohn, jo daß er feinen bisherigen Freund
iy Bolady, Föhmen I. 2%. ?) Script. rer, boh. 1. 202. Bielleiht hängt mit
diefem Boza der Ortename Bozci, na Bo&cich zufammen.
— 13 —
ergreifen ließ und ihn wegen ber vielen Beleidigungen, die er ihm ange-
than habe, werth jchalt, daß er ihn die Augen ausſteche. Aus Gnade
aber entfernte er ihn bloß von feiner Seite und fandte vLeute nad) Böh—
men, die all fein Gut dafelbft in Befig nehmen follten. Welche Güter
etwa in unferer Gegend feit Alters Privateigenthum der Wrſchowetze
waren und erſt damals wieder an den Herzog kamen, iſt ebenfo wenig
zu ermitteln, wie die Schuld, für die Mutina mit ihnen büßte. Wir
wilfen nur, daß die dem Gefchlechte der Wrſchowetze vorgeworfenen
Berbrechen nicht erwielen wurden, und daß Mutina bejonders als ein
Dann erfcheint, der feinem tragifchen Schickſale gegenüber in heroifcher
Größe auftritt. Aus Böhmen verbannt, fand er feine Zuflucht in
Polen. Dort traf ihn bald aud) fein Verwandter Bozey, den Bke—
tislav auf einem Schiffe fammt feinem Weibe und zwei Söhnen nad)
Meißen führen ließ, von wo er weiter nach Bolen zog. Als wenige
Jahre darauf (1100) Bretislav durch Meuchelmord fiel, traf die
Verbannten der Berdadt.) Borimwoj, der nun gegen das Erbrecht
vom Throne Befig nahm, mußte in feiner unficheren Stellung ſich Freunde
zu fchaffen fuchen und nahm deßhalb Mutina und Bofey wieder zu
Gnaden auf, indem er jenem Leitmeritz, diefem Saaz wieder zur Ver:
waltung übergab. Dieſer Gnadenact, von den Umſtänden erzwungen, war
indeß von Seiten Borimwojs nur Heuchelei; ?) wogegen ihm nun beide in
aufrichtiger Treue dienten. ?)
Inzwilchen tradhtete Swatopluf, Herzog von Olmütz, darnadı,
feinen Vetter Botimwoj vom Throne zu ftoßen und ale dies feiner
Kühnheit nicht gelingen wollte, verjchmähte er nicht die Lift, feinen Gegner
mit feinen mächtigiten Stügen zu entzweien. Dies gelang ihm fo wohl,
daß Botimoj zu wiederholten Malen es verfuhte, Mutina und
Bojey, die doch feine aufrichtigen Freunde waren, zu fangen und als
Keichsfeinde zu behandeln, bis diefe fich gezwungen fühlten, wirklich feine
Beinde zu werden. So kam e8 dahin, dag mn Bokiwoj aus dem
Yande fliehen mußte, während Swatopluf von den Wrsowetzen
unterftügt, Befit von demfelben nahm (1107). Hiedurch kamen dieſe
aufs Neue zu großer Macht, aber auch aufs Neue in eine gefährliche
Stellung zum neuen Fürften. Es liegt nahe, daß der Herrichlüchtige
den, den er aus „Furcht nicht verachten kann, aus Eiferfudht haft. So
geihah e8 Swatopluk. Selbſt was unfer Burggraf und feine Freunde
) Gosmas 216. 9 Gosmas 216. °) Idem 224.
— 14 —
u feinen Gunften an feinem Gegner gethan, redjnete er ihnen bald
um Verbrechen an. Als er 1108 mit Kaifer Heinrich nad) Ungarn
og, übergab er die Bertheidigung des Yaudes den Mutina nnd einem
ndern Großen, Namens Wacef. Diefen Zeitpunft benügte der ver-
ricbene Botiwoj, um die Rüdfchr zu verfirchen, die ihm anfangs zu
jelingen Ichien, indem er die beiden Yandesvertheidiger aus ihrer feften
Stellung an der Grenze Schlefiens warf und vor ſich hertrieb. Wacek
chrieb dies ihr Kriegsunglück einem verrätherifchen Einverftändniife Mu-
inas mit Borimwoj zu, oder benüßte wenigftens den Schein, den die
Sadje bot und berichtete dies insgeheim an Swatopluf. Durd einen
inderen Boten bewog er Boriwoj mit Yift zum Rückzuge. Dieſe Nach—
richt entflammte den Zorn Swatoplufs aufs Höchſte. Zähnefnir-
hend ſchwur er, niht Mutina allein, fondern das ganze Gefchlecht
desfelben auszulöfchen wie ein Licht. Kaum konnte er den Tag erwarten,
an dem er feinen Zorn befriedigen könnte, gleichwohl aber zeigte er den
Wrſchowetzen, die er in feinem Heere hatte, heuchelnd eine freundliche
Miene. Er z0g aus Ungarn herauf und traf vor dem Walde bei Yei-
tomifhel Wacek und Mutina. ‘Dreimal wurde an jenem Tage
Mutina von feinen Freunden gewarnt, er möge dem gewiſſen Tode
oder der Blendung entfliehen. Ihm aber fchienen diefe Reden wie Irr—
finn, weil ihn, wie Cosmas meint, fein Schidfal fchon erfafit hatte.
Die ftolze Antwort, die cr ihnen gab, deutet auf fein Schuldbewußtfein.
Den andern Tag fah die Burg Wratiflamw (bei Hohenmaut) das be-
rüchtigte Schaufpiel. Swatopluk berief feine Edlen früh morgens in
den Burgfaal, warf dafelbft mit aller Leidenfchaft des Haſſes dem Ge—
Ichlechte der Wrihomwege und Mutina als ihrem Haupte alle Ver—
brechen, die fie feit Menfchengedenfen begangen haben follten, vor und
winfte, vom Beifall feiner Edlen begleitet, ſchließlich dem Henker, daß er
fein Urteil an den ftolzen Gefchlechte volfziehe. Weber den Tüberrafch-
ten Mutina fiel diefer zuerft her. Wie er den Tod erlitt, gibt und
einen hohen Begriff vom Charakter dieſes berühmten Burggrafen von
Leitmeritz, wenn uns auch ſein Leben über dieſen im Unklaren läßt.
Zwei Streiche nahm er ohne Regung hin und erſt beim dritten wollte
er aufſtehen — da fiel ſein Haupt. — Zur ſelben Stunde, im ſelben
Saale wurden noch zwei feiner Söhne und die Stammverwandten
Uniſtaw und Domafhlamwa gefangen genommen ımd auf Swato-
ſuks Befehl enthauptet, fo wie er überhaupt den Befehl gab, das
nze Gefchlecht ohne Unterfchied des Alters und ohne Verzug zu ver
— 15 —
nichten. Die Vollſtrecker dieſes Urtheils verſprach er reich zu belohnen,
hundertfach aber den, ver Bozey und feinen Sohn tödten würde. Auch
die Güter derſelben ſollten dem Mörder zufallen. Dieſem Preiſe ent—
ſprach wohl die Furcht, die Swatopluk vor der Rache des mächtigen
Bozey empfinden mochte. So zerſtoben die habſüchtigen und neidiſchen
Großen nach allen Richtungen des Windes und führten den Vernich—
tungstampf gegen das unglückliche Geſchlecht. Auch unfere Gegend, in
der gewiß noch viele Verwandte und Anhänger des weitverzweigten Hauſes
febten, mag er nicht unberührt gelaffen haben, wenn uns auch die Quel—
len nichts davon erzählen. Bozey wurde fammt jeinem Sohne Bo-
ruth anf feinem Schloſſe Vubitz überrajfcht und von denen ermordet,
denen er cben gaftfrenmdfichen Willkomm bieten wollte. Won all den
vielen Opfern aber, die an verſchiedenen Orten abgefchläcdhtet wurden,
erregten das größte Mitleid Mutinae zwei Fleine Knäblein, jo Schön
und licbenswürdig, „wie fie der Künſtler nicht in Elfenbein ſchnitzen, der
Dealer nicht an die Wand malen Könnte“. Cosmas ſah es ſelbſt, wic
jie zu Brag erbarmungswürdig auf den Markt geſchleppt und nach der
Peutter rufend vom Henker wie Schlachtvieh mit dem Meſſer abgejtochen
wurden. Selbft die rohe, Ichanluftige Menge zeritob an die Bruſt fich
Ichlagend und vermochte einer Jolchen That nicht zuzujchen. 3 Kinzelne
Glieder des Geſchlechtes entlamen durch die Alucht nach Polen und
Ungarn, für Böhmen aber war das Geſchlecht vertilgt und durch die
Ichauerlichfte That das Wert Boheſaw's des GSranlanıen beendet, denn
num fchte feine alte Familie mehr in Böhmen, die fich gleicher Qürde
rühmen konnte, wie das regierende Haus.
Diefes Ereigniß führte auf unferer Burg cine vollftändige Umwäl
sung der Verhältniſſe herbei. Nicht nur dar das Haupt derfelben gefal—
len und die Burg, vielleicht feit Dahrhimderten der Ziß eined fo be-
rühmten Sefchlechte®, verwaift war: gewiß mußte nun auch jeder trene
Dienſtmann feinen Plag verlaffen. Wir formen deren Namen nicht, jicher
aber gehören dic im Jahre 1115 als Edelente (primates) anf mmferer
Burg genannten: Caslav, Martin und Milgozt,“ nicht zu den
Freunden des unglüctichen Geſchlechtes, ſondern viel wahrfcheinticher in
die Klaſſe derer, denen der Herzog wegen ihrer Feindſchaſt genen die
Geächteten feine Gunſt fchentte.
Ver zunächſt an die Stelle des Mutina kam, iſt nit zu er
en —
) Coemas 229 fi. :) Erben 1115. W.
— 16 —
mitteln, vielleicht war es einer der ebengenannten Edelleute. Der erfte
Burggraf (castellanus, supanus, comes), den uns die Quellen wieder
und zwar erft zum Jahre 1176 nennen, iſt Blah („Blago, Blego,
Plego, Plens“, vielleiht aud) „Wlah“), der als folcher in Urkunden von
1176 — 1187 auftritt.) Ohne diejes ausbrüdliche Prädifat wird ein
Edler desfelben Namens, den wir eben auch für den Zupan halten
müffen, noch im Jahre 1197 angeführt. Ob aud jener Blagus, den
eine Urkunde von c. 11997) mit dem Beinamen Magnus nennt, unfer
Burggraf ſei, ließe fich cher bezweifeln, da wir diefen Beinamen fonjt
veriniffen. Jener Blag, der fchon c. 1102 als Haupt irgend eines
nicht genanriten Gaues (Wyfchehrad ?) in der Geſellſchaft der Wrſcho—
wege Nemoy, Mutina und Bozey genannt wird ?), dürfte der
Bater unferes Grafen geweſen fein, wie auch einer von deſſen Söhnen
wieder denſelben Namen führt. Außer diefem feinem gleichnamigen
Sohne, der urkundlich 1213 vorkömmt *), wird nod ein zweiter Sohn
Namens Buno 1226 genannt. ©) Im Betreff ihres Gejchlechtes willen
wir nur, daß fie verwandt waren mit jenem Hroznata, dem berühinten
Stifter und Abte von Tepel und Chotefchau, der fich ſelbſt (1197)
„von glänzenderem Stamme entproffen“ nennt.) Als fein Sit wird
1169 Triebſch (?Trebussov) erwähnt.”) Ein Wlah befaß in unbe-
ftimter Zeit Dolaneft entweder ganz oder Theile davon;®) Blahs
Sohn Buno aber einen Antheil von Baufhowig. Vielleicht waren
dieß eben ehemalige Privatgüter der Wrſchowetze, in deren Befit
nach ihrem Untergange die neue Grafenfamilie gelangt war. Bon
Hroznata erhielt Bleh in bedingter Weife 1197 Blehov. Für ge:
wöhnlich muß fich diefer Burggraf ebenjo wenig in Leitmeritz auf-
gehalten haben, wie die früheren aus dem Haufe der Wrſchowetze,
vielmehr finden wir ihn als einen bevorzugten, jedenfalls hervorragenden
Edelmann faft immer bei Hofe.) Auch dies beweijt die hervorragende
Bedeutung, deren fi) Xeitmerit vor andern Aupen rühmen fonnte,
indem die Fürſten mit ihrer Verwaltung nur die vornehmften Großen
ihres Hofes auszeichneten. Erft das Jahr 1253 nennt uns wieder einen
ı) Erben reg. index person. ?) Erben 1199. 200. °) Idem 1102.85. 9) Idem
1218. 254. 255. °) Idem 1226. 327. °) Erben 1197. 195. Somit gehört
unfer Blah unter die Ahnen der fpäteren Häufer von Krasom, der von Guten:
fein und Wrtby, welche Iettere Familie erſt 1830 ausſtarb. Siehe Palady,
Böhmen II. 2. 16. ) Wenigſtens nennt die Urkunde bei Erben 1169. 144
einen Blah de Trebusson. *) Erben 1057. 53. Dieß beweifen feine
Unterjchriften, die er al® Zeuge auf die verfchiedenften Urkunden ſetzte.
— 171 —
anderen Edlen, Namens Boruta als Burggrafen von Leitmeriß,
welches Amt 1277 Jarek von Waldenburg befleidete '), ohne daß
une Näheres über ihre Geſchicke bekannt wäre.
3. Ausbreitung der geiflichen Befihungen.
Die Art von Blüthe, deren fich unfere Gegend verhältnißmäßig
fehr frühe zu erfreuen Hatte, zog bald die Blicke eines Standes auf fich,
deſſen geiftige Macht im Lande auch durch materielle Stügen zu fichern
das eifrigfte Beſtreben der damaligen Fürften war. Ueber die Ausrot-
tung bes HeidentHums in unferer Gegend ?) fehlt es an fpeziellen ‘Daten.
Wenn man aud annehmen muß, daß unter dem Cinflujfe der nahen
Burg das Heidenthum in deren Umgebung feine befondere Zuflucht finden
tonnte, fo dürfte doch der Sache gemäß und bei der feindjeligen Gefin-
nung, die gerade die Wrſchowetze in den erjten Seiten gegen das
Chriſtenthum hegten, noch lange Zeit hindurch der Geift des Volkes
fein chriftlicher gewefen fein. Es blieb daher noch durch viele Jahrhun⸗
derte hindurch das vorzüglichfte Beftreben der beitgefinnten Fürſten, durch
Vermehrung der Geiftlichfeit, ihrer Macht und ihres Kinfluffes jenen
Seit im Volke zu verbreiten. Die Mittel mußten, um auf ihre Zeit
zu wirken, äußerlich und in die Augen fallend fein. Die Geiftlichkeit
follte nicht nur dem Volke, fondern auch den Adel gegenüber eine im-
ponierende Stellung einnehmen. Dieſe aber gewährteiitete nach den Be—
griffen der Zeit nur ein bedeutender Beſitz.
Diefen konnte ihr der Xandesfürft bei feinem damaligen Reich⸗
thume an liegenden Gütern leicht gewähren. Die Wahl des Yandes felbft
ftand häufig, ja vielleicht gewöhnlich, der zu beichentenden &eiftlichkeit
felbft zu, und es gibt diefelbe dem praktiſchen Talente nnd dem feinen
Sinne für Naturfchönheit ihrer damaligen Vertreter ein glänzendes ZJeug-
niß. Die Art, wie etwa nach genaueren Angaben Königfal gegründet
und der Fed biefür jo trefflic; gewählt wurde ?), dürfte wol feit je die
Regel bei ſolchen Anfiedelungen geweſen fein.
Kein Wunder, wenn aljo vor Allem das fchöne Efbethal zu geijt-
lichen Stiftungen auserjehen und dadurch das Yand, das unter der Re-
y Yalady Prehled, S. 1. ?) Siehe hierüber Frindé Kirchengeſchichte (Brag 1862).
Deo wird dort der Ausdrud „Stadt Leitmeritz“ der Zeit nach häufig antir
eipirt. °) Tomel, Brag I. 281.
2
— 18 —
gierung der vorhin genannten Behörden blieb, immer kleiner wurde.
Schon im Jahre 993) ſchenkte Boleflaw Il. das Dorf Hrdly ſammt
den nicht zur urfprünglichen Dorfgemeinde gehörigen Anfiedlern, dem
angränzenden Walde, den Sümpfen und dem Fluffe Eger bis an
die Elbe herab, am andern Ufer aber das Dorf Lenzel fammt Allem,
was dazu gehörte, dem erjten der böhmischen Klöfter der Benediktiner
zu Brevnow Da hiemit genau des Gebiet bezeichnet erjcheint, auf
dem jetzt außer Hrdly die Dörfer Drabſchitz (auf der Stelle von
Therefienftadt), Zadufhnit, Potfchapel und Böhm.-Kopiſt
liegen, dieje aber nicht genannt werden, fo iſt mit ziemlicher Sicherheit
zu Schließen, daß die leßtgenannten erft dem Kloſter ihre Anlage verdanfen.
Ein weit bedeutenderer Theil der Yeitmeriger Umgegend wurde
der Herrichaft der Burg entzogen, ale Herzog Spitihbnew I. nad
der gewöhnlichen Annahme um das Jahr 1057 die Eollegiatfirde
des bi. Stephan auf der Yeitmerigker Burg gründete und
das damit verbundene Domherrenjtift mit veichen Ländereien bejchenfte.
Ob diefe Kirche die erjte in unferer Gegend war, kann man bezweifeln,
das Gegentheil aber nicht erweifen, da es fi nicht mit Beſtimmt⸗
heit angeben läßt, ob die „neue Bafilifa”, die Spitihnemw nad) dem
Wortlaute der Urkunde in Leitmerig (der Burg) baute, auf ber
Stelle einer vordem Thon vorhandenen oder ganz von Neuem erbaut
wurde. Ganz wahrſcheinlich aber war die Kirche auf der Burg überhaupt
die erfte in der Gegend, denn dies entfpricht dem Hergange in allen
Zupen des Landes. Daß aber ſchon vor dem Baue der neuen Kirche we⸗
nigſtens eine Kapelle vorhanden war, iſt mehr als wahrſcheinlich.
In der Nähe von Leit meritz erhielt die neue Kirche (reſp. das
Domftift) die Dörfer Kreſchitz, Trebautitz (Tfebessice), Birna
und Prasfowik (fall Ptachichi, Bracici etc. fo zu deuten ift) und
in weiterer Entfernung Repfcd, Alttein, Selz (Sedlee) und SIa-
tina?) fammt ihrer ganzen Bevöfferung. Die Zafada lieferte außer
den Adersleuten und Bienenzüchtern, die ein beftimmtes Daß von Honig
abzufiefern Hatten, für den Bedarf des Stiftes die meiften „Minifterialen”,
das ift unterthänige Handwerker und Handarbeiter verfchiedener Art, „bie
— —— — —
) Falle das Datum richtig. Erben 993. 33. ?) Die ächte (Befätigungs:) Urkunde
von 1218 nennt im Ganzen die Dörfer: Cresici, Pirne, Popono, Zavade, Trehe-
sici, Repcici, Tinez, Lubessonichi, Huchi, Zedlec, Dubech, Ptachichi, Zia-
tina. Uns interefjiren nur die im Texte genaunten. Ueber das Berbältuiß der
echten, zur unedhten Urkunde fiehe rind, Kirchengeſchichte 8. 88. Abgedruckt find
beide daſelbſt S. 408.
— 19 —
allwöchentlich ihre Dienfte zu verrichten Hatten“. ) Daſelbſt wurde der
Kirche ein Glöckner gefchentt, Namens Hoc fammt feinem Grundftüde
und Zwen, ein Weingärtner fammt feinem Grunde, Schuſter, Weiß-
und Schwarzpelzner, Schmiede, Zimmerfente und Zimmerheizer (calle-
factores stubae) ; außer biejen die dafelbjt befindlichen Anfiedler, die von
fremden Gemeinden dahin gezogen waren (hospites). in verfchiedenen
Dörfern zerjtreut erhielt das Stift noch einzelne Unterthanen, bie ent-
weder zur Lieferung von Honig oder zu Handarbeiten verpflichtet waren,
fo in Bofratig die Winzer Dales, Gecen und Dras fammt
Srundftüden, in Schüttenik den Weingärtner Bachuh, in Bozei
den Zimmermann Dad ſammt einem Grundſtücke, in Tfebautik den
Bauer Rozroy und feinen Bruder fammt den Gründen ?), in Trno-
wan den Schmied Eis mit feinem Gute, in Nutſchnitz Malic mit
feinem Ader dafelbjt und dem, den er (als Anfiedler, hospes) zu % u-
tamweg inne hatte, in Kopijt ein Anfiedlerfeld für einen Pflug (hos-
pitalis terra ad aratrum) und einen Bauer, in Piftian den Bauer
Bilut fammt feinem Grunde dafelbjt und einem zweiten, den er in
Sernofet befaß, in Libochowan den Sucher Jurata famnt feinem
Grunde, in Zalezl den Bauer Ostas fammt feinem Ader dafelbft
und dem zu Prosmif, in Tluken ein Pflugmaß Ader für einen
Anfiedler, in Yulamek den Schwarzſchuſter Plativoy, in Trnowan
einen Dienenzüdhter und andere in entfernteren Dörfern, fo wie die Häffte
der Dörfer Koſteletz, Konojed, Trebutihfa und Taubermip.
"on dem Vermögen der Burg felbit jchentte Spitihnew dem Stifte
hundert Stuten mir dem ihmen angewiefenen Plage und ebenfoviel
Schafe, dreißig Kühe, fiebzig Zäune und dreißig Dienftmägde,
zwei Weinberge ſammt den zu ihrer Bebauung nöthigen Winzern und
bei der Burg felbft die Perfonen Aromata und Nerad, die zugleich
Miller und Bäder waren ?). -- Nicht lange daranf (ec. 1088) erlitt
das Gaugebiet eine neue Schmälerung durd Gründung der C ollegiat:
firde von Wyſchehrad). Wratiflam 11. fchentte derfelben in der
nädjten Nähe von Yeitmeriß das fchöne und ergiebige Gut Schüttenig
ſammt den dafelbft befindlichen Weinbergen und Obftgärten zwifchen der
'y „Ministeriales, qui ministeria unaquaque heinlomada exhibeut.“ ?), Entweder
find dieſe nur ale Honiglieferer noch jpeziell erwähnt, oder, was uns warfdhein:
licher, das Dorf Trebenticich iR von dem Trebesicich zu unterfcheiden. Friud
ſetzt beide gleich, Bielleiht il Trebesic — Trebusin, Triebſch? °) Frind fcheint
irrig piscatores flatt „pistores“ gelefen zu haben. Kirchengeſch S. 138.
“) Erben c. 1088. 77.
2*
— 20 —
‚Duelle, die auf dem Berge Welbin (,Lbin“) entſpringt, bis herab zum
Marktwege (dem bereit erwähnten nunmehr unbenügten Hohlwege, der in
der Richtung von Reitmerig nach Podivin noch kenntlich ift) mit ſieben
Winzern, Namens Uiffera, Stra; Martin, Zuaton, Zbil,
Necta, Ceb oder Gug; entfernter dann das Dorf Tenzel mit den
Stiftsdienerinnen Nezvolena, Bozeha fammt zwei Söhnen, den Töd-
tern des Luka fammt drei Söhnen und Teha ſammt ihrem Sohne und
den Untertanen Milgoft, Thoma und Blas; — Malſchin, We—
brug (Wrutice, Gut Enzowan), Kocho witz (bei Gaftdorf) mit einem
Koce, Namens Koch.
Auch durch die angeblich 1144 ), gewiß aber no unter Wladi—
flamw (1140—1174) erfolgte Gründung des Klofters der Prämonjtra-
tenferinnen zu Doran verlor die Burg außer der Herrihaft Doran
ſelbſt (Kohatetz, Qualin, Liboteinig und Mur, Duſchnik,
Choteſchau, Hoſtenitz, Sedletz und Belez?) einen Grund für zwei
Anfiedler in Baufhomwig, das Dorf Zalezetl?), das Wladiſſaw mit
Vorbehalt des dafelbit betriebenen Lachsfanges dem genannten Stifte
ſchenkte. König Ott okar beftätigte fpäter diefe Schenkungen und ver-
mehrte fie dadurch, daß er dem Kloſter auch den Lachsfang in Zaleft
und allen anderen Gewäſſern des Dominiums überließ, das vom Prager
Biſchofe Daniel gefchenkte Dztlow aber gegen einige andere Befigungen
umtaufchte, unter welchen auch ein Hof in Leitmerig an das Kloſter
fam. In weiterer Entfernung waren ſchon viel früher, in nicht genau
zu beftimmender Zeit, Trebnig, Chodolig, Hlupohlan, Welemin
Bodlofhin, Poſtitz (Boztesici), Polep, Schirſchowitz (Scirevice)
Wranffo (?), Qualen (? Hwalovicih) und Bore& der fürftlichen Kammer
durch Schenfung an das Benedictinerftift St. Georg entfrembdet
worden ?); bei der Burg Leitmeritz felbjt aber beſaß das Klofter vier
Anfiedler (hospites).
1169 ſchenkte Wladiflaw dem Orden der Johanniter (Mal-
thefer) außer Boreslau und entfernteren Orten aud) Lewin bei
Auſcha.“)
Am Ende des XII. Jahrhunderts finden wir einen bedeutenden
Gütercomplex in unſerer Gegend im Privatbeſitze des ſchon genannten
Hroznata, des nahen Anverwandten des Burggrafen Blah, melde
Güter möglicherweife ehedem Befik der Wrihomere geweſen fein
n Tu Mile: Das rubmiwürbige Doran. ) Erben 1226. 325. 9 Confirmatio
& Grben 1228. 886. 9 Erben 1169. 148.
fönnen. Schon vor 1188 Hatte der fromme und reihe Edelmann dem
eben genannten Orden der Malthefer außer den entfernteren Dörfern
Schwaden (Suadon), Kojetig, Priefen, Pohofi, Taſchov, Pro—
bofht und Zaleſel (ein zweites) auch Ploſchkowitz bei Leitmerik
geichentt. *) Im Jahre 1197 fchenkte der fromme Dann dem Prämon-
ftratenferlofter zu Tephl, feiner eigenen Stiftung, außer nicht
näher bezeichneten Gründen bei der Burg Leitmeritz felbft die Dorf-
haft Klapai (Clepi) und auf der anderen Seite der Elbe Pifchko-
wit und Sobenit (Biscovice et Ovenche) nebft vielen anderen ent-
(egeneren. 2) Zu diefen Gütern kam noch auf nicht näher befannte Weife
Rezel, Aujezd (Ujesdce) und Pirna ſammt den Weinbergen. Letztere
Güter wurden 1233 fammt Pitſchkowitz und dem Hofe bei Leit—
merig an die Ritter vom deutſchen Haufe taufchweije über:
laſſen. ?)
Kopift war, wahrfcheinlich durch fürftliche Schenktung oder Be—
lohnung, in den Befi eines getauften Zuden, Namens Stephan ge-
fommen, der dem Könige Ottokar treue Diente geleiftet hatte. Stephan
wollte e& wieder zu feiner Seelenrettung an das Klofter Opatowik
ſchenken, Ottolar aber taufchte e8 gegen Dolany (Dolanten?) ein,
das er dem genannten Kloſter 1228 übergab. *)
Die Biſchöfe von Prag müffen fchon in ſehr früher Zeit, viel:
leicht jeit der Gründung des Bisthums felbft, in den Beſitz einzelner
Güter in unferer Gegend gekommen fein. Bis zum Jahre 1335 befaßen
fie das Patronatsredht über die wahrfcheinlich durch ihrer einen auf fei-
nem Gute gegründete Kirche zu St. Adalbert in der Zaſada und
(nebft Smolnic und Zbudow) die Dörfer „Hlinna, Babina und
Biezi.” Erſt in dem genannten Jahre kamen diefe Güter fammt dem
Batronate von St. Adalbert taufchweife an die Auguftinerdorher-
ren in Raudnig.?)
Wenn wir zu biefen urkundlich nadıgewiefenen Schenkungen noch
den Privatbefig reicher Herren (wie Hroznata) und nur noch wenige
Entfremdungen des fürjtlihen Gutes hinzudenken, bie in urkundlich
nicht verzeichneten Belehnungen der Beamten, wie fie (unter dem Namen
vysluha) ſehr übli waren, und einzelne Erwerbungen auf minder ge
9 Erben 1188. 181. ?) Erben 1219. 284 und 1197. 195. ?) Erben 1283. 376.
*) Erben 1228. 337. Obgleich die unklare Stelle auch fo gefaßt werden kann,
daß Stephan Kopift zu einem Zaufche für Dolany anbot. Erben verficht fie fo.
*) Temel, Prag I. 409.
2
_ 22 —
ſetzlichem, aber beswegeu nie Teuer Dessen Ex Seen Sogeteer
Großen ihren Grant baren, ir miter mr ze rm Scan Smermmre,
Daß Das cu 19 rede Hcthfe Eermiger or irgender Scawer, ker
In ber Kühe ber Same Yeiımwerig Win mer we m
Beginue det 15. Asichunberns ter helinnegs bedementeret Ger che
im vollfiändiger Berge mt Au ur 'meı zum Ir Termeinmg
des Burggıaien
Dis an Die Abbange Des Puroköägris zur bis m mie Para öeſbũ
hinein zogen fi bir Deigumgen ber orrfilken Ererricbatize Geraie dic
Hicberungen um Seitmerig aber waren bie bebaricuta, betibenölterıze und
ergiebigiten Gegenden im dem ganzen Gau Eat m Aarıre zurkd-
blieb, waren Die höher gelegenen Gebergsgegenden, deren Seld im der
bamaligen Zen einen jo geringen Berth repräleniere. Les directe Ein⸗
fomımcn des ürften murte ſemit in umierem ®ar cin tchr geringes
geworben jcin, und im bemielben Grade ſant nozürfi aech die cimit ſo
bedeutende Machtftellung eines Burggrafen von Yeitmerig.
Aber auch jene Unelle, die in trüberer Zeit aus den indirekten
Angaben, als Mant⸗, Zoll-, Martı-, Gerichte, Put: und auterea Gel⸗
derm entiprang und den Füriten beionder® an& den Gauburgen bedeuren-
dere Summen zuführte, verfiegte zum Zheile ans denſeſben Anlälten.
Auch au Dielen Einnahmen nämlich erhielten die geittlihen Stifte durch
fürftliche Freigebigleit bedeutende Anıheile. Derjenige Zehent ı uriprünglich
der zehnte Theil aller Feldirüchte, den der Biihot von Böhmen in
allen Provinzen feines Sprengels einzufordern ſeit der Gründung des
Bistums ein Recht hatte, fam in umterer Provinz bereits 993 an das
Hofter Brevnov, dem der HE Adalbert als Biſchof denielben nebft
dem der Provinzen von Bilin und Tetſchen für alle Zeiten geichenft
hatte !,. Zwar beftritt ſpäter Biſchof Johann II. (1227— 1236) diefes
Recht des Klofters und ſetzte fih in Befitz des Zehents, murde aber in
dem deshalb entitandenen Prozeſſe dur) vom apoit. Stuhle delegirte
Richter zur Herausgabe aller unrechtmäßig an ſich gezogenen Einkünfte
an das Klofter verurtheilt, in deilen Deiige von nım an (1232) der
Zehent der Provinz Yeitmerig blieb. °ı Dasſelbe Kloſter erhielt eben-
falle ſchon bei feiner Gründung durd Herzog Bolcjlamll. das Red,
den Zoll bei der Burg Yeitmerik jede zehnte Woche zu eigenen Händen
’, Exhen 993. 35. ) Erben 1232, 372.
— 3 —
einnehmen zu dürfen, desgleichen dafelbft die Einkünfte, die aus den
Marktgebühren eine® jeden zehnten Marktes erfloffen und den zehnten
Theil von allen Gerichtseinfünften. ) Auch das Domftift in der Burg
befam bei feiner Gründung einen bedeutenden Antheil an den Zoff.
gebühren, die die Schiffe, welche vorzüglich Salz aus Meißen elbe-
aufwärts zu führen pflegten, von diefem und jeder anderen Waare bei
der Burg zu erlegen Hatten. Ein jeder Cinheimifche mußte von den
allgemeinen Zollgebühren an das Domftift für ein Heines Schiff 15
Denare, für ein großes aber zwei Maße der geführten Waare abliefern,
die Salz für den Landesfürften führten, die Hälfte. Fremde Kaufleute
aber mußten (jedenfalls außer dem Tandesfürftlichen Zolle) für ein großes
Schiff zwei, für ein mittleres ein großes Maß der geladenen Waare,
für ein Heines aber fo viel Denare bein Domftifte abliefern, als es
Maße geladen hielt. Don diefem Einkommen erhielten die Canonici ein,
der Probft zwei Drittel.) Das Mlofter zu St. Georg auf dem
prager Scloffe bezog die Kinkünfte des neunten Marktes und einen
Zollantheil in Leitmeritz. Selbſt von dem baar einlaufenden jährlichen
Zribute (der Friedensſteuer, mir), den die Unterthanen auf die königliche
Burg liefern mußten, ſchenkte Sobeflaus die je zehnte Mark den
Kanonifern des Stiftes Wyſchehrad. (1130) ?)
Der Geift, in dem die Vorfahren diefe reichen Stiftungen gemacht
hatten, befeelte einerjeit® nicht immer ihre Nachfolger, und dic Be:
fchentten ftrebten amdererjeit8 nad) immer größerer Erweiterung ihrer
Rechte. In Bezug auf die Gerichtsbarkeit und die allgemeinen Yandes:
lajten war den (Seiftlihen vor dem Jahre 1222 keine befondere
Stellung gemwährleiftet. Wohl aber mochten fie von den frommen Stif:
tern auch hierin mit einer gewilfen Bevorzugung behandelt worden
fein, deren Umgehung ihnen nad fo langer Gewohnheit als eine Ver
fegung ihrer Rechte erſchien. So entſpann fi) in der Regierungs-
seit Premyſl Ottofar’s I der bekannte Streit um die Kirchen:
immunitäten ®), in welchen die Geiftlichfeit dur die Unterſtützung
des Tapftes gegen die weltliche Gewalt den Sieg erhielt. Die Errun-
genichaften der Kiöfter und Stifte wurden ihnen durch die fönig-
lihe Urkunde vom 10. März 1222 geſichert.) Demnach wurde aud
ı) Erben 993. 33. ?) Erben 1057. 51. Frind I. Anhang S. 107. Das fogen.
ſpytihnev ſche Iuftruitent enthält noch eine bedeutende Erweiterung diefer Schen:
fangen, ifi aber anerlaunt gefälſcht. *) Erben 1130.94. ') Siehe Balady Il. 1.
81. fi. 9) Erben 1222. 302.
— 24 —
die Gerichtsbarkeit über alle Unterthanen geiftlicher Herrſchaften den
gewöhnlichen Gaugerichten entzogen und dem Könige (in deilen Vertre-
tung dem Oberfthofrichter oder dem Kanzler) felbft vorbehalten mit Aus⸗
nahme des Falles einer Blutſchuld. Die Art der Benütung ihrer eige-
nen Wälder foll den Geiftlichen ganz frei ftehen. Unterthanen, die von
einer geiftlichen Herrichaft fliehen, follen weder von königlichen Wirth:
Schaftsbeamten, noch von anderen Laien aufgenommen werden. Geiftliche
Herrichaften follen nicht mehr zur Lieferung von BVictualienfuhren ange»
halten werden, wenn der König in den Krieg oder zum Landtage reifet,
wie dies feit kurzer Zeit Unfitte gewefen ſei. Ebenſo wenig follen ſich
fernerhin Herren und Ritter in Klöftern gegen deren Willen einquar-
tieren. Der Marfchall ſoll ihre Unterthanen, die fi als Verfäufer auf
dem Markte einfinden, mit nichts anderem beläjtigen, als daß er von
denen, die Brod, Erbjen, Mehl und Satz verlaufen, einmal in ber
Woche, nämlich jeden Samſtag je Einen Denar abfordere. Zum Holz-
ichlagen aber (quod preseca dicitur), zum Baue der Landesburgen und
zum Graben der Wallgraben jollen auch ferner noch geiftliche Unterthanen
verwendet werden dürfen. Was die Geiftlichen aber überhaupt durd)
Brivilegien nachweiſen könnten, foll ohne andere Zeugenfchaft feine Gel-
tung haben. Neben einigen Erleichterungen bein Gerichtsverfahren wur:
den noch die hohen Zölle verboten, die Weiftlihe an der Landesgränze
zu entrichten gezwungen wurden. An die Geſammtbürgſchaft wurde dahin
erleichtert, daB dasjenige Dorf einer geiftlihen Herrihaft, in dem ein
Mord begangen und der Mörder nicht ermittelt wurde, im Ganzen
200 Denare zu zahlen hatte, während fonft jeder einzelne Bauer foviel
zahlen mußte.
Obgleich auch einige andere Mißſtände noch behoben wurden, fo
war doch diefe Immunität immer noch ſehr karg gegenüber derjenigen,
welche der Prager Biſchof für fih und feine Unterthanen erlangt
hatte. !) Deßhalb hörte das einmal begonnene Streben nad) größeren Frei:
heiten von Seite der Geistlichen damit nicht auf, und Schritt für Schritt
wurde endlich erreicht, was auf einmal nicht gelungen war. So wurde
das Klofter Bkevnov no in demjelben Jahre 1222 auf Bitten feines
Abtes Dluhomil mit der Gerichtsbarkeit über feine Unterthanen be-
ſchenkt, wie fie außer dem WBifchofe von Prag auch dus wyſchehra—
der Domcapitel erhalten hatte. ur wo es fih um das Yeben
handelte, mußte die Sache vor das voſcericht kommen. Aber auch dann
») Erben 1291. 800.
— 25 —
fielen die Bußgelder dem geiſtlichen Herrn und nicht den Beamten
zu. Außerdem wurden die Unterthanen von Bkevnov befreit von den
Roboten beim Bau der Burgen, beim Anlegen der Gräben und Teiche,
vom Tragen der Nege bei fürftlichen Iagden, vom Berköftigen der Hunde-
wächter, vom Weggelde beim Ausführen des Holzes und von anderen
Laften, fo wie von den Zöllen auf den Flüffen und Straßen im gan-
zen Lande. ')
Achnlihe Vorrechte ließ ſich 1227 Agnes, die Aebtiffin von St.
Georg auf dem Prager Schloffe, dur ihren Bruder Ottokar beftä-
tigen. Auch ihre ſämmtlichen Unterthanen (die in der Leitineriger Provinz
natürlich inbegriffen) wurden befreit von den Landeszinfungen, Tributen
und Roboten, fo wie von der Gemeinbürgfchaft und anderen ähnlichen
Laften. ?)
Desgleihen wurde das Domftift auf Leitmeritz fammt feinen
Untertbanen 1241 fpeciell von jenen Zahlungen befreit, die bis dahin
von jeder Fuhre Holz, die aus dem Walde geholt wurde, an den kön.
Fägermeifter unter dem Namen Cycztne (cestne) abgeliefert werden
mußten. ?)
Aehnliche Befreiungen wie Brevnov erhielt auch das Klojter
Doran im Jahre 1249 durd König Wenzel. *)
4. Einführung des deutlichen Städtewelens in Böhmen.
Durch diefe Befreiungen gieng aud) der Neft des königlichen Ein:
fommens noch zum großen Theile verloren. Gerade zur Zeit Premyft
Ottokars 1°) aber jtiegen die Bedürfniſſe des fürftlihen Hofes, da
Böhmen anfing, aus feiner dunkeln Stellung herauszutreten, da bie
patriarchaliſche Bedürfnißlofigkeit vor dem Ganze der neuen erblichen
Königekrone zu jchwinden begann und Böhmens König darnach ftrebte,
durch thätige Einmiſchung in die VBerhältniffe des deutfchen Reiches eine
pofitifch bedeutendere Stellung einzunehmen.
Wenn fi) ihm gerade hiedurch die Ueberzeugung aufbringen mußte,
daß die Zuftände Böhmens ein Emporblühen feiner Macht unmög-
lich ericheinen fallen, wenn auf der alten Bahn fortgefchritten würde,
" Tomet Prag I. 180. ?) Erben 1227. 335. °) Idem 1241. 499. *) Idem
1249. 57. °) Herzog feit Tec. 1197; zum Könige gelrönt 15. Aug. 1198, +15.
Dee. 1280.
— 26 —
ſo zeigte ihm dieſelbe Berührung, in die er zu Deutſchland trat, ein
ganz neues, in Böhmen unbekanntes, lebensfriſches Element. Daſelbſt
blühte bereits der Bürgerſtand, der in der Mitte zwiſchen Adel und
Bauer für den Reichthum des Landes eine bedeutendere geiſtige und phy⸗
ſiſche Arbeitskraft in Verwendung ſetzt, als der erſtere, und durch größere
Freiheit und Betriebsmittel gefördert feinen Kräften mannigfaltigere Ziele
jegen Tann, als der legtere. Kein Staat kann ohne diefen vermitteln-
den Stand zu höherer Cultur gelangen. Nur in der Kindheit focialer
Berhältniffe und auf der niederften Stufe ftaatlicher Kultur genügen die
unvermittelten Gegenfäte. Auch in Böhmen wäre das Volk im Laufe
der Jahrhunderte ohne die vorauseilende Einficht weifer Fürjten zu diefer
Erfenntniß gelangt, aber nie wäre die gerechte Forderung befriedigt wor:
den ohme die Hilfe oder gegen den Willen der letteren. Es war daher
eine That, die das böhmifche Volk feinen weifelten Fürften nie genug
danken Tann, daß diefe die Errimgenfchaft einer Sahrhunderte langen müh-
ſamen Culturentwicklung als reife Frucht in ihr Haus eintrugen. Ohne
die Einführung deutfchen Bürgerthums in Böhmen hätte diefes Land
wohl noch Jahrhunderte für eine eigenthümliche Entwidlung und Heran-
bildung desfelben in Anfpruh nehmen müffen. Wenn wir auch in den
damaligen Anfiedlungen in der Gauburg und um diejelbe den Reim eines
Stadtwefens fehen wollen — welcher directe Gegenfaß zu beinfelben lag
andrerjeit8 eben in diefem Verhältniſſe! Diefes hatte nichts Wefentliches
mit dem Bürgerthume gemein, als das Zuſammenwohnen in der Nähe eines
Marktes. Die Gebundenheit der „Miniſterialen“ zu perſönlichen Dienften
fonnte Handel und Gewerbe, auf denen das Bürgerthum beruht, nicht
aufkommen laffen. Diefe ftörende Gebundenheit konnte aber damals nicht
gelöft werden, wenn die nothiwendige Gauverwaltung und Geridhtspflege
fortbeftehen folltee Aus den nad den angeführten Schenfungen nod)
übrigen königlichen Unterthanen aber einen Bürgerftand heranzubifden,
wäre eine des Erfolges fehr ungewilfe, mühevolle Arbeit vieler Men—
Schenalter gewefen, in die fi ſchon deßhalb fein Fürft mit Bertrauen
einlaſſen konnte, weil ihm nichts eine Garantie bot für ein nothwendiges
gleich ſyſtematiſches Vorgehen feiner Nachfolger, abgejehen davon, daR
eine Frucht, deren Reife man vorausfichtlich nicht erleben kann, weniger
Yodendes Hat. Auch war, wie aus dem Borangegangenen hervorgeht,
der Zeitpunkt längſt gekommen, in dem eine ſchnelle Hilfe Noth that.
Daher entſchloß fih König Pkemyſl Ottokar I das fertige
tfche Bürgerthum, wie es fi in Deutſchland gebildet unb be>
— 1 —
reits bewährt hatte, in feinen eigenen Vertretern felbft nah Böh—
men zu berufen und durch dieſes frifche Clement fein Land aufs
Neue zu befeben und den natürlichen Samen feines Wohlftandes zu be-
fruchten. ‘Der beſte Beweis, daß die auf die Durdführung diefes Planes
gejegten Hoffnungen aufs trefflichfte erfüllt wurden, ift die ſyſtematiſche
Confequenz, mit der alle folgenden Fürften, in die der Ceche ſeinen
Stolz ſetzt, ohne Ausnahme auf der von Premyſl eingeſchlagenen Bahn
vorwärts ſchritten. Gegen einen Bremyft L, Wenzel L, Premyſl
Ottokar IL, Wenzel IL, Johann und Kart IV. könnte man
höcdftens einen Wenzel IV. in feinen fpäteren Regierungsjahren ein-
wenden. Mit demjelben Eifer, mit welchem ihre Vorgänger zur Be:
lebung der geiftigen Wohlfahrt des Landes geiftliche Stiftungen gegrün:
det, an deren Spike ſie anfangs ebenfalls gezwungen waren, Deut-
ſche zu ftellen, mit demjelben Eifer verlegten fich diefe auf die Hebung
der materiellen Macht des Yandes und bewerkftelligten auch dieſe
mit deutfcher Hilfe Wie aber bald auch der einheimifche Adel in
geiftlihen Stellen eine würdige Verforgung fand, jo hob das Städte⸗
wejen, obgleich deſſen Anfang in Böhmen nur beutfh war, nad und
nach auch die niedere einheimijche Bevölkerung durch Gewährung eines
Antheils an feinen Privilegien empor, und was die flavifchen Premi-
ftiden gewiß bezwecten, gelang ſchon den deutſchen Yurembur:
gern wirtlid, — die Heranbildung einer ſlaviſchen Bürgerfchaft, die
ohne das nun fo gehäffig gewordene Deittel noch Jahrhunderte hätte auf
fih warten laſſen.
Zweierlei materiellen Nutzen boten die Städte: erjtens ein direc-
tes, unwandelbares Einkommen der Eöniglichen Kammer und zweitens ein
unberechenbares Einkommen, das das gefammte Yand aus dem durch fie
gepflegten Handel und Gewerbe zog. In erjterer Beziehung trug fein
noch jo ergicbiges Yand im ganzen NKönigreiche einen fo hohen Krtrag,
ald der zu einer Stadt verwendete verhältnigmäßig enge Raum und fein
königliches Gut bot für die Verläßlichkeit und Unverſiegbarkeit der Ein—
nahmsquelle eine jo ſichere Bürgichaft, als die reiche Vürgerfchaft einer
Stadt. An wen konnte fich in Fällen der Noth der König um eine be:
liebige Summe wenden, als an die Städte, wie man Beifpiele hievon
in Tomeks Geſchichte Prags fo häufig finden fanı! Wenn man nun
meint, die Könige hätten eine folfche Bürgerſchaft aus ihren einheimi-
ſchen linterthanen bilden follen, fo wäre hiedurd, abgefehen von der
Unmöglichkeit der Durchführung, der erjte Zweck nicht erreicht worden.
— 28 —
Groß konnte die Anzahl der Unterthanen, über die der König noch un⸗
mittelbar frei zu verfügen hatte, nicht mehr fein, da fie durch die voran—⸗
gegangenen Schenkungen fehr eingefchränkt worden war. Diefe aber boten
demfelben ohnehin alles, was fie bieten konnten; die Deutfchen hinge-
gen, die al8 Bürger in die neuen Städte zogen, kamen keineswegs mit
dem bloßen Wanderftabe in der Hand, fondern fie brachten nebft ihren
Kenntniffen auch ihre Capitalien mit. Etwa arme Landbewohner aus
Deutfchland in die böhmifchen Städte zu führen, wäre ſchon deshalb
zwecklos gewefen, weil e8 ſich ja darum handelte, Leute zu gewinnen,
die die ftädtifchen Nechtsgepflogenheiten und Einrichtungen deutſcher
Stadtgemeinden nah Böhmen zu bringen im Stande waren, und
dies nur wieder Bürger, die bereits in ihrer Vaterſtadt eine beſſere
Stellung eingenommen hatten, fein konnten. Man kann ſich beifpiele-
weife unmöglich einen zugelanfenen Habenichts unter einem Manne
denfen, dem der König die gewiß ſchwierige Aufgabe anvertrauen Konnte,
eine neu begründete Stadt in einem Lande, deſſen Verhältniffe in Nichte
einen Anſchluß boten, politiſch und adminiftrativ zu orbnen, zu verwalten,
zu regieren und eine neue Rechtspflege einzuführen und zu handhaben.
Hiezu gehörte gewiß mehr als eine gewöhnliche Prar und ein oberflädh-
liches Kennen bdeutfcher Stadtverhältniffe — wir müſſen wohl vorans-
fegen, daß ein folder Mann in feiner Vaterftadt auch nicht vom Fechten
gelebt. Von Leitmeritz willen wir beftimmt, daß eben angefiedelte
Bürger Landgüter Laufen konnten.) Die Namen der erften Bürger
finden wir auf Urkunden neben denen des höchften Adels im Gefolge
des Königs. *)
Eben jo wenig fonnte der andere Vortheil, den fi die Könige
von den deutſchen Städten verfpradhen, durch einheimifche Unterthanen
erzielt werden. Wir haben oben alle diejenigen Beichäftigungen genannt,
die ſich in unferer, das ift der bevölfertiten Gegend, in der Nähe bes
Marktes und der Burg nachweiſen laſſen. Alle diefe können höchſtens
als Tandwirthfchaftliche Nebenbefchäftigungen, nicht aber al eigentliche Ge⸗
werbe gelten, die einen Handel hervorzurufen im Stande gewejen wären.
Sollte man nun warten, bis aus diefen geringen Anfängen jene Yertig-
feiten fi) von felbft entwidelten, zu denen es in Deutfchland deutſcher
Gewerbfleiß längft gebracht hatte? Bor dem aber hätte eine ftädtifche
Gemeine feine Xebensfähigfeit gehabt. Es war gewiß weife‘, daß die
) Erben 1248. 562. ?) Idem 1249. 578.
— 9 —
Könige fih um Lehrer und Meifter umfahen, die jenen Entwidlungsgang
um Sahrhunderte befchleunigen konnten.
Ferner war das Gedeihen folcher Gemeinen unzertrenulih an die
eigenthümliche Verfaffung und die Rechtsgewohnheiten derſelben geknüpft,
die fi in Deutichland bewährt hatten, in Böhmen aber durchaus unbekannt
waren. Wenn diefe auch damals bereit8 geringeren Theils ſchriftlich auf:
gezeichnet waren, fo beruhten fie dennoch auf Gewohnheit und waren we-
fentlich Gewohnheitsrecht. Wie hätte man aber unter den Einheimiſchen
Männer von folcher Rechtsfenntnig gefunden, die im Stande geweſen
wären, eine Gemeinde mit lebendigem Nechtsbewußtjein zu bilden, oder
gar Männer, eine folche Gemeinde zu organifiren und zu leiten ? ')
Schließlich konnte diefe großartige volfswirthichaftliche Neuerung um
fo unbedenklicher ins Werk gefettt werden, al8 der nöthige Aufwand
hiezu verhältnigmäßig unbedeutend war. Die Gründung einer Stadt
foftete bei Weitem das nicht, wie die Stiftung eines Domcapitels. Außer
dem Flecke felbit, auf den die Stadt zu ftehen fam, der indeß auch noch
oft dur Kauf erworben werben mußte ?), brauchte ihr der König nichts
zu fcheufen, als ihre innere Freiheit. So befaß die deutſche Stadt
Prag?) außer ihren Mauern gar feinen und LXeitmerig furz nad
feiner Gründung mindeftens feinen bedentenden Grund. Diefe Bürger
übernahmen endlidy auch noch den Schuß ber föniglihen Burgen, in deren
Nähe fie fich anfiedelten, oder ihre Städte bildeten felbjt neue Burgen
des Königthums.
So wurden denn feit dem XI. Jahrhunderte deutſche Bürger
nad Böhmen gerufen und find ebenfo wenig als ungebetene Gäſte
„hergelaufen“, wie jene deutfchen Bifchöfe und Pröbfte, die als die erften
geiftlihen Hirten Böhmens nicht ohne bedeutende Mühfale und Gefahren
die Keime geiftiger Cultur in das Land legten. Auch bei den deutſchen
Bürgern gehörte gewiß ein großer Entfchluß dazu, wenn aud auf Auf-
forderung eines Königs in ein damals mindeitens übel berufenes Yand
unter veute von fremder Sitte und Sprade mit Hab und Gut zu über-
fiedeln; — die einzige Gewähr für den günftigen Erfolg ihres Unter-
nehmens konnten fie nur in dem befonderen Schuge finden, in den fie
der König aufnahm.
s) Wie ſchwer if es nicht in unſerem gebildeten Zeitalter mancher Gemeinde, von
ihrer wiedererlangten Autonomie einen weiſen Gebrauch zu machen, weil eben
jenes Berſtändniß derfelben verloren gegangen war, das den deutſchen Bürger im
Mittelalter fo fehr auszeichnete. ?) Balady, Böhmen II. 1. 154. 9 Tomel,
Yeag L 819.
5. Die Gründung der Stadt Leitmerik.
Bon diefen deutſchen Städten Böhmens wenigjtens eine der eriten,
wenn nicht die erfte, war Leit meritz. ) Das Jahr ihrer Gründung
felbft ift nach den auf uns gefommenen Urkunden nicht mehr mit voll-
fommener Sicherheit fejtzuftellen. Auch mag die Unternehmung felbft
fih Kaum in die Schranken eines beftimmten Jahres faffen Laffen, die
Beendigung des Werkes aber durch die Krönung desfelben durch die
ſchriftlich gewährleifteten Treiheiten und Privilegien der Bürger dürfte
nad) aller Wahrfcheinlichkeit in den Anfang der Regierung König Wenzels J.
oder fchon in die Zeit feiner Deitregentfchaft, aljo um das Jahr 1228—
1230 fallen. |
Wenzel I. wird nämlich in der Beftätigungsurfunde Johanns
von 1325 ?) als ber erfte in der Reihe der Könige genannt, deren Ur:
funden dem Könige Johann vorlagen. Dies beweift wohl, daß König
Premyſl der Stadt noch Feine Urkunde ausgeftellt hatte, da diefe oder
mindeftens deren Andenken bis zum Jahre 1325 ſchwerlich ſchon verloren
gegangen wäre, obgleich dies nicht ausſchließt, daß ſich auch fchon lekterer
mit der Gründung felbft befaßte. Dies glauben wir vielmehr aus der
Thatſache fchließen zu Fönnen, daß König Premyft Ottofar I. im
Vereine mit feinem bereit8 zum Könige gefrönten Sohne Wenzel I. im
Jahre 1228 bekennt ?), er habe der Kirche zu Tepl fowol in dem Orte
(villa) Leitmeritz als in der Nähe desfelben mehrere Güter ent-
zogen, für die er nun jener auf Ermahnen des Erzbifhofs Sifrid
von Mainz und der Bifchöfe von Prag und Olmütz das Gut
Cramolin übergibt. Da in keiner der Urkunden, die ans jener Zeit
auf uns gekommen find, eine weitere Verfügung über diefe entzogenen
Güter erwähnt wird, fo fcheint uns der Schluß ganz berechtigt, daß deren
Einziehung eben zum Zwecke der zu errichtenden Stadt gefchehen fei, für
welche hiedurch ein geeignetes Terrain erjt arrondirt werden follte, da
der König nach fo vielen Verſchenkungen bei feiner Burg felbjt nicht
einmal mehr eine genügende, zufammenhängende Yandftrede befaß, um auf
ihr eine Stadt anzulegen. Daß an einen gewöhnlichen gegenfeitigen
Zaufch nicht zu denken fei, beweift der Umſtand, daß die Entſchädigung
” Rafady Böhmen IL 1. 98. ?) Leitmeriger Stadtarchiv Nr. 3. °) Erben
838.
— 31 —
des Klofters Tepl erft auf ausbrüdfich erwähnte Vermittelung und
Fürſprache ber genannten Kirchenfürften erfolgte. Wie lange jene Ein-
ziehung vor der Entichädigung gejchehen war, fagt die Urfunde nicht: da
aber in berjelben einer „Stadt“ noch feine Erwähnung gefchieht, fondern
nur noch der „villa“ Leit mer itz, fo dürften bis 1228 durch dieſe
Einziehung auh nur die Vorbereitungen zur Anlegung der Stadt
getroffen worden fein, während wir ihre Erbauung erft in dic nachfol⸗
genden Jahre ſetzen können.
Zwei Jahre ſpäter ſtarb BPremyfl Ottofar Il. (1230, 15. Dez.),
ohne daß wir wüßten, ob er noch die Vollendung ſeines Planes er—
lebte. Jedenfalls übernahm fein Sohn Wenzel 1. denſelben als heiliges
Vermächtuiß und gewiß iſt, daß dieſer König unſerer Stadt bereits die
erſten Freiheiten urkundlich zuſichere. Wann dies der Fall war, iſt
nicht mit Beſtimmtheit zu behaupten; doch muß es nicht gerade erſt
nach dem Tode Ottokars geſchehen ſein, denn es iſt bekannt, daß
Wenzel J. ſeit ſeiner Krönung zum Könige (6. Feber 1228) an der Re—
gierung Theil nahm und daß ſeit der Zeit manche Urkunden von beiden
Königen, andere aber nur von einem oder dem anderen, ausgeſtellt wur-
den '). Diefe Urfunde ſelbſt iſt zwar längft verloren , gegangen, ihr
Inhalt aber hat ſich in der Beltätigung König Johanns erhalten. ?)
Hienach erhielt die Heine Gemeinde dem wefentlichen nad) die
Sremtion von allen bisher in Böhmen bejtehenden Gerichten und
folglich auch von allen politifchen Aemtern, da diefe von den Gerichten
noch nicht getrennt waren, jo wie die befondere Befugniß, fi in Allem
an die Rechtsgebräuche, Freiheiten und Gewohnheiten des magdebur-
ger Stabdbtrehtes zu halten, zugleih mit der Beſtimmung, daß
Yeitmeriß hinfür der Vorort alfer deutichen Städte Böhmens, die das
gleihe Recht gebrauchen würden, ſein follte, an deſſen Nichterftuhl
ale eine zweite Inſtanz fi alle die übrigen in jtrittigen Fällen zu
wenden hätten. Mit der Stadt zugleich entftand alfo der fpäter fo be-
rühmt gewordene Schöppenftuhl von Yeitmerik. As Nahrungs
quelle wurde den Bürgern der Sade gemäß der Handel und das
Gewerbe angewiefen und diefe beiden, wie das im Mittelalter zeitgemäß
war, durch Ausschluß der Goncurrenz gefichert. Der Handel murde
dadurh an bie neue Stadt gefettet, daß Leder, der was immer
für eine Waare zu verkaufen gefonnen war und fie zu Schiff auf der
—— — — — — —
3 Palachj Böhmen II. 1. 91. ?) Auch dieſe nur durch eine Vidimirung ber Alt:
lebt Vrag von 1636. Ieit. St. A. Ar. 3.
4 mm m mie Die ——— — — —— —— GE mn — ——
— 32 —
Elbe verfrachtete, dieſelbe nirgends zum Verkaufe ausbieten durfte, bevor
re fie nicht in Leitmeritz abgeladen und feilgeboten hatte. Erſt was
jo die Bürger nicht Tauften, um es im Zwiſchenhandel weiter zu be-
fördern, wurde ein Gegenftand des freien Handels. Desgleichen durfte
Niemand mit irgend einer Waare Handel treiben, die er nicht auf dem
Leitmeriger Stapelplage geladen zu haben nachweilen Eonnte. Die Haupt-
artikel diefes Handels waren Salz, das aus Meißen ein- und Ges
treide, das aus Böhmen ausgeführt wurde. Die Bürger von Leit—
merig aber wurden biedurd die ausfchlieglichen Handelsleute in diejen
Artikeln, infofern der Handel auf ber Elbe betrieben wurde. Man
nannte diefes Recht die „oneratio et exone ratio navium,“ beutfch
„Die Niederlage” oder obgleich nicht in gleichzeitigen Urkunden das
„Stapelrecht.“ Den Auslade- und Marftplag bildete der alte Markt
am Hafen, welcher (nah Srtansty) feiner Lage am weibenbepflanzten
Elbufer gemäß mit dem bereits vordem üblichen flavifchen Namen
„Nakel“ bezeichnet wurde. (Im der Gegend, wo jest das Magazin Nr.
381 fteht.) Als Sinnbild diefes Rechtes der Niederlage galt feit je ber
deutfhe Roland, deffen Kenntniß die erjten Bürger aus ihrer Heimat
mitgebracht haben mülfen. ")
Das Gewerbe wurde durh das fog. Meilenrecht gefchütt, nad)
welhem im Umfreife einer Meile um die Stadt weder ein Schanfhaus
beitehen, noch ein Mälzer, Fleifchhauer, Bäder, Gewandſchneider, Schuiter,
Schneider, Schmied, oder fonftiger Handwerker fein Gewerbe treiben
durfte. Bei Verlegung diefer Privilegien waren bie Bürger befugt, ſich
durch Beſchlagnahme der Waare, Entfernung der Perfon oder auf andere
Weile, wie ihnen gut dünken würde, ſelbſt Necht zu verichaffen.
Der Fleck, auf welchem die erjte Anfiedlung diefer Bürger ftatt-
fand, ift uns freilih ausdrüdtich in Feiner Urkunde genannt, ebenſo
wenig das Gebiet, das die eriten Bürger im Einzelnen oder die ©e-
meinde tim Alfgemeinen durch Schenfung oder Kauf erwarben, bod läßt
fi) beides aus fpäteren urfundlichen Andeutungen theilweife ermitteln.
Zum Anfiedlungsplage wurbe denfelben jedenfalls ber nordöſtlich
von der Burg gelegene Hügel angewiefen, der am Ufer des Pofratig-
baches und in. einiger Entfernung von der Elbe fteil emporjteigt, nad)
) Stransky resp. bei Goldaft: II. 446. Damit foll aber nicht behauptet fein, daß
ber heute noch am nördlichen Ratbhansede wachende Roland ber urſprüngliche
fei, obgleich er mit Ausnahme des neueren Schildes älter ift, als fein Fußgeſtell
und minbeftens jo alt, al® bie füdliche, gothifche Hälfte bes Natbhaufes.
— 33 —
Norden und Oſten in eine kleine, äußerſt fruchtbare Ebene übergeht.
Dieſer Hügel war damals noch zum Theile mit Wald bedeckt, zum
Theile aber wahrſcheinlich ſchon urbar gemacht und nicht mehr ganz un⸗
bewohnt. Sm fo fern die daſelbſt gelegenen Güter nicht mehr unmittel-
bar fürftlihes Eigenthum waren, zog fie, wie wir eben gejehen, der
König wieder ein. Die dafelbft erbaute Stadt, der nach dem Bedürfniſſe
der Zeit Mauern und Thore nicht fehlen durften, nahm aber nicht gleich
den ganzen Theil des Hügels ein, den die jegigen Stadtmauern umfchließen,
fondern nur jenen Theil, der der Burg zunächjt gegenüber lag, jo daß
1257 die St. Marienkirche an der Stelle des jetigen Seminare")
noch als in der Vorftadt gelegen erwähnt wird.
Wahrjcheinlicy wurde gleich bei der Gründung der Stadt oder nicht
fange darnach an der Nordweftfeite derjelben, wo der Diaugel einer na:
türlihen Schutzwehr cine ftärfere Befeftigung nothwendig machte, vom
Könige felbit jenes burgartige Gebäude angelegt, das fpäter die Burg
in der Stadt oder die Burg fchlechtiweg hieß, nachdem die ältere in
Berfall gerathen war. Die erfte urkundliche Erwähnung diefer Burg in
der Stadt, in welche nunmehr auch die königlichen Beamten überfiebelten,
gefchicht indeß erſt 1359, in welhem Jahre Kart IV. diefe Burg
„unfer Haus zu Yeitmerig” nennt.)
Als zur Stadt gehöriger Grund ift nur der Streifen erweislich,
der zwiſchen den Mauern derjelben und der Elbe lag. Dieſer beftand
theild aus Sumpf, wahrjcheinlich in der Gegend der Mündung des
Pokratitzbaches, theils wurde er als Viehweide benugt.?) Biel:
leicht war der Stadtgrund auf der nördlichen Seite bedeutender. Daß '
auch einzelne in der Nähe befindliche Fönigliche Unterthanen mit ihren
Zinſungen an die Stadt gewiejen wurden, ſcheint aus einer Urkunde von
1320 hervorzugehen. *)
Für den ſämmtlichen Befig von Gründen, Aeckern und Weinbergen
zahlte die Gemeinde (abgejehen etiva von einer allenthalben üblichen Steuer-
freiheit durch cine bejtimmmte Zeit) von allem Anfange ?) in die Fönigliche
Kaminer alljährlih am Feſte des heiligen Martin (11. November)
neun und zwanzig Mark Silber, die Mark zu 56 großen Prager
Pfennigen (Srofchen), alfo beiläufig 609 fl. öſterreichiſcher Währung,
deren Werth indek im jener Zeit befanntlid ein ungleich höherer war,
3) Tomel Brag I. 508. ?) Leitm. S.⸗A. Nr. 8. °) So zu fchließen aus der Ur⸗
Ende des leit. ©t.:W. von 1319. Nr. 2. ') Leit. St.:A. Ar. 4. °) Diefelbe
fegt: innovamus et in pristinum statum revocamus,
3
— - m 75€ HE mm iii N Wa
— 34 —
ab außerdem eine Jahresſteuer von 200 fl. Zur Aufbringung dieſer
Summen mußte ein jeder Einzelne, der im DBefige ftädtifchen rundes
wor, nad) Berhältniß besfelben beifchießen, welche Abgabe unter dem
Namen „Schoß, Geſchoß“, (soz) ') befannt it.
Alle übrigen Steuern, die die Stadt unter den Namen „steura,
collecta, dacio, contribntio“ etc. zu liefern hatte, waren nicht regelmäßig
fortlaufende, fondern wurden nur aus beionderen Antläffen auf diefelbe
Weife wie für das ganze Land ausgefchrieben und eingehoben. Für ben
Anfang dürfte die Stadt von biefen ganz befreit gewefen fein. Eine be-
fondere Gebühr erhielt die königliche Kammer hingegen von den Fleifch-,
Brot und Schufterbänfen.
An der Spige der Stadtverwaltung ftandder Erbridter,
judex hereditarius?®), advocatus. Neben ihn wird 1319 nod)
ein „Proconſul“ genannt, aus weldhem Amte ſich das Bürgermeifteramt
entwidelte. Ihren Beirath bildeten die Geſchworenen, Jurati, deren
Anzahl in jener Periode nicht genannt erfcheint. Der Erbrichter war
jedenfalls, wie anderswo in jpäteren Fällen erweislich, derjenige, der die
ganze Anfiedlung eingeführt und geleitet hatte, und erhielt zum Lohne
biefür mit feinem erblichen Amte die Gerichtseinkünfte.
Der erfte Richter diefer Art, den uns Urkunden nennen, ift jener .
Luthold (Lutholdus), der fih 1249 auf das von Wenzel I. zu
Leitmerig dem Klofter Doxan ausgejtellte PBrivilegium ?) als Zeuge
unterfchrieb, welche Thatſache allein als Beweis dienen kann, in welcher
Stellung berjelbe zum königlichen Hofe jtand, denn außer zwei Pröbjten
und einem Bürger ftehen nur die angefehenften Herren in feiner Ge—
ſellichaft. Ob indeß dieſer Luthold der erfte Richter überhaupt und
der Anführer der ganzen Colonie war, was, wenn wir die Anlegung auf
1230 ſetzen, immerhin ſehr möglich ift, können wir doch nicht behaupten.
Derjenige Litold, der als Advocat bereits auf der Urkunde von 1248 *)
erfcheint, ift jedenfalls diefelbe Perfon. Im Jahre 1253 erfcheint als
Richter Ludolf*) und 1290 Konrad‘). Bon deren Nachfolgern wird
nur Mathias im Jahre 1319 genannt ?)
Anh einige Namen der erften Bürger von Leitmeriß
haben fich in verjchiedenen Urkunden erhalten. Es find natürlich zumeift
nur Perfonennamen,, denn die Familiennamen begannen fih damals
) Erben 1252, 594. ?) keit. St.e⸗A. Nr. 2. °) Erben 1249, 573. 9 Erben
1248. 562. °) Idem 1252, 607. *°) Söfler hiflorifhe Monumente, Ms. citirt
bei Friud Kirchengeſchichte J. 161. ) Leit. ©t.:. Nr. 2.
— 35 —
erft zu bilden. Wo aber eine Berfon durch einen befonderen Beinamen
bezeichnet wurde, dort pflegte man denfelben in andere Sprachen zu über⸗
tragen, jo daß man aus dem Namen allein oft nicht auf die Her⸗
kunft fchließen kann. So erfcheinen im einer cechifchen Weberfegung des '
XVI. Jahrhunderts einer Urkunde von 12481) viele Zeugen, unter denen
ganz beftimmt Yeitmeriger Bürger zu fuchen find. Die Urkunde
enthält nämlich einen Vertrag zwifchen dem Yeitmeriger Bürger Hartwig
und dem Burggrafen von Zittau.‘ Bon beiden Parteien erfcheint nun’
eine Anzahl von Zeugen, aus welchen wir nur die entichieden deutſchen
Namen als die ficher zur Partei Hartwigs gehörigen, das .ift ale ı
Yeitmeriger Bürger betrachten können. Dieſe find außer dem ge⸗
nannten Hartwig und dem Richter YitoLd, Voff (sic, vielleicht Wolf?) ı
Johann der Sohn des Harbert, Herbert (ebenfalls ein Richter, .
Advocat, vielleicht von irgend einem Dorje), Yambert, Beinrid :
mit dem Beinamen „der König“ (llenricus dietus rex, in ber Uiber⸗
fegung Jindfich Kral,, Burfard und Siffrid. Heinrid der:
König mußte zu den angefehenften gehören, denn er erfcheint auch mit ı
Yuthold auf der bereits angeführten Urkunde von 1249 und auf einer.
von 1253°), welche außer ihm noch nennt:. den Richter. Wudolf
genannt von Budin, feinen Bruder Herman, genannt de porta
einen Sohn ded Heinrich König, Namens Johann, Sifrid genannt
von Meißen und Konrad mit dem Beinamen von Piftian (de. Pehsan).
Die Beinamen pflegten die Bürger ebenfo wie der Adel von ihren Be:
jigungen zu führen. Im Jahre 1251 lernen wir die Bürger Henningus
Magnus, feinen Bruder, Dartin und außer dem fchon früher ge-
nannten Herbert noch Antonius kennen?).
Kine in einer Kopie dee leitmer. Archives enthaltene Airkunde des: -
jelben „Jahres nennt die Bürger Henningus Magnus, Anfelm
Hertelin, Konrad von Sandau, Peter von Popisce (sic,
vieleicht Kopist), Martin Herbert, Bruder des Henning, Kon-
rad von Berſchen (sic) und Antonius. 1301 wird ein Konrad
Narufdh und Peter Anfchelin*) genannt.
Viele diefer Bürger erwarben ſich außer ihrem Beſitze in der Stadt
durch Kauf Yandgüter in der Nachbarſchaft. So erwarb jih Hartwig
im Jahre 1245 den emphiteutifchen Belig von XYobojig?), das bie
N Grben 1218. 562. ?) Erben 1288. 607. 9) Copie einer Urkunde von 1251 im
leit. Et. 9. ) Eopie cıner Urkunde von 1301 eberidafeibfl. *) Erben 1248. 562.
3%
— 36 —
dahin Heinrich von Leipa'!), Burggraf von Zittau befeflen Hatte.
Die Brüder Yudolf von Budin und Herman von Porta er-
warben vom Yeitmeriger Domcapitel den St. Stephangberg bei
Gisnov im Jahre 1253). Zur felben Zeit wird Kourad und 1301
Peter Anfchelin als Befiger (vielleicht nur einzelner Theile) von
Piftian genannt?). Der Richter Konrad (wohl der obengenannte)
befaß gegenüber der Stadt eine Dlühle von vier Gängen, die cr jedoch
1290 an den Probft Ulrich von Melnif verkaufte. *)
Es iſt natürlih, daß die neuen Bürger, fobald fie ſich häuslich
niedergelaffen hatten, auch daran dachten, ihre neue Stadt mit einem
Gotteshaufe zu ſchmücken. Die nunmehr abhanden gefommenen Quellen,
welche Schaller vor ſich hatte, geben das Jahr 1235 als dasjenige
an, in weldem die Pfarrkirche zu Allerheiligen vor der Stadt
erbaut worden fei?). Diefes Datum fteht nicht nur in feinem Wider-
ſpruche mit unferer Angabe der Gründungszeit der Stadt, fondern
befräftigt diefe noch, denn die Bürger Fonnten augenfcheinlich den Bau
einer Kirche nicht eher beginnen, als den ihrer eigenen Wohnungen, und
für das religiöfe Bedürfniß Eonnte in der Zwiſchenzeit die vorhandene
Domkirche wohl aushelfen. Bon jenem urfprünglichen Baue fteht, der
Bauart nach zu fchließen, noch heute der Thurm an unferer Stadtkirche.
So brachten die deutfchen Bürger aud) die gothiiche Bauart in unfere
Gegend, in der bis dahin ausfchlicklih noch die romanifche herr-
ſchend war, wie die bei Frind abgebildete bis ins XVH. Jahrhundert
beftandene Domkirche zeigt. Gründerin der Kirche war die Stadt felbft,
die ihr eine Anzahl von Grundſtücken und Zinfen auf ihrem Gebiete ale
Dotation anwies ©. Somit blieb auch dag Patronatsrecht fortan
bei der Gemeinde. Die Bürger felbft thaten fich auch fpäter noch in
einem feltenen Wetteifer durch Schenkungen an diefelbe hervor, jo wie
im Ranfe der Zeit außer diefer Hauptkirche noch viele andere in und bei
der Stadt entjtanden, deren Gründungsjahr im Einzelnen nicht immer
nachweisbar ift.
Auch die Gründung zweier Klöjter fällt der allgemeinen Angabe
nach in die erite Zeit des Beſtehens der Stadt, wenngleih das Jahr
) ©. Peſchek, Geſchichte von Zittau 1. 336 ff. ?) Erben 1253. 607. ?) Gapie
im leit. St.:4. Frind Kirdyengefchichte I 152. *) Alle andere Angaben,
deren wir eine ziemliche Anzahl haben, verdienen als offenbar anachroniftifch, weil
viel zu hoch gegrifien, gar feine Beachtung. *) Dieß geht hervor ans der Urs
funde des leit. St.⸗A. Nr. 4.
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und die Art ihrer Gründung nicht als urkundlich nachgewiefen gelten
fönnen.
Das Klofter ber Franzisfaner von der milderen Obfervanz
oder der Minoriten bei St. Jakob, wie man die Brüder nannte,
toll fhon im Sabre 1233 auf Koften des Biſchofs Johann II. erbaut
worden fein‘). Sichergeitellt ift, daß die Minoriten im Iahre 1232 in
Frag eingeführt wurden ?). Nach Hajek feien ihrer drei, von Nation
Italiener, von bort aus burch den genannten Bifchof nah Leitme—
rig gewieſen worden und hätten bafelbft einen Bruder Clemens zu
ihrem erjten Borftande (Quardian) gewählt. Soviel wenigftens ift ficher,
daß das Kloſter 1253 ſchon beftand, da in diefem Jahre bereits zwei
Minoriten, Jakob und Johann, urkundlich erjcheinen ). Kine Dotation
war nad) ihrer Ordensregel nicht nöthig, ja fogar nicht zuläffig*). “Der
Yage nad muß auch dieſes Klofter noh vor der Stadt erbaut worden
fein, und falls etwa die Stadt in der Richtung nach Djten ein Thor
befaß, fo würden die Pfarrkirche und die Kfofterfirche recht ſymmetriſch
zu beiden Seiten desfelben geftanden fein. Daß man folhe Gebäude in
den erften Zeiten außerhalb der Stadt verlegte, fcheint darin feinen Grund
zu haben, daß die Bürger, jo lange ihre Zahl noch gering war,
die Bertheidigung badurd zu erleichtern ſuchen mußten, daß fie die Stadt
auf einem möglichjt Eleinen Raume in einen möglichſt engen Umfang fchloffen.
Aus demfelben Grunde finden wir auch in allen älteren Städten bie
Häufer mit der fchmalen Seite gegen die Gaſſe geftellt. Erſt als fich
die Zahl der Bewohner und font der Vertheidiger mebrte, wurde der
Umfang der Stadt erweitert und jene Gebäude konnten in diefelbe mit
eingefchlofjen werben.
Die Gründung des zweiten Klofters in Leitmeritz, das wahr:
ſcheinlich gleich Anfangs innerhalb der Mauern zu ftehen Fam, ge-
ſchah einer ebenfalls nicht verbürgten, aber auch nicht unwahrſcheinlichen
Zrabition nad im Jahre 1236 durch den Bifhof Bernhard, den
Nachfolger Johann's IL°). Diefes Klofter, deilen Kirche dem h. Mi—
ch ael geweiht war, bezogen Prediger vom Orden des h. Domini.
Einen Befig von liegenden Gründen konnten auch diefe ihrer Negel ge:
mäß mindeftens in jener Zeit nicht haben, fondern beide Orden waren
anf die Mildthätigkeit der Bürger angewieſen. So fanden mit den
Bürgern felbft auch die im Gegenfage zu den früheren ariftofratifchen
—
1) Hair (Sandel) 411. ?) Contin Cosmae 370. 9 Erben 607. *) rind Kirchen⸗
geſch. H. 287. °) rind Kirchengeſch. II. 274.
-Orden mehr volfsthümlichen. und bürgerlich gefinnten mindern Brüder
Eingang in unferer Gegend. !)
Auch auf der Sübdfeite der Stadt, jedoch noch vor und außer der:
felben wurde in nicht zu beftimmender Zeit ein Kirchlein der heit.
Maria erbaut, deifen Patronat 1257, oder etwas früher, dem Orden
der Kreuzherren mit dem rothen Sterne wahrfcheinlih in der Ab-
ſicht übertragen wurde, ‚damit er feiner urfprünglichen Beftimmung ge-
mäß die Erridtung eines Hofpitales dafelbit übernehme?). . Diejes
Kirchlein ftand auf der Stelle des jegigen Seminars neben der jegigen
Stiege beim Aufgange linke °).
6. Die Stadt unter den Prempfliden.
Schon ber Umſtand, daß die Prager Biſchöfe bei der Einführung
neuer Ordensgefellichaften in- Böhmen Leitmerig nächſt Prag vor
allen anderen Städten ins Auge faßten, kann beweifen, baß diefe neue
Schöpfung ein Lieblingsgegenftand des Töniglihen Hofes blieb. Es Täßt
fid) denken, daß für König Wenzel L, einen bekannten Freund bdeutfcher
Sitte und deutſchen Weſens die erfte deutihe Stadt Böhmen se
nad) Brag. als feine eigene Schöpfung, wie als Bermädtniß feines
Vaters eineh Gegenftand feiner befonderen Liebe bildete. Auch gewann
diefe bald Gelegenheit, fich durch treue Anhänglichkeit in Zeiten arger Noth
ihrem Gönner dankbar zu erweifen und das in das Bürgertum gefeßte
Vertrauen ju rechtfertigen. Es ijt natürlich, daß Wenzels vielfeitige
Neuerungen auf eine ebenfo vielfeitige Oppofition ftießen. Mißgunſt und
Neid erhob fi gegen die von ihm begünftigten deutichen Colonien im
Yande, Nerger und Groll bei den Großen über die Befeftigungen, durch
die er ſich feine Städte zu fiheren Afylen umfchuf, bei manchen wol auch
ein befonderer Haß gegen bie Perfon des Könige, ber durd) das deutfche
Ritter und Turnierweſen die afte Sitte verbrängte und um den Ruhm
eines deutfchen Diinnefängers warb. Ein Theil des Adels hingegen, vor-
züglich des höheren, ahmte das Beiſpiel feines Königs nah, legte auf
jeinen Gütern gleichfalls deutiche Colonien an, baute Burgen auf Berg-
N Daß die traditionelle Angabe der Grüudungeiahre beilänfig richtig ſei, Lönnte
man aus dem Contin. Cosm. 373 fdhließen, der die Einführung der Minos
rıten md Domimilaner in Frag nnd „in regno Roemiae* der Begünſti⸗
gung Wenzels I. (1230-1359 zuſchreibt. N Tomel Brag I. 503. °) Nicht
rechte auf der Eitele der jetzigen Marienfirdhe, wie irrihümlich bei Frind IL. 261.
— 39 —
fpigen nach beutfcher Art, nannte fie und nach ihmen fich felbft mit deut-
fhen Namen entweder mit Ueberſetzung des cechiichen oder mit Anſchluß
an das Wappenbild. Diefen Theil bed Adels bevorzugte der König
anf ausgezeichnete Weife und beſchenkte ihn mit Töntglicher Freigebigfeit.
Diebei gieng jedoch jener Theil des Adels, den man den niederen oder bie
„Ritter“ nannte, die auf ihren Heinen Gütern faßen und von dem Leben,
das am Hofe und in den höheren Kreifen geführt wurde, nichts genoffen, leer
aus. Außer diefen klagte auch die Geiftlichkeit *) und zwar darüber, daß
ihre Unterthanen zu den Befeftigungs- und Ummanerungsarbeiten der nem
angelegten Städte gezwungen würben und eiuem gewiffen Theile der
Bevoͤlkerung mochte e8 obendrein nicht angenehm fein, daß der König —
eben auch wieder den Städten zu Liebe — mit großer Strenge die Diebe
und Räuber, bie die Straßen und den Handel gefährdeten, aufheben ließ.
Hiezu kam noch, daß der König in den fpäteren Iahren feiner Regierung
diefe feinen Hofleuten überließ und für feine Perfon fein Vergnügen auf
den einfamen Burgen, die er gebaut hatte, fuchte. So häufte feine ganze
Regierungsmweife, feine wolhgemeinten Abfichten nicht weniger, wie feine
begangenen Fehler , bei einem Theile des Volkes einen großen Zündftoff
der Unzufriedenheit. Welche befonbere Anläfle das Feuer anfadten, ift
uns nit genug bekannt; nur das ift gewiß, dab die Empörung im
Jahre 1248 hinter feinem Rüden in hellen Flammen aufihlug, als er
eben in Klingenberg weilte und ein Aufgebot für den Gegenlaifer Wil—⸗
beim von Holland erlafien Hatte.) Kaifer Friedrich II. und fein
Sohn Konrad benügten in biefem Momente die Lnzufriebenheit der
böhmifchen Herren; diefe verfammelten fih in Prag und ernannten
Wenzels Sohn Premyft zu ihrem Könige. Es ift befannt, wie
Wenzel bei der allgemeinen Verbreitung des Aufſtandes das Yand
verlaffen mußte und erft im folgenden Jahre (1249) einen mißglüdten
Berfuh machte, von Mähren aus vordringend die Hauptftabt zu nehmen,
dann aber gegen Saaz zog und diefes in feine Gewalt befam. Nichts
defto weniger wurde er von feinem Sohne fo eingeichloflen, daß er (ge-
gen Ende März) einen Vertrag eingehen mußte, durch den er die Re-
gierung an feinen Sohn abtrat und für fid) nur die drei Burgen Klin-
genberg, Elbogen und Brür behielt. Daß fi damas Yeitmerig
nicht freiwillig dem Sohne anfchloß, geht aus feiner ferneren Haltung
hervor; denn es war die erjte Stadt, welche dem verfolgten und ver-
) Contin. Cromae 872. ?) Idem 373 ff.; vergl. Balady G. v. 8. H. 1. 131 f.
Zomel, Prag 1. 188 f.
— SJü --
laijenen Könige ans Treue und Dankbarteit die Tdort öffnee md ihn
fammı feinen wenigen Gerrenen in ihre ihürenden Mauern aufmahm.
Auch, der Rabfı InnocensIV. hatte rich inzwitdben Teint angenommen
und burd zwei Bullen '. dem Bilchofe von Meißen acboıen, T ttolar
und feine Anhänger zu bannen, den bereits gebannıen Riihof Nilolaue
von rag vor feinen Richterituhl zu rufen, die rebelliſchen Trälaten zu
entiegen umb den von Wenzel geichworenen Eid ald einen erzwunge⸗
nen zu löien. Gin ähnliches Schreiben vom deurſchen Kaiſer wurde in der
Prager Tomfirde publicrt und König Wenzel crfick, anf dieje geitüßt,
von Yeitmerig aus einen Aufruf an bie Frülaren umd Stifter der
ganzen Prager Tiözeie, binnen acht Tagen ibm ihre Mannſchaft zur
Verfügung zu itellen, und ſammelte To auf's Reue cin Heer gegen bie
mpörer.
Sein Aufenthalt in Yeitmerig dauerte mehrere Wochen und fiel
in die Zeit des Monats Juli 1249. Um ihn maren dalelbit von Geift-
lichen die Pröbjte Herman von Yeitmerig, Otto von Melnif
und uno von Bunzlau, von weltlihen Großen Caſtolov von
Zittau und fein Sohn Heinrich aus dem Geichlechte der Herren von
Yipa, die wir bereits als Beliger von Gütern in unferer Gegend und
in Beziehungen zu unferen Bürgern kennen lernten, der Hofmarſchall D o-
refh von Riefenburg (Borjo), Gallus von Yöwenberg, ber
ebenfall® in unferer (Gegend begüterte Oberſttruchſeß Jaroſch von Sli—
ven, Smil von Zittau oder von Yidhtenburg, Zohn des genann⸗
tn Heinrih und ein Johannes Lozzos?) (vielleicht der Burggraf
von Yeitmerig?)
Mit diefen, den vorncehmeren Bürgern nnd anderen Männern, die
fih num durch jene päbftlichen und kaiſerlichen Schreiben erfchredt wie-
der um ihn fammelten, hielt Wenzel I. Hof zu Leitmeritz und erließ
von da aus in die Orte der Umgebung ftrenge Befehle gegen alle rie-
densftörungen, wie fie feit dem Beginne der Empörung an der Tages-
ordnung waren. Auch verhandelte er dafelbft Sachen des Friedens,
wie das am 23. Juli ausgeitellte Privilegium für das Kloſter Doran
beweiſt.
Inzwiſchen ſammelte ſich um ihn ein zahlreiches Heer, indem be—
ſonders die eingeſchüchterten Prälaten ihm nicht nur ihre Mannſchaften
zuführten, ſondern auch allerlei Geſchenke überreichten. Nachdem er nun
+, Bom 22. und 24. April 1249. Erben I. 570 fi. ?) Erben 1249 573.
— 41 —
mit feinen Getreuen geheimen Rath gehalten, führte er jenes nach dem
töniglihen Schloffe Sadsta, um von da aus, wie er fi den Anfchein
gab, nah Mähren abzuziehen, wandte fich aber plöglich gegen Prag,
bemächtigte ſich desjelben, wie man glaubte, ebenfalls durch Unterftügung
der Bürger am 5. Auguft und belagerte die Burg dafelbft. Endlich machte
die befannte Verſöhnungsſcene zwilchen Vater und Sohn dem unfeligen
Streite ein Ende (16. Auguft 1849); Wenzel führte nun wieder die
Regierung in feiner gewohnten Weife bis an fein Lebensende fort (22.
September 1253) und Btemyft begnügte fi) indeß mit der Herrſchaft
über Mähren.
As aber Premyſl Ottofar Il. nah dem Tode feines Vaters
anf redhtmäßige Weife zur Regierung gelangt war, handelte er mit den
deutfchen Städten nicht etwa, wie mit jenen Großen, die fi durch
unterfchiedliche Mittel während der Herrichaft feines Waters bereichert
hatten, fondern er fchenkte ihnen vielmehr gleich jenem feine königliche
Sunft und fchritt auf der von feinem Großvater eingefchlagenen Bahn
weiter vorwärts. Er wußte die Treue zu würdigen, mit welcher gerade
die Städte an feinem Vater gehangen, ſelbſt da ihn Alle verließen und
verriethen. Wie er in Prag eine neue Stadt mit deutſchen Einwoh—
nern, die Kleinfeite, gründete, eine große Anzahl Städte auf dem
Yande anlegte, ganze bis dahin mit Wald bedeckte Gaue an den Gränzen
mit deutichen Coloniften bevöfferte, ift hinlänglich befannt. Daß er
fomit aud) die Lieblingsihöpfung feines Vaters und Großvaters nicht
vernadjläfligte, könnte man fchon Hieraus fchliehen. Wir willen aber
überdieß, daß er Alles, was jener für Yeitmerig gethan, gut hieß
und alle Rechte und Bortheile, die fie ihm gewährt, urkundlich betätigte,
wenn gleich jenes Privilegium felbjt verloren gieng.
Die ftrebfamen und fo von oben begünftigten Bürger trachteten aud)
ihrerfeit8 die Güter ihrer Gemeinde zu vermehren und giengen‘ darauf
auf, ihr Gebiet durch fortgeſetzte Anfäufe von ihren meift geiftlichen
Nachbarn zur erweitern und abzurunden. Hiezu ertheilte Ottokar 1.
feine ausdrückliche Genehmigung ") und beftätigte im Vorhinein alle Käufe,
welche die Bürger mit dem Abte von Oſſek, den Pröbften von Prag,
Yeitmerig, Toran und Chotefhan in gehöriger Weiſe abfchließen
würden, wofür fie jedoch die betreffenden, auf jenen Gütern haftenden,
Yalten zu tragen verbunden würden. Wenn uns auch die wirfich erfolgten
Käufe urkundlich nicht bekannt find, fo gibt uns doch diefes Privilegium
2) Brag, 28. Upril 1272, Copie im leitm. Siadtarqh.
— 1 —
einen Wink, auf welche Art jene Güter zur Gemeinde gekommen ſein
mögen, die wir in fpäteren Sahrhunderten nachweislich in ihrem Befite
finden. Sicherlich entitand das Privilegium nur auf Beranlaffung und
mit Bezugnahme auf ſchon objchwebende Kaufsverhandlungen, denn fonft
fähe man feinen Grund, warum gerade gewilje Herrfchaften genannt,
andere benachbarte aber, wie Brevnov, Wyfchehrad ꝛc. nicht ein-
gefchloffen wurden.
Auch den „goldenen“ König fah Leitmeritz in feinen Mauern,
aber wie feinen Vater, nicht in den Zeiten des Glanzes, fondern in kum⸗
mervollen Tagen (im October 1277) '). Das Fahr darauf fiel der edle
Gönner des Bürgerftandes durch Verrath der Herren, die ihn ſchon
jo oft übel berathen hatten, gewiß am meiften beweint von feinen treuen
Bürgern.
Mit feinem tragifchen Falle begann eine traurige Zeit für Böhmen.
Was Mebels fpeciell Keitmerik betraf, können wir zwar nicht berichten,
doch ift diefes bei der allgemeinen Zerrüttung gewiß Kein Aſyl des Friedens
geblieben. Aus dem Meere des Unheil taucht nur eine einzige freund-
lichere Erfcheinung auf, die Thatfache nämlich, daß das junge Bürgertum
in Böhmen felbft in fo verwirrten Zeiten bereits auf eigenen Füßen
Stehen konnte und als politifch berechtigte Macht im Staate anerkannt
werden mußte. Diejenige Partei unter den Großen Böhmens, welche
verrätherifcher Weife zu Rudolf von Habsburg hielt, fchloß ſich num
an die Wittwe des unglüclichen Königs, während der Schwager desfelben,
Otto von Brandenburg, e8 verfuchte, geftügt auf bie BPrempfi treu
ergebene Partei, den Kampf gegen Rudolf fortzufegen. Es ift fomit
begreiflih und rühmlih, daß die dentfchen Städte gegen bie Partei
des deutfhen Kaifers zu Otto ftanden, aber bedauerlich, daß mit
Dtto auch feine Partei die Verantwortung jenes Unheils fi) aufbürden
laſſen mußte, das feine perfönliche Habgier über das Land brachte. Eine
Germanifation von allerdings bedenklicher Art drohte nun Böhmen zu
überfchwenmen. Nicht friedliche Bürger fuchten durch Kenntniffe und
Sewerbefleiß die Schäge des Landes zu heben, fondern ein zahlreicher
Troß von deutfchen Rittern überfchwenmmte das Land und ahmte feinen
Herren im Plündern nad). War ſchon früher Neid die Quelle des Haßes
geweſen, fo wurde jegt der deutfche Name im Allgemeinen verhaßt.
Beſonders litten die geiftlichen Güter als die reichften durch diefe unlieb-
) Sommer (Topogr. v. Böhmen, Art. Leitmerig) nennt eine uns nicht zu Handen
gelommene Urkunde vom 16. Dct. 1277 St.:X. Leitmeritz.
— 43 —
famen Säfte und es ift dadurch wahrfcheinlih, daß auch unfere Gegend
der Schauplag von Gewaltthätigfeiten war, umfo mehr als das nahe
Raud nitz als folcher beftimmt genannt wird. Da verließ Prag felbit
die Partei Ottos und es ift wahrfcheinlich, daß dies aud) andere Städte
nachahmten. Gewiß ift, daß, als gegen Weihnachten 1280 beide Parteien
zu friedlihen Verhandlungen mit Otto zufammentraten, nachweislich
zum erften Male an den Verhandlungen eines Yandtage aud) Bürger
der „befeftigten" Städte Antheil nahmen. ")
Auf diefem Landtage wurde befanntfich die Regierung des Landes
dem Prager Bilchofe Tobias übertragen, damit die geplagten Yandbe-
wohner bei ihm eine Zuflucht fänden. Diefer fette e8 beim Markgrafen
Dtto durd, daß die verhaßten Deutſchen, die mit diefem ins Yand
gelommen waren, verwiefen wurden. In alle Städte und Märkte wurden
Boten gefandbt, um den Befehl zu proclamieren, daß alle Deutfchen, die
um Raub zu erbeuten nad) Böhmen gekommen find, binnen drei
Tagen das Land frei und unbehindert verlaffen follten; die aber darüber
hinaus verweilen würden, follten als Räuber behandelt werden. Hierin
wurden die Deutfchen in Böhmen bereits als Landesangehörige den
„fremden“ Deutſchen gegenübergeftellt 2).
Die Segnungen des Friedens kehrten aber deßhalb noch nicht uach
Böhmen zurück. ine furchtbare Hungersnoth, die uns die alten
Chroniften in gräßlichen Zügen fchildern, verheerte das ganze Yand,
unfere Gegend gewiß nicht ausgenommen. Als endlich nad) fangen Ber:
handlungen am 24. Diai 1283 der eilfjährige Prinz Wenzel als König
nad Brag cınzog, begann wieder eine glüdlichere Zeit für Böhmen.
Obgleich man diefen König als einen Feind der Deutſchen ſchildert,
von denen er in feiner Iugend fo viel Unbilden erlitten haben foll, fo
bezog ſich doch diefe Abneigung, falls fie Überhaupt vorhanden war, ſicher
lich nicht auf die dentichen Städte, denen auch er wie feine Ahnen
gewogen blieb. Dies bewies er zunächſt durch die Beſtätigungen ihrer
Freiheiten, wie eine folhe auch Yeitmerig zu Theil ward.
Unter feiner Regierung traf aber aud bereits das erſte befannte
HArandunglüd die junge Anfieblung und vernichtete außer den Gebäuden
derfelben auch die königlichen Freiheitsbriefe“). Es geichah dies in dem
felben Iahre, in welhen Wenzel IT. ‚feierlich gekrönt wurde (1297.)
*\ Contin. Cosm. 451. ?) Contin. C'osma 462 nennt diefe ausdridtih: „Then-
tonicos slienigenarum- natiouum.“ ?) Urkunde von 1329 ım leit. St.⸗A.
Nr. 4. Näheres bat Schaller, Topog. Leitmerik.
— 4 —
Die Bürger bemühten fi) aber nidht nur ihre Stadt wieder auf-
zubauen , fondern ftifteten auch zımm Andenfen an jene® Ungfüd vor der
Stadt eine nene Kirche unter dem Ramen des heil. Yauren;, die ſpäter
al® eigene Stabtfirdye genannt wird. Auch der König lieb ſeine Stadt
nicht ohne Unterftägung und verlieh ihr außer den Bergünftigungen,
die er ihnen wohl für die Zeit des Wiederaufbaues gewähren mochte,
durch ein Privilegumm, das er auf Bitten der an ihn abgefandten Bürger,
die ihn zu Brünn trafen, ale er eben auf feinem polniſchen Feldzuge
begriffen war, ausitelfte, eine bedeutende Freiheit für alle Zeiten (1300).
So oft nämlidy der König eine außerordentliche Steuer den Bürgern
auferlegen würde, fo follten die Leitmerißer jomwohl von ihrem freien
Beſitztume als auch von jenen Gütern, die fie außer der Stadt von
Edellenten oder Geiftlihen gegen einen Zins in Pacht befähen oder be-
jigen würden, jo wie von den Capitalien, Waaren und was fie fonft noch
für Güter in der Stadt hätten, nur die Hälfte des auf fie entfallenden
Steuerantheiles zahlen. Bon den Häujern der Stadt und demeu die noch
in berfelben gebaut würden, follten die Bürger überhaupt gar feine Steuer
entrichten, fondern bloß von der betreffenden Grundfläche, fo daß es alfo
in Betreff der Steuerzahlung gleich blieb, wie große und umfangreiche
Hänfer jemand anf feinem ein für alle mal gleich zu verfteuernden Grunde
aufführte. Wer fich aber immer in Zufunft als Befiger von Grundftüden
in den Stadtverband begeben würde, follte fich bei außerordentlicdhen
Steuern derfelben Freiheit erfreuen. Hiedurch wurde der Wiederaufbau
der Stadt bedeutend erleichtert und das Bürgerrrecht von Leitme—
rig ein Gegenftand des Strebens von Seiten begüterter freier Nachbarn.
So wurde auch ein Theil der ſlaviſchen Bevölkerung der Bortheile
des Stadtweſens theilhaftig, verlor aber dabei allerdings bei der großen
Majorität der deutſchen Stabtbewohner nah und nah feine Na—
tionalität.
7. Die Beit vom Ausfterben der Piemyfliden bis zum Auf-
tauchen des Huftismus.
Mit Wenzel III, des Vaters ungleihem Sohne, erlofh (4. Aug.
1306) das Geflecht der Könige aus Premyfls Stamme, das in fel-
tener Vebereinftimmung und Planmäßigfeit durd ein Tahrhundert hindurch
die Einführung und Hebung des Bürgerthums in Böhmen gleich
— 5 —
wie ein umverleßbares Tamiliengefeg vom Vater auf den Sohn fort:
vererbt. Daß in diefer ganzen Zeit auch nicht Kinmal ein Abweichen von
diefem Wege verfucht wurde, trotz aller Verſchiedenheit in der jonjtigen
Regierungsweife der legten Ptemyfliden, beweilt wohl am deutlichſten,
wie Kar die Bortheile der neuen Schöpfung zu Tage lagen. Wenn aber
der Adel fo eigennügig und unpatriotifch war, in der Schwädjung der
töniglichen Macht feinen Vortheil zu fuchen, fo ift es zugleich Har, warum
die königlichen deutfchen Städte, diefe Stüten des Königsthumes, kein
Gegenftand feiner bejonderen Yiebe wurden.
Traurige Zeiten traten jtets dann für die Städte ein, wenn fein
mädtiger König die Zügel der Regierung führte, fondern die Parteien
des Adeld die Herren fpielten und Schwachen Fürſten ſich als Mit-
regenten aufdrängten. Solche Zeiten kamen über das Yand unter der kurzen
Regierung Rudolfs von Habsburg und unter der längeren aber
weitaus unglüdlicheren Heinrichs von Kärnthen. ‘Daß damals der
Bürgerftand bereits eine mächtige Stellung einnahm, bewies feine Be—
theifigung an den Wahllandtagen und die ganze Gefchichte des letztge—
nannten Könige, die ja fait nur aus offenen und hinterlijtigen Kämpfen
beftcht, in denen die mächtigen Bürger Prags und Kuttenbergs
mit den einflußreichiten Adelsgeichlechtern in die Schranfen treten konnten.
Doch wurde es hiebei bereits deutlich ſichtbar, daß das Glück des deut-
fen Bürgerthums nicht nur die Eiferfucht des Adels, fondern auch den
Neid der einheimifchen niedern Bevölkerung fich in großem Maße zuge-
zogen hatte. Wie weit Yeitmeriß an diefen Kämpfen betheiligt war, ift
nit zu ermitteln; von den unmittelbaren Neiden des Krieges dürfte
Yeitmerig, nad) den Richtungen der Heereszüge und der vage der KNampf-
pläge zu urtheilen, verjchont geblieben fein. Auch an der Wahl König
Johanns nahm der Bürgerjtand einen hervorragenden Antheil, fo wie
deifen Krönung (7. Februar 1311) Gefandte aller Töniglichen Städte
beiwohnten ’).
Daß unter Johanns Regierung nichts weniger al® jener innere
Friede herrichte, der das Gedeihen bürgerlichen Weſens begünitigt, ijt
allzu befannt. Daß damals die Stadt ihren eigentlihen Schuß nur in ihren
feſten Mauern und in der Kriegsbereitfchaft der Bürger gegen die An-
griffe der feindfeligen Großen fand, darf man aus der Thatfache fchlichen,
daß fi diefe nicht fcheuten nad) den Gütern des benachbarten geiftlichen
N Tomel, Brag, I. ö6l.
— 46 —
Stiftes zu greifen. Zur Zeit, als im Streite der beiden Gegencandidaten für
die Yeitmeriger Probftei, Heinrihs von Schönburg und Adal—
berte, legterer zum wirklichen Beſitze jener gelangt, war ") diefer eifrigft
bemüht, die dem Stifte entwendeten Güter auf verfchiedenen Wegen
wieder zu erlangen. Zu diefem Zwecke wandte er ſich um Unterſtützung an
König Johann. Dieſer befahl dem Richter und den Geſchworenen, ſo
wie den Bürgern von Yeitmerig, den Probſt, fo oft er es verlangen
würde, dadurch zu unterftügen, daR ihm geftattet werde, alle diejenigen,
die fi) durd Gewalt in dem unrechtinäßigen Befige der Stiftsgüter
behaupten, in der Stadt in Haft zu ſetzen und fo lange fejt zu halten,
bis er von ihnen alle entzogenen Bejigungen wieder zurüd erlangt haben
würde. ?) Dies foll ihm theilweile gelungen fein.
Steichzeitig mit dem Probjte muß auch die Stadt Gefandte an
den föniglichen Hof geihidt haben, die ihr Schuß und Förderung erbitten
jollten. Auch von ihrem Gebiete müſſen ihr Theile oder minbeitens die
Grenzen desjelben jtreitig gemacht worden jein und dies entweder cben
durd) die erneuten Anfprüche des Probjtes oder vielleicht auch durch die
an Macht und-Anfehen bereits fehr herabgefommenen und dadurch wahr-
Scheinticher Weife gegen die Stadt übelgefinnten Kreisbeamten. Das erftere,
daß nämlich nach einer langen Zeit allgemeiner Unficherheit und Befig-
verwirrung der nad) Reftitution ftrebende Probft wegen wirklid) verloren
gegangener Kenntniß der alten Grenzen da, wo die Gebiete der Stadt
und des Stiftes an einander ftießen, zu weit ausgriff, ſcheint dadurd)
einige Wahrfcheinlichkeit beanfpruchen zu können, daß der König in zwei
aufeinander folgenden Tagen (8. und 9. Dezember) der Stadt zu Gun-
jten der Probjtei eine Laſt auflegte, zu der fie unter gewöhnlichen Limn-
ftänden nicht verpflichtet werden Tonnte, und wie zur Entſchädigung dafür
ihr ein Recht zufprad), das eben dadurch als gegen die Anfprüche der
Probſtei erwirkt erjcheinen kann. Es handelte fih nämlich, (mie aus der
am 9. Dezember 1319 auggejtellten Urkunde hervorgeht), um den Raum
swifchen der Stadt und dem damals Jumpfigen Ufer der Elbe, den die
Gemeinde feit alten Zeiten als Viehweide benügte, deifen Grenzen aber
entweder urfprünglic; ungenau beftimmt oder im Yanfe der Zeit jtreitig
geworden waren, wie es eben bei einem Landſtriche, der nur als Vieh—
') Siehe Frind, Kirchenge. II. 152. °) Urkunde im leit. St.⸗A. dto. Prag 8.
Dezember ohne Fahr. Diefes muß aber auf 1319 feftgefegt werden, da Johann
im Dezember 1318 in Brünn und 1320 in Zuremburg war, 1321 aber
rt bereit ftarb. .
— 47 —
weide benußt wurde, in jener Zeit, in der der Boden einen verhältniß-
mäßig geringen Werth hatte, leicht möglich war. Wahrfcheinlich war aud)
fein Streit, jo lange der Fleck eben in jener urfprünglichen Weiſe be-
nügt wurde; entipann fich aber dann, als die Stadtgemeinde bei ihrer
größeren Ausbreitung jenen Boden als Bauſtellen für neue Anfiedler
benügen und als Aderland urbar machen wollte. König Johann ent-
ſchied nun"), daß jener Weideplag von der Stadt an big an die Elbe,
den man „im Sumpfe” nenne (campus pascualis dietus in palude
circa Albiten) bis zu denjenigen Grenzen, die die Aelteften der Stadt
bezeichnen und auf ihr Gewiſſen angeben würden, in welchem ihn nad
deren Ausſage die Stadt nad Recht und „alter Gewohnheit” befellen,
auch fernerhin den Bürgern von Yeitmerig und ihren Nachlommen in
Ewigkeit gehören folle. Zugleich ertheilte er dem Erbridhter, Bürger-
meifter und den Gefchworenen der Stadt, jo wie ihren Amtönacdhfolgern
die Vollmacht, jenen Pla — jedoch nur an Yeitmeriger Bürger —
emphiteutifch zu vertheilen. Was durch die Kinphiteutifierung einzelner
Gründe, welche Art des Verkaufes man gewöhnlid „Anleg“ (An
(age) nenne, jährlich einfommen würde, fol auf die Ausbeſſerung der
Stadtmauern und Thürme verwendet werden, was aber durd) die ander:
weitige Verpachtung und Bebauung der übrigen Theile an jährlichen Ein-
fommen erzielt würde, follte den Bürgern felbft gehören, damit fie hiedurch
ihre allgemeinen Leijtungen Leichter beftreiten könnten. In Folge deilen
mögen einzelne Anfiedlungen im Süden und Südweſten der Stadt ent:
ftanden fein, die ſich im Yaufe der Zeit zu Vorftädten erweiterten, wie
wir fie unter dem Namen der „Sifcherei“ und in fpäteren Jahrhun—
derten als Dubina und Janov (in der Gegend der Johannes kirche)
tennen fernen werden ?).
Eine eigentliche Beftätigung des Inhaltes der alten durch den Brand
von 1297 zerftörten Privilegien hatte die Stadt noch nicht erwirken kön⸗
un Es war auch äußerft fehwer, dem Könige mit einer ſolchen Bitte
überhaupt nur beizufommen, da er nunmehr bereits hödhft felten nad)
Böhmen kam, fondern in aller Herren Länder nach Turnieren und Aben-
im fuhr. Sein Böhmen, feine Gemalin, felbft feine Kinder waren
ia fein Gegenftand der Liebe mehr, woran zum großen Theile die Hab:
) Utande Leiten. St.⸗A. Nr. 2. 2) Frinde Herleitung der „Fiſcherei“ (Kircheng.
I 188) berußt auf dem ſchon erwähnten Verfehen, daß er piscatores ftalt pis-
teres lieh. Theile dır Rice ma of ti gi den ic weiſe 902
Sudt eu das Bieihum.
— 48 —
gier und Eiferfucht der böhmischen Großen Schuld trug, die dem nod)
jugendlichen Könige das böhmifche Land nicht zur Heimat werden ließ,
und woran er noch mit Yiebe hing, durch Berläumdung und Intrigne vom
Herzen zu reißen wußte. Kam er wieder einmal ind Yand, dann erfuhren
e8 die Städte auf recht unliebſame Weife. So legte er bei feinem Auf-
enthalte in Böhmen im Jahre 1323 (25. Yuli bis 16. Oftober !) allen
föniglichen Städten eine Abgabe auf, welde im zehnten Theile alles
Geldes beftchen follte, das fie befüßen. Daß er dabei bezüglid) Leit—
meriß das Privilegium Wenzelsll. beachtet hätte, läßt ſich von ihm
um fo weniger erwarten, als er e8 eben noch nicht betätigt hatte. Eben
dies Konnte die Bürger auf die Wichtigkeit der Beſtätigung aufmerf-
fam machen, und fie bemügten daher die nächite Gelegenheit, fich diefelbe
zu erwerben. Johann fam aber erſt 1325 (12. März) wieder nad
Prag und hielt dafelbjt, um ſich abermals Geld zu verfchaffen, einen
Yandtag. Zu dieſem müſſen denn auch Geſandte von Yeitmerig gereift
fein, denn fie brachten ihrer Stadt eine am 4. Mai 1325 ausgeftellte
Beitätigungsurfunde aller alten Privilegien mit 2).
Aus diefer Urkunde erhellt, daß Yeitmerik feine alten Rechte
auch durch die Concurrenz der inzwilchen aufblühenden jüngeren könig
lichen Städte, befondere Außigs, dag ſich einen ähnlichen Handel, wie
ihn Leitmeritz befaß, angemaßt haben muß, gefährdet glaubte. Hier-
ans muß fich ferner ein Streit zwifchen beiden Städten entfponnen haben,
den Johann zu Gunſten der älteren Stadt entjchied. Es follten die
Rechte der königlichen Stadt Außig aufrecht erhalten werden, jedoch mit
der wejentlichen Einſchränkung, — daß, wenn die Außiger ihre Schiffe
entweder im Dorfe Yobofik oder an anderen Orten außer am Ufer
vor der Stadt Yeitmerit laden oder ausladen oder fremde Waaren
unter dem Vorgeben, daß fie ihnen gehören, überhaupt führen und recht:
lid) einer ſolchen Verlegung der Yeitmeriger Rechte überwiefen würden,
es den Yeitmerigern erlaubt fein follte, ji) in den Befit diefer Waa—
ren zu ſetzen und fie zu eigenem Bortheile zu verwenden. Verboten wurde
ferner den Außigern auf dem Markte zu Leitmeritz Getreide oder
andere Waaren zu kaufen, oder auf der Elbe Salz ftromauf: oder ab>
wärts zu führen, wenn diefe Waaren nicht vorher den Bürgern vou
Yeitmeriß zum Kaufe angeboten und ausgejtellt worden waren. Außer-
dem wurde der Stadt der Gebrauch des Magdeburger Stadtredhtes
— — — —
Tomet, Prag J. 596. °) Erhalten durch ein Vidimus von 1536. leitm. St.⸗A. Nr. 4.
— 4 —
und der Vorzug einer Recursjtelle für alle Städte Böhmens des
felben Rechtes, jo wie das Meilenrecht beftätigt und jedes Privilegium,
da® nachher irgend wen immer gegen die anerkauuten Rechte der Stadt
verlichen werden follte, von vornherein für nichtig erflärt.
Worauf es jedoch unter der Regierung eines fo geldbedürftigen
Königs, wie Johann war, vor Allem ankam, die Seltjtellung der Ab.
gaben, unterblieb. Natürlich wurden diefe nur deßhalb nicht erwähnt,
weil mit der Beftätigung aller alten Rechte und Gewohnheiten aud) die
Abgabenlieferung im urfprünglicdhen Ausmaße mitbeſtätigt wurde. Eben
fo war unter der Beitätigung von „Allem und jedem, was ihnen
Wenzel, Dttofar und Wenzel, der Schwiegervater" des Könige ge-
währt hatten, gewiß auch einfchlichlich jene Urkunde des letzteren mitbe—
griffen, durch weiche der Stadt für alle Zeiten die Bälfte der zu lei
jtenden außergewöhnlichen Steuern nachgefehen wurde.
Unter gewöhnlichen VBerhältniffen würde diefe Betätigung troß dem
Berlujte der alten Privilegien genügt haben, in den unfichern Zeiten
Johauns aber erwuchs der Stadt daraus mannigfacher Nachtheil. Es
iſt bekannt, daß König Johann, ſeitdem er die meiſte Zeit außer
Böhmen zubrachte, die Yandesämter nicht ſowohl nad alter Sitte ver-
gab, als vielmehr dem meiftbiethenden verpachtete. Hiedurch Fam der
König Schnell zu Gelde, der betreffende Beamte aber juchte ſich nicht
nur fchadlos zu halten, fondern and noc ein Sefchäft zu machen, was
ungeredhte Bedrüdung, befonders der Bürger, von denen am meiften
erpreßt werden konute, zur Folge hatte. In diefer Weiſe wirthfchafteten
befonders der Kämmerer und der Ilnterfämmerer (von 1319—1331)
Urih Pflug von Rabjtein jeher übel gegenüber den Bürgergemein-
den und befonders wurden Yeitmerig bei der erwähnten mangelhaften
Documentirung der rechtmäßigen Berpflichtungen neue und ungewöhs-
lihe Yaften aufgebürdet. Andrerjeits muß die Stadt um manches
Beſitzthum bereits wieder dadurd) gekommen fein, daß die Könige (viel-
leiht Heinrich von Närnthen) vor Johann und dieſer ſelbſt ein-
ine Gebiete, die ehedem zur Stadt gehört hatten, einzelnen Adeligen
Ihenften, zu Lehen gaben oder font irgendivie überließen. Auch mögen
diejenigen Anfiedfer, welche bei Gründung der Kirche mit ihrem Ge:
ſchoße an diefe gewiefen worden waren, mit der Zeit als Unterthanen
der Kirche betrachtet worden fein, und deßhalb ſich allen andern Yeiftun-
aan die Stadt entzogen haben. Beides läßt fid) aus der eben zu
Mmwähnenden Urkunde fchlichen, ohne daß man aber durch fie darüber
Ä 4
— 4 —
Viehweiden. Auch vereinzelte Anfiedler dürften daſelbſt bereits angeſeſſen
gewefen fein, wenigftens in der Gegend, wo bald darauf die Kirche zu
St. Nikel „in den Weinbergen“ oder an der Nadebeule erbaut wurde.
Die fo erlangten Grundſtücke dürften größtentheils an einzelne Bürger
emphiteutiſch verpachtet worden jein. Einen Theil aber behielt die Stadt
in unmittelbarem Befige.
Bald hierauf gerieth die Stadt in einen ähnlichen Conflict mit
Melnik, wie vordem mit Außig. Die königliche Yeibgedingftadt Mel—
nie hatte von König Premyfl Ottokar II die Erlaubniß erhalten, auf
vier Schiffen Salz, Häringe und andere Dinge zuzuführen (24. Novem-
ber 1274). Wie dieß bereits König Wenzet II. gethan Hatte, beftätigte
nun aud Kart IV. dies Privilegium am 28. März 1352 ') und befahl
fogleih den Richtern von Raudnig, Yeitmerig, Außig, Tetfchen
und Pirna, fo wie den Burggrafen auf Königftein und Schreden-
ftein, die Melniker nicht gegen dieſes Privilegium zu behindern.
Ueber die Ausübung dieſes Rechtes aber geriethen diefe dennoch mit den
eiferfüchtigen Yeitmerigern in Streit, der fi möglicher Weife an die
Worte der Urkunde knüpfen konnte, wornad den erfteren die Zufuhr der
erwähnten Waaren „zum eigenen Nuten“ geftattet war, was jedenfalls
die leßteren wie „zu eigenem Gebrauche“ auffaffen mochten. Karl IV.
war daher genöthigt, durd eine autentifche Erklärung den Streit zu
Ihlichten und that dies durch eine eigene Vergleihsurfunde vom 16. Dec-
tober 1352, welche unter gleihem Datum und Wortlaute zugleich auch
von feiner Gemahlin Anna, als eigentliher Herrin von Me nit, ausge:
jtellt wurde. 2) Beide Urknnden find verloren gegangen, und wir fennen
ſomit die Art der Entfcheidung nicht, jedoch muß diefe für Leitmerig nicht
eben ungüuftig ausgefallen fein, da die Urfunde bis ins 16. Jahr⸗
hundert in Leitmeritz aufbewahrt und als deſſen Privilegium in
der Beltätigungsurfunde Ferdinands I. neben den übrigen mit ange:
führt wird.
Einige Tage, nachdem Karl von feiner Romfahrt zurückgekehrt
war, ſahen die Bürger von Leitmeritz den neugefrönten Kaifer in ihrer
eigenen Stadt ?), in der er fih um den 2. September 1355 aufhielt,
) Belzel Karl IV. I. Url. CXCVII und CXVCIII. °) Die Thatfache kennen wir
nur aus ber Erwähnung in der Beftätigungsurkunde Kerdinande I. v. 1547.
Leitm. St.:A. Nr. 36. °) Urkunde dto. Yeitmerit 2. September 1355 in
Pelzel Karl IV. 2. NR. CCCXVII.
— 55 —-
vie ICeicht um die ſächſiſchen Herzoge, die nach Prag reiſten, daſelbſt zu
enıyp fangen.
Einige Jahre fpäter, am 9. Mai 1359 rückte der milde Kaifer
dere Gränzftein des Stadtbefites wieder um cine Strede weiter bis an
dte Ufer der Elbe, indem er den bis an biefen vorjpringenden Berg „die
Ra Debeule” als folden Markftein der Stadt verehrte. Bis dahin war
diefer Berg einer der wenigen Refte von Befiungen, die die königliche
FKarrıme nod in der Nähe von Leitmerig am rechten Elbeufer befaß.
Diefer aber hatte die Radebeufe fein Erträgniß ergeben, indem ihre
Ychruen nichts als Hutweide boten. Karl verband daher, wie aus feinen
DBerttimmungen hervorgeht, mit der Schenkung derjelben den doppelten
Z3wed, das Gedeihen der Stadt und des Weinbanes in unferer Ge—
gend zugleich zu fördern. Er erlaubte mit obiger lirfunde ') den Schöppen
und Gefchworenen der Stadt, daß fie den Berg, „fo man heißet die
R deebeule“ fammt feinen umliegenden Sehnen (Leyten) zu „Weingart-
Merck machen“ dürfen und verlieh ihnen das Recht, die Lehnen auszumeſſen
und an wen immer fie wollen fo viel auszutheilen und zu verleihen, „als
lie Sottes Gnade und ihr eigener Verjtand Ichren wird“. Alle diejenigen,
die folche Weingärten anlegen würden, folfen zehn Jahre lang von Steuer,
Schoß, Zehnten und andern Forderungen bezüglich der betreffenden Wein—
gärten vollkommen befreit fein.
Nach Verlauf diefer Friſt aber foll jeder das zehnte Faß Wein ale
Zehent auf das fönigliche Haus zu Neitmerig mit feiner eigenen Fuhre
bringen, wenn e8 der Burggraf oder feine Beamten eben abfordern
würden Die Verſchoßung diefer Weinberge, das heißt der am die
Stadt zu entrichtende Zins wurde in der Weile bejtimmt, daß das Aus-
maß von acht Schäffeln Weingärten einen Werth von vier Mark (Silber)
darstellen und nah diefem Verhältniſſe verfhoßt werden foll, keinesfalls
aber Höher. Sollten nach zehn Jahren einzelne diefer Weingärten ver-
fauft werden, fo hat der Käufer nur den halben Werth des Kaufſchillings
zu verſchoßen und nicht mehr, im Uebrigen aber ijt jeder Befiger ſolcher
Reingärten von allen Dienften und Forderungen befreit und niemand
jſoll ſich anmaßen, dergleichen von ihm zu fordern. Die Weinberge, die
auf diefe Art angelegt wurden, führen nod) jet den Namen der „Zehent:
weinberge”, fo wie das Andenken jenes bürgerfreundlichen Könige noch
Kute im Volle nicht ganz verlöfcht ift.
Erſt feit den legt erwähnten zwei Schenkungen dehnten fid) die
y fit. St.⸗A. Nr. 8.
— 62 —
Bürger, was ihres Rechtes war, und ließen ſeine Schiffe nicht paſſieren.
Hierüber erzürnt ercommunizierte er diefelben und belegte die Stadt mit
dem Interdicte, das fie damals feit ihrem Beſtehen bereits zum zweiten
Male traf. Er gefteht aber felbft, daß gegenüber den auf ihre verbrief-
ten Rechte pochenden Bürgern feine Bannftrahlen ganz wirkungslos auf:
fielen. Er mußte fit alfo beim Hofe um Aufftellung eines Schiede:
richters beiverben, vor den er — e8 war der Schottenabt in Wien — die
Bürger citierte, fi mit ihnen einige Jahre lang herumſtritt, bis fie endlich
in die Koſten des Proceſſes verurtheilt wurden. Trotzdem aber konnte
er feine Anfprüche nicht durchfegen, denn die Bürger giengen in ihrer
„Vermeſſenheit“ fo weit, daß fie jelbit an den Babjt appellierten und
einen andern Richter verlangten. Der Proceß kam indeß zu einem ei>
gentlichen Ende, die Yeitineriger behaupteten, durch dier neue königliche Pri-
vifegium hierin beftärkt, ihr echt, und der Erzbifchof berechnete fich feinen
Schaden auf dreißig taufend Gulden. Wollte er diefe Verluſte nicht noch
durch neue Konfiscationen vergrößern laffen, jo mußte er das Handeltrei-
ben aufgeben. Der König aber fcheint mit der neuen Sanction die Abficht
verbunden zu haben, den Erzbiſchof von einem ähnlichen Berfuche dadurd)
abzufchredten, denn nun würde feine Segenpartei nicht miehr bloß die Bür-
gerfchaft, fondern direct die fünigl. Kammer geworden fein ').
Die Nenerung enthielt zwar gleih anfangs principiell eine
Schmälerung der alten Rechte ber Stadt, mochte aber in der Prar
von minderer Bedeutung fein, da ſich wohl nicht leicht jemand entichließen
fonnte, den fehr hohen Zoll lieber zu zahlen, als jeine Waare auszuftel.
len. Für die Zukunft aber war hiedurch nichts deſto weniger den bisher
ausgejchloffenen Handelsrivalen dennoch die Möglichkeit geboten, mit Yeit:
merig im dircten Handel nach dem Auslande zu concurrieren. Somit
war der erfte, wenngleih noch fo verdedte Riß in dem (Srumdprincipe
der ausschließlichen Privilegierung gejchehen, auf dem im Mittelalter die
Blüte der einzelnen Städte beruhte.
Raum war Wenzel aus der Gefangenschaft, in die ihn die böh—
mischen Herren geſetzt hatten, durch die Hilfe Johannes von Görlig
befreit worden ?), als wir die Spuren feiner in Betreff der Stadtange
fegenheiten mindejtens nicht unthätigen Regierung finden.
Er ordnete (wenn wir den Inhalt der Urkunde ?) vom 3. October
y) Nach der Klagichrift des Erzbifchofe, gedrudt bei Pelzel, 8. Wenzel I., Urkun⸗
denbuh Nr. CXVI. ?) Siehe Balacly G. v. ®. IM. 1. 71 fig. *) Leitm.
81:3. Nr. 18.
— 57 —
des Jahres wirklich unternahm. °) Zum Danke dafür überließ Kart
auf ewige Zeiten das (von König Johann für feine Kammer erhobene)
Ung elt, das beim Salzverfaufe eingehoben wurde 2) und das Schrott-
amt (d. h. die Abgabe, die beim Berfchrotten des Weines und Bieres
als Alngelt eingehoben wurde) der Stadt zu dem Zwecke, durch Verwen⸗
dung dieſer Einkünfte diefelbe mit Gräben, Mauern und Thürmen zu
verftärten oder diejelben in anderer Weile zu ihrem Nuten nach dem
Gutdünken des Nathes und der Schöppen zu verwenden. Zugleich wurde
die Hoͤhe des Salzungeltes dahin bejtimmt, daß von einem „Schedil“
Salzes ein Grofchen zu erheben fei. Dem Unterfämmerer, den Amtleuten
und Anwälten wurde bei Vermeidung der königl. Ungnade geboten, die
Bürger in der Ausübung diefes ihres Nechtes zu ſchützen und zu fördern ®)
So gelang es der fegensreichen Regierung Karls die Stadt von jener
Stufe, auf die fie unter Johanns Regimente herabgefunfen war, zu
weit größerer Blüte, als fie je vor dem erreicht, wieder empor zu heben.
An das fette Geſchenk Karls ſchloß fid) das erjte feines Sohnes,
deilen Regierung für Böhmen zwar höchſt unheilvoll ward, der aber
in dem Einen mindeftens an den Traditionen feiner Vorfahren hielt,
dab er, abgefehen von der traurigen Kinfeitigfeit, zu der er fpäter ver-
leitet wurde, gerade den Städten feine befondere Sorgfalt zumandte.
Unter demfelben Datum ftellte auch der junge durch des Waters fchwere
Opfer bereitd zum römischen Könige erwählte und zum böhmifchen ge-
könte Wenzel eine mit jener des Vaters im Wefentlichen gleichlautende
Urkunde aus,. wodurch er jener fomit im vorhinein feine königliche Beftä-
tigung ertheilte.
Da nach der Art. jener Zeit folche Ueberlaſſungen nur auf voran-
gegangenes, gewöhnlich mit einem Geſchenke verbundenes Anfuchen ge-
währt wurden, letzteres hier geradezu erwähnt wird, fo dürfen wir wohl
hiezu einen gerade in der Zeit vorliegenden Anlaß vermuthen und glauben
annehmen zu können, daß diefer in der chen damals vorbereiteten Er:
weiterung der Stadt lag, Im Jahre 1323 lag, wie erwähnt, die
Stodtirche, die Spitalfirhe und das Mlinoritenflofter noch aufer der
Stadt, 1421 aber, ale bie Hufiten die Stadt belagerten, würben vice
Webäude ficherlich zerftört und dieß von den davon erzählenden Quellen
mwähnt worden fein, wenn fie auch da noch außer den Mauern gejtanden
hätten. Ferner fagen die gleichzeitigen Aufzeichnungen der Stadtfchreiber
—— —23 — —— —
) Siche Palacky ©. v. B. II. 2. 390. ?) Zu unterſcheiden von der Abgabe, die
die Stadt außerdem als eine Art Marktgeld erhob. ?) Leitm. St.⸗A. Nr. 12.
— 58 —
(die mit era. 1500 beginnen), das 1537 hergeſtellte Rathhaus ſei auf dem
Flecke des früheren erbaut worden. Diefes frühere kann aber der Dert-
(ichleit nad nur nad Erweiterung der Stadt auf jenem Flecke ge:
ftanden haben. Was aber am meijten wiegt, ift, daß am Anfange des 15.
Jahrhunderts bereits des „Langen Thores“ bejtimmte Erwähnung ge:
Ihieht. ) In der Zwilchenzeit zwifchen den Jahren 1329 und 1405, in
welche jomit eine ſolche Erweiterung und mit ihr verbundene Aufführung
neuer Stadtmauern und Thürme fallen mußte, findet fich bei der immer-
bin nicht ganz unbedentenden Anzahl von Urkunden feine andere auch noch
jo leife Andeutung, außer der in der [eßterwähnten.
Es ift daher wahricheinlih, daB unter der jriedlichen nnd liebe-
vollen Regierung Karls durch die neuen Begabungen und Schenkungen
der Reihthum der <tadt wuchs, die Bevölkerung ji) mehrte und der
beichränfte Raum, den die erſten Anfiedler mit Mauern und Graben
eingehegt, nicht mehr genügte. Auch mußte die fortificatoriiche Rückſicht,
die jene bewogen hatte, mit Aufopferung aller Bequemlichkeit ſich auf
den möglichft Heinen Raum zufammen zu drängen, nun zum heile
aufhören, To bald eine vermehrte Bevölkerung auch einen größeren Um:
freis zu vertheidigen im Stande war. Somit dürften alfo feit dem Jahre
1377 mit Hilfe des jährlicd) einfommenden Ungelts von Salz; und gei⸗
jtigen Getränfen jene Mauern und Thürme erbaut worden fein, die aud)
die Stadtkirche und die Öjtlichen Theile der jegigen Stadt in deu Bercich
derfelben zogen und fchügend umgaben. In dielem neu binzugezogenen
Raume dürfte ſomit aud das Rathhaus bereit® auf jeiner jegigen Stelle
aufgeführt, und der Play vor diefem zum Marftplage geebnet und im
Yaufe der Jahre mit Käufern begränzt worden ſein. Ueberhaupt ging
die Erweiterung der Ztabt von dem nordweitlihen Ed aus in öſtlicher
und nordöjtliher Richtung vor ſich, To dak noch lange Zeit der Kaum
binter der nördlichen Käuferreihe des Marktes ein geräumiger Zwinger
blieb, den man als zur föniglihen Burg gehörig den „Königszwinger“
nannte. Er umfaßte den Raum, den jekt nach Norden zu die Ztadt:
mauer und nah Züden die untere Bräuhausgaſſe begränit und der ſich
weſtlich an das „königliche Haus“ «die Rade) anſchloß. Teitlih bin,
auf dem Raume der jegigen aroken Tomintlanergattie, harte dic Juden
gemeinde ihren Stadttheil.) Zo veränderte die Stadt nach dem
Tode Karls bereite ihr Bild bedeutend nach außen bin, um bald auch
') Urtunde vom 19. Imi 1405 im Dresduer Hpt.:Urd. Orig. Rr.5337. :) Ge:
naunt 1411 al6 „platea Indaeorum” Dretduer St-Arch. Irig. Nr. 549.
— 59 —
ihr inneres Weſen in noch bebeutfamerer Weife zu verändern. Unter
König Wenzel machte ſich indeß diefer Umſchwung nod nicht bemerf:
bar, obgleich die Grundlagen der neuen Ordnung der Dinge geichaffen
und die NRevelution begonnen wurde.
Am 29. November 1378 war Karl IV. gejtorben, und im April des
nächiten Jahres begaben ſich die Gefandten von Yeitmerig nah Prag,
um den neuen König, der fich bereits als Kronprinz der Stadt geneigt
erwieſen, um feinen ferneren Schuß zu bitten. In Folge deifen beftätigte
B enzel am 30. April 1379 das Hauptprivilegium Karls ſammt dem
darin enthaltenen des König Johann)), bald verlieh er der Stadt noch
ene befondere Auszeihnung. Das alte königliche Zupans, nunmehr
gewöhntih Burggrafenamt genannt, bejtand zwar als Kreisbehörde
noch fort, war jedoch, wie aus dem vorigen erfichtlich, nur mehr ein
ſchwacher Schatten jenes Amtes, das ehedem für eines ber fünf höchſten
Armter im SKönigreiche gegolten hatte. Anftatt daß fi an die Namen
der Burggrafen wie chedem große Reminiscenzen knüpfen follten, begegnen
wir denfelben gar nirgends mehr. In demfelben Verhältniffe ſank auch
die Macht und Bedeutung der alten „Zaude” oder des königlichen Kreis-
gerihts, da ihm durch die verfchiedenartigen Immunitäten fajt aller
Boden entzogen worden war. War doch in der nächſten Nähe des
Sitzes desfelben das Gebiet der Stadt feit deren Gründung, das bebeu-
tende Gut des Domftiftes aber feit 12522) von aller Gerichtsbarkeit
des Kreisgerichtes eximiert und diefe dem Probjte, in feiner Abweſenheit
dem Könige oder deſſen oberjten Yandrichter zugewiefen. Außerdem hatte
fih bereits Ottofarl. einige Streitfachen gewifler Stände vorbehalten,
und Ottofarll. die Controlle über die Kreisgerichte der prager Zaude
übertragen. 3) Da aber die Burggrafen, die bei der Kriegsgerichtspflege
die Srecutionsgewalt bejaßen, verhältnigmäßig noch ohmmächtiger gewor-
den waren, fo würde auch die noch übrige Gerichtspflege wegen mangel-
hafter Execution zu Grunde gegangen fein, wenn fich nicht bereits im
13. Jahrhunderte das Anftitut der befonderen Rechtspfleger (justitiarii,
Poprawce) gebildet hätte. Wir haben bereits gefehen, wie dieſe Kreis-
behörde wicht mehr im Stande war, den Probſt vor Befitjtörungen zu
IMügen, ja nicht einmal die Störer ohne Hilfe der Bürgerſchaft
vor das Gericht zu ftellen. Hierin lag für die Bürgerfchaft jedenfalle
Eine bedeutende Laſt, für die fie indeß die damit verbundene Ehre einiger-
) Leitm. St.⸗A. Nr. 14. ?) Erben Reg. 1252.594. °) Balady G. v. B. IL. 1.161.
— 60 —
maßen entfdyädigt haben mag. Bisher war e8 nur dem Abel geglüdt, dieſes
vielerftrebte Amt vom Könige als Zeichen befonderer Gunjt zu erlangen ’)
Wir müſſen es daher wohl als ein Zeichen befonderer Gunſt anjehen,
daß Rönig Wenzel diefes adelige Recht der Rechtspflege auch den Städten
übergab und diefe fomit als Vertretung des dritten Standes den bei-
ben erfien des Königreih6 zugeſellte. Cr that dieß in Betreff Teitme-
rig dur eine Urkunde?) ddo Prag am 19. Juni 1381, indem er gleich
zeitig allen Kämmerern, Sudaren, Burggrafen, Biceburggrafen, allen übrigen
‚uftitiaren (poprawconibus) Böhmens, fowie den Einwohnern ihrer
Bezirke, der Städte und Orte befahl, die Richter, die Geſchwornen und
Buͤrger der Stadt Yeitmerig im Amte der genannten Rechtspflege und
In der Ausübung desfelben nicht zu hindern, jondern vielmehr ihnen auf
Ihr Begehren allen nöthigen Beiſtand zu leiften. Auch follte die Stadt
von nun am aller jener Rechte, Guaden und Ehren, die mit jenem
Aınte zuſammen hiengen, theilhaftig fein. inter diefen echten und
Ehren müffen wir vor allen das verftehen, daß der Bürgerftand min-
deſtens durch eine Vertretung Sit und Stimme bei dem Kreisgerichte
jelbft gewann und fomit als ein berechtigter Stand bei den üblichen
Kreistagen, deren Hauptzwed die Erhaltung des Landfriedens war,
durch den König felbft anerkannt und dem Herren: und Nitterftande an
die Seite gneftellt wide. Diefe Stellung mochte indeß allerdings fchon
lange von factifchem Beſtande fein, ehe fie förmlich als anerkannt aus⸗
nefprochen wurde, da die Nechtspfleger offenbar nur aus dem Kreiſe der
Gerichtsbeiſitzer gewählt wurden.
Die von Karl in Yeitmerig beftätigte jährliche Meſſe verlegte
Wenzel auf Bitten des Rathes von dem St. Jakobstage auf den Aller—
beitinentag, wahrjcheintich weil an dieſem als dem Weite der Haupt:
firche ohnehin ein größerer Vollszulammenfluß ftattfand, als am zweite,
dad dar Minoritenkloſter feierte. *)
Bei andern Beynadigungen oder Beftätigungen ſolcher wußte Wenzel
auch jeinen directen Vortheil recht wohl im Auge zu behalten. So be-
jtätigte er am 11. Feber 1391 das alte Stapelrecht in der Weile, daB
er eine neue Sauetion desſelden zu jeinen eigenen unten einführte.
Din dabin batten die Bürger nach alter Gewohndeit ein Schiff, deſſen
Indhabder jich feiner aus dem erwähnten Stapelrechte entipringenden Plicht
dSiede Pal G. d. B. 1.1. 1532. N Ye Sr: Nr. 15. Unter allen
Srödten erhielt Diefee Rede zuer Pillen. S. Petzel. Wenzel IV. L 107.
) Kette. Ot. N. Nr. IG Die. Vürglein I& Newemb. 1339.
— 61 —
der „Niederlage“ zu entziehen verfucdhte, zu eigenem Nugen in Beſchlag
genommen. Indem dieß Wenzel abftellte, verordnete er, daß jeder Kauf-
mann, der mit feinem Schiffe das Stapelrecht der Stadt umgieng, dreißig
Goldgulden als Zoll zu zahlen habe. Diefen Zoll follen die Bürger
erheben und an die königliche Kammer abliefern. Sollte aber jemand in
beionderer Frechheit beides, Niederlage und Zoll, umgehen, fo follen ihn
die Bürger in Haft nehmen und für die königliche Beftrafung auf:
bewahren. ')
Veranlaffung zu diefer Beſtimmung gab jedenfalls der Langjährige
Streit, in dem ſowohl der König, wie die Stadt mit dem Erzbiſchofe
Johann von Ienftein lagen. So gewogen diefem der König geweſen
wer, fo lange er fich ihm als mehr denn muntern Tiſchgenoſſen präfen-
tierte, fo gram wurde er ihm feit feiner Belehrung, an der wieder ber
magdeburger Erzbifchof Schuld trug, indem er nad) einer durchſchwärmten
Nacht die Unvorfichtigkeit begieng, den Hals zu brechen. Es hätte den
König vielleicht noch weniger gefümmert, daß nun der Oberhirt ebenſo
Biel Nächte, als er einft in ziemlich weltlicher Weife verbracht, einfam
betend auf dem St. Georgsberge, den er ohne Begleitung ale
Büßender von feinem Schloße Raudnig aus erftieg, durchwachte, als
daß er num auch fo energifch und eiferfüchtig über die Rechte feines Bis-
thums wachte und im feinem Feuereifer num ebenfo fehr über jedes
Maß Hienausgieng, als er ehedem in Yäffigkeit zurücgeblieben war. Wie
er fih auf diefe Art bereits ſämmtliche Hoſbeamten verfeindet hatte, fo
gerieth er nun auch noch in Streit mit der Yeimeriger Bürgerſchaft,
indem er fi) als Firchliches Oberhaupt über die Privilegien einer einzel:
nem Stadt, infofern fie auch ihm eine Beſchränkung auferlegten, hinaus
legen zu können glaubte. Cr behauptete, die Oberhirten Böhmens
hätten als Herren des Städtchens Raudnitz feit Menſchengedenken das
Recht gehabt, ihre Schiffe mit Getreide oder anderer Waare beladen von
Kaudnig aus elbeabwärts nach Niederdeutfchland zu ſchicken und feien
in deiien Ausübung auf Befehl des Königs erſt etwa feit Zehn oder
etwas mehr Jahren verhindert worden.
Taf er ſich hierin irrte, beweifen die oben angeführten Stadt-
rivilegien, die nın das Jahr 1393 (in diefem Jahre erzählt der Erz:
biſchof die Ihatfache) allefamınt älter als zehm Jahre waren. Als er
kin vermeintliches Recht durchzufegen fuchte, thaten bie leitmeritzer
—
tet. St.⸗A. Nr. 17.
— 623 —
Bürger, was ihres Rechtes war, und ließen feine Schiffe nicht paffieren.
Hleruber erzürnt ercommmmmizierte er diefelben und belegte die Stadt miı
dem Interdiete, das fie damals feit ihrem Beſtehen bereits zum zweiter
Mate traf, Er gefteht aber felbft, daß gegenüber den auf ihre verbrief:
ten Rechte pochenden Bürgern feine Bannſtrahlen ganz wirkungslos auf:
tlefen, Er mußte ſich alſo beim Hofe um Anfftellung eines Schiede:
richters beiverben, vor den er es war der Schottenabt in Wien — die
Wilrger eltierte, ſich mit ihnen einige Dahre lang herumſtritt, bie fie endlid
In De Koſten des Proceſſes verurtheilt wurden. Trotzdem aber Tonnte
er ſelue Anſprilche wicht durchfeßen, denn die Bürger giengen in ihrer
„Vermeſſenheit“ ſo weit, daß fie jelbjt an den Pabſt appellierten und
einen andern Richter verlangten. Der Procek kam indeß zu einem ei⸗
nenetlchen Ende, Die Yeitineriger behaupteten, durch dieR neue königliche Pri-
vilegium bierin beitärkt, ihr echt, und der Erzbiſchof berechnete ſich Teinen
Schaden auf dreikig tauſend Gulden. Wollte er dieſe Verluſte nicht noch
durch neue Confiscationen vergrößern laſſen, ſo muRte er dad Handeltrei⸗
ben aujgeben. Der König aber Scheine mir der neuen Sanction die Abſöicht
verdunden zu Daben, den Ersbiichot von einem übnlihen Veriunche dadurch
abzuſchvecken. denn nen würde ĩcine Gegenpartei nicht mehr >IeR die Pür
geriibaft, Fondern direet die ünial. Kammer geworden Jür!.
Die Neuerung cemtdielt mus cl arfazıd erumistell eine
Alpmeietung der alten Rechte Gr Zum zn zur a N Enz
von mtittderer NRedeutuna deut, Da Mio)! ziär ind wma arts
toutede den dr oje SS heben zu zahlen 22 um War org
wi ir Ne Sultan nr wur Bund mid Ri wemue RI NEN
usgeitiitkucee Nuiiartguiu nz x ν mAcT EI Yzıt
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A. A. 0.
— 63 —
1393 richtig auffaſſen) die Art und Weiſe, wie die Bürger von ihrer
fahreau den Habe den Schoß (Zins an die Stadt) zu entrichten hät-
ten. Wei liegenden Gründen beftand bereits eine alte rechtsträftige Ge⸗
wohn &eit, bei beweglichen Gute aber mag man fi) oft über den Werth
desſe IBen beim Einzelnen ſchwer geeinigt haben. Wenzel beftimmte daher,
daß Derienige Bürger, der an die Stadt einen beweglichen Befit im
Wert he von vierzig Schod zu verfchoßen ſich Herbeifäßt, Keinen Eid
über Sein Vermögen abzulegen habe, während diejenigen, welche unter
10 Schock verfchoßen, ihre Angabe mit einem ide zu beftätigen ge:
wungen find. Auch diefen Beichluß mag die reichere Partei der Bürger:
haft durch Bitten und Gefchente vom Könige erlangt haben, da durch
ihn gerade die vermögenditen in den Stand gefegt waren, nad) dem Maß:
jtabe ihres Gemeinfinnes ihre Zinfungen im Verhältniſſe herabzufegen,
während den minder Begüterten von der thatfächlichen Verpflichtung nichts
nachgelaſſen wurde. Dieß mag ein fernerer Beweis fein, daß in der Stabt
jelbit ein vermögender und felbft in NRegierungskreifen nicht einflußlofer
Patrizierftand empor gekommen war. Die Regierung konnte fich freilich
andererfeit8 den Anfchein geben, als fei es ihr Princip, den Erwerbfleiß
der Einzelnen durch folche Beftimmungen zu belohnen, gewiß war es ihr
aber vorzüglich um den nächſten Gewinn zu than.
Ganz aus denselben Grunde wachte die königliche Kammer mit
wahrhaft väterlicher Sorgfalt darüber, daß die reich gewordenen Bürger
niht etwa durch Luxus und Verſchwendung wieder zur Unvermögenheit
berabfänken. Die reichen Patrizierfamifien nütten eben durch ihren Reich:
thum, der im Falle des Bedarfes fi) den Anforderungen des Königs nicht
entziehen durfte, diefem weit mehr, ats bie ihm widerjtrebende Macht der
beiden andern Stände. Es lag aber and) nahe, daß diefer Stand feine
Bedeutung und Macht nach Außen hin zur Schau zu tragen und mit den
andern zu wetteifern verfucht wurde, was König Wenzel derartige Be:
denken einflößte, daß er durch eim Decret ”), das er vor feiner Reife
nad Deutſchland am 27. Juli 1398 erließ, den großen Aufwand,
der in Leitmeritz befonders bei Hochzeiten und „Kindbetten“ ge:
maht wurde, ftreng tadelte, da er nicht wolle, daß die Bürger in Leit:
merig folher Gewohnheit halber „abnehmen und zu Schaden kommen“,
m nunmehr ein Maximum deifen, was fi) ein Bürger bei fo feſtlichen
Örfegenheiten erlauben und gönnen dürfe, feſtſetzte. Nicht lange vorher
hatte er das königliche Schloß in der Stadt fammt den Räumlichkeiten
) keit, St.⸗I. Ar. 19.
— 4 —
ber Ktreisbehörde (dem Amechte) feiner Schweiter Cliiabeıh, Marlarätin
von Meißen auf Yebenszeiten geihent:, damit fie, wie er ſagte, „bei une
defto öfter fein und beleiben möge.” Zugleich wies er die Pürger an,
ihrer fürſtlichen Inwohnerin jene 200 fl. jährlich auszu;ahlen, ;u der fie
der Kammer verpflichtet waren, wie desgleihen aud die Klöſter Doxan
und Altzell ihre Jahreszinſe von Doran und Yobofig von nun an ihr
entrichten mußten. ')
Eine gleihe Berückſichtigung fand die Stadt bei des Könige Retter,
ben Dlartarafen Brolop, als diefer bei der Abwefenheit und Krankheit
Wenzels ale „Hauptmaun von Böhmen“ das Yand regierte. Am
A, Feber 1398 (ober 1397, da die Urkunde fein Jahr angibt) verweilte
dieſer perſonlich zu Veitmeritz und befreite die Stadt durd einen
Grtaß ?) von den nicht bürgerlichen Handwerkern, die fich zu ihrer Beein
trächtigung und wider Ihre Privilegien auf den meiſt geiftlihen Gütern
um die Stadt herum in dem fetten ſchutzloſen Zeiten niedergelaffen hatten,
Indem er dieſen gebot, binnen fünf Zagen die Bannmeile zu verlaflen
und falle fie irgend ein Lönigliches echt zu haben vermeinten, fich in
Prag zur nächſten Ouartember⸗ (Serichts-)zeit vor ihn zu ftellen.
As der Pfalzgraf Ruprecht im Frühlinge des Jahres 1401
nad” Wöhmen vordrang, um Wenzeln die deutfche Königskrone zu
entreiſſen, muſite natürlich auch unfere Stadt ihre Mannſchaft ins Feld
ftellen. Ein derartiger Löniglicher Befehl ergieng an fie am 20. Aprit,
der ihr nebot, fo viel bewaffnetes Volt, als zumeift ihr möglich fein
wilrde, anfzuftellen, die Banptleute Im Namen des Könige einzufegen
und mit Diefen Truppen „nach alter Sitte” die Gränzen zu be-
wachen ?). Es iſt anzunehmen, daß Yeitinerig zu jenen Städten gehörte,
werde Wenzel nicht nur im Kampfe genen die äußern Keinde, Tondern
fpäter auch gegen feinen Bruder Siegmund treu blieben, obgleidy ſich
der Antheil, den veitmeritz an diefen Kämpfen nahm, aus nichts mehr er⸗
fernen läßkt. Deſto ficherer ift 08, daß jene Zeit der Wirren, in denen
endiich Menzel IV. von feinem Bruder Siegmud gefangen nad
Wien geführt wurde, wegen der öffentlichen Unficherheit im Yande, Ge—
waltthaten und Frevel jieder Art zu den traurigiten Epochen zu rechnen
ft, Die die Arädte Vöhumense feit ihrer Entjtchung bis zu der Aeit der
Puſitenkriege richten: denn gerade der Handel, der fie erhielt, litt unter
u ddo. 29, Janner und 24. Novemb. 1397 im Dresdner HR.:Ür. M.
M. a4ueu. 9 veinn. rc Atr. Ar. Mm. 9 Prag MO, April 1401. Peitm.
al,
— 65 —
ſolchen Umſtänden am meiſten. Obgleich der Yandtag, welcher am 18.
Februar 1402 im St. Jakobskloſter zu Brag zuſammengetreten war,
unter anderem auch jtrenge Maßregeln gegen Yandesjchädiger, Fehden
und Selbfthilfe erlalfen hatte, fo konnte dieß doch in der nachfolgenden
Zeit feinen Schuß gewähren. Bald nadyden es König Wenzel gelungen
war, aus Wien zu entkommen und nad) Prag zurüdzufehren, nahın
er, ernjter geworden, einen fichtlihen Anlanf zu einer gewilfenhafteren
Regierung, indem er vor allem darnad) tradhtete, die öffentliche Sicher:
heit im Lande wieder herzuftellen. Tas oberfte Yandesgericht erneuerte
(1404) die früheren ftrengen Maßregeln gegen alle Yandesfchädiger, ſetzte
den Verluſt des Lebens nnd Gutes darauf, wenn irgend cin Bewohner
des Yandes, weß Standes er immer fe, durd Fehde oder Raub er:
worbene Güter faufen oder annehmen würde. Die Königlichen Städte
jollten im Vereine mit den NRechtöpflegern des Kreiſes nad) ſolchen Fällen
ſich erkundigen und Recht pflegen. Tiefe ftrengen Maßregeln fowohl als
auch die erwähnten Beſchlüſſe des VYandtages von 1402 theilte uun
Menzel von Zebrak aus am 15. Jänner 1405 der Stadt Yeit-
merig zur Darnachachtung mit "), indem er die Bürger zugleich) anwies,
den durch alle Kreife Böhmens aufs Neue ernannten Rechtspflegern, fo
oft diefe es verlangen würden, bei Verfolgung und Unterdrückung der
Bölewichte, Räuber und Bedrüder des Yandes und feiner Bewohner
nad allen Kräften Hilfe zu Teiften, wogegen die NRechtspfleger verhalten
find, der Stadt den gleichen Beiftand zu gewähren. Wer aber den Sang
der Rechtspflege in irgend etwas zu behindern verfuchen würde, gegen den
Voll wie gegen einen Uebelthäter und Aufrührer vorgegangen werden. Ade
lige Rechtspfleger des Teitmeriter Kreifes waren damals Johann von
Bartenberg und Berka von Hollnjtein.?) Diefe Erläffe mußten
dur einen Herold in der Stadt öffentlich ausgerufen und verfündet
werden. Durch jtrenge Handhabung derfelben wurden die Wege und
Strafen Böhmeng wicder ficher für den Handelsmanı, und das Ge—
deihen der Stadt nad) langer tranriger Zeit aufs neue gefördert.
Roc in demfelben Jahre erlaubte Wenzel den Bürgern, jeden»
falle nur auf vorangegangenes durch cin Geſchenk unterftühtes Bitten,
um ihrer „nugen Dienfte* willen zum Bejten der Stadt ein Getreide-
ungelt in der Weife zu erheben, daß jeder Käufer und Verkäufer von
Getreide, welcher Gattung immer, von jedem Schäffel einen Heller ent-
Tüten follte. Das Erträgniß diefes Ungeltes foll vor allem wieder zur
Y ft St.Ar. Nr. 22. ?) Pelzel Wenzet IV. II. 506.
—
-. 6 —
Berbefferung von Mauern und Thürmen der Stadt, außerdem aber aud)
nad) Einſicht der Bürger zu anderer Nothdurft der Stadt verwendet
werden.) Da fih Wenzel zugleich auch die Wiedererwerbung der
gegen Ruprecht von der Pfalz verlorenen Gebiete angelegen fein ließ,
jo fand die Stadt bald Gelegenheit, ihn durch bedeutende Beiſteuern zu
unterftügen, deren Empfang er am 20. Mai 1406 von Karlſtein aus
beftätigte. °)
3m Jahre 1409 gefchah ein weiterer Schritt, die urfprüngliche
Grundlage des bürgerlichen Erwerbes, das Stapelrecht, zu verrüden, ja
theilweife zu zerjtören. Bei dem Beſtreben der bereits reich geworbenen
Batriziergefchlechter , die Laſten der Gemeinde fo viel als möglich von
fich zu wälzen und lieber dur allgemeine Einkünfte zu decken, gab man
gern einen minder in die Augen fpringenden Vortheil anf, um den nächften
wenngleich nur fcheinbaren zu erringen. Andererfeits muß die bejondere
Auszeihnung einer einzelnen Stadt im Laufe der Zeit als arge Beein-
trächtigung der fpäter emporgeblühten betrachtet worden fein und es wird
daher ein Beftreben der Regierung bemerkbar, jene hemmenden Vorrechte
der allein bevorzugten Stadt nah und nad um ein Billiges gleichfam
wieder abzuhandeln, was bei der Eurzfichtigen Patrizierpolitif fehr Leicht
gelang. So gab Wenzet IV. den Handel mit Getreide auf der
Eibe gewifjermaßen frei, indem er zur Entſchädigung des hiedurdh in
feinen Rechten gefchädigten Leitmeritz feftitellte, daß jeder Handels⸗
mann oder Schiffer, der Getreide welcher Art immer von Raud nitz
oder von einem andern Orte aus Elbe ab- oder aufwärts führe, von nun
an von jedem Striche Getreide, der fi anf dem Schiffe befindet, vier
Heller prager Münze unter dem Namen eincs Ungeltes an die Ge—
meinde entrichten folle, ohne fernerhin zur „Niederlage“ gezwungen zu
fein. In allen übrigen Fällen aber, das heißt wenn die Waare nicht
gerade aus Getreide beftand, follte das alte Stapelreht aufrecht er:
halten bleiben. Offenbar hatte das alte Stadtvorredt gerade auf den
Getreidehandel am meiften bedrüdend eingewirft. Das Erträgniß dieſes
Ungelts foll ebenfalls zur Ausbefferung der fchadhaften Mauern, Thürme
und Gräben, welche von Tag zu Tag ausgebeffert werden follen, und
zu nichts anderem verwendet werden. (1409, 6 Juli) ?).
Während die Gefchichte unferer Stadt bisher das Bild zwar nicht
ungeftörter, aber im Ganzen doch friedlicher und gewiſſermaßen organi-
Prtm. St.sAr. Nr. 23. ?) Leitm. St.-Ar. Nr. 24. °) Leitm. St.:X. Nr. 25,
— 6171 —
Iher Entwicklung eines deutfchen Gemeinweſens in einem fremden Lande
bot, Zeigen fi) von nun an die VBorboten eines Sturmes, der die frenide
berrlache Pflanze zwar nicht mehr entwurzeln, aber von der Wurzel weg
breden konnte,
8. Bas Huftenthum.
Der ungeheuere Reichthum und blendende äußere Glanz, der die
Kirche und ihre Diener umgab, war durd) Kailer Karies IV. Muni—
fienz zur höchften Stufe emporgeftiegen. Die höhere und die alte Ordens:
geiltlüchleit verhehlten nichts weniger ala die Macht und den Glan; ihrer
Stellung, fondern ftellten fie mit Oftentation zur Schau, während die niedern
Open zum Theile unter dem Scheine der Armfeligfeit ihre Habſucht ver:
bargen. Schon der bloße Neid der armen in höchft dürftigen Verhält⸗
niſſen lebenden Unterthanenbevölkerung mußte über kurz und lang eine
große Reaktion erwecken, felbft wenn auch das tiefere, religiöfe Moment
unberührt geblieben wäre. Auf welche Weife jedoch immer der Verſuch
gemacht wurde, den Schleier der Heiligkeit zu zerreißen, der ftets ſchützend
d08 Beftehende umgibt, fo konnte die einmal gewedte Reaktion nicht
ſiehen bleiben, fondern ſobald fie fi) an die höchfte Schranke gewagt, mußte
fie alle anderen für nichtig erachten. Wohl in minderem Grade, doch iımmer-
bin ähnlich wie die Geiftlichteit konnte auch der Wohlftand des Bürger:
thums oder der Deutfchen in Böhmen, wie man dieß identifizieren
mußte, den Neid der Menge erweden, um fo mehr, als fich in den
Städten wirklich bereits ein ariftofratifches Clement entwidelt hatte,
dem ein mehr oder minder zahlreiches demokratifches gegenüber ftand.
Denn auch nicht durchgängig, fo muß man doch im Allgemeinen die
alten deut ſchen Bürgerfamilien für die Vertreter des erfteren, dagegen
de Ipäter in den Stadtverband aufgenommenen Stavenfamilien für bie
Repräfentanten des letzteren halten.
So erwachte wirklich feit dem Ende des 14. Jahrhunderts eine
großartige Bewegung in doppelter Richtung, die durch die unkluge Haltung
des Regenten unaufhaltfam wurde. So eng find beide Richtungen, die
religiöfe und die focial-nationale verbunden, daß es gewöhnlich zu
gerögen fcheint, die erjtere als Repräfentantin beider und des ganzen
Feitalters überhaupt darzuftellen. In der Gefchichte unferer Stadt aber
wärbe diefe Auffaflung nicht genügen, für uns ift im Gegentheile ve
5%
— 74 —
fanatiſche Treiben der Taboriten aus ihren eigenen Wohnſitzen vertrieben
worden waren und bei ihm Zuflucht ſuchten, gaſtfrei ſeine Thore ge⸗
öffnet.) Allerdings mußten die Bereiſungen feiner Städte und Schloöſſer,
die Siegmund mittlerweile in Begleitung feiner Gemahlin und der Königin
Sophie ?) fo wie des päbftlichen Legaten Ferdinand, Biſchofs von
Yucca unternahm, mit ungeheurer Eile vor fi gehen. Nachdem er von
Prag zunähft nah Jungbunzlau gereift war, befand er fih am
27. Mai in Melnik, reifte von dba nah Leitmeritz, dann nad
Schlan, und traf deffenungeachtet über Pürglig, Zebrak, Toenik,
Rarlftein und Königsſaal doch fon am letzten Mai wieder in
Wyſchehrad ein. Da fi keine von Leitmeritz aus ausgeftellte
Urkunde mehr vorfindet, wahrfcheinfich dafelbit auch überhaupt Teine aus-
geftellt wurbe, fo läßt fid) das Datum feines Aufenthaltes dafelbit nicht
ganz ficher ftellen, doch Fann als folches als wahrjcheinlich der 28. Mai
angenommen werden. Selbft diefe kurze Zeit genügte zur DVeranftaltung
eines großen Autodafes, das kurz nad der Abreife des Kaiſers vollzogen
wurde.
Wie mehrfadh erwähnt, hatten bis zu dieſer Zeit bereits in allen
Städten Böhmens, aud wo nicht: etwa die urfprüngliche Bevölkerung
des zur Stadt erhobenen Yledens in die Stadt Aufnahme gefunden
hatte, aud) Gehen fich niederlaffen dürfen und waren der Privilegien
und Rechte theilhaftig geworden, wenn fie auch immer noch die Minder⸗
zahl bildeten. Auch in Leitmerig mag dieß wie anderswo bereits
der Fall geweſen fein und fo blieb auch diefes nicht frei von der bes
tannten Behelligung durch maßlofe Anfprüche einer ſich felbit überfchägen-
den Partei. Es ift aud) möglich, daß diefe Fleine Partei neue Verſtärkung
erhielt durch die in die Stadt aufgenommenen Flüchtlinge; denn nicht
bloß Katholiten und Deutiche flohen vor den Horden der Zaboriten,
fondern auch die gemäßigteren Utraquiften ?) mußten vor den Gräuel-
thaten derfelben den Schuß ficherer Mauern fuchen. Am tiebften flohen
diefe allerdings nad) Prag, es ift aber leicht denkbar, daß nicht jedem
der Weg dahin offen ftand, nnd fo fid) mancher entſchließen mußte, unter
Katholiken Zuflucht zu ſuchen. Mag das wie immer geflommen fein, fo
ift gewiß, daß ſich auch in Leitmeritz die national-religiöfe Bewegung
einzufchleichen drohte und dafelbjt bereits ihre Anhänger fand. Bei der
großen Gefahr, die hiedurch dem Beftande aller alten Verhältniffe in
') Lorenz von Biegowa in fonteo rerum austriocarum. VI. ®nd. I. 410.
*) Biggowa a. a. O. I. 411. °) Ebend 410.
— 69 —
in Johann Hug, der felbft bereits mit dem kirchlichen Streben das
nattonale zu vereinigen wußte. Trotz der mannigfadhen Vorzüge, die
ihn zum Volksmanne machten, liegt doch die Größe feiner Erfolge vor:
züglich darin, daß c8 gelungen war, den Hof, vornehmlich aber ein re:
ligiös ſchwärmeriſches Weib und den unflügften der böhmifchen Könige für
die Sache des Umfturzes felbft zu gewinnen.
Es war das erftemal feit dem Beſtehen des deutſchen Bürger-
Hdums in Böhmen, daß fi ein übel berathener König von diefem
jemen allzeit getreueften Stande Iosfagte, ja fogar Partei gegen den-
jelben nahm. Wie groß diefer fat unbegreiflihe Mißriff war, beweifen
am Schlagendften die Folgen. Begreiflich wird uns diefer Umſchwung
nur dann, wenn wir König Wenzel IV. als ein einfichts- und willen-
loſes Spielzeug feiner Camarilla anfehen, die allerdings Grund genug
hatte, mit Neid auf die üppig lebende zahfreiche Geiftlichkeit zu bliden :
denjelben Grund hatte der Adel gegenüber dem Bürgerthum und Deutfch-
tum, Die fo aus gleichen Intereſſen hervorgehende Allianz des Adels,
vorzüglich des niederen, und des Volkes war aber um fo fräftiger,
als ihr gegenüber eine gleich enge Verbindung des Bürgerthums mit ber
Gkiftlichkeit oder etwa dem höheren Adel nicht ftatt fand, und der König
feine eigene Partei verfieß. Der bekannte Streit um den Willefismus
brabte das Feuer zu vollem Ausbruche. Doch war ein Sieg der hufitifch-
nationalen Partei nicht denkbar, fo lange die beftehenden Verhältniſſe
aufreht erhalten wurden; man wußte ſich jedoch an den König zu wenden und
von ihm, dem übel berathenen, einen Machtſpruch zu erbitten, der vorder:
hand die beftehenden Verhäftniffe an der prager Univerſität, dem gei-
figen Mittelpunfte des Landes, total auf den Kopf ftellte (1409), und hie:
mit wor der erjte gewaltige Stoß gegen das Deutſchthum in Böhmen
geführt. Die Eine dechiſche Nation follte nunmehr drei, die weit zahlrei-
cheren ausländifchen Nationen hingegen follten zufammen nur Cine Stimme
erhalten. Daß letzteren hiedurd) der Aufenthalt in Prag verleidet war und fie
allſanmt zum größten Schaden der Stadt und Böhmens überhaupt
aus der ungaftlihen Stätte auswanderten, ift fo natürlich, daß wir
derin eben nicht „Leidenfchaftliche Aufwallung“) finden Können. Hiemit
wer ſchon nad) Einer Richtung Hin die freie Bahn gewonnen; doch blieb
nn ein großes Stüd Arbeit. Die Bürgerfhaft Prags war
detwegen doch immer noch vorwiegend deutsch und die Vertretung der
Wie ee Palacty III. 1. 236 nicht ohne Tadel bezeichnet.
— 1 —
Erſt Mitte Juni kam das Kreuzheer vor Prag und begann
erſt Ende dieſes Monats die fruchtloſe Belagerung. Ohne Sang und
Klang ließ ſich Siegmund auf dem ihm verbliebenen prager Schloße
am 28. Juli krönen und zog am 30. wieder ab, worauf er ſich zu-
meiſt in Kolin, Kuttenberg und Caslau aufhielt. Kühner
geworden begannen am 15. September die Prager ihrerſeits die
königlich Burg Wyſchehrad zu belagern. Siegmund durchzog
indeſſen den bunzlauer Kreis ohne ber Beſatzung Wyſchehrads
Proviant ſenden zu können, bis es ihm am 10. October gelang, den
Saazern einige Proviantwagen abzunehmen. Dafür aber erlitt er bei
Saaz felbft am 24. eine Niederlage, worauf er fid mit feinem Heinen
Heere über Laun wieder nah Reitmerig zog. Bier brachte er wieder
einen oder zwei Tage (etwa den 26. und 27. Dftober) zu, woſelbſt ihn
Abgejandte von feiner Befagung Wyſchehrad trafen, die ihn mit den
dringendften Bitten beftürmten, er möge dem aufs Höchſte bedrängten
Wyſchehrad fchleunigit zu Hilfe eilen. Er tröftete fie mit dem Verſprechen,
ihnen in Kürze die Moldau herab Victualien auf die Infel unterhalb
dem Wyſchehrad zu befördern. Wirklich war er allen Ernftes darauf
bedadht, dieſem Verſprechen nachzukommen, nahm die in Keitmerig
vorhandenen Efbefchiffe, Iud fie auf Wagen und führte fie mit feinem
Volke fröhlid) nah Beraun, mofelbft er am 28. October bereits ein-
getroffen war. !) Dort wurden die mit Proviant reich beladenen Schiffe
in die Moldau gelaffen und ſchwammen Iuftig den — Pragern in die
Hände, denen die Sache bereit8 verrathen worden war. Dagegen gelang
es dem Könige von Karlsftein aus einigen Proviant in die Burg
macden, mit Silfe von deſſen Bewaffneten . . . . verbaften. Letzteres iſt eine
ganz willführliche Zuthat, die der Wirklichkeit wideripricht, indem das Chroni-
con univ. ansdrüdlich fagt, die Männer („viri“ nicht eben cives) feien „a nati-
vitate Christi vinculati,“ alfo nicht eben ft Siegmund zu lieb gefangen.
Im Ganzen fpielte Biel eine weit untergeordnietere Rolle im ganzen Prozefle,
ale ans der Erzählung der Historia persecutionum hervorgeht. Wenn es
graufam erfdhien, daß er nicht einmal feinen Schwiegerfohn befreite, jo war
es fiir ihn wol nur traurig, daß er ee nicht fonnte. Ob ihm das Prädicat
eines „graufamen und arglifiigen Menſchen“ wirklich zufam, geht aus der ein:
zigen Nachricht, die wir über ihn haben, noch Tange nicht Mar hervor. Der
Bürgermeifter hatte überhaupt weder das Recht, zu verurtheilen noch zu
begnadigen, fondern erſteres Recht gebührte dem Stadtrichter, in dem er nicht
einmal einen Sig zu haben brauchte, wenn er nicht zufällig auch Schöffe war,
und beflen Funktion überging an den König, als oberflen Herrn und Richter,
fobald diefer die Stadt betrat.
ı) Urkunde in Archiv deskf I. 580; das Ganze nach Birzoma a. a. O. I. 415
—
— 71 —
Die Bewegung fand bald in jenen Landſtädten Nachahmung, in
denezz die Verhältniſſe ähnliche waren, wie in Prag, das mit fo heraus:
ford errndem , Beilpiele vorangegangen war. Zu diefen gehörten Piſek,
Kla ttau, Pilfen, Köntggräg, Saaz und Laun, in denen min-
deſte ras der Pobel dem Hufitenthume anhieng und nad) dem Tode König
Werne zels (f 16. Auguft 1419) feiner Wuth durch die barbarifche Zerftörung
der SPlöfter Luft machte, wie hierin der prager Pöbel am 17. und 18,
Augazft in würdiger Zodtenfeier des Königs vorangegangen war.
Hatte auh König Wenzel IV. in feinen letzten Tagen eine er-
ſchre ckende Einficht in die ſchauerlichen Folgen feiner vielen Fehlgriffe ge-
wonzıen, fo war doch allcs, was er diefer Einficht gemäß nun noch gethan,
nur geeignet, auch die andere Partei von fich zu ftoßen, ohne daß er deshalb
die erſte je wieder hätte retten lönnen. Daher hat wohl kaum ein König
en minder gejegnetes Andenken Hinterlaffen, als diefer Wenzel, auf deflen
Berlöntichkeit doc) noch manches mildernde Licht fällt. Nun kam die Regie-
rung des Landes vollends in die Hände der Hufiten, zu deren Häuptern
der oberfte Burggraf Cendk von Wartenberg gerechnet wurde. Auf dem
Landtage, der nun abgehalten wurde, enthielt das Verzeichniß der an den
Thronerben, König Siegmund von Ungarn, abzufendenden Bitten
auch die, „daß die zur Zeit Wenzels aus dem Lande und der Stadt
Vertriebenen nicht mehr zurückkehren dürften, daß ferner Ausländer,
geiftfichen oder weltlichen Standes, zu feinem Amte im Lande augelaf-
fen würden, und daß befonders in den Städten fein Deutfcher zu
einem Amte komme, wofern es möglich fei, daß dafelbft Gehen zu re
gieren fähig wären, daß ferner die Gerichte nur Gechifch verhandeln,
und die Klagen nur in cechifcher Sprache eingebradyt werden follen, daß
die Sehen die erften Stimmen überall im Königreihe und in den
Städten haben follten.“ *) Die Tendenz diefer Beſchlüſſe Tann kaum
llarer ausgedrückt ſein. Beſonders war es dabei der Sache gemäß wie—
der auf die deutſchen Städte abgeſehen, und von beſonderer Dehnbar-
keit und deshalb eben fo großer Brauchbarfeit war wieder der Artikel,
der fh auf ihre Magiſtrate bezog. Wenn fich fomit (fo wenigſtens
ließ fih der Wortlaut int Nothfalle deuten) in einer deutfchen Stadt auch
mr ein einziger Ceche befunden hätte und diefer fähig erfannt worden
wäre (jedenfalls doc) wieder nur von den Sehen), ein ftädtifches Amt
m befleiden, fo mußte cs diefer Eine Gehe erhalten und wären fonft
alle Bürger der Stadt Deutfche geweien.
N) Archiv &eskf III. 207.
— 78 —
Haupthuſit. Im Jahre 1465 war er Baccalaureus der prager Uni⸗
verſität geworden und Mag. Johann Hus hatte ihm die Empfehlungs⸗
rede über das virgiliſche Thema „quære quid sit virtus et esto exem-
plar honesti* gehalten. ) Bald wird er (1409) unter den Beifigern
des gößern Landrechtes genannt ?), immer aber finden wir ihn fortan
unter den nächften freunden und Gefinnungsgenoffen Hufens. Er war
es, weldyer neben Hus am 15. Yuli 1410 gegen den Erzbiſchof Zbynet
von Hafenburg auftrat, als diefer die Bücher Wikleffs verbrannte,
und deshalb fammt diefem mit der Ercommunication beftraft wurde. ?)
ALS hierauf eine Anzahl Prager Magifter für Wikleffs Schriften auf:
traten und ihre Theſen an den Kirchen: und Collegienthüren anjchlugen,
war neben Hus, Johann von Mies, Stephan von Balec umd
andern auch Zdislav, bereits Magijter der freien Künfte, unter ihnen.
Kampffertig und fampfluftig ftand er durch acht Tage um die elfte Stunde
auf der Katheder, um Wikleffs Buch „de universalibus” gegen den
Erzbifhof und gegen jedermann zu vertheidigen. *) Kin polemifches
Gedicht ?) aus jener Zeit nennt ihn einen „ausfähigen, allen verhaßten
Dann”, das Concilium von Conftanz aber zählt ihn unter die
Hauptleger und Anführer der Sekte, die e8 vor das Gericht der römijchen
Curie forderte.) Der Herr Probft aber, der, nebenbei gejagt, auch ver-
heiratet war 7), war Hug genug, daheim zu bleiben und feinen Bekehrungs⸗
eifer lieber noch) an den deutſchen Bürgern, als an den italienischen
Sardinälen zu verfchwenden. Aber aud) dieß war immerhin nicht fo ganz
ohne alle Gefahr. Als er fand, daß die Bürger von Yeitmerig feinen
Beitrebungen von ihrem deutschen und Fatholifchen Standpuntte
aus entgegen waren, faſſte er einen leicht begreiflichen Haß gegen biefelben
und tradhtete ihnen fo viel wie möglich zu fchaden, ſowie gegenfeitige
Feindſchaft unter ihnen ſelbſt zu erzielen. In wie weit er in diefer Hinficht
Schuld trug an dem oben angeführten Vorfalle, läßt fich nicht beftimmen,
doch hatte er gewiß feine Hand im Spiele. In feinem Haufe, der befe:
ftigten Probftei, fanden alle Hufiten Schug, deren Abſicht es war, die
Stadt zu fchädigen.
Siegmund zog indeflen wieder unftät von Stadt zu Stadt. Noch)
am Anfange Novembers finden wir ihn in Welmwarn, fur; vor
Weihnachten in Kuttenberg. Weihnachten 1420 ſelbſt aber und die
) Fontes rer. aust. VI. II.96. ?) Aner&berg liber curialis II. 283. ?) Chronic.
univ. a. a. O. 1. 13. 9) Ebend. I. 22. °) Ebend I. 548. *) Fontes r.arch.
VI. 11. 241. 9) Ebend. 11. 299.
— 13 —
nach Prag zurüdwagten. Weit bedeutender noch war der Umſchwung
in Bilfen, das die Zaboriten durch die Vertreibung der Deutfchen,
ähnlich wie dieß in Prag gefchehen, zu ihrem Stützpunkte gemacht hatten,
dad nmnun aber vertragsmäßig feinen deutſchen und Fatholifchen Bürgern
wieder geöffnet wurde und fortan ein Bollwerk des Katholicismus blieb.
(20. März 1420). in ähnliches Schickſal hatte Piſek, wogegen das
nuerbaute Tabor ein Stüßpunft der extrem nationalen Partei wurde.
Inzwifchen war der neue König immer noch nicht nah Böhmen
gekonti men, fondern rüftete fih in Breslau zur förmlichen Unterwerfung
ſaͤmm tlicher noch anfjtändifchen Gebiete Böhmens, jo wie zur voll-
ftändigen Vertilgung des Hufttismus, wozu ihm der Pabft Martin V.
dur die am 1. März 1420 erlaffene Streuzbulle die Hand bot.
Dieß letztere fachte aufs neue den kaum gelegten Sturm an. Die Bra:
ger, fanatifiert durch die apofalyptifchen Reden des Ermöndes Johann
vn Selau, verbanden fih mit dem Hufitifch gefinnten Adel gegen
Siegmund, und Cenek von Wartenberg räumte ihnen verrätherifcher
Weiſe das prager Schloß, um ähnlich, wie einft König Wenzel,
jedoch noch in viel kürzerer Zeit zur Einficht zu kommen, in welch gefähr-
lie Verbindung er fich eingelaffen habe. Alles was bisher gefchehen
war, überboten die nächſten Ereigniſſe an Vandalismus und Barbarei.
dom St. Georgstage (1420) an bis in den Monat Juni hinein er-
luhtete der Brand von Klöſtern und Kirchen die Nähte Warten:
berg begieng nun voll Reue über feinen erften Verrath einen zweiten,
überantwortete das Schloß den königlichen Truppen, während Siegmund
inzwiſchen Königgräg gewonnen hatte und fi) fodann in Ruttenberg
niederfieß, wo er die prager Boten höchſt ungnädig empfieng.
Prag gieng darüber abermals für den König verloren und rüftete
NH nun zum äußerten Widerftande und zur endlichen Entfcheidung des
ganzen Streites durch die Waffen. Da aber Siegmund die An-
funft des Kreusheeres abiwartete, che er etwas Bedeutenderes wagte, fo
verſchleppte fich diefe Entfcheidung. Am 24. Mai befand er fid) zwar,
aber noch ohne Kreuzheer, in der Nähe Prags, wo der Wyfchehrad,
das prager Schloß und Schloß Wenzelftein von feiner Befagung gehalten
wurde, 309 fich aber ohne einen Verſuch auf die Stadt felbit zurüd, ale
diefe Berftärfungen an ſich 309. Nun reifte er noch immer zuwartend in
Nerdböhmen unftät von Stadt zu Stadt, bei welcher Gelegenheit ihm
Yeitmerig zu wiederholten Malen als Wohnfig und Stützpunkt diente.
Reitmerig hatte ſchon früher allen Katholifen, die durch ba’
— 890 —
des Geldwerthes jener Zeit ein fehr großer, indem er durchichnittlicy für
jeden Reiter halbjährig 13 Schod verſprechen mußte. ")
Yeitmerig muß in jenen Weihnachten cin äußerjt bewegtes und
buntes Bild geboten haben, denn bei aller Mißlichkeit der äußern Yage
pflegte fi doch Kaifer Siegmund ſebſt felten Sorge und Kummer
allzu nahe gehen zu laſſen.?)
) &o daß ein folder im Jahre nad) unferem Gelde beiläufig 600 fl. gelofter hätte.
Um was der unternehmende Kitter die Mannfchaft biiger zu erhalten vermochte,
das war fein Gewinn, den man ſich bei dem Plünderungsfufterne der damaliden
Kriegführung fehr groß denen muß.
2) Die von Leitmeritz bdatirten Urkunden jener Zeit finden ſich zerfireut gedrudt
im Archiv cesky, registra zapisüv I. und II.
Am 22. Dezember beflätigte er den Brüdern Priedri und Hanuſch
Kolomwrat einen geſchehenen Kauf.
Am 26. Dezember verfchhrieb er pfandweile dem Nikolaus von Wſche⸗
borig — Smirig und Obrynitz (Güter des Abtes von Dfiel), dem Peter
von Libochowitz — Yidik (Güter des Kloflere St. Auna), Zajezd (Güter
der VBenedictiner zu Btermnow) und Komarſchow (Güter dee Stiftes Wyſche-
brad), danıı den beiden Lewa von Dedibab und Wilhelm von Kluiow —
Dedibaby, Dauſchnit, Wſcheſtudy und einen Theil von Weltrus (Büter
dea Stiftes St. Beit), dem Gerung von Sulewig — Vettel, Bodhorig
und Paletſch (Güter des Kloftere zu Randnitz; und dem Johann von Ber
nitom einen Theil von Zeldin (Güter des Stiftes Wyfchehrad.)
Den 26. Dezember dem Wenzel von Walomwik einige Dörfer der Stifte
St. Beit und Strahov, dem Heinrich von Mecholup einige Theile von
Dwritod (Güter des Stiftes St. Beit, dem Bilina von Kridlom einen
Theil von Bediihon (Güter des Stiftes St. Beit) und die Zinſen anf
Wrbno (Güter des Stifte Strahon).
Den 29. Dezember. Dem Kamperle und Dathiae von Etinomwes —
Rihut (Büter des Stiftes &t. Beit), den Johann von Bufna das Dorf
Yibofhin, (Theilgut mehrerer Klöfter) und einen Theil von Hradiſchte
(Bitter des Kloflere St. Anna), dem Stephan von Hlafowik die Dörfer
Zeldin (theilweife Gitter des Stiftes Wyldyehrad) und Wepree (Giter des
Stiftes St. Beit), einem von Horefhowig — Paldel (Güter des Kloflere
Bievnow), den Brlidern Heinrich und Bohunek von Sprimberg einige Dörfer
der Prager Kirche, dem Bohuslav von Riefenberg einige Dörfer der prager
Kauoniler und des Kloftere Oſtrov.
Am 1. Zäner 1421 beflätigte er einen Kaufcontract und verfchrieb dem
Bavorelvon Shwamberg — Mutnil, Fity, Yomnitla und Wrazuy
(Guter des Kloftere Plaf), dem Johann von Sädka — Yomary (desjelben
Klofters), dem Johann von Butenftein — Yyfina.
Den 2. Yäner den Brüdern Friedrich und Hanuſch von Kolomrat —
Habrowa uud Brezic (Bitter des Probſtes v. Rolycan).
Den 3. Jäner dem Seintih Zito von Bim ian das Schloß Btimda
und dem Heinrih von Metelsko — Tahan und am 5. Zäner dem Wil:
Helm von Tupadl — Kladrubern (Outer des Probfles zu Melnil.)
— 75 —
der Stadt drohte, bei der unter der Bürgerſchaft zum höchften geſtiegenen
Erbitterung über die unzähligen Gräuelthaten der Taboritten, die ſeit der
Zerſtörung des herrlichen Kloſters Poſtelberg auch für Leitmeritz
immer näher zu rücken ſchienen und bei dem barbariſchen Verfahren, das
nach dem Geifte jener Zeit ganz und gar nichts Ungewöhnliches bot, ift
die graufame Strenge einiger Maßen erflärfich, die nım die armen Opfer
des Fanatismus traf. Sechzehn (oder 17) folche Hufiten, die wenigftens
zum Theile feine Bürger geweien zu fein fcheinen, waren bereits feit
Weihnachten eben wegen ihres Ketzerthums gefeflelt in dem mit Unrath
angefüllten Turme beim St. Michaelsthore gefangen gefellen und
wurden nun bei der Anmelenheit König Sieg munds von diefem zum
Tode des Ertränfens verurtheilt. Gleich nach der Abreife Stegmunds
ließ der damalige Bürgermeiſter Pichl das Urtheil vollziehen, obgleich
fich fein eigener Schwiegerfohn unter den DVerurtheilten befand. Die
Unglädlihen wurden auf Wagen zur Elbe gebracht, dort auf der Fähre
(eine Brüde gab es nod) nicht) mitten in den Strom geführt und, Hände
und Fülle aneinander gebunden, in das Wafler geworfen. Die Tochter
des Bürgermeifters, deren Bitten ihren Gemahl nicht zu befreien vermodhten,
ftürzte fih diefem nad) in da® Waller und ertrant mit ihm. ‘Der Tag
dieſes ZTrauerfpiel® war der 30. Mai 1420. ')
*) Obige Darftelung glauben wir nad) Kombination: der drei über diefe® Factum
berichtenden Quellen ale die richtige hinftellen zu können. Balacty (©. v.
8. III. 2. 117) dat fi nur an Eine derfelben, an die am meiften zu beridhtis
gende gehalten. Zwei Qucllen find ziemlich gleichzeitig dem Factum und folg:
lich am glaubwürdigſten, nümlich da® Chronicon universitatis in Fontes r.
aust. 8 VI. I. 44. und Laurentius von Brezowa ebend. 1. 367. Beide nennen
umr die Facta der Gefangenhaltung ohne alle NRebennmflände und die Ber:
urtbeilung durch Siegmund. Die eine fagt ausdrüdtich, fie feren er-
teänft worden „ad regium mandatum“, die andere deögleihen „ad mandatum
regis Hungarie Sigismundi.* Die dritte Onelle, die Historia persecutionum,
M um mehr ale 2 Jahrhnnderte jünger, als das Factum felbft und ſelbſt die
öffentlichen Aufzeihnungen, auf die fie fich beruft, konnten erſt fpät nad der
That gefertigt werden. Die Erzählung dieler Quelle, der indeß der hiſtoriſche
Eern nicht geläuguet werden kann, unterfcheidet fi) von jenen 1. in größerer
Ausführlicgleit, die fi auf alle Nebenumftände bezieht, 2. indem fie 24 Berfonen
und zwar angefehbene Bürger nennt (nit wie Chro. univ. 16 oder wie
Biezowa 17), 3. das Jahr unrihtig nennt und 4. indem Siegmund ganz
aus dem Spiele gelaflen und dem Bürgermeifter Bichel ale Richter die ganze
GSäuld in die Schuhe geſchoben wird. Dieß letztere mag daher rühren, daß die
Erzählung aus dem öffentlihen Aufzeichnungen der Allerheiligenlirdhe ſchöpfte, die
vielleicht Orund hatten, Siegmund nicht zu nennen. Balacty fügte noch
aus Figenem hinzu: „Pichel ließ, um fi beim Könige beliebt 5
— 9 —
deutih war, wie im norböftfihen Pöhmen, dert harte bie Groberung
von Ztädten wie Trautenau und Araunam andh feine Zpur von Cedji-
jierung zur Folge, ſondern gieng vorüber wie cın amdereä Unglũck, deilen
Spuren die Zeit verwildt. Trauriger aber war dort dat Schichſſal der
Deutihen, wo die Mauern ur Ztadt die Spracbgrän;e bezeichneten.
nach deren Nieherreikung das cntichtelte Element kereinftrömte in die
offene Stadt und die Intel überichmemmte.
Die Tragweite und Bebeutung jener Tereimigung begrii Siegmund
tchr webl. Kaum barte er Kunde hieven erhalıen, fo bob er am 10.
ürher die Belagerung aut, entlick ſein Heer und noh im toldker Eile (wie
der alte Ammafıft ich anddrudı von Munnen, dak cr erit wieder ım Yeit-
merig anbtelt.
Hier war er, wo nidt früher. io gewiß ichen vor dem 14. Ather
angefommen, da er bereit an Meicm Tage Micdbit eimc weitere Ber:
viändungeurfune amäiteliie. !: Die Feindichaät swiicen dem buırilden
Trobite und wer Püraeribafı bare indeñen ihren Yökerunfı erreicht.
tue Pürger. der ewigen Aufcindangen durd die in m binter Manern
wribun;ten Probitrigchiuin ñich aufbalrue Karen man, hatten endlich
kurzen Proceßẽ gemube die Trobita geitunet, xecmmm, ;eritört umd
um Boden gleich emade. IAmmerhin ober ım anger lmgewifbrit, wie
der Küuig eine jelde Zeibirkilte aufachmen wärte. hara We dieſen mon
bei ieiner Auluniı um Tirzcbems zu) Seneram der Streiteingfeit
Dante ar Siegiimuemd m Qralakeizaeı „Nr Stamdbarmgfeit
iares Glaniezd,. des brrmmann Gerd STE u Ya Kılee Selahren
dr Zuersilmerte 222 Yerieıım-. em min baraier nz Rare am 17.
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Nizmer Der Aexuiızerdsiherrez de thrıhriche Berũcherang gege
ker. zaet zuehe mer tar Gürerz lokarnkem ar ;2 rerrardes. ver
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Mα Ye in Airer a ar mehr ja er Am 26. Reber
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12 vıunz tet Te Soeb’üig Arch dehr L Sul.
2 x
E_.
— 8 —
auf den Einblick der einzelnen in die Berhältniffe an, in welcher Art und
in welcher Zeit fie fi in das Unvermeidliche zu fügen entichlojfen. Die
einen giengen vermittelnd entgegen, die andern harrten aus bis in die
Zeit der höchften Noth und noch andere blieben ftandhaft, bis die unab-
wendbare Gewalt fie niederwarf. Die nächte Aufgabe der vereinten
Prager (Ütraquiften) und Taboriten war klarer Weife die, fih der be-
fejtigten Städte in der fürzeften Zeit und ſachgemäßeſten Reihenfolge zu
bemädhtigen.. Mit weldem Bangen, wie es aud der Zapfere kennt,
mögen die von Gott und Menſchen verlaflenen Bürger die Zeit erwartet
haben, da aud an fie die Reihe der Entſcheidung fommen follte! Mit
Bilfen wurde der Reigen begonnen, Komotau, das fi tapfer
wehrte, Saaz, Laun und Schlan folgten nad. Daun kam die Reihe
an Beraun und Böhm. Brod, ferner an Kaurim, Kolin, Nimburg,
CS aslau und Kuttenbe rg. Nachdem ſich bei den einzelnen Unter:
nehmungen Taboriten und Prager öfter getrennt, vereinigte ſich Sijfa
wieder mit leßteren vor Chrudim. Diele, Hohenmaut, Reitomi-
Ihel und Polieka wurden ſodann genommen und es kam die Reihe
an das grunddeutfche Jaromirz, das fi mit äußerfter Kraftanftren-
gung, doch vergebens wehrte. Es fiel, und die deutjche Bevölkerung des»
felben wurde vertilgt für alle Zeiten. Königinhof und Braunau
fielen ſodann und trog feiner Gegenwehr auh Trautenau. Die Runde
der fchredlichften Gräuel flog vor dem Heere Zijfas einher, als es nun
in der zweiten Hälfte des Mai über Jungbunzlau und Melnik (?),
die fich ergaben, in die Gegend von Reitmerig z09. ') Weder eine
materielle, noch auch nur eine moralifhe Stüße fand die arme Stadt in
ihrer Roth. Ihr nächſter Nachbar, der Probſt, war ja längſt Hufit
und am 21. Aprit war ſelbſt der oberfte Hirt Böhmens, der Erzbi-
(hof Konrad in die Reihen der Feinde getreten! Seine Güter in der
Nähe von Feitmerig, Raudnig, Gaftdorf mit der Helfenburg
(Hradel bei Aufcha) und andere waren fomit in die Hände der Hu:
fiten gefallen und fäcufarifiert. Unter den weltlichen Großen Böhmen
hatte ſelbſt Genet von Wartenberg, der ehemalige Oberjtburggraf,
vor Iaromirz wieder vor den Taboriten gefniet und um Aufnahme
in ihre Reihen gebeten. Wo follte da die arme Stadt noh Schuß, ja
aud nur Zroft und Stärkung fuchen?
Bon Jaromir z aus waren die Prager wieder heimgekehrt und
») Chronicon univ. a. a. O. I. 84; Stari letop. 83.
6°
— 44 —
üerueken Zizka die ferneren Erfolge. Dieſer „Bruder“ nahm jur
rerdwärte von Yeitmerig feine Stellung und eroberte das hölzeme
Deumerf des deutſchen Ürdens, deſſen Name „Kelch“ ihm bie men
Erwerbung ſo tieb machte, daR er ſie zu jeinem zeitweiligen Sige wählt
und ſich nach ihr von nun an „von Kelch“ 13 Kalichu) fdhrieb. ') Yen
da zog er num gegen Yeitmeriß jelbit und umlagerte dasjelbe in einen
weiten Kreiſe.
Ron allen Zeiten verlalien, einer nicht zu bewältigenden Webermait
entgegenſtehend, mußten jich die Vürger mit dem Gedanken vertrant made,
unter zwei Uebeln das geringere zu wählen. Zie erlangten bei zijte
res Geleite Für cine nah Prag abznſendende Geſandtſchaft, bie der
srager Gemeinde erflärte, daß ſich die Stadt ihr unterwerfen wel, .
worauf fie Dderielben eine mit jener der Städte Jaslau, Nimbutß
Kotin und Kankim gleichlautende Nerichreibung unterzeichnen mußt.
Hierin erklärten die veitmeritzer. daR ſie von nun an nicht mehr, wie dieß aller⸗
dings biaber durch Rerführung und Zwang von Zeiten Ziegiamundege
ſchehen, abgeſagte Feinde der Danpritade fein wollten, Tondern ungezwungen
und Freimillig zu den vier ehrbaren, nüglichen und beillamen Artifeln, fo mit
ur Stat Prag übertraten. indem ſie ſich berrefie ibrer ordnungswidr⸗
sen Erbebung acaen dieſelbe Nor und Dieter auf Gnade ergäben.
Zugleich gelobten ſie. in Ewigkeit lich aeaen jene Stadt micht zu erheben,
oder irgendwie ſich ihr zu miderfegen, Vondern vielmehr der götllichen
Wahrheit Gottes im jenen vier Artikeln und alen andern Dingen za
Frommen dies Nöniareichd gegen jeden „Ichenden Menichen“ mit Rath
und That, mir Gut und Blut behilflich in sein, den König Siegmun)
aber wegen feiner „Umwirdiafeit” niemals als König und Erbherrn der
höhmiichen Krone anzunehmen, tondern im Vereine mir der Yrauptitadl
ih ihm zu widerieren und überhaupt feinen al& König anznertennen, den
nicht die Daupritadı mit ihren Verbündeten als ſolchen anschmen würd
fin alle Seiten, io oft das Köniarcich fünttia durch den Tor des König
yerwaiten ſonte. Ferner veriurachen fie, „feine Beamten iz ver Zoll
auzunchmen und ibnen zu dienen, auker denen, die ihnen 2:2 den Her
Kraaern gelandı, acachen und eingelegt würden“ und Dieter die Frübered
Eintünite des Könige und feiner Meamten zuzuwenden. ferner ir feinen
Proccſic ih aus dem Yandc hinans an cm höhere Grrikt Mus
deburg zu berufen, to lange bis der allmächrige (Hot Meier Nahariiden
) ®iegomwa I. 454.
nn nn —
— 85 —
Krone einen Herrn und König nicht gegeben, und dieſer ſich nicht nach
einftimmiger Wahl des Königreichs der ordentlichen, in dieſem Lande
übfihen Krönung unterzogen hätte. ') Dann kehrten die leitmeritzer
Bürger in Begleitung einer von den Bragern abgeſchickten Geſandtſchaft
nach Leitmeritz zurüd. Diefe begab ſich in das Yager zu Zizka, um
ihn aufzuforbern, von der Belagerung der Stadt abzujtehen, da fie ſich
bereit Prag unterworfen hätte. Doc ſchien cs, als ob auch dieſes
Opfer der Stadt das Schredlichfte nicht erfparen follte. Bruder Zizka
wollte nichts hören von der Sefandfchaft der Prager, fondern hatte
beichloßen, ſich jelbft in den Beſitz der ſchönen Stadt zu fegen, in deren
Nähe er fich bereits einen jo jtattlihen Sitz erkoren hatte. Er unternahm
alfo einen Sturm auf die Stadt, die Bürger aber rafften all ihre Kräfte
und ihren Dinth zufammen und Schlugen ihn nicht ohne Verluſte der Sei:
nigen von den Mauern zurüd, worauf er mit feinen Banernhorden nad
Raudnik abzog, wo diefe ihre Wuth am dortigen Klofter, feinen Bildern
und Schätzen ausließen, obgleich fie der Erzbiſchof mit allem Nöthigen
verfehen hatte.
Hierauf ſetzte fi) die Stadt Prag am 29. Mai 1421 förmlich
in den Befiß der Stadt Yeitmeriß,.
Hiemit giengen alle jene Rechte, die chedem der König unmittelbar
über die Stadt ausgeübt, an die Stadt Prag über, ohne daR diefe je-
doch die früheren Rechte der Stadt beftätigte. Yeitmerig wurde fomit
gewiſſer Maßen mediatifiert, aus einer unmittelbar Töniglihen Stadt ein
Befiptum der „großen Gemeinde“ Prags, nad) welcher als ihrer Herrin
ſich dasfelbe hinfort zu richten hatte. Sur Ausübung diefer neu erwor-
benen Hoheitsrecdhte, zur Verwaltung und Beherrſchung von Yeitmerig
fandte Prag einen mährithen Edelmann, Namens Hynek, Kolftein-
Fey von Waldftein (and von Golſtein oder Golſtain ſchlechtweg)
dahin ab, ber ſich ihrer Partei ſeit etwa einem Sabre vorher angeſchloſſen
und ihr bereits bedentende Dienjt geleiftet hatte 2). Schon bei der Be:
fagerung Wyſchehrads durd die Prager gehörte er zu ihren beden-
tendften Anführern *) und wird fortan allenthalben neben den Häuptern
der Nation, neben Bictorin und Hynek von Podebrad, Krnſchina von Yid)-
tenburg, Diviſch von Meiletinet und ähnlichen genannt. 9) Auch als zu
Weihnachten des vorangegangenen Jahres, zu welcher Zeit ih Siegmund
N Archiv Cesky I. 203. ?) Btezowa I. 361. °) Derielbe I. 419. 9 Chron.
univ. I. 81.
hen in Yeitmerit befand, jeine (Segenpartei eine Geſandſchaft an den
tinig Bladislaw von Polen gejandt hatte, um ihm die böhmifche
Krome anzutragen, war Hynek an ihrer Spige geitanden. ') Daß die
Prager eines ihrer hervorragenditm Häupter der Stadt Yeitmerig
zum Berweſer gaben, beweiſt, welche Wichtigkeit ſie der Stabt beilegten,
die für Siegmund nähft Kuttenberg der bedeutendfte Stüßpuntt
geweien war. Andererſeits war fie für Prag beſonders widtig als
äußerfte® Bollwerk der neuen Herricdait, denn der fernere Norden Böh-
mens blieb dem Huſitenthume immer noch verfchlofien.
) Brezowa 1. 44.
II. heil,
Geſchichte der Kultur.
nn une
l. Das Recht.
Ehe wir uns ein halbwegs deutliches Bild jenes Rechtes verfchaffen
fönnen, das feit dem 13. Iahrhunderte mitten in Böhmen wie auf einer
Inſel heimiſch wurde, ericheint es nothwendig, die äußere Form und Art
jeiner Vermittlung und Fortpflanzung fo viel als thunfich ſicher zu ftellen.
Dreierlei Art der Rechtsvermittlung ift im Allgemeinen dent»
bar: entweder wurde die Grundlage des Stadtrechtes zu Neitmerig
ein daſelbſt adoptierter Rechtscoder, oder eine mehr oder minder aus.
führliche Ichriftliche Rechtsbelehrung, die fich die Stadt von Magdeburg
faufte, für welche beide Arten uns fpäter gegründete Städte Analogien
bieten, — ober es gründete fich das Recht in der älteren Zeit ausſchließ⸗
ih auf die Rectsfenntniß der Bürger allein, wofür Magdeburg
jelbjt als Beifpiel dafteht.
In Bezug auf unfere Stadt mülfen wir ung für die letztere Art
der Rechtsvermittlung entichließen. Einen Goder des Stadtrechtes fonnte
Yeitmerig vor dem Anfange des XIV. Jahrhunderts überhaupt nicht bes
figen, da zur Zeit, als Yeitmertg gegründet wurde, die Mutterftadt Mag-
deburg felbjt noch feine fchriftliche Aufzeichnung ihres Rechtes beſaß,
denn jene nem Artikel, die ihr Erzbifhof Wichmann 1188 gab !), ent-
.— — — —
r, Giche Gaupp, Magdeburger und Halleſches Recht. Seite 316. Ueberhaupt müffen
wir im Wllgemeinen anf dieſes Wert binmweifen.
- 8 —
halten nichts weniger, al8 das vorhandene gangbare magdeburger
Recht, ſondern vielmehr Umänderungen und Bervolljtändigungen einzelner
Satungen des letteren, welche die durch Feuer verunglüdte Stadt über
diefen Unfall theilweife tröjten follten. Die Sammlung aber, welde unter
dem Namen des „ſächſiſchen Weihbildes“ die Hauptfagungen
desfelben umfaßte, entftand erft am Anfange des 14. Jahrhunderts, konnte
daher im Jahre 1230 von den eimvandernden Deutfchen nicht nad) Böh⸗
men mitgebracht werden. Aber aud im 14. Jahrhunderte Fam jene Samm-
lung noch nicht nad) Leitmeritz, wie dieß bei der fchmwierigen und lang-
famen Art der Verbreitung von umfangreichen Handfhriften in jener Zeit
nicht zu verwundern ift. Die Thatfache aber folgern wir aus den beiden
Urfunden, in deren einer Karl der Stadt das prager Erbredt ertheilt
(da8 allerdings dem Weſen nad) wie alles fog. Brager Recht aud)
de utſches war) !) und deren zweite Vorfchriften gegen den Luxus ent-
hielt, die ih Wenzel IV, zu erlaffen für bemüßigt hielt. 2) Wäre das
„Weichbild“ damals bereits in Leitmeritz vorhanden und wic fpäter
alfenthalben als Geſetzbuch anerkannt gewefen, jo würden jene beiden
Berordnungen mindefteng überflüffig erfcheinen. Jedenfalls aber würde
dann außer ben pofitiven Bejtimmungen, um die die Gemeinde offenbar
nachgejucht hatte, noch die Auferfraftiegung der vorhandenen wenigſtens
mit einem Worte erwähnt worden fein. Ju beiden Bezichungen enthält
das Weichbild Beſtimmungen, die jene Specialverordnungen durchaus
unnöthig und höchitens eine Einjchärfung der vorhandenen wünjchenswerth
gemacht hätten.
Wir müſſen alfo annchinen, daR c8 Yeitmerig durd die ganze
Periode hindurch an einer umfaſſenden Aufzeichnung feines Rechtes
fehlte. Sehen wir uns ferner nad) Analogien bei Städtegründungen
um, fo finden wir deren eine große Anzahl in der Anlegung ſchleſiſcher
Städte, deren Geſchichte die vorgefchrittenere Wiſſenſchaft jenes Yandee
längft anfgehellt hat. Goldberg, Neumarkt, Brieg, Breslau,
Görlitz und andere verbankten in demjelben Jahrhunderte wie Xeit-
merig einem ganz gleichen Streben der ſchleſiſchen Fürſten ihre Entftehung.
Auch fie wurden ſämmtlich mit deutſchem und zwar fpecicll magde-
burgiſchem, (oder was dem Inhalte nad) dasjelbe it, mit Hallifchem)
Rechte ausgefegt. Dort war es nun üblich, daß fid) der Fürſt, der eine
Stadt gründete jelbft, oder in Gemeinfchaft mit den Bürgern an bie
) Leitm. St.:A. Ar. 10. ?) Leitm. GSt.⸗A. Ar. 19.
— 89 —
rechtöfundigen Schöffen von Magdeburg (oder Halle) wandte, um
für bie neue Stadt eine fchriftlih abgefaßte Rehtsbelehrung zu
erhalten. Solche Rechtsbelehrungen erhielten Goldberg im Jahre 1211,
Reumarft 1235, Breslau 1261 und 1295, Görlig 1304, und
von Breslau wiederum Brieg 1327. Keine diefer Rechtsbelehrungen ")
bietet indeß eine umfalfende Darftelung des zu Magdeburg gel:
tenden Rechtes, fondern nur einzelne Beitimmungen desjelben, deren Aus:
wahl und Einſchränkung oft von jehr zufälligen Cinflüffen abhieng. Die
jenigen, welche kurz vor, oder um bie Zeit der Gründung von Yeit-
meriß (die nah Goldberg und Neumarkt) von Magdeburg auge:
gegeben wurden, find noch jo mager und dürftig, daß ſich nad ihnen
allein ohne ordentlihe Rechtskenntniß unmöglich ein Gemeindewefen ein:
richten und ordnen ließe. Es frägt fih nun, ob Peitmerig nicht etwa
auf dieſe Weife, wenn ſchon nicht den ganzen Juhalt feines Fünftigen Rech—
tes, fo doch mindeftens einzelne Anhaltspunkte für dasfelbe erlangt habe?
— Zunädft ijt es Thatſache, daR von einer ähnlichen Rechtsbelehrung
nunmehr feine Spur mehr vorhanden ift. Würde fic aber um das Jahr
1300 noch eriftiert haben, fo find wir überzeugt, daR fie nur durch wun
derbare Aufälligkeiten hätte abhanden kommen können, während andere
Urkunden von gleichem oder weit geringerem Werthe, wie ihn dieſe hätte
haben müllen, als Heiligthümer der Stadt von jener Zeit an wohl bewahrt
wurden und falt ohne Kine Ausnahme auf uns gekommen find. Nach
der Sombination aller Thatfachen finden wir e8 aber mehr als wahrſcheinlich,
daß auch vor 1300, alfo überhaupt feine ſchriftliche Rechtsbelehrung
in Yeitmerig zu finden war. So oft eine derartige Urkunde in irgend
eine Stadt verabfolgt wurde, mußte fie der Herr der Stadt ihrem ganzen
Inhalte nach beftätigen, che fie wirklich rechtskräftig wurde. Leber
dieſes ihr Recht der Beftätigung wachten die Fürften allenthalben eifer»
jüchtig, wie fi duch fchlagende Beifpiele zeigen Liege. 2) ine ſolche
fönigliche Beftätigung jener fraglichen Nechtsbelchrung müßte dann jeden-
falle auh Yeitmerig bejelfen haben. Die Urkunden, die Yeitmerig
überhaupt vor 1300 befaß, find freilih verbrannt: die Bürger baten
inder König Johann im Jahre 1325 den Inhalt derielben ihnen zu
bejtätigen, was er auch that. ?) Kine jo wichtige Urkunde würde bei diefer
(Helegenheit ganz gewiß mindeftens eine befondere Erwähnung gefunden
haben, wo man fie nicht, wie dieß häufig geihah, aus dem Gedächtniſſe
) Die Zepte bei Gaupp a. a. O. °) 3.8. Heinrih IV. von Breslau, Yaupp
2.8.0. 8. 18 fi. °) Leitm. St.⸗A. Nr. 3.
— 2% —
reproduciert und dem Könige zur abermafigen Beftätigung vorgelegt hätte.
Statt einer folhen bejondern Erwähnung, die gar nirgends vorfömmt, fin-
den wir inder nur eine ganz allgemeine Betätigung der magdebur-
giſchen Rechte, Freiheiten und „Gewohnheiten“, wie die Leitme—
riger berjelben „feit alten Zeiten“ gepflogen. Man kann unter den
genannten Rechten nicht die gefchriebenen und etwa verbrannten ver-
ftehen, denn deren Beſtätigung ohne ihre fchriftliche Neproducierung wäre
ganz jinnlo8 geweſen. Wäre aber eine ſolche Reproducierung nothwendig,
in Böhmen jedoch nicht möglich erfchienen, To ftand ja der Weg nad)
Magdeburg offen, wie er in ähnlichen Fällen fonft betreten wurde.
Daraus, daß dieß alles nicht gefchah, geht mit Beftimmtheit hervor,
daß Yeitmerig weder eine fchriftliche Nechtsbelehrung von Magde-
burg aus jemals befaß, noch unentbehrlich fand. Entbehrlich kann eine
Schriftliche Aufzeichnung nur eine ungewöhnliche Rechtskenntniß und Rechts:
gewandtheit der Bürger, oder mindeftens der Schöffen einerfeits, und fo
oft es fih um einzelne nen anftauchende Fragen handelte, die lebendige
enge Verbindung mit Magdeburg andererfeits gemacht haben. Crfteres
bringt uns auf den Schluß, daß wohl mindeftens ein Theil der urfprüng-
(id) eingewanderten Bürger aus Magdeburg felbft gelommen fei, deſſen
Richtigkeit die Erfcheinung zu beftätigen fcheint, daß wir unter den erften
Bürgern von Yeitmerit (abgefehen von den häufig vorkommenden
Namen, wie Heinrich, Hertwig, Siegfried u. a.) aud) feltenere Perfonen-
namen finden, die zur gleichen Zeit von Schöffen oder Rathsherrn in
Magdeburg getragen wurden. So unterfchrieben die für Breslau
beftimmte Rechtsbelehrung 1295 in Magdeburg zwei Rathmannen
Namens Henning (einer mit der Bezeichnung houwere, ein anderer mit
der von Korling ") und die 1304 an Görlig gefandte ein Henning
„hern Janes sun“. während zu gleicher Zeit in Yeitmeriß ein Hen—
ningu& Magnus febte, und während wir dort auf derfelben Urkunde ?)
einen Betman SKonig finden, lernten wir in Yeitmerit bereits einen
Heinrich Koning (rex) fennen. °ı
Was nun den Inhalt diefes Nechtes anbetrifft, fo iſt er, wie alle
Urkunden beweifen, eben derfelbe, wie der des Rechtes, das in Mag-
deburg nnd in gleiher Weile ın Halle galt, und fih nad und
nad über die Städte des öftlichen Dentichland und der angränzenden
Slavenländer, über Breußen, Polen (Schlefien), Böhmen
9 Gaupp. Ebendaſelbſi 265. ) Ebendaſelbſt 320. ?) Auf dieſe Namensgleichheit
allein würden wir übrigens unſre Hypotheſe nicht zu bauen wagen.
— 9 —
und Mähren verbreitete. Durd die Einführung desfelben trat unfere
Stadt in ebenfo nahe Beziehung zu jener berühmten deutſchen Stadt,
al® fie im rechtlicher Beziehung von jedem Zuſammenhange mit den |La-
vifhen Behörden des Landes fern ftand.
Diefes Berhältniß zwifchen Tochter: und Mutterjtadt umfaßte bei«
derfeitig Rechte und Pflihten. |
Leitmeritz hatte (infofern fein Verhältniß nicht etwa in dem
oder jenem Punkte eine uns unbelannte Ausnahme von der Regel, die
bei andern ähnlichen Verhältniffen galt, bildete, worauf man aus gar
nichts Schließen kann) wie andere Städte desfelben Verhältniſſes die
Pflicht, fih nur des magdeburgiſchen Rechtes zu bedienen, Rechts⸗
auskünfte und Urtheile legter Inftanz nur in Magdeburg zu holen,
und fein Recht ohne Einwilligung Magdeburgs niemand außer feinem
Weichbilde mitzutheilen. Dagegen verpflichtete ji Magdeburg zu
jeder verlangten Auskunft und in Sonderheit noch dazu, die neue Stadt
im Genuffe ihres Rechtes gegen jedermann, in fo weit es möglid), nad):
drücklichſt zu fchügen. ) Wir haben Beifpiele, da Magdeburg ohne
Anfehen der Perfon jedem entgegentrat, der eine zu deilen Rechtsſyſtem
gehörige Stadt in der Ausübung ihres Rechtes zu behindern drohte.
Daß die Anzahl ſolcher Schupftädte recht groß werde, war für Magde-
burg und feinen berühmten Schöffenſtuhl ſowol eine Sache der Chre
als des Portheiles, denn ſowohl Rechtsbelehrungen als erbetene lirtheile
(Weisthümer) mußten dort bezahlt werden. Dieſen Vortheil und diele
Ehre genoß anderfeit8 Neitmerig wieder den übrigen Städten Böhmens
gegenüber, die in ihm ihre Rechtsquelle fahen, und fo entwidelte ſich ein
förmlihee ſächſiſchböhmiſches Städteſyſtem. Obgleich indeß
Leitmeritz von allen andern Städten Böhmens desſelben Rechtes
in Betreff der Hechtsenticheide als Vorort vorangeftellt wurde, jo zogen
es dennoch viele Städte vor, die gewünſchten Entfcheide nicht in Leitme—
riß, fondern unmittelbar felbft in Magdeburg zu holen. Die böh—
mifche Kammer aber hatte Grund, das Hinaustragen des Geldes nicht
gern zu fehen und war deshalb immer bemüht, den Verkehr mit Mlag-
deburg fo viel als möglich auf Yeitmeris allein zu beichränfen und die
anderen Städte an, diefes unmittelbar und höchſtens durch diejes mit-
telbar an jenes zu weifen. In diefem Sinne verbot Wenzel IV. im
Yahre 1387 allen Einwohnern Böhmens, an irgend ein Gericht aufer-
— — — —
Gaupp ebend. 87 und 88.
— 92 —
halb des Landes von ihren eigenen Gerichten hinweg zu appellieren, indem
er auf's Neue Leitmeritz als zweite Inſtanz für alle böhmiſchen Städte
des magdeburger Rechtes, fo wie Prag für jene des „nürnberger” hin
jtellte, e8 den betreffenden Parteien jedoch frei ftellte, bei feiner Perfon
ſelbſt in letter Inftanz Recht zu ſuchen.“) Hiemit konnte jedoch die
Berbindung zwilhen Yeitmeriß und Magdeburg nichts weniger
als abgejchnitten fein, da vielmehr Yeitmerik nunmehr häufiger ale
lonft der Belehrung des leßteren bedürfen mußte. Leider find die ‘Denk:
male eines derartigen, wahrfcheinlich ſehr Lebhaften Rechtsverkehrs aus
jener Zeit fämmtlich verloren gegangen, und erft in einer |päteren Periode
fünnen wir den Ruhm, den der leitmeriger Schöffenftuhl ſich im
Yanfe der Zeiten erworben, nad) der Anzahl der bei ihm Bechtfuchenden
bemeijen. —
Dian darf fi) aber nicht vorjtellen, als fei durch jene erften Bürger
von Yeitmerig etwa ein befchränkter Kreis dürftiger Grundfäge über
Stadtverwaltung, Polizei und äußeres &erichtswefen nah Böhmen
herein gebracht worden. Diek würde ein Verkennen des ganzen damals
in Norddeutichland entwidelten Rechtszuſtandes beurkunden. Das ſäch—
jiiche Stadtredht der damaligen Zeit kann man nicht lostrennen von dem
Sächfifchen Yandrechte, da® bereits zur Zeit der Gründung von Yeitme-
riß cine ſolche Entwicklung erfahren hatte, daß eine Godification dee:
ſelben bereit8 möglich) wurde, wie fie dag Stadtrecht erft mehr ale
ein halbes Jahrhundert fpäter erfahren konnte. Yandgemeinden und
Stadtgemeinden waren ja in Deutfchland, wo der Entwidlungesgang ein
allmähliger war, urſprünglich identifh und erft in dem Maße, als ſich
(eßtere von erjteren durch die eigenthümliche Entwicklung ihrer ganz be-
ſondern Berhäftniffe trennten, mußten aud die Rechtsbeſtimmungen der
leßteren fich den befondern Verhältniſſen derfelben anpajjen und eben in
diefem Maße trennten fih im Yaufe der Zeiten Yand- und Stadtrechte.
Immer aber blieb das ſächſiſche Yandrecht, wie es feit dein erjten Drittel
des dreizehmten Jahrhunderts im fogenannten „Sachſenſpiegel“ zuſam⸗
mengefaßt war, die eigentliche Grundlage der auf ihm beruhenden Stadt -
rechte, und fo kam mit jenen vechtökundigen Bürgern die gefammte
Rechtsauffaffung Norddeutichlandse nah Böhnien, gewann bafelbft
nach und nach immer bedeutendere Ausdehnung, ſelbſt danı noch mächtig
vorwärts fchreitend, als es dem ſlaviſchen Elemente längft gelungen war,
ihre Darlegung des deutfhen Wortes zu entkleiden.
ı) Urkunde in Balacky. Ueber Formelbücher II. Nr. 149 a.
— 93 —
An der Spike der Verwaltung und der Rechtspflege der
Stadt ftand, wie bereit8 erwähnt, ein Erbrichter, deifen Stellung
wir der des „Schultheißen” zu Magdeburg gleichiegen können.
Die Stelle des magdeburger Burggrafen, des eigentlichen Vertreters der
oberherrlichen Gewalt hatte annäherungsweife der fön. Yandesunter-
fümmerer inne, der jedoch zum Linterfchiede von jenem zugleid Burg:
graf aller föniglihen Städte war, und fomit den Borfig beim Gerichte
nicht in der Weile des erfteren zu bejtimmten Zeiten führen fonnte.
Nichts defto weniger aber pflegte auch er bald da, bald dort in den
einzelnen Städten zu ericheinen und den Vorſitz beim Gerichte zu führen,
was mitunter jogar der König jelbit that, was jedoch nad) diefem zeit:
raume außer Uebung kam.“) Dagegen waren feinem Gerichte feine
Rechtsfälle befonders vorbehalten, fondern in den böhmiſchen Städten
richtete der Erbrichter mit feinen Schöppen ausnahmlos über alle Fälle,
wenn der Yandesunterfämnmerer nicht eben in der Stadt fich aufbielt.
Auch galt der Richter für uuabfegbar, da ihm felbft der König fein
Amt theilweile oder ganz nur wegen thatlächlichen Verſchuldens entziehen
fonnte.”)
Die Pfliht und Sache des Richters war es indeß nicht, das
Urtheil zu finden, ſondern er führte nur den Borjig im Collegium
der Schöffen, leitete den Proceß und bat die legteren, das Urtheil
zu fchöpfen, wozu diefe auf den „vier Bänken“ figend verpflichtet
waren, jedoh nit außerhalb des „Dinges“.?) Dreimal des
Jahres, je durch vierzehn Tage hindurch (oder nad deutfcher Ausdruds-
weije über 14 „Nächte”) hielt er fein „ehtes Ding.” *, Berfäumt
er dieſe Tage, jo find die Schöffen jpäter nicht verpflichtet, Jeinem Ge-
richte beizutreten.?) Im Betreff eines ähnlichen NRechtsvorbehaltes, den
der magdeburger Burggraf befak, muß das Verhältniß des Unterfäm-
merers zur Stadt cin anderes geweſen fein, wie dieß feine geänderte
Stellung mit fi) brachte, obgleich auch er in einzelnen Fällen wirklich
dem Stabdtgerichte präfidierte. Im Uebrigen hatte das Gericht unter dem
Borfige eines Schöffen ale Richter täglich feine Sigungen zu halten ®),
ja auch fonft während des „echten Dinges“ des Erbrichters ſetzen die
) Nach einer Aufzeihnung im Rechtebuche Cod. IV. im leitm. St.:4. ) Nad
Rechtöbelehrungen der Prager in bdemfelben Cod. IV. Kol. 231. °) Gaupp a.
a. (). Rechtebelehrung vom Jahre 1261 8 12. *) Eben. $. 9 und ©. 224 85.
) Eben. R. v. 1235 $ 6. 9 Aus ber Sombination von R. v. 1295 8 3 und
der von Magdeburg und Goldberg $ 11 bei Baupp a. a. O.
— 4 —
Schöffen felbft einen Richter ein für den Fall einer alffogleich zu ent-
Icheidenden Klage, falls der eigentliche Richter nicht zu Haufe wäre. ')
Des Grbrichters Einkommen beftand in dem „Gewette“ oder ber
„Wettung” (vadium), welche die den Proceß verlierende Partei (außer
Wehrgeld und Buße) an denfelben zu erlegen hatte. ?) Die Wettung,
welche die Partei dem Richter zu elften hatte, betrug acht Schillinge. *)
(In Halle erhielt der Richter auch no ein Drittel des Wehrgeldes. *)
Außer Streitiachen hieß auch das Strafgeld „Wettung“ und gebührte dem
Richter. In Halle erhielt der Richter mit den Schöffen alljährlich
dreimal Geſchenke von den Bädern, Fleiſchern und Schuftern. °) Im
Yeitmeriß befaß er außerdein eine Mühle von vier Gängen jenfeits
der Elbe. Wahrſcheinlich bezog er auch, wie alfenthalben die Richter auf
den Dörfern das Erträgniß eines Gemeindewirthshauſes. Iedenfalls waren
ihm, um fein Amt einträglih zu machen, wie in Magdeburg dem
Burggrafen, gewilfe Procefje vorbehalten. Diefer war ausſchließlich be-
fugt zu richten über „Not“ (Gewalthätigleit), „Lage” (Wegelagerung“
und „Heimſuche“ (Gewalt im Haufe, Raub etc.) mit Ausnahme der
„handhaftigen“ That (der Ergreifung in flagranti). ©)
Die Trennung des Gerichtsweſens von der Verwaltung
war in der deutihen Stadtgemeinde von allem Anfange an eingeführt,
wenngleich die Grenzen noch nicht jo genau gezogen waren, vielmehr erft
nad) langwierigem Streite feftgejtellt wurden.
Die Pflege des eriteren hatten die Schöffen (consules, scabini),
die der legteren die Rathmannen (Gefchwornen, Jurati), auf ſich. Das
Amt der eriteren war Anfangs wegen der damit nothwendig verbundenen
Kenntniße und feiner innern Würde das angefehenere, die Schöffen
wurden in allen Urkunden vor den Rathmannen, häufig fogar al® Ver—
-treter der Stadt ganz allein genannt, fo wie fie aud) im Nathe berfel-
ben die gemwictigfte Stimme hatten. So lange dieß der Wall war,
ftand auh der Richter an der Spige der fämmtlichen Stadtver-
tretung.
Der Schöffen follten im Allgemeinen zwölf gewählt werden,
wogegen jedoch in Yeitmerig nur je ſechs vorfommen ”?); fie follten der
Stadt ſchwören, ihr „Ehre und Frummen“ zu bewahren und zur „Ers
y Gaupp. R. v. 1261 8 10. ?) Ebend. R. v. 1295 8 4. °) Ebend. R. v. 1261
8 10. *) Ebend. R. v. 1235 8 19. *) Ebend. R. v.1235 8 39 fi. 9 Eben.
R. v. 1285 8 6. °) Wir finden fie zu wiederholten Malen in Urkunden des
Dresbner H.⸗St.⸗Arch.; jo in Org. Nr. 4367, 5775, 5887, 5549,
— 95 —
haltung der Ehre” derjelben häufig und fleißig Sigungen halten. ')
Sie wurden gewählt „zu langer Zeit“ *), das heißt wohl auf Lebensdauer,
falls kein grobes Vergehen zur Enifernung zwang. Sie faßen auf den
„Bierbänfen“ und fanden das Urtheil nad) der ihnen innewohnenden
Rechtskenntniß und der gangbaren Rechtsgewohnheit auf das Geheiß des
Richters. Wurde das von einem derfelben gefundene Urtheil nicht „ge:
ſcholten“, jo erhob es der Richter durch feine Verkündigung zur Redts-
fraft. Außer der Gerichtsjtätte war fein Schöffe verpflichtet, dem Richter
ein Urtheil zu finden. ?) Die Bürger waren nicht verpflichtet, zum
Serihte zu kommen, außer wer öffentlich hiezu gerufen wurde. Wer
dieß dann verfäumte, ohne fich rechtfertigen zu fönnen, büßte mit Geld. *)
Außer Richtern waren die Schöffen aud) noch eine Art lebendigen Grund-
buches, indem es ihre Pflicht war, in ftreitigen Fällen Zeugenfchaft ab-
zufegen von alldem, was jemand vor Gericht, wie man das der Sicher:
heit halber zu thun pflegte, am einen zweiten verfchenft, vermacht oder
verfauft, und überhaupt über alle Verträge, die vor ihnen geſchloſſen
wurden. Schon deshalb mußten, abgejehen von der Notwendigkeit fort-
gejegter Uebung, das Amt des Schöffen von längerer Dauer fein ale das
des Rathmannes. Sie waren deshalb auch die würdigjten Vertreter der
Ztadt, in ihnen vereinigte ſich Unbefchoftenheit, Erfahrung und Anſehen.
Letzteres war durch Geſetze bejonders gefchüßt. °)
Einkünfte fcheinen fie nur infofern bezogen zu haben, als abwech—
feind der Borfiß, das ijt das Nichteramt, an die einzelnen gelangte,
welche während diefer Zeit (mit Ausfchluß der Dingzeit des Erbrichters)
die Wettungen erhielten. Im Uebrigen aber jollte ihr Amt ein Ehrenamt
und frei von allem Eigennuge fein. Höchſt achtenswerth ift, was Die
ehrlichen Zchöffen von Magdeburg an ihre Gollegen in irgend einer
Tochterſtadt fchrieben, al8 diefe den Wunſch äußerten, durch einen An-
theil am Geſchoß fi ihre Mühe bezahlen zu laſſen. Jene jchrieben
ihnen ebenjo freundlid als jtreng‘): „Niebe Freunde! Ihr habt uns
in enerem Briefe verftehen laſſen, daß ihr wenig Nuten hättet von eurem
Amte des Schöffenituhle. Dazu fünnen wir nicht beijtimmen; denn
wer fi in Städten eines ehrlichen Amtes unterwindet und es annimmt,
wenn er dazu geforen und geheißen wird, der muß Arbeit und Sorge
haben darum, daB er dem Amte wohl und getreulich vorjtehe — denn
) &b. Magd. v. Goldberg $ 11. ?) Eb. R. v. 1304 All 1. 9) Eb. R. v.
1804 Art. 86. *) Eb. R. v. 1285 8 3. 9) Eb. R. v. 1295 8 18. ) Eb.
©. 174.
—_—%—
wir wollten euch gern gönnen, daß ihr viel Frommen und Nuten davon
hättet.“ Solcher Gemeinfinn war die Grundlage der Blüthe unferer
Städte —
Die Rathmannen, deren Anzahl wahrfcheinlih von Anfang an
zwölf war, wurden nur auf je Ein Iahr gewählt. Sie repräfentierten
da8 bewegliche, fortichreitende Klement im Yeben einer Stabt gegenüber
den Schöffen, die ftarr und feſt „die alte gute Gewohnheit” vertraten.
In ihr Ant gehört alles, was fi) auf der Stadt Frommen und ihre
wie immer geartete Vedürfniſſen bezieht. So oft fie wollen, legen fie
ihr „Burding” aus „um mit der Wißegeften Rathe der Stadt Not
zu kundigen.“) Abwechfelnd führte einer den Vorſitz, deifen Amt indeß
erft jpäter unter dem Namen des „Bürgermeifteramtes“ zu höbe-
rer Bedeutung gelangte. Das „Burding“ wird den Bürgern durch
ein Glockenzeichen angefündet, worauf jeder Bürger ungefäumt zu er-
Icheinen bat. Wer dieß unterläßt, wetter ſechs Pfennige. Erſcheint aber
jemand nicht, dem das Burding durch den Frohnboten fpeziell angelün-
digt wurde, jo büßt er mit 5 Scilfingen.?) So fehen wir in dieſem
„Burding” die fürmliche Volksverſammlung der Keinen Republit im
monardiichen Staate. Außer der Yeitung dieler Verſammlung batten
die Rathmannen die Auffiht über den ganzen Handel und Wandel in
der Stadt, infonderheit die Markltpolizei mit der mit ihr verbundenen
niedern Gerichtsbarkeit. ‘Sie hatten vor allem über die Nichtigkeit der
Maße und Gewichte, die LUmverfälichtheit der feilgebotenen Speiſen und
Nichtigkeit der Käufe überhaupt zu wacen.?) Gin fcharfes Auge mußten
fie dephatb befonders auf die „Markthocken“ (Fragner) haben, denen
jede Llebertretung der Marktvorſchriften, jede Fälſchung und jeder Betrug
an „Haut und Haar” gieng. Doc ftand es den Rathmannen frei, dieſe
Strafe in eine Geldbuße von 3 Scillingen umzuwandeln. *) Durd)
eine einzige dergleichen Bejtrafung wurde indeß der Hode rechtlos und
durfte nie mehr verfaufen. °)
Zu gewiſſen Dienften war beiden Collegien der Frohnbote beigegeben.
Der Bogt oder Büttel hatte nächft der Execution auch noch die nie-
derfte Gerichtsbarkeit, infoweit es fi nit um mehr als zwölftehalb
Pfennige handelte. ©)
Aus den oben erwähnten „Berftändigften" (den „Witzegeſten“) emt-
) Eb. R. v. 1304 Ar. 1. R. v. 1261 8 3. °)Eb. R. v. 126184 9 Eb. R
v. 1261 8 2. *) Eb. 1261 8 5. 9) Eb. R. v. 1364 8 2. 9) Eb. R. v. 1904
Art. 126.
— 97 —
ftand in nicht näher zu beftimmender Zeit der Beirat der „Semeinde-
älteften“.
Das Amt der Schöffen bradıte es mit ſich, daß dieſe nad) und
nad zu einem gefchlofienen Kollegium wurden, das nene Kindringlinge
abzuwehren und fich ſelbſt eine Art Ansichliehlichkeit und Erblichkeit zu
erwerben wußte. Dadurch bildeten fie in der ſonſt durchaus demofra-
tiichen Stadtverfajlung eine dem Wolfe bald genug verhakte Arifto-
fratie. Trotz aller Achtung vor ihren Kenntniſſen, ihrer Erfahrung und
Würde konnte die Bürgerſchaft diefe Geſinnung nicht verläugiten, und es
entipanzen fih im dreizschnten und vierzchnten Jahrhunderte
Kämpfe in allen deutichen Städten zwilchen den Schöffen einerfeits,
und den aufjtrebenden demokratiſchen Elementen der Rathınannen und
Innungen andererfeits. Ueberall gelangten fchließlich die letzteren zum
Ziege, die erfteren wurden aus dem Rathe der Stadt verdrängt und
in gebührender Weife auf die (Serichtspflege allein verwichen. Durch
diefen Sieg trat dann der jemalige Vorſitzende im Rathscollegium,
der „Bürgermeifter“, (magister civinm) an die Zpike der ſämmt
lichen Stadtrepräfentanz, während der Krbrichter feine Bedeutung verlor,
ja fein Amt mit der Zeit verfhwand Wir Haben über dieſe Kämpfe
und Ereigniſſe in unferer Stadt nicht die geringsten Nachrichten, um fo
merkwürdiger iſt es aber, dak wir durd wenige aber fichere urkundliche
Anhaltspunkte auch bei uns die Reſultate derfelben Entwicklung wieder:
finden und auf eine anffallende Gleichmäßigkeit der Entwicklung unſerer
Stadt mit der ihrer deutichen Mutterjtadt und Schweſterſtädte ſchließen
müffen. Nur daß die Entwicklung der letteren vor der der unſeren der
Zeit nach einen gerammen Vorſprung hatte.
Das eine Ereigniß diefer Art ift das gänzliche Verſchwinden dee
Erbridhters (judex hereditarius), deifen vom Jahre 1381 ab U in
feiner Urkunde mehr gedacht wird. Die einfachfte Erklärung dieſer
Erſcheinung, über die uns die Urkunden ganz im Stiche lajfen, wäre die
Annahme, daß die Familie des Erbrichters einfach ansgeitorben jei, wo
dann eine Ernenerung diefes Amtes nicht mehr nothmendig erjchien, nachdem
feit der Gründung der Stadt der Richter eigentlich nur mehr die durch
jene gewonnenen Rechte ausübte. Zu einer zweiten micht minder in der
Sache jelbft begründeten Hypotheſe könnten uns die analogen Vorgänge
in Magdeburg verleiten. Dort war am Ende des 13. Jahrhunderts
n Lern. St.:A. Ne. 15.
— 98 —
die Familie von Eckersdorf im Beſitze des erblichen Schultheißen⸗
amtes.“) Bon dieſer Faufte es die Gemeinde um das Jahr 1294
und übertrug es ihrem Herrn, dem Erzbiſchofe mit der Bedingung, da
mit immer denjenigen zu belehnen, den die Gemeinde hiezu ſelbſt
wählte, und den ſie ſich auch wieder zu entfernen vorbehielt, ſo oft ſie
wollte: das heißt, es wurde aus dem erblichen Richteramte ein durch
Wahl der Gemeinde anf unbeſtimmte Zeit zu beſetzendes. Ob nicht auch
im Veitmerig ein ähnlicher Vorgang ftattfand, iſt nicht jicher zu ftel-
len; gewiß ift nur, daß der Erbridhter (Schultheiß, Schulze) am Ende
unferer Periode nicht mehr vorkünmmt, und fomit auch in diefer Hinficht
das republicanifche Element in der Ztadtverfallung in den Bordergrund
tritt. Ein Zurüdtreten der Schöffen von der Repräfentanz der Stadt
bemerken wir fchon feit dem Anfange des 14. Jahrhunderts. In zwölf
Urkunden aus der Zeit vom Jahre 1319--1409 gefchieht ihrer nur mehr
zweimal (1359 u. 1377) überhaupt neben den Geſchwornen Erwähnung,
indem fie 1329 felbjt bei der Gelegenheit übergangen find, als die Rath:
mannen vor dem Könige den Inhalt der verbrannten alten Stadt—
privilegien darlegten ?). Sicherer beurfundet die gefchehene Umwälzung das
Hervortreten des Bürgermeiftere, der feit 1391 einzig und allein an
der Spite der Stadt vor dem Rathe und den Vürgern genannt wird.”)
Der ganze Streit muß fomit zwilchen 1381 und 1391 cemdgiltig enfdie:
den worden fein. Jedoch ift außer in Sachen der Repräfentanz das
Amt des Bürgermeijters mit dem des Schultheißen nicht zu vergleichen.
Kin Hauptunterfchied war aber außer der Verſchiedenheit des Wirkungs—
freifes, daß letzteres erblih war, während erjteres nicht länger ale
einen Monat dauerte, und durch die Gemeinde befegt wurde.
Der Juhalt diefes damals zu Yeitmeriß geltenden Gewohn⸗
heitsrcchtes läßt ſich weder erjchöpfend darftellen, da wir, wie bereits
dargethan, das einzig umfaſſendere Rechtobuch diefer Art, das Weichbild⸗
recht, nicht zur Grundlage nehmen köunen, nod) könnte es anderfeits
Abſicht diefes Werkes fein. Das Grundgepräge des für alle Städte
dieſes Syſtems gleich geltenden magdeburger echtes war in jener Be:
riode vor allem abwehrender, prohibitiver Natur. Das Bejtehende, die
?) Leitm. St.:A.Nr. 4; Freilich fchrint die Hoflanzlei felbft nicht immer genaue
Einfiht in die Stadtverhältniffe gehabt zu Haben, indem fie häufig consules
et jurati nebeneinander nennt, während man mad beutfcher Weiſe, doch mit
beiden die Rathmannen bezeichnete. ?) Leitm. St.⸗A. Nr. 17.
— 9 —
Ordnung, der „Friede binnen Weihbild” follte durch das Recht vor
allem gewahrt werden.
Die Beltimmungen über Strafreht und Gerihtsperfahren
im Allgemeinen bilden daher außer den bereitS berührten Vorſchriften über
Marttpolizei, welche die Rathmänner ausübten, den Hauptinhalt der auf
uns gekommenen Aufzeichnungen des Magdeburger Rechtes aus jener
Periode. Schon in den Wichmann’fchen Gefegen von 1188 ijt die Ten-
denz zu ertennen, das Nechtsverfahren derart zu beichleunigen, daß da-
durdy dem Handel, dem Hauptfaftor im Stadtleben fo wenig als mög:
Gh Beſchränkungen erwacien. Cine unternommene oder anzutretenbde
Dandelsreife mußte eben jo wie eine Wallfahrt vor den „Vierbän-
ten” im vielfacher Beziehung berüdfichtigt werden. Aus diefem ben Ver-
hãltniſſen der Stadtgemeinde entiprechenden Principe erwuchs denn manche
Rechteinftitution, die das Stadtrecht vom Yandrechte unterfchied. Im
Allgemeinen mußten die Verhandlungen der Zeit nah in der Reihe
auf einander folgen, in welcher die Klagen eingebradjt waren: „welches
Urtbeif man zuerft bittet, das foll man zuerft finden ).“ Am ſſchnell⸗
ſten wickelte fi) die Verhandlung ab, bei Fällen „der handhaftigen
That” (des CErgreifens in flagranti). Selbjt über die ſchwerſten Ver»
brechen, wie den Bruch des Stadtfriebens durd Mord, Törper-
liche Verlegung, Raub und Diebjtahl mußte bei „handhaftiger That“
noch denfelben Tag das Gericht fein Urtheit Sprechen. Wurde an irgend
jemand auf eine der bezeichneten Arten der Friede des Weichbildes ge-
broden, jo mußte er (jollte die Sache als handhaftige That behan-
delt werden können) den Bilferuf, das „Gerufte“ (auch ruochte) er-
heben, und e8 war die moraliihe Verpflichtung aller, die diefen Ruf
hörten, dem die Gegenfeitigfeit der bürgerlichen Verhältniſſe Nachdruck gab,
berbeizueilen, ben Friedensbrecher zu fangen, augenblidfih vor Gericht
zu führen und daſelbſt „als Schreileute” gegen ihn Zeugenſchaft abzu-
legen. Konnte der Kläger etwa feine Wunden oder ein anderes corpus
delieti aufweijen, und waren außer ihn wenigftens noch ſechs „Schrei⸗
leute“ zum Kide bereit, fo daß er felbit als jiebenter den Schwur ablegen
founte, jo galt die Sache als erwiefen und das Urtheil wurde auf der
Stelle geiprohen. Dody brauchte ein Friedensbrecher nicht eben bei
der That felbfi gefangen zu werben, fondern es genügte, daß ihn die
Echreileute auf der Flucht von der That etwa mit bloßer Waffe in der
— —
7), Gaupp eb. R. v. 1261 8 62.
q*
— 88 —
beiten nichts weniger, als das rorhandene gangbare magdeburger
Recht, ĩondern vielmehr Umänderungen und Vervollftändigungen einzelner
Zagungen dee letzteren, welche die durch Fener verunglüdte Stadt über
dieten Unfall theilweiſe tröiten ſollten. Die Sammlung aber, welche unter
dem Namen dee „jähjiihen Weichbildes“ die Hauptiekungen
desjelben umiafte, entitand erit am Anfange des 14. Jahrhunderte, konnte
daher im Jahre 1230 von den einwandernden Teutichen nicht nach Böh⸗
men mitgebradjı werben. Aber auch im 14. Jahrhunderte fam jene Samım-
lung noch nicht nach Veitmeritz, wie dich bei der Ichwierigen und lang
ſamen Art der Ferbreitung von umfangreihen Handidhriften in jener Zeit
nicht zu verwundern iſt. Lie Thatſache aber folgern wir ans den beiden
Urfunden, in deren einer Karl der Stadt das prager Erbredt ertheilt
(das allerdings dem Weſen nad wie alles jog. Prager Recht aud
deutiches warı !: und deren zweite Qorichriften gegen den Yurus ent-
hielt, die ih Wenzel IV. zu erlaſſen für bemükigt hielt. *: Wäre das
„Beichbild“ damals bereite in Yeitmerik vorhanden und wie ſpäter
allenthalben ale Geſetzbuch anerkannt gemweien, jo würden jene beiden
Zerordnungen mindeitens überflüllig ericdyeinen. Jedenfalls aber würde
dann außer den pojitiven Beitimmungen, um die die Gemeinde oifenbar
nachgeiucht hatte, noch die Aurerfraftiekung der vorhandenen wenigſtens
mit einem Worte erwähnt worden jein. In beiden Bezichungen enthält
das Weichbild Beitimmungen, die jene Zperialverordnungen durchaus
unnöthig und höchitens eine Sinichärfung der vorhandenen wünichensiwerth
gemacht hätten.
Wir müllen alto annehmen, daR cd Yeitmerik durd die ganze
Periode hindurh an einer umfallenden Aufzeihnung ſeines Rechtes
fehlte. Zchen wir und jerner nad Analogien bei Zträdtegründungen
um, To finden wir deren eine große Anzahl in der Anlegnng ſchleſiſcher
Zrädte, deren Geſchichte die vergeichrittenere Winenichaft jenes Yandes
längit aufgehellt hat. Goldberg Neumarkhkt, Brieg, Breelau,
Görlie und andere verdanken in demjelben Jahrhunderte wie Yeit-
merig einem ganz gleihen Streben der ſchleſiſchen Fürſten ihre Entitehung.
Auh ſie wurden ſämmtlich mit deutſchem und zwar ſpeciell magde-
burgiichem, :oder was dem Inhalte nach dasſelbe üt, mit halliiche m)
Rechte ausgelegt. Dort war es nun üblich, daR ſich der Fürſt, der eine
Stadt gründete ſelbſt, oder in Gemeinſchaft mit den Bürgern an die
—
n Leite. St.⸗“A. Nr. 10. °) Leit. St.A. Nr. 19.
L
— 101 —
dem Beichuldigten einen Schild und ein Schwert bereit halten Y). Bleibt
feine andere Enticheidung mehr übrig als die durd Kampf, fo gibt der
Richter den beiden Parteien je zwei Boten, die daranf zu fchen haben,
daß ſich jeder „nach Gewohnheit” rüſte. Yeder und Yinmen können fie
anthun, fo viel fie wollen, nur muß Haupt und Fuß bloß, und die Hand
nur mit einem Handſchuh bededt fein. Kin bloßes Schwert führt jeder
m der Rechten, ein anderes, oder deren zwei umgegürtet, in der linken
aber einen rumden Schild von Holz und Yeder, auf dem höchſtens die
Budel von Eifen fein dürfen. Nun wird ein Kreis gezogen und Frieden
geboten. Beide, Kläger und Beklagte, aber treten gerüftet vor den
Richter — noch kann das Seftändnig den Streit löfen. Im anderen
Falle ſchwören nun beide, der eine auf die Schuld des Beklagten, der
andere auf feine Unſchuld. Einer muß ſomit falſch geichworen haben
und in Folge deifen — den Kampf verlieren. Die Sonne wird zwiſchen
beiden gleich getheilt und der Stanıpf beginnt. Wird der Vellagte ver:
wundet, jo wird er gerichtet, umgekehrt, losgeſprochen. Stellt fich der
Geforderte nicht zum Kampfe, fo ſchickt der Richter zu dreien Malen den
Frohnboten mit zwei Schöffen um ihm in jein Haus, ericheint er dann
noch nicht, fo bietet jid) der Kläger zum Nampfe, (ohne zu ſchwören)
führt zwei Hiebe und einen Stid) wider den Wind — md jener gilt für
befiegt. Kine andere Art des Sottesurtheiles außer dem Zweikampfe kennt
das Ztadtreht nicht. Dagegen war bei dem in Böhmen geltenden
einheimischen &erichtsverfahren die Waſſerprobe und die mit glühendem
Eifen ſchon vor der Anficdelung der Deutichen längjt im Gebrauche ?).
Unter den höchſten Strafen des deutſchen Rechtes finden wir die To—
desſtrafe und mindere Yeiberjtrafen, doch nur bei den größten Ver—
bredien, während die meiſten mit Geld je nad Verhältniß des Wehr—
geldes des Beichädigten gefühnt werden konnten.
Charakteriftiich ijt die Sorge für den geficyerten Fortbeſtand der
Familie und Hintanhaltung eines befiglofen Prolctariats, die ſich im Ge—
jege dadurch ausſpricht, daß feinerlei Güterconfiscation geftattet wurde,
fondern felbft an das Vermögen des wegen der ſchwerſten Verbrechen Verur—
theilten nicht gerührt werden durfte, dieſes vielmehr den Erben überlajfen wer-
den mußte. „Wird aud einem Manne jein Geſund oder fein Yeib ver:
urtheilt um weicherhand Verbrechen immer, jeine Erben nehmen fein Gut,
Eb 1261 8 63 fi. °) Beweis bei Erben Res. I. 325 „judicium aquae et can:
dentis ferri“.
— 102 —
und der Richter hat von feinem Gute nichts, denn der Mann kann
feinen Leib wohl verwirfen, nicht aber fein Gut Y.“ Anders war auch
dieß in Böhmen nad einheimiſchem Rechte, wo den Grundherren mit-
unter das befondere Privilegium ertheilt wurde, daß fie das ſämmiliche
Bermögen aller jener einziehen durften, die durch die königlichen Richter
um ein größeres Verbrechen verurtheilt waren. Selbftverftändlich fielen
demnach) vor der Crtheilung folder Privilegien fämmtliche Güter der
Berurtheilten an den Nandesheren 2). Auf dem offenen Landemochte
das ohne befonderen Nachtheil für den Staat geübt werben können,
da man auf bie eingezogenen Gründe Teicht neue Anfiedler feßen
tonnte, und. diefe deßhalb nicht brach lagen. In der Stadtgemeinde aber,
wo das Vermögen in anderen Dingen beftand nnd nicht von jedem erften
Beten weiter verwaltet werden konnte, hätte diefes Verfahren mit dem
Wohlſtande einzelner Familien bald auch den der geſammten Stadt ge-
mindert.
Im Privatrehte bildeten in ähnlicher NRüdfichtnahme die Beſtim⸗
mungen über das Erbrecht den Hauptinhalt. Es Icheint vor allem dafür
geforgt zu haben, daR nicht einzelne Familienglieder durch eine zu will»
führliche Vertheilung des Erbes für das Wohl der Stadt gewiffermaßen
brad) gelegt würden.
Der ganze Befig bes Mannes zerfiel in drei Theile. Mit dem
einen mußten nothiwendig die Männer, mit dem anderen die Weiber aue-
geitattet werden, während nur über den dritten, das eigentliche „Erbe“
ber Familie, die freie Verfügung zuftand. Den männlichen Erben gebührt
auf jeden Fall derjenige Theil des Vermächtniſſes, der das fogenannte
„Heermwäte” bildet. Dahin gehört ?) des Mannes Schwert, fein ge-
fattelteg Roß und der befte Harniſch, den er beſaß, ferner ein „Heer⸗
pfuhl” (Bett und Kiffen), Yelahen, Tiſchlachen, zwei Becken und ein
Handtuch und mancherlei ähnliche Dinge, die inder nicht eben nothwendig
dabei waren. Sind zmei oder mehrere zu Einem Heerwäte geboren,
fo nimmt der Achtefte nur das Schwert vorweg, während fic alle Uebrige
zu gleichen Theilen theilen. Die „Rade“ aber, das Erbtheil der Weiber
des Haufes beftand in allen Schafen, Gänſen, Kaften, Garn, Betten,
Pfuhlen, Kiffen, Yeilachen, Tiſchlachen, Handtüchern, Badelachen, Beden,
Leuchtern (d. i. Spahnhaltern) Yein, allen weiblichen Kleidern, „Finger⸗
(ein (Ringen), Armgold, Kränzen, Pfaltern, gottesdienitlihen Büchern,
1 Gaupp. R. v. 1304. rt. 195. ) Beifpiel bei Erben Reg. 326. >) Gaupp
&. vo. 1261 8 55 fi.
— 91 —
und Mähren verbreitete. Durd die Einführung desjelben trat unfere
Stadt in ebenfo nahe Beziehung zu jener berühmten deutlichen Stadt,
als fie in rechtlicher Beziehung von jedem Zufammenhange mit den ſla—
vifchen Behörden des Landes fern ftand.
Diefes Verhältniß zwifchen Tochter- und Mutterjtadt umfaßte bei«
derfeitig Rechte und Pflihten.
Leitmeritz hatte (injofern fein Verhältniß nicht etwa in dem
oder jmem Punkte eine uns unbekannte Ausnahme von der Regel, die
bei andern ähnlichen Berhältniffen galt, bildete, worauf man aus gar
nichts fchließen kann) wie andere Städte desfelben Verhäftnijjes die
Pflicht, fih nur bes magdeburgifchen Rechtes zu bedienen, Rechts⸗
auskfünfte und Urtheile Icgter Inftanz nur in Magdeburg zu holen,
und jein Recht ohne Einwilligung Magdeburgs niemand außer feinem
Weichbilde mitzutheilen. Dagegen verpflichtete fih Magdeburg zu
jeder verlangten Auskunft und in Sonderheit noch dazu, bie neue Stadt
um Genuſſe ihres echtes gegen jedermann, in fo weit es möglich, nad)-
drũcklichſt zu fchügen. ') Wir haben Beifpiele, daß Magdeburg ohne
Anſehen der Perfon jedem entgegentrat, der eine zu deilen Rechtsſyſtem
gehörige Stadt in der Ausübung ihres Rechtes zu behindern drohte.
Taf die Anzahl folder Schugftädte recht groß werde, war für Magde-
burg und feinen berühmten Schöffenjtuyl ſowol eine Sade der Ehre
ald des Vortheiles, denn ſowohl Rechtsbelehrungen als erbetene Urtheile
Weisthümer) mußten dort bezahlt werden. Diefen Vortheil und diefe
Ehre genoß anderſeits Reitinerig wieder den übrigen Städten Böhmene
gegenüber, die in ihm ihre Rechtsquelle fahen, und fo entwidelte jich ein
fermliches ſächſiſchböhmiſches Städtefyftem. Obgleich indeß
Leitmeritz von allen andern Städten Böhmens desfelben Rechtes
in Betreff der Rechtsentfcheide als Vorort vorangeftellt wurde, jo zogen
et dennoch viele Städte vor, die gewünfchten Kntfcheide nicht in Yeitme-
eig, fondern unmittelbar felbft in Magdeburg zu holen. Die böh-
mie Kammer aber hatte Grund, das Hinaustragen des Geldes nicht
rm zu fehen und war deshalb immer bemüht, den Verfehr mit Mag—
dedurg fo viel als möglich auf Yeitmerig allein zu befchränfen und die
adern Städte an, diejes unmittelbar und höchſtens durch diefes mit-
tlber an jene® zu weifen. In diefem Sinne verbot Wenzet IV. im
Jahre 1387 allen Einwohnern Böhmens, an irgend ein Gericht außer-
) Geupp ebend. 87 und 88.
—- 14 —
beſtimmt war, die Schuldigkeit der Stadt gegenüber der königl. Kammer abzu⸗
tragen. Der Veberfchuß diente zur Beftreitung der eigentlichen Gemeindeaus⸗
lagen, unter welchen damals die often der Stadtbefeftigung und der Erhaltung
der bezüglichen Banwerfe die Hauptenbrit ansmachten. Segen Ende des
14. Jahrhunderts war es üblich, ohne daß wir wiflen, feit wie langer
Zeit, daR die Bürger und Inwohner den Schoß auch von ihrer beweg-
lichen Habe entrichten und ſomit eine ganz regelmäßige Befigfteuer zahlen
mußten. Andere Tuellen des Einkommens befaß die Stadt urfpünglidh
nicht, fo daR der etwaige Abgang des nothwendigen Geldes durd Um—
lagen, fogenannte „Yolungen“ gededt werden mußte, deren Höhe dem
Bedürfniffe nad) verfdjieden war. Dieſe zu ınindern war das Beſtreben
der Bürger und es gelang ihnen im Yaufe der Zeit, wie erwähnt, burd)
Erhebung von „Ungelten”. Seit 1336 erhielt die Stadt fo die Er:
trägniffe des Salzmarktes (jeit 1377 je ein Srofchen von Maße) fowie
das Ungelt von Wein und Bier, feit 1405 erhob jie von ihren Inwohnern,
die nicht Bürger waren, cin Ungelt, indem fie jeden Scheffel Ge—
treides, den diefe Fauften oder verfauften, mit einem Seller bejtenerte,
und endlich erließ fie 1409 den fremden Getreidehändlern die Pflicht der
Niederlage gegen ein Ungelt von 4 Hellern vom Striche, fo daß nun
im Allgemeinen für Semeindebedürfniffe der Seckel des einzelnen Bürgers
feltener in Anfpruch genommen zu werden brauchte.
Weit drücender, mitunter von ungeheurer Höhe, waren die außer-
ordentlichen Yandesftenern, die bei befonderen Gelegenheiten, Kriegsereig-
nilfen, Krönungsacten, Prinzenausftattungen und dgl. ausgefchrieben wur-
den und zu Seiten Schlechter Regenten befonders Häufig wicderfchrten.
Die politifche Rechtsftellung, die der Bürgerftand in fpätern Pe:
rioden einnahm, war damals erſt, wie das Bürgerthum felbft, auf den
Wege feiner allmähligen Entwidlung. Das ganze Stände: und Yandtage-
weſen bildete fi) damals überhaupt erjt heraus, indem aus einzelnen
Präcidenzfällen nad und nad Rechte und aus diefen Rechtoſyſteme fich
entwidelten. Cine Betheiligung der Städte an den Yandtagen konnte im
der ältejten Zeit keinen Sinn haben, da ihre Verhältniſſe außer den
Yandesgefegen jtehend durch eine bejondere Gefeßgebung geregelt wurden,
und fie als Fönigliches Kigenthum mit den Beſchlüſſen des Yandtages
nichts zu thun hatten. Nur durch Benügung außerordentlicher Fälle
erzwang fich die Bürgerſchaft, befonders die von Prag, nah und nad)
einen Einfluß auf die Öffentlichen Angelegenheiten, über die fonft der
Adel, in Herrn und Ritter getheilt, allein beichloß. Als ſolche nicht
— 105 —
unbenägt gelaſſene Gelegenheiten zur Erringung eines politiiden Ein-
fluſſes der Städte lernten wir bereits die Berhältnijfe nach dem Aus-
jterben der Piemyfliden kennen. Sowohl an der Wahl Heinrich® von
Kärnthen, als auch Johanuns von-Yuremburg betheiligten ſich bereits
die Städte und legten fomit den Grund zu ihrem nachmaligen politijchen
Einfluße. Obgleich wir die Entwidlung der öffentlichen Rechte des Bürger-
thums nicht Schritt für Schritt verfolgen können, jo ift dod) als Rejultat
ihres Strebens fichergejtellt, daß fie bereits nody in unferer Periode das
Recht der dritten Stimme auf den Yandtagen befaßen, wie ihnen dieß
der Ritterftand im 15. Jahrhunderte als von Alters Her zu Recht
beitehend zu gewährleijten verfprah '). Bei den Krönungsfeierlichkeiten
wurden am Ende unferer Periode die Gefandtichaften der Städte bereite
als ein nothwendiger Factor angejehen *).
Außerdem hielten Abgeordnete der Städte unter dem Vorſitze des
Königs ſelbſt oder ſeines Unterfämmerers auf dem prager Schloſſe be-
tondere Verſammlungen, in denen über die Interejfen des Königs und der
Städte verhandelt wurde ?).
Der unmittelbare Vertreter des Königs war der Unterfämmerer,
der ſowohl die aus den Städten cinlaufenden Einkünfte verwaltete, als
aud das Amt eiues oberften Richters (etwa in der Weile des magde-
burger Burggrafen) ausübte. Da aber diefer Beamte regelmäßig aus
dem Adel ernannt wurde (nur ausnahmsweiſe war es ein prager Bürger,
örenzlin, Jakobs Sohn, und zu Zeiten Wenzels IV. Signunb Huter),
fo wurde ihm in leßterer Beziehung ein in den Stadtredhten bewan-
derter Rath nothwendig, der auch feit Johanns Zeiten an feiner
Seite umter dem Titel eines Hofrichters (judex curiae, zu unterjchei-
den von dem Hoflehenrichter) ericheint. Dem Zwecke dieſes Hilfsamtes
angemcejjen bekleidete es rezelmäßig ein Bürger *).
Dean nimmt im Allgemeinen an, daß die alten Aemter der Gau-
oder Kreisbeamten im Berlaufe der Zeit Macht und Anfehen ver:
loren und zu Seiten Karls IV. volljtändig eingegangen wären. Entweder
ift diefe Annahme im Allgeıneinen nicht zutreffend, oder es bildet der
') Archiv cesky VI. 414, 508 ff. )) Benigflens wird der Mangel derfelben Kaifer
Siegmund ber is vorgeworfen. Palacky, Geſch. III. 2. 144. °) Tomel. Geld.
Prage 1. 384 mit Auführung eines derartigen Beijſpiels. ') Eben. 385. Aus
der dort mitgetheilten Stelle der Summa Gerhardi pag. 171 geht zugleich her⸗
vor, daß der Unterlämmerer wirklich in einzelnen Fällen ähnlich wie der magde:
burger Burggraf, in den Städten dem Gerichte vorfaß.
— 4 —
Schöffen ſelbſt einen Richter ein für den Fall einer allſogleich zu ent-
Icheidenden Klage, falls der eigentliche Richter nicht zu Haufe wäre. ')
Tes Erbrichters Einkommen beitand in dem „Gewette“ oder ber
„Dettung“ ıvadium), welche die den Proceß verlierende Partei (außer
Wehrgeld und Buße) an denjelben zu erfegen hatte. *) Die Wettung,
welche die Partei dem Richter zu leiſten hatte, betrug acht Schillinge. ?)
»In Halle erhielt der Richter auch noh ein Trittel des Wehrgeldes. *)
Außer Streitſachen hieß aud das Ztrafgeld „Wettung” und gebührte dem
Richter. An Halle erhielt der Richter mit den Schöffen alljährlich
dreimal Gefchente von den Bädern, Fleiſchern und Schuftern. °) In
Leitmeritz beiak cr außerdem eine Mühle von vier Gäugen jenfeits
der Elbe. Wahricheinlich bezog er auch, wie allenthafben die Richter auf
den Törfern das Erträgnig eines Gemeindewirthshauſes. Jedenfalls waren
ihm, um fein Amt einträglih zu maden, wie in Magdeburg bem
Burggrafen, gewiſſe Procchie vorbehalten. Dieſer war ansſchließlich be-
fugt zu richten über „Not“ ı&emalthätigfeit‘, „Lage“ ı egelagerung“
und „Heimiuce” Gewalt im Hauſe, Raub etc.» mit Ausnahme der
„bandhaftigen* That ıder Ergreifung in flagranti,. ©
Die Trennung des Gerichtsweſens von der Berwaltung
war in der deutihen Stadtgemeinde von allem Anfange an eingeführt,
wenngleich die Grenzen noch nicht To genau gezogen waren, vielmehr erft
nad langwierigem Streite Teitgeitellt wurden.
Die Pflege des eriteren hatten die Schöffen ‚consules, scabini),
die der legteren die Rathmannen (Geſchwornen, Jurati), auf ih. Das
Amt der eriteren war Anfangs wegen der damit nothwendig verbundenen
Kenntnike und feiner innern Würde das angelehenere, die Schöffen
wurden in allen Urkunden nor den KRathmannen, häufig jogar als Ber-
-treter der Stadt ganz allein genannt, to wie jie aud im Rathe derfel-
ben die gewidhtigite Stimme hatten. Zo lange dick der Fall war,
ſtand auh der Richter an der Spitze der ſämmtlichen Stadwer⸗
tretung.
Ter Schöffen jollten im Allgemeinen zwölf gewählt werden,
wogegen jedoch in Yeitmerig nur je ſechs vorfommen ’ı: jie follten der
Stadt ichmwören, ihr „Ehre und Frummen“ zu bewahren und zur „Er⸗
, Ganpp. R. v. 1261 S 10. ?) Ebend. R. v. 1295 3 4. ?) Ebend. R. v. 1261
2 10. *, Ebend. R. v. 1235 S 19. *) Ebend. R. 0.1235 8 39 ff. 9 Eben.
1235 5 6. °) Bir fiaden fie zu wiederholten Meilen in Urkanden des
z H.St.-Arch.; fo in Erg. Ar. 4367, 5775, 5337, 5549.
— 95 —
haltung der Ehre“ derſelben häufig und fleißig Sitzungen halten.!)
Sie wurden gewählt „zu langer Zeit” ), das heißt wohl auf Lebensdauer,
jal8 fein grobes Vergehen zur Enifernung zwang. Sie faßen auf den
„Bierbänkfen“ und fanden das Urtheil nad) der ihnen innewohnenden
Rechtskenntniß und der gangbaren Nechtsgewohnheit auf das Geheiß des
Richters. Wurde das von einem derfelben gefundene Urtheil nicht „ge:
\holten”, fo erhob es der Richter durdy feine Verkündigung zur Rechts:
kraft. Außer der Gerichtsftätte war fein Schöffe verpflichtet, dem Richter
an Urtheil zu finden. ) Die Bürger waren nicht verpflichtet, zum
Gerichte zu kommen, außer wer öffentlid hiezu gerufen wurde. Mer
dieß dann verfäumte, ohne ſich rechtfertigen zu fönnen, büßte mit Geld. *)
Anker Richtern waren die Schöffen auch noch eine Art lebendigen Grund-
baches, indem es ihre Pflicht war, in jtreitigen Fällen Zeugenfchaft ab-
zulegen von alldem, was jemand vor Gericht, wie man das der Sicher-
beit halber zu thun pflegte, an einen zweiten verfchenft, vermacht oder
verfauft, und überhaupt über alle Verträge, die vor ihmen geſchloſſen
wurden. Schon deshalb mußten, abgefehen von der Notwendigkeit fort:
geſetzter Uebung, das Amt des Schöffen von längerer Dauer fein als das
8 Rathmanues. Sie waren deshalb auch die würdigiten Vertreter der
Stadt, in ihnen vereinigte fich Unbejchoftenheit, Erfahrung und Anfehen.
Letzteres war durch Geſetze bejonders geſchützt. *)
Einkünfte ſcheinen fie nur inſofern bezogen zu haben, als abwech—
ſelnd der Vorſitz, das iſt das Richteramt, an die einzelnen gelangte,
welche während dieſer Zeit (mit Ausſchluß der Dingzeit des Erbrichters
die Wettungen erhielten. Im Uebrigen aber ſollte ihr Amt ein Ehrenanit
und frei von allem Gigennuge fein. Höchſt achtenswerth ift, was die
ehrlichen Schöffen von Dagdeburg an ihre Collegen in irgend einer
Tochterſtadt fchrieben, al8 diefe den Wunfch äußerten, durch einen An:
theit am Geſchoß fi ihre Mühe bezahlen zu laſſen. Jene jdjrieben
ihnen ebenfo freundlich als jtreng ): „Xiebe Freunde! Ihr habt uns
in enerem Briefe verftehen laſſen, daß ihr wenig Nugen hättet von eurem
Amte des Schöffenjtuhlse. Dazu fünnen wir nicht beiftinnmen; denn
wer ſich in Städten eines ehrlichen Amtes unterwindet und es annimmt,
wenn er dazu geforen und geheißen wird, der muß Arbeit und Sorge
haben darum, baß er dem Amte wohl und getreulich vorftche — denn
) @b. Mogd. v. Goldberg $ 11. ?) Eb. R. v. 1304 Ariiki l. ) Eb. 8. v.
1904 Urt. 86. *) Eb. R. v. 1235 5 3. 9) Eb. R. v. 12959518. Ir
©. 174.
— 4 —
Schöffen ſelbſt einen Richter ein für den Fall einer allſogleich zu ent⸗
ſcheidenden Mage, falls der eigentliche Richter nicht zu Haufe wäre. ')
Des Erbrichters Einkommen beftand in dem „Gewette“ ober ber
„Wettung“ (vadium), welche die den Proceß verlierende Partei (außer
Wehrgeld und Buße) am denfelben zu erlegen hatte. 2) Die Wettung,
welche die Partei dem Richter zu leiften Hatte, betrug acht Schilfinge. *)
(In Halle erhielt der Richter auch noch ein Drittel des Wehrgeldes. *)
Außer Streitſachen hieß and) das Strafgeld „Wettung“ und gebührte dem
Richter. In Halle erhielt der Richter mit den Schöffen alfjährlid
dreimal Geſchenke von den Bädern, Fleiſchern und Schuftern. ) Im
Feitmerig befaß er außerdem eine Mühle von vier Gängen jenſeite
der Elbe. Wahrfcheinlich bezog er auch, wie alfenthafben die Richter auf
den Dörfern das Erträgniß eines Gemeindewirthshaufes. Iedenfalls waren
ihm, um fein Ant einträglid zu machen, wie in Magdeburg ber
Borggrafen, gewiſſe Proceffe vorbehalten. Diefer war ausſchließlich be
fugt zu richten über „Not“ (Gewalthätigkeit), „Lage (Wegelagerung‘
und „Heimfuche” (Gewalt im Haufe, Raub etc.) mit Ausnahme der
handhaftigen" That (der Ergreifung in flagranti). ©)
Die Trennung des Gerihtswejens von der Berwaltung
war in der deutfchen Stadtgemeinde von allem Anfange an eingeführt,
wenngleich die Grenzen noch nicht fo genau gezogen waren, vielmehr erfi
nad) langwierigem Streite fejtgeftellt wurden.
Die Pflege des eriteren hatten die Schöffen (consules, scabini),
die der legteren die Rathmannen (Gefhmwornen, Jurati), auf ſich. Dat
Amt der erjteren war Anfangs wegen der damit nothwendig verbundenen
Kenntnige und feiner innern Würde das angefehenere, die Schöffer
wurden in allen Urkunden vor den Rathmannen, häufig fogar als Ber
-treter der Stadt ganz allein genannt, fo wie fie aud im Mathe derfel:
ben die gewichtigfte Stimme hatten. So lange dieß der Fall war,
ftand aud der Richter an der Spige der fämmtlichen Stadtver:
tretung.
en ui in jolften im Allgemeinen zwölf gewählt werben,
nur je ſechs vorfommen ); fie follten der
Frummen“ zu bewahren und zur „Er
1205.94. 9) Ebend. R. v. 1261
1235 5 39 fi.
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baltımg der Ehre” derielben häufig und fleißig Zigungen halten. ’ı
Cie wurden gewählt „zu langer Zeit” *), das heißt wohl auf Yebensdauer,
jalls fein grobes Nergehen zur Gmifernung zwang. Sie ſaßen auf den
„Bierbäalen“ umd fanden das Urtheil nach der ihnen imewohnenden
Kchtefenntnig und der gangbaren Rechtsgewohnheit auf dae Geheiß des
Kichters Wurde da& von einem derfelben gefundene Urtheil nicht „ge
ſcholten“, to erhob es der Richter durch feine Terfündigung zur Rechte:
kraft. Außer der Serichtsitäne war fein Schöffe verpflichtet, dem Richter
an Urtbeit zu finden. °ı Tie Bürger maren nicht verpflichtet, zum
Gerichte zu kommen, außer wer öftentlid hiezu gerufen wurde. Wer
ieh dann verſäumte, ohne ſich rechtiertigen zu föünnen, büfte mit eld *ı
Außer Richtern waren die Schöffen auch nod eine Art lebendigen Grund—
baches, indem es ihre Pflicht war, in itreitigen Fällen Zeugenſchait ab-
jalegen ven alldcm, was jemand vor (Bericht, wie man das der Sicher—
keit halber zu thun pfleate, an einen zweiten vericbenft, vermacht oder
verlauft, und überhaupt über alle Verträge, die vor ihnen geicloiien
wurden Schon deäbalb muhten, abgeiehen von der Nowendigkeit fort:
geieeter Uebung, das Amt dee Schöffen von längerer Dauer iein ale das
Rt Rarbmannıcee Zie waren deihalb auch die würdigiten Vertreter der
Stodt, in ihnen vereinigte ſich linbeicholtenhait. Griabrunga un? Aniebın
derreret war durch (Kriege beionder# aeihügt. °
Cinfüntte Icheinen ſie nur intotern beicaen zu haben, ala abme&-
find der Terig, dae it das Richterawt, an die einselmen adlamsıe.
weidhe währenr dieſer Zeit mir Ausichlat ter Zinsen Ira Erdriccre
Die Vertangen erhielten. im lichrigen aber sole ar Amt an Chremamı
sub sei ven allem Kiaennuge icin. Hoctit adtenemes a. we Sir
drtuhen Schörien von Magdebura an ıbre Kcliesen m ireend cımır
Zechtertade ſchrieben, ats dieie den Fienit ücterten, durd einer An:
Krü am Geier ib ibre Mühe besabier :u laflenr Jene iron
nen cbeuie freundlıb ala itrena® : „Yıcbı Rreuate! br batı une
in asrem Briefe veritchen laft:n, Dat :hr men: iugen benet ron euren
Ute des Echcnituhle Dazu fernen wir miht beiitimmer: Men
: wer Eh m Srädten eince ebrlichen Amtes eriemminte und 22 Smmau,
ge bagm getoren und acheiken wird, ter mut Arbeit un Sorse
B, Bak er dem Amte wobl ind serrenlib ocritche — Yemr.
r Geßbag s 11. u. RM vr 154 Il "GER. n
ER vr 125% :5 ER vr 115, ii
— 10 —
zwei einen, und alle zufammen den überhaupt zuerft gefangenen Lachs
jedes Jahr unmittelbar an Heinrich liefern. Außerdem aber hatten fie
wie die andern Bewohner des ‘Dorfes noch ihre beftimmten Yeiftungen
an Hartwig. Diejenigen Imvohner des Dorfes aber, die feinen cigenen
Belig hatten, von dem fie dem Schulzen ihre Abgaben entrichten konnten,
follten ihm außer undern ‘Dingen, die er von ihnen verlangen würde,
alljährlich zweinnddreikig Meken Salz geben, aus welcher Abgabe
man jchließen kann, daß dieſe Inwohner von Yobofig meift Elbeſchiffer
waren, die von dem Salztransporte lebten. Durch die Unbeftimmmtheit
der übrigen Abgaben aber läßt fi ein Einblid gewinnen, wie fehr in
Betreff der Yeiftungen die Unterthanen den Herren hilflos in die Hände
geliefert waren. Das Grträgniß der Ueberfuhr behielt fid) Heinrich) nod)
vor. Schließlich begibt ſich Heinrich aller Roboten und Yeiftungen,
die etwa noch an ihn fallen könnten, fo daß alfo die Bewohner mit
Ausnahme der Yeiftungen an die Kirche (je vier Kübel Korn von der
Bauernwirtfchaft) an niemand mehr etwas unmittelbar zu leiten hatten,
als an ihren Schulzen.
Profmik Scheint Schon früher nad) dentfchem Rechte ausgefegt
worden zu fein.
2. Die kirchlichen Verhältniſſe.
Mit dem Jahre 846, in weldem am 13. Jänner vierzehn vornehme
Cechen fammt ihrem Gefolge zu Regensburg die Tanfe empfingen,
beginnt für Böhmen das Zeitalter der Chriftianifierung, in deſſen Ver—
lanfe als zweites Epoche machendes Ereigniß die Taufe Borimwojs, die
etwa um das Jahr 879 dur Methud zu Welchrad vollzogen wurde,
hervorragt. Bon der Mitte des 9. Jahrhunderts, jeit Biſchof Botbe-
rid) von Regensburg die Aufgabe erhielt, die heidnijchen Gehen im
Chriſtenthume zu unterweilen, durch das ganze 10. Tahrhundert hindurch
erfüllte den ganzen Nreis des geijtigen vebens des Cech en volkes das
Ringen uud Kämpfen für und gegen eine neue Religion, vebensauffaſſung
und Sitte. Da indeß in einzelnen Gegenden Böhmens« Ueberreſte des
Heidenthums noch bis ins 15. Jahrhundert und einzelne Spuren des:
jelben noch viel weiter heran fid) erhielten, fo läßt fi auf eine größere
Mannigfaltigkeit in den einzelnen Gauen ichließen, als daR man dem
Verlaufe der Khriftianifirung im Allgemeinen den in einem beftimmten
Orte als vollkommen gleihmäßig an die Seite ftellen könnte. Es bleibt
uns daher die innere Geſchichte unferer Gegend für jene Zeit in der er-
wähnten Richtung ganz dunkel bie in bie Mitte des elften Jahrhun⸗
— 97 —
ftand in nicht näher zu beftimmender Zeit der Beirath der „Semeinde-
älteften“.
Das Ant der Schöffen brachte es mit fid), dar diefe nach und
nah zu einem gejchloffenen Collegium wurden, das nene Cindringlinge
abzuwehren und ſich felbft eine Art Ausfchließlichkeit und Erblichkeit zu
erwerben wußte. Dadurch bildeten fie in der fonft durchaus demokra—
tiſchen Stabtverfaffung eine dem Volke bald genug verhafte Arifto:
fratie. Trotz aller Achtung vor ihren Kenntniffen, ihrer Erfahrung umd
Würde konnte die Vürgerfchaft diefe Geſinnung nicht verläugnen, und es
entſpannen fih im dreizchnten und vierzehnten Jahrhunderte
Kämpfe in allen dentfchen Städten zwifchen den Schöffen einerfeits,
und den aufftrebenden demokratischen Elementen der Rathmannen und
Innungen andererfeits. Ueberall gelangten ſchließlich die letzteren zum
Eiege, die erfteren wurden aus dem Rathe der Stadt verdrängt und
m gebührender Weiſe anf die (Herichtspflege allein verwieſen. Durch
diefen Sieg trat dann der jemalige Vorfigende im Rathscollegium,
der Bürgermeiſter“, (magister civium) an die Spike der ſämmt
lichen Stadtrepräfentanz, während der Erbrichter feine Bedeutung verlor,
ja fein Amt mit der Zeit verſchwand. Wir haben über diefe Kämpfe
und Greignijfe in unſerer Stadt nicht die geringften Nachrichten, um jo
merfwürdiger ijt c8 aber, dan wir durch wenige aber fichere urkundliche
Anhaltspunkte auch bei uns die Reſultate derfelben Entwicklung wieder:
finden und auf eine auffallende Gleichmäßigkeit der Entwicklung unferer
Stadt mit der ihrer deutfchen Mutterjtadt und Schweiterftädte fchlichen
müllen. Nur daß die Entwicklung der letteren vor der der unferen ber
Zeit nach einen geranmen Vorſprung hatte.
Das eine Ereigniß diefer Art ift das gänzliche Verſchwinden dee
Erbrichters (judex hereditarius), deſſin vom Jahre 1381 ab Y) in
feiner Urkunde mehr gedacht wird. Die einfachfte Erklärung diefer
riheinung, über die uns die Urkunden ganz im Stiche laſſen, wäre die
Annahme, daß die Familie des Erbrichters einfach ausgeſtorben fei, wo
dann eine Erneuerung diefes Amtes nicht mehr nothmendig erfchien, nachdem
feit der Gründung der Stadt der Nichter eigentlich nur mehr die durd)
iene gewonnenen Rechte ausübte. Zu einer zweiten nicht minder in der
Sache ſelbſt begründeten Hypotheſe fünnten uns die analogen Vorgänge
m Magdeburg verleiten. Dort war am Ende des 13. Sahrhunderts
) dei. St.⸗A. Nr. 15.
— 98 —
die Familie von Eckersdorf im Beſitze des erblichen Schultheißen⸗
amtes.“) Von dieſer kaufte es die Gemeinde um das Jahr 1294
und übertrug es ihrem Herrn, dem Erzbiſchofe mit der Bedingung, da—
mit immer denjenigen zu belehnen, den die Gemeinde hiezu ſelbſt
wählte, und den ſie ſich auch wieder zu entfernen vorbehielt, ſo oft ſie
wollte: das heißt, es wurde aus dem erblichen Richteramte ein durch
Wahl der Gemeinde anf unbeſtimmte Zeit zu beſetzendes. Ob nicht auch
in Leitmeritz ein ähnlicher Vorgang ſtattfand, iſt nicht ſicher zu jtel-
len; gewiß ift nur, daß der Erbrichter (Schultheiß, Schulze) am Ende
unferer Periode nicht mehr vorkömmt, und ſomit anch in diefer Hinſicht
das republicanifche Element in der Stadtverfallung in den Vordergrund
tritt. Ein Zurüdtreten der Schöffen von der Repräfentanz der Stadt
bemerfen wir ſchon feit dein Anfange des 14. Jahrhunderts. In zwölf
Urkunden aus der Zeit vom Jahre 1319--1409 geſchieht ihrer nur mehr
zweimal (1359 u. 1377) überhaupt neben den Geſchwornen Erwähnung,
indem fie 1329 felbjt bei der Gelegenheit übergangen find, als die Rath—
mannen vor dem Könige den Inhalt der verbrannten alten Stadt:
privilegien darlegten ?). Sicherer beurfundet die geſchehene Umwälzung das
Hervortreten de8 Bürgermeifters, der feit 1391 einzig und allein an
der Spite der Stadt vor dem Rathe und den Bürgern genannt wird.?)
Der ganze Streit muß fomit zwifchen 1381 und 1391 endgiltig enſchie—
den worden fein. Jedoch ift außer in Saden der Repräfentanz das
Amt des Bürgermeiſters mit dem des Schultheißen nicht zu vergleichen.
Kin Hauptunterfchied war aber außer der Verfchiedenheit des Wirkungs—
freifes, daß letzteres erblid) war, während erfteres nicht länger als
einen Monat dauerte, und durd die Gemeinde befetst wurde.
Der Inhalt diefes damals zu Yeitmerik geltenden Gewohn⸗
heitsrechtes läßt ſich weder erjchöpfend darftellen, da wir, wic bereits
dargethan, das einzig umfalfendere Rechtsbuch diefer Art, das Weichbild-
recht, nicht zur Grundlage nehmen können, noch könnte es anderfeits
Abfiht diefes Werkes fein. Das Grundgepräge des für alle Städte
dieſes Syſtems gleich geltenden magdeburger Rechtes war in jener Be-
tiode vor allem abwehrender, prohibitiver Natur. Das Beſtehende, die
') Chron. Magd. Die beitefiende Stelle bei Gaupp. D. u. H. Recht S. 135.
°) Leitm. St.-A. Nr. 4; Freilich fchrint die Hoflanzlei felbft nicht immer genane
Einfiht in die Stadtverhäftniffe gehabt zu haben, indem fie häufig consules
et jurati nebeneinander nennt, während man nad deutfcher Weife, doch mit
beiden die Rathmannen bezeichnete. ?) Leitm. St.:U. Nr. 17.
- 9% —
Ordnung, der „Friede binnen Weihbild” follte durch das Recht vor
allem gewahrt werden.
Die Beitimmungen über Strafredht und Gerichtsverfahren
im Allgemeinen bilden daher außer den bereits berührten Vorfchriften über
Marktpolizei, welche die Rathinänner ausübten, den Hauptinhalt der auf
uns gekommenen Aufzeichnungen des Magdeburger Rechtes aus jener
Periode. Schon in den Wichmann’fchen Geſetzen von 1188 ijt die Ten-
denz zu erfennen, das Nechtsverfahren derart zu bejchleunigen, daß da-
durh dem Handel, dem Hanptfaktor im Stadtleben fo wenig als mög:
ih Beichränfungen erwachſen. Cine unternommene oder anzutretende
Handelsreiſe mußte eben fo wie eine Wallfahrt vor den „Vierbän-
fen" in vielfacher Beziehung berücfichtigt werden. Aus diefem den Ver-
hältniffen der Stadtgemeinde entiprechenden Principe erwuchs denn mandje
Rehtsinftitution, die das Stadtrecht vom Yandrechte unterfchied. Im
Allgemeinen mußten die Verhandlungen der Zeit nach in der Reihe
auf einander folgen, in welcher die Stlagen eingebracht waren: „welches
Urtheil man zuerft bittet, da® foll man zuerft finden ')." Am fchnelt-
ftn widelte fi) dic Verhandlung ab, bei Fällen „der handhaftigen
Ihat” (des Ergreifens in Hagranti). Selbjt über die ſchwerſten Ver⸗
breden, wie den Bruch des Stadtfriedens durch Mord, Törper:
liche Verlegung, Raub und Diebjtahl mußte bei „handhaftiger That“
noch deufelben Tag das Gericht fein Urtheil ſprechen. Wurde an irgend
jemand auf eine der bezeichneten Arten der Friede des Weichbildes ge-
brocdyen, fo mußte er (ſollte die Sache als handhaftige That behan-
delt werben fönnen) den Hilferuf, das „Gerufte“ (auch ruochte) er-
heben, und es war die moraliiche Verpflichtung aller, die diefen Ruf
börten, den die Segenfeitigkeit der bürgerlichen Verhältniſſe Nachdruck gab,
berbeizueilen, den Friedensbrecher zu fangen, augenblidiih vor Gericht
zu führen und daſelbſt „als Schreileute” gegen ihn Zeugenſchaft abzu-
legen. Konnte der Kläger etwa feine Wunden oder ein anderes corpus
delicti aufweifen, und waren außer ihm wenigjtens noch ſechs „Schrei⸗
teute” zum Eide bereit, jo dag er ſelbſt als jiebenter den Schwur ablegen
tonnte, To galt die Sache als erwiefen und das Urtheil wurde auf der
Stelle geiprohen. Dody brauchte ein Friedensbrecher nicht eben bei
der That felbft gefangen zu werben, jondern e8 genügte, daß ihn die
Schreileute auf der Flucht von der Ihat etwa mit bloßer Waffe in der
n Geuyp eb. R. v. 1261 8 62.
-- 116 —
Sulewiß zu verbleiben habe ). Aus dieſer Thatſache allein, daß eine
Sirche, die nunmehr als ‚Filiale der Stadtkirche gar feinen eigenen Seel:
forger befigt, damals außer einem felbftändigen Pfarrer noch zwei ihm
untergebene Priefter zählte, kann man ſchließen, daR die Seelforge be-
fonders im XIV. Nahrhunderte, was die Zahl der Geiſtlichen anbelangt,
in glänzenderer Weiſe beftellt war, als je nachher.
Die oberfte Yeitung und Beauffichtigung all diefer zahlreichen Seel:
forgepriefter in und um Yeitmerig ging feit der Gründung der Stadt
von deren Hauptpfarrer aus. Der Erzpriefter oder Decan
(Dechant) behielt feinen Zik nun nicht mehr anf der ganz in den Hinter:
grund tretenden und zerfallenden Zupenburg, ſondern fein Amt wurde ver:
einigt mit dem des Pfarrers der Stadt, vielleiht, daß auch der fette
jener Burgdecane der erjte Pfarrer wurde.
Ueber einer Anzahl von Decanen jtand wieder ala Yeiter und Anf-
feher ein Ardhidiacon, der indeß nicht in Yeitimerig jelbjt refidierte,
obgleich dieß auch der Zitularfiß eines ſolchen wurde Vielmehr er:
hielten diefea Amt regelmäßig die Canonici des -Prager Stiftes, die
ji) die darans fließenden Einkünfte nah Prag ſchicken zu laſſen vor—
zogen. Solcher Archidiaconate gab es in Böhmen dreizehn, deren jedes
mehrere Decanate umfaſſte. Das Archidiaconat von Yeitmerik
beſtand aus den Decanaten: Yeitmeriß, Trebnitz und LVeipa.
Seitdem die Stadtkirche, nach den glaublichſten Angaben um 1235,
gegründet und durch die neuen Bürger ſehr reich dotiert worden war,
blieb fie auch beſtändig unter dem Patronate der Gemeinde ſelbſt.
Ueber die Bauart und Größe der älteſten Kirche laſſen uns
zwar die [hriftlihen Quellen vollfommen im Unklaren; dod) können
wir nad) einer genauen Betrachtung dee jet nod) vorhandenen Gottes⸗
haufes jene Theile fehr wohl herausscheiden, welche dem Baue nad) unferer
erften Periode angehören, wenn wir auch nicht gerade zu behaupten wa—
gen, dar die Kirche, jo wie fie im XIV. Jahrhuudert beftand, von allen
Urfprunge an angelegt geweſen wäre. ie die Kirche in der angegebenen
Periode daftand, war fie weniger als halb jo groß, als die heutige, je-
doch in weit edleren Verhältniſſen ziemlich ſchmal, aber hoch emporftres
bend. Ihre Grundflähe nahm den Raum des jegigen Presbyteriums
) Balb. Erect. Val. IX., 9. 3; die vollfländige Urkunde gedrudı bei Frind. III.
Anhang ©. 454.
— 17 —
bis nahe an die fidöftliche Kante des Glockenthurmes ein, jedoch mit
Ausſchluß der beiderfcitigen Anbauten. Ihr Inneres enthielt fomit nur
Kin Schiff und ein verhältnißmäßig fehr kurzes dreijeitiges Chor. Nichte:
deftoweniger fanden in derjelben ſieben Altäre Play. Bon Außen be-
trachtet war der Glockenthurm verhältnißmäßig fehr maſſiv und ftand
ganz frei, oder berührte die Kirche höchftens nahezu mit einer Kante.
Das Heine in correct gothiichem Style gehuftene Gotteshaus aber mußte
mit feinen hohen ſchinalen Fenſtern und feinem einfachen fpigen Dache
äußerjt fchlanf ericheinen. Aeußerlich Eeimzeichnet ſich jener ältere Theil
unferer Kirche heute nod) durch die Form feiner Apſis und die allerdings
zu Sehr unmerklichen Yilenen zuſammengeſchrumpften Strebepfeiler der:
felben, im Innern aber durch dic Tpigbogigen ftarfgerippten Wölbungen
des Presbyteriums. Alles übrige, was Jonjt nod an Gothik mahnte,
ift im der geſchmackloſeſten Weife verdeckt und verbaut. Um die Kirche
herum lag von einer Maner umſchloſſen der Friedhof der Stadt:
genteinde.
Die Verwaltung des Gotteshauſes hatte ein materiell jehr wohl-
beitellter Pfarrer, der in der damaligen Zeit im Gegenjage zu jener
Adclsgeiftlichkeit der Domſtifte den beicheidenen aber fchönen Titel eines
„Yentpriefters” (Volksprieſter, plebanus), al8 Auffcher über die übrige
@eijtlichleit des Decanats aber den eines Dechants (Decani) führte.
Die Namen und Charaktere unferer erften Scelforger kennen wir nicht!).
Rur Einer taucht aus ihrer Neihe hervor, deifen Ruf in die Weltge-
Ichichte aedrungen ift, -- Konrad Waldhanfer, von Geburt ein
Defterreidher, der bereits erwähnte eifrige und freimüthige Prediger,
der deutliche Borläufer Hufens Daß diefer merfwürdige Dann die
Rorbereitung zu feinem folgenreichen Predigeramte in Yeitmerig nahm,
ift allerdings für die Meltigefchichte von wenig Bedeutung und daher
uberfehen , für uns aber von nicht geringem Intereſſe. Er nennt fich
jelbjt in feiner Antwort auf die Vorwürfe, die ihm befonders die Prager
Auguſtiner machten, „Profek vom Orden der regulicrten Chorherrn
deu heil. Augujtin und Bolfspriciter in Yeitmerik (in Lutmeriz
pragensis dioecesis plebanıs®), Non Yeitmerik zog er um das
Jahr 1360 von Naijer Karl IV. berufen nad) Prag, wo cr als Prediger
', Die libri conf., and denen ſich ınoglicher Weiſe mindeflene einige Ramen
derfelben finden ließen, ſtehen uns micht zu Gebote. °, Sedrudt bei Höfler
Geſchichtſchreiber der hufitiichen Bewegung 1. ©. 22.
— 106 —
leitmeriger Gau hievon eine Ausnahme. Allerdings war auch hier
Macht und Anfehen jener Aemter gegen die eriten Zeiten unferer Periode
ein bloßer Schatten geworben, jedoch beftand bei all diefer Schmälerung
das Amt einc® Burggrafen (Zupan) fo wie das eines Kreisrichters
(Cudarius) die ganze Periode noch fort, und dieß wurde eben durd den
Schuß ermöglicht, den diefe Beamten von Seite der Stadt in ma-
terieller Weiſe genoßen, feit fie ihre fchlecht verwahrte Burg verlaffen und
in das neue Schloß vezogen, das die Mauern der ‘Stadt mit in ihren
Schuß nahmen. Dit klaren Werten ſprach dieß Karl IV. .felbft aus,
al8 er in der „Majestas Carolina” Yeitmeriß ıumter jene Städte ein-
reihte, die weder jemals verfauft noch vertanfcht werden follten und bie
Nothwendigkeit der befeitigten Städte ſchon daraus erklärte, daR durch
fie gefchüßt in ihnen die Cudarii oder Richter ſeinen Setreuen das fchul-
dige Recht pflegen könuten“ !). Co wurde die Stadt, obwohl fie zu jenen
föniglihen Nichtern in ſonſt feiner inneren Beziehung ſtand, dennod)
ein Bollwerk der Rechtspflege auch auf dem ojjenen Yande, ja fie erhielt
fpäter von Wenzel IV. wie wir bereits willen, ganz im Sinne der
obigen Worte Karla einen Antheil von der Execution im Kreiſe jelbit.
Auf einer vereinzeltern Sanburg ohne den Schntz einer mächtigen Bür-
gerfchuft wären jene von allen Seiten angefeindeten Richter allerdings
längft um alle Macht gefommen.
Seinen Burgarafen in Leitmeritz und feine Diener dafelbft
nennt Karl IV. ſelbſt ausdrüdtich im „Jahre 1359, indem er ihnen
die Einfordernug des Zehentweines und die Aufbervahrung desſelben in
feinem Scloße aufträgt 9 und Wenzel IV. nennt wenigjtend im Allge-
meinen feine Burggrafen nach 1379) und 1384. Sein Amt beftand
immer noch in der Oberaufſicht über das „töniglihe Dans zu Leit—
merit” felbit und die dem Konige in dieſem Kreiſe gehörigen Güter.
In dem Grade, als diefe jelbjt abgenommen hatten, war and) die Macht
des chemals berühmten Burggraſenamtes gefunten. In der Nähe von Yeits
merig dürfen wir etwa die Ortſchaften Zeletitz, Mlikojed, Pro—
ſmik, Geblitz, Ilugßen, Tſcherſching und einige andere entweder
gänzlich oder doch theilweiſe als königliche Beſitzungen betrachten.
Dagegen war nun das Amt des Sauridters (Cudarius, Yandrichter
bei Pelzel) jenem gegenüber mehr in den Bordergrund getreten, und be—
wahrt bi8 ans Ende diefer Periode eine einigermaßen größere Wichtigkeit,
!) Majestas carolina in Archiv desky III. 85. *) Yeitm. St.:A.Rr. 8. Veitm.
St.-Ar. Nr. 14. u. 15.
— 107 —
Zur Stadt ftand er indeß in gar feiner Beziehung, außer daß dieje das
erwähnte Ehrenamt eines NRechtsbeiftandes bei feinem Gerichte verjah.
Bor feinen Richterjtuhl gehörten nur die „LUnterthanen” des Kreiſes, in-
fofern nicht auch diefe, wie wir dieß bei denen des Domſtiftes, der Probftei
Wyſchehrad, dee Stiftes Doran und anderen Stiften gejehen,
durch befondere Privilegien, die ſich mit der Zeit immermehr mehrten,
ausaenommen waren. Wie eifrig die geiftlichen Beſitzer über das ihnen
zuftehende Recht der Gerichtsbarkeit über ihre Unterthanen wadhten, be-
weit uns ein Fall, in welchem zur Zeit Karls IV. einige Jinsbauern,
über welche ein prager Canonicus die Gerichtsbarkeit beſaß, durch einige
Laien von Schelkowitz vor den leitmeriger Cudarius citirt worden
waren‘, worauf der Erzbifchof den Dedjant von Allerheiligen beauftragte,
von dem genannten Richter die Stellung der Angeklagten vor das geijt-
lie Gericht des Ganonicus binnen längftens drei Tagen zu verlangen,
widrigenfalls über ihn die Excommunication verhängt würde ı. Daß übri-
gend nicht nur die geiftlihen Srundherrn das (Gericht iiber ihre Unter—
thanen durch königliche Verleihung felbft erhielten, fondern auch welt»
liche Herren in den Beſitz diefer (Serechtfame gelangten, beweift der
mehrerwähnte Burggraf Heinrich von Zittau, der bereits im drei—
jehnten Jahrhunderte die (Serichtabarkeit in Yobofig einem Zweiten
fäuflih überlaffen fonnte. So mochte fchliektich freilich dem Eoniglichen
Kreisrichter ein fehr Heiner Mirkungstreis übrig bleiben. — Sein Ber:
baltmiß zur Stadt mußte zeitweilig auch ein minder freundfchaftliches fein,
Wenn er wie beifpielsweife 1355 ?) im Streite zwifchen Stadt und Probjt
den königlichen Auftrag erhielt, leßteren zu jchügen. Der Fortbeſtand feines
Amtes ließe fich durch das ganze XIV. Jahrhundert urkundlich nachweiſen,
dech genügt hiefür die Thatſache, dar ſich ein Bruchſtück aus den bei
ſeinem Gerichte vorgenommenen Aufzeichnungen noch aus dem Jahre 1413
abſchriftlich in der Hoflehentafel erhalten hat ®). Dieſe Urtunde beweiſt
neben dem Fortbeſtande des Kreisgerichtes zugleich auch das Vor—
bandenfein einer geſchriebenen Rechteurkundenſammlung, einer Art „Kreis—
tafel” bei demfelben.
Heichzeitig mit der Einführung des deutihen Burgerthume
m Böhmen wurden zwar auch vereinzelte Verſuche gemacht, einen freie
ren Bauernſtand im unſerer Gegend auzuſiedeln, doch fchien legtere
durchans nicht der geeignete Boden hiefür. Deutfhe Bauerncolonien
') Yalachy Gormelbiicher II. Rr. 247. :) Belzel Karl IV. IL 501. ?) Archiv
tesky 1. 897.
— 18 —
gediehen am beften dort, wo fie ſich mit dem erft urbar zu machenden
Boden aud) alle andern Verhältniſſe von Grund aus fchaffen und auf eige-
ner Grundlage aufbauen konnten, wie etwa in den Wäldern des Riefen-
gebirges. In unferer Gegend gab es hingegen im bdreizehnten Iahr-
hunderte feinen fo freien Boden mehr, nnd auf die flavifchen Verhäͤltniſſe
daraufgepfropft wollte der deutſche Bauernftand nicht gedeihen. Zwei
Beiſpiele des Berfuchs müfjen wir aber hier wenigftens anführen.
Das erjte Beifpiel ift das Dorf Mur bei Doran. Diefes Dorf
hatte das Klojter Doran bereits vom König Wladiflamw erhalten,
dann aber das Verhältniß desjelben zum Stifte in deutfcher Weife um-
geitaltet, wahrjcheinlih auch das Dorf felbft durch Anfiedler vergrößert.
Prtemyft Ottofar I. beftätigte 1226 diefe Einrichtung, inden er das
Dorf durh „deutſches Recht” Kräftige. Der Vorgang ijt etwa fo
zu denten. Im Dorfe hatte bis dahin jeder Bauer dem Stifte feine ge-
wiſſen Dienfte abzuliefern und einen bejtimmten Theil von Keldfrüchten
u. dgl. zu leijten, während einen Theil des Gutes das Stift in eigener
Regie jedoch mittels jener Bauern bewirthichaftete.e Durd die Feindſe—
(igkeit der Nachbarn aber (dieß jagt Ottokar ausdrüdlidh) kam das
Stift fehr Häufig um feinen eigentlichen Gewinn, indem fi nicht nur
der Schaden an den eigenen Früchten, fondern auch jeder, der die Feld—
früchte der Unterthanen traf, auf jenes mitbezog. Ebenſo konnten ſich
die Bauern gegen die Bedrüdung durch die königlichen Beamten der
Nachbarſchaft nicht widerfegen, da fie andererſeits wicder unter deren
Gerichte ftanden, und es deshalb Leicht begreiflicher Weiſe nicht gerathen
erfchien, ſich ihnen in irgend etwas, ſelbſt bei der ungerechteiten Anfor-
derung zu widerjegen. In Folge deifen vertheilte das Stift die Güter,
die es ſelbſt bewirthfchaftet hatte, auch noch an Anficdler, beftinmte ge-
nau die Leiftungspflicht eines jeden von diefen, fo wie auch der älteren
(mit erjteren mußte es freilid” darum erft contrahieren, während es über
(egtere einfach verfügte), und verkaufte danı das ſämmtliche jo annähernd
jicher gejtellte Einkommen an einen Einzelnen, der ſich zu dem linter«
nehmen herbeiließ, jedoch nicht für eine ein für allemal zu entrichtende
Summe, fonbern nm eine jährlich wicderfehrende, immer gleich hohe Zahlung.
Auf diefe Art kam das Stift zu feinem Nugen, ohne fi) um den Schuß
des Dorfes weiter kümmern zu müſſen und ohne durch die Feindſeligkeit
des Nachbarn ferner ins Mitleiden gezogen zu werden. Der Unternehmer
mußte nun fi und das Dorf felbft fchügen, und konnte das bejonders
den Löniglichen Beamten gegenüber weit leichter, da er fammt dem Dorfe
— 109 —
durh Einführung des deutfchen Rechtes nun nicht mehr unter der
Sotmäßigkeit jener ftand. Aber auch er fand dabei fehr wohl feine Rech:
mung. Er erhielt erftlich einen Theil des ausgetheilten rundes voll-
fommen abgaben- und leiftungsfrei, je nach den Bedingungen einen größern
oder geringeren Theil oder das ganze Erträgniß des Gerichtes, und konnte
wohl auch noch von den Abgaben der Bauern bei Abzahlung der jährlichen
Summe einen Ueberſchuß für ſich behalten. Das Dorf richtete ſich nun
nah deutfchem Tandrechte, und der mehrerwähnte Unternehmer wurde jein
Erbrichter (Schulze). In bedeutenderen Rechtsſachen mußte das Dorf
wahrscheinlich bei der nädjften Stadt, an die e& gewielen war, Recht Juden.
Ein ſolcher Sontract konnte aber erft durch die landesfürftliche Be—
fätigung Giltigkeit erlangen, weil ja durd ihm zugleich ein Theil der
Gerihtsbarkeit den füniglichen Beamten, und fomit mittelbar ein Einkom—
men der königlichen Kamıner entzogen wurde. Daher wir aud) in diefem
Balle die ausdrückliche königliche Beftätiguug vorfinden, ja den König
eigentlich felbft als den Handelnden auftreten fehen ".
Deutlicher lernen wir die Deodafitäten eines ſolchen Handels fernen
bei dem bereits erwähnten emphitentichen Kaufe von Yobofiß?). Der
feitmeriger Bürger Hartwig übernahm das Torf Yobofig fammt
deilen den Bauern gehörigen und noch zu vertheilenden Gründen zu erb-
ſichem Beſitze und theilte es in „Hufen“ (ein Feldmaß von der Größe
eines Bauerngutes, je nach Beichaffenheit des Bodens größer und Feiner),
die fo groß fein follten, wie die des Dorfes Proſmik. Bon jedem
dieſer Bauerngüter des Dorfes mußte Hartwig jührlid Fine prager
Mart Silber dem Verkäufer Heinrich von Zittan zahlen, nur für
ein einziges, nämlich fein eigenes, follte er frei fein von aller Zahlung,
damit er „defto fleikiger das Gericht pflegen fünne”. Bon den Kinfünften
des (Berichtes erhielt er aber nur Ein Drittel, während er zwei Drittel
an Heinrich abliefern mußte. Außerdem behielt fih ganz nad)
deutfchem Brauche Heinrich dreimal des Jahres das ganze Gericht
vor, während welcher Zeit ihn und fein Gefolge die Dorfleute erhalten
mußten. Ferner hatte der Schulze Hartwig zu feinem Nugen eine
Mühle, die fämmtlichen Infeln fammt dem Walde und das Erträgniß
eines Wirthöhaufes, das er verpachtet hatte Auch den Nuten der
Weinberge bezog er nad Entrichtung des Zehents und der erften fechs
Kübel an Heinrich. Die Fiſcher des Dorfes mußten aber noch je
n) Erben Sog. I. 326. ?) Eb. I. 562.
— 10 —
zwei einen, und alle zufammen den überhaupt zuerft gefangenen Lade
jedes Jahr unmittelbar an Heinrich liefern. Außerdem aber hatten fie
wie die andern" Bewohner des Dorfes noch ihre bejtimmten Leiftungen
an Hartwig. Diejenigen Imvohner des Dorfes aber, die feinen eigenen
Beliß Hatten, von dem fie dem Sculzen ihre Abgaben entrichten fonnten,
follten ihm außer undern Dingen, die er von ihnen verlangen würde,
alljährlich zwe iunddreißig Megen Salz geben, aus welcher Abgabe
man fchließen kann, daß diefe Inwohner von voboſitz meift Elbeſchiffer
waren, die von dem Salztransporte lebten. Durch die Unbeftimmtbeit
der übrigen Abgaben aber läßt ſich ein Einblid gewinnen, wie fehr in
Betreff der Yeiftungen die Unterthanen den Herren hilflos in die Hände
geliefert waren. Das Erträgniß der Weberfuhr behielt fich Heinrich noch
vor. Schließlich begibt fi Heinricd aller Roboten und Yeiftungen,
die etwa noch an ihn fallen könnten, fo daR alfo die Bewohner mit
Annahme der Yeiftungen an die Kirche (je vier Kübel Korn von der
Bauernwirtſchaft) an niemand mehr etwas unmittelbar zu leiften hatten,
als an ihren Schuizen.
Profmit Scheint Schon früher nad) deutfchem Rechte ausgefekt
worden zu fein.
9. Die kirchlichen Verhältniffe.
Weit dem Jahre 346, in welchem am 13. Jänner vierzehn vornehme
Sehen ſammt ihrem Gefolge zu Regensburg die Taufe empfingen,
beginnt für Böhmen das Zeitalter der Chriftianifierung, in deilen Ber-
laufe als zweites Epoche machendes Ereigniß die Taufe Borimojs, die
etwa um das Jahr 879 durch Methud zu Welehrad vollzogen wurde,
hervorragt. Von der Wette des 9. Jahrhunderts, jeit Biſchof Bothe-
rich von Regensburg die Aufgabe erhielt, die heiduiſchen Cechen im
Chriſtenthume zu unterweilen, durdy das ganze 10. Jahrhundert hindurch
erfüllte den ganzen Nreis des geijtigen vebens des Cech en volkes das
Ringen und Kämpfen für umd gegen eine neue Religion, Yebensauffallung
und Sitte. Ta indeß in einzelnen Öegenden Böhmen Ueberreſte des
Hridenthbums noch bis ins 15. Jahrhundert und einzelne Spuren des:
ſelben noch viel weiter herauf ſich erhielten, jo läßt jich auf eine größere
Mannigjattigkeit in den einzelnen Gauen ſchließen, als daß man dem
Verlaufe der Chrijtianijirung im Allgemeinen den in einem bejtunmien
Orte als volllommen gleichmäßig an die Zeite jtellen könnte. Es bieibt
4 daher die innere Geſchichte unjerer Gegend für jene Zeit in der er-
a Richtung ganz dunkel bis in die Mitte des elften Iahrhun-
— 111 —
derts.') Im Allgemeinen war. der Widerftand gegen die Neuerung unter
dessa ſlawiſchen Volke ein heftigerer al8 unter manchen germanischen Stäm—
mean, da bejonders Yeben und Zitte gegen die neuen Anforderungen des
Ch x iſtenthums fich fträubten. 2) Wer and im zchnten Jahrhunderte ſich
CH rijt nannte, war deshalb noch nicht auf eine höhere Stufe der Gei-
ſtess Bildung gerücdt, wie uns dieß die Sefchichte der Wrfhowere und
dee von ihnen verfolgten wahrhaft hrijtlic edlen Adalbert zeigt. Wenn
die © ſchon damals die erblichen Burggrafen unjerer Burg waren, fo
wire damit wohl eriwielen, daR gegen Ende des zehnten Nahrhunderts
das Chriſtenthum auf leßterer bereits Eingang gefunden hatte, nicht aber
aber, daß jene Herren, die Adalbert wegen ihrer unbändigen Nohheit
exco a umunizierte, eben viel für die Verbreitung und das Gedeihen desfel:
ben gewirkt hatten.
Wenn je von der Mitte des cilften Jahrhunderts in unſerem
Keife eine Kirche und Sceljorge beitand, was im Allgemeinen wahr
ſche ĩ aꝛlich ift, fo war dieß jedenfalls auf der Burg; denn ans den Be—
fintanungen des Biſchofs Severns vom „Jahre 1039?) geht hervor,
daß bereits im der Regel der Sig eines Gaugrafen zugleich der Sig eines
Er z priefters war, der von da aus die Serlforge leitete und über die
Sitten des Volkes wachte. Deſſen Pflicht war es im Folge der genanne
ten Beftimmungen des Severus, die Che, gegen deren chriftliche Auf
faſſung ſich das Volk noch lange ſträubte, zu überwachen, die Mörder,
beſonders Bruder- Bater- Prieſtermörder dem Grafen anzuzeigen, die
mtheiligung der Feſttage durd) tnechtifche Arbeit und das Begraben der
Todten in Feld und Wald hintanzuhalten. Daß es aufer diefem Erz:
Priefter in den einzelnen Gauen auch damals bereits nod) untergeord-
nete Prieſter gegeben haben mag, darauf fcheint Schon feine Benennung
hin zaadenten, wenn wir auch für unfere Gegend die Anzahl und Wohn:
orte derſelben nicht ermitteln fünnen. Der Erzpriejter lebte jedenfalls
ohne eine befondere Stiftung zu befien von dem Vermögen und Einkom
men der Burg. Außerdem aber erhielt er ähnlich dem Richter des Gaues
gewiſſe Bußen, jo wie dasjenige Geſpann, mit welchem irgend jemand
am Feiertage arbeitend betroffen wurde, einen Ochſen, falls jemand die
Teiche eines feiner Angehörigen dem Kirchhofe entzog und im freien Felde
begtub, und dergleichen mehr. ) Wenn wir eimen folchen Erzprieſter
) Selbſt Frinde durch eifriges Duellenfammeln ausgezeichnete Kirchengeichichte
lann uns nur Yegenden und Hypotheſen bieten. 3) Beiſpiele liefert Coemas.
Coemas ©. 111. *) Sb. a. a. U.
— 12 —
bereits mindeftens in der erften Hälfte des eilften Jahrhunderts und
etwas früher al8 in der Burg Yeitmeriß wohnend und von da aus wir-
fend annehmen können, fo müſſen wir folgerecht auch bereits für diefe
Zeit das Vorhandenfein eines wenngleich nur hölzernen und noch fo kleinen
Kirchleine auf der Burg zugeben. Das Gebiet, auf das fi) die Thätig-
feit eines folchen Erzpriefters erſtreckte, kann als gleichumfaſſend mit dem
des fpätern Decanates aufgefaßt werden.
Daß mindeftens eine jo einfache Scelforge in jener Zeit von unferer
Vurg aus bereits gepflogen wurde, beweiſt der Umſtand, daß mit ber
Mitte des eilften Jahrhunderts diefelbe Burg der Sit eines hervor-
ragenden geiftlichen Inſtitutes wurde.“) Nach der gewöhnlichen Annahme
nründete nämlich dafelbft Derzog Spitihnew II. im Jahre 1057 das
bereits erwähnte Collegiatftift St. Stephan auf der Burg Feit-
merig, was nad der Auffallung jener Zeit al8 Beweis für die hervor-
ragende Stellung der legteren gelten muß. Die ehemalige Bedeutung
dieſes Juſtitutes steht in feinem Verhältniſſe mehr zu der gegenwärtigen.
Der urfprüngliche kirchliche Zweck eines ſolchen war freilich) nur, die
Weiftticben, die zur Seelſorge am einen Dome gehörten, zu gemein:
ſchaſtlichen. auferbaulichen Yeben und einer beitimmten vorgefchriebenen
Regelung desſelben zu vereinen, erhielt aber jehr bald, und in Böhmen
nicht minder als ſonſt irgend mo, eine durchaus andere weltliche Rich-
tung. welche dei unſerem Stifte von allem Anfange an die herrſchende
war, Da jüb in jener Seit in Böbmen alle Intelligenz jaft ausſchließlich
Ki den Ceiſtlichen fand. da Nele allein die Numit dei Leſene und Schrei:
nd deſaben. jo waren auch tie allein geeignet. als Kanzler, Sefretäre,
Name. Ratde und Winter die türtikbe Umacbung und den fürſtli⸗
Drau Det zu dilden. Cine ſolche Art geiitticen Heiadels umiakte man
wur dem Nam der inrſtiäiden Kereilt
NN ra wane Ni Mitstteder Netz zualeich auch von
WILL IE NN NT IT ma NE ziehe Zee einer reichen
ERS NT. mu u NT NER St Nic Bern. Umeäländer, meilt
Dortear S8 mMIINT are Tozeer Nepra ihre Kenutniſſe
zur 28 STÜRIUNEN Nm Te nr Ger ehalre für ähn:
u Tertguiier TAI UN Sarrı °r more inte Mänmer durnd-
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UT ER We Nur ar Mit Xu wei mt zu unter:
U elschr ix er Orig . BIN
— 113 —
Ihägen ift, der Jutelligenz eine öffentlich ausgefprochene Anerkennung
im Staate und faſt fürftliher Manz durd) die Höherftellung über den
weltlihen Seburtsadel zu Theil wurde, jo verloren andererfeits jene er-
wähnten Inftitute fowie ihre Angehörigen ihren geijtlichen und mönchiſchen
Charakter. Auch der Einfluß unferes Domftiftes auf die Seelforge war
jo wenig unmittelbar, daß wir die einzelnen Pröbſte von Yeitmerig wohl
als begüterte und einflußreiche Nachbaren unferer Stadt, aber in feiner
Beziehung zur Seelforge kennen lernen werden.
Das Domcapitel beftand aus einem PBropjte (praepositus)
und einer nicht beitimmten Anzahl von Kapitularen oder Ca—
nonifern, die nad) ihrer urſprünglichen Beftinmnung unter der Leitung
des erfteren ein gemeinjchaftliches Elöfterliches Yeben zu führen und dem
Chriſtenthume durch beſtimmte kirchliche Feierlichkeiten einen höhern äußern
Glanz zu verleihen hatten. Hiezu erhielt das Stift jene anfehntichen Güter,
deren bedeutendfte oben angeführt wurden. Dieſe wurden urfprünglic)
gmeinfam durch den Probſt verwaltet, und nach ihrer Grträglichfeit
wurde die Anzahl der davon zu erhaltenden Sanoniker beftimmt.
Zum Probfte wurde in der Regel durd den Yandesfüriten,
in deilen Händen das Collaturrecht fid) befand, eine angefehene Per:
lönlihkeit aus der Umgebung bdesfelben ernannt. Dadurch fchied aber
der neue Probſt nicht vom fürftlichen Hofe, fondern blieb (wie die zahl
reihen Unterfchriften auf Urkunden jener Zeit bemeifen) in feinem früheren
weltfihen Amte, indem er einfach die Kinfünfte feiner reichen Pfründen,
deren oft mehrere gleich bedeutende auf Eine Perfon gehäuft wurden, be
359.) „Der durh die Canonen der Kirche gebotenen Mefideuzpflicht
wurde eben nur auf das allernothdürftigfte dadurch genügt, daR jie in der
Regel die höchſten Feſte der Kirche und ihres Stifters an der ihnen an-
vertrauten Capitelkirche feierten, im Uebrigen aber die Leitung des geift:
liben Collegiums einem fogenannten Viceprobjte und fpäter dem Decane
und Bicedecane, die Beſorgung der geftifteten kirchlichen Functionen hin:
gegen einem von ihmen dotirten Vicare überließen.“ In ähnlicher Weife
änderte fich bald das Verhältniß der Canonifer durch ihre Verweltlichung.
„Der Eintritt hochadeliger Gterifer mit bejonderen Nebeneinfünften führte
allmählig zur Yoderung des gemeinjamen Yebens und endlich zur Trennung
des Capitelvermögens in einzelne Präbenden mit einzigem Vorbehalte
einiger fogenannter Obedienzien, deren Ertrag der Communität verblieb.
) Das Folgende jind Worte Feindé, Kirchengeſch. I. 145.
— 14 —
Daraus wurden die fogenannten Präfenzgelder für die Theilnahme «
gemeinfchaftlichen Chorgebete, gemeinfchaftliche Yeiftungen des Gapitels nı
Außen Hin und insbefondere die Naturalbezüge einzelner Gamoniter |
ftritten. Hatten die feitmeriger Canoniker zur Zeit der Stiftung in Ein:
Haufe — wahrſcheinlich in der nachmaligen Probjtei — beifammen ı
lebt, wie dieß der Stiftungsbrief andentet, fo bezogen fie nun ihre I
fonderen Wohnungen, deren einige nad) der Zeit in der Vorſtadt Zafa
ausdrüdlich erwähnt werden. Die bedeutenden Einkünfte der Präbent
machten fofort die Kompetenz der jüngern Söhne des Yandadeld ı
Regel und die daran gefnüpften vortrefflichen Ausfichten auf he
Stellungen in Kirche und Staat verlichen nun auch den Yandcapitulaı
einen vielbeneideten Ehrenvang, obgleich diefen die gleichzeitige Berwaltu
einflußreicher kirchlicher Aemter nicht in dem Maße, wie den Kapitufar
des bifhöfltihen Domes zu Statten fam. Wegen der Unentfdiedenh
ob im der Kirche oder im Staate die gewünfchte Beförderung ihr
werde zu Theil werden, zogen ſolche Kapitufare in der Regel es v
bis zum Austrag der Sache nur die niederm Weihen oder höchſte
etwa das Subdiaconat zu empfangen, und zwar umſomehr, als fic hier
ein geringeres Maß von Pflichten zu übernchmen hatten, Zur Beforgu
des notwendigen Gottesdienftes wurden in Folge deilen befondere Prief
(ministri ecelesine 8. Stephani) und ein eigener Pfarrer angefte
die ſammitlich nicht im das Collegium der eigentlichen Gapitularen |
hörten.” So jtanden um jene Zeit die eigentlichen Seelforger unfe
segend als niederer Clerus in Dienſten der adeligen Yaien, die du
furſiliche Protection oder durch päbjtliche Provifion im Befige der ei
träglihen Ganonicatftellen waren. Yegterer gab es im Nahre 1384 u
sinfhluf des Probftes und des Domdehants zwölf. ')
Heichzeitig mit der Stiftung dieſes Inſtituts fand aud die C
richtung einer menen Bafilica auf der Burg Yeitmerig. jtatt, d
ypſilhuev I. zu Ehren der heil. Maria und des heil. Stephan
anf der Sielle erbante, auf der die jegige Cathedrallirche jteht 2).
So iſt dieſe Kirche nach hiſtoriſchen Documenten die älte
im unſerer Gegend, obpleich die Sage ihr dieſen Vorzug durch
Unche Fr. Adalbert auf der Zaſada ſtreitig machen läßt, doch of
Irgenb ehnen erwelstichen Grund. Sicherlich aber fällt die Gründu
Mofer Mircje In demjenigen Dorfe, das das anfehnfichfte der um die Ge
weirum decimarım bei Balbin Dec. 1.1. V. ?) Beide Stiftungsurtund
— 115 —
burg zerftreut liegenden war, in fehr frühe Zeit, gewiß aber nicht vor
das 11. Jahrhuudert, wie aus ihrer Widinung und Bezeichnung hervor»
geht (St. Adatbert FT 997 am 23. April und feine Reliquien wurden
erſt 1039 nad) Böhmen übertragen). Ihr Gründer mag einer der in
unferer Gegend begüterten Bifchöfe von Prag geweien fein, denn in den
Händen feiner Nachfolger blieb fortan das Patronat und Kollaturrecht
dieſer Pfarrkirche, bis Biſchof Johann IV. daffelbe 1332 am dritten
Pfingftfeiertage dem Stifte der von ihm eingeführten Chorherrn des heit.
Auguftin in Raudnitz fchenfte. Dasfelbe Recht überging im Jahre 1363
an die Herren von Wartenberg auf Tetfchen und von dieſen 1394
an die erzbifchöflihen Vaſallen von Kameik, die fogenannten „Der-
mesmeifter von Pokratitz').“ Es war zugleih Pfliht des Pfar-
rers von St. Adalbert an gewilfen Tagen der Woche den Gottesdienſt
in der Burgfapelle auf der Burg Kameik abzuhalten, in welchem Falle
ihn dann der zweite Priefter, der fogenannte Vicarius vertrat. Doch
konnte dann möglicher Weife die Feine Gemeinde immer noch ohne Got⸗
teödienft bleiben, fo Lange nicht noch ein dritter Priefter an diefer Pfarr-
firche vorhanden war. Aus diefem Grunde ftiftete der Pfarrer (Rector
ecclesiae) Gallus felbft im Jahre 1410 am 7. April in der genannten
Kirche einen neuen Altar der heiligen Dorothea und Martha, zu
deſſen Erhaltung er der Kirche eilf Schod böhmifhe Groſchen auf den
Gütern des Ritters Hanuſch Rapler von Sulewitz verficherte. Zum
Dienfte an diefem Altare gründete der fromme Pfarrer gleichzeitig die
Stelle eines eigenen Altarpriefters (altarista), der dreimal in ber
Woche, befonders an den erwähnten Tagen cefebrieren follte. Für jede
aus Rachläffigkeit unterlaffene Meſſe mußte diefer dem Pfarrer einen
(Hrofchen als Buße geben, den diefer vor der Kirchenthüre an die Armen
vertheilte. Nach dem Tode des Gallus follten von derfelben Stiftung
noch die Koften für eine jährliche Gedächtnißfeier, die der Altarift hielt
und zwei Meſſen, die der neue Pferrer und fein Bicar zu celebrieren
hatten, bejtritten werden. Der genannte Aftarpriefter erhielt aus jener
Stiftung jährlich zehn Schod und ſechs Groſchen (etwa 212 fl. d. W.).
Das Collaturrecht behielt fih Gallus für Lebzeiten vor, dann follten
es Hanuſch Kapler, Deagiiter Niklas von Podwini und Hana,
Kaplan von St. Niklas an der Radebeule, gemeinſchaftlich befigen bis
zum Tode der beiden leßteren, worauf es bei der Familie Kapler von
— — — — —
) Zemel, Prag 1. 409, Frind II. 819.
— 116 —
Zulewiß zu verbleiben habe !). Aus diefer Thatfache allein, daß eine
Kirche, die nunmehr als Filiale der Ztadtfirhe gar feinen eigenen Seel-
jorger befigt, damals außer einem Telbjtändigen Pfarrer noch zwei ihm
untergebene Priejter zählte, kann man jchlieren, daR die Seeljorge be-
fonders im XIV. Nahrhunderte, was die Zahl der Geiſtlichen anbelangt,
in glänzenderer Weile beftellt war, als je nachher.
Die oberfte Yeitung und Beanffichtigung all diefer zahlreichen Seel:
jorgepriefter in und nm Yeitmeriß ging feit der Gründung der Stadt
von deren Hauptpfarrer aus. Der Erzpriefter oder Decan
(Dechant) behielt feinen Sitz nun nicht mehr auf der ganz im den Hinter:
grund tretenden und zerfallenden Zupenburg, ſondern ſein Amt wurde ver⸗
einigt mit dem des Pfarrers der Stadt, vielleicht, daß auch der letzte
jener Burgdecane der erſte Pfarrer wurde.
Ueber einer Anzahl von Decanen jtand wieder als Veiter und Auf-
jeher ein Archidiacon, der indeß nicht in Yeitmerig ſelbſt vefidierte,
obgleich die aud) der Titularſitz eines jolchen wurde. Vielmehr er:
hielten diejes Amt regelmäßig die Canonici des Prager Stiftes, die
fi die darans fließenden Einkünfte nah Prag ſchicken zu laſſen vor-
zogen. Solcher Archidiaconate gab cs in Böhmen dreizehn, deren jedes
mehrere Decanate umfallte. Tas Arhidiaconat von Yeitmerik
beftand aus den Decanaten: Yeitmerig, Trebnig und Veipa.
Seitdem die Stadtfirde, nach den glaublichjten Angaben um 1235,
gegründet und durch die neuen Bürger jehr reich dotiert worden war,
bfieb fie auch bejtändig unter dem PBatronate der Gemeinde jelbit.
Ueber die Bauart und Größe der ältejten Kirche laſſen uns
zwar die Schriftlihen Quellen vollkommen im Unklaren; doch können
wir nad) einer genauen Betrachtung dee jet noch vorhandenen (Hottce:
haufes jene Theile fchr wohl herausfcheiden, welche dem Baue nach unferer
erften Beriode angehören, wenn wir auch nicht gerade zu behaupten wa—
gen, daR die Kirche, fo mie fie im XIV. Jahrhuudert beitand, von allem
Urfprunge an angelegt gewejen wäre. Wie die Kirche in der angegebenen
Periode dajtand, war jie weniger als halb jo groß, als die heutige, je-
do in weit edleren Verhältniſſen ziemlich ſchmal, aber hoch emporſtre⸗
bend. Ihre Grundflähe nahm den Raum dcs jegigen Presbyteriums
mn - — — — — *
) Balb. Eroct. Val. IX., H. 3; die vollſtändige Urkunde gedruckt bei Frind. IT.
Anhang ©. 454.
— 117 —
bi8 nahe an die füdöftliche Kante des Glockenthurmes ein, jedoch mit
Aus ſchluß der beiderfeitigen Anbauten. Ihr Inneres enthielt fomit nur
Finn Schiff und ein verhältnißmäßig fehr kurzes dreifeitiges Chor. Nichte:
deftoweniger fanden in derjelben fieben Altäre Plag. Bon Außen be-
tra chtet war der Glockenthurm verhältnigmäßig fehr maſſiv und ftand
gann z frei, oder berührte die Kirche höchftens nahezu mit einer Kante.
Das kleine in correct gothifchem Style gehaltene Gotteshaus aber mußte
mit feinen hohen ſchmalen Fenſtern und feinem einfachen fpigen Dache
aũt erſt ſchlank erſcheinen. Aeußerlich kennzeichnet fich jener ältere Theil
un ſe rer Kirche heute noch durch die Form feiner Apſis und die allerdings
zu ſehr unmerklichen Yifenen zuſammengeſchrumpften Strebepfeiler der
ſellben, im Innern aber durch die ſpitzbogigen ſtarkgerippten Wölbuugen
ve Presbyteriums. Alles übrige, was ſonſt noch an Gothik mahnte,
ft in der geſchmackloſeſten Weiſe verdedt und verbaut. Um die Kirche
beraam flag von einer Mauer unmfchloffen der Triedhof der Stadt:
gerat einde.
Die Verwaltung des Gotteshauſes hatte ein materiell ſehr wohl:
befteliter Pfarrer, der in der damaligen Zeit im &egenjage zu jener
Ade lsgeiſtlichkeit der Domitifte' den befcheidenen aber fchönen Titel eines
„v eutpriefters"” (Volksprieſter, plebanus), als Auffeher über die übrige
Geiſtlichkeit des Decanats aber den eines Dechants (Decani) führte.
Tie Namen und Charaktere unferer erften Scelforger kennen wir nicht").
Aur Einer taucht aus ihrer Reihe hervor, deifen Ruf in die Weltge-
\ichte gedrungen ift, - - Konrad Waldhanfer, von Geburt ein
Vefterreicher, der bereits erwähnte eifrige und freimüthige Prediger,
der deutfche Vorläufer Huſeus. Daß diefer merkwürdige Mann die
Lorbereitung zu feinen folgenreichen Predigeramte in Leitmeritz nahm,
iſt alterdings für die Weltgefchichte von wenig Bedeutung und daher
überfehen , für uns aber von nicht geringem Intereſſe. Er nennt fich
ſelbſt in feiner Antwort auf die Vorwürfe, die ihm befondere die Prager
Auguftiner machten, „Profek vom Orden der regufierten Chorherrn
des heil. Auguftin und Wolfspricfter in Yeitmerik (in Lutmeriz
Pragensis dioecesis plebanus ®. Bon Yeitmerig zog er um dad
Jahr 1360 von Raifer Karl IV. berufen nad) Prag, wo er als Prediger
— — —— — —
) Die libri conf., ans denen ſich moglicher Weiſe mindeſtene einige Namen
derſelben finden ließen, ſiehen uns nicht zu Gebote. *) Gedruckt bei Höfler
Seiichtichreiber der huſitiſchen Bewegung U. S. 22.
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Anii, Wemetan, Neturt und Kimburg Jamen ibt rmiarm
nahe, bluttun uber nee vd hintet ihr zurud. Io dar fu alle Me one
rorAlte un her gepige Tiveefe ober dem damaugin Arcidafen
rrmere, Bilin, zaaz; und Bunzlau war.
Wahrend diele alſo ein jähriichee fires Cinfommen von 23 2
Ey werftanerte, erhielt fi das fire Nahreeeinfommen der übı
finmerigen <ecfforgeftationen folgendermaßen: Tie Scelſorger von
Yanreng mb <<. Adalbert gaben je 3 Schock «68 A. die
— phan (namlich der vom Probfte gehaftene Dompfarrer, und
’-, Nitolans je 2 Zchod (42 flo, die von 2. Johann und
Martin je 1 Zdod 20 gr. (28 fl.) und die von S. Gceorg,
Peler md 2. Wenzel je 1 Schod (21 fl.) au.
Außter diefem zuhfreihen Seeularelerus enthielt das anfblüh
Vritmerig amd noch zwei Orbenshänfer der beiden furz vorher glı
zeitig entftandenen Bettetorden. Jeues Mifverhältnik, das zwiſchen
anſtern Erſcheinung des hoheren Sterns und der vornchmeren Ordensg
lichen einerfeits und ihrem evangelifchen Berufe andererfeite immer jichtli
arworden war, feit das mühſame Vetchrungewerf allenthalben vollendet |
und dad Orrungene zu erhalten nicht mehr jo fehr den Geiſt zu ſpan
ſchien, ald dad fruhere Ringen fett, dasfelbe Mißverhältniß, di
rudſichotloſe Onthullung unſeren Pfarrer zonr a d zum beliebten Vollem
machte, hatte ſchon weit früher ald bei une im Süden Frankreichs I
ungeſunden Fruchte zur Reiſe gebracht. Der Kirche treue und ergel
Manner mit ticſerem Blide in die menſchliche Natur ſahen ein, daß ſich
Albingenſerlehren nicht werden fur alle Zeit in den rauchenden Trümu
dar prevenzalichen Burgen eritiden laſſen, und indren die Auctorität der Mi
una ihren eigenen Yebens
Aorderungen hicdurch ji
1 veribaliten und jo die m
desieden wieder gewannen. So entjtanden
Guss
EITIE Re
wor yanıe
jt
rrina. Bro
— 1311 —
auch die Hälfte des ſchüttenitzer Weines beziehen. ‘) Der vorzüg-
lich ſte Beförderer des Weinbaues war aber, wie bekannt, Kaiſer Kart IV.,
ber im diefer Hinficht ebenfo viel für das Land im Allgemeinen, wie für
Yeitmeriß im Beſondern that. Zunächſt berüdfichtigte er allerdings
fein liebes Prag, deflen Umgebung er vor Allem in Weingarten um:
gewandelt fehen wollte. Zu dieſem Zwecke fchuf er 1358 ein eigenes Amt,
das des DBerg- oder Weinhbergmeifters mit den ihm zugejellten
Weinpflegern (magister montium seu vinearum), der alle diejenigen
Berglehnen und Fluren ausfuchen follte, die er für den Weinbau günftig
eracdhtete. Die Beſitzer der fo auserjehenen Gründe mußten fodann ohne
Widerrede auf die Aufforderung des Bergmeifters die leßteren durch eigene
Arbeit und auf eigene Koften binnen vier Woden in Weinberge
verwandeln und Reben daſelbſt pflanzen, oder aber, falls fie dies nicht
wollten, biefelben Gründe durch eine jchriftlich ausgeftellte Urkunde an
andere abtreten, die fidh der Mühe zu unterziehen verfpracdhen. Nur mußten
letztere Hiefür an die früheren Befiser den zehnten Theil des jährlichen
Crträgniffes abliefern, worauf diefen ein Recht unter dem Titel „jus fundi“
zuftand. Sollte fi aber jemand weigern, feine Gründe in Weingärten
zu verwandeln und nicht zugeben, daß fie vermellen und an einzelne ver-
theilt würden, fo follen ſolche hiezu durch die altftädter Rathsperfonen und
den genannten Weinbergmeifter ſelbſt durch Beichlagnahme ihres Ber»
mögen® gezwungen werden und foliten fie auch hiedurch binnen Jahres⸗
frift miht zum Gehorfam gebracht werden können, dann follten fie ihr
jus fundi (den erwähnten Zchent) auf ihren eigenen Gütern verlieren.
Wir fehen fomit in der ein Jahr Hierauf erfolgten Schenfung des
Derges Radebeule an die Stadt Yeitmerit zum Zwecke von Wein:
anlagen ?) nicht eine vereinzelte zufällige That des Kaiſers, jondern wir
finden fie ſonach in innigjtem Zufammenhange mit feinen weitansfehen-
den Plänen, fo wie auch die Art der Webertragung ganz als die im Obigen
vorgefhriebene erfcheint. Der König felbft war der Herr des Berges, den
er nicht ſelbſt bebante, fondern an andere vermeſſen ließ, wofür er fidh
wie jeder andere Srundbefiger das jus fundi, das iſt die Zehentleiſtung
vorbehielt. Aus bejonderer Huld ſah er den einzelnen die genannte
Leiftung zehn Jahre lang nach, wogegen diefe jedoch (aber auch erft
nad) Verlauf derfelben Zeit und nur im voraus beftimmten Maße) an
Ecben Reg. 1178, 168. 2) Belzel Karl IV. II. Urtundeubuh ©. 234,
Rum. CCXXIX anno 1858 am 12. Mai. °) leit. St.⸗A. dto. Dienflag jver
Kreuzerfindung 1859.
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nmel, Geag l , Palb Far XE.C. 1. *. Ind. D.15 9 Mil
vn co 5haret VID 2.2, per „Pazier", wie bei Balbin Erect
‚rm 1 ', Pace VII A. 2 9, breca. X.%. 9.
— 13 —
mehren fulchen (Wein) pawen, und befter williglicher Koft darauf legen.‘
Zuglei erhält nım der „Bergmeifter der Weingärten zu Boheim“ das
Amt der Sontrolfe, jo daß er jedes wider diefes Geſetz eingeführte Faß
Wein, in welcher Stadt, in welchem Marfte oder Dorfe, ob weltlicher
oder geiftfiher Herrichaft, er das immer treffe, mit Beſchlag befegen,
zwei Drittel der Löniglichen Kammer überantworten und ein Drittel für
ſich behalten ſollte. Aus leßterer Beitimmung muß man fchließen, daß
fih die Amtswirkſamkeit des oberiten Bergmeiſters nicht bloß auf die
Brager Weinberggemeinde, wenngleih auf diefe zunächſt, fondern auf
das ganze Land bezog.')
Dur folche Pflege und Fürforge des Königs erlangte der Wein-
bau in Böhmen wirflih eine große Ausdehnung und mit nur von
Brag bis Außig an den Moldau- und Elbeunfern hin reiften die
Zrauben, fondern auch in Gegenden, in denen der Weinbau nunmehr
unbelannt ift, wie um Kaaden und an anderen Orten.?)
Nach dem Borangegangenen dürfte fi die frage, woher die
Reben unferer Gegend ftammen, von felbft löfen. Die einen berichten,
Kari hätte fie aus Burgund geholt, die andern nennen Defterreicdh
al8 ihre Heimat. Wir können beiden Necht geben, infofern nicht Eine
That und nicht Ein Jahr den Weinbau bei uns geſchaffen, und müſſen
nar nicht unbeachtet laſſen, daß auch nad Karls Zeiten die große An-
zahl der Neben immer noch aus jenen bereit8 vor Karl vorhandenen
und acclimatifirten beftand, über deren Herkunft uns die Geſchichte mit
feinem Worte Auffchluß geben fan.
Gewiß ift, daß bereits im 14. Jahrhunderte der Wein unferer
Gegend unter dem Namen „Neitmeriter,“ der bamals ohne Zweifel
den Zernoſeker mit einbegriff (während heute das verfehrte Verhältniß
ftattfindet) ein Ansfuhrartifel des hieſigen Handels war und als befon-
dere Qualität des Cinheimiſchen feinen Abfak in Prag fand.?)
Als befondere Pfleger des Weinbaues müflen wir außer den Bür-
gern mittelbar die Mönche von Altzell anfehen, die als Beſitzer der
bedeutendjten Weinberge bei Yobofit (die am Lobofchabhange werben
bereit8 1248 erwähnt) und bei Gernofet (Zernoſek) erſcheinen. Auch
König Wenzel IV. behielt fein Augenmerk auf die Ausbreitung des Wein⸗
baue® in unferer Gegend gerichtet. Durch feine Anregung entftanden die
Weinberge bei Kiefchic auf den Gütern des Probftes, wie durch die feines
') Ebendaf. SI. S. 240. ?) Ebend. II. ©. 354. 9 Tomel Brag I. 361.
— 134 —
Baters jene an der Radebeule. Im Jahre 1399 ſchenkte er einem ge⸗
wilfen Herrn Thomaſſek ein Stüd Grund auf dem Gute der Probftei
bei Kkefhig (was er in Gemäßheit des genannten Weinbergrechtes thun
fonnte) zum Zwede ber Weinbergerrihtung mit dem Beilage, daß bie
erft angelegten Weinberge erft dann den Zehent liefern follten, wenn in
ihrer Nähe noch andere angelegt würden. Die königlichen Rechte über
diejelben übertrug er an denfelben Thomaſſek.!)
Eine andere natürliche Nahrungsquelle war feit der älteften Zeit
der Fiſchfang auf der Elbe, der indeß mehr von der niedern Kaffe
der auf ſtädtiſchem Grunde anfäßigen Vorftädter betrieben wurde. Der
Fiſchfang muß natürlich in der älteften Zeit äußerft ergiebig geweſen
fein, da wir aud nod in den fpäteren Zeitperioden, wie feiner Zeit
eingehend beſprochen werden wird, einen fo ausgezeichneten Fiſchreichthum
unferer Gewäſſer kennen lernen. Der einft jo berühmte Lachsfang bei
Yeitmerig muß der Natur der Sache gemäß eben fo alten Herkom⸗
mens fein, wie der Fiſchfang überhaupt — beſtimmte hiftorifche Mel⸗
dung desfelben aber geichieht zuerft im Jahre 1226, zu welcher Zeit er
hie und da als fürftliches Negal betrachtet werben modhte.?)
Welcher Nation die Bürger, wenn nicht ganz ausſchließlich, fo
doch der großen Mehrzahl nach waren, ift aus der obigen Daritellung
jelbft Klar geworden. Aber nicht nur, daß die einzelnen Bürger deut ſch
waren, auch nad) Außen hin im Verfehre mit der Töniglichen Hoffanzlei
und der Kammer repräfentirte fich die Stadt al® eine deutfhe Daß
fie auch von Seiten der königlichen Regierung als folche aufgefaßt und
anerfannt wurde, beweift die Art, in der diefe mit ihr zu verfehren pflegte.
Bon ben fechs und zwanzig Urkunden, die und aus jener Zeit im Ori—⸗
ginale erhalten find, ift feine einzige in cechifher Sprache abgefaßt, ob»
gleich diefe bekanntlich in der behandelten Periode bereit® bei Ausferti⸗
gung von Urkunden angewendet wurde, während hicbei allerdings bie
(ateinifche Sprache immer noch vorberrichend in Uebung blieb. Nichte
defto weniger befigen wir von Kart IV. drei und von Wenzel IV.
bier wichtige Urkunden in deutſcher Sprade*). Die übrigen find dem
Gebrauche der Zeit gemäß allerdings lateiniſch abgefakt, enthalten
aber für alle jene Gegenftände im lateinifchen Conterte deutſche Bezeich⸗
nungen, die ſich auf ſpeciell locale Verhältniſſe beziehen, oder bezeichuen
ı) Neues laufiner Magazin 44. B. &. 279 f. ?) Erben Reg. 1226. °) Ar. 8-
11. 12. 18. 18. 19. 28.
— 137 —
pölferung eine Ausnahmftellung einnahmen und unmittelbar vom Könige
abhiengen. Berfchieden war ihr Verhältniß indeß darin, daß vom Bürger
dem Könige nur ein vertragsmäfig Feſtgefetztes gebührte, während diefer
den Juden ſammt feiner Habe für den ihm gewährten Schuß, betreffend
feine Berfon und fein Eigenthum, für fein Etgen anfah. Eben deshalb
bot wieder der den Iuden gewährte Schu ähnliche Bortheile wie jener
des Bürgers und der Bude als Eigen, ala „Knecht“ der königlichen
Kammer hatte fich auch deshalb ftets diefes Schußes zu erfrenen. War
der Arme auch von einem Theile des Volkes verachtet oder gehaßt, fo
war er doch fchon damals den Botentaten unentbehrlich. Wo aber follte
der König feine Kammerknechte beifer anfiedeln umd ficherer fhüten können
als in feinen Städten? So willen wir 3. B., daß die prager Juden—
gemeinde mindeftens ebenfo alt ift, wo nicht älter al8 die Bürger ge-
meinde dafelbft *), und bereits im Jahre 1124 hatte fie dort ihre eigene
Synagoge ?), ja felbft bei Leitmeritz gefchieht eines getauften Juden
als in der Nähe ſeßhaft Erwähnung, ehe fi noch die Exiſtenz der Stadt
fierftellen läßt (1228) 9).
Selbſt die Päbſte nahmen die Juden gegen die ungerechten Ver⸗
dähtigungen und Bedrückungen Einzelner in Schuß und befonders Pabft
Innocenz III. (1243---1254) erfiek zwei Bullen zu ihren Gunften
(„Sicut Iudaeis“ und „Obviare non credimus.“). König Ottofarll.
Ihärfte den Bewohnern feiner Yänder beide Bullen befonders ein*) und
beftätigte jene Statute ähnlichen Inhalts, die Friebrich II. von Defter:
reih und Bela von Ungarn für ihre Pänder erlaffen hatten. Bie-
nah waren vor allem die Juden, wenn fie Streit untereinander hatten,
ausgenommen von dem Gerichte des Stadtrichters und dem Könige
immittelbar oder als bdeilen Stellvertreter dem Oberfämmerer unteror-
duet (F 8). Auch konute nur in ihrer „Schule“ gegen fie gerichtlic
dorgegangen werben und nur der König konnte fie auch wo andershin
vor Gericht rufen (8 30). Der Eid eines Juden hat diefelbe Giltigkeit
wie der eines Chriften, fo wie der Jude ebenfo wenig für feine Berfon
ine Maute oder einen Zoll zu zahlen hat wie der Chrift, für jeine
Daaren aber zahlt er feinen höheren als legterer. (8 12). Yegt ein
Ehrift gewaltthätig Hand an einen Juden, fo wird ihm die Hand abge:
hanen, verwundet er ihm aber, fo zahlt er dem Könige zwölf Mark
— —
) Temet Prag. I. 28. ?) Coemas S. 272. 2) Erben regeſt. 338. 9 Sadſta
1254 abgebrudt bei Ziretel Codex juris boh. 1. 130.
Er ne"
— 18 —
Geld, dem Juden aber zwölf Mark Silber und die Eurfoften (8
und 8 9).
So war die Stellung ber Juden im 13. Iahrhunderte wenn ı
nicht ganz chrenhaft, fo doc weit geficherter und ihnen gegenüber
Zoleranz weit größer, als nachmals im 15. und 16. Yahrhunderte,
ihnen die Gründung eines eigenen Gemeinweſens ermöglicht war.
Hauptbeichäftigung der Juden war, wie aus den übrigen Beſtimmun
jenes ottofarifchen Geſetzes hervorgeht, auch damals außer Handel
Gelddarleihen auf Pfänder. Daß die Könige aus wohlbegründeten .
ſachen die Iudengemeinden gern in ihren Städten fahen, beweift u:
anderem die Urkunde Karls IV., die die Juden einladet zur Anf
lung in der neubegründeten Neuftadt Prag, indem fie ihnen dieſel
Zahlungsfreiheiten und Begünftigungen verheißt, wie den Chriften ').
Nicht anders mag es auch in Yeitmerit gefchehen fein, wo
urfprünglid vor der Stadt auf deren nordöſtlicher Seite auf
Stelle der jetigen großen Dominicanergaffe die Judengemeinde ausb
tete, Nach der Erweiterung der Stabt wären fomit auch die Juden
ihre fchüßenden Mauern mit eingeichloffen worden, der Platz aber,
dem fie ihre Trödel- und Vormärkte hielten, der fpäter mit dem fl
hen Namen Kocanda als folcher bezeichnet wurde, blieb vor |
Thore. Gegen Ende der behandelten Periode erfcheint unter den reic
Juden von Yeitwmerig namentlih ein „Schmul”, der den niederen 2
der Umgegend mit Geldvorfchüßen verfah ?).
4. Die Nachbarſchaft.
Zur richtigen Orientirung feheint es nothwendig, aud) mindeſtens
nächften Nachbarn der Stadt kennen zu lernen. Es follen daher in di
Dinficht wenigſtens die älteften Verhältniſſe etwas genauer erörtert n
den, während mir uns in Betreff der fpätern bereit® anfgehellteren 3
räume kürzer zu fallen gedenken.
Die allernächften und muüchtigiten aber waren die beiden geiftfü
Stifte, die wir bereits oft genug ermühnen mußten; dad auf dem |
Stepbandberge und das vom Wyſchehrad. Anfofern die |
jigungen des erjteren im unferer Gegend lagen, baben wir fie ber
) Ben 14% & Mär ged. & Pegel Kerl IV. I. Ur. S. 42 9) Ar
desky L ol.
— 139 —
innen gelernt. Außer jenen beſaß das Stift, das nad des Stiftere
Billn fo reich fein follte, „wie es fih zu einem fürftlichen Hofhalte
zemt“, reiche Güter und dienſtbare Unterthanen im biliner, bunz-
lauer und faazer Kreife, jo wie andere Einlommensquellen, deren
Früchte allen Analogien nad urfprünglich der Probit allein bezog, der
dann von einem Theile derfelben, wie ein Familienvater feine Söhne,
feine Canoniker erhielt. Nachdem dies indeß den leteren unbequem ge-
worden war und das gemeinſame Zuſammenleben ſich auflöfte, trat der
Probft von dem Sefammtvermögen an die einzelnen je ein Gut ab, von
deiien Einkommen letztere nun auf eigene Fauſt und Rechnung leben
founten. So entitanden die einzelnen Sanonicatspräbenden, während
das zurückgebliebene Gut die Probfteipräbende bildete. “Doch wurden
feibem bei dem großen Andrange der Candidaten auch Canoniker ernannt,
die feine oder, falls ſich zwei in eine theilten, eine halbe Präbende er-
Kelten. Als folche den Canonikern zu eigenen Banden übergebene Güter
werden im Zebentregifter von 1384 die zu Chisnow, Bauſchowitz,
Lieſchitz Cernowes und Liſa genannt.
Die erſten eilf Pröbfte haben für uns kein unmittelbares Intereffe,
da fie ihre Pfründe noch vor dem Beftande der Stadt beſaßen. Nur
ver Bollftändigfeit halber follen fie deshalb in Kürze angeführt werden.
Der erfte derfelben war ein Mann von fremder Herkunft, aus einem
ſächſiſchen Sefchlechte ftanmmend, doch von ausgezeichneten Geiftesgaben
ud ſchönem Körper, ?) wie es wol nothwendig war, um bei einem fremden
Velle, an einem fremden Hofe zu folchen Ehren zu kommen. Sein Name
war Lanzo (Probft von 1057—1075), das Volk aber foll ihn den
„Buchs“ genannt haben. Er war einer jener Hofgeiftlichen aus ber fürft-
len Capelle, die eben fo viel mit ftaatlichen als geiftlichen Dingen ber
Mäftigt auch eine weltlich günftige Verſorgung, wie eine Probftei, bean-
ſyruchen konnten. Diefen Kohn empfieng Lanzo durch Spitihnem IL,
in noch höherem Maße ftieg er bei Wratiflam, der ihm zur Würde
det Viſchofs von Prag befördern wollte, als 1067 Bifhof Severu 6
veſhieden war. Doc theilte das Volk nicht die Neigung des Fürften
m zwang Wratislam durch einen förmlichen Aufftand den bereits
imeſtirten Bifchof aufzugeben und feinen Bruder Jaro mir als einhei-
miſchen „jenem Deutſchen“ vorzuziehen. „Lieber folle ein Hunde oder
— — — —
) Ne Frinde kritiſcher Berichtigung der Serien in,, Kirchengeſchichte.“ ?) Coe⸗
mas 141.
— 18 —
Geld, dem Juden aber zwölf Mark Silber und die Eurkoften (8 21
und 8 9).
So war die Stellung der Juden im 13. Jahrhunderte wenn auch
nicht ganz ehrenhaft, fo doch weit geficherter und ihnen gegenüber bie
Zoleranz weit größer, als nachmals im 15. und 16. Jahrhunderte, da
ihnen die Gründung eines eigenen Gemeinweſens ermöglicht war. Die
Hanptbeihäftigung der Juden war, wie aus den übrigen Beftimmungen
jenes ottofarifchen Geſetzes hervorgeht, auch damals außer Handel das
Getddarleihen auf Pfänder. Daß die Könige ans wohlbegründeten Ur-
fachen die Iudengemeinden gern in ihren Städten fahen, beweift unter
anderem die Urkunde Karls IV., die die Juden einladet zur Anfieb-
fung in der neubegründeten Neuftadt Prag, indem fie ihnen diefelben
Zahlungsfreibeiten und Begünftigungen verheißt, wie den Chriften ').
Nicht anders mag es auch in Leitmeritz geichehen fein, wo fidh
urfprünglid vor der Stadt auf deren nordöftlicher Seite auf der
Stelle der jeßigen großen ‘Dominicanergaffe die Indengemeinde ausbrei-
tete. Nach der Erweiterung der Stabt wären fomit auch die Juden in
ihre fchügenden Mauern mit eingefchloffen worden, der Pla aber, auf
dem fie ihre Trödel- und Vormärkte hielten, der fpäter mit dem flavi-
ichen Namen Kocanda als folcher bezeichnet wurde, blieb vor dem
Thore. Gegen Ende der behandelten Periode erfcheint unter den reichen
Juden von Leitmerig namentlih ein „Schmul“, der den niederen Adel
der Umgegend mit Geldvorfchüßen verjah ?).
4. Die Uachbarſchaft.
Zur richtigen Ortentirung fcheint es nothwendig, auch mindeſtens bie
nächften Nachbarn der Stadt Tennen zu Iernen. Es jollen daher in dieſer
Hinficht wenigftens die älteften Berhältniffe etwas genauer erörtert wer⸗
den, während wir uns in Betreff der fpätern bereits aufgehelfteren Zeit⸗
räume fürzer zu fallen gedenken.
Die allernächften und mächtigften aber waren die beiden geiftfichen
Stifte, die wir bereits oft genug erwähnen mußten; das auf dem St.
Stephansberge und das vom Wyſchehrad. Inſofern die Des
figungen des erjteren in unferer Gegend Tagen, haben wir fie bereits
) Ben 1848, 8. März geb. b. Peljel Karl IV. I. Url. S. 49. 9 Archiv
&eskf L. 401.
— gg 7m —
— 11 —
das Yahr 1222 fehnte auch ihn wie den König mit der Kirche wieber
as. Die Kirche zu St. Stephan bürfte er wohl nur felten gefehen
haben. Eine ganz ähnliche Laufbahn nahm fein Nachfolger Hermann
1226—1254), der erfte Probft, der in feiner nächſten Nachbarjchaft
ve junge Stadt aufblühen ſah. Auch er war Löniglicher Notar und Ca—
mins zu Prag, auch er ftand felbft während des Kirchenftreites an
der Erite des Königs. Von ihm willen wir auch beftimmt, daß er
als Brobft zugleich ) Priefter war. Unter ihm gewann das leitmeriger
Gollegiatitift eine Menge bedeutender Befreiungen, zu deren Verleihung
mitunter das Verhältniß zu der neuen Stadt Anlaß gegeben haben mag.
Am wichtkgiten ift für uns die Regelung jenes Verhältniffes felbft. Das
Stift mag in manchen Dingen durch die neue Colonie befchräntt, feinem
Veſitzſtande mögen mindeftens bejtinmtere Grenzen gezogen worden fein, ala
fe bid dahin gegenüber dem unmittelbar königlichen Gute gezogen waren.
Hefür könnte die Befreiung von den „Weggeldern“ und allerlei „ſchmuz⸗
zigen Laſten“ *) als Entichädigung gegolten haben. Bedeutenderen Nad-
theil mußte das Stift befürchten, wenn die Bürger, wie wohl gefchehen
fein mag, ihre Herrfchaft auszudehnen fuchten. Zu einem derartigen Streite
muß es Ichon unter Probft Hermann nocd vor dem Jahre 1252 gefom-
men fein, den fchließlich der Stönig felbit im Sinne feines Notare entfchied. ?)
Indem König Wenzel I. auf Bitten Hermanns diefem überhaupt
fe ganze Gerichtsbarkeit über feine Unterthanen übertrug, fchärfte
e es ganz beſonders jowohl feinem Kreisrichter als au den Bürgern
m veitmeritz ein, feinen Unterthanen des Probſtes aus welchem
Orande oder ob welcher Schuld immer feitzufeßen, zu beläftigen oder vor
ie Gericht zu ziehen. Pur der Probjt und deſſen Amtmann (villieus)
babe das Recht über fie zu richten. Auch ſollen alle Probjteiunterthanen
ui dem Stadtmarkte Geſchäfte betreiben können, ohne daß fie irgend
kmand dafelbit etwa wegen ciner Geld oder andern Schuld fefthalten,
oder befchweren dürfe. Die Bewohner der Zujada insbefondere wurden
von aller Schoßpflichtigkeit freigefprochen. Der Probſt jelbft ſchloß, wie
idon erwähnt, bereits Verträge mit einzelnen Bürgern, durch die er
Böker unbebaute Gründe zu verwerthen wußte. Während nad) ihm Eber-
hard von Fuliſtein 11254— 12707) bei feiner großen Pfründenlaſt
- war noch Domherr zu Prag und zu Olmütz — kaum oft veit—
— ———
meigiene feit 1238, Erb. R. 1. 441. ?) Erben Reg. I. 199 und Frind
Sirdeng. TI. 148. *) Erben Reg. I. 594.
— 140 —
Eſelsſchwanz auf dem Stuhle ſitzen,“ als diefer Deutſche, habe fich
nah Cosmas (S. 144) der Burggraf Kojata vernehmen laflen. Und
fo wurde denn jener würdige Gebhard-Iaromir auf den Bilhofsthron
erhoben. Lanzo mag indeß nichts defto weniger bis an fein Ende am
Hofe geblieben fein. Ihm folgte Andreas (1075—1094 FT 1097) aus
einem mährifchen Adelsgefchlechte, der ebenfalls in der Kapelle des Für-
ftenhofes feine Earriere machte und wo möglich reichlicheren Lohn fand
als fein Vorgänger. Auf ihn häuften ich die Würden und Präbenden
eines Domherrn von Prag ımd eines Probftes der drei Eapitel von
Feitmerig, Olmügß und Brünn. 1094 wurde er zum Biſchofe
von Olmütz confecrirt. Ob er Yeitmerik je gejehen, ließe fich einiger
Maßen in Zweifel ziehen. Auch fein Nachfolger Letoslav (1094—
1125) ftammte aus Mähren. Beneda genok die Pfründe von 1125
bis 1139. Er und Sebaftian (1140 — ?) gehörten wie die früheren
zur Hofgeiftlichkeit. ) Auf Hroznata (? — nad 1167) folgte Mar-
tin (1167 ? — 1174), berühmt als ein vielgereifter Hofmann und durch
die Einführung des Iohanniterordens in Böhmen, deſſen Präceptor
er, nachdem er die Probfteien Yeitmerig und Prag aufgegeben, |päter
wurde. Dobromir (1170?--1187?) und Radofta oder Gauden-
tius (1187—1199), ehemals Hoffapfan Sobesltamws II. und Kano-
nicus des prager Stiftes werden in vielen Urkunden als Begleiter dee
Fürſten genannt. Lieber Aderaftus (1199—1216?) meldet uns bie
Geſchichte nichts zuverläßiges, defto öfter nennt fie den Namen feines
Nachfolgers Benedict (1216—1226), auf den der Fürft die höchften
geiftlichen Würden als Entgelt für feine weltlichen Aemter häufte Er
war König Premyſel Ottokars IL „redte Hand” und ftieg unter
dem Glanze feiner Gunſt vom königlichen Notar zur Stelle de8 Proto-
notars, Vicekanzlers und fchlieklid) des oberften Kanzlers empor,
während ihn gleichmäßig ftufenmeile die Würden und Revenien eines prager
Eanonicus, eines Archidiacons von Bilin und fchlieklich eines Probftes
von Yeitmeriß ſchadlos hielten. *) Dankbar für fo viel Gunſt ftand
er feinerfeits auch wieder unzertreunlich zu feinem Fürſten, als bdiefer in
den bereit8 berührten Streit mit der Kirche verfiel. Diefe Stellung zog
ihm 1218 die Tirchliche Zufpenfion zu, der gegenüber wieder der König
gerade in jenem Jahre die alten Privilegien feiner Probjtei bejtätigte. )
ı) Erben Reg. L (1144) 110. 9 Erben Reg. I. 201. 221. 286. x. °) Ibib.
I. 276.
— 11 —
Das Jahr 1222 fehnte auch ihn wie den König mit der Kirche wieder
ante. Die Hirde zu St. Stephan bürfte er wohl nur felten geſehen
baben. Kine ganz ähnliche Yaufbahn nahm fein Nachfolger Hermann
12261254), der erfte Probft, der in feiner nächſten Nachbarſchaft
die junge Stadt aufblühen ſah. Auch er war königlicher Notar und Ca⸗
nonicus zu Prag, aud er ftand felbft während des Kirchenftreites an
er Seite des Königs. Bon ihm willen wir auch beftimmt, daß er
ale Brobit zugleich )) Priefter war. Unter ihm gewann das leitmeriger
Colfegiatjtift eine Menge bedeutender Befreiungen, zu deren Verleihung
mitunter das Verhältniß zu der neuen Stadt Anlaß gegeben haben mag.
Am wichtfnften ift für uns die Regelung jenes Verhältnijfes felbft. Das
Stift mag in manchen Dingen durch die neue Colonie befchränft, feinem
Beſitzſtande mögen mindeftens bejtinmtere Grenzen gezogen worden fein, als
fie bi® dahin gegenüber dem unmittelbar königlichen Gute gezogen waren.
Diefür könnte die Befreiung von den „Weggeldern“ und allerlei „ſchmuz⸗
zigen Laſten“ *) als Entſchädigung gegolten haben. Bedeutenderen Nadh-
theil mußte das Stift befürchten, wenn die Bürger, wie wohl gefchehen
fein mag, ihre Herrichaft auszudehnen fuchten. Zu einem derartigen Streite
muß ed Schon unter Probſt Hermann noch vor bem Jahre 1252 gefom-
men fein, den ſchließlich der König felbit im Sinne feines Notars ent|chied. ?)
iudem König Wenzel I. auf Bitten Hermanns bdiefem überhaupt
ve ganze Gerichtsbarkeit über feine Unterthanen übertrug, fchärfte
m e8 ganz beſonders ſowohl feinem Kreisrichter als auch den Bürgern
wa Yeitinerig ein, feinen Unterthauen des Probſtes aus welchem
runde oder ob welcher Schuld immer feftzufeßen, zu befäftigen oder vor
ihr Gericht zu ziehen. Nur der Probſt und deifen Amtınann (villicus)
habe das Recht über fie zu richten. Auch follen alle Brobjteiunterthanen
af dem Stabtmarfte Gefchäfte betreiben können, ohne daß fie irgend
jemand bafelbft etwa wegen einer Geld- oder andern Schuld fefthalten,
oder beichweren dürfe. Die Bewohner der Zaſſada in&befondere wurden
von aller Schoßpflichtigfeit freigefprodhen. Der Probſt felbft ſchloß, wie
ſthon erwähnt, bereits Verträge mit einzelnen Bürgern, durch die er
bisßer unbebaute Gründe zu verwerthen wußte. Während nach ihm Eber—⸗
hard von Fullſtein (1254—1270?) bei feiner großen Pfründenlajft
— er war noch Tomherr zu Prag und zu Olmütz — fauın oft Keit-
— — — —
’) wenigſtens ſeit 1238, Erb. R. I. 441. ?) Erben Reg. I. 499 und Frind
Rirdeng. II. 148. °) Erben Reg. 1. 59.
— 12 —
meritz gefehen haben bürfte, willen wir von feinem Nachfolger Conrad
(1270 ?—1293) mit Beftimmtheit, daß er fid) wenigftens Einmal, nähmlich
1277 in Begleitung feines Könige Premyfl Ottofar IL in Reit
merig aufhielt. Unter feiner Regierung erlitt fein Stift wie alle andern
großen Schaden während der traurigen Epoche nad) dem Tode des Könige
Dttofer. Er fuhte auf andere Weife nachzuhelfen und bewarb fid
um Abläffe für diejenigen, welche zu den Banlichkeiten und anderen Be⸗
bürfniffen der Stiftskirche etwas beitragen oder auf dem Sterbebette tefti-
ren würden. Eine derartige Ablakbulle (von 1209) verwahrt noch das
Capitelardhiv. — Smilo (Samuel) von Wickton (1293—1316) befak
ebenfalls mehrere Pfründen und Liegt im bifchöflichen Dome zu Olmüg
begraben. Nach deſſen Tode gab die Art, wie bie Probftei mehr afe
Entlohnung für weltliche Dienfte als zur Förderung der Religionsintereflen
diente, Anlaß zu großem Streite und öffentlichem Aergerniffe. Die Köni:
gin Eliſabeth gab nähmlich die fchöne Stelle, wie dies die früheren
Könige bereit3 gethan, ihrem vertrauten Kanzler Heinrich von Shön-
burg, dem jedoch der Bilhof Johann eben fo wenig gewogen war,
wie der böhmifche Adel. Letzterer |perrte den Schönburger in Bürglig
ein umd erfterer verweigerte ihm die Konfirmation '). Vielmehr erhielt
bie Probftei ein gewiſſer Albert, der aber bereits 1321 ſtarb, nachdem
er fich redlich bemüht, das durch die letzten Jahre materiell herabgekom⸗
mene Stift zu heben. Durch Emphiteutiſirung des Gutes Slatina
ſuchte er ſich die Mittel zu verſchaffen, mit denen er die verloren gegan⸗
genen Beſitzungen wieder zu erwerben hoffte. Wir wiſſen nicht, wie weit
er glücklich war. Schönburg aber raſtete inzwiſchen nicht, nannte ſich
immer noch Probſt von Leitmeritz, und verklagte ſchließlich den Biſchof
ſelbſt wegen Simonie und Ketzerei vor dem päbſtlichen Stuhle in Avi⸗
gnon. Dort warteten nun beide, Kläger und Beklagter, volle eilf Jahre
lang auf den Schluß ihres ärgerlichen Proceſſes, während indefjen die
Probftei unbefegt blieb. Endlich fehrten beide, Johann ſchuldlos ge-
ſprochen als Bifhof und Schönburg als Probft zuräd, in welcher
Eigenſchaft er 1334 zum leßten Diale genannt wird. Nach ihm erlangte
TZammo Pflug von Rabftein bie Pfründe (—13477),2) Er mag
9) Franciscus I. 8. 106, Bene5 de Weitmil &. 234. Tomel, Geld. v. Prag;
Frind Kircheng. ?) Frind Kirdheng. II. 155 läßt ihn nad den Serien er
1350 ſterben und überfieht, daß in der Urkunde Karle vom 25. Yumi 1348 bei
Pelzel 1 218 bereite Bohnſch ale Probft genannt if. Deaber füllt andy der
dort erwähnte Bau in die Zeit Bohnſche.
— 143 —
eingefehen haben, daß die geiftlichen Intereffen des Stiftes durd die ge-
wöhnliche Abwejenheit feines Worftehers oder deilen weltlichen Stand
wenig gefördert werden, während fich biefer, wie er eben damals eine mehr
politiiche als geiftliche Stellung einnahm, an die Reſidenz nicht binden
founte. Deshalb gründete er für fi) und feine Nachfolger eine beftändige
Bertretung in dem „Vicarius perpetuus“, den er am 3. Yuli
1347 vielleicht nicht lange vor feinem Tode ftiftete, ) und zu beffen Er-
haltung er einen freien Tiſch in der Probftei, Pferd und Diener, feche
Shod bar und den Zehent der Feldfrüchte in Krefchig beſtimmte.
Unter Bohus lav (Bohuſch) von PBardubig (1348—9. December 1358),
km Bruder des erften Erzbiichofs von Prag, erhob ſich der Glanz feines
Stiftes zur höchften Blüthe. Mit der Stadt? aber war es ihm nicht
aedunt, in Frieden zu leben, fondern er verwidelte fich mit ihr in den
Mon mehrmals berührten Streit um das Grundeigenthum auf dem alten
Durghügel und andere Rechte. Mit großen Plänen, wie fie des großen
Orubere würdig waren, fcheint er feinen Sig beftiegen zu haben. Bor
dm muß er an eine bleibende Refidenz in Leitmeritz gedacht haben
ww begann daher feine Wirkſamkeit mit der Wiederherftellung der Kirche
ws dem Aufbau einer neuen eines Probftes würdigen Wohnung. Hierin
mehren ihm indeß die Bürger Schwierigfeiten, jedenfalls nur wegen ber
den berührten Beſitzſtreitigkeiten. Da befahl Kaifer Kart IV. am 25.
Mi 1348 %) der Stadt, den Probſt im Baue feiner Wohnung nicht zu
und fchidte, da außerdem zwiſchen Brobft und Stadt no
Zwiftigfeiten obwalteten, den Brobft Fohann von Allerheiligen
Jehlinen Iakobi, Rath der Altftadt Brag, nah Leitmeritz
dem Befehle, beide Theile zu verhören und ohne Nüdjicht auf die
Recht zu fprechen. Dieſe Streitigkeiten müſſen fich ebenfalls auf
beit der Grenzen der beiberfeitigen Rechtsgebiete, fo wie auf
« und Rechtsangelegenheiten bezogen haben, indem Karl noch im
Iahre am 1. Yuli die Entfcheidung traf, daß die Bewohner der
ada, Bolabe (mwahrjcheinlich ein Antheil des Probftes an der og.
i) und Krkeſitz in ber Benügßung der Biehweide Blahobula
Lage wir nicht ermitteln fonnten) und im Beſuche des Marktes
Leitmerig als Käufer und Berkäufer nicht zu behindern fowie in
Weife vor das Stadtgericht zu ziehen feien.?) Zugleich gab er
ii
ont. IX. R. 5. ?) Belzel Karl IV. I. 218. °) Belzel Karl IV. I. 218,
155.
— 14 —
dem Probfte die erneuerte Erlaubniß, feine Wohnung und Kirche nach
feinem Gutachten zu bauen und beides mit einer Mauer zu umichließen.
Die Bürger mußten demnach (vielleicht während der Zeit des Streites
und der Vacanz des Sites) den Verſuch gemacht haben, das Privilegium,
das Herman zu feinen Gunften von König Wenzel erhalten hatte, zu
brechen, die vom Könige delegirten Richter müſſen aber dem Brobfte in
allen Stüden Recht zugeſprochen haben. Hiemit war aber nody weder
der Bau nod) der Streit beendet, beides dauerte noch viele Jahre fort,
denn am 10. November 1353 war Karl abermals genöthigt, feinem Lieb⸗
linge einen Gnadenbrief zuzufenden, kraft deilen er feine Probftei unge-
hindert und nach eigenem Belieben weiter bauen und vollenden Fünne. ')
Wir können alfo annehmen, daß die Brobftei nach etwa ſechs Jahren
ihrer Vollendung nahe war, der Streit um die Gerichtsbarkeit aber bau-
erte noch mit Unterbrechungen fort, und Karl IV. mußte wieder am 21.
Dezember 1355 die Töniglihen Yanbrichter und Beamten in Böhmen,
infonderheit aber die zu Leitmeritz beauftragen, den Probft und feine
Unterthanen bei ihren Freiheiten zu fchügen. So war bie junge Stadt
in Hundert Iahren bereits eine gefährliche Nachbarin für ehedem über-
mächtige Herrichaften geworden, gegen welche der königliche Arm nun
Schuß gewähren mußte. Niemand that dies indeß lieber, al8 Kart IV.
dem, fo gütig er ſich auch dem Bürgerthum erwies, doch nichts über feine
geiftlichen Stiftungen gieng. In diefem Sinne ftiftete er, als Bohuſch
eben feinen Probftfig beftiegen, ein eigenes Amt, das eines Dom-
dechants, der außer der Beauffichtiguug der Domherren noch die be»
fondere Verpflichtung haben follte, Ießtere zu ſchützen und alle Streitig-
feiten mit der Stadt auszutragen. So ift alfo im Sinne Karls IV.
der Domdechant ber Vertreter des Domftiftes der Stadt gegen-
über. Seine Dotation, die urſprünglich in wieder eingelöjten alten
GSapitelbefigungen beftand, wurde nachmals noch durd) Zeletitz (an der
Stelle des jetzigen Eiſendörfels), Wedlig und Oraſitz, einen Antheil
an Tehobufig und verfhiedenen Zinſungen vermehrt.) Gin ſolches
Amt ſchien um fo nöthiger, als auch Bohuſch bald wieder feine Probftei
verließ und den Kaifer felbft auf weiteren Reifen begleitete. Auf einer
derfelben wurde ihm zu Badua das Gerippe des heil. Veit zum Tran
porte nach Prag übergeben, während er als Neifeentichädigung für feine
eigene Kirche zu Yeitmerig den einen Arm bes heil. Yufas erhielt?)
ı) Pelzel Kari IV.1. 875. ?) Frind Kircheng. II. 766. *) Benes de Weitmil ©. 8686.
— 145 —
Eine glänzende Erhöhung wurde der Probftei zu Theil, als fie durch
die Gnade des Raifers im Jahre 1355 in das Prager Domcapitel in:
corporiert wurde. Kart fchuf nämlidh am Prager Gapitel drei neue
Eanonicatsftellen mit der Beſtimmung, daß nur die jeweiligen Pröbfte
von Feitmerig, Bunzlau und Melnik in den Genuß diefer Prä⸗
benden zu treten haben, fo daR von nun am jeder Probft von Leit me—⸗
»ritz zugleich als Ganonicus des Prager Capitels Sig und Stimme in
demfelben hatte. Als Stiftungsvermögen fchenfte er zu diefem Zwecke
anßer den allgemeinen Einkünften des Kapitel, deren der Probſt nun mit
theifhaftig wurde, zehn Echod jährlichen Einfommens auf Sedlep (im
Bunzlauer Kreife) und zugleich zur Wiedererwerbung verforener Rechte
md Befigungen 34 Schock auf dem Dorfe Piſtian bei Keitmerik,
weiches fomit immer noch mindeſtens theilweife unmittelbar königliches
Eigenthum fein mußte. Ob auch nach diefer Schenkung noc ein heil
des Dorfes dem Könige verblieb, ijt deshalb zweifelhaft, da in einer ſpäter
ansgeſtellten Urkunde (1356) die Probjtei fchlehtweg im Befige des
Dorfes genannt wird. Hiefür mußte der Probjt, da er ja ſelbſt aud in
Prag der Refidenzpflicht nicht genügen konnte, einen beftändigen Vicar
m Prager Done erhalten und am Iahresgedächtuiffe des Prinzen Wenzel,
des eritgeborenen Sohnes Karls (28. December) vier Schod als Almofen
vertheifen. Nachträglich erhielt er jedoch für die Suftentierung des Vica—
fiten noch eine eigene fönigliche Stiftung ). In Folge eines Taufches,
der ein Kahr fpäter vorgenommen wurde, übergieng Piſtian in
den Privatbefik der Familie von Bardubig, zunächſt des Probftes
do huſ ch und feines Brudes Samnel, während die Canonicatäſtelle
durch das Patronat in Zlatnik und Einkünfte in dieſem und dem
Dorfe Hodko witz entſchädigt wurde.
So erreichte unter Probſt Bohnslav die Leitmeritzer Prob—
Hei ihre höchſte Blüthe, während die Vorboten des Sturmes nicht mehr
lange ausblieben. .
Ter Nachfolger des Rohnich, Johann Hadenbrunn (29. Decem:
ber 1358 7. Jäner 1362) wurde zum Wyſchehrader Probite
befördert, worauf die Stelle Johann von Kameil (1362— 1368) aus
der nachbarlichen tramilie derer von Pokratitz einnahın, dem wieder ein
Heinrich vvon Hadenbrunn (1368 — 7. Juni 1396) folgte, der
freiwillig auf feine Würde refignirte. Diefem folgten nacheinander, in
N Urkunde bei Frind Kir. II. Anhang 431. ?) 1356 4. Mai Urkunde bei Zıind.
10
— 146 —
fo weit man der Angabe der unverläßlihen Serien trauen -darf, zwei
nahe Verwandte aus dem Haufe der Hafenburge, nämlid Budislan,
angeblich ein Neffe des Prager Erzbifhofs Zbinek (F 1404) und Wil—
beim, der 1417 geftorben fein foll. Zeichnete fi) die Familie der
Hafenburger durch befondere Anhängfichkeit an die Sache des Katholicis-
mus und des Königs aus, fo erfolgte nun in der Haltung der Pröbjte
in pofitifcher und confellioneller Beziehung ein volljtändiger Umſchwung,
indem der bereits oben genannte Zdislaus von Jwitetig zu derfel-
ben gelangte.
Bon minderer Bedeutung für die Stadt find die Schickſale ihrer
geiftlichen Nachbaren im Norbdoften, der Pröbjte von Wyfchehrad,
die nur gar felten auf diefe ihre Befigungen gefommen fein mögen.
Nur von einem Probfte Siegfridvon Eppenftein, derim Jahre
1:00 die hohe Würde eines Erzbifhofs von Mainz erlangte, berichtet
eine handichriftliche, nicht ganz zuverläßige Aufzeichnung (des Jeſuiten
Eruger?), daß er eben im Jahre 1200 feine Patronatslirhe in Schä:.-
teni& ben Apofteln Peter und Paul confecriert habe, die ihm ſo mit
and ihre Entftehung zu verdanken haben dürfte.
Die Gränzen der Probfteigüter blieben im Allgemeinem diefelben,
wie in den erften Zeiten, nur daß feit dem Aufblühen der Stadt auch
auf diefer Seite mancher Streit entftanden war. Die Stadt hatte fich
ein Badehbaus auf einem Grunde gebaut, den der Probſt als den
feinigen anfprad. Den hierüber entjtandenen Streit fchlichtete König
Dttofar II. im Iahre 1277 bei feiner perfönlichen Anweſenheit dahin,
daß das Badehaus dem Herrn des Grundes wirklich gehöre, aber
gegen einen zu vereinbarenden Jahreszins von der Stadt benüßgt werben
fönne. Bei derjelben Gelegenheit wurden auch die Unterthanen der Prob⸗
ftei von dem Gerichte des Gaurichters befreit und dem Brobjte auch in
diefer Beziehung unterftellt ). Die Befigung blieb dem Probfte in dem-
felben Umfange, bis König Wenzel IV. Schüttenik ſammt den dazu
gehörigen Dörfern dem Haſchek von Robetz am 4. Juni 1410 um
eine Schuld von fünf hundert Schock als Pfand verfchrieb.
Auch der Prager Erzbifhof Konrad gelangte ganz am Schluße
diefer Periode durch die Hufitenkriege noch einmal in den Beſitz eines
Gutes bei Feitmerig, nachdem die früher bifchöflihen Güter in diefer
Gegend längft an Vaſallen ausgethan worden waren. Bis dahin war
) Sammerfhmied Gloria Wyseh. 210—211.
— 147 —
Burkhard, der oberfte Beamte und Rath des Erzbifhofs, im Beſitze
des Weinberges „Chlistnovskä” genannt „im Zwickel“ (na klinu) bei
Reitmerig. Diefem hatte der Erzbifchof beim Ausbruche des Krieges
„fh und fein Gut und feine Schäge” anvertraut, mußte aber die Ent-
täufhung erleben, daß fih Burghard ſammt dem vergoldeten erzbi-
\höflihen Kreuze und dem filbernen Steden, fammt den goldenen Kelchen
und dem Silbergeichirr, fowie den übrigen Kleinodien, die er zu verwahren
hatte, aus dem Staube machte und feinen Weinberg verließ. Konrad be-
mähtigte ſich nun deſſen als Entſchädigung, indem er ihn für „theuer
genug erfauft” hielt ").
Unter den weltlihen Nachbarn find wegen ihrer vielfältigen Be⸗
ziehungen zur Stadt für diefe am wichtigften und für uns am erwähnens-
weribeiten die Ritter aus dem Geſchlechte Kameik (Kamyk, Kamnik,
oder Kameik), als deren Stammfig die längit in Ruinen liegende Burg
des gleichen Namens nordweftlih von Leit meritz zu betrachten ift ?).
Der urfprüngliden Nandbevölferung von Böhmen war «8
mut zum geringeren Theile gelungen, fich in einem freieren Zuftande zu
halten. Die urfprünglichen Familienhäupter der patriarchaliihen Zeit
hatten fich im Laufe der Tahrhunderte durd Macht und Anjehen zu
wirllichen Herren emporgefhwungen und danı ihre Geichlechtsangehörigen
zur Dienftbarkeit herabgedrüdt, oder: fie waren ſelbſt zu diefer herabge-
lunfen. Durch die vielen Schenkungen, die wir bereits kennen gelernt
einerjeitö und durch willführfiche Bedrücduug durch die landesfürftlichen
Beanten anderfeits kam fo nad und nad die ſämmtliche Landesbevölke⸗
Tung in das Verhältniß der Unterthänigkeit. Die wenigen Grundbefiger
aber, die fich auf den landesfürftlichen nicht durch Verkauf oder Schenkung
an anderere abgetretenen Gebieten, wie wir ſolche noch einige in unjerer
Gegend finden, in perfünfich freiem Zuftande zu erhalten gewußt hatten,
bonnten dennoch für die Dauer der Zeit die Gewähr ihrer Freiheit und
eine chrenhafte Stellung nur darin finden, daß fie Dienfte bei mächti⸗
geren Großen, bei geiftlihen Herren oder beim Yandesfürjten nahmen
and dadurch ſich ans ihrem nicht mehr in alten Ehren jtchenden Bauern⸗
ſiande emporhoben. So bildete fich den mädhtigeren „Herren“ gegen:
über der Stand der Wladyfen oder nad deutichen Begriffen des nie:
deren Adels, der Ritter. Cr hob ſich befonders feit dem 13. Jahr»
) Archiv cesky I. 406. 5. ) Siehe hierüber die Monographie im „Jahresbericht
der Som. Oberrealſchule in Yeitmerig. 1867*,
10*
— 156 —
al8 Zeuge erfcheint *). Letzterer gründete im Jahre 1372 die Pfarrkirche
in dem vielleicht eben erjt erworbenen Solan?), 1382 war er bereitö ge:
ftorben ?) und feine Witwe Katharina aus dem Rittergefchlechte von
Wrabin gründete viele fromme Stiftungen zu feinem Seelenheile. Sie
kaufte vom Melniker Probfte Wlachinek cin Haus aufden Hradfdin
neben der Kirche des heil. Benedict als Sig für zwölf dafelbft zu
unterhaltende Iungfrauen oder Witwen und ftiftete einen Prediger für
cehijcye Predigt aın Prager Dome *). Jenes Iungfrauenftift hieß fortan
nad) dein Namen der Gründerin „das Kappieriche Haus“. Das Dorf
Weſetz, zum Lehen Koftelek an der Zaſawa gehörig, diente ale
Stiftungsgut.
Sein Sohn gleihes Namen, Konrad oder Knnata, der fi
anfangs, wie fein Vater auf Solan, ſpäter aber auf Winterberg
ſchrieb, vertaufchte bereits den Kriegsdienft mit den Staatsdienjte, der
ihm eine glänzende Yaufbahn eröffnete. Mit Rüdfiht auf die Begriffe
der Zeit muß man hieraus ſchließen, daß fi das Geſchlecht bereits einen
Kamen erworben hatte, deilen Erwerber uns jedoch dur die Luellen:
arınuth unbelannt geblieben find. Zuerft finden wir Konrad im Jahre
1382 als Bicehoflehenrichter, dann als Oberjtmünzmeifter und endlich ale
Dberjthoflandfchreiber, während er gleichzeitig das höchſt chrenvolle Aut
eines Burggrafen von Kartftein bekleidete *). Für feine eifrigen Dienſte
befreite König Wenzel das Dorf Weſetz, das er und fein Bruder
Georg von ihm zum Lehen trug, von der LXehenspflichtigfeit und über:
gab es ihm als unbedingtes Eigen. Nichts defto weniger finden wir ihn
ipäter als Gegner des Königs unter den Mitgliedern des Herren-
bundes®), weshalb ihn nun während Wenzels Regierung die weitere
Yaufbahn im Staatsdienfte verfchloffen blieb.
Rad) Wenzels Tode ftanden die Kepler zu Siegmund. Kon
rad, Gerung, Johann und noch ein ungenannter Bruder waren
unter jenen wohlgerüfteten „eifernen Herren“, denen Zijka im Jahre
1420 zu Wozitz (bei Zabor) einen fo traurigen Charfreitag bereitete.
Durch Ueberrafhung derjelben nahın er ihnen Pferde und Nüftungen ?)
und Siegmund mußte feine ınilde Hand zum Schadenerfage aufthun,
wenn er fich feine Partei erhalten wollte. Aus Mangel an eigenen Gütern
— — —
) Dresdner Statearch. N. 2884 und 8061. *) Erect. II. K. 6. *) Ibid.
VII. A. *) Ibid. VL M. 4. ®) letzteree 1389, Palacky Prehled, Tafel II;
Archiv lesky II. 847, 848, 351, 886. *) Archiv desky I. 61. ) Stan
Jetopisove.
— 151 —
Borzeit hier reich begüterten Herrengefchlechtes. Im Jahre 1346 wird
ein Chriftian von Zernoſek (Syrnesig) genannt, der bereits zum Klofter
Altzell in ein Dienftverhältniß getreten fein mußte, da er von bdiefem
jährfih 16 Schod an Geld bezog, wovon er die Hälfte zu feinem Seelen-
heile dem Kloſter fchenkte '). Um das Jahr 1385 nennt fich ein Edler
Fromuth von Großiernofet, während fih fein Sohn Zdiſlav
von Kleindernoſek nenut?). Beide dürften Dienftmannen der Familie
von Leipa gewefen fein, die noch Theile ihrer ehemaligen Güter in diefer
Gegend zurücbehaften hatte. Später (1419) finden wir dafeldft einen
Bilhelm von Ronow (Leipa, Ron und Lichtenburg gehörten einem
Stamme a) felbit als Herrn genannt. Vielleicht gehörte diefer reichen
Familie damals auch der verfchanzte Sig oberhalb Cernoſek, der früh:
zeitig verfallen bereits 1499 nur noch als „Hradiſcht?“, heutzutage
aber nur als „Hradek“ bezeichnet wird.
Der große Meierhof in Cernoſek, der auf dem Flecke des jetzi⸗
gen Schlößchen gejtanden Haben dürfte, gehörte in jener Periode, fo
me das Gut Loboſitz dem Giftercienferklofter zu Altzelt in
Meigen, bis beides, das „Korberk“ und das Dorf Cernofel, König
Siegmund im Jahre 1420 an Rudiger (von Stalta) um 220
Schock, die diefer für geleijtete Dienfte und den bei Wozic erlittenen
Schaden von ihm zu fordern hatte, verpfändete ?).
Es unterliegt feinem Zweifel, daß fich gerade das Klofter Altzell
| um die Förderung der Weincultur bei Sernofer die größten Verdienſte
I erwarb, ſowie auch die großartigen und fehenswerthen Weinkeller des
jezigen Schlofles unzweifelhaft eine Schöpfung jenes Klofters find.
Der Mittelpuntt jener großen Herrſchaft, die dieſes Kloſter in
ujerer Nachbarſchaft befaß, war das Dorf Yobofig. Bon den ehemaligen
Bauern dieſes Dorfes fcheint ſich deshalb Feiner zu höherem Stande, wie
tiwa in vorgenannten Orten emporgeſchwungen zu haben, weil es bereits
in frühefter Zeit ſammt feinen Leuten an ein geiftliches Stift, das zu
Strahov nämlich, vom Yandesfürften verfchenkt wırde. Schon 1143 wird
6 m einem (bruchſtückweiſe nocd vorhandenen) Strahöver Schenkungsbriefe*)
ale Eigenthum diefes Dorfes genannt. Dichter Wald muß die Heine
Ortschaft damals noch umgeben haben, denn auch deijen gefchieht in
rmr Urkunde als eines Geſchenkes Erwähnung. Unbekannt auf welche
N Dressumer Hpſt. N. 2061. °) Eret. XIII. A. 10. °) Archiv tesky I. 508.
9 Tomek Prag 1. 100.
— 18 —
und Schiema!), letztere befondere für das Seelenheil eines Gent
von Schiema (1408).?)
Das Wappen der Rapper zeigt in einem viergetheilten Schilde
je zwei halbe fchwarze Adler auf weißem und ebenfo viel weiß uud roth
geichadhte Flügel im fchwarzen Felde; doch dürfte. das urfprüngliche
Wappen einfacher geweſen jein.
In der Nachbarſchaft der Kappler hatte die Bajallenfamilie derer
von Wrihomik ihren Sig, die indeß ebenfo fremd ben Kapplern wie
den alten Wrfchowegen trotz den entgegengefegten Behauptungen. Ihr
Stammjig, das Dorf Wrſchowitz an der Eger, war noch im 13.
Sahrhunderte königliches Kammergut und wurde im Jahre 1268 taufdh-
weile nebft Stamwetin von König Dttolar II an den Prager Biſchof
abgetreten ®). Diefer belehnte damit die in Rede ftehende Familie, die
ſich Sofort nad diefem Lehensfige nannte nud ähnlich wie bie Nachbar-
familien nach und nad) begütert wurde. Wie zufällig fie fomit zu jenem
Namen kam, auf den fie fpäter die Prätenfionen einer glanzvollen Ab⸗
ſtammung baute, ijt Har. Im Jahre 1388 erfcheint ein Drazef im
Befige der Lehen Wırfhowik, Telz und Minnichhof *) und am An:
fange des 15. Jahrhunderts (1401 oder 1404) ebendafelbjt ein Rüdiger,
der fich zugleid von Polensk nannte). Auch diefe Familie bob fich
durch die Vafallendienjte, wie jich Ihon Rüdiger ausdrüdlich einen Dienft-
mann des Prager Erzbisthums nennt, und z0g ſich fpäter näher in
unfere Gegend, indem fie fi, wohl erſt im 15. Jahrhunderte eine Burg
nad der Sitte der Zeit auf dem hodhragenden Oltakik bei Diakowa
') Ibid. Vul. C. 6, VII. G. 8. ) Eine beillofe Berwirrung bradte Balbin
in die Geſchichte und Benealogie diefer Familie, indem er auf eig Berlefen
deffen, was er ſelbſt geichrieben, geflügt, die Zamilie von Sfalla ale eine von
den Kapplern verfhiedene, dagegen mitden Wrſchowetzen identifde
anegab. Grade anf derfelven Urlunde, auf der Balbine Argumentation be:
tut, erfcheint allerdings ein RUdiger de Wrſchowitz, aber auh daneben
nnfer Rüdiger de Skalka (Riscell. 5. Band S. 112). Den Beweis der Iden⸗
tität beider Familien (Xappler und Stlalla) entnehmen wir aus der Ydrn:
tät der Männer, ihrer Site und Beſitzungen in gleicher Zeit und aus dem
Umftande, dag wir nirgende einen Widerfpruch gegen nufre Anficht entdeden
tonnten, fo daB 3. B. auf derfelben Urkunde zwei Rüdiger, einer von
Sulemik und einer von Slalla je erfhiene, da dod beide Familien fo oft
neben einander erſcheinen. Auch if Skalka, auf welchem wir bald einen von
Sulewitz, bald von Skalka finden, fein Ort, in den fi zwei Familien
theilen konnten, Re hätten fih dann in Einen Maierhof getheilt, denn Gtalla
war nnd iſt nicht mehr, ale ein ſolcher. ?) Zomel Geld. v. Prag 1. 407.
‘) Erection Ill. O. 3. °) Ibid. VII. A.
— 159 —
baute, deren Ruinen nunmehr den allgemeinen Namen „Hradek“ führen.
Das Wappen diefer Wrihomige (die älteren führten noch gar feines)
zeigt einen Fiſchkorb (cechiſch „yrs“). Diefes an den Namen gefnüpfte
Bappen konnte die Familie natürlich erft annehmen, nachdem fie in den
Lchensb-fig des genannten Gutes gekommen war, alfo Ende des 13.
oder Anfang des 14. Sahrhunderts. Auch daraus geht hervor, daß diefes
ehedem niedere Gefchlecht erſt durch das Lehensverhältniß, in das es
in ziemlich fpäter Zeit eintrat, in den Stand des Ritterthums ſich erhob
und ſich deilen äußeren Schmuckes bediente.
So Tüdenhaft alle diefe Angaben find, fo beweifen fie dod, wie
eben in jener Zeit, als fich die erfte Entwidlungsperiode des Bürger:
thums in trauriger Weife fchloß, das Ritterthum in eine nene Lebens⸗
phaſe tritt, der Abfchnitt, den wir gerade hier in der Gefchichte der Stadt
machen mußten, paßt nicht für die Gefchichte diefer Nachbarn, die wir
mitten in ihrem Fuße verlaffen müffen. Weber die Stadt zieht ſich ein
Ungewitter zufammen, aber für das Ritterhandwerf und die Adelsherr-
Ihaft blüht der Weizen.
Mitten innen zwifchen den Gütern der Kappher, ja mitunter in
denfelben Ortfchaften Tagen die Befigungen eines anderen nachbarlichen
Geſchlechtes, das noch heute lebt und deffen Wiege das Dörfchen Wchinitz
bei Loboſitz ift. Einem fchwärmerifchen Adelsverehrer wie Balbin
kam diefe allerdings etwas ſchmutzig vor umd er zitterte vor dem Ge-
danıten, als hätte der Glanz des Adels jemals erft begonnen und fei
Richt vom Anbeginne der Zeiten. Deshalb freut es ih, daß das Hans
der kinsty (Wchinsky) bereits vor 1200 in Deutfchland ge:
blũht haben folle. Doc) ift dem nicht fo. Wenn die von Wchinitz ja
ſchon vor 1200 blüthen, was wir gar nicht bejtreiten wollen, jo blühten
ſie als böhmifche Bauern auf den Feldern bei Yo bofig, um im Yaufe
der Zeiten dem Adel entgegenzureifen. War es einem flavifchen Bauer,
eva einem von Wchinit gelungen, ſich mit feinem Gute nicht nur von
der Aphängigkeit von einem Andern frei zu erhalten, fondern auch feine
Verwandten und Angehörigen, die ihm bereits das alte flaviiche Familien:
leben unterordnete, im ftrengere Abhängigkeit zu bringen, waren dann
kin Berjtand und feine materiellen Mittel wenigftens fo groß, daß er
einen Verſuch machen konnte, durch irgend einen ehrbaren Dienft bei
emem hohen Herrn oder gar dem Könige felbft zu einer höhern gejell-
ſcheftlichen Stellung zu gelangen, fo fehlte ihm nichts, um fo viel zu
fein, als feine Genoſſen, al8 deren Anertennung, auf welcher ja der
— 160 —
Begriff des Adels beruht. So lange man noch feine früheren engen Ber:
hältniffe im Gedäcdhtniffe hatte, rümpfte wohl der und jener einmal die
Naſe; blieb aber fein Sohn dem Beftreben treu, fo vergaß ınan leicht
anf die Jugendgeſchichte feines Baters — und beim Enkel wußte man
wirklich nidhts mehr davon. Diele ganz naturgemäße Erfcheinung ent-
widelte ſpäter, als das ganze fo entſtandene Adelsweſen fein fauber in
ein Spftem gebracht worden war, das Princip der Ahnenzählung. Die
Denennung nad) einem Gute war durchaus feine Auszeichnung, jondern
jo lange man feine andere Art, eine Familie zu bezeichnen, kannte, eine
ganz natürliche Sache. Daß alldem jo fei, beweift die unbeftrittene That-
ſoche, ") daR auch der nicdere und höhere Adel Böhmens gegen ein:
ander nicht abgegränzt waren. War jemand wirftich hervorragend reich
nud durch feine Stellung mächtig und angejchen geworden, fo gehörte er
dem Stande der „Herren“ an; wurde er wieder arm, blieb aber dennod)
mindeftens frei, fo fanf er in den Stand des niedern Adels zurüd, und
es ift ganz natürlich, daR er auch diefen Rang verlor, wenn er factifch
unterthänig wurde. Wenn jemand feines Gutes os war, feinen Sol:
datenftand aufgab und hinter den Ziegen gieng, jo fiel es natürlich nie:
mand ein, ihn einen Soldaten, einen Ritter zu nennen es wäre denn aus
alter Gewohnheit: fein Knabe aber hieß dann gewiß Schon der Ziegendirt
von da und da — denn „von“ ijt, wie gelagt, erit im Laufe der Zeit eine
Auszeihnung geworden. So ericheint im 14. Jahrhunderte ?) auch bereits
eine Familie von Wchynitz, die fih durch Tienftleiftung Beſitz und
das davon ungzertrennliche Anfehen erworben hatte. Die beiden äfteften
Ahnen diefes Rittergeichlechtes, die wir feinen, find die Brüder Pro-
tivec und Chotibor, die bereits 1322 als Befiger von Wchinitz,
und? Medwedig genannt werden ’\. Nach ihnen fernen wir zunächſt
1341 und 1354 einen Smil (Samuel) desjelben Geſchlechtes kennen, der
feinen Zit bereits auf der im Waldesdicicht verſteckten Burg Oparna
(Moparn)*) hatte, von der wir indeß nicht willen, wie lange leßtere
Ihon vor diefer Zeit beitand. Smil lebte dajelbjt no um das Jahr
1410 °). Ter näcjfte, Namens Martinek, den ung die Urkunden 1386
als einen Dienjtmann (Cliens, Armiger) nennen, bejaß bereits mit
) Siehe Balacty Geſch. Böhr. II. 2. 6 ?) Alerdiuge wird bereite 1239 ein
Jenrich von Thiniz (Erben Reg. I. 449) genannt: ob dieß aber wie Erben
wiu Ehinic zu Iefen und ob dann das fraglihe Ehinic unſer Wchynitz
fei, it une ungewiß. *) Balacty Geld. Böhm. IL. 2. 22. ') Palacky Formel:
bücher I. 258 und 365. °) Erect. IX. A. 6., Archiv tesk. II. 6II.
—
— 163 —
lein Staubwölkchen erheben, das nicht der Späher von jenem Berge aus
ſähe. Als man in Böhmen ſeit dem 13. Jahrhunderte Burgen baute
nah deutfcher Art, war gewiß diefer Berg nicht der letzte, deſſen Felſen
die Hand irgend eines deutfchen Baumeiſters mit gezinnten Thürmen
könte.e Im Jahre 1336 finden wir die Burg Klapai dafelbit bereits
erbaut, ohne angeben zu Tönnen, ob durch den lebten Befiger Zbinko
von Steben, oder von irgend einem feiner Vorgänger. Was wir heute
in jo impofanten Ruinen fehen, dürfte faum oder uur theilweife von
jener erften Anlage herftammen. *)
Die Herren von Waldek fahen diefe Gegend fortan für ihre neue
Heimat an, vollendeten jene herrlichen Gebäude, deren Trümmer nod)
gt der Landfchaft auf Meilen Hin ihren Charakter geben, nannten diefe
emente Burg nad ihrem Namen „die Hafenburg“ und fi ſelbſt
wiederum nach ihr die „Herren von Hafenburg.“ Der alte nunmehr
wit Gerölle verfchüttete, aber noch immer bemerfbare Weg führte von
ber Weftfeite hinauf, woſelbſt das nach Art eines Burgfleckens mit
Mauern an die Burg gefchloffene Dorf Klapai lag.
Bebeutende Mä::ner haben feither in jenen hoben Räumen das
ht der Welt erblict, deren Gefchichte uns jedoch Hier nicht eingehender
beihäftigen darf, da ſie vielmehr ihren Plag in der politifchen Landes-
geihichte einnimmt.
Nah dem Tode Zbyneks (F 1368), der die erbliche Truchſeß⸗
wirde für fein Haus erworben hatte, („najvySf kuchinister” nannte er
Rh) theilte Wilhelm von Hafenburg, deilen Sohn, mit feines bereits
1350 gejtorbenen Bruders Hanslin ohne Nikolaus die Herricaft
über die Güter ihrer Linie. Yesteren, Nilolaus von Hafenburg,
| finden wir nachmals im Befite des 1336 durch Tauſch gegen Bebrat
ven König Johann erworbenen Budin. Beide, Nikolaus und fein
Better Wilhelm fauften im Jahre 1376 gemeinichaftlid von den Ge-
brübdern Johann und Wenzel von Wartenberg Schloß und Städtchen
Slawe tin, die das leßtere von den Gebrüdern von Stapktin, einem
Kittergefchlechte, deifen Glied wir bereits als YBurggrafen von Koftial
fennen lernten, eben erft gekauft hatten. Diefe mögen es urfprünglich nur
als Lchen befeflen haben, da es im Jahre 1268 aus dem unmittelbaren
Befige ber böhmischen Kammer in den des prager Bisthums übergegangen
9 Was Geber nad) Hajel erzählt, if eitel Fabelei. )) Archiv desky III. 466.
Zemel Brag I. 407.
11*
— 162 —
ift und deren eine Linie im 14. Jahrhunderte den Beinamen der „Haſen“
(Zajic, lepus) führte. Eben diefe vereinigte im genannten Jahrhunderte
meift durh Kauf einen Gütercompfer, als deilen Grenzpunfte ſich
Tremſchitz (bei Zriblig), Slavetin, Yibohowig und Bubin
und als beiläufige Mitte Klapai bezeichnen laſſen. Doc lag in diefem
Kreife infelartig nod; manches fremde Eigenthum und manches Vajallen-
gut, denn die Waldecke beſaßen felbft eine größere Dienftmannfcaft.
Im 12. Iahrhunderte gehörte eine große Anzahl Güter im diefer
Gegend dem fchon öfter erwähnten reichen und frommen Herrn Hroznata,
dem Stifter des Prämonftratenferkiofters von Tepel. Dieſem vermachte
er 1197 unter anderem in bedingter Weile auch das Dorf Klapai
(Cleppi), ohne daß indek noch einer Burg in feiner Nähe Erwähnung
geichieht. '\ Im Jahre 1219 erfheint Klapai wirklich im Beige des
genannten Klo jters.?) Im 14. Jahrhunderte aber finden wir es bereits
im WPrivatbefige der Yamilie von Steben (Slivao), von welder es
ſammt der bereits dabei aufgeführten Burg König Johann Fäuflich
an fi) brachte. Doch gab es in König Johanns Händen Fein unbe:
wegliches Eigenthum. Zbinek „der Haſe“ von Malded, Herr auf
H„ebraf gewann das hervorragende Centrum feiner nachmalıgen bedeu-
tenden Befigungen im Jahre 1336, als er am Stephanstage von König
Johann das Dorf Klapai fammt der Burg gleihen Namens darob,
das Darf Liboch owitz, Schloß und Ort Radoweſitz (bei Libocho—
wis), Lhota (das feinen Namen geändert haben muR) und einen Maierhof,
Bopluzi das heutige Poppels um 2000 Schod erfaufte. ? Bon je
waren diefe Güter Eigenthum reicher Familien, daher auch die Anfiedlungen
auf denfelben verhäftnigmäßig fpärlicher, die wir hingegen überall dort
zahlreicher finden, wo ſich ärmere Gefchlechter vieläftig verbreiteten, wie
dies bei den erwähnten nördlichen Nachbaren der Fall war. Grade des:
halb find die Gebirgegegenden in unjerem Kreife dichter mit Anfieblungen
überfäet, al8 die Thalgegenden, weil in erfteren eher Heine Gefchlechter
ihre reiheit wahren konnten, da die großen Herren ihr Augenmerf mehr
auf die leichter zu verwertenden Ebenen warfen. Großen Reiz aber mußte
in Mitten einer (Ebene der jteile Berg ob Klapai haben, von dem aus
man tief in die Schluchten des Mittelgebirgcs hinein und unabmeßbar
weit ind flahe Yand hinaus zu bliden vermag. Meilenweit darf ſich
') Erben Reg. 1. 195. *) Ibid. I. 284. ) VBefätigungsurkunde bei Pelzel Urkun⸗
denbuch zu Karl IV. 1. 71.
— 163 —
kein Staubwöltchen erheben, das nicht der Späher von jenem Berge aus
lühe. Als man in Böhmen feit dem 13. Jahrhunderte Burgen baute
nah deutjcher Art, war gewiß diefer Berg nicht der letzte, deilen Felſen
de Hand irgend eines deutfchen Baumeiſters mit gezinnten Thürmen
könte. Im Jahre 1336 finden wir die Burg Klapai dafelbft bereits
erbaut, ohne angeben zu können, ob durd den legten Befiger Zbinko
von Steben, oder von irgend einem feiner Vorgänger. Was wir heute
in jo impofanten Ruinen fehen, dürfte faum oder uur theilweile von
jener erjten Anlage berjtammen. ')
Die Herren von Waldek fahen diefe Gegend fortan für ihre neue
Heimat an, vollendeten jene herrlichen Gebäude, beren Trümmer noch
jet der Landichaft auf Meilen hin ihren Charakter geben, nannten diefe
emente Burg nah ihrem Namen „bie Hafenburg“ und fich felbft
wiederum nach ihr die „Herren von Hafenburg.” Der alte nunmehr
mit Gerölle verfchüttete, aber noch immer bemerkbare Weg führte von
der Weftfeite hinauf, woſelbſt das nad Art eines Burgfleckens mit
Mauern an die Burg gefchloffene Dorf Klapai lag.
Bedeutende Mä::ner haben feither in jenen hohen Räumen das
Yiht der Welt erblickt, deren Gefchichte uns jedoch Hier nicht eingehender
beichäftigen darf, da fic vielmehr ihren Plag in der politiichen Landes⸗
geihichte einnimmt.
Nach den Tode Zbyneks (F 1368), der die erblihe Truchſeß⸗
würde für fein Haus erworben hatte, („najvySf kuchinister” nannte er
Rh) theifte Wilhelm von Hafenburg, deffen Sohn, mit feines bereite
1350 geftorbenen Bruders Hanslin Sohne Nikolaus die Herrichaft
über die Güter ihrer Linie. Letzteren, Nikolaus von Hafenburg,
finden wir nachmals im Beſitze des 1336 durch Tauſch gegen Zebrat
von König Johann erworbenen Budin. Beide, Nikolaus und fein
Vetter Wilhelm fauften im Jahre 1376 gemeinſchaftlich von den Ge:
brüdern Johaun und Wenzel von Wartenberg Schloß und Städtchen
Slawetin, die das Iettere von den Gebrüdern von SIapktin, einem
Kittergefchlechte, deilen Glied wir bereits als Burggrafen von Koftial
kamen fernten, eben erft getauft hatten. Diefe mögen es urfprünglich nur
1 Lehen bejellen haben, da es im Jahre 1268 aus dem unmittelbaren
üge der böhmifchen Kammer in den des prager Bisthume übergegangen
iM eitel Fabelei. ”) Archiv desky III. 466.
— 164 —
war.) Bald darauf verkaufte Nikolaus feinen Antheil am Schloffe
Hafenburg, Fibohowig und Stawetin nebft den Thell-Dörfern
Hlindvay (Linai, Hlinai) Babina, Mitewig, Rehoſtitz (Kedhoſcht)
und Peſnich (Pift) demfelben Vetter Wilhelm um 12000 Schod
(im Jahre 1379), indem er fi in unferer Gegend nur Budin vor-
behielt. Cr ftarb noch vor dem Jahre 1398 mit Hinterlaffung feiner
Witwe Yitla und zweier Söhne, Johann und Nifolaus, welder
fettere uoch unmündig war. ’) Beide verkauften aud ihre Stadt und
Burg Budin mit allem Zubehör, wie fie felbe von ihrem Vater geerbt,
ihrem Verwandten Ulrich*), wohingegen Johann 1412 dag Schloß
Tremfhig durd königliche Schenkung erwarb. Sein Bruder Niko—
faus, der 1404 auch feinen Antheil an Radomefig an Wilhelm und
1412 den am Schloffe Libohomwik an Ulrich von Hafenburg verkauft
hatte, nennt fich fpäter von Koft.
Der oben erwähnte Wilhelm, Sohn Shindts, wird zuerft
1369 als Oberfttruchieß genannt ?) und ftarb 1387. Er vermehrte, wie
oben erwähnt, fein Familiengut durch Ankauf des Gutes Stametin*)
Er hinterließ außer der Witwe Anna und feinem Stieflohne Heinrich
von Mfcheno, foviel uns befannt ift, noch ſechs Söhne, Zbyndt,
Ulrih, Wilhelm, Nikolaus, Iaroflav und Johann, und zwei
Töchter, Anna und Jitka. Die Witwe Anna erhielt das neu erwors-
bene Gut Slavetin zum Witwenfige und nannte fi fortan Anna
von Slawetin. Im den übrigen Beſitz theilten fih anfänglich ſämmt⸗
fihe Söhne, doch vereinigte fchließlih Ulrich wieder fo ziemlich den
väterlihen Befiß, indem er feinen Brüdern nad) und nad ihre Erb»
theile abkaufte. Der ältefte Sohn Wilhelms, nad dem Großvater
Sbinek genannt, widmete fich dem geiftlichen Stande, wurde erjt Probft
des Gollegiatftiftes in Melnik und ftieg endlih zur hohen Würde
eines Erzbifhofs von Brag (1403). Sein Name gehört der Ge—
ſchichte und zwar einer der unglüdlichiten Perioden derſelben, der Periode
— — — — — —
ı\ Erect. XIII. J. 4. °) Arch. cesk. I. 476. °) Palacky Prehled sondasny.
+) Die Belege der ganzen Darftellung der hafenburgifchen Berhältnifle find vor:
jtigli: Balbini lib. Erect. I. H. 2., II. M. 3; V. J. 1; V. A. 8, VI. G. 6.
v1. A. 4; VIL A. 7; VIII O. 10; XIII. G. 10; XIII. J. 4; T. 6; T. 18.
XII. G. 17 u. a. m. halb lib. curielis I. 13. Pelzel Urkundenbuch zn Karl IV.
I. 71. Arch. tesky IV. fiehe Regifter. Ebendaſelbſt III. 241. 278. 487. 278.
466. 485; II. 51, 369, 192, 353, 350, 58, 382, 341, 386; I. 61, 198, 476,
4e2, 484, 474, 240 und andere daſelbſt. Stari letopisove &. 41. Paprocky
Disdochus. O stavu panskem ©. 69 ff.
— 165 —
des Göufitenftreites. Als Stifter de8 S. Katharinaaltars in unferer
Stadtkirche haben wir ihn bereit!‘ kennen gelernt. Das Stiftungstapital
verficherte er (1399) auf feinen Antheil am Dorfe Klapai.") Er ftarb
am 28. September 1411.
Sein Bruder Ulrich ift fofort als der eigentliche Nepräfentant
des Daufes Hafenburg anzufehen, auf ihn übergieng das Erbmundfchen-
fmanıt und er vereinigte in feiner Hand bald wieder den ſämmtlichen
Befig feines Vaters in unferer Gegend. Zunächſt kaufte er (1400) die
vier Antheile der Burg um 2385 Schod zurüd, die feine Brüder Sbinek
Nikolaus, Jaroslav und Johann geerbt hatten, fo daß nur noch
Bithelmauf ein Sechftel derfelben Anspruch hatte. Bon feinen Vettern
Johann und Nikolaus Faufte er 1405 die Stadt und Yurg Budin,
1412 die zmei Theile, die fein Bruder Nikolaus noch am Schloſſe
Libo chowitz befaß, 1413 von feinem Bruder Johann, der die Burg
Kameik erworben Hatte und nad) ihr fi) nannte, die Güter Babotef f
Gabowkeſt) und Brezan (bei Budin), 1414 das Drittel von Libo—
Homwig, das fein Bruder Iaroslav als Erbtheil erhalten hatte, und end»
lich wird er in deinfelben Iahre auch Herr auf Koft genannt, obgleich
auch Better Nikolaus nod) denfelben Titel führt. Das Gut Duban,
das er nach feinem Vater als Fönigliches Lehen befaß, wurde ihm von
tönig Wenzel 1V. ftreitig gemacht, der es als heimgefallenes Lehen an
ine Dienftmannen Bribikund Bastina verlich, aus welchem Grunde
fh zwiſchen diefen und Ulrichs Mannen Fehde erhob (1407). Dagegen
derſch rieb ihm Wenzel 1413 eine bedeutende Summe (1000 Schok) auf
die Güter des Nachbarſtiftes Doxan. Im Jahre 1405 fungirte Ulrich
als Rechtspfleger (Poprawce) des leitmeritzer Kreiſes. 2)
Nächſt Ulrich behauptete unter den Gebrüdern Wilhelm bie be—
dentendſte Macht, die auch er durch Anfäufe, ſowie auf minder ehrbare
Reife zu vermehren ſuchte. Die alten Annalijten nennen ihn von
Zidlowitz, da es indeß einen Ort dieſes Namens in Böhmen nicht
gibt, fo dürfte damit wohl Zidowitzz ander Elbe unterhalb Raudnitz
Oder Zihomig gemeint fein. Hiezu faufte er noch von feinem Bruder
Die Sage von der Eriftenz einer Stadt Klapai, bei Mikowetz Alter
tbämer II 133 und anderemwo, iſt ganz unhiſtoriſch. Klapai wird an der er:
wähnten und andern Stellen eben vor dem Hufltenkriege ganz ausdrüdlid
„villa,“ ein Dorf genannt; böcftene lönnte man es wie oben gelagt wurde,
als eine Art Burgfleden gelten lafien. ?) Balbin liber curialis 1. 13. °) Stari
letopisove ©, 41.
— 166 —
Nikolaus Radowöſitz an der Eger (1414) und von Predbor von
Ronom (1415) das Dorf Schebine (bei Konojed.) Diefer Wilhelm
von Hafenburg ift der erfte Herr aus der Nachbarſchaft unferer
Stadt, von dem wir als urkundlich feftgeitellt wiſſen, daß er es verfuchte,
die Hafenburg zu einer Raubburg und zum Schreden der Umgegend
zu machen. Wenngleich im 14. Jahrhunderte Klagen über Unficherheit der
Straßen und Wegelagerung im Allgemeinen vorkommen, fo bleibt doch
dem 15. Yahrhunderte die Ehre, bie Wegelagerung zur höchſten Blüte
gebracht zu haben und während wir bis dahin wenigjtens feinen beftimms
ten Nachbar eines ſolchen Verſuches zeihen konnten, eröffnet nun Wil⸗
helm von Hafenburg ben Reigen. Cr bemächtigte fi durch Lift
„auf einem äußeren Wege“ der Burg feines Bruders Ulrich und wurde
von da aus eine Plage für Land und Leute. Ulrich, der nun gegen
feinen eigenen Bruder die Fehde zu erheben gezivungen war, fand genü-
gende Unterftügung bei König Wenzel, welcher nicht nur den fänmtli-
hen Bafallen des Teitmeriger und ſaazer Kreifes, infonderheit dem Hanuſch
Kappler und feinem ganzen Gefchlechte, fondern auch den Städten Zeitmes
rig, Außig, Zaun und Brür befahl, dem genannten gegen feinen
Bruder beizuftehen, um die Bewohner des Landes von deſſen und feiner
Genoſſen Pladereien zu befreien. Jedenfalls konnte Wilhelm einer ſolchen
Macht nicht Lange widerftehen.”) Den Schluß uuferer Periode überlebte
Wilhelm nicht, indem er im Jahre 1420 mit vielen andern edlen
Herrn den Tod vor dem Wyſchehrad fand, nachdem er und fein
ganzes Gefchlecht fich entfchieden auf die Seite Kaifer Sigmunds geftelft
und den Pragern fchon 1419 Fehde angefagt hatte.
Nikolaus verkaufte, wie bereits erwähnt, einen großen Theil
feiner Güter und dürfte fchon im Jahre 1413 nicht mehr unter ben Le—
benden gewefen fein. Bon ihm erbte der jüngfte Bruder Johann bie
Güter Zabowkeſk und Brezan, die diefer, wie erwähnt, bereits 1413
wieder verfaufte. Auch Jaros lav kennen wir nur aus feinen Berfaufs-
urkunden, während Iohann das Gut Kameil erwarb. Von den birec-
ten Nachlommen des erften Herrn von Hafenburg überlebten fomit den
Schluß diefer Periode nur Ulrih, ISaroslap, Johann und Niko—
laus von Waldek auf Koft mit feinem Bruder Johann von Ttem-
ſchitz, beide leßteren Söhne des Nikolaus. Außerdem lebten aber noch
zahlreiche Glieder der andern Linien, die fich theilweife ebenfall® von Ha-
Palady Formelbucher II. 125. Die Urkunde if undatirt, die Namen nicht amös
aeſchrieben.
— 167 —
fenburg nannten. Im Wappen führte das Gejchlecht einen Eberkopf
und einen Haſen.
Bon den genannten Gütern thaten fie einzelne zu Lehen aus, in-
dem fie fich gleich anderen Großen mit einer zahlreichen Dienſtmannſchaft
umgaben. Als folches Vehen fennen wir das durch Wilhelm den äl«
teren erworbene Slawetin, von dem der genannte jelbft bereits einen
Zheil zur Belehnung feines VBajallen Pettik von Stamwitin verwendet
hatte. Somit war Slawẽtin dreigetheilt, indem die Kirche und ihr Gut
ein Glied des Klojters zu Vojtelberg genannt wird.!)
Südlich und öftlich begränzte das Gebiet der Hafenburger das
noch ausgedehntere des reichen Nonnenklojters Doxan. Die Gefchichte
diefes Kloſters hat bereits ihre eigene Heine Yiteratur, ift übrigens ohne
alfen äußeren Wechfel und wir begnügen uns, einfach feinen Grundbeſitz
durch die Hauptpunkte desfelben zu marfiren. Der eigentlihe Mittelpunkt
desſelben ift die Halbinfel, welche die Eger und die Elbe von Budin
und Randnig an bilden, von ber nur die nördlichſte Spige unter an-
derer Herrichaft jtand. Ueber diefe Halbinfel hinaus umfaßte dasjelbe
aber noch das linke Ufer der Eger und das rechte der Elbe und er-
Itredte ſich, nur durch die Befigungen der Hafenburger und Wrſcho—
wetzer unterbroden, an der Eger aufwärts weit über Laun und Poſtel—⸗
berg, fo wie füdlicdy biß über den Georgsberg hinaus. Die älteften,
Ihon von Wladislav dem Klofter gefchenkten Dörfer waren Doran,
Rohatet, Chwalin, die Hälfte von Yibodowig, die Hälfte von
Duſchnik, Woleſchko mit dem Walde (Bor), Chodom, Chote:
I Die erfien Herren von Dafenburg:
Wilhelm von Waldeck
feit 1810 + 1310,
Zbynck von haſenburg
feit 1336 + 1368,
———— ZT
Wilhelm Hauslin
feir 1369 r vor 1387. + 1360,
U
keinrig Zoguck Mar Milben Nikolaus Jaroslav Johann Anna Jitka
—8 —A feit 1405. f. 1a ‘ Kitas} ſ. 1309, f. 1309. 1500. 1898.
Yehie An 1408-16 Nikolans
von Budin
f. 1376 +. v. 1398.
— en
Aikolans JIohann
auf Budin f. 1408.
u.Koft f. 1408.
Aum. Die Zahlen bedeuten die crfle urkundliche Namenserwähnung.
— 168 —
han, Zalezl und das nunmehr verfhmwundene Dorf Dur, das auf
einer Inſel der Eger gelegen fein foll. Selbft neuere Hiftorifer (wie Frind)
überfahen das Sagenhafte der Nachrichten, die jenes Dorf eine ehemalige
Stadt nennen. Wann fol Mur eine Stadt gewefen fein? Vor dem
13. Sahrhunderte fanıı man in Böhmen überhaupt von feiner Stadt
Iprechen, am Anfange des 13. Jahrhunderts aber erfahren wir eben, daß
König Ottofar (1226) dem Kloſter geftattet, das „Dorf“ Mur mit
deutſchem Nechte zu verjehen, „weil die fich nicht vertheibigen Können,
der Bosheit eines jedweden zu unterliegen fcheinen“*) Offenbar hat
diefer Zuſatz Anlaß gegeben, in dem VBertheidigungsmittel, unter welchem
das dentſche Recht und die Unabhängigkeit von den Kreisbeamten zu
verftehen ift, die Mauern einer Stadt zu fehen. Ganz in ähnlicher
Weiſe gründete das Kloſter Doran mit „deutfchen Rechte” das Dorf
Jobes (Jacobivilla) bei Clibogen?). Verſchieden hievon aber war bie
Gründung der Stadt Königsberg durd) dagfelbe Stift?), das ſich um
die Einführung des deutſchen Nechtes in Böhmen jomit bedeutende
Berbienfte erwarb. Eine raftlofe Thätigkeit auf den Erwerb neuer
Güter gerichtet bemerken wir überhaupt bei diefem Stifte. Der Sinn der
Zeit kam ihm bereitwillig entgegen, reichliche Gefchenfe und VBermädht-
niffe floffen dem Kofter zu und mit dem erübrigten Vermögen wurden
neue Ankäufe bewerkftellige, fo daß bi® zum Jahre 1226 außer vielen
uns ferner Tiegenden Gütern auch in unferer Gegend eine bedeutende Ver-
mehrung erfichtlich wird.) Zwiſchen Elbe und Eger waren die Ort⸗
haften Kleinnutfhnig, ein Theil von Dolanef, Preſtawlk,
Krabfhig, Wraſchkow und ein Theil von Martinomes Hinzu«-
gefommen, am linken Ufer traten die Gränzen des Doraner Gebietes
nahe an die Stadt heran, indem fi der Beſitz des Kloſters um
Deutſchkopiſt, (Zherefienftadt) Brnian, Wrbitfhan, Rochov
und Hoſtenitz vermehrt hatte, während auf dem rechten Elbeufer
Cernowes und Brotzen, in größerer Entfernung Brebov und
Grabern Hinzugeloinmen waren. Außer dem beſaß das Klofter das
Batronatsrecht über eine fehr große Anzahl von Dorffirhen der Gegend.
Im Jahre 1336 kam, wie bereits erwähnt, auch die Gegend an der
Egermündung fammt der Egermühle an das Stift, die bis dahin
‘) Erben Regifr. I. 325. °) Ibid. 891. °) Ibid. 370. *) Das Ganze nad ber
Beätigungeurlunde Dttofars Erben I. 825. Giche, Mila, Doran; Frind
Sirdeng.
— 169 —
ein feitmeriger Bürger, Namens Nitolaus, beſeſſen hatte. ‘Durch einen
Tauſch erwarb das Klofter um diefelbe Zeit von König Johann die
Dörfer Rmetinomwes und Gernuc (gegen Welechov und Schloß
Sammerftein'). Im Ganzen blieb dasfelbe hiefort ungeftört in feinem
Befige durch die ganze Periode hindurch und erfebte eben in diefer feine
glanzvollſte Blüte.
Im Norden begränzte das Gebiet des Kloſters Bkewnow das
Doraner Stiftsgut, nicht ohne daß über die Gränzen, beſonders im
Walde an der Eger mitunter Streitigfeiten ausgebrochen wären?).
An die brevnower Güter, die dem Namen nad) bereits ange-
führt wurden, ftießen dann wieder die Güter des Teitmeriger Colle-
giatftiftes und des Stiftes zu Wyfcehrad.
Oeſtlich umfchloffen wieder die Güter zweier geiftliher Ritter—
orden in einem langgeftredten Doppelbogen von der Elbe bis fait
wieder an die Elbe das Territorium des Wyſchehrader Stiftes.
Der erfte derfelben war der Johanniter- oder Malteferorben
von der heil. Maria zur prager Brüde. Der Hauptort feiner biefigen
Commende war Ploſchkowitz. Schon im Sabre 1188 wurde der
Orden im Befige der ihm von Hroznata gefchentten Dörfer Schwa⸗
den (mwahrjcheintih nur zum Theile) Rojedig, Großpriefen, Za-
left (bei Proboſcht), Pohot, Probofht, Taſchow und der jen-
jeits des Fluſſes gelegenen Neftomig und Schönpriefen beftätigt?)
und blieb fortan die ganze Periode hindurch in ruhigem Beſitze?).
Deftlih um dieſe Güter herum hatten wieder die Ritter vom
dBentfhen Orden (kfiZovniei prusti) den Gürtel ihrer Befigungen
gezogen. Haft ununterbrochen reihten fi) die Güter von Babina, (bei
Brobofht) Plahov, Tünſcht, TZauberwig, Neffel, Triebſch,
Lenzel, Pitfhlowig uud Großaugezd aneinander. Ob „Berna“
erwa das Birna bei Schredenftein jei, wollen wir nicht entfcheiden.
Der Hauptfig der Commende, die 1404 unter die directe Adminijtration
des komotauer Landkomthurs gezogen wurde, war Bickomig?’). Wir
halten es für ausgemacht, daB die nachher zu Namen gelommenen Burgen
„Kelch— und „Banna“, die „Jungfrau“ feit ihrem Beitande Burgen
der deutfchen Ritter waren und diefe Namen fange vor Zizka
führten. ) Schon ber Lage nad in dem herrlichen Thale zwiſchen dem
7) Copie im f. Ar. ?) 3. ®. 1886, Tomel Brog I. 471. ?) Erben Reg. I. 181.
% Arch. öeskf II. 452. °) Erben Regifir. I. 377 Arch. Zesky L 501.
©) Letzteres bat bereite Heber richtig vermuthet. IV. ©. 280.
— 1270 —
Geltſch und Tangen Berge, in deren Mitte fie infelartig emporragen,
wären fie auch Infeln des königlichen Beſitzes geweſen, der in dieſer
Gegend fonft nichts mehr vor den deutfchen Rittern und Maltefern ges
rettet hatte; ja man kann ſich geradezu Triebſch und Kelch nicht in
zweierlei Händen denken. Einen wirklichen Beweis unferer Anficht finden
wir in jener Urkunde 9), in welcher Kaifer Siegmund Xeitmerig,
Kelch, Panna und Bickfowig dem Eiegmund von Wartenberg
in der Weife verpfändet, daß ihm Leitmerig nach und nad) 2000 Schock,
Bickowitz aber 200 Schod aberftatten Jolle. Hieraus erfieht man, daß
nicht erſt Zizka (wie Laurenz von Bkezowa?) angibt) der hier beftan-
denen (und denn doch irgend wie benannten) Burg den Namen „Kelch“
gab, in welchem Falle fih Siegmund wohl geweigert hätte, fie bereits
in demfelben Jahre, in weldem fi Zizka zum erften Male nach ihr
nannte ?) bei diefem und nicht bei ihrem alten Namen zu nennen,
befonders deshalb, da er auf die factiiche Befigergreifung durch Zi zka
eben durch jenen Act der Verſchreibung keine Rückſicht nimmt, ja hievon
bei dem Umſtande, daß er die Urkunde in Preßburg ausftellte, viel⸗
leicht au) gar feine Kenntniß hatte. Ferner erfieht man aus jener Ur-
funde, daß beide Burgen zu Pitſchkowitz gehörten, weil fie beider Ver-
theilung der Zahlungen nicht mehr eigens genannt werben, fondern dieſe
nur auf Leitmeritz, welhem heile die Burgen erwiefener Maßen
nicht gehörten, und Pitſchkowitz vertheilt wurden. Siegmund würbe
aber doch nicht etiwa feine eigenen Güter verpfänden, damit Biifo-
witz, das Gut eines andern, ‚zahle, fondern offenbar müflen Jungfrau
und Kelch zum Dominium Bicko wit gehört haben. Selbft die etwas
feltfamen Namen können nicht mehr befremden, wenn man die Burgen
als Schöpfungen eines geiftlihen Ordens anfieht. Vor ber Befigergrei-
fung durch die Deutfchherrn können fie nicht entftanden fein, da biefe
in eine Zeit fällt, in welcher derartige Burgen in Böhmen noch nicht
gebat wurden. Daß aber Kaifer Siegmund alle feine Gläubiger gerabe
mit der Verpfändung geiftliher Güter von fi hielt, ift genug-
fam befamnt.
So mar die Ffönigliche Stadt Yeitmerig nad Norden, Often
und Süden, ja theilweife felbft nach Weften hin (Tobofig) von über-
reihen geiftlichen Herrfchaften mit vielfahem Gürtel umgeben. Es war
') Anno 1429. Arch. denk. I. 545. 9 Bei Höfler, Geſchichtoſchreiber I. 458.
») 5. Feber 1429. Arch, desk. I. 200.
— 11 —
nad dem Gange menfchliher Angelegenheiten faft nicht zu wundern,
wenn auf diefe glänzende äußere Erhebung und Blüthe der geiftlichen
Macht, die befonders der Name Karls IV. repräfentirt, eine fo furdt-
bare Reaction folgte. Nur gewilfer Maßen in den Fleinen Rüden zwijchen
diefen großen Herrichaften hatten fich einige Wenige frei in einem eigenen
Grundbefige erhalten, aber auch die zumeift nur, indem fie unter zwei
Uebeln das Hleinere des Vaſallenthums wählten.
Ihr Grundbefig war zumeift nad) den Berhältniffen jener Zeit und
der geringen Verwertung des Bodens ein geringer, ihre Bedeutung da-
ber eine untergeordnete. Einige Namen folder ‘Dienftadeliger wollen wir
Bier noch anführen, in fo weit fie uns bekannt geworben find.
Zunächſt wollen wir die Burg Schredenftein erwähnen, die ſich
am Anfange des 14. Sahrhunderts weitlih von den Gütern der deutſchen
Ritter auf dem fteilen Uferfelfen an der Elbe erhob. Als ihren Erbauer
nennt fi im Jahre 1319 Peſchek ſvon Schredenftein (ze Skre-
kova !). Befchet fcheint dem Gefchlechte der Herren von Wartenberg
Anzugehören. Wahrfcheinlic; hatte er die Burg auf damals noch königlichen
Gebiete erbaut und nahm fie fodann von König Johann zu erblichem
Lehm, worüber feßterer am 14. Jänner 1319 den Lehensbrief zu Prag
aureftellte 2). Aber noch im September defjelben Jahres überging bie
Burg wieder al8 Lehen an die Kinder des Johann von Warten-
b Erg, wahrfcheinlich eines Verwandten Peſcheks.*) Im Jahre 1370
betätigte Raifer Kart IV. den Beneſch von Wartenberg im Be:
füßge des Lehens Schredenftein und des Hofes zu Schwaden.*) In
Bewifier Beziehung konnte jomit der König immerhin Schredenftein
as feine Burg und den Lehensmann auf derfelben als feinen Burggrafen
bezeichnen, wie dies Karl IV. that.®) Das ganze Iahrhundert hindurd)
blieb die fchöne, ftolze Burg im Befige der Wartenberger, bie fie
Janek von Wartenberg und Tetfchen am 12. Mai 1400 gegen
das Gut Schiremik, das dem bereits oben genannten Jeſchek von
Wqchynitz gehörte, vertaufchte, fo daß bie Ritter von Wchynitz eine
Zeit fang dafelbft herrfchten. Da aber die Wartenberger die Be:
dingungen des Taufches nicht einhielten, zogen die Söhne Jeſcheks wies
— — —
N) Urkunde abged. in Balbins Misceleanen 8. Band S. 149: „quod mihi et
kaeredibus meis munitionem Schrekenstein (sic) dictam construxi“ etc.
% Archiv tesk$ II. 454. °) Ibid. IT. 455. 9 Ibid. II. 455. *) Pelzel,
Rai IV. I. Url. 198.
— 12 —
der auf ihr früheres Gut Schifewig. Wahrfcheinlich kam bei Gelegen-
heit des daraus erwachſenden Streites die Burg Schredenftein wie
der in unmittelbar Föniglihen Beſitz zurüd. Wenzel IV. verpfändete
fie zunächſt 1415 an Wlaſchek von Kladno'), den wir am Beginne
der nächiten Periode dafelbft wiederfinden werben.
Bon Schredenftein elbeaufwärts finden wir ferner kleinere Va⸗
jallenfige zu Sebufein und Libochowan, welde beide Drte am
Ende unferer Periode derjelben Familie gehörten, die fi) nach dem er-
iteren „von Sebufein"” (Sebuzin, Ezebuffin, Sobjeczin und
ähnlich) nannte. Zwei Brüder aus diefer Familie, Namens Sigismund
und Johann der Schwarze, wohnten mit ihrem Better Johann, ges
nanut Styrsa, 1411 auf Libohoman?). Ein Jahr jpäter treffen wir
Sigmund als Bafallen (cliens) des Klofters Doran in Chotk-
hau?) Johann ben Schwarzen ernten wir bereits als Wohlthäter
der Georgskirche in ber leitmeriger Vorftadt fennen. Im Jahre 1420
wird ferner ein Driitvon Libochowan auf Seite der fatholifchen
Ritter genannt %). Einen Wilek von Libochowan und einen Otto
von Sebufein lernten wir ſchon im Jahre 1251 kennen °).
Auch Repnig war erwiefener Maßen bereits 1388 der Sig eine®
Rehensmannes, der fih Hrdo von Noffalov oder Repnitz nannte®).
Desgleihen dürfte in Piftian neben den Bafallen ber Herren
von Pardubitz wohl auch noch einer des Kloſters Mariazell feinen
Sig gehabt haben, wie dies in der nächſten Periode des Yall war ).
In ähnlicher Weife wird (1390) ein Cenko von Mirowig®)
ein Michael, Dienftmann in Brnian?) (1393), ein Heinrid
Shram von Wſchebokitz, vielleicht Vafall des Kloſters Doran,
der feinen Sig auf Wrbitfchan Hatte (1400 1%) und ein Johann
von Brozan, jedenfalls Vaſall des Probftes zu Melnik, der mit-
unter auch Probft von Brozan genanut wurde, erwähnt (F 14179.
Der Streit um das königlihe Lehen Duban wurde bereits
berührt. Wenzel erklärte diefes Gut für erledigt, nachdem es Ul rich
von Hafenburg bereits eine Reihe von Jahren wirklich beſeſſen
1) Archiv &eskf. I. 320. ?) Erect. VIE. O. 2. ) 3bib. VII. R. 2. 9) Archiv
&eak. 879. *) Gopie in I. St.⸗A. °) Erect. XI. B. 8. °) Arch. &, IV. 546.
%) Arch. &. II. 88. 9 Ereet. XI. 14. '") Ibid. XII. L. 2. 29 Arch. &.
IL 491.
— 173 —
hatte (— 1407) und vergab es am feine Vaſallen (panosi) Ptibik
und Baftina, die ſich mit ihren Leuten wirklich dafelbft niederließen, von
den Leuten WUlrichs jedoch in der darob entftandenen Fehde gefangen
und feſtgeſetzt wurden. König Wenzel gebot vor Allem, ehe der Streit
rehtfih ausgetragen werde, die Freilaſſung feiner Vaſallen und der
Bruder Ulrichs, der Erzbifhof Sbinek mußte im Vereine mit dem
Unterfännmerer Ulriche nm hiezu bewegen. !) In welcher Weife der Streit
beendet wurde, ift nicht bekannt, doch wahrfcheinlih, daß der König viel:
leicht gegen anderweitige Entfchädigung feinen Willen durdfette und
Duban feinen Schützlingen wirklich zuwendete, denn wir finden da-
ſelbſt fortan eine eigene Mitterfamilie, die fih von Duban nannte und
nachmals fehr begütert wurde. Im Jahre 1410 lernen wir bereits einen
Wilhelm :den Älteren und einen Wilhelm den Füngeren fennen, die
fd von Duban nannten und vielleicht in nächfter verwandtichaftlicher
Beziehung zu den oben genannten Edelleuten ftanden.*)
Ah auf Nucinig faß ein Ritter Michalek (armiger) ?) und
en Johann Nowak von Nutihnig*. Auf Zahoran ernten wir
bereits einen Zweig ber kameikſchen Familie kennen; um 1413 faß da-
ſelſt ein Ritter (armiger) Johann und 1414 ein Hinek von Za—
Hoian?), in Sobenz erfcheint um die Zeit ein Mespor von So-
b Enig®), ein Peter von Winnai, Herr auf Libenken), ein No-
reſch und Mikaſek von Pnetluk (Netlud) und Heinrich von
Chodzow (Kozov).®) Dergleichen Familien niedern Adels reſidirten ferner
Rod auf Schloß Litaiſch (Litydek unweit der Geltſchhäuſer), iu Du⸗
big, Zehobufig, Touforan, Dlaskowitz, Kolleben, Kkes—
ein und andern Orten.
Es ift begreiflich, daß fich die Reihe diefer niedern Edelleute, die
anf unferer Flur, im Baradiefe Böhmens blühten oder wohl auch
Hinter unfern Büfchen lagen, noch fehr vervoliftändigen ließe, wenn ein
reicherer Quellenfchag für jene Zeit zu Gebote ftände.
Die Sige der genannten Gutsbefiger unterfchied man in Burgen
(hrad, castrum,) und Schlößer (tvrz, munitio). Die Repräfentanten
erfteren, die wir in unjerer Gegend fander, gehören zu den fchönften
m
) Stid. 1. 396. 9) Ibid. IM. 502. °) Sid. UII. 88. ) Ibid. 1. 342.
Erect. XIII. V. 6. 9 Frind Mir. I. 399. ”) Arch. &. I. 342. *) Arch.
& L 401.
— 114 —
des Böhmerlandes, einzelne dur die Kühnheit ihres Baues, andere
durch bie Herrlichkeit ihrer Lage. Kein Gebirge bietet jo fchöne PBunfte
für die Anlage der Burgen im Gefchmade jener Zeit, als das Mittel⸗
gebirge mit feinen ifolirten Kegelbergen.
Die Burgen hatten zwar hauptfächlich den practifchen Zweck des
Schuges, e8 läßt ſich jedoch nicht verfennen, daß ein Hauch der Romantik
durch die Zeit ihrer Entftehung wehte. Ein eben emporgefommenes Ge:
Ichlecht fand feinen Stolz darin, fein Haus weit über die Häufer feines
Stammdorfes hervorragen und der Welt von fern feine Macht verkünden
zu fehen. Dazu kam die bereits vollfommene Entwidlung des Ritter:
weiens in Deutfhland, deilen glänzende Außenfeite zur Nachahmung
einfud. Man nahm daher das fertige an und baute die Burgen nad
deutfcher Art durch deutſche Meeifter. Den Unterfchied diefer und ber
alten flavifchen Burgen wird jeder erkennen, der die Hafenburg oder
den Schredenftein mit der fo viel als möglich fadhgetreuen Schil⸗
derung der ehemaligen Gauburg von Leitmeritz und ber jeßt noch er-
fennbaren Rage derfelben vergleicht. Die alte flavifche Burg war mehr ein
verfehanztes Dorf, die neue deutſche vor Allem ein hochragender Thurm
mit Nebengebäuden, die erjte diente bloß dem Zwecke der Sicherheit und
des practiichen Bedürfniljes, die zweite außerdem der äußeren Repräfentanz.
Dem letzteren Zwecke wurde oft fogar viel des erjteren geopfert. Wir
fönnen uns einen Wohnort wie den Koftial nur höchſt unbequem denken.
Das ewig Wiederfehrende, endlich Har Erfaßte zerftört alle Romantik,
und nad einem Aufenthalte von wenig Wochen würden wir fehr gern
herabfteigen von der Höhe, auf der wir im erften Augenblide feinen
andern Gedanken faſſen Fonnten, als nimmermehr von dieſem Punkte une
trennen zu müſſen. Eine ähnliche Erſcheinung gewahren wir in Wirffich-
feit auch in jener Zeit. Mancher Punkt war wohl allzufehr im Sinne
der auflebenden Romantik gefucht, als daß er der bleibende Wohnfik ber
durch ihn repräfentirten Familie hätte werden können. ‘Deshalb wurden
die alten Wohnſitze des Adels in jener Zeit durchaus nicht ganz ver»
laſſen, wie dies fpäter in umgekehrter Weife der Fall war; fie blieben
vielmehr häufig der gewöhnliche Aufenthaltsort der Yamilie.
Dean nannte diefe zum Unterfcheide von jenen bloße Befeitigungen
(munitiones, tvrzi) oder Schlöffer. Sie waren eigentlich nichts anderes
als durch fefte Mauern zu abſchließbaren und vor Veberfällen geficherten
Wohnfigen umfchloffene Maierhöfe. Sole beitanden in allen oben
als Adelsfige angeführten Dörfern. Sie blieben immer noch der eigentliche
— 15 —
Vohnſitz der Familie, wie das aus einer näheren Betradhtung des
Borangegangenen hervorgeht. So war 3.9. das Geſchlecht der Ha—
lenburge durch fehr zahlreiche Familien vertreten, während nur eine
einige Burg dafjelbe repräfentirte, und auch diefe, wie der Ueberfall
Wilhelms beweift, nicht immer von ihrer eigentlichen Herrſchaft be-
wohnt war. Alle Zweige nennen ſich von „Haſenburg“ und jeder
einzelne gibt wieder feinen Sig als in Liboch owitz, Budin, Sta
bEtin und anderswo an. Ebenſo wohnten die Familien des Ge:
ſchlechtes Kappler in ihren zahlreichen Dorfichaften zerftreut (wie fie
das Durch das gewöhnliche „residens in“ ausdrücklich bezeugen). während
nur ein oder das andere Familienglied die Verwaltung der Burg über-
nahm, ja diefe mitunter einem Vafallen als fogenanntem Burggrafen zur
Berwefung übergeben wurde. Die Kinsfy zogen, wie erwähnt, das
Dorf Schikowitz der Wohnung auf dem herrfihen Schredenftein
br und der Komthur der Deutfchherren refidirte nicht auf dem
Kelche oder der Jungfrau, fondern in feinem Schlößchen („tvrz“)
m Pitſchkowitz, während jedenfalls nur ein „Burggraf” eine Art
höhere Hausmeifterftelle auf der Burg verfah. Die Kameife verließen
frühzeitig ihren Thurm und wohnten befcheiden aber bequemer im Schlöß—
herr zu Pokratitz. Hingegen mögen jene Burgen bei „angefagter Fehde“
md ähnlich drangfalvoller Zeit ihre engen Thore geöffnet dem gefammten
Rate und Hausrathe der zerftreuten Yamilien und ihn aufgenommen
haben hinter ihre fchürenden Flügel. Vielleicht haben auch frohe Feſte
daſe Ibſt die Familie vereint.
Ein Theil des niederen Adels begann aber bereits fein Augenmerf
auf Die Städte zu richten und zu ſchwanken zwifchen ritterlihem und
bürgerfihen Berufe und Erwerbe. Namentlich können wir indeß ale
Bei ſpiel dieſes Adels nur einen aufführen, den Ritter Peter von
Wiemnai, den Herrn des Dorfes Liebenken (bei Enzowan), der
am Ende unſeres Zeitraumes feinen bleibenden Wohnfig in Yeitmerig
hatte. 1)
Ueberſehen wir nun im Ganzen die Bertheilung des Grund:
befüges in unferer Gegend und fragen wir dann: Wo wohnen die
freien Bauern? Nirgends! Wer fich nicht eımporgerafft und in die Reihen
DB Adels geftellt hatte, der mußte entweder dieſem oder der Geiftlichkeit
dienen. Die in den altflavifchen Zuftänden ihr Ideal fehen, behaupten
Arch, ð. I. 842.
— 116 —
allerdings, der Bauer fei zwar unfrei gewelen, betreff feines Eigenthums,
aber perfönlich bennod frei. Wir fragen aber, wo blieb im 11. Jahr:
hunderte bereit die perjönliche Freiheit deifen, den fein Herr, der Fürſt
dem ober jenem Probfte als Glöckner oder Ofenheizer fchenfen durfte
fammt feinen Söhnen und Töchtern? Und mochte jelbjt damals ben
Unterthanen immer noch ein ygewiller Grad der Freiheit vorbehalten
fein — wie bald mußte nit das Maß derſelben durch die Willführ der
Herren ausgeftredtt werden? Wir haben fo eben ganze Streden weit un-
unterbrochen Dorf au Dorf genannt und von jedem feinen Herrn ge-
nannt: die freien Bauerndörfer müßten grade feither vom Erdboden ver-
Ihmwunden fein, wenn ja noch irgend eines da oder dort zwifchen jenen
Herrendörfern inne gelegen wäre. Die einzige Stätte, in die ſich die ge-
meine Freiheit gerettet hatte, war der ummauerte Raum der dentjchen
Stadt. Dort wuchs noch geräufchlos und till jenes niedere ſtarke Ge-
ſchlecht, das fchließlich nach langem Kampfe fiegreich dafteht und die Ge-
Ihichte der Zufunft geftaltet und trägt.
Daß das Adelsweſen, das Syitem des Privilegiums, wie es
fi zum Ende der Periode entwidelt Hatte, aus Deutfhland nad
Böhmen herübergelommen mit all feinen Fehlern und Vorzügen, läugnet
Niemand, obgleich gewöhnlih nur bie erjteren hervorgehoben, während
die legteren mit Stolz dem alten einheimischen Weſen zugefchrieben
werden. Dean mag indeß immerhin annehmen, daß fich diefe Verhält-
niffe als nothwendige Uebergangeftadien auch ohne deutichen Einfluß ent-
widelt haben würden. Auch dann aber wird man zugeben müſſen, daß
dies in unabjehbar fpäterer Zeit gefchehen wäre und daß gerade die Be-
Ichleunigung des Procefjes von unfchägbaren Vortheilen für die gefammte
Volksentwicklung geweſen ſei. Bei all dem darf man die Vorzüge, die
das Feudalweſen für feine Zeit und vorzüglich für Böhmen hatte,
nicht überfehen. Ohne diefe Einrichtungen hätte fich der niedere Adel
Böhmens, auf dem grade feiner Zeit die Hoffnung der flavifhen Na⸗
tion ruhte, nicht entwideln können.
Daß das Bürgerthum, das in weit höherem Grade als
der niedere Adel ein Rettungsanfer der gemeinen Freiheit, ja fpäter
felbft eine Zuflucht des Teßteren wurde, deutſchen Urſprungs ift, haben
wir oben fichergeftellt — und nun behaupten Schriftteller auch noch, bie
Unfreiheit der ehedem freien Randbewohner feidem Deutfhthume (!)
zu verdanken — dann fragen wir aber: Was iſt denn in Böhmen
nicht deutſch? — was iſt denn in Böhmen original?
— 11 —
Mag es indeß gekommen fein, wie immer: gewiß ift, daß die ganze
große Maffe der Dienfchheit, die wir jetzt vorzugsweije „das Volk“ nennen,
noch feine Sefchichte hatte, daß diefes nicht mitfpielen durfte auf dem großen
Theater der Welt, daß es gleich den Gnomen der Sage des Lebens und
der Arbeit ſchwerſte Mühen auf fich nahm, aber ungefehen, ungehört und
ungedanft, daß es kanm einmal des Neunens werth befunden wurde
— mit Ansnahnıe ‚feiner unbefiegbare Vorfämpfer — der Bürger.
12
——_ wen
Won der Techiſierung der Stadt bis ınr Beschrän⸗
kung ihrer Autonomie durch Ferdinand 1.
(1421— 1547.)
I. heil.
Geſchichte der Stadt.
u —
1. Die Zeit des Huſitenkrieges und der CEechiſierung.
So großartig an fi und jo bedeutfam für die Entwidlung des
Bürgerthums in Böhmen die Ereigniſſe find, welche den neuen Zeit:
raum einleiten und fchaffen, ebenfo dürftig und unzulänglich find die auf
unge gefommenen Nachrichten über diefelben, fo daß deren Mangelhaftigkeit
nicht einmal ein vollitändiges Bild der allgemeinen Yandesgefchichte ent:
werfen, geſchweige denn dieſes bie in die Details einer Stadtgefchichte
ausmalen läßt.
So viel ift gewiß — denn fo viel lehrt die Zukunft, daß feit dem
29. Mai 1421 für unfere Stadt eine ganz nene Zeit beginnt.
Jener Tag hatte den Untergang des Deutichthung, des Katholicismus
und der alten Freiheit in derſelben eutſchieden. Durch welche einzelne
Mittel das erjtere erreicht vwourde, können wir nur ans den ähnlichen
Borgängen, wie fie befonders von Prag bekannt find, ſchliefen. Das
Hauptmittel war jedenfalls wie dort die Entfernung der katholiſchen
Priefter fowie jener Bürger, die während der früheren Periode deu gröften
Einfluß beſeſſen hatten. Viele derfelben ınochte fchon der Limfchwung der
Dinge zur Auswanderung bewegen, ohne daß erjt äußerer Zwang an»
gerwendet werben mußte. Daß vor alleın die bisherigen Rathsverwandten
ihre Stellen verkaffen mußten, iſt felbftverftändlic nnd wird durch den
früher angeführten Revers grabezu beſtätigt. Daß auch die kathofiichen
Briefter Die Stadt verlaffen mußten, beweilt ums der Uuiſtand, daß wir
— 132 —
mehrere bderjelben einige Zeit jpäter auf einem Gute der Herru von
Hafenburg erilierend wiederfinden ). Wie bei diefen der Sade Sigi ®-
mund6 treu gebliebenen Herren die Priefter, fo fanden vielleicht die
Bürger Zuflucht und Aufnahme in den Städten des Bielathafes und
Meißens.
Die ehemalige Selbftgerwaltung der Stadt hörte auf nnd an ihre
Stelle trat eine Verwaltung dur von der prager „großen Gemeinde“
beftellte PBerfonen, die Stadt wurde aus einer landesunmittelbaren eine
nnterthänige, allerdings nicht unterthänig irgend - einem adeligen Herrn,
wohl aber der Stadt Prag und Hatte ſomit Mitleidenfchaft mit allen
Schickſalen derſelben. Es ift befannt, wie die urfprüngliche Herrichaft der
Demokratie in derfelben feinen Beftand hatte, fondern bald dem Ter⸗
rorismus Einzelner wid.
Die nen emporgelommenen Elemente in den Städten befaßen nichts
weniger als jene politifche Bildung, welche die alten Bürger ausgezeichnet
hatte, und fo konnte ihnen die Herrichaft, deren fie ſich angemaßt hatten,
ebeufo Teicht wieder entwunden werden. Schon im October desſelben
Jahres gelangte fo der Edelmann Johann Hwusda von Wicemilic
genannt Bzdinka, zu abfoluter Gewalt über die prager Städte, ins
dem ihm anheimgeftellt wurde, „die Ungehorfamen (d. 5. die Gegner)
dur Gefängnig und Hinrichtung, durch Verbannung aus der Stadt oder
irgend eine andere Strafe zu zügeln, bie Stadtbeamten und Rathmänner
aber nad feinem Gutdünken zu wechfeln, ein- und abzufegen”. Um dieß
Regiment durdzuführen, wurden ihn vier Hauptlente beigegeben, fo daß
fih nun eigentlih in der Hand diefer fünf Perfonen dic unumfchränfte
Gewalt über die prager Städte befand °). Mord und Hinrichtung, Gräuel
aller Art kamen nun auf die Tagesordnung.
Es ift feine Frage, daß die Zuftände in Leitmeritz im Allge-
meinen feine befferen waren. Auch bier herrfchte drei Jahre lang im
Namen der Prager allgewaltig ein Daun, Hynel von Kolftein, und
jo oft diefer abweiend war, feine Hauptleute. Sein gewöhnlicher Aufent-
baltsort kann indeß Leitmeritz nicht geworden fein, weil ihn fein be-
wegtes Yeben überhaupt nicht lange an einem Orte verweilen ließ. Gleich
Anfange, als ihm die Herrſchaft über die Stadt übertragen worden war
befand er fich nicht im Yaude, fondern in Polen, wo er mit Wladislav
von Polen und Wilhelm von Lithauen im Auftrage der Utraquiften
) Beleblaw. Æalend. HiR. 1. September. ) Btezowa bei Höfler I. 497.
unterhandelte, um einen der beiden zur Annahme der böhmifchen Krone
za bewegen. Erft am 10. Juni 1421 kehrte er in Begleitung eines
polnifchen Gefandten nad) Prag zurück!) und konnte nun Zeit gewinnen,
iein Regiment anzutreten. Als ein Jahr darauf wirklich der polniſche
Prinz Sigmund Korybut nah Böhmen kam, fcheint in der Re—
gierung unferer Stadt Fein Umſchwung eingetreten zu fein, da Kolftein
als auf der Seite der Utraguiften ftehend zu jenes und der Bolen
entfchiedenften Freunden gehörte im Gegenfaße zu den damals in Prag
wieder zur Gewalt gelangten taboritifchen Elementen, die durd) Sig-
munb unterdrüdy wurden. Nachdem diejer bereits im December 1422
Böhmen wieder verlajjen Hatte, trat in Prag eine neue Schreckensherr—
fhaft auf, während Leitmeritz diefe Veränderung nicht betraf.
Indeifen wüthete in der nächften Nähe der Stadt fait unausgeſetzt
der graufame Heine Krieg, fo daß Leitmeritz wohl Jahre lang die Thore
nicht Öffnen durfte, fondern nur in ihrem Verſchluße und hinter ihren
Mauern Schug fand vor. den Horben der Taboriten. Bald nach Lieber:
gabe der Stadt gegen Ende Juni 1421 vereinigten fi die Prager mit
den Taboriten von Laun und Saaz, um bie Güter ihrer Gegner
zu verwüften und die noch übrigen deutfchen Städte des Landes vollends
su crobern. Der erjte Angriff galt dem Kloſter Doran in nädjter
Nähe der Stadt, das geplündert und zerjtört wurde. Dasſelbe Schickſal
erfuhren dann die Jungfrauenklöſter zu Teplig und Oſſek, bie die
Hufiten nad) Berübung unfägliher Schandthaten dur Sigmund von
Wartenberg, den Herrn auf Tetſchen, vor Brür geichlagen wur-
den?). Ebenſo tobte der Krieg auf der andern Seite der Stadt in deren
nächſter Nähe. Dort hatte Yeitmerig einen recht unangenehmen Nad)
bar an Johann Zizka erhalten. Diejer hatte ſich, wie früher erwähnt,
des ſämmtlichen chemaligen Beſitzes der deutſchen Ritter und der Johan:
niter im Nordoſten der Stadt bemächtigt und durd) Beſitzuahme von dem
unvertheidigten Gute Schüttenig die Grenzen feiner Herrfchaft bis an
die Stadtthore vorgefhoben. Die Burg Kelch, ebenfo bejtechend durch
ihre herrliche und feſte Yage wie durch ihren Namen, ſcheint er neu cr:
baut und zu feinem Licblingsfige erwählt zu Haben; zum Glücke für
Yeitmeriß hielt ſich der fatale Nachbar nur felten zu Haufe auf.
Schüttenitz hatte er feinem getrenejten Rathe Michael Kaudel wahr-
n &iche Balady III. 2, 256 °) Brejina a. a. O. I, 4%.
— 184 —
ſcheinlich gejchentt, der fi fortan von diejem Gute nannte ?). Bijfa
blieb indeR in diefem Beſitze durchaus nicht unangefochten. So mie im
Züden und Weften von Leitmeritz die Herren von Hafenburg und
die Ritter von Sulewig immer noch treu an der Sache des Kaiſers
hielten, fo war es im Norden befonders der Hear Sigmund von
Wartenberg auf Tetſchen, der in Verbindung mit den Meißnern
für den Kaiſer fodt. Während ſich Zizta in Prag aufhielt, um ſich
nach Angabe der Chroniſten einer Augenkur zu unterziehen, fiel der
Tetſchner Herr in ſeine Herrſchaft ein, nahm, wie wir ſchließen müſſen,
die Burg „Jungfrau“ und belagerte mit feinen Schaaren den „Kelch“
jelbjt, während gleichzeitig im Zufammenhange mit diefen Operationen die
Meißner mit anderen fatholiichen Herren Kommotan und Kaaden,
die bereits an die Hufiten verloren gegangen waren, wieder eroberten und
Bilin belagerten. Gegen beide zog ein Heer um 13. September 1421 von
Prag aus; weder die Meißner bei Bilin, nod Her Sigmund bei
Kelch erwarteten deſſen Ankunft, fondern beide zogen ſich vor deinfelben zurück,
Doch fcheint es, das Sigmund wenigjtens im Befige der Jungfrau
blieb.) Sein Eifer, jene Güter zu erobern, muß noch gejtiegen fein,
als ihm im Frühjahre des folgenden Jahres (1422) König Sigismund
ein Befigrecht auf diefelben zuſprach, das fid) auch auf die Einkünfte von
Leitmeritz erjtredte.?) Es jcheint aber nicht, daß er diefes Recht außer
in Außig und auf Jungfrau geltend machen konnte. Im nächſten
Jahre weilte Zizta wieder perſönlich auf Kelch, während fein Partei—
genojje, der Zaboritenhauptmann Bohuslav von Shwanberg im
Juni desfelben Jahres (1423) die Jungfrau vergeblid befagerte.
Nachdem diefer Eude Juni unverrichteter Dinge wicder gegen Prag ab:
gezogen war, übernahm Zizka felbft die Belagerung, hob fie aber eben»
falls wieder auf, als ihm Bothen die Meittheilung brachten, daß er ſich
nun der Ztadt Königingräß mit leichter Mühe bemächtigen Tönnte,
dies fich bisher wie Yeitmerig in den Händen der gemäßigteren Partei
befand. *) Zein Plan gelang. Auch Hynek von Noljtein und Wald:
ftein war damals nicht in Yeitmerig gegenwärtig, fondern in Mäh—
ren, von wo aus er wie alle feine Parteigenoſſen eben vor Königin:
gräß ans Anlaß der Ucherrumpehung desjelben durch Zizka mit diefem
) Wir fhlüßen dies ans dem Namen ſelbſt, da ca außer unferem fein zweites
Schüttenitz in Fohmın gift. Eiche Zeiiſchriſt des böhmischen Muſeums 1844
&. 803. ?) BRiezowa a. a. O. I. 495. °) Archiv desky I. 545. *) Stari
letop. 57.
— 155 —
in offenen Kampf gerieth, der für die gemäßigte Partei unglüdlich aus-
fiel. Zizka zog dann durch Mähren bis Ungarn, von wo er erjt am
Anfange des Jahres 1424 wieder nah) Vöhmen zurückkehrte.
Indeſſen war Kolftein, oder wie er fid) auch nannte Kolſteinſki
von Waldſtein, in Madıt und Ehre wieder um eine Stufe höher ge-
ftiegen. Am St. Sallustandtage 1423 ordneten die verfammelten Stände,
nachdem fie unter einander auf ein Jahr Waffenftillitand gefchloffen, die
Regierung dahin, daß ſich zwölf Hanptleute, theils Katholiken, theils
Utraquiſten in diefelbe theilten und unter diejen befand fich nun auch der
Herr der Stadt Yeitmerik als Landesverweſer ').
In diefem Waffenjtillitande zeigte fich nach langen Leiden wieder
der erite Hofinungsfchimmer des Friedens. Seit Iahren hatte der Bürger
ſich nicht vor die Thore feiner Stadt wagen dürfen, Handel und Wandel
lagen gänzlich” darnieder — nun aber follte mindejtens eine Raſt eintre-
ten, die Straßen follten dem Kaufmanne wieder eröffnet und von den
zahlofen WWegelagerern durch die Macht jener Landesverweſer gefäubert
und befreit werden, ja noch mehr: alle Güter, die in den Zeiten des
Krieges ihren rechtmäßigen Befigern entriffen worden waren, follten
diejen zurüdgejtellt werden, jedoch mit Ausnahme derer, die den erilie-
renden Bürgern gehörten — die deutfchen Bürger wollte man um feinen
Preis mehr einlalfen 2. Die Hoffnung wurde bald getäufcht. Die
Prager felbft vereiteften den Erfolg und Zizka wäre ohnedies auf feinen
Tall geneigt geweſen, feine Güter bei Yeitmeriß wieder herauszuge-
ben. Als diefer nach Böhmen zurüdtehrte, durchzog er vielmehr den
Weiten und Züden desfelben und übertraf jede Grauſamkeit, die bis
dahin jene Zeit der unmenſchlichſten Kriegsführung gejehen Hatte.
Nachdem er acht Donate lang in einem großen Kreiſe Böhmen
durchzogen, bezeichnete er am 1. September feine Ankunft in der Näbe
unjerer Stadt, damit, daR er zu Yibohowig die aus Yeitmerik
dahin eutflohenen Fatholifchen Priefter, die dafelbjt in feine Hände fielen,
verbrennen ließ °)..
Yeitmerig felbit war inzwilchen in andere Hände übergegangen.
Am 29. Juli 1424 war Prinz Eigmund Korybut zum zweiten Dale
', Archiv cesky 111. 240, ') Ralady bıfdränft dies (Beh. B. IT. 2, 343) ganz
wedtührlich auf die 1420 aus Prog geflüchteten Bürger. Ber Tırt, den er in
Arch. ces. III. 240 dınden ließ, fagt einjoh: „wynimajice möstany wysle“
mit Auenahme der ausgewandeiten Bihger). *) Ihre Namen beißen bei Balbin
Miecel. IV., 8. 97: Georg Tibieta, Zohan Wieel und Sitidnik von Wrann.
— 132 —
mehrere derjelben einige Zeit fpüter auf einem Gute der Herrn von
Hafenburg erilierend wiederfinden '). Wie bei diefen der Sache Sigi
munds treu gebliebenen Herren die Priefter, fo fanden vielleicht die
Bürger Zufluht und Aufnahme in den Städten des Bielathales und
Meißens.
Die ehemalige Selbſtyerwaltung der Stadt hörte auf nnd an ihre
Stelle trat eine Verwaltung dur von der prager „großen Gemeinde”
beftellte PBerfonen, die Stadt wurde aus einer landesnnmittelbaren eine
unterthänige, allerdings nicht unterthänig irgend - einem adeligen Herrn,
wohl aber der Stadt Prag und hatte ſomit Mitleidenichaft mit allen
Schickſalen derſelben. Es ift bekannt, wie dic urfprüngliche Herrichaft der
Demokratie in derjelben feinen Beitand Hatte, jondern bald dem Ter⸗
rorismus Einzelner wid. |
Die neu emporgelommenen Elemente in den Städten befaßen nichts
weniger als jene politiſche Bildung, welche die alten Bürger ausgezeichnet
hatte, und fo konnte ihnen die Herrichaft, deren fie fich angemaßt Hatten,
ebenjo leicht wieder entwunden werden. Schon im October desielben
Jahres gelangte jo der Edelmann Johann Hwusda von Wicemilic
genannt Bzdinka, zu abfoluter Gewalt über die prager Städte, ins
dem ihm anheimgeftellt wurde, „die Ungehorfamen (d. 5. die Gegner)
dur Gefängniß und Hinrichtung, durch Verbannung aus der Stadt oder
irgend eine andere Strafe zu zügeln, die Stadtbeamten und Rathinänner
aber nad feinem Sutdünten zu wechfeln, ein- und abzuſetzen“. Um dieß
Regiment durchzuführen, wurden ihm vier Hauptleute beigegeben, fo daß
fih nun eigentlih in der Hand diefer fünf Perſonen die unumſchränkte
Gewalt über die prager Städte befand *). Mord und Hinrichtung, Gräuel
aller Art kamen nun auf die Tagesordnung.
Es iſt feine Frage, daß die Zuftände in Zeitmerig im Allge:
meinen feine beileren waren. Auch hier herrichte drei Jahre lang im
Namen der Prager allgewaltig ein Mann, Hynel von Kolſtein, und
fo oft diefer abwejend war, feine Hauptleute. Sein gewöhnlicher Aufent-
haltsort Tann indeß Leitmeritzz nicht geworden fein, weil ihn fein be-
wegtes Yeben überhaupt nicht lange an einem Orte verweilen ließ. Gleich
Anfangs, als ihm die Herrſchaft über die Stadt übertragen worden war
befand er jich nicht im Yaude, fondern in Bolen, wo er mit Wladislan
von Polen und Wilhelm von Tithauen im Auftrage der Utraquiften
% Belend. hiſt. 1. September. ) Biegowa bei Höfler L 497.
— 183 —
unterhandelte, um einen der beiden zur Annahme der böhmischen Krone
zu bewegen. Erſt am 10. uni 1421 fehrte er in Begleitung eines
polnischen Gefandten nad) Prag zurück!) und Fonnte nun Zeit gewinnen,
fein Regiment anzutreten. Als ein Jahr darauf wirklich der polnische
prinz Sigmund Korybut nah Böhmen fan, fcheint in der Re—
gierung unferer Stadt fein Umſchwung eingetreten zu fein, da Kolftein
ald auf der Seite der Utraquijten ftehend zu jenes und der Bolen
entichiedenften Freunden gehörte im Gegenfaße zu den damals in Prag
wieder zur Gewalt gelangten taboritifchen Elementen, die durch Sig—
mund unterdrüd; wurden. Nachdem diejer bereits im December 1422
Böhmen wieder verlaffen hatte, trat in Prag eine neue Schredensherr:
haft auf, während Yeitmerig diefe Veränderung nicht betraf.
Indeſſen wüthete in der nächften Nähe der Stadt faft unagausgeſetzt
der graufame Kleine Krieg, fo daß Leitmeritz wohl Jahre lang die Thore
‚ hicht öffnen durfte, fondern nur in ihrem Verſchluße und hinter ihren
Mauern Schu fand vor. den Horden der Taboriten. Wald nach Weber:
gabe der Stadt gegen Ende Inni 1421 vereinigten fih die Prager mit
den Taboriten von Laun und Saaz, um die Güter ihrer Gegner
zu verwüften und die noch übrigen deutjchen Städte des Kandes vollends
zu erobern. Der erjte Angriff galt dem Klojter Doran in nächſter
Nähe der Stadt, das gepfündert und zerftört wurde. Dasſelbe Schickſal
etjuhren dann die Sungfrauenklöfter zu Teplit und Oſſek, bie die
Huſiten nach Berübung unfägliher Scandthaten durch Sigmund von
Vartenberg, den Herrn auf Tetfchen, vor Brüx gefchlagen wur-
den?) Ebenſo tobte der Krieg auf der andern Seite der Stadt in deren
nähiter Nähe. Dort hatte Yeitmerig einen recht unangenehmen Nad)
bar an Iohann Zizka erhalten. Diefer hatte ſich, wie früher erwähnt,
des ſammtlichen ehemaligen Beſitzes der deutfchen Ritter und der Johan—
miter im Nordoſten der Stadt bemächtigt und durch Befignahme von dem
unvertheidigten Gute Schüttenikg die Grenzen jeiner Herrſchaft bis an
die Stadtthore vorgeſchoben. Die Burg Kelch. ebenfo beſtechend durch)
ihre herrliche und feite Tage wie durch ihren Namen, feheint er neu er:
baut ımd zu feinem Lieblingsfige erwählt zu haben; zum Glücke für
Yeitmerig hielt fich der fatale Nachbar nur jelten zu Haufe auf.
Shüttenig hatte er feinem getreuejten Rache Michael Kaudel wahr:
) Giche Balady III. 2, 256 °) Brejina a. a. O. I, 4.
— 18 —
ſchwebte, fette er Hinzu, daß fich die gerrannten Gläubiger, falls es doch
ſchon an jemand verfchrieben wäre, weiter an Tauß halten follten. ) Weber
Sigmund von Wartenberg noch einer der Herren von Dohna konnte
indeß von diefer Verſchreibung Gebraud) machen. Anders war dies bei der
föniglihen Stadt Außig der Fall, die bisher von den Stürmen des
Krieges noch immer nicht erreicht worden war. Auch diefe Hatte der Kai⸗
fer, und zwar dem Markgrafen von Meißen, der nunmehr Churfürft
von Sachſen und? Sigmunds ergebenfter Freund geworben war, ver
pfänbet, worauf fie auch wirklich meißnifche Befatung erhielt. Als diefe Stabt
im Frühjahre des Jahres 1426 von einem Heere von Pragern und
Taboriten belagert wurde und die beiberfeitigen gewaltigen Entfagheere
vor derfelben auf einander ftießen, wurde am 16. Juni jene denfwürbdige
und blutige Schlacht gefchlagen, deren Andenken bis heute im Volke fid
erhalten hat. Durch diefen mächtigen Schlag, der die Sache des Laiſers
traf, hörte Leitmeritz auf, die nordöſtlichſte Mark des Utraquismus zu
bilden und die deutfchen Nachbarländer wurden den Hufitifchen Plünder er⸗
horden eröffnet; der Kaiſer aber verlor im Lande felbit einzelne feiner bis
herigen freunde, wie beifpielsweife jelbft Sigmund von Wartenberg won
feiner Sache zu ber des Hufitismus übertrat. Was den bisher fo treuen und
eifrigen Anhänger dazu beivogen, wird zwar nirgends des Genauern an:
gegeben , doch ift e8 gewiß, daß feine Hoffnungen auf Leitmeritz
und die von Taboriten befegten Güter in deſſen Nachbarfchaft durch bie
unglückliche Schlacht zu nichte, feine bisherigen Befigungen aber gefähr
(ich bedroht wurden. Das traurigfte Schickſal traf allerdings Außig
felbft, das derartig verwüſtet wurde, daß es drei Jahre Lang öde lag.
Nichts defto weniger aber mag auch Leitmeritz durch jene Ereigniſſe
näher berührt worden fein, obgleich uns die Nachrichten darüber abgehen.
In diefer Schladjt hatte der chemalige Hauptmann desfelben, Hynek von
Waldftein nod einmal an der Seite fämmtlicher Parteien, der Utra⸗
quiften Waifen und Taboriten mitgefochten, von da an giengen feine Wege
immer mehr mit denen ber leßteren auseinander, bis er fich endlich im Gegen⸗
fage zum tetfchner Herrn ganz abwandte von ber Sache des Hufitismus,
vor deffen für das Wohl des Yandes unfruchtbaren Siegen ihm zu ban-
gen beganır. Indeß führte ihm diefer nene Weg feinem Verhängniſſe im⸗
mer näher. Vor Brüx am 5. Anguft gefchlagen traf ihn bald ein grö-
Beres Unglück gemeinfan mit feinem Herrn, dem Prinzen Korybut.
’) Archiv lesky 1. 517.
— 189 —
Inch dieſer hatte eine endliche Verföhnung des Königreiches mit Kaiſer⸗
hum und Kirche nicht nur gewünscht, fondern ſogar auf eigene Fauſt
erſucht. Seitdem diefer aber in Folge dejfen von feinen eigenen Hof:
leuten in Gefangenschaft gejeßt und feine Polen fammt den Prieftern
der gemäßigteren Partei aus der Stadt gejagt worden waren "), bethei-
figte ſich Hynek weder an den Kriegsunternehmungen in Schlefien
noch an denen im weftlihen Böhmen vor Mies und Tachau, fondern
kann einzig darauf, feinen unglücklichen Herrn, deffen Aufenthaltsort er
siht einmal Tannte, zu retten, und das Webergewicht der extremen Partei
zu vernichten. Da er feine andere Partei für feine Pläne gewinnen
lonnte, unterhandelte der eifrige Kalixtiner fogar mit den Katholiken und
faiferlich Gefinnten. Am 5. September 1427 wagte er mit feinem Freunde
Johann Smikitzky und 600-Reitern einen Ueberfall Brags — feine
Sache war aber verrathen. Smirigfy entlam, Kolftein aber bezahlte
feine Treue mit dem Tode. Dem Tumulte entronnen, verbarg er fich
im Haufe „u slonu“ aber eben in diefem Afyle fand ihn fein Mörder,
der feinen Leichnam dem wüthenden Pöbel dur das Fenſter zumwarf.
Zufällig war diefer Meuchelmörder, ein Edelmann Namens Makowetz
vn Merunit, bereits einmal unter dem Galgen gejtanden und nur durch
— Herrn Kolftein losgebeten worben.?) Prinz Korybut wurde bier:
auf feiner Haft entlajfen, mußte aber nach Polen zurückkehren.
Die Ereigniffe führten auch in unferer Stabt bedeutende Umwäl⸗
jungen herbei, deren Einzelnheiten wir indeß wegen der Dürftigfeit der
Quellen nicht fchildern können. Die wichtigfte Veränderung war der
entſchiedene Sieg der ertremen Taboritenpartei im ganzen hufitifchen
Böhmen. Wie die Taboriten in Prag zur Herrſchaft gelangten,
ſo herrſchten ſie nun aud) über die einft Brag und fpäter dem Prinzen
Korybut ıumterworfenen Städte. Bisher war Leitmeritz der Weg
ia einer friedlichen Rückkehr immer nod nicht verfperrt — nun aber
ſchloß es ſich allerdings nicht freiwillig an jene Partei, deren Prinzipien
eine friedliche Vereinigung weder mit der Kirche noch mit dem Kaiſer geftat>
kim: num konnte nur noch von einer Vereinigung durch Unterwerfung
mit Gewalt der Waffen die Rede fein. Wenn erzählt wird, daß Veit:
werig in dieſem Jahre bedingungsweife in die Gewalt Prokop bes
Grafen, des bedeutendften Feldherrn der Taboriten nad Zizfa 8 Tode
nn —
% Sta} letop. ©. 71. *) Das Nähere in Stari letop. 78, Ceron. univers. bei
Höfer S. 90 und Bartodel bei Dobner 155 fl.
— 132 —
Es läßt fih nicht beftimmen, um welche Zeit im Angefichte 1
drohenden Gefahren ſich in unſerer Gegend ein eigener Feiner Städ
bund bildete, jedenfalls zum Zwecke gegenjeitigen bewaffneten Schut
in dem beftändig unter den Nachbarn geführten Heinen Kriege. Ein
ſolchen Bunde gehörten außer Leitmer itz die Städte Laun, Sa
und Schlan an, welche Gruppierung beweift, wie bedeutend die im
ven Umwälzungen in unferer Stadt während der Herrichaft des tabo
tifchen Elementes in derfelben gewefen fein müffen, da bis dahin gr«
Laun und Saaz einerfeits Repräfentanten extremer Hufitenpartei
gewejen waren. An der Spite diejes Bundes ftand nun mehr ein Mar
deſſen PBolitif einzig und allein der eigene Vortheil beftimmte, der :
zäh an Einer Partei hielt, fondern je nach Bedürfniß die Farbe we
felte — der Heine Iafob von Wrefowig.") — Ein allgemeiner Laı
friede unter den Utraquiften und ein einjähriger Waffenftillftand mit t
Katholifen war das nächſte Nefultat des feit dem 24. Juni zu Pr
tagenden Landtags, der aud) von den Städten bes leitmeriger Bund
beſchikt worden war ?). Auch diefer Bund erfannte nun, obgleich j
Saaz lange weigerte, den bereit8 im vorigen Jahre dur die gemäß’
tere Partei gewählten Landesverweſer Aleſch Wreftonstn von Rieſe
burg als ſolchen an und gab ihm gemäß eines andern Beichluffes jer
Landtags als Vertretung des Bundes einen Bürger aus feiner Mi:
Namens Antoſch von Laun am 19. Yuli als Rath bei?). Von 1
übrigen Beichlüffen jenes Landtags war von der allgemeinften Bedeutu
jener, mit Kaifer Sigmund durd eine Geſandtſchaft in directe Unt
handlungen zu treten, unter welcher Gefandtichaft fi auch ein Bürg
des leitmeriger Bundes, ein Saazer, befand, von befonderer Bedeutu
für die Städte aber, die wie Leitmerig im Laufe der legten Jahre if
Bevölkerung gewechſelt hatten, der, daß die aus den Städten geflüchtet
Bürger nur mit Einwilligung ihrer Gemeinden — d. 5. in der Re
gar nicht — in biefelben zurücfchren dürften. Wenn fchon durch d
neuerlichen Umfchwung der Dinge alle Errungenfchaften der Demofra
in Trage geftellt waren, Jo war hiedurch wenigitens die Cechiſierung
Städte geſichert. Im ähnlicher Abſicht beſchloß der nächſte Landtag vı
23. October desſelben Jahres, daß kein kirchliches Amt und keine d
gleichen Würde künftighin je mehr einem Fremdlinge verliehen wert
) Ueber ihn ſiehe Hallwichs Monographie in „Mittheilungen des Ber. f. ©.
Dentihen in B.“ Jahrgang IV. N. 2. ?) Balady Geſchichte U. 3. 1
®) Archiv tesky III. 418. |
— 193 —
jolle. Hatte jich indeh der Städtebund des Jakaubek mit den geind-
Rigten Ständen verglichen, jo gab er doch — ganz in der Weiſe ſeines
Führers — aud die Unterhandlungen mit der allerdings geſchwächten,
aber noch immer nicht ganz ımterdrücten Zaboritenpartei nicht auf. Die
dieſer Secte immer noch anhänglichen, ja fogar zu neuer Gegenwehr fich
rüftenden Städte waren vor allen Piſek, Pradhatit, Wodnian,
Fönigiugräß, Koniginhof, Jaromer, CTaslau, Nimburg
und Jungbunzlau Doch ſtörten dieſe Unterhandlungen den äußern
Frieden nicht.
Die focialen Beſtrebungen der nenen Bürger kennzeichnen jene Wüu
ſche, welche auf dem Yandtage des März 1435 formuliert und dem Kaiſer
vor jeiner Anerkennung vorgelegt werden jollten”). Der Kaiſer ſollte
cben jo wenig Deutſche wie Natholifen in feinen Rath aufnehmen,
o der in die Yandesänter einjeßen, ja es folle ein Deutſcher überhanpt
Fcün Ant, noch irgend cin Schloß oder Gut in Böhmen inne haben.
Dies fügten die Städte noch ihre befonderen Wünſche: Es mögen alle
RT antholifen aus den Städten ausgefchloifen bleiben, die des Glaubens
beaufber Bertriebenen (falls ihnen nicht die Gemeinde eine bejondere Gnade
eraweijen wolle‘ weder in die Stadt zurücdfchren noch in den Beſitz
Ihrer verlalfenen Hüter gelangen können, der Unterkämmerer jtet® ein
Utraquiſt fein und Fein Deutſcher, ſelbſt wenn er Utragniit
wäre ic zu einer Nathejtelle oder irgend cinem anderen
Aute in einer Stadt aelangen dürfen Ge ijt ficher, dar in
dieſer Hinſicht der Stand der Dinge bereits jo war, wie er gewünſcht
wurde, da jene Wünſche bloß als „Verwahrungen“ gegen cine etwaige
Abauderung aufgejtchht wurden. Es beweift dies, wie ſchuell und gründ-
lich das deutſche Elenient in Bohmen vernichtet worden war und durch
wihe gewaltſanien und doch bei all dieſer Gewaltſamleit immer noch
unzureichenden Mitiel einem neuen Eindringen deoſelben vorgebeugt wurde.
Ta ſich auch Yeitmeriß dieſen Verwahrungen auſchloß, ſo iſt
Aber, dak wir dasſelbe bereits in jener Zeit als eine vollſtändig cedhi-
herte Stadt zu betrachten haben. Nur wo ſich das Deutfchthum des
offenen Yande® beinächtigt hatte, gelang feine Ausrottung weniger ſchnell
und grundlich.
Zu diefen Begehren des Wationalgefühles geſellten fich noch WVeitre«
bangen, dic politiſche Ztellung der Städte betreffend, um die fih in
Archiv cesky III. 119-421.
13
— 194 —
der Folgezeit überhaupt die ganzen politifchen Kämpfe Böhmens drehten. Wäh
rend zu Zeiten Wenzels bloß Mitglieder der Herrenjtandes die Aemter bi
der Yandiafel befleideten, verlangten nun ſowol Ritter wie Städter An
theil an denfelben. Ferner follte der König Feine zu großen Summe
von den Städten verlangen, feinen Hauptmann über eine derfelben ohne ihr
Einwilligung einfegen und im Kalle er oder feine Beamten eine derfelbeı
zu Schwer bedrüden würden, den übrigen gejtatten, fidy ihrer anzunchnten
Zu dem bevorftehenden Kongreife in Brünn begaben ſich mit diefen For
derungen außer Herren uud Nittern auch je cin Abgefandter aus den ein
zelnen Städten. War es daſelbſt and) nicht möglich, von Sigmun
einen förmlichen Revers zu erlangen, fo willigte er doch mündlich in di
hauptjäcjhlichjten Forderungen, befonders was die Befegung der Aemte
im Sinne ber chen und die Unzuläſſigkeit der Vermiſchung der Pan
teien in Einer Stadt betraf.!) Dagegen verſchob er die Entſcheidun
über die politifchen Anfprüdye der Städte nnd Ritter, befonders betreff
des Beifigcs bei der Yandtafel und den Gerichten bis zu feiner Ankun
in Prag. Ein volljtändiger Abſchluß der Verhandlungen fand überhau?
in Brünn noch nicht ftatt. Erſt auf dem folgenden Yandtage zu Bra
(October 1435) unterwarf fid) das ganze Yand dem Gehorſam des Ke—
fers und des Concils auf Grundlage der mit den Geſandten des Ich
ven vereinbarten Compactaten und dev Berfprehungen Sigmunds, de
zumeiſt nur daran lag, vor allem andern in den wirklichen Bejig D
Königreiches zu kommen. Der Endvergleih fand nun ſchließlich auf jene
denkwürdigen Yandtage ftatt, der am 5. Juni 1436 zu Iglau in ME
weſenheit Sigmunds eröffnet wurde. Hier erflärte ji) endlich «ai
20. Juli der König Ichriftlid über die ihm vorgelegten Wünſche. Abg
ſehen von der Betätigung der Compactaten fowie aller alten Privileg i
und Gnadenbriefe im Allgemeinen war er auch im Betreff der Aut
ihliefung der Deutſchen von allen Aemtern zu Willen?), Den Städt:
(ich er alle bisher vrüdjtändigen Veiftungen nad, behielt ji aber vo
die Kammerzinſen erjt jpäter nach beſſerer Einfichtnahme zu ordien, |
wie er aud die Enticheidung betreffs des Beifizes bei der Landtafel um
gieng. Wenn glei mit diefer und dem übrigen Bejtimmungen die Stäud
im Ganzen zufrieden waren, fo vermißten dod) gerade die Städte nod
jene für jie höchſt wichtige, durch welche der derzeitige factifche Zuftani
in denjelben fanctioniert worden wäre, ohne daß die Mehrzahl der neuen
) Palady I. 3. 198 ff. 2) Archiv cesky II. N. 417 fi.
— 195 —
Bürger jene Befigungen, zu denen fie den Rechtetitel ſchwer gefunden
hätten, herauszugeben und fo am Ende in ihre frühere befcheidene Stel-
lung zu Guniten des rechtmäßigen Herrn des Gutes zurüdzutreten fürch—
ten müßte. Die Vertreter der Städte lagen daher dem Könige „mit
SEifer“ an, er möge dod) bejtimmen, „daß die früheren Stadtbewohner,
Die auf welhe Weife immer die Städte verlajfen hätten (Jo bezeichnete
saran euphemiftifc die Vertriebenen), Geiſtliche wie Weltliche, wieder auf-
zu nehmen und ihnen ihre Güter zurückzuerftatten, die Städle von niemand
Regen ihren Willen und anf Feine Weiſe gezwungen werden könnten.“
Dies Begehren erfüllte ſchließlich Sigmund am 22. Juli durch Aux-
it ellung einer befondern Urkunde des verlangten Inhalte, „damit der
Twiede im Yande und die Kintracht nicht gejtört werde”). Durch diefen
Met Sigmunde war all das unſägliche Unrecht, das die deutſchen Bür-
ger Böhmens für ihre Treue zu Sigmund erdulden mußten, durch
dũ Sſen felbft fanctioniert. Die Ausweifung dentfcher Bürger, die einft ein
te chiſcher Fürft ins Yand gerufen, betätigte nun ein deutfcher
x uiler, für deſſen Rechte fie ſich geopfert — all das, um nod ein fur-
es Jahr das ſüße Glück des Herrfchens zu genicken. — In den Wein:
bergen von Yeitmeriß, die deutfeher Fleiß gefchaffen, hielten nun Yente
ae vLeſe, die vielleicht ala Troßkuechte dahin gekommen und ein dent:
ch cr Haifer bejtätigte fie nicht nur im Amt und Würde, fondern aud)
im dem leicht erworbenen Befite.
>. don Sigmund bis Windislav II. — die Beit der Reſtau—
rationsverfuche und die Vorfpiele neuer Kämpfe.
Hierauf legte am 1.4. Auguft der biaherige Yandesverweier jein Anıt
m die Hände des Kaiſers nieder, dem nun ſowohl die amwefenden Herren
und Kitter, ale auch 24 Städteboten huldigten, unter ihnen auch der von
Yeitmerig. Nur Königgräß, Kolin und Mies blieben auch jekt
Roh auf der Seite Tabors. Sigmund fam am 23. Augujt nad)
Prag und ergriff die Zügel der Regierung in einer Weile, die der
gtremen Bartei feine glänzende Zukunft verhieß. Beſonders beurkundete
daR durch die Wahl des Unterkämmerers, des oberjten Beamten über
R Städte. Niele biaher extrem taboritiiche Städte fanden es daher an:
geneilen, fi der gemäfigten Partei anzufchliehen. Hierüber zeriplitterte
-—— ——
Y Archiv Zesky III. 449. N. 22.
— 1% —
gelangte,') jo muß man darunter nicht eben eine perfönliche Beſitznahme
durch Prokop, für die uns fonft keine Beweiſe vorliegen, annehmen.
Sicher ift, daß Leitmeritz von nun an wirklich auf ber Seite der
Ertremen ftand. Dagegen bleibt die an inneren Ummwälzungen und
Neugeitaltungen gewiß reiche Epoche bis zum Jahre 1434 in Betreff
unferer Stadt in Dunkel gehüllt. Gewiß wurde fie wie in andern Städten
durch eine abermalige Ausmufterung der Bürgerfchaft eingeleitet, jo daß die
noch vorhandenen confervativen Elemente vollends unterbrüdt wurden, wäh⸗
rend radicalere Männer aus der Hefe des einheimischen Volkes alle Gewalt
in derfelben an fi) rißen. Im nächfter Nähe von Leitmeritz herrſchte
zwar in diejer Zeit kein Kampf, doch mußte fich jedenfalls auch unfere
Stadtgemeinde durch beitimmte Kontingente an jenen Raub- und Plün⸗
derungszügen betheiligen, die nun nicht mehr zum Schuge des Landes
oder zur Verbreitung des Glaubens, fondern blos deshalb unternommen
wurden, weil bei dem volljtändigen Darniederliegen von Yandbau, Handel
und Gewerbe dur fo viele Jahre der bitterften Noth im Lande nur
durch Beraubung der Nachbarländer abgeholfen werden konnte. Dies
eben gab den Hufitenzügen jenen unmenſchlich barbarifchen Charakter und
erhöhte den Schreden vor den barbarifchen Horden, die nicht nur um
ihren Glauben, fondern vielmehr noch um ihre Teibliche Eriftenz, ume
tägliche Brod kämpften. ebenfalls fochten ſolche Contingente auch im
den fiegreihen Schlachten gegen die einrüdenden Kreuzheere, vielleicht auch
in Parteigefechten. Nach der Angabe nidyt eben verläßlicher Schriftfteller
wäre um das Jahr 1431 Prokop der Große perſönlich auf feinem
Zuge aus den VBogtlande nad Schlefien dur Yeitmerig ge-
fommen.
Das allgemeine Elend, die Entvölferung durch Krieg, Hunger und
Peſt betraf gewiß unſere Stadt, in deren Nähe gleih beim Beginne des
Kampfes die feindlichen Parteien gegen einander ftanden, in nicht min-
derem Grade als das übrige Yand. Als aber in Folge deffen der größere
Theil des Adels und einzelne Städte durch all diefes einzig und allein
zum Plündern verwerthete Siegen entlräftet und ermattet an die Umkehr
von dem unbheilvollen Wege dachten und aufrichtig Frieden juchten, da
war Yeitmeriß dennoch nicht unter diefen, ſondern jedenfalld von den
Befehlshabern der Taboritenpartei in ftraffen Zügel gehalten wiederſetzte
e8 fi mit diefer den VBeitrebungen der gemäßigten Partei. Es ift
ı) Balbin Epit. IV. 10.
— 197 —
Herrihergaben für ſich hatte, fo nahın doch ein großer Theil des Volkes
Anſtoß an feiner Nationalität, „da die Dentfchen die Hanptfeinde der
cehijchen, polnijchen, ja jeder flavifchen Zunge feien“ ), und trat lieber
mit einem polnifchen Prinzen in Unterhandlung. Leitmeritz trat indeR
troß feiner utraquijtiichen und nationalen Gefinnung vielleicht im Andenfen
an bejondere Wolthaten Sigmunds zur Partei Albrecht s, während
auch hierin wieder die ehemaligen Bundesftädte Yaun und Saaz ihre
ertreme Stellung beurfimdeten ). Yeitmeriß ließ fi, fo wie die
übrigen Städte und Stände diefer Partei die voraus erbetenen Werfiche:
rungen genügen, daß nämlich der König die alten Privilegien und Freiheiten
eines jeden, alfo auch des Bürgerftandes beftätigen, die durd feinen
Zorgänger geichehenen Verſchreibungen königlicher und geiftlicher Güter
anerkennen und im jämmtliche Aemter des Yandes nur Gechen einjegen
wolle).
Die Feindſchaft zwifchen den ehemaligen YBundesftädten war
inzwischen fo groß geworden, daj8 Yaun nnd Saaz in Verbindung mit
mehreren Adeligen ihren vormaligen Bundeshaupte Jakaubek und
dem meißner Meere, das er geleitete, eine foͤrmliche für fie indeR un -
glüdtihe Schlacht lieferten. Dagegen fiel die Belagerung Yaung, die
nun wieder Jakoubek jeinerjeits unternahm, zu feinem Unglücke aus.
So herrfchten nun wieder bis an das bald erfolgte Ende Albrechts
17 27. October 1439) bejtändig höchſtens durch kurze Waffenjtillftände
unterbrohene Fehden und Kämpfe im Yande, von denen auch unfere
Gegend nicht verfchont blieb. Nach dem Tode des Königs nahmen fie
nar noch in erhöhtem Grade überhand und von einem Emporkommen des
derniederliegenden Handels fonnte unter folchen Umſtänden gewiß feine
Rede fein. Zwar beſaß der leitmeriger Kreis einen Hauptmann in der
Perfon des oft genannten Jakoubek, der für Ruhe und Ordnung forgen
ſollte und waren die Bewohner des Kreiſes zu einem befondern „Vand-
ieden“ zn gleichen Zwecke geeinigt, doch konnte Gewalt eben nur wieder
durh Gewalt abgewehrt werden und fo mußte man fich in jenen Tagen
glüdlich fchägen, wenn es, wie am 26. December 1439, gelang einen
Waffenſtillſtand auf — vierzehn Tage zu Stande zu bringen. Als be-
ſonders betheiligt an diefen Kämpfen nennt uns derfelbe Vertrag!) zu:
vörderit den Streiehauptnann Jakob von Wrefomwig ſelbſt, mit ihm
— — — —
) Stati letopisové 107. *) Chron. vet. coll. bei Höfler I. 98. 2) Archiv desky
Dt. 459—461. 9) Arch. €. III. 523.
— 12 —
Es läßt fi nicht beftimmen, um welche Zeit im Angefichte der
drohenden Gefahren fi in unſerer Gegend ein eigener Heiner Städte:
bund bildete, jedenfalls zum Zwecke gegenfeitigen bewaffneten Schutzes
in dem beftändig unter den Nachbarn geführten Keinen Kriege. Einem
ſolchen Bunde gehörten außer Yeitmeriß die Städte Yaun, Saaz
und Schlan an, welde Öruppierung beweilt, wie bedeutend die inne:
ren Umwälzungen in unſerer Stadt während der Herrſchaft bes tabori
tiſchen Elementes in derfelben gewefen fein müffen, da bis dahin grade
Laun und Saaz einerfeits Nepräfentanten extremer Hufitenparteien
gewejen waren. An der Spite diefes Bundes ftand nun mehr ein Mann,
dejlen Politif einzig und allein der eigene Wortheil beftimmte, der nie
zäh an Einer Partei hielt, fondern je nad) Bedürfniß die Farbe wedh-
felte — der Heine Jakob von Wrefomwmig.”) — Ein allgemeiner Yanb:
friede unter den Utraquiften und ein einjähriger Waffenftillftand mit den
Satholifen war das nächte Refultat des feit dem 24. Juni zu Prag
tagenden Yandtags, der aud) von den Städten des leitmeriger Bundes
befchieft worden war?). Auch diefer Bund erkannte nun, obgleich fid)
Saaz lange weigerte, ben bereit im vorigen Jahre durch die gemäßig-
tere Partei gewählten Landesverweſer Aleih Wreftonsty von Rieſen—
burg als folhen an und gab ihn gemäß eines andern Beſchluſſes jenes
Yandtags als Bertretung des Bundes einen Bürger aus feiner Mitte,
Namens Antoſch von Laun am 19. Juli als Rath bei?). Von den
übrigen Beichlüffen jenes Yandtags war von der allgemeinften Bedeutung
jener, mit Kaifer Sigmund durd eine Gefandtfchaft in directe Unter-
bandlungen zu treten, unter welcher Geſandtſchaft fih auch ein Bürger
des leitmeriger Bundes, ein Saazer, befand, von befonderer Bedeutung
für die Städte aber, die wie Leitmerig im Yaufe der letzten Jahre ihre
Bevölferung gewechfelt hatten, der, daß die aus den Städten geflüchteten
Bürger nur mit Einwilligung ihrer Gemeinden — d. h. in der Regel
gar nicht — in diefelben zurüdfchren dürften. Wenn fchon durd den
nenerlihen Umſchwung der Dinge alle Errungenjhaften der ‘Demofratie
in Frage geftellt waren, fo war hiedurch wenigſtens die Cechiſierung der
Städte geſichert. Im ähnlicher Abſicht beſchloß der nächſte vandtag vom
23. October desſelben Jahres, daß fein kirchliches Amt und feine der-
gleihen Würde fünftighin je mehr einem Fremdlinge verlichen werden
») Ueber ihn fiehe Hallwiche Monographie in „Mittheilungen bes Ber. f. ©. ber
Deutſchen in B.“ Jahrgang IV. N. 2. °) Palacky Geſchichte TIL 3. 174.
2) Archiv Zesky III. 418.
— 193 —
ſolle. Hatte ſich indeß der Städtebund des Jakaubek mit den gemä—
kigten Ständen verglichen, jo gab er doch — ganz in der Weiſe ſeines
Führers — aud die Unterhandlungen mit der allerdings geſchwächten,
aber noch immer nicht ganz unterdrüdten Zaboritenpartei nicht auf. Die
dieſer Secte immer nod) anhänglichen, ja ſogar zu neuer Gegenwehr ſich
rüjtenden Städte waren vor allen Pijek, Bradatik, Wodnian,
Königingräß, Koniginhof, Jaroıner, CTaslau, Nimburg
und Jungbunzlhau. Doch ſtörten dieſe Unterhandlungen den äußern
Arieden nicht.
Die ſocialen Beſtrebungen der neuen Bürger kennzeichnen jene Wün—
ſche, welche auf dem vandtage des März 1435 formuliert und dem Kaiſer
vor ſeiner Anerkennung vorgelegt werden ſollten!). Der Kaiſer ſollte
eben ſo wenig Deutſche wie Katholiken in feinen Rath aufnehmen,
oder in die Landesämter einſetzen, ja es ſolle cin Deutſcher überhaupt
fein Ant, noch irgend cin Schloß oder Nut in Böhmen inne haben.
Hiczu fügten die Städte noch ihre befonderen Wünſche: Es mögen alle
Katholifen aus den Städten ausgefchlojjen bleiben, die des Glaubens
halber Vertriebenen (falls ihnen nicht die Gemeinde eine befondere Gnade
erweiſen wolley weder in die Stadt zurücichren noch in den Befik
ihrer verlaffenen Güter gelangen Fönnen, der Unterkämmerer ſtets cin
Utraquiſt fein und Fein Deutſcher, ſelbſt wenn er Utraquiſt
warc, je zu ciner Nachejtelle oder irgend einem anderen
Auite in einer Stadt gelangen dürfen Es iſt ficher, daß in
diefer Hinjicht der Stand der Dinge bereits jo war, wie er gewünjcht
wurde, da jene Wiünfche bloß als „Berwahrungen“ gegen eine etwaige
Abändernung aufgejtellt wurden. Es beweiſt dieg, wie ſchuell und gründ—
ih das deutſche Elenient in Böhmen vernichtet worden war und durd)
weiche gewaltſamen nnd doch bei all dieſer Gewaltſamleit immer noch
unzureichenden Miitiel einem neuen Kindringen desſelben vorgebeugt wurde.
Ta jih and veitmeritz dieſen Berwahrungen anſchloß, ſo ift
fiher, daR wir dasjelbe bereits im jener Zeit ala eine vollftändig cedhi-
tierte Stadt zu betrachten haben. Nur wo fih das Deutichthum des
offenen vandes bemächtiat hatte, gelang feine Ausrottung weniger ſchnell
und gründlich.
3 diefen Begehren des Nationalgefühles geſellten ſich noch Beſtre⸗
bungen, die politiihe Ztellung der Städte betreffend, um die fi) in
ıı Archiv ceskv II. 419-421.
13
— 194 —
der Folgezeit überhaupt die ganzen politiichen Kämpfe Böhmens drehten. Wäh—
rend zu Zeiten Wenzels bloß Mitglieder der Herrenjtandes die Acınter bei
der Yandtafel befleideten, verlangten nun ſowol Hitter wie Städter An-
theil an denfelben. Ferner jollte der König Feine zu großen Summen
von den Städten verlangen, feinen Hauptmann über eine derjelben ohne ihre
Finmilligung einfegen und im Kalle er oder feine Beamten eine derjelben
zu ſchwer bedrüden wirden, den übrigen geftatten, fich ihrer anzunehmen.
Zu dem bevorftehenden Congreſſe in Brünn begaben fi) mit diefen Kor:
derungen außer Herren und Kittern aud) je cin Abgefandter aus den ein-
zelnen Städten. War es dafelbjt auch nicht möglich, von Sigmund
einen förmlichen Nevers zu erlangen, fo willigte er dody mündlich in die
hauptjächlichjten Yorderungen, befonders was die Beſetzung der Aemter
im Sinne der Cechen und die Unzuläffigkeit der Vermiſchung der Par
teien in Einer Stadt betraf.) Dagegen verſchob cr die Entſcheidung
über die politifchen Anfprüche der Städte und Ritter, beſonders betreffe
des Beiſitzes bei der Yandtafel und den Serichten bis zu feiner Ankunft
in Prag. Ein volljtändiger Abſchluß der Verhandlungen fand überhaupt
in Brünn noch nicht jtatt. Erſt auf dem folgenden Yandtage zu Prag
(October 1435) unterwarf ſich das ganze Vand dem Gchorfam des Kai
jerd und des Concils auf Grundlage der mit den Sefandten des Iekte-
ven vereinbarten Compactaten und der Berjprehungen Sigmunds, dem
zumeift nur daran lag, vor allem andern in den wirklichen Beſitz des
Königreiches zu Fommen. Der Endvergleih fand nun ſchließlich auf jenem
denkwürdigen Yandtage ftatt, der am 5. Juni 1436 zu Iglan in An
wejenheit Sigmunds eröffnet wurde. Hier erflärte ſich endlich am
20. Juli der König Ichriftlid) über die ihm vorgelegten Wünſche. Abge
ſehen von der Betätigung der Compactaten ſowie aller alten Privilegien
und Gnadenbriefe im Allgemeinen war er auch in Betreff der Aug-
Idliefung der Deutichen von allen Aemtern zu Willen?), Den Städten
ließ er alle bisher rücjtändigen Veiftungen nad, behielt ſich aber vor,
die Kammerzinfen erſt fpäter nad) beiferer Einfichtnahme zu ordnen, fo
iw’e er auch die Enticheidung betreifs des Veifines bei der Yandtafel um
gieng. Wenn gleidy) mit diefer umd den übrigen Beſtimmungen die Stände
im Sanzen zufrieden waren, fo vermißten doch nerade die Städte noch
jene für ſie höchſt wichtige, durch welche der derzeitige factifche Zuftand
in denfelben fanctioniert worden wäre, ohne daß die Michrzahl der neuen
) Balady II. 8. 198 fi. ) Archiv cesky 111. 9. 417 fi.
— 201 —
Auch an den politifchen Kämpfen der Zeit nahmen die Städte, und
unter ihnen Leitmeritz nit als die fette, ihren Antheil, und wenn
auch hie und da Verſuche gemacht wurden, fie zu übergehen, jo wußten
fie auch ungefragt ihre Stimme laut genug zu erheben. So fcheiterte
anf den St. Martinslandtage 1446 der Verſuch des Adels, einen Pan
de&verwefer einzufeßen, vorzüglich an dem Widerftande der Städte, weil
fie aus dem Rathe desfelben ausgeſchloſſen werden follten!). Als dagegen
1452 auf dem St. Georgslandtage”) Georg von Podebrad nad) dem
Ziege feiner Partei die Stelle eines Landsverweſers wirklich erlangte,
wurden ihm auch zwei Bürger als Räthe an die Seite geftellt. Yeit
meriß nennt der Yandtagsichluß in A. Reihe unter -den Städten, die
itch an der Wahl Georgs betheiligten. Daß cu von nun an rückhalts.
los auf feiner Seite ftand, geht auch daraus hervor, daß dahin der
nüchiteinzubernfende Yandtag verlegt werden follte, der indeß nicht jtatt
fand, Mit dem Kinzuge König Yadislaus in Böhmen (1453)
befferten ſich die Verhäftniffe der Bürger auf eine Zeit fang injofern
nieder, al8 auf den Yandtage des Novenibers 1453 wenigftens für das
nachttommende Jahr Ordnung und Ruhe im Auoſicht geftellt wurden.
ter Faftenquartember (13. März) 1453 follten die fang unterbrochenen
(Kerichte des Yandes wieder in Bang kommen und gleichzeitig jede Selbſi
hilfe aufhören. Dieberei und jede Art Räuberei follte von nun an durch
jedermann verfolgt und gegen Helfer wie Helfershelfer jtrenaftens ver
jahren werden. Königliche und in das Königreich führende Straßen
often frei werden, niemand den Kauf und Fuhrleuten hindernd im den
Weg treten, noch den von Alters her bejtinnmten Soll erhöhen oder die
Benügung der Wafferftraßen durch Schranten und Wehren befchränten.
Es jolle von Niemanden (1— geduldet werden, daR er im Walde au der
Strafe auf der Yauer jtche umd werde fernerhin jemand auf folder That
betroffen, fo folle er dem mächjten Rechtspfleger des betreflenden Kreiſes
ausgeliefert werben. Dabſelbe jolle mit allen Knechten geichehen, die ſich
herren. und arbeitslos im Yande berumtreiben*). Jedenfalls berühren
tele Beſtimmungen in befonderer Weife Veitmerig und feine Elbeſtraße;
die Maßnahmen zur Turchführung derjeiben müßten aber mit mehr Ernſt
als jonjt ergriffen worden jein, wenn es wahr ijt, was der Annalijt?ı
het, daß im Yande nun wirklich Frieden wurde und daß ans allen
Srenzländern Kaufleute kamen und mannigfache Güter brachten.
— — — nn
Archiv desky II. 209 f. ) Arch. cesky II. 309. °) Palady Geſch. v. B.
W.L 291. *) Arch. Zeskj IV. ©. 422. °) ©. 168.
— 202 —
Zu Anfang des Jahres 1454 giengen Sefandte von Leitmeri
zum neuen Könige uud erbaten am 6. Jänner von dieſem einen Mau
tarif für die erfte Brüde, die feit Oftern 1452 bei Xeitmerig üb
die Elbe gelegt war"). — Auch die fo ſehr veränderten und verworren
Befitverhältniffe wurden im Yanfe der Zeit auf Anregung des letztg
nannten Landtages geordnet, indem auch Yeitmerik, wie alle Befibe
die Titel feines feit dem Jahre 1419 erworbenen Beſitzes vor der zı
Prüfung eingefeßten Commiſſion abgeben mußte. Die Stadt Tief Hiek
indeß feine Gefahr eines etwaigen Berluftes, da durch Beſchluß d
Yandrechtes vom 2. Juni 1456 der Grundfag aufgeftellt wurde, d
fortan jeder als rechtmäßiger Beſitzer eines Gutes anzufehen fei, €
ji) durd dreimal Jahr und Zag im ruhigen Beſitze desjelben befunden '
Ueberdieß hatte Leitmerit einzelne der fo erworbenen Güter bereits fr
willig wieder veräußert. So waren die Dörfer Woleſchko, Nut “
nig, Xiboteinig und Godowitz (Chodau) ſammt vereinzelten Zin
bauern und Wäldern in jener Gegend an die Herrn Zbynek Hafe =
Hafenburg und Wilhelm von Ilburg übergegangen. ‘Der Probit w
Doran, dem diefe Güter eigentlich gehörten, hatte fich bereits in
weit über ihren Verluſt getröftet, daß er fogar ausdrücklich in die
wähnte Webertragung willigte?).
Troß diefer leider nur zu kurze Zeit währenden äußeren Na
waren die Grundlagen des Staatsweſens nichts weniger als feit ır.
ficher, vielmehr tauchten bereits jett vereinzelt jene Anzeichen auf, die d
nachmaligen volljtändigen Erfchütterung derfelben vorangiengen — es bi
gann bereits der für das Bürgerthum fo unheilvolle Ständeftreit, wen
gleich zu Yadislaus und Georges Zeiten nur die Vorpoften ins Ge
fecht traten. Wir fünnen die Schilderung diefes Kampfes, fo nahe da
jelbe jede der einzelnen Städte berührte, begreiflicher Weife nicht vol
jtändig in das Bereich unferer ‘Darftellung ziehen, müffen uns vielmet
begnügen, von Zeit zu Zeit feine ftufenweifen Fortfchritte anzmdeute:
War gleich die Eiferfucht aller Stände gegenfeitig gleich groß, lagen au
Ritter und Herren felbft einander um mancherfei Dinge in den Haareı
jo waren fie doch einig im ihrer Mißgunſt und Eiferfucht gegen d
föniglichen Städte, gegen deren materielle wie politifche Stellung. D
Ritter raunten dem Könige in die Ohren, c8 werde dem Reiche ein
nod an Rittersleuten, dem Könige an dienftbarer Mannfchaft und dei
” "ie im leitm. St.⸗A. ?°) Archiv Cesky Ill. 280. ) Copie von 1457.
— 197 —
Herrichergaben für sich hatte, fo nahm doch ein großer Theil des Volkes
Anſtoß an feiner Nationalität, „da die Dentfchen die Hauptfeinde ber
cehitchen, polnifchen, ja jeder flavifchen Zunge feien“ ), und trat lieber
mit einem polnischen Prinzen in Unterhandlung. Yeitmerig trat indeR
troß jeiner utraquijtiichen uud nationalen Gefinnung vielleicht im Andenken
an bejondere Wolthaten Sigmunds zur Bartei Albrecht s, während
auch hierin wieder die ehemaligen Bundesftädte Yaun und Saaz ihre
ertreme Stellung beurfundeten ?.. Neitmerigß ließ fi, fo wie die
übrigen Städte und Stände diefer Partei die voraus erbetenen VBerjiche-
rungen genügen, daß nämlich der König die alten Privilegien und Freiheiten
eines jeden, alſe anch des Bürgerftandes beftätigen, die durch feinen
Vorgänger gefchehenen Berfchreibungen Föniglicher und geiftlicher Güter
anerfeunen und in ſämmtliche Aemter des Yandes nur Gechen einſetzen
wolleꝰ).
Die Feindſchaft zwiſchen den ehemaligen Bundesſtädten war
inzwiſchen fo groß geworden, daſs Vaun und Saaz in Verbindung mit
mehreren Adeligen ihrem vormaligen Bımdeshanpte Jakaubek und
dem meißner Meere, das er geleitete, eine förmlich für fie indeß un-
glückliche Schladht lieferten. Dagegen fiel die Belagerung Yaung, die
nun wieder Jakoubek feinerjeits unternahm, zu feinen Unglücke aus.
So herrſchten nun wieder bis an das bald erfolgte Ende Albrechts
7 27. Tetober 1439) bejtändig höchſtens durch furze Waffenjtilljtände
unterbrochene Fehden und Kämpfe im Yande, von denen auch unfere
(Hegend nicht verfchont blieb. Nach dem Tode des Königs nahmen fie
nnr noch in erhöhtem Grade überhand und von einem Emporkommen des
darniederliegenden Handels fonnte unter jolchen Umſtänden gewiß keine
Rede fein. Zwar bejaß der leitmeriger Kreis einen Hauptmann in der
Rerſon des oft genannten Jakoubek, der für Ruhe und Ordnung forgen
follte, und waren die Bewohner des Kreifes zu einem befondern „Yands
frieden“ zu gleichem Zwecke geeinigt, doch konnte Gewalt eben nur wieder
durch Gewalt abgewehrt werden und jo mußte man fi) in jenen Lagen
glücklich Ichägen, wenn es, wie am 26. December 1439, gelang einen
Waffenſtillſtand auf — vierzehn Lage zu Stande zu bringen. Als be:
fonders betheiligt an diefen Kämpfen nennt uns derfelbe Vertrag?) zus
vörderjt den Streishauptmann Jakob von Wreſowitz felbjt, mit ihm
9) Stafi letopisove 107. ?) Chron. vet. coll. bei Höfler I. 98. *) Archiv Cesky
DI 459-461. *) Arch. €. I. 528.
— 18 —
im Bunde die Städte Yeitmerig, Brüx, Kaaden und Außig,
die Pandfriedensverbindungen des leitmeriger und ſaazer Kreiſes und
die Edellente Hans von Kolditz auf Bilin, Johann von Wreſowitz
auf Komotau (Sohn Jakobs) Nikolaus von Lobkowitz auf Haffen:
jftein und Getiih von Kladno auf Schredenftein; al8 deren Gegner
aber Aleſch von Sternberg auf Pürglitz und die Brüder Jaroslav
und Plichta von Zerotin. Während diefes Waffenftillftandes tagte in
Prag ein allgemeiner Yandtag, der fih Mühe gab, die Parteien zu
verföhnen und die Fehden beizulegen. Nichts defto weniger aber dauerten
dieſe fort, bis fich die einzelnen Streife felbft auf befonderen Zufammen-
fünften zu „Yandfrieden” vereinigten und aufs Neue Hauptlente zur
Aufrechterhaltung der Ordnung einfegten 2). Das erfte Beifpiel diefer Art
gaben die Kreife Königingräg, Kaurim, Caflan und Chrudim,
denen Später die übrigen nachfolgten. Die fo ernannten Hauptleute des
leitmeriger Kreiſes waren ein Herr Smiridy und der unvermeid-
ide Iatob?). Trotzdem dauerten die Fchden in unferer Gegend nod)
bis tich in den Sommer hinein und wurden erft am 25. Juli durch einen
förmlichen Friedensſchluß beigelegt *).
Zu gleicher Zeit galt e8 den Ständen in ihrer Gefammtheit einen
zwar unbfutigen aber immerhin fchwierigen Kampf, nicht für die Brivat-
rechte ihrer einzelnen Bürger, fondern für ihre gemeinfame politifche Beredh-
tigung im Yande zu führen. Da die damals tonangebende Partei das
Anrecht des nachgeborenen Yadislan unberüdjichtigt laſſend theils aus Ab-
neigung gegen das öfterreichiiche Haus, theils aus Berückſichtigung der un-
befehreiblich traurigen Yage des Yandes das Scepter in einer fräftigen
Mannesfauft mwünfchend, war den Ständen zum erften Male Gele-
genheit geboten, einen wirklichen Königswahlact zu üben, da alle voran-
gegangenen Acte dem Weſen nach mur feierliche Huldigungen waren. Es
war daher in politifcher Hinficht von großer Bedentung, welche Stellung
bei diefem Vorgange, der für die Zukunft die Bedeutung einer Rechts
jagung erhalten konnte, der Bürgerjtand einnehmen würde. Die Herren
nahmen das Recht der Königsmwahl für ſich allein in Anfpruc und gaben
Ichließlich den Nittern und Städten nur der Dringlichteit wegen für den
einzelnen Fall nach, die endgiltige Entjcheidung der Trage dem Spruche
des künftigen Könige vorbehaltend. In Folge deifen wurde die Mahl
') Ibid, 1. 245. °) Stari letop. 119. *) Chron, vet. coll. a. a O. 1. 9.
*) Script. rer. lusat. I. 249.
199
&rartig vorgenonommen, daß aus der Mitte der Herren achtzehn, aus
dem Ritter und Bürgerftande aber je vierzehn Wahlmänner zur
Wahl abgeordnet wurden").
Unter den Wahlmännern befand fih auch ein Yeitmeriger Bür-
ger, Namens Wañek Haras?). - Der jo zum Throne berufene Herzog
von Baiern nahm inder die ordentlihe Wahl nicht an und fo nahm
in den folgenden Fahren der Anarchie Kampf und Fehde wieder in ber
unfefigften Weiſe überhand. Da die „Gerichte nicht giengen,“ herrfchte
das Fauftrecht in der rohejten Form.
In unferer Gegend waren es befouders die Wartenberger, die
Herren auf Peipa, Zetfhen und Blankſtein, die theils durch ihre
langwierigen Fehden mit den Yaufigern?), theil® durch Wegelagern,
Kauben und Auffangen der Pete befonders vom Schloſſe Tetfchen
aus die Straßen unficher machten und den Handel fperrten. Es wurde
endlich nöthig, daß ſich der geſammte „Yandfrieden” erhob und der Kreis:
hauptmann Jakoubek anno 1444 das Raubfchloß belagerte. Es wurde
erftürmt und nicdergerijjen, die darin Gefangenen gehängt?).
Ueberhaupt litt feit jener Zeit der Bürger nicht bloß in Betreff
feiner immer mehr und mehr in Frage gezogenen politifchen Stellung,
tondern vorzüglich durd) die Gewaltthätigkeit einer Kaffe des Adels,
die auch vor dein Privatrechte und dem Eigenthume de8 Bürgers feinen
ſonderlichen Reſpect Hatte, für letzteres vielmehr eine herablaſſende Zu:
neigung zeigte. Dieſes Raubweſen nahm überhaupt überhand, ſo oft
das Königthum darniederlag und wir werden nachmals ſehen, wie es
sur Zeit der Oligarchie in förmliche Raubkriege ausartete. Gerade die
Umgebung von Yeitmerig aber erfreute fich eines ſehr reichen Segens
an feiten Adelsfigen umd deshalb um jo weniger des gedeihlichen Friedens
da jede Beichränfung der Strafienfreiheit in der Stadt Jelbft empfunden
wurde. In nächfter Nähe both der „Kelch“ cine recht unheimliche Nach
barfchaft, von der aus bereits 1436 jein Beliger Wilhelm Iburg im
Bunde mit den erwähnten Wartenbergern und anderen adefigen
Genoſſen feine Naubzüge bis vor die Thore Zittaus ausgedehnt hatte?).
Zu dieſen Raubfehden gefellten ſich nod) jene, die zwar aus anderen Grün—
den ausbrachen, bei der damaligen Art der Kriegsführung aber für das
Bürgerthum von denfelben Kolgen waren. So wurde wieder die königs
— — — — — —
’) Stari letop. 119. ) Arch. cesk,. 1. 265. °) Script. rer. lusat. I. Nr. 247 fi.
) A. a. 0. — 5. letop. 137 ff. *) Script. rer. lusat. 1.
— 200 —
loſe Zeit für letteres wie immer verhängnißvolf. Nur Hinter den geiperr:
ten Thoren fah ſich der Bürger ficher in feinen vier Wänden, fein Er-
werb aber, ber der freien Verbindung von Stadt zu Stadt bedurfte,
wurde ihm abgefchnitten, — von einer Fortentwicklung des blos vegetierenden
Bürgerthuns ift in jener Zeit feine Rede. Ja der Bürger, dem die
Arbeit des Friedens nicht gewährt wurde, ſah fi) mitunter genöthigt,
den Krieg felbit als Handwerk zu erfaſſen und unbefümmert um die
politiihe Stellung der Parteien dem beifer ZJahlenden zu dienen. An
Gelegenheit war fein Mangel. Die Wartenberge und Koldige
jtanden in langer Fehde und ein größerer Kampf währte Jahre lang zii
ſchen den herzoglichen Brüdern von Sachſen und fpäter zwifchen Herzog
Friedrih und Böhmen felbft. An erjterem Kampfe, den Herzog
Friedrich, der als Markgraf von Meißen und Herr einer Reihe
böhmifcher Schlöffer und Städte nächſter Nachbar war, gegen feinen
Bruder Wilhelm 1447 führte, betheiligte ſich auch ein Leitineriger Bür
ger, Namens Prokop, als Führer einer felbftgeworbenen Scaar von
ſechzig „redlihen tanglichen Zrabanten, die er mit Handbüchſen, Arın
brüften und anderen Waffen wohl ausgerüftet” dem Herzoge Friedrich
zuführte. Es iſt fein Wunder, wenn ber Bürger einerfeit® auf foldhe
Unternehmungen verfiel, und andrerfeits arbeitslofe Yeute grade in den
Städten in Menge fand. Prokop befam außer der Verpflegung feiner
Leute noch für jeden 10 Gr. m. wöchentlichen Sold!). Die Stadt felbt
aber betheiligte fi in den nachfolgenden Kämpfen grade gegen Herzog
Sriedrih, wie aus einem Waffenftillitandefchluffe vom 7. Juli 1452
hervorgeht, in welchen Mikſch (Nikolaus) Panzer auf Bürgftein
fowol die Bürger von Yeitmerikß als auch den „Schwarzen Berrit
und Ernſt“ mit aufnahm. Derartige Friedensſchlüſſe fanden in diefen
endlofen Fehden faft alle Jahre ftatt, dauerten aber immer nur fehr
furze Zeit. Auch der gegenwärtige follte nur vier Wochen währen, vom
Aufgang der Sonne am 8. Juli bis zum Untergange derfelben am
2. Auguſt — er fcheint ſomit bloß der Erntezeit wegen geſchloſſen wor
den zu fein?). Hiemit nahm der Kampf noch fange fein Ende, wenn mir
auch über feinen weiteren Berlauf feine Nachrichten haben?).
— — —— [.—_—.
ı) Dresdner St.-A. dto. 21. Jänner 1447. Or. 6967. >) Ibid. dro. 7. Juli 1452.
) Es if bekannt, wie nahmals in Folge deſſen die Eitte des Abgedingene
„boldowäni” Cingang fand, indem fid) die Städte nur dadurch vor Beraubung
Ihügen konnten, daß fic alljähriih gutwilig und im vorbinein eine Art Zribnt
an ihre adeligen Nachbarn zahlten. Brgl. Stari letop. &. 202.
— 20 —
Auch an den politifchen Kämpfen der Zeit nahmen die Städte, und
unter ihnen Leitmeritz nicht als die feßte, ihren Antheil, und wenn
auch bie und da Verſuche gemacht wurden, fie zu übergehen, jo mußten
fie auch ungefragt ihre Stimme laut genug zu erheben. So fcheiterte
auf den St. Martinslandtage 1446 der Verſuch des Adels, einen Yan-
desverweier cinzufegen, vorzüglid an dem Widerjtande der Städte, weil
ie aus dem Rathe desfelben ausgeſchloſſen werden follten!). Als dagegen
1452 auf dem St. Georgslandtage?) Georg von Bodebrad nad) dem
Ziege feiner Partei die Stelle eines Yandsverwefers wirklich erlangte,
wurden ihm auch zwei Bürger als NRäthe an die Zeite geftellt. Yeit-
meriß nennt der Yandtagsfchluß in A. Reihe unter -den Städten, die
ih an der Wahl Georgs betheiligten. Daß cs von nun an rüdhalte-
108 auf feiner Seite ftand, geht aud daraus hervor, daß dahin der
nächjteinzuberufende Yandtag verlegt werden follte, der indeß nicht jtatt-
fand’). Mit dem Kinzuge König Yadislaus in Böhmen (1453)
beſſerten fich die Verhäftniffe der Bürger auf eine Zeit lang injofern
wieder, als auf dem Yandtage des Novembers 1453 wenigften® für das
nächſtkommende KJahr Ordnung und Ruhe in Aussicht geftellt wurden.
Im Faftenquartember (13. März) 1453 ſollten die lang unterbrochenen
(Gerichte des Yandes wieder in Gang kommen und gleichzeitig jede Selbſt
hilfe aufhören. Dieberei und jede Art Ränberci follte von nun an durch
iederniann verfolgt und gegen Helfer wie Helfershelfer jtrengftens ver
fahren werden. Königlihe und in das Königreich führende Straßen
jollen frei werden, niemand den Kauf und Fuhrleuten hindernd in den
Weg treten, noch den von Alters her bejtimmten Zoll erhöhen oder die
Benützung der Wafferftraken durch Schranfen und Wehren befchränten.
Es folle von Niemanden (!) geduldet werden, daR er im Walde an der
Straße auf der Yauer ftche und werde fernerhin jemand auf folcher Thut
betroffen, fo ſolle er dem nächſten Nechtspfleger des betreffenden Kreiſes
ausgeliefert werden. Dasjelbe folle mit allen Knechten gejchehen, die ſich
herren: und arbeitslos im Yande herumtreiben*), Jedenfalls berühren
dieſe Bejtimmungen in befonderer Weife Yeitmerig und feine Elbeſtraße;
die Maßnahmen zur Turchführung derjelben müßten aber mit mehr Ernit
als jonjt ergriffen worden fein, wenn es wahr ijt, was der Annalijt?)
fagt, dar im Yande nun wirklich Frieden wurde und daB aus allen
Grenzländern Saufleute kamen und mannigfache Güter brachten.
ı) Archiv desky II. 209 f. ®) Arch. tesky II. 309. °) Balady Geſch. v. 8.
IV. L 291. * Arch. tesky IV. ©. 422. °) ©. 168.
— 202 —
Zu Anfang des Jahres 1454 giengen Gefandte von Yeitmeriß
zum neuen Könige uud erbaten am 6. Jänner von diefem einen Maut:
tarif für die erſte Brüde, die feit Oſtern 1452 bei Yeitmerig über
die Elbe gelegt war!). — Auch die fo fehr veränderten und verworrenen
Befigverhältniffe wurden im Yanfe der Zeit anf Anregung des letztge
nannten Yandtages geordnet, indem auch Yeitmerik, wie alle Befiker,
die Titel feines feit dem Jahre 1419 erworbenen Befiges vor der zu
Prüfung eingefeßten Commiſſion abgeben mußte. Die Stadt Tief hiebel
indeß feine Gefahr eines etwaigen Berluftes, da durch Beichluß dee
Yandrechtes vom 2. Juni 1456 der Grundſatz aufgeftellt wurde, daß
fortan jeder als rechtmäßiger Befiter eines Gutes anzufehen fei, der
ji) durch dreimal Jahr und Zag im ruhigen Beige desfelben befunden?).
Ueberdieß hatte Yeitmerit einzelne der jo erworbenen Güter bereits frei-
willig wieder veräußert. So waren die Dörfer Woleſchko, Nutſch
nig, Xiboteinik und Godowitz (Chodau) ſammt vereinzelten Zins:
bauern und Wäldern in jener Gegend an die Herrn Zbynet Hafe von
Hafenburg und Wilhelm von Ilburg übergegangen. Der Probft von
Doran, dem diefe Güter eigentlich gehörten, hatte fid) bereits in fo
weit über ihren Verluſt getröftet, daß er ſogar ausdrüdfich in die er-
wähnte Uebertragung willigte?).
Trog dieſer leider mur zu Kurze Zeit währenden äußeren Ruhe
waren die Grundlagen des Staatsweſens nichts weniger als feft und
ficher, vielmehr tauchten bereits jett vereinzelt jene Anzeichen auf, die der
nachmaligen volljtändigen Erichütterung derjelben vorangiengen — es be-
gann bereits der für das Bürgerthum fo unheilvolle Ständeftreit, wenn
gleich zu Yadielaus und Georges Zeiten nur die Vorpoften ins Ge:
fecht traten. Wir können die Schilderung diefes Kampfes, fo nahe der
felbe jede der einzelnen Städte berührte, begreiflicher Weife nicht volf-
jtändig in das Bereich unferer Darftellung ziehen, müſſen uns vielmehr
begnügen, von Zeit zu Zeit feine jtufenweifen Fortfchritte anzudeuten.
War gleich die Eiferfucht aller Stände gegenfeitig gleich groß, Tagen auch
Ritter und Herren felbft einander um mancherlei Dinge in den Haaren,
jo maren fie doch einig im ihrer Mißgunft und Giferfucht gegen die
föniglihen Städte, gegen deren materielle wie politifche Stellung. Die
Ritter raunten dem Könige in die Ohren, es werde dem Reiche einft
noch an Nittersleuten, dem Könige an dienftbarer Mannfchaft und dem
) Copie im leıtm. St.? A. ?) Archiv cesky Ill. 280. ) Copie von 1457.
— 209 —
bie Salz, Eifen oder ähnfiche Waaren hereingetragen hatten. Diefe waren
aber auch wieder gradezu gezwungen, mit Getreide fich zahlen zu laffen,
da fie fein böhmifches Geld über die Gränze führen durften, wodurd
der für Leitmeritz fo wichtige Handel mit dem Anslande gradezu
wieder auf die Stufe des primitivften Taufchhandels zurüdgeführt und
fomit bedeutend beeinträchtigt wurde. Zur Ueberwachung wurde bereits
damals eine Art berittener Gränzwache unter der Elaffiihen Benennung
Strosrajtati (Strafenreiter) organifiert. Dagegen wurde zu Gunften
der Städte das Verkaufen von Getreide, Wolle, Eifen und Salz auf
den Dörfern abermals ftrengftens verboten, ebenfo die Errichtung von
neuen Schenken und das Bierbrauen in Dörfern im Umkreiſe einer
Meile um jede Stadt. Obgleich auf demfelben Yandtage auch alle Son-
derbündnijfe im Königreiche aufgelöft und verboten worden waren, fo fahen
fich doch bald darauf die auf dem fchlaner Landtage (1482) verfam-
melten Utraquiften zu einem ſolchen einfeitigen Bunde zum Schuge ihres
Betenntniffes genöthigt, an den ſich fänmtliche utraquiſtiſche Städte an-
ſchloßen bis auf Brag, Ruttenberg, Kaufim, Melnik und
Peitmerig, die, obgleich ebenfalls dem Kelche zugethan, die Ungnade
des Königs fcheuten, gegen welchen jener Bund gerichtet erſcheinen
Fonmte. Nichts defto weniger hatte derfelbe in politiicher Hinſicht für
die Städte feinen Vortheil, indem er eine Annäherung des meift utra:
quiſtiſchen Nitterftandes an das Bürgerthum herbeiführte ). Xeit-
m eriß erfcheint fortan, obgleich vollitändig utraquiftiich, auf der ent:
Begengefegten Seite, anf der es vordem in Berbindung mit den radikal
Befinnten Städten Saaz und Laun geftanden.. As auch in Prag
durch den biutigen Aufftand des Jahres 1483 die radifale Partei zum
Siege gelangt war, fagte fih Yeitmerik mit den Städten Kutten-
berg und Kaukim aud von diefem in dem Augenblide 108, als fich
uf der Berfammlung vom 25. November 1483 fämmtliche utraqui:
file Herren, Ritter und Städte dahin einigten, niemanden, felbjt dem
Linige micht, gegen die Prager beizuſtehen. Dieſe ſchloßen jih nun au
ds6 früher erwähnte Bündniß, während Yeitimerit treu anf der Seite
det Könige blicb ?\. Doc brachte endlich der Streit, der jih auch
weiſchen dem Stande der Herren einerfeits und dem der Ritter anderer
its fchon eine geraume Zeit hinzog, eine vollfonmene Annäherung des
Kitter- und Bürgerftandes zu Wege, von der fih auh Auttenberg
) & letop. 226. ?) St. letop. 237—239.
— 204 —
durch die Unficherheit der Land» und Waflerftraßen während des Krieges,
jondern mehr noch durd) die fortdauernde Abſchließung Böhmens gegen
Deutfchland in Folge des päbftlichen Barnes litt. Abermals that Georg
das möglichfte durd Einführung eines befferen Münzfußes'). — Obgleich)
ji) in den fpäteren Dahren der Krieg vornehmlih nah Schleſien und
Mähren z0g, fo litt doch auch unfere Gegend durch Krigsactionen in
der Nachbarſchaft wie durch die Kämpfe um Budin, zwiſchen katholischen
Herren und Königlich Gefinnten, fo wie durch die ungewöhnliche Theuerung,
die nad) den Schilderungen des Annafiften (S. 202) in den letten 4 Jahren
der Regierung Georgs in Böhmen herrſchte. War ſchon der Bürger
su beflagen, jo war doc erit der Bauer des offenen Yandes überaus
übel daran. „Das Yand war zum großen Theile durch Feuer verheert,
die Ernten fchlecht und die Bauern ließen fie nicht adern, indem fie fingen,
die fie nur erwiſchen konnten, die einen wie die andern (die vom Herren»
bunde und die föniglichen) und jo lagen die Aeder ungebaut und es
mußte theuer werden. Wenn ja nod etwas wuchs, jo famen fie und ver:
brannten es, wenn es geerntet werden follte. Auch verarmten die Bauern
jehr durch das Abgedingen, denn für jedes Schloß mußten fie einzeln
zahlen, fo zwar, daß, wenn ein Herr drei oder vier Schlöſſer hatte, und
e8 wurde in das eine gezahlt, fo kamen (feine Yeute) aus dem anderen
und ranbten und fengten* fo ſchildert uns ein Zeitgenoſſe die traurige
Yage der niederen Stände. Gin Jahr vor feinem Tode (1470) beftät«
tigte Georg noch der Stadt Yeitmerit die ihr von Yadiflav ertheiften
Mautbewilligungen betreffs der inzwifchen längjt wieder von Waſſer
zerjtörten und neuerdings aufgeführten Elbebrücke. —
3. Die Regierung Wladislaus II. und der Kampf des Bürger-
Ihnms um feine Eriftenz.
Mit den polniihen Wladiſtav (II.) fan das größte Ungfüd
in's Yand, das dem Bürgerthume fommen fonnte — ein einfichtslofer,
ſchwacher König. Hatte das 15. Jahrhundert mit einen DBernichtungs-
fanıpfe gegen die Bürger jener Zeit begonnen, fo ſchloß es mit einem
jochen gegen das Bürgerthum überhaupt und feine rechtliche Stellung
im Staate. Der erjtere Kampf war biutiger, der legtere langiwieriger,
I) Archiv Cesky IV. 487.
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— 211 —
träfen, daß fie ſich weigern, ritterliche Häufer in die Stadtbücher einzu«
tragen und Ritter zu Richtern anzımehmen, wie das doch vor Alters
geweſen fei. (!) Ferner fehle es in den Städten am feftgejeßten Preifen,
jo daß die Herren den Handwerkern alles viel zu theuer bezahlen müß—
ten; ja die Saazer hätten fogar die Nitterfchaft beklagt, weil ihre
Bauern auf den Dörfern Bier brauten und Handwerke betrieben; noch
mehr: Salz und Eifen fauften die Bürger felbjt vom Markte auf das
Rathaus umd verkauften es ſodann wieder und zwar theurer (!), wäh:
rend fie die Ritter mit dem bei ihnen felbft gedörrten Malze nicht wollen
Baudeln fallen. Das Bier verfauften fie zu Preifen, wie fie wollten,
ia fie Hätten fi fogar befprochen, daß es niemand billiger geben dürfe.
Bon Käfe und Fiſchen verlangten fie Standgelder auf dem Markte, fie
Iperrten die Waſſerſtraßen u. dgl. m. An diefen Klagen ſieht man am
deutlichiten, daß dem Adel nicht die Lcberfchreitungen der jtädtijchen Frei—
beiten, fondern vielmehr diefe jelbft ein Gräuel waren, denn theils be-
rühren jene Dinge von jo interner Natur, daB außer dem Könige als
Herrn der Städte niemanden eine Controlfe zuftand, theils aber Map:
nahmen der Städte, zu denen fie wie durch das erſt kurz vorher durd)
Landtagsſchluß bejtätigte Markt: und Meilenrecht vollkommen befugt
waren. Die einzige gegründete Klage mochte noch die über unbefugte
Bagdausübuug feitens der Bürger fein; der Punkt über die Eintragung
der Adelshäufer in die Stadtregijter hatte, wie ums fpäter Beiſpiele
zeigen werden, noch eine zweite Seite in Betreff der Bürger» und Schoß—
pflichten. Diefen ziemlich harımlofen Klagen hatten die Bürger weit be-
dentendere theilweije politiihen Inhaltes entgegenzujtellen. Vor Allen
wöhte c8 beim Alten bleiben bezüglich der YPandtage, auf denen die
Städte von Alters her gehört wurden und fein Schluß gefaßt wurde, zu
dem nicht auch fie als dritter Stand gejtinmmt: fie würden anders zu
was nicht Helfen, wozu fie nicht gerathen Hätten. Sehr drüdend fei ee
far für die Städte, daB einige Herren und Ritter jelbjt Vier zum
Serlaufe und Ausſchanke branen, fo wie aud mit Malz handeln, das
Rädtiiche Bier nicht auf ihre Güter und das Getreide nicht in die Städte
führen, vielmehr auf den Dörfern vertaden laljen, jo wie ſelbſt ihre
Bauen auf den Dörfern fchon Bier branten. In Betreif des Ankaufes
freier Yandgüter und deren VBerbücherung in der Yandtafel verlangten die
Städte, daß es wie vor Alters bleibe, jo dar jie Güter bis zu einem
gemiien Werthe kaufen fönnten, oder wenn man ihnen dieß verweigern
wenigstens bei dein Yandtagsichlulfe von 1454, wornad fie die minl
11°
— 206 —
in hiefiger Gegend, und von der polnifch-böhmifchen, der Ritter Paul
Knize aus dem Haufe der Kappler, der Herr von Tſchochau').
Der Friede wurde fpäter bie zum 28. September 1474 ausgedehnt
ud Wladiflan ordnete inzwilchen aufs Neue auch die lange geftörten
Handelsverhältniffe der Stadt Yeitmerik. Wie in legter Seit dic Yand-
herren neue uugerechte Zollſtälten errichtet, fo waren die alten zu Guuſten
der Bürger errichteten außer Acht gelalfen worden. Der Wohljtand,
ja die Erijtenz von Yeitmeriß beruhte größtentheit® anf feinen Handels-
rechten, feit langer Zeit aber hatte fid) Fein Menſch um das Stapelredjt
der Stadt gekümmert und diefe nicht die Macht beſeſſen, dasfelbe ihren
gewaltthätigen Nachbarn gegenüber zu wahren. Befonders wurde Getreidr
und Malz ohne die Stadt zu berühren an derfelben vorbei nah Meißen
aefchafft. Es giengen daher im Dezember 1473 drei Bürger zum Könige
mit der Bitte um Abhilfe gegen diefen Uebelſtand. Wladiſlav erneuerte
das Verbot, daß Fein Schiff ohne in Yeitmeriß die Waare zum Verkaufe
zu bieten vorbeifegeln, ja nicht einmal unterhalb der Stadt folde ein-
kaden dürfe, ohne fic vorerjt dort auszuftellen, c8 fei denn daR der Herr
des Schiffes hiezu entweder vom Könige felbft oder von der Stadt
veitmeriß die ausdrüdlihe Bewilligung habe und ſchriftlich vorweifen
könne.
Jedes Schiff, dag bei Yeitmerig vorbei fuhr oder unterhalb der
Stadt Waare ladend nah Meißen fahren wollte, mußte ji) daher
von Yeitmerig entweder einen fchriftlichen Freibrief oder eine Marke,
ein „Czaich“ über die gefchehene Ausftellung („depositio“) geben Tajlen
und der Magijtrat von Außig wurde zur Controlfe beauftragt, fein Schiff
ohne einen derartigen Ausweis die ELbe paflieren zu lallen. Anßerdem
hatte Veitmeritz ſelbſt das Recht, ſolche Schiffe zu verarreftieren ?).
Ter kurze Friedenftand wurde bald (1. September 1474) unterbrochen,
um fchließlich durd den bresfauer Vertrag und den prager Yandtag auf
den alten Grundlagen bis ins Jahr 1477 wieder verlängert zu werden.
Zu den hierauf abermals erneuten Kriege mußten auch die Bürger von
Yeitmerig ein bedeutendes Contigent an Bewaffneten ftellen.
Kaum war diefer langwierige, alles Leben des Bürgerthums hem⸗
mende Krieg durch den ofner Frieden (1478) endgiltig beendet, fo
mußten ſich die Städte zu einem neuen, minder blutigen, aber noch fang
wierigeren und für ihre Stellung gefahroolleren rüſten. Böhmen ſammielte
ı) Archiv tesky IV. 457. ?) Ur. in I. St.⸗A. R. 29.
— 207 —
nd gewiffermaßen nach dem langen Kriege auf dem St. Wenzelelandtage
1479 aufs neue. Herren, Ritter und Bürger famen daſelbſt zufammen
und auch die katholifchen Herren der Gegenpartei, unter ihnen der un-
jircundliche Nachbar dev Yeitmeriger, Johann Hafe, erichienen dajelbit
und johnten ſich mit dem Könige wie mit den übrigen Ständen auf.
Die Verföhnung mit dem Pürgerftande, von der der alte Annaliſt
IS. 218) erzählt, mag freilich vecht herzlich und aufrichtig geweſen
jein. Naum waren die jtolzen Herren im Kampfe mit dem Könige unter
tegen, fo verjuchte fich ihre ungemejjenene Herrſchbegierde an dem ihnen
von je verhaften freien Bürgerſtande. In dem Antrage, dem dieſe
Männer des chemaligen Herrenbundes dem Yandtage vorlegten und von
dem fie nachmals behaupteten, er fei angenommen und zum Geſetze erhoben
worden"), verlangten fie zunächſt bloß einfeitig die Betätigung aller früheren
Rechte und Privilegien des Herren: und Ritterjtaudes; was aber den
Bürgerſtand betreffe, fo folle man darauf chen, daR das ®erbot,
Yandgqüter zu kaufen, von demjelben ftrenger beachtet werde; abzujtellen
jei ferner die Unfitte der Bürger, über freie Güter teftamentarifch zu
verfügen, ohne die Teſtamente mit königlicher Bewilligung in die Yand.
tafel zu legen, wornad ſich die Bürger in den Rechten des Landes
größerer Freiheiten erfrenten, „al® Sr. Maj. liebe Herrn und Ritter.“
„Zie haben ihre Stadtrechte und mögen dabei bleiben und unſer Yand-
tcht in Ruhe laſſen“, ereiferten jich die Derren. Die Spitze des Ganzen
aber lag in dem Antrage: „Es follen die Bürger anf den allgemeinen
“andtagen nicht Zutritt haben, da wo Herrn und Ritter zufammentreten,
um über allgemeines Yandeswohl und Yandesrcht zu berathen. Denn
viele Bürger und Handwerker und Schüler drängen ſich (N) ımter die
Ritter und behindern ()) nur die Xerhandlungen über die Rechte und
das Wohl des Yandes. Haben doch die Bürger ihre Rechte, mögen
tie fih feiner Zeit darum kümmern, daß fie bei denjelben erhalten werden
umd die Rechte des Yandes in Ruhe laifen.“ Diefe hodymüthigen Worte
gereisten Adelsjtolzes wurden von nun an das Programm, um das ſich
ale politifchen Beitrebungen drehten und gewannen in demfelben Grade
an Verwirklichung, in welchem ſich die einſt kraftvolle monarchiſche Ver—
Felinng in eine oligarchiſche auflöfte. Es iſt aus dem Vorangegangenen
erfichtlich, daß der Bürgerſtand feit undenklichen Zeiten an den VBerathun-
gen der Yandtage ungehindert theilnahm; einen anderen Beweis bee
N Arch. &. IV. Nr. 444.
— 208 —
Rechtes dieſer Theilnahme als den des Herkommens konnten auch Herren
ud Ritter ihrerſeits nicht aufweiſen, da es am geſchriebenen Staate-
geſetzen in Böhmen mangelte. Es war aber cine ganz willkürliche, auf
nichts als Selbſtüberhebung beruhende Auffaſſung der Verhältniſſe, wenn
ſich der Adel einbildete, nur er habe Rechte, die keines anderen Beweiſes
als der althergebrachten Gewohnheit bedürfen, während der Bürger über
haupt nur Rechte beſitzen könne, in ſofern ſie ihm von Adel gnädigſt
zugeſtanden würden, und nur iuſoweit, als ſie ſich durch geſchriebene
Privilegien nachweiſen liefen. Bon welcher Tragweite die anmäaßlichen
Beſtrebungen werden Fönnten, lag auf der Hand: gewannen fie den Sieg,
jo würden die föniglichen Städte zu bloßen Schutzſtädten der Eöniglichen
Kammer herabgedrücdt, was ſie allerdings bei ihrem Beginue fein mochten ;
das Bürgerthum hörte auf ein freier Stand zu fein, und das König-
thum, jeiner einzig verläßlichen Stütze beranbt, müßte wieder Spielball
in den Händen der Adelsfractionen werden. Die VBerhandinngen über
diefe zum erſten Male unverblümt als Antrag eingebrachten Tendenzen
Icheinen noch zu großem Zwieſpalte in der Verſammlung felbjt geführt
zu haben, denn während wir ſie in dem wirklichen Landtagsſchluſſe nicht
als angenommen verzeichnet finden, behauptet Heinrich von Neuhaus
in der und erhaltenen Abſchrift diefer Anträge, fie „ſeien umten in der
Nummer vom ganzen Yande angenonmmen worden.” Es iſt nicht unglanblich,
daß der chemalige Merrenbund diele Unwahrheit abjichtlid) ausſtreute,
um künftige Präteuſionen darauf zu gründen. Gewiß ift, daR fie dießmal
in die Yandtafel nicht eingetragen wurden und ſomit entweder noch wicht
die nothige Unterſiützuug oder doch nicht die Sanction des Königs er
hielten. Dagegen erſcheinen unter den wirklich beichloffenen Artileln
jenes Yandlages einzelne, die geradezu die Initiative des dritten Standes
verratben, obgleich diefe durchaus nidyt die Mehrzahl bilden. Im allge
meinen Wurden die Einrichtungen zur Erhaltung der oflentlühen Sider-
heit, wie fie Noönig Greorg geſchaffen, aufs nene wieder eingeführt.
Yanditirzer und ungerechte Zölle follten verſchwinden, das Dienſtperſouale
durch Controlle feiner Dienſtpflicht am Vagieren verhindert und durch
ein Verbot dee Waffentragens von Seite der Nichtadeligen Friedens
jtörungen vorgebengt werden. Um in dieſem Punkte ficher zu geben,
wurde die Jagd ala Adelsmonopol prorlamiert und dem Bürger wie dem
Bauer unterſagt. Cine Beſchräukung des Getreidehandels betraf ſpeziell
Yeitmerig, indem die VBerfrachtung Des Getreides ins Ausland auf
Schiffen uberhanpt verboten und nur anf Joldyen Wagen gejtattet war,
— 209 —-
die Salz, Eifen oder ähnliche Waaren hereingetragen hatten. Diefe waren
aber auch wieber gradezu gezwungen, mit Getreide fich zahlen zu laſſen,
da fie fein böhmifches Geld über die Gränze führen durften, wodurd)
der für Leitmeritz fo wichtige Bandel mit dein Auslande gradezu
wieder anf die Stufe des primitivften Taufchhandels zurüdgeführt und
jomit bedeutend beeinträchtigt wurde. Zur Weberwachung wurde bereits
damals eine Art berittener Gränzwache unter der klaſſiſchen Benennung
Strosrajtati (Straßenreiter) organifiert. Dagegen wurde zu Gunften
der Städte das Verkaufen von Getreide, Wolle, Eifen und Salz auf
den Dörfern abermals ftrengftens verboten, ebenſo die Errichtung von
neuen Schenken und das Bierbrauen in Dörfern im Umfreife einer
Meile um jede Stadt. Obgleich auf demjelben Landtage auch alle Son-
derbändnifje im Königreiche aufgelöft und verboten worden waren, fo ſahen
fih doch bald darauf die auf dem ſchlaner Landtage (1482) verfam-
melten Utraquiften zu einem ſolchen einfeitigen Vunde zum Schutze ihres
Belenntniffes genöthigt, an den ſich ſämmtliche utraquiftifche Städte an-
fchloßen bie auf Prag, Kuttenberg, Kautim, Melnit und
Leitmeritz, die, obgleich ebenfalls dem Kelche zugethan, die Ungnade
Des Königs fcheuten, gegen welchen jener Bund gerichtet erfcheinen
tonnte. Nichts defto weniger hatte derjelbe in politiſcher Hinſicht für
die Städte feinen Vortheil, indem er eine Annäherung des meift utra:
auiftifchen Nitterftandes an das Bürgerthum herbeiführte '). LXeit-
meriß erfcheint fortan, obgleih volljtändig utraquiftifh, auf der ent-
gegengefeßten Scite, auf der es vordem in Berbindung mit den radikal
gefinnten Städten Saaz und Laun geftanden. Als auh in Prag
durch den bfutigen Aufftand des Jahres 1483 die radikale Partei zum
Siege gelangt war, fagte fid) Leitmeritz mit den Städten Kutten—
berg und Kaukim aud von diefem in dem Augenblide Los, als fi
auf der Berfammlung vom 25. November 1483 fänmtliche utraqui-
ftifche Herren, Ritter und Städte dahin einigten, niemanden, felbjt dem
Könige nicht, gegen die Prager beizujtehen. Dieſe ſchloßen ſich nun an
das früher erwähnte Bündniß, während Yeitmerit tren auf der Seite
des Königs blich?). Doch brachte endlich der Streit, der fih aud
swifchen dem Stande der Herren einerjeitS und dem der Ritter anderer:
fette ſchon eine geraume Zeit hinzog eine volllommene Annäherung des
Kitter- und Bürgerftandes zu Wege, von der fih auh Kuttenberg
9 8. letop. 226. ?) St. letop. 237—29.
14
— 20 —
und fomit wol auch die zwei andern Städte feiner Partei nicht länger
fern hielten. Auf dem Kuttenberger Landtage verbanden fi nun fünmt-
ide Stände mit dem Nitterftande gegen den Stand der Herren, „um
von ihnen feinen Schaden zu dulden, weder in Betreff ihrer Rechte uud
Sreiheiten, nod) der Zölle und anderer Dinge)”, wie dieß in den legten
Jahren der Tall geweien ſei. Bald darauf (25. Sept. 1484) befräftigten
Ritter und Städte diefen Bund zum Schutze des Keldyes ſowol wie der
althergebrachten Rechte, der Rechtspflege jo wie gegen die fo übliche ge:
heime Denumciation und die darauf bin erfolgten Verhaftungen. Für
die Städte war aber offenbar das der widtigite Punkt, daß die Ritter
erflärten: „So wie die Brager und alle anderen königlichen Städte
bei den Berhandlungen der öffentlichen Angelegenheiten von S. M.
unferm Herrn Könige und dem ganzen Königreiche von Alters her bei
der dritten Stimme erhalten wurden, fo wollen wir fie keineswegs ver-
laffen, wenn fie jemand hievon wwegdrängen wollte, vielmehr ihnen mit
Rath und That beiftehen, damit fie fo bei der dritten Stimme erhalten
bleiben, wie fie die Vorfahren S. M. dabei erhalten haben.” Doc war
diefer Bund von feiner Dauer. Schon ein Jahr darauf gelang es den
fatholifchen Herren auf dem Stuttenberger Yandtage (März; 1485) die
ihren Beftrebungen gefährliche Verbindung dadurd zu zerreißen, daß fie
die Beſchwerden des Witteritandes behoben und diefen fomit wieder mit
jich felbft verbanden?).
Das Bürgerthun ftand nun wieder - ganz allein dem geſammten
Adel gegenüber und der eigener Einficht baare König ganz unter dem
Einfluße des letzeren. Der Streit war endlih bis zu jenem Stadinm
gediehen, daß beide Theile, Herren und Ritter einerjeits, die Städte
anderfeits ihre Beſchwerden und Klagen formulierten und der König fie
vorläufig entfchied*). Die Beſchwerdeartikel des Adels beweilen größten:
theif® neben maßloſen Prätenfionen die ſeltſame Auffaliung, die der Adel
jener Zeit von der Stellung des Bürgerftandes hatte, ja einzelne Tonnten
wol felbft in ihrer Zeit nur läppiſch ausſehen. So jammern die Herren,
daß die Städte im Verhältniß zu den eingehobenen Zöllen die Straßen
in zu fchlechtem Stande und zu wenig Yente zum Ginfangen der “Diebe
im Solde hielten und andrerſeits wieder, daß jie mitunter felbft Edel⸗
leute feftjetten, wenn jie fie in der Stadt bei einem Raufhandel be-
') St. letop. 240. ?) Arch. &. IV. Wir. 512. f. ) Ibid. V. Ar. 393.8, De er⸗
feinen dort der Zeit nad getrennte Artikel zufemmengefaßt.
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träfen, daß fie fich weigern, ritterliche Häufer in die Stabtbücher einzu-
tragen und Ritter zu Richtern anzunehmen, wie das doch vor Alters
geweſen fei. (!) Ferner fehle es in den Städten an fejtgejegten Preijen,
jo daß die Herren den Handwerkern alles viel zu thener bezahlen müß-
ten; ja die Saazer hätten fogar die Nitterfchaft beflagt, weil ihre
Yauern auf den Dörfern Bier brauten und Handwerke betrieben; od)
mehr: Salz und Eiſen fauften die Bürger felbjt vom Markte auf das
Rathaus und verkauften es fodanı wieder und zwar theurer (!), wäh:
rend fie die Ritter mit dem bei ihnen jelbft gedörrten Malze nicht wollen
handeln fallen. Das Bier verfanften fie zu Preifen, wie fie wollten,
ia fie hätten fih fogar beſprochen, daß es niemand billiger geben dürfe.
Bon Käſe und Fiſchen verlangten fie Standgelder auf dein Markte, fie
fperrten die Waſſerſtraßen u. dgl. m. An diefen Klagen fieht man am
deutlichiten, daß dein Adel nicht die Ueberſchreitungen der ſtädtiſchen Frei—
heiten, fondern vielmchr dieſe jelbjt ein Gräuel waren, denn theils be-
rühren jene Dinge von jo interner Natur, daß außer dem Könige ale
Herrn der Städte niemanden eine Kontrolle zuftand, theils aber Maß—
nahmen der Städte, zu denen fie wie durch das erſt furz vorher durd)
Yandtagsihluß bejtätigte Markt: und Meilenrecht vollfonımen befugt
waren. Die einzige gegründete Klage mochte noch die über unbefugte
Yagdausübung feitens der Bürger fein; der Punkt über die Eintragung
der Adelshäuſer in die Stadtregijter hatte, wie uns ſpäter Beiſpiele
zeigen werden, noch eine zweite Seite in Betreff der Bürgers und Schoß:
pflichen. Dieſen ziemlid) harmloſen Klagen hatten die Bürger weit be-
deutendere theilweife politiichen Inhaltes entgegenznitelflen. Vor Allen
möchte es beim Alten bleiben bezüglich der Laudtage, auf denen die
Städte von Alters her gehört wurden und fein Schluß gefaßt wurde, zu
dem nicht auch fie als dritter Stand geſtimmt: fie würden anders zu
elwas nicht Helfen, wozu fie nicht gerathen hätten. Schr drüdend fei es
ferner für die Städte, daß einige Herren umd Ritter ſelbſt Bier zum
Verkaufe und Ausſchanke Drauen, jo wie aud mit Malz Handeln, das
Rädtifche Bier nicht auf ihre Güter und das Getreide nicht in die Städte
führen, vielmehr auf den Dörfern verladen laſſen, jo wie ſelbſt ihre
Bauern anf den Dörfern ſchon Bier brauten. I Betreff des Ankaufes
freier Landgüter und deren VBerbücherung in der Yandtafel verlangten die
Städte, daß es wie vor Alters bleibe, fo daß jie Güter bis zu einem
gewiſſen Werthe kaufen Könnten, oder wenn man ihnen dieß vermweigere,
Wenigfiens bei dem Yandtagsichlujfe von 1454, wornad fie dieß minde-
11*
— 212 --
jtens mit befonderer Erlaubniß des Königs thun konnten. Weiter be-
gehrten die Städte (und zwar in Gemäßheit ihrer Privilegien mit Recht),
daß fie wegen bürgerlichen Angelegenheiten und wegen Befites, der unter
das Schoßgut gehört, nicht vor die Yandesgerichte belangt würden. Sollte
jemand dennod) belangt werden, joll er fi zwar ſammt dem Kläger
zum Bekenntniſſe der Vorladung einfinden, durd eine Urkunde des
Stadtrathes aber zugleich nachmweifen, daß die ftrittige Sache vor das
Stadrecht gehöre, worauf ihm der Kläger zu Schadenerſatz verpflichtet
und vor das competente Gericht gewieſen werden folle. Schließlich wünfdh:
ten fie überhaupt noch, daß alle Städte bei ihren Rechten erhalten und
die Errichtung neuer Markt- nnd Schanfjtätten beichränft werde. Der
Rath des Königs, in dem allerdings auch zwei Bürger faßen, verfaßte
eine Antwort, die von der Herrfchaft der Adelspartei am königlichen
Hofe ein ſprechendes Zeugniß gab. In Betreff der Hauptſache nämlich,
der dritten Stimme, entichied der König, „daß er die Prager und
alle Städte des Königreihe Böhmen bei dem zu erhalten geruhe, was
fie feit Alters zu Zeiten feiner Vorfahren geübt, in fo weit fie das
rechtlich erweifen fönnten. Was fie aber in ihrem Zettel dargelegt haben,
wobei fie nicht wären, daß fie dazır auch nicht verpflichtet wären, hierin
Iheine es S. M., daß fie fih allzu viel anmaßten, denn alle Städte
gehören der föniglihen Kammer und find S. M. mehr verpflichtet, als
die freien Herren und Nitter. And deßhalb, weil S. M. fie ohne alle
Schmälerung dabei zu erhalten geruhe, wobei fie von S. M. Vorfahren
erhalten wurden, fo ſcheine es S. M. gerecht, daß auch fie ſich den
Befehlen S. M. nad) ihren Rechten gehorfam erweifen nnd fich nicht in
Dingen mit der dritten Stimme ausreden, in denen ihnen diefe Stimme
nicht gebührt.” Hiedurch war zu Gunften der gerechten Forderungen ber
Städte nur ein ganz vages Berfprechen gegeben, ihnen aber auch für
den Fall, dar fie das Recht der dritten Stimme nachweijen würden,
deren Bedeutung im vorhinein entjchieden abgeſprochen, indem die bis
her für einen Yandtagsichluß erforderliche Kinftimmigfeit der drei Stände
u Gunſten des Aedels aufgehoben wurde, fo daf die Miajorität der
Herren und Ritter allein enticheiden ſollte. Dabei blieb es noch un-
beftimmt, ob die Städte überhaupt auch nur als Figuranten erfcheinen
dürften. Auch diefe Ausſicht Schnitt ihnen ein fpäterer Artikel kurz ab,
der beſagte, „der König fei unlängft mit einer bedeutenden Anzahl von
Herren und Rittern auf dem Karlſtein gewejen, hätte da alle Urkun⸗
den durchſucht, aber gar nichts gefunden, was fich auf die Töniglichen
— 213 —
Städte und ihre Freiheiten bezöge” — was ganz natürlich war, nur daß
dabei überfehen wurde, daß ſich für die Anmaßungen des Adels ebenſo
wenig eine Urkunde finden ließ, wie es überhaupt fein gefchriebenes
Ztaaisreht gab. Tier Adel ſchien einjtweilen mit diefer Errungenschaft
zufrieden und erfcdigte die übrigen Streitfragen in einigermaßen günfti-
gerem Sinne. In Betreff der Borladungen vor das Landrecht in Schoß-
ſachen entſchied der König (eigentlich fein Rath), daß die Vorladung
nach Recht niemanden verwehrt werden könne; follte aber jemand um
Saden vorladen, die nicht vor das Yandrecht gehören, jo wolle es S.
M. mit den Herren aud) nicht richten, fondern vor das competente Ge—
richt weifen. Komme dadurch ein Bürger zu Schaden, fo bleibe es
eder Stadt unbenommen, den Kläger auf Schadenerfaß zu belangen.
„Die Yabungen einer Gemeinde müllen den Bürgermeijter, die Räthe
umd die ganze Gemeinde nennen, zum Bekenntniſſe und zum Protejte
gegen die Kompetenz des Landrechtes genügt cin Rath und ciner aus
der Gemeinde mit einem offenen VBollmachtebriefe unter Stadtfiegel und
dabei ſoll es bleiben.” Einen bedeutenden Schritt fam aber auch Hierin
der Adel vorwärts, indem bejtimmt wurde, daß die Klage gegen cine
Stadt wegen verweigerter Auslieferung eines entlaufenen Unterthanen vor
die Competenz des Yandrechte® gehören ſolle. Hierin lag ein bedenklicher
Fingriff in die Stadtrechte. Bisher hatten die Städte durch königliche
Verleihung auch das Hecht bejeffen, einen zu ihnen geflüchteten Unter:
thanen nad) einer Verjährungsfrijt von Fahr und Tag nicht mehr aus-
Kiefern zu müffen, falls er binnen der genannten Friſt nicht gefordert
wurde !\, Auf diefe Art war urfprünglid die jlaviihe Bevölkerung
niht eben zum Danke für die Deutſchen in die Städte gelangt, und auf
diefem Rechtstitel beruhte jeit den Hufitenfriegen die perfönliche Freiheit
der Mehrzahl der neuen Bürger. Es erjcheint ganz gerechtfertigt, daß
der Adel dem Entlaufen feiner Yente vorbeugte und anf dem letzten Yand-
tage Geſetze zur Verhütung desjelben erlajfen hatte; ein Eingriff in die
ktadrechte beruhte aber darin, daß unn jenes Gebot der Auslieferung
ohne Rückſicht auf die geſetzliche Berjährungsfrijt eingefhärft wurde, wo:
durch alle beftchenden geſellſchaftlichen Verhältniſſe in den Städten arg
erihüttert werden munten. Fand ein Edelmann feinen Unterthanen in
der Stadt, fo jollte ihm nöthigenfalls der Bürgermeifter zur Auslieferung
deöfelben verhelfen und es Eonnte im Weigerungsfalle die ganze Gemeinde
) Beichbitd Art. IV.
- 220 —
felgen würde. Auf den hierauf zur Verleſung und Annahme der nenen
Yandesorduung auf den 30. September eimberufenen Yandtage erklärten
die Bürger wie Ein Mann, daß fie diefes Geſetzbuch, das ohne ikt
Zuthun und ihre Berücdjichtigung verfaßt wurde, als allgemein verbind:
liches Yandesgefeß nicht anerkennen, daR dasfelbe vielmehr feinen Inhalte
nad) nur ein Rechtobuch für Herren und Nitter, nicht aber für das ge
ſammte Yand Böhmen fein Tonne. Der bierob entrüftete Abel wußte
nichts anderes zu thun, als ſich in drohender Sprache an den König ze
wenden mit dem Anfuchen, er möge ihm für diefe ihm angethane Schmad
und Beleidigung an den Bürgern Genugthuung verſchaffen, da diefe ia
„jeine Unterthanen und Zinsleute“, alfo nicht cin eigenberechtigter Stand
des Mönigreiches wären. Der gchorfame König hatte nichts Kifigered
zu thun, als ein höchft ungnädiges Schreiben an feine Städte conzipieren
zu laſſen, worin er ihnen befahl, den Vorladungen vor das Landrecht
Folge zu leiften und am 6. Jäner 1501 Abgeordnete nach Prag zu
ſchicken, um mit dem Adel über Alles, worum man fie belangen werde,
zu umterbandeln. Die Verhandlung hatte natürlich keinen Erfolg, jedt
Partei blieb auf dem ihren beſtehen. Ebenſo wenig Erfolg hatten die
darauf folgenden Yandtage. Der König aber, der von der Bedentung
und Tragweite des ganzen Streites faum eine Ahnung hatte, befahl am
4 Juli 1501 den Städten, alle ihre Urkunden bereit zu halten, dami!
er bei feiner Ankunft im Yande den Streit perſönlich fchlichten oder durd
ein Urtheit einfadı beenden könne.
Die Städte formmtierten nun ihre Klagen in 13 Artikeln, die in
Allgemeinen wenig Nenes enthielten. Nur Elagten fie außer über di
Errichtung von vielen neuen Märkten und Siädtchen auf Herrengrunt
ſowie über die Nichterfüllung der Schoßpflichten von Zeiten der in de
Städten gelegenen Adeldhäuſer noch Darüber, daR fie auch in der Aus
übung der ihnen von den Königen verlichenen Nreitgerichtäpflege (poprava
die in jenen Diebszeiten für fie von befenderer Dedentung fein mußt
durch die Adelinen dadurch behindert würden, daR diefe haufig Die ein
gefangenen Diebe und Räuber unter dem Vorwande, ſie ſeien ihre Unter
thanen. mit Drobungen herausiordern und die Bärger zwingen, ander
Me auf irgend einen Adeligen austagen, nicht jelbit zu richten, ſonder
sach Vrag si führen, was bei der Umicherbeie der Wege gleich gefäht
lich mie keſtipielig ſei. Die Adeligen antworteten einfach, ſie hätten m
den Gerichten der Städte überhaupt gar nichts zu ſchaffen, wohl abı
die Städte in allen Dingen unter ihr Gericht.
' — 215 —
Die Bürger konnten das ausfchlickliche Recht des Brauens auf zweierlei
Rechtstitel zurüdjühren. Einmal war es althergebradyte Gewohnheit,
daß der Adel fogenannter „bürgerlicher Nahrung“ als feiner unmürdig
nicht nachgieng, fondern fie dein Bürger, der ja dagegen in dem Erwerbe
von Grund und Boden, von dem der Adel lebte, befchränft war, aus⸗
ſchließlich überließ, zweitens aber beſaß jede Stadt feit ihrer Gründung
das regelmäßig von jedem Könige beftätigte und jelbft von den Yandtagen
anerfannte „Meilenrecht”, wornadh im Umfange einer Meile um die
Stadt kein anderes als ftädtifches Bier gebraut und gefchenkt werden
durfte. Eine Klage über Verletzung diefes Privilegiume, die die Chru—
dimer bereit® 1488 eingebracht hatten, wurde nun nad) dem fchleppen:
den Kechtögange des Yandrechtes erſt 1493 in Abmwefenheit des Königs
entfhieden. Die Kläger beſchränkten fich darauf, al8 Begründung ihres
Rechtes den Haren Wortlant ihres königlichen Privilegiumms vorzulegen,
die Richter aber konnten weder die Thatſache der fraglichen Rechtsver-
legung noch die Exiſtenz des Privilegiums in Zweifel ziehen, entfchieden
aber nichts defto weniger zum Nachtheile Chrudims mit Beifügung des
denfwürdigen Entfcheidungsgrundee: jene Urkunde habe keine Rechtskraft,
da die Könige zur Ertheilung derjelben gar nicht das Recht gehabt, in-
dem fie freien Edelleuten zur Beſchränkung gereiche, die der König nicht
beihränfen könne"). Diefer Ausſpruch war von fo weittragender Be:
deutung, daß bei feiner confequenten Durdführung die Rechtmäßigkeit
der Eriftenz des ganzen Bürgerjtandes überhaupt in Frage geitellt wer-
den mußte, er enthielt in nackteſter Form das Programm maßlofer An-
maßlichleit. Es ift unbegreiflich, wie der König auch jegt noch die Sache
der Städte nicht als die feine betrachten Fonnte. Minder zu wundern
it es, daß gerade in diefem Momente in Adelskreifen der Wunſch auf-
tauchte, der neu gewonnenen Machtftellung durch ein umfaljendes Yan-
desgeieg Sanction und Bürgfchaft für die Zukunft zu verfchaffen. Was
der Adel zu Zeiten Karls IV. und nod früher mit aller Energie zu
bintertreiben gewußt, das nahın er nun felbit in die Hand, dic Abfalfung
eines gefchriebenen Stantegrundgefetsce, einer Yandesordnung. Wenn fich
eine ſolche einmal als wünfchenswerth herausgeftellt hatte, jo mußte der
Adel wol erkennen, daß für ihn feine günftigere Zeit ınehr kommen
dürfte, als die der Regierung Wladislav's. Die Einfpradhe des
Bürgerftandes gegen den einen oder den andern Artikel eines ſolchen
n Yaladd, Geſch. V. 1. 379.
— 216 —
Geſetzbuches war nun nad der legten Normierung feiner Stellung zum
Adel von feiner Bedeutung mehr. Im Jahre 1497 fam Wladiflav
wieder zum eriten Male nad) Böhmen und der in feiner Gegenwart ab⸗
gehaltene Yandtag, an dem fich aud) die Bürger betheifigten, beſchloß vor
Allen die Abfaffung einer jolhen Yandesordnung, die aus Landtags⸗
Ichlüffen wie anderweitigen Entiheidungen und Urkunden zu compilieren
und in Drud zu legen fei'). Außerdem wurde auf diefem Yandtage
abermals mancherfei beichloflen, das die Städte nahe genug berührte.
Die endgiltige Enticheidung des Streites über das Braurecht behielt ſich
der König ſelbſt vor; von den menerrichteten Schenken auf dem Yande
aber follten diejenigen wieder caffiert werden, die nicht wenigſtens einen
dreißigjährigen Beſtand nachweifen Fönnten. Daß im Allgemeinen nad
den Begriffen der Zeit „bürgerlide Nahrung“ den Adeligen nicht zuftand,
beweift die Beſtimmung, daß ein zum Adeljtande beförderter Bürger die
Landtafel für fi noch nicht benügen dürfe, wol aber feine bereits auf
adeligen Lager geborenen Kinder, daß dieſe aber, fobald fie die erjte
Einlage in die Landtafel gethan, „aljogleich bürgerlichen Erwerb und Band:
werke aufgeben und ſich gemäß dem Stande eines Ritters verhalten und
deſſen Recht brauchen follen.” Im Betreff der Auslieferung entwichener
Unterthanen wurde die früher beichloffene Rückwirkung des Gefeges auf
30 Jahre bejchränft, jo daß der vordem geltende deutſche Rechtsgrundfag
für die Zukunft allerdings außer Geltung gejegt wurde und nur auf
diejenigen noch; Anwendung finden follte, die vor dem Jahre 1467 ihren
Herrn verlaflen hatten. Werner wurde verboten, Bürger um Stadtfachen
und Schofgründe vor das Landrecht zu belangen, dagegen den Bürgern
die Beſitznahme freier Güter auf Pfandbriefe hin unterjagt. Am unzu->
friedenften waren die Bürger mit der Beſtimmung über die Auslieferung
der Unterthanen, da dieje trog der getroffenen Kinfchräntung dennoch
“geeignet war, alle Berhättnijfe in den Stadtgemeinden über den Haufen zu
werfen, da im Laufe von 30 Jahren nicht wenig Fremde zugewandert fein
mögen, die fich über die vordem genoſſene Freiheit nicht ausweiſen konnten.
Solche könnten mittlerweile in die behaglichſten Verhältniiie, ja zu Amt
und Würden gelangt fein und mußten jich doch täglich mit dein kummer⸗
vollen Gedanken niederfegen, vielleicht morgen früh von ihrem ehemaligen
Herrn aus den Flaumen geholt und in den Stall gebettet zu werden.
E83 begaben fi daher Gefandte der Städte zum Könige, ale er
) Archiv &. V. 465 £.
— 217 —
auf der Rüdreife nach Ungarn in Kuttenberg vermeilte und baten ihn,
dieſe harte Beſtimmung zu Gunften ihrer in Gefahr ſchwebenden Diit:
bürger und Unterthanen wenigſtens zu mildern, was er durch cin im
Einvernehmen mit dem diesmal nachgiebigen Adel erlaffenes Decret auch
wirklich that’). Obgleich er durch dasfelbe im Allgemeinen den Yand-
tagsichluß beftätigte, mußte er dennoch anerkennen, „daß für viele Yeute
großes Unheil entſtünde, wenn grade auch die, welche daheim Eltern
oder Geſchwiſter und bereits wieder mit neuen Bebauern beſetzte Gründe
zurücklaſſend in die Städte ſich begaben, dort fich niederlichen und nun—
mehr ein Gewerbe treiben, wenn alle diefe nun wicder aus den Städten
ausgeliefert werden jollten.“ Kr wolle daher des allgemeinen Friedens
willen im Einvernehmen mit allen drei Ständen wenigitens in Betreff
der betroffenen Stadtbewohner eine Aenderung vornehmen, fo daß die-
enigen Einwohner, die fic, nachweisbar vor länger als achtzehn Jahren
vom Datum der Urkunde an gerechnet in einer Stadt nicdergelajlen haben,
fortan unbehelligt bleiben jollten. Dagegen ſoll künftighin niemand in
eine Stadt aufgenommen iverden dürfen, der nicht einen von feinem
frühern Herrn ausgeftellten Yaßbrief vorweifen könne. Seit dem kamen
jene alle Stadtarchive überſchwemmenden Yaßbriefe in Schwung. Die Städte
waren, wie ans einem Töniglihen Schreiben hervorgeht”), trag der an—
geblihen Einhelligkeit auch durch diefe Milderung des neuen Gefekes
nichts weniger als befriedigt; was fie verlangten, war offenbar die Be:
fätigung des alten Verjährungsrechtes, das feit nahezu drei Jahrhun:
derten gegolten hatte. Es ijt wol anzunehmen, daß die Boten von
Seitmerig auf das ihnen von nahezu allen Königen feit Wenzel J.
urfundlich zugefiherte magdeburger Recht und die in dieſem Mar aus—
gelprochene Beſtimmung hinwieſen, cben fo wenig zweifelhaft iſt c8 aber,
dab der Adel dasjelbe Argument wie bei dem Bierſtreite entgegenfekte,
ſonſt hätte der begangene Rechtsbruch nicht einmal den Schein roher
Gewaltthätigleit vermieden. Kür den Adel war diefer Sieg höchſt wichtig.
Er hielt nun fo manchen ihm widerwärtigen Bürger au vielleicht langem
aber feften Faden, es lag in jeiner Hand, an fo manchem jeiner bis
derigen Widerfacher fich eine befichige Genugthuung zu verfchaffen und
für die Zukunft die allzugroße Vermehrung des Bürgervolkes überhaupt
unmöglich zu machen. Auf den am 15. Juni 1498 zu Prag ubgehaltenen
Yandtage dominierte abermals diefelbe Partei. Durch ihre Beſchlüſſe
——— — — —
) Kuttenberg 20. Juli 1497. Arch, &. V. 481. ?) Ofen 22. Nov. 1497. Arch,
&. V. 482.
— 22 —
fie wenn nicht Weisheit, jo doch Gerechtigkeit erwarteten, dem hohnlachen Der
Adel gegenüber mit betrübten Gefichtern und fagten Heinlaut: lieber
König! gebt uns unfere Urkunden wieder und — laßt uns nah Haufe
gehn! — Mehr zu thun blieb ihnen denn auch nicht übrig. Wladislav
Ihien erft jett zu erkennen, was er angerichtet und fagte befchwichtigered
zu den Bragern: Still, Freunden! Wir werden das Urtheil feier
Partei ausfolgen, fondern bei uns behalten — und fo wußte mın
wieder niemand recht, woran er war. Der Adel aber wußte fih das
Urtheil deunnoch nachmals jchriftlich zu verichaffen und fogar in die Yand-
tafel eintragen zu laffen — der rathloje König aber machte ſich alsbald
wieder aus den Staube.
Die Städte waren zwar tief gebeugt, aber nicht vernichtet; es fiel
ihnen nicht ein, Kampf und Hoffnung auf den endlichen Sieg aufzugebes®.
Ihr Bund wurde immer fefter und ihr Handeln immer plaumäßiger ma d
einhelliger. Ihr nächftes zu Prag am 2. Mai entworfenes Program se
war, die ohne ihre Beiſtimmung erwählten Sreishauptleute nicht anzas‘
erfennen, jeden Bürger ans dem Gemeindeverbande auszufchließen, det
einen andern vor das Land- oder Kanımergericht laden würde, die bewillig ©
Türkenſtener dagegen zu erlegen und auf den Rathhänſern bereit zu haftes®
im Allgemeinen aber einander in Allem beizuftchen, bis ihre Sache voT
einen ordentlichen Landtage gefchlichtet würde. Die Leitmeritze 7
begannen, obgleih fie in den legten Jahren durch Ueberſchwemmunge F!
viel materiellen Verluſt erlitten, mit nicht geringen Aufwande rings usF!
die Stadt nene Mauern aufzuführen, die erft nach dreijäßrigem Baue vol F
endet wurden). And) eine moralische Stütze fuchte die Stadt im Kampf <
bei ihrer Mutterſtadt und verjchaffte fich die Gewißheit, daß ihre Anfprüdy €
beireff der Competenz der Gerichte im dem ihr feit je zugeftandene #8!
Rechte begründet feien. Ein Bothe wurde?) an die weilen Schöffen vo 3!
Magdeburg mit der Frage gefandt, was mit jenem Bürger 5;
geichehen habe, der einen Mitbürger bei Hofe oder beim Interlämmere #
oder bei irgend einem höheren VPandesbeamten (d. i. alfo bein Vand⸗
oder Kammergerichte) in Sachen der Ehrenbeleidigung oder Beihädigun SI
des Kigenthums befaugen würde und bradıte die erwünjchte Antwort :
„Ein folder hat fein Bürgerrecht verloren, und es fleht beim Rath,
wie er mit ihm verfahren will. Sollte aber fogar ein Schöffe ſich deifer!
unterfangen und eine folche That begehen und dei geitändig fein vor
) Leite, ı 9. 26.
— - — — —
dem Rathe, ſo hat er ſeinen Eid verloren und verdorben als ein Mein—
eidiger und hat ſein Burmal und Bürgerrecht verloren und iſt nicht mehr
würdig im Rathe zu ſitzen, bei der Stadt und Gemeinde aber ſoll es
ftehen, wie fie mit ihm vorgehen will. Läugnet er die That, jo follt ihr
ihr vor dem Rathe Elagen und eure Rechte da verfolgen. Bekennt er
da oder wird er überwielen, fo foll er jedem Schöffen Strafe zahlen
und dem Richter eine fo vielfahe Wettung und er bleibt ein meineidiger
Schöffe und hat fein Burmal verloren, wie gejchrieben fteht nach rechten
Rechte.” Es iſt Fein Zweifel, dag Leitmeritz dieſe Nechtöbelchrung,
die ohnehin für ganz Nord- und Nordoftböhmen Geltung hatte, auch den
übrigen Städten mittheilte, die fie genan jo in ihren Beſchluß aufnahınen.
Auch von Görlitz erhielt Neitmierig ein Weisthum "), wornad) jeder,
vr eine Klage vor den König brachte, ausgewiejen werden jollte. Nun wurde
die Auefchließung durch den Städtebund auf ſämmtliche Städte ausgedehnt.
Ebenfo fchloffen nach einer abermaligen vergeblichen Verhandlung
am 15. November die adeligen Stände einen Bund zur Aufrehthaltung
des königlichen Schiedsfpruches ?), und die Städte erklärten endlich, „fie
wollten feinen Landtag mehr beſchicken und zu nicht® willigen, bis ihnen
ihre Freiheiten und Rechte wieder gegeben feien“ >).
So ftanden nun eine Zeit lang die Parteien einander gerüftet gegen
über. Erft im Jahre 1504 ließen fid) die Städte wieder bereden, auf
den am 1. Mai abgehaltenen Yandtag ihre Abgeordneten zu ſchicken. Du
aber die Herren und Ritter allein tagten und die Städte dann auffor
ferien dem Schluffe einfad) beizutreten, wollten diefe von einer jolchen
Art der Verhandlung nichts wiffen und gingen wieder heim. Einige Derren
ind Ritter aber traten nun bereit8 auf ihre ‘Seite *). Die Städte mußten
ſih nun darauf befchränfen, um fo häufiger unter einander in den ein
ylnen Kreifen Berathungen zu pflegen, zu denen fie aud) die ihnen ge
neigten Abeligen der Umgegend luden, wie folche „Kreistage“ vor Alters
Khelten, fpäter aber durch Wladiflav verboten worden waren. So
sten am 18. Auguft 1504 auf dem alten Rathhauſe zu Yeitmerig,
wer einigen Adeligen und einem Vertreter der Prager, Abgeordnete
fr Städte Yaun, Saaz und Melnik, ohne daß wir inder willen,
was fie beichloifen °). Wahrſcheinlich vereinigten fie ſich über die Artikel,
De vahmals auf dem Yandtage des 23. September zu Prag dem Abel
Germals vorgelegt wurden.
) Beistgum R. 27. :) Archiv Cesky V. 263. ') Letop. &63. *) Ibid. 268.
Y Geenlbnd.
— 24 —
Fer Ztreit ſchwieg darauf abermals eine Zeit fang, da die änfere
ftorh, beſonders das Unweſen der „Yandesjchädiger“, die mit den feindfeligen
Hadyharnı in Verbindung ftanden, alfe Stäude einiger Maßen zur Cintradt
‚mang. Am 6. Feber 1505 verfammelten fich Herren, Ritter und Bürger
res geſammten „Landfriedens“ (Kreißvercins) zu Leitmeritz und verbanden
fih, einander gegen die Meißner (oder vielmehr die bei diefen Schub
fuchenden Friedensſtörer, wie die Gutenſteine und andere) in Rath und
That behfitflic zu fein. DMlittlerweile waren die nenen Mauern der Stadt
fertig geworden, deren diefe auch bald bedurfte. Kin gleicher Kreistag
wurde dafelbft am 28. Det. 1506 abgehalten, auf welchem aud Albrecht
von KKolowrat, Überftlanzler von Böhmen, ein Herr von Warten
berg, zwei von Duba und cin Bopel von Lobkowittz erſchienen.
An erfterem hatten die Städte einen befonderen Gönner, als der Kampf
aufs Nene durd) die fchaudererregende Art, wie ihn Kopiblanékh
führte, heftiger wurde. Für all diefe beftändigen Kriegsrüftungen genügte
auch das Einkommen von der nenen Thormant ber Stadt nicht mehr und
ſie muſtte fh neuerdings um Vergrößerung ihres öffentlichen Einkommens
an den Känig wenden, der in Privatfachen eher für bie Städte zu gewinnen
war, als in politifchen Kragen. in Bürger, Namens Wenzel, Sohn
det Feſchel, war fo glücklich, bei Wladislav den S. Martinszins
von den Dörfern Wtikofed, Profmikund Zeletitz, der fomit bis
Nabin an de königliche Kammer gezahlt worden fein muß, der Stadt al®
MWeſchent zu erbitten SON
Auch im Jadre 1508 fanden ſich die Städte des leitmeritzer Land⸗
Nardens in der Kreitſtadt über Anfiorderung der Prager zuſammen
und beriethen ſich uber ihr Verdalten gegenũber dem in letzter Zeit durch
NMibrecht Wendel, der Compilator NT Yandedordnung, neuerdings gegen
Ne »Ntadte ertaſenen Manier, To wie zegen den gemaltthätigen 8 0”
vıdtanate der wegen der um Redtéange geſchehenen Dinridtung
ana Wal cz Wrag mit Neuderdorden das Yand durchſtreifte *)
und ade Wr die id main merm in Vene Sünde zu falle,
Balttin MI pipe SINTNaEn INT \hernen ſolche Verſamm⸗
wort. aeg ya Newest nm Nm Yanbraatfikungen aD“
PRINT UNE on NDS en zDormeiner Landtags:
Nest Stmdhr Dome ber om Orhan Die gemeinfans“
WISTON. Ya dhavmiturs ri mworsöinrs m Wort der dritte 5
Ne Mn. ah-r!
— 21 —
Beide Parteien brachten in Betreff der einzelnen Streitpunfte ihre
Rechtstitel vor, die Städte ihre Errichtungsſtatute und die Beweife after
Gewohnheit; der Adel hatte die legten Yandtagsichlüße, bejonders aber
die Theorie für fich, dab jene nur fo meit Geltung Haben fünnten, als fie
jeine Intereſſen nicht befchränften. Den VBormurf, den die Städte dem Adel
gerade and diejer Anmaſſung machten, nahm diejer mit Stillſchweigen hin,
erhob dagegen feinerjeits in 16 Artikeln Beichwerden gegen die Städte,
die fi im Ganzen von den früher angeführten cben aud nicht weientlid)
unterichieden. Nur die Klagen kamen noch hiezu, daß die Bürger ben
entlanfenen Unterthanen zum Entwifchen behilflich ſeien, wenn fie von ihren
Herren herausgefordert würden, und daß Leute vom Nitterftande, die
fandtäflihen Grundbeſitz hatten, unter die Bürger gegangen feien und nun
gegen den Adel ftünden, denen man deßhalb ihre Güter nehmen und zu
alflgemeinem Beften verwenden folle. Daß leere Angabe wenigftens feine
Unwahrheit enthielt, werden wir fpäter gerade bei Yitmerit jehen können.
Endlich erichien (29. Jäner 1502) der lang erfehnte König und Richter,
den ſammt feinem ganzen Eutſcheidungsvermögen Abgefandte des Adels
Ihon in Olmüg in Empfang genommen hatten. Auf dem am 21. Feber
beginnenden Yandtage wurde die Pandesordnung in Abweſenheit der Städte
angenommen und vom Könige fanctionirt, fo daß die Städte ſchon hierin
im Brinzipe ihre entfchiedene Verurtheiſung erblicden mußten, da Wladislav
erflärte, er ftimme im Namen der Städte, die Eigenthum feiner Kammer
jeien, für jenes Geſetz und werde jeden Widerfpenjtigen zur Anerfenung
swingen '). Bier Wochen darauf (22. März) vertündete Wladislav
als Richter in dem Streite der Stäude fein Urtheil: Die Städte haben
die Stimme mur bei der Königswahl, bei Kriegserflärungen außer
Yandes, und Genehmigung einer außerordentlichen Yandesjtener; alles
andere befchliegt der Adel und die Städte haben fi dem zu fügen.
Herren und Ritter fönnen Bier brauen und zu eigenem Bedarfe Handwerfer
auf ihren Burgen halten, das Mieitenrecht gilt nur den Bauern gegennüber,
die Yandtafel dürfen die Bürger nur auf dem Wege befonderer küniglicher
Erlaubnis benüten, vor das Landrecht müſſen fie ji auch in Sadıen
um Ehre, Schaden und andere Dinge ftellen, nur eigentliche Stadt: und
Schoßangelegeheiten richtet das Yandrecht nicht — und in ähnlichem
Sinne fort. — Da ftanden nun die Bürger, die ihre Dokumente umd
ihr Schidfal vertraunesvoli in die Hände ihres Königs gelegt, von dem
') Arch. €. V. 262. Weber die ganzın Verhandlungen St. Ietop. 257 fi. Palacky
Dejiny V. 2. 34 ff.
— 22 —
fie wenn nicht Weisheit, fo doch Gerechtigkeit erwarteten, dem hohnlachenden
Adel gegenüber mit betrübten Gefichtern und fagten Eleinlaut: Xieber
König! gebt uns unfere Urkunden wieder und — laßt uns nad Haufe
gehn! — Mehr zu thun blieb ihnen denn auch nicht übrig. Wladislan
ſchien erft jett zu erfennen, was er angerichtet und fagte befchwichtigend
zu den Bragern: Still, Freunden! Wir werden das Urtheil keiner
Partei ausfolgen, fondern bei uns behalten — und fo mußte mm
wieder niemand recht, woran er war. “Der Adel aber wußte fih das
Urtheil dennoch nachmals ſchriftlich zu verichaffen und fogar in die Land⸗
tafel eintragen zu laſſen — der rathloſe König aber machte ſich alsbald
wieder aus dem Staube.
Die Städte waren zwar tief gebeugt, aber nicht vernichtet; es fiel
ihnen nicht ein, Kampf und Hoffnung auf den endlichen Sieg aufzugeben.
Ihr Bund wurde immer fefter und ihr Handeln immer planmäßiger und
einhelliger. Ihr nächftes zu Prag am 2. Mai cutworfenes Brogramm
war, die ohne ihre Beiftimmung erwählten Kreishauptleute nicht anzu«
erkennen, jeden Bürger aus dem Gemeindeverbande auszufchließen, der
einen andern vor das Land- oder Kammergericht laden würde, die bewilligte
ZTürfenftener dagegen zu erlegen und auf den Rathhäuſern bereit zu haften,
im Allgemeinen aber einander in Allem beizuftchen, bis ihre Sade vor
einen ordentlichen Landtage geichlichtet würde. Die Keitmeriger
begannen, obgleich fie in den Testen uhren durch Ueberſchwemmungen
viel materichlen Berluft erlitten, mit nicht geringen Aufwande rings um
die Stadt neue Mauern aufzuführen, bie erft nad) dreijährigem Baue volf-
endet wurden ’). Auch cine moralifhe Stüße ſuchte die Stadt im Kampfe
bei ihrer Mutterſtadt und verfchaffte fich die Gewißheit, daß ihre Auſprüche
betreff der Gompetenz der Gerichte in dem ihr feit je zugeftandenen
Rechte begründet fein. Gin Bothe wurde?) an die weilen Schöffen von
Magdeburg mit der Frage gefandt, was mit jenem Bürger zu
gefchehen habe, der einen Mitbürger bei Hofe oder beim lnterfämmerer
oder bei irgend cinem höheren Yandesbeanten (d. i. aljo beim Yand-
oder Kammergerichte) in Sachen der Ehrenbeleidigung oder Beſchädigung
des Eigenthums belaugen würde und brachte die ermwünjchte Antwort:
„Kin folcher hat fein Bürgerrecht verloren, und es jteht beim Rathe,
wie er mit ihm verfahren will. Sollte aber fogar ein Schöffe ſich deifen
unterfangen und eine folche That begehen und deß geftändig fein vor
) Leitm. Gedenfbuh. ?) Weieihum W. 26.
— 223 —
dem Rathe, jo bat er feinen Eid verloren und verdorben als ein Mein:
eidiger und hat fein Burmal und Bürgerrecht verloren und ift nicht mehr
würdig im Rathe zu figen, bei der Stadt und Gemeinde aber joll es
jtehen, wie fie mit ihm vorgehen will. Yäugnet er bie That, jo follt ihr
iha vor dem Nathe Klagen und cure Rechte da verfolgen. Belennt er
da oder wird er überwielen, fo joll er jedem Schöffen Strafe zahlen
und dem Richter eine jo vielfahe Weltung und er bleibt ein meineidiger
Schöffe und hat fein Burmal verloren, wie gefchrieben fteht nach rechten
Rechte.” Es iſt fein Zweifel, daß Yeitmerik diefe Rechtsbelehrung,
die ohnehin für ganz Nord: nnd Nordoftböhmen Geltung hatte, aud) den
übrigen Städten ımittheilte, die fie genan fo in ihren Beſchluß aufnahmen.
Auch von Görlitz erhicht Neitmerig ein Weisthum "), wornad) jeder,
der eine Klage vor den König brachte, ausgewieſen werden follte. Nun wurde
die Aueſchließung durch den Städtebund auf ſämmtliche Städte ausgedehnt.
Ebenso ſchloſſen nad einer aberinaligen vergeblichen Berhandlung
am 15. November die adeligen Stände einen Bund zur Aufrechthaltung
des königlihen Schiedsſpruches?), und die Städte erflärten endlich, „jie
wollten feinen Landtag mehr beſchicken und zu nichts willigen, bis ihnen
ihre Freiheiten und Rechte wieder gegeben feien” ?).
So ftanden mm eine Zeit lang die Parteien einander gerüftet gegen:
über. Erſt im Jahre 1504 ließen ji) die Städte wieder bereden, auf
den am 1. Mai abgehaltenen Pandtag ihre Abgeordueten zu Ichiden. Da
aber die Herren und Ritter allein tagten und die Städte dann auffor-
derien dein Schluſſe einfach beizutreten, wollten diefe von einer jolchen
Art der Verhandlung nichts wilfen und gingen wieder heim. Einige Herren
und Ritter aber traten nun bereits auf ihre Seite ?). Die Städte mußten
jih nun darauf beichräufen, um jo häufiger unter einander in den ein
zeinen Kreifen Berathungen zu pflegen, zu denen fie auch die ihnen ge:
seigten Adeligen der Umgegend luden, wie jolche „Kreistage“ vor Alters
gehalten, ipäter aber durch Wladiflap verboten worden waren. So
tagten am 18. Augujt 1504 auf dem alten Rathhauſe zu Yeitmerig,
außer einigen Adeligen und einem Vertreter der Brager, Abgeordnete
der Städte Yaun, Saaz und Melnik, ohne daß wir indeß wiſſen,
was fie beichlojfen ). Wahrſcheinlich vereinigten fie ſich über die Artikel,
die nachmals auf dem Yandtage des 23. September zu Prag dem Adel
abermals vorgelegt wurden.
) Beisthum NR. 27. ) Archiv Cesky V. 263. *) Letap. 263. ) Ibid. 268,
*) Gedentbud.
— 22383 —
erlangen zu können. Endlich ſchloß er eigenhändig feine Rechnungen,
legte fie der Herrſchaft vor, die fie indeß nicht annahm, und begab fid
auf eigene Fauſt in die Stadt, wo er gern aufgenommen wurde. Um
fih nun ganz deren Interefſen widmen zu fönnen, übergab er feinen
eigenen Befig an Grund und zinsbaren Bauern der Gemeinde, die ihm
fortan zwei Theile desfelben ausfolgte, den dritten aber für ihre Mühewaltung
feinem Willen gemäß behielt.) Mit ihm kam ein neuer Sauerteig in
den Kübel des allzu langſam gährenden Ständeftreits; denn fo wie die
Gemeinde an ihm bald einen gewandten und energifchen Führer gewann,
jo gewann fie durch ihn auch neue Feinde, die Bewegung wurde zugeipikt,
und ihrer Entfcheidung näher geführt. In diefer Hinficht war es eben
fein Unglüd, daß alle feine perfönfichen Feindfchaften nun auf die Stadt
übergiengen.
An ſolchen fehlte es freilich auch ohnedieß nicht. Außer den allge
meinen Beichwerden gegen die Anfprüche des Adels hatte die Stadt ned
ihre bejonderen gegen faft jeden ihrer Nachbarn, wenn diefe es auch hie
und da wieder einmal in ihrem Intereſſe fanden, fich fogar mit der
Stadt zu verbinden. Die einen der Herren, wie etwa die von Borck,
Hafenburg und andere, begehrten nichts mehr als freie Waſſerſtraße
auf der Elbe für ihre Getreideladungen und wurden erbittert, wenn die
Gemeinde die nnerfüllbare Bitte abfchlug, andere wie die Elſtiboi
auf Kameik und Gernofek errichteten ohne Rüdficht auf die Rechte
der Stadt neue Zollfchranten und Wirthshäufer und begannen durch ver
rufene Helfershelfer ihre Yeindjeligfeiten gegen jene, jo oft fie dagegen
Klage erhob. Sperrte die Stadt einen derartigen Gauner ein und war
er aud) ihr eigener Unterthan, wie ein gewifler Hawelka, fo reile
mierte ihn Elſtibok als den feinen und fegte durch Drohungen und
Veindfeligkeiten feine Freilaſſing durch. Für das Haupt und die leitende
Seele fämmtlicher gemeiner Stadt Feinde aber hielt dieſe felbft ihren
geiftlihen Nachbar, den Probſt Johann Zäk, obwohl diefer nicht allein
ſelbſt bürgerlicher Abkunft, fondern fogar ein Kind der Stadt Leitmeritz
war, und, wie diefe wenigſtens behauptete, feine Pfründe nicht zum ge
ringften Xheile ihrer Fürbitte zu danfen Hatte. Stoff zu Streit und
Zanf lag allerdings genug vor. Durd die Umwälzungen, bie die Hufiten-
bewegung im Gefolge hatte, waren die Befigverhältniffe mitunter unldeba
verwidelt geworden. Probſt Zäk aber mußte um fo mehr mit feinen
) Contract vom 18. Mai 1512.
— 225 —
Stimme eine Vereinbarung zu Stande kam. Städte nnd Adel verſprachen
einander (22. März 1508) gegenfeitig Schuß ihrer Gerichte und Rechte
und der Adel erklärte: „Soll etwas durch Herren und Ritter verhandelt
werben, fo follen die Städte nach ihren Rechten al8 der Dritte Stand
auch dazu berufen werden, und wozu fie auch follen Helfen, das joll ohne
fie nicht beichloifen werden.” ') So war endlich wenigſtens der erfte
Pumntkt des Streites auf einige Zeit im Sinne der Städte beigelegt und
Vielen wieder ihr altes politifches Recht zugeftanden.
Odgleih fo zwilhen den Ständen ein Geiſt der Verſöhnlichkeit
einzufehren ſchien, ſchwanden doch durchaus nicht die unheilvollen Fehden.
Den ganzen Winter hindurch ließen daher die Bürger von Leitmerig, da
die Mauern fertig waren, in aller Eile auch an ben neu anzufegenden
Wallgraben arbeiten, indem fie diefelben in der Gegend des Woldans
Anfang Dezember begannen und nad) beiden Seiten hin fortführten, jo daß
im Juli 1509 nicht nur die Stadt, fondern auh die Neuftadt als
Befigthum erfterer mit Wall und Graben verfehen war. Doch murbe
anch noch die nachfolgenden Jahre an der ftärferen Befeftigung fleißig
fertgearbeitet.
Die „S. Iakobsfchlüffe” des Jahres 1508 jchufen zwar durch
Einfegung neuer Kreishauptleute und infchärfung der alten Polizeiord:
nung einigermaßen einen geregelten Stand der ‘Dinge, behoben aber die
Urſachen des Zwiftes ebenfo wenig wie alle früheren. Die Städte ver-
loren vielmehr in Albreht von Kolowrat einen mächtigen Gönner und
mußten in den neuen Yandesbeamten ihre alten Widerfacher erkennen, fo
wie die Aufhebung ihres gegenfeitigen Bündniffes nicht zu ihren Gunſten
geſchehen war, ja e8 mehrten jich die Streitpuntte, indem die Regenten
von den Städten eine ausdrüdliche Anerkennung verlangten, die dieje als
nicht üblid und weil fie feit je direft dem Könige unterthan feien, nicht
leiften wollten.
Wladiflavn fam hierauf felbft nah Prag, um feinen Sohn
Lud wig frönen zu laſſen und verfprady den Städten rein alles — vor
der Krönung. Nach der Krönung aber verurtheilte er (20. März) die
Städte abermals in Allem, infofern fie ſich nicht wie über die dritte
Stimme bereits ſelbſt mit dem Adel ins Einvernehmen gefegt hatten.
E beftätigte und ſanctionierte num erſt formlich das Urtheil von 1502,
a er gab auch der neuen Klage des Adels Gehör, der verlangte, daß
n) Palacky Dej. V. 2. 138.
16
— 226 —
e8 den Städten überhaupt verboten werde, über adelige Perfonen zu
richten, was dieſe bisher mit vollem echte gethan hatten, nämlich nicht
auf Grund ihrer Stadtrechte, wohl aber auf Grund der ihnen anver:
trauten Kreisgerichtapflege, infofern Adelige auf Raub oder Friedensbruch
getroffen würden. Die Bürger waren um jo betroffener, al® der König
ja eine Zeit lang felbft zu ihrem Bunde gehört und noch vor der Krönung
verfprochen, die neuen Schlüſſe zu cafjieren. „Der König ſei wie cin
Kind”, Hagten fie nicht mit Ilnredht, „das fein Gedächtniß und fein Ver:
ftändnig für die Dinge habe. Nicht er, fondern Herr Wendel und
die übrigen den Städten feindfeligen Herren hätten in Einem geklagt,
den Prozeß geführt und das Urtheil gefprocdhen, ohne auf den König
zu hören.... fie hätten dem Könige alle Macht genommen und feinen
Willen geleitet nad) Belicben, fo daß er ohne ihr Willen und Wollen
niemand etwas verleihen oder geben könne.“ ’)
Wie nah dem erften Urtheile verließen auch jekt die Städteboten
die Hauptjtadt mit der Erklärung, feiner Borladung zu folgen, bie ihnen
Gerechtigkeit, die fie in jenem parteiiichen Urtheile nicht zu finden ver
mochten, widerfahren ſei. Durch die Gegenwart des Königs konnte nicht
einmal dem Morden und Rauben im Yande gefteuert werben, das troß
aller Gegenmaßregeln immer mehr über Hand nahm, und das vorzüglich
wegen der Demoralifation, die in den adeligen Gerichteftätten des Yanbes
herrfchte und über die im gleichzeitigen Aufzeichnungen bittere Klage geführt
wird. „Diele vom Nitterftande”, fagt ein Bürger jener Zeit, „wollten
e8 den Herren gleich thun, verfchwendeten dabei ihre Güter und ver
armten, dann aber verlegten fie fih auf den Raub und überfielen die
Bürgerslente, die ihren Sefchäften nach über Yand gehen mußten. Und
was fie auf den Yandtagen wegen ihrer Verfolgung beſchloſſen, das hielten
fie nicht, fondern jene morbeten auf den Straßen und weil trotzdem die
Serichte giengen, fo durfte fein Bürger etwas gegen fie unternehmen,
fondern die Rittersleute blieben immer gerechtfertigt, und fo find dicfe
Yandredhte für die Städte ein großer Schaden, denn die adeligen Herren
rihten und die adeligen Zpikbuben rauben auf den Straßen und ver.
leugnen es dann.” Diefe Schilderung ijt allerding® parteiifch, aber des
halb nicht grade unzutreffend. Mean vergleihe nur das Urtheil, das der
König ſelbſt im Streite der Prager mit Kopidlansküi fällte Diefer,
der Jahre Hindurdy himderte von Bürgern und Bürgerinen au Armen,
') Letop. 302.
— 227 —
Beinen, Naſen und Brüſten verſtümmelt, wurde von jeder Mackel einer
Unehrenhaftigfeit freigeſprochen, die Bürger aber, die ſich gegen ihu ge—
wehrt, zu 40.000 fl. veruriheift, die Tchließlich auf dem Gnadenwege auf
3500 fl. herabgemäßigt wurdeır.
Für ſolches Rechtsweſen follte nun bei den Bürgern Propaganda
gemacht werden, die feit Jahrhunderten ein geordneteres Rechtsverfahren
fannten. Dieje Stage des Ständeftreites trat von nun an in den Vor—
dergrumd, beide Parteien rüfteten fich zu neuer Gegenwehr. Um dieſe Zeit
tritt und zum eriten Male der Name eines Mannes entgegen, der von
nen an als der eigentliche leitende Geiſt nicht mw der Stadt Yeitmerig,
fondern neben den Häuptern der prager Bürgerjchaft auch ala Repräfentant
des Bürgerthums und als einer feiner waderjten Kämpfer erſcheint —
8 iſt Menzel von Repunitz, ein Mann jener Klaſſe, über die ſich
ſchon vordem der Adel fo bitter geäußert, der obgleich ritterlicher Abkunft
md, wie der alte Stadtjchreiber mit einiger Bewunderung von ihm rühınt,
felbjt „gegürteter Ritter“ das Geordnete des Bürgerlebens dem damals
arg verwilderten Ritterthume vorzog und num mit Hand und Mund gegen
jene eigenen vormaligen Standesgenofjen vertheidigte. Wenn fein Bildniß
im großen Gancionale getroffen ift, war er ein ftämmiger, ja ziemlich
befeibter Mann von chrwürdigem Weußeren; fein Wappen führte zıvei
erhobene Eifenfänite. Auf weiten Reifen hatte er ſich cine weltmänniſche
Bildung erworben, die ihn nebjt jeiner Beredfamfeit zu Gefandfchaften
vorzüglich geeignet machte. Seinem Glauben nach war er ebenjo eifriger
Ealirtiner, wie feine politiſche Ueberzengung ihn zu einem Freunde des
Bürgerthums machte. Da er nebenbei anch nicht ohne Vermögen und
feinen bürgerlichen Erwerbszweig zu betreiben gezwungen war, fo ijt es
begreiflih, daß er in der Bürgergemeinde bald eine hervorragende Stel-
Img einnahm und zu wiederhoften Malen an der Epige ihrer Vertretung
ericheint, aber auch ebenſo begreiflich, daß er den befondern Haß des Adels
anf ſich (ud, dejjen Nachſtellungen zu entkommen ihm nicht immer gelang. !)
Rdepuitz hatte bisher als Vaſall ein Amt bei der Herifchaft
Yobofig befleidet, dich aber nad dem Tode Albrehts von Kolo-
wrat?) aufgeben wollen ohne die Genehmigung der neuen Herrichaft ?)
) Die folgend: Taiſtellung beruht auf gleichzeitigen Aufzeichnungen und Bıiefcupien,
die Ah im einem im Jahre 1512 angeleatın Gopiatbuche im let. Gt. bee
finden. °) Kolowrat 7 25. Mai 1510. Repnitz erfcheint noch am 8. April 1511
ım Graupen. Siehe Hallwich, Graupen S. 4 ?) Die Witwe Anna von Kowan
and ihre Schwiegerſöhne Johann und Bernhard von Waldſtein auf Kofler.
15*
— 22383 —
erlangen zu können. Endlich ſchloß er eigenhändig feine Rechnungen,
legte fie der Herrichaft vor, die fie indeß nicht annahm, und begab fi
auf eigene Fauſt in die Stadt, wo er gern aufgenommen wurde Um
fih nun ganz deren Intereſſen widmen zu fönnen, übergab er feinen
eigenen Befig an Grund und zinsbaren Bauern der Gemeinde, die ihm
fortan zwei Theile desſelben ausfolgte, den dritten aber für ihre Mühewaltung
feinem Willen gemäß behielt.) Mit ihm kam ein neuer Sauerteig in
den Kübel des allzu langſam gährenden Ständeftreits; denn fo wie bie
Gemeinde an ihm bald einen gewandten und energifchen Führer gewann,
jo gewann fie durch ihn auch neue Feinde, die Bewegung wurde zugeſpitzt,
und ihrer Entſcheidung näher geführt. In dieſer Hinficht war es eben
fein Unglüd, daß alle feine perfönlichen Feindichaften nun auf die Stadt
übergiengen.
An folchen fehlte es freitich aud) ohnedieß nicht. Außer den allge-
meinen Beſchwerden gegen die Anſprüche des Adels hatte die Stabt nodh
ihre bejonderen gegen faft jeden ihrer Nachbarn, wenn diefe es auch hie
und da wieder einmal in ihrem Interefle fanden, fi) fogar mit der
Stadt zu verbinden. Die einen der Herren, wie etwa die von Boreg,
Hafenburg und andere, begehrten nichts mehr als freie Wafferftraße
auf der Elbe für ihre Getreideladungen und wurden erbittert, wenn die
Gemeinde die nnerfüllbare Bitte abfchlug, andere wie die Elftibor
auf Kameik und Gernofet errichteten ohne Rückſicht auf die Rechte
der Stadt nene Zollfchranten und Wirthshäufer und begannen durch ver-
rufene Helfershelfer ihre Yeindfeligfeiten gegen jene, jo oft fie dagegen
Klage erhob. Sperrte die Stadt einen derartigen Gauner ein und war
er auch ihr eigener Unterthan, wie ein gewifler Hawelka, fo refla-
mierte ihn Elſtibok als den feinen und fette dur “Drohungen und
Seindfeligleiten feine Yreilaffung durd. Für das Haupt und die leitende
Seele fämmtlicher gemeiner Stadt Feinde aber hielt diefe felbft ihren
geiftlichen Nachbar, den Probft Johann Zäk, obwohl diefer nicht alfein
jelbjt bürgerlicher Abkunft, fondern fogar ein Kind der Stadt Leitmerig
war, und, wie diefe wenigſtens behauptete, jeine Pfründe nicht zum ge-
ringften Xheile ihrer Fürbitte zu danfen Hatte. Stoff zu Streit und
Zanf lag allerdings genug vor. Durch die Ummälzungen, die die Hufiten-
bewegung im Gefolge hatte, waren die Befigverhältniffe mitunter unlösbar
verwidelt geworden. Brobft Zäk aber mußte um fo mehr mit feinen
') Contract vom 18. Mai 1612.
— 229 —
Nachbarn in Unfrieden und Feindſchaft gerathen, als er ſich in feinem
Heinen Staate mit ganzer Seele einer umfafjenden Reftaurierungspolitit
bingeben zu müſſen glaubte. Indem es ihm nicht genügte, das nad)»
weislich unrechtmäßig Entzogene zurüdzufordern, griff er mit feinen oft
rein erfonmenen Forderungen bis in die fagenhafte Vorzeit zurüd und
verbächtigte dadurch ſelbſt die VBerläßlichkeit feiner übrigen Nechtstitel.
Es war kein Zweifel, daß nunmehr die Bürger in mandhem Weinberge
Die Trauben lafen, der noch vor hundert Iahren zur Probjtei oder zum
Lepitel gehört hatte; aber lachen mußten die Bürger darüber, wie ihnen
zen auf einmal ihr gelehrter Deitbürger von chedem hiſtoriſche Vorle
fungen hielt, in denen er behauptete, daß die zur Probjtei gehörigen Ge—
bäude anf der Neuitadt von König Ottokar zur Stadt erhoben worden
feien und Namen wie Rechte einer königlichen Stadt befäßen, jo daß
die Leitmeriger fie in ihrem Handel und bürgerlichen Rechte nicht
flören, viel weniger noch, wie fie das thäten, ſich die Herrfchaft über
Einzelne derfelben anmaßen follten u. dgl. m.) Da fi indeß durd
derartige Belehrung nichts erreichen ließ, wandte ſich der Probjt ciner-
jeite mit umanfhörlichen Klagen an das k. Kammergeriht, während er
anderſeits mit allen Widerfachern der Stadt in freundliche Beziehungen
trat nnd diefe felbft mit Geld unterftüßte Wie nun Repnik die auf
ihren Rechten und Freiheiten feſt beharrende Bürgerfchaft zu vertreten
begann, fo fand doch auch der Probft unter diefer felbjt einzelne In⸗
dividnen, bie jenem entgegen arbeiteten. ‘Der Rath ftand damals noch
nicht an der Spige der Bewegung, fondern verhielt fich vielmehr ziemfich
paflin oder fchwantend, bis er dem Drude der Gefammtbürgerfchaft, deren
teitende Seele Repmit wurde, che er noch ein bürgerfiches Amt bekleiden
forımte, nachgebend eine entichiedenere Stellung einnahm. Auch die Partei,
die nie ganz fehlend zu allen Zeiten gencigt ijt, Recht, Freiheit und Würde
uam einen freundlichen Blick der „Hochgeftellten” zu verkaufen, fand ihren
Bertreter und zwar in einem gleich frechen wie fervilen Meifter von der
Zeche ber Bleiihhader, Namens Johann Kudiwid, dem entjchiedeniten
aber auch unwürdigiten Gegner des Ritters von Repnitz.
As 1511 der Unterlämmerer Burian Trcla von Lippa, von
Raudnitz aus Nachbar der Stadt, zur üblihen Rechteverneuerung
nach Leit meritz kam, verbreitete fich in der ganzen Stadt die aufregende
Nachricht, er fei mit Gewaltbriefen verfehen, denen gemäß ihm einzelne
") Stiänosti na pp. Litomöritti, Ms 1. ©t.:.
-- 230 —
Perſonen aus der Stadt zur Beſtrafung ohne vorhergegangenes Verhör
und ohne daß man ihre Schuld eigentlich kannte, übergeben werden ſollten.
In Wirklichkeit verlangte derſelbe, daß ihm in gewiſſen Fällen nicht nur
der Richterſtuhl, ſondern auch die entfallende Buße zuſtehe, und behauptete
die Schenkung legterer vom Könige erbeten zu haben. Ex war dieß ein
nener Schlag, den der Adel gegen das Bürgerthum zu führen gedachte,
inden er den König bereder hatte, die Stadtgerichte dem ftolzen Buriau
Treka im Hinweis auf die ehemalige Stellung des Unterkämmerers zu
denfelben wieder zu überantworten. ) Dem Rathe eutficl alter Muth
um fo mehr, je größer der Reſpect vor der anweſenden Auctorität und
die Furcht vor der großen Aufregung in der Volksverſammlung war. Da
trat Repnitz unter die Maſſen, die fid) vor dem Rathhauſe verſammelt
hatten, und forderte jie auf zu beſchließen, daß auch feruerhin alle Prozeſſe
einschliehlid) derer wegen Ehrenbeleidigung in Yeitmerig jelbft nad) Diagde-
burger Rechte gefchlichtet werden follten mit Ausnahme derer um [andtäflichen
Grundbeſitz und entlanfene Yeute, daß jeder, der fortan diefen Beſchluß
wingehen würde, binnen vier Wochen die Stadt auf immer verlaffen jolle
und daß aus der Gemeinde cine Geſandſchaft au den Rath geſchickt
werde, die ihn zu würdigem Handeln auffordern ſolle. Alte ſtimmten bei,
nur der rohe Kudiwid Ihimpfte. Zwölf Männer aus der Bürgerfchaft,
Stepnig an ihrer Spige, traten vor den Rath, nachdem das gejammte
Volk den vorzutragendeun von Repnitz verfaßten Artifeln beigeſtimmt
hatte. Der fo gedrängte Rath ſah jich gezwungen, dem Begehren der
Bürgerfchaft beizutreten, um diefe, die fur den andern Fall anf Repnitz's
Antrag befchloffen harten, ſelbſt unmittelbar vor den König zu gehen und
den Rath dafelbft der Fahrläſſigkeit anzuklagen, einigermaßen zu be-
ruhigen. °)
Der ganze Vorgang wurde dent Nönige von Seiten des Rathes
mit der angelchloffenen Bitte berichtet, da die Gemeinde bei all den dem
Unterkämmerer vorgewieſenen Privilegien, vorzugsiweije aber bei dem (Se
brauche de8 Magdeburger Rechtes erhalten und die ihr nad) dieſem,
das „ganz genau alle Strafen, die dein Nönige, dem Unterkämmerer und
Hofrichter, den Richtern und Parteien zutcmmen, beſtimmt“, zufallenden
Bußen belaffen werden möchten.
Bald darauf gieng Repuitz ohne Auftrag der Gemeinde im eigenen
Namen vor den König und brachte von dieſem Briefe an die Gemeinde
) Berpleihe Palady Giſch. v. 8. V. 2. 200. °) Nach dem Gedeulbuche der Stadt:
Sayreiber fiele jene Beiſammlung auf den 13. December 1511.
mit, über deren Inhalt fi) der Unterkämmerer fehr beforgt zeigte, bis
ihm der Rath denjelben unter dem 14. Jänner 1512 kurz mittheilte. Kaum
deimgekehrt begab ſich unſer Ritter in die Berfanmlung des eben tagenden
Kathes und verlangte, daß die Bürgergemeinde durch das übliche Glocken—
zeichen zufammengerufen werde, worauf er diefer die mitgebrachten könig—
lihen Schreiben vortrug. Die Bürgerfchaft trat hierauf aus dem Saale
und Repnig, deffen Beitrebungen dem Könige offenbar in verdädtigender
Reife hinterbradht worden waren, verlangte von dem Rathe ein Zeugnis
über den Inhalt jener Wünſche, die er ihm vordem im Namen der Ge:
meinde vorgetragen. Da begehrte Kudiwid Einlaß in die Ratheftube
und klopfte und polterte an der Thür; als fie ihm nicht gleich gewährt
wurde, Ichimpfte dann endlich eingelajfen: er habe gar wohl verjtanden,
wie man etwas gegen den König und Unterkämmerer vornehme, er habe
damals in der Gemeinde dagegen geichrieen und nicht cingewilligt und
werde es auch nie thun. — Der Rath bedeutete dem Schreier, er möge
mit ſolchen Reden nicht Aufruhr ftiften und trat dann felbjt aus dem
Saale hinaus, wo der Bürgermeiſter der noch verfammelten Gemeinde
die Reden Kudiwids mittheilte. Cine ungeheure Bewegung entjtand hie-
durch unter den entrüſteten Bürgern, alle betheuerten faut, daß fie mit
nihts gegen König und Unterkämmerer gehundelt und verlangten un
geftüm die Beitrafung des Berleumders. Der Rath konnte die Gemeinde
nicht anders beihwichtigen, als daß cr Kudimid auf Treu und Glauben
das Verſprechen abnahm, wegen der der Gemeinde angethanen Belei-
digung fih vier Wochen nad) erfolgten Befehle vor den König jelbjt
sur Berantwortnng zu jtellen, bis dahin aber fih in Wort und That
friedlich zu verhalten. Bier Bürger übernahmen für ihn die Bürgfchaft,
Kudiw.id aber wandte fi von allen Gegnern der Gemeinde unterjtügt
an den Unterkämmerer jelbjt und verurſachte der Stadt nod manche De:
ſchwerde.
Am 23. April 1512 verſammelte ſich der Yandtag der böhmiſchen
Stände, auf welchem der alte Streit aufs Neue ausbrach, als die Städte
bei vielen Berathungen unberüdjichtigt blieben und in Folge dejfen ein-
müthig gegen feine Bejchliufe protejtierten, ) unter denen ſich auch der be-
fand, daß von nun an die Schifffahrt auf der Elbe für alle Frachten
auf: und abwärts frei ſein ſollte, wodurch die wichtigſten Privilegien einzelner
Städte einfach gebrochen werden jollten. Gleich darauf berichteten die
) Letop. 333.
— 232 —
Prager an alle Städte über diefen Ausgang des Landtages und forderten
die Magiftrate auf, fih mit ihren Gemeinden darüber zu berathen, ob
fie alle damit einverftanden feien, daß fie zu den widerrechtfidh gegen fie
erlaffenen VBorladungen nicht ftehen, kein Zeugnis in der Weife der Bauern
knieend abgeben, alle folgen diefer Weigerung aber auf fih nehmen und
mit Gut und Blut für die gemeinfame Sache einftehen wollten. Bereits
am 13. Mai antwortete die gefammte Gemeinde den Pragern:
„sa, wir verfchreiben uns mit diefem Blatte euch und jedem einzel-
nen von euch in diefem Vorhaben, und fo jemand zu diefen ungerechten
Borladungen nicht jtehen wird, mit Ausnahme der ausbedungenen Dinge,
d. i. wegen freien Erbes, entlaufenen Unterthanen, werben wir ihn nicht
verlaffen bis in den Zod und unfere volljtändige Befiegung, fo wie
wir überzeugt jind, daß auch ihr uns nicht verlaßt.... Wißt auch, daß
wir gar wohl erkennen, was für eine bedeutende, Herren und Nittern
wohl unleidfiche, aber von uns aus Gottlob gerechte Sache ihr mit uns
unternehmet, die Standhaftigkeit, Muth, Vertrauen und Kinhelligleit er-
heifcht, wenn fie zu einem guten, löblichen und ehrenvollen Ziele geführt
werben fol. Auch wollen wir es fo in Freundfchaft halten, daß weder
ihr euer Beftes durh uns, noch mir das unfere durch euch verfolgen,
fondern vielmehr daß wir das gemeine Befte unferes Bürgerſtandes
betreiben.” Alle andern Städte Böhmens antworteten in ähnlichem Sinne,
und fo entbrannte der Streit aufs Neue. Wieder wandten ſich beide
Theile un den König, wieder erhielt nur der Adel ein gnädiges Gehör.
Es kam fo weit, daß Ritter Rendel, der königliche Prokurator,
durch ein königliches Dekret ermächtigt die Bürger durch Berhaftungen
mit Gewalt vor das Landrecht zu ftellen fuchte, ja fogar dem Könige
rieth, die vor ihm erfchienenen bürgerlichen Abgefandten in Gewahrfam
zu nehmen.
Am 19. Mai 1513 follten fi Repräfentanten fämmtliher Städte
in Brag verfammeln, und aud) Stepnig begab fi im Namen der Stadt
Leitmeritz auf den Weg, wurde aber in Welwarn überfallen und
verhaftet.) Nichts defto weniger wählten ihn die verfammelten Städte-
bothen, denen der Brager Bürger Johann Hlawſa die Kunde des Ge-
ichehenen mittheilte, in jenen ftändigen Ausfhuß, der aus 28 Bürgern
beftehend von nun an die Angelegenheiten des Bürgerftandes von Prag
') Letop 842.
— 233 —
ans leiten follte.') Auf welche Art Repnik aus der Haft wieder befreit
wurde, ift uns unbekannt. Jedenfalls entkam er derfelben in Eurzer Zeit.
Tas erfte, was der erwähnte Bürgerausfhuß des Yandes Böhmen
that, war der Abſchluß eines Bündniffes mit dem ſchleſiſchen Fürjten
Bartholomäus von Münfterberg, dem Neffen König Georg, zu gegen-
jeitigem Schug und Trug. Der Fürſt ließ fid) jährlid) 500 Sc. gr. von
den Städten zahlen und den Schuß feiner Bejigungen in Böhmen ga—
rantieren, wofür er die Vermittlung zwilchen den Städten und dem Könige,
zn dem er leichter und unbehinderter Zutritt fand, als die Städtebothen,
übernahm, fo wie er ſich auch verpflichtete im Falle der Noth den Städten
mit einem bewaffneten Heere auf ihre Kojten zu Hilfe zu kommen.
Auch Hiezu hatte in Qeitmerit wieder die Gemeinde felbjt jeden-
falls auf Anregung Repnitz's die Initiative ergriffen, indem diefe bereite
em 15. Mai dem Rathe „befahl“, nit den Pragern zugleich dem Fürften
das Berſprechen zu leiften, ihn im nichts zu verlaffen.
Der Bürgerkrieg erfchien fomit faft unvermeidlich und die Yeitineriger
rafteten nicht in der Berforgung ihrer Stadt. Sie bauten in dieſem Jahre
eine zweite Dauer um einen Theil derjelben und Trönten die ältere beim
Michaelsthore beginnend gegen das Dominikanerkloſter zu mit Zinnen
und gededten Umgängen („Pawlatſchen“)*). Eben fo notwendig war es
aber auch, fich der einzelnen Bürger nnd Inwohner der Stadt felbft zu
verfihern. Deßhalb berief der Rath auf den 27. Mai (1513) die ganze
Gemeinde vor fih, um jedem der Anwefenden einzeln folgenden Eid
abzunehmen: „Sch verfprehe auf Ehre und Glauben in dem, was wir
im Bunde mit den Pragern und den übrigen Städten unferes Rechtes
und unferer Freiheit halber vorgenommen, Keinen einzigen im Stiche zu
laſſen, fondern ihm beizuftchen mit Gut und Blut bis in den Untergang.”
Ebenjo mußte jeder fchwören, „dab er feinen andern für feinen Herrn
halten wolle, al8 den König und an feiner Statt Bürgermeifter und
Rathmannen.“
Nicht lange darauf kam der Unterkämmerer nah Leitmeritz
und bradte ungnädige Briefe vom Könige mit, in denen befonders die
Käthe der Verführung des Volkes beichuldigt wurden. Dagegen überreichten
ihm die Gemeindeäfteften eine fchriftliche Erklärung tm Namen der Bürger:
fhaft mit der Bitte, dem Könige zu berichten, wie fie alle bis auf einen
behaupten können, nie etwas in der Dandlungsweife der Räthe bemerkt
) Palacky DEj. V. 2. 218. ?) Gebentb.
— 236 —
mal perfönficd die Stadt zu verlaffen. Er wolle vielmehr Haus und Gut
feinen Kindern übergeben und bei diefen hinfort al8 Saft wohnen, ihnen
mit Rath und That in ihrem Gewerbe zur Seite ftehen, ohne aber felbft
bürgerlichen Erwerb zu betreiben. Dagegen behauptete der Magiftrat,
Behem hätte fein Gut, als unter Stadtrecht ftehend, wol jo fange an
feine Kinder abtreten können, als er ſelbſt noch das Bürgerrecht befaß, ſeit
er aber „abgefallen“ fei von der Bürgerſchaft, könne er fein Gut auch
feinen Erben nicht übertragen, fondern müſſe es an einen Bürger ver:
kaufen und die Stadt verlajfen. Cr bezog ſich hiebei auf das feiner Zeit
erwähnte Privileg König Johann's vom 2. Juni 1329, dasjelbe dahin
deutend, daß die Bürger niemand in ihrer Mitte zu dulden hätten,
der nicht mit ihnen die gleichen Laſten nnd Pflichten, Gutes und Uebles
trage. Beide Parteien wandten ſich ſchließlich an die Schöppen von
Magdeburg Diefe entfchieden, daß Behem nicht gehindert werden
könne, fein ſchoßpflichtigss Gut auf feine Kinder zu übertragen, wenn
er für diefe feine Entlaffung aus dem Gemeindeverbande genommen habe,
d. h. wenn dieſe troß des Wappens Bürger bleiben, dagegen brauche
ihm die Stadt aber nicht zu gejtatten, feinen bleibenden Aufenthalt bei
feinen Kindern zu nehmen, wofern fie den Beſitz des citierten Privilege
nachweiſen kann, wol aber könne er fodann von einem Wohnfige außer:
halb der Stadt zu feinen Söhnen kommen und als Gajt bei ihnen fi
aufhalten \. Es ijt fein Zweifel, daß die Stadt das bewußte Privi-
legium auch fernerhin in diefer Weife geltend machte, fo wie, daß ſich
Ritter Behem als der ſchwächere fügen mußte.
In Brag wurden mittlerweile die Verhandlugen der Bürgerbothen
mit dem fchlejischen Fürften fortgeſetzt, ja felbft der fächſiſche Churfürſt
bot den Städten feine guten Dienjte an, und fo gelang es wirklich, den
König für diefe etwas günftiger zu ftimmen. “Der geldbedürftige WIa-
dislav konnte aber feine Gunft natürlich nicht umfonft verfchenten,
fondern verlangte dafür ein Faßgeld vom Biere und ein Geldanlehen.
Beides bewilligten die Städte gern, nicht fo aber die verlangte Auflöfung
ihres Bundes, dem fie die bisherigen Fortfchritte zu danken Hatten. Biel:
mehr zeigten fie bereits dem Könige gegenüber cine lange Zeit unüber-
windliches, allerdings nicht ungerechtfertigtes Miktrauen.
Am 23. Detober kam der Fürſt Bartholomäus felbjt nad
Yeitmerig, — wahrfcheinlih, um durch feine perfönlide Einwirkung
) 8. St. A. Weistfum N. 22.
— 13355 —
gehöre Ludmilla eben nah magdeburger Recht nicht mehr vor
das Stadtgericht, fondern folge dem Manne vor fein Rechtstribunal, fo
daf die Sache vor das Kammergericht gezogen und in den großen Stände:
jereit mit verflochten wurde. Dazu kam nun nod, daß der Rath aud)
Polens! am 25. Auguft vorfud und ihr die Erklärung abverlangte,
ob fie fanımt ihrem Gute bei der Sade der Gemeinde ansharren und
für dieſe einftehen würde. Könne fie das nicht, fo dürfte fie auch gleich
allen anderen in der Stadt nicht ferner ihre Wohnung haben. Sie be-
hauptete, fi) in Abwefenheit ihres Gemahls zu feiner Antwort entſchließen
su können und erhielt eine Bedenkzeit von vier Wochen, binnen welder
fie jedoch die Stadt verlaffen zu haben und ihrem Gemahle nachgezogen
zu fein Scheint. Polensk ftellte dies alles den Negenten durch Herrn
von Smeina, wiewohl etwas ungenau, dar, indem er fagte, man hätte
fein Weib mit Gewalt zum Schwure gezwungen, niemand nad anderem
Recht zu befcyuldigen als nad) Magdeburger Stadtrecht, nud als fie nicht
eingewilligt, fondern licher ihr Gut dem Rathe zum Kaufe angebothen,
da babe ihr dieſer geantwortet, er brauche ihr Gut nicht, und fie aus
der Stadt gejagt. Bei den Yandrehtszuftänden jener Zeit war die Frage
eben groß und verwidelt genug, um fchlichlic ihre Enticheidung nur noch
duch die Waffen finden zu können, mit welchen Polensk bereits vor
dem von ihm felbjt gewählten Tribunale deutlich genug drohte. AMehnliche
Streitigkeiten muß es in jener Zeit noch mehrere gegeben haben, wie aud)
diejenige hicher zu gehören [cheint, die die Stadt mit Thomas Bchem hatte.
Diefer war unbelannter Verdienfte wegen in den Adeljtand erhoben
worden, nichts dejto weniger aber eine Zeit lang ruhig als Bürger in
der Stadt geblicben. Endlich fiel e8 ihn ein, den Ritter zu fpielen,
und er verlangte vom Rathe feine Eutlaffung aus dem Gcemeindeverbande,
um jedoch hinfort als freier Edelmann in der Stadt und unter den Bürgern
su leben. Cine Zeit lang lich dieß die Bürgerichaft ruhig geichehen,
hierauf aber — vielleiht war das Benehmen des Mannes nicht ohne
Schuld — ließ iyn der Magijtrat vor ſich rufen und erflärte ih, da
er einmal die Eutlajfung aus der Gemeinde genommen habe, fo möge
er nun aud die Stadt wirklich verfallen und auszichen. Den jungen
Ritter übırlam eine Ar: Entrüjtung, jo daß er vorjchnell erklärte : „und
follte ih aus der Stadt nicht mehr gehen können, jo will ich hinaus
kriechen!“ — womit [chließlid) der Magiftrat ganz zufrieden war, nicht
fo aber der Ritter. Bei ruhigem Blute behauptete er, es fei ihm nicht
eingefallen, für feine Familie die Entlafjung zu verlangen, ja nicht ein-
— 236 —
mal perfönfich die Stadt zu verlaffen. Er wolle vielmehr Haus und Gut
feinen Kindern übergeben und bei diefen hinfort als Gaft wohnen, ihnen
mit Rath und That in ihrem Gewerbe zur Seite ftehen, ohne aber felbft
bürgerlichen Erwerb zu betreiben. Dagegen behauptete der Magiſtrat,
Behem hätte fein Gut, al8 unter Stadtrecht ftchend, wol fo lange an
jeine Kinder abtreten können, al8 cr ſelbſt noch das Bürgerrecht beſaß, feit
er aber „abgefallen” fei von der Bürgerfchaft, könne er fein Gut aud
feinen Erben nicht übertragen, fondern müffe es an einen Bürger ver:
kaufen und die Stadt verlajfen. Er bezog fich hiebei auf das feiner Zeit
erwähnte Privileg König Johaun's vom 2. Juni 1329, dasfelbe dahin
deutend, daß die Bürger niemand in ihrer Mitte zu dulden hätten,
der nicht mit ihnen die gleihen Yaften nnd Pflichten, Gutes und Uebles
trage. Beide Parteien wandten ſich Ichließlih an die Schöppen von
Magdeburg Diefe entfchieden, daß Behem nicht gehindert werden
könne, fein fchoßpflichtiges Gut auf feine Kinder zu übertragen, wenn
er für diefe feine Entlajfung aus dem Gemeindeverbande genommen babe,
d. h. wenn dieſe troß des Wappens Bürger bleiben, dagegen brauche
ihm die Stadt aber nicht zu geftatten, feinen bleibenden Aufenthalt bei
feinen Kindern zu nehmen, wofern fie den Beſitz des eitierten Privilegs
nachweifen kann, wol aber könne er fodann von einem Wohnfige außer-
halb der Stadt zu feinen Söhnen fommen und als Gaft bei ihnen ſich
aufhalten ). Es ijt fein Zweifel, daß dic Stadt das bewußte Privi:
legium auch fernerhin in diefer Weiſe geltend machte, fo wie, daß fich
Ritter Behem als der fchwächere fügen mußte.
In Prag wurden mittlerweile dic Verhandlugen der Bürgerbothen
mit dem Schlefiichen Fürſten fortgeſetzt, ja felbjt der ſächſiſche Churfürſt
bot den Städten feine guten Dienjte an, und fo gelang es wirklidh, den
König für diefe etwas günftiger zu ftinmen. Der geldbedürjtige WI a-
dislav Fonnte aber feine Gunſt natürlich nicht umfonjt verfchenfen,
fondern verlangte dafür ein Faßgeld vom Biere und ein Geldanlehen.
Beides bewilligten die Städte gern, nicht fo aber die verlangte Auflöfung
ihres Bundes, dem fie die bisherigen Fortfchritte zu danken hatten. Biel:
mehr zeigten fie bereits dem Könige gegenüber eine lange Zeit unüber-
windliches, allerdings nicht ungerechtfertigtes Mißtrauen.
Am 23. October kam der Fürſt Bartholomäus felbit nad
Yeitmerig, — wahrſcheinlich, um durd feine perfönliche Einwirkung
8, ©. X. Weiethum R. 22.
— 2397 —
die Bürger für feine Bermittlungsvorfchläge zu ftimmen, bewies ſich diefen
gegenüber äußerft liebevoll und wurde mit Ehrenbezeigungen überhäuft.
In gleicher Angelegenheit kam am 29. darauf eine ganze Gejandfchaft
son prager Bürgern, an ihrer Spite Johann Hlam fa, in den leitmeriger
Kreis, um mit den Städten desfelben befonders über die dem Könige
zu leiftende Geldhilfe zu verhandeln. Zu gleicher Zeit war aud der
Hefrichter gegenwärtig, um den Rath zu verneuern und einen ihm feit
einiger Zeit aufgebrungenen „ſchimpflichen“ Schwur desjelben wieder gegen
den alten zu vertaufchen. Dierauf wurde auf einer Bürgerverfanmlung
Anfang November befchlojlen, vier Gefandte des Bürgerftandes an den
König nah Ungarn zu fenden, wohin fid) eben auch Abgeordnete der
übrigen Stände begaben. inter diefen vieren machte ſich auch Wenzel
Repnitz ala Vertreter der Föniglichen Landſtädte am 18. November von
Brag aus auf den Weg nah Dfen. Die Bürger fanden dießmal
wenigſtens freundlichere Aufnahme beim Könige und fehrten am 28.
Dezember mit dem Verfprehen zurüd, der König werde die „S. Jakobs
beſchlüſſe“ des Jahres 1508 aufheben und ſomit wenigftens die oberite
Regentihaft Böhmens aus den Händen der den Städten am meijten
feindfeligen Adelspartei nehmen. Doc gelang es trog mehrmaligem
Zagen nicht fo leicht, dem Berfprechen Genügeleiftung zu verichaffen, ia,
feit durch Bartholomäus’ Bermittlung die Städtefrage wieder in
ihre richtige Stellung zum Königthume gebradht war, fchien der Bür
gerfrieg näher als je, befonders weil der Adel uunmehr auf das ge:
waffnete Heer hinweiſen konnte, das die Städte unter dem Überbefehle
des Fürften aufgejtellt hatten. Auf den Yandtagen beriethen ſich bereite
wieder Adel ımd Städte gefondert und [eßtere mußten proteftieren gegen
den Vorgang der erfteren. Ein Trojt war ihnen dagegen die Mitthei—
Inng des Schlefiers, daß fih der König mit ihrem Programme zur He-
bung feiner Macht einverftanden erflärt hätte.
Bartholomäus ermahnte ferner am 25. Feber die Gemeinde
dringend, beim Könige und feinen Erben treu zu ftehen, aber auch die
Geheimniſſe der Berathungen zu bewahren, am 17. März aber fandten
die Städte an den Adel ein gemeinfchaftliches Vertheidigungsichreiben ihres
Verhaltens. Doch ließ fih auf diefen Wege der vielfeitige Streit am
wenigften beilegen; ja es fchien vielmehr, al8 ob immer neue und neue
Materien des Zwiftes und Unfriedens auftauchen follten.
Sogar der alte nationale Zwiſt blühte wieder fröhlich auf und
in dem Streben nah einer gewiffen Abfchließung der Bürgergemeinde
— 2383 —
fand man auch den Rechtstitel zur Tang erfehnten Ansichließung alles
immer nod) etwa vorhandenen Deutſchthums, das fonft in all dieſe
Fragen nicht anders eingriff, als daR c8 den Rechtsgrund für alle An:
forderungen des Bürgerthums überhaupt gelegt hatte und auch nun nod
die geijtigen Waffen zu ihrem Schutze both. Man fand die Gelegenheit
günftig zu dem Gemeindebeichluffe, „daR Feine Deutfhen und Fremd
länder in dieſe Stadt aufgenommenen würden, denn ihre Gnaden (bie
Käthe) haben das gemeinfchaftlid erwogen, daR fchlieklich dieſe Lente,
die aus ihrem eigenen Yande davongegangen find, ums zu feinem Nuten,
fondern zu Zanf, Streit und beftändiger Befürchtung vor Aufftand und
Schaden gereichen könnten.” Man fürchtete nunmehr, durch die Aufnah
me von Deutſchen in den Gemeindeverband Feindſchaft mit ihren vor:
maligen Herren zu provozieren, oder hüllte doch in diefen Lügenmantel
die nationale Unduldſamkeit und fteifte fich gleichzeitig im Kampfe für
das Prinzip der Nichtauslieferung immer noch auf einen Rechtsgrundfag,
den gerade die Deutſchen nad Böhmen gebradht hatten. Nur dicfe
ollten nun von der fonft allgemein in Anspruch genommenen Rechte
wolthat ausgefchloffen werden.
Dagegen verfuchte es die Gemeinde, fi mit Bolenst, von dem
man ſich nichts Guten verfah, jo gut es gieng auseinander zu fegen.
Schon liefen Briefe von dem und jenem Nachbar ein, die halb warnend,
halb fchadenfroh berichteten, welche bedrohliche Reden Polensk führe.
Schon fchrieb der Rath an Wenzel von Sulomwik,!) die Gemeinde
wolle in Sachen Polensk's jedes Schiedsgericht anerkennen, gehe aber
Polensk darauf nicht ein, fo müſſte fie nun fchon „die Sache ihrem
Herrgott anheim ftellen und ſich mit ihren Freunden berathen” — welch
(egtere ftehende Nedensart das Aufheben des Fehbehandfhuhs bedeutete.
Doch murde auf Vermittlung des Johann von Priefen wirklich noch ein
Schiedsgericht ermittelt, da8 ſowohl über den Streit des Polenek mit den
Bürgern wegen der Erbfchaft feiner Gemahlin und dem erfloffenen Urtheife,
ale auch über den mit der Gemeinde, der er bereits den Kauf feiner Güter
anboth, und über die Entſchädigungsfrage entfcheiden ſollte. Als Richter
(Lbermanope*) wurden außer dem Unterkämmerer und Hofrichter noch Jo—
hann von Priefen, Nikolaus Treͤka, Oppel (Vitztum), Plankner von
Blankenſtein und Yorenz Glatz anerfannt, die ſich um Nechtsbelehrung
nah Magdeburg wenden und hienad den Streit bis längftens zu St.
N 24. Mai 1514.
— 239 —
Wenzel geſchlichtet haben ſollten. Am 3. Juli verhandelten die Parteien
u Zeplig, doch ohne allen Erfolg, indem ſich die Schiedsrichter, wie
die feitmeriger Bothen berichteten, weigerten nah Belchrung und Weiſung
ein ordentliches Urtheil zu ſprechen, ſondern „die Zeit mit vielen unnügen
Reden verbrachten.”
Mittlerweile waren zu weiteren Unterhandfnugen mit dem Könige
am 23. Juni abermals Sefandte der Städte Prag, Yeitmeriß und
Pilſen — unter ihnen jedenfalle wieder Repnitz — von Prag aus
gezogen. Sie gelangten aber mit ihren 20 Mann Bedecknng nicht bie
Ungern, jondern wurden wegen der dortjelbjt herrichenden Unſicherheit
zurüdberufen. Die Kriegenoth in Ungarn ftimmt Wladislav noch
freimdlicher für die böhmiſchen Städte, von denen er als feinen „Getrenen“
eiligft 2.0090 Bewaffnete verlangte. Die Vertreter befchfoffen erjt, den
Auftrag fämmtlihen Städten zu übermitteln und am 13. Juli ihre Ant -
wort zu vernehmen. Rendel ſelbſt jandte cin Manifeſt an alle Städte,
in welchem er hervorhob, „wie ſich nun der Bürgerſtand in der ganzen
Chrijtenheit den Ruhm verfchaffen könnte, wie treu er zu jeinem Könige
itünde” — im Munde eines Adeligen eine recht überflüffige Bemerkung.!)
Am beftimmten Tage trafen die Städtebothen mit der einjtinmigen
Erflärung ein, dak die Städte bereit feien, dem Könige zu helfen; aber
auch die Unzufriedenheit mit dem Verzuge des Strittes, der die Städte
um ihr Vermögen zu bringen drohte, und mit der Trenlofigfeit einzelner
prager MagiftratSperfonen, die die Partei an die Herren verrathen hatten,
fand ebenfo lauten Ausdrnd. Um diefe Klagen ſämmtlicher königlicher
Yandftädte den Pragern und dem Fürjten Bartholomäus vorzutragen,
mußte der leitmeriger Bothe Wenzel von Repuitz das Wort für alle
ergreifen. Er grüßte die Prager im Namen aller Städte uud ſprach:
„Es ift euch nicht verborgen, was wir feit dem Tage, da wir in diefen
Bund mit euch traten, durch die zahlreichen Sefandfchaftsfahrten für groß-
artige Auslagen und Stoften bis zur Entleerung unſerer Gemeindekaſſen ge
tragen, alles in ber Hoffnung, daß unſere Sache einem Ichleunigen und gün
ftigen (Ende zugeführt werde, wic das auch der Fall wäre, wenn nicht unſere
Geheimniſſe verrathen würden. Bereits müſſen wir zufammen jchießen
und unter einander ſammeln und das zu umferem großen Ungemach, und
geht das noch lange jo fort, je fürchte ich, daß uns unſere Aelteſten
nicht mehr oft werden fahren laſſen, deun wir fchweben in großer Gefahr
n) Letop. 560, ff.
— 242 —
bereit, fi) einem Sciedsgerichte, zu dem auch er die Hälfte der Richter
wählen dürfe, zu jtellen. Die Gemeinde nahın fich feiner rückhaltlos an
und war Willens, felbft Gewalt mit Gewalt abzumehren. Sie fchloß
derhalb mit Repnitz einen förmlichen, ſchriftlich abgefaßten Vertrag und
verfprad ihm feierlich]t, ihm nicht zu verfaffen, wenn „etwas feindliches
abfeits des Nechtes über ihn käme“, dagegen haftet ihr diefer mit feinem
Gute gegen allen Schaden, den fie durch einen ordentlichen Rechtsgang
feinetwegen erleiden follte. Hierauf gieng ein Bote nad) Prag, um der
Gemeinde nöthigenfalls die Bundeshilfe zu fihern. Erſt hierauf (14. Ort.)
begab fi der Baccalar Martin Jeninek mit einer fchriftlichen Antwort
der Gemeinde nad Yobojik zur „alten Frau” — Anna von Kowan
— die fie annahın und ihren Söhnen zu melden verfprad. Die Ant -
wort enthielt außer der Anzeige des mit Repuitz geſchloſſenen Vertrages
und der anzuhoffenden Bundeshilfe eine Gutheißung deffen, was Rep-
nit dem Adel bereit8 mündlich gefagt hatte, verficherte, daß weder Rep⸗
nig noch die Städte überhaupt ſich vom Rechte [osgefagt, vielmehr dieſeẽ
zu ſchützen gedächten und ſchloß mit der befannten Formel bedingungs-
weifer Friedensfündigung: „Wolltet ihr fonft etwas gegen uns vornchmen,
jo müßten wir es nun fon unſerm Herrgott befohlen fein Taffen und
unfer Recht zu Hilfe nehmend mit unjern Fremden uns berathen.” Die
„alte Frau“ beftätigte den Bürgern mündlid, daß Repnitz allerdings
durch einige Freunde zu Teplitz von ihr die Entlaſſung genommen, auch
Rechnung gelegt und die Regiſter vorgezeigt, aber ſie hätte dieß alles
nicht angenommen und ihm die Entlaſſung verweigert. Weiter getraute
ſich vorderhand der Adel nicht zu gehen und die Sache blieb wieder eine
Zeit lang auf ſich beruhen.
Während der ganzen Zeit aber wühlte unter dem gemeinen Volke,
freilich auch da ohne ſonderlichen Erfolg, der ſcandalſüchtige Kudiwid,
band mit allen beſſer Geſinnten an und erregte ſelbſt auf offener Gaſſe
Raufhändel, bis ſich der Rath) bemüßigt ſah, zur Erhaltung der öffent—
lichen Ruhe den Störenfried in fein Haus zu bannen. Nur alle Samftage
foflte er in die Fleifhbanf und hierauf ins Bad gehen dürfen, außer
der Fleiſchbank aber durfte er mit niemand ſprechen, nod) weniger in
einem Wirthshauſe ſich ſehen Laffen, vor Allem aber der Stadt Feinden
weder fchreiben, noch Briefe oder Beſuche derfelben empfangen. - Der
Fleiſcher mußte das Alles zwar mit Handſchlag verſprechen (4. Sept.),
aber kanm war cr jo in fein Haus „vorfeſtet“, fo fpielten die wohlge⸗
exteten Jungen die Wolle des Alten, bis auch diefen für jedes Vergehen
— 241 —
hieß — gegen die bereit8 wieder unterworfenen ungarischen Bauern, ale
vielmehr gegen den drohenden Adel. Auch Wenzel von Repnitz zog aber
mal® mit dem Heere zugleih als Geſandter an den König und erzählte
nachmale, daß König Wladislav beim Anblide des wohlgerüfteten
Heeres vor Rührung ob der Treue der Bürger geweint und verfprochen
habe, ihnen diefe für afle künftigen Zeiten mit allem Guten zu danlen. !)
Wirklich brachte am 24. Auguft diefelbe Sefandtichaft thatfächliche Zeichen
der Töniglichen Gunjt, wie das Privilegium für die Brager, ihre Rathe-
monnen bei Abweſenheit des Königs jelbft einzufeken, damit nicht wieder
Organe des Adels auf die Rathejige gelangten. Die Bürger begannen
wieder Vertrauen zu ihrem Könige zu falfen und erfundigten fich mit
findlicher Anhängfichkeit um das Befinden feiner Perfon und Familie.
Die Gefandten konnten fie in ſoweit tröften, daß der König gefund fei
bie auf die Ichlechten Beine. Sie mögen nur treu ausharren bei ihrem
Borhaben, ließe er ihnen jagen, und fi von niemand abbringen laffen
von den Zielen ihres Bundes.) Dieſe Mahnung hätte eigentlih dein
Könige gegeben werden müſſen.
Te beiler die Sache der Städte nun zu ftchen jchien, dejto erbitterter
wurde der Adel gegen dieſelben und es fehlte gar nicht viel, daß an allen
Eden die Fehde losgebrochen wäre. Karl von Duban, der Herr auf
viebeſchitz, gefiel fich bereits darin, denen Bürger, die cr außer der Stadt
begegnete, mit Drohungen heimzuſchicken, doch ſcheute er fi noch, auf
die Anfrage der Bürgergefandten, weſſen ſie fi von ihm zu verjchen
hätten, eine entichiedene Antwort zu geben, Aller Haß aber concentrierte
ſich auf den Apojtaten von Repnitz. Der Adel des ganzen Kreifes
hielt häufige Zuſammenkünfte und verlangte jchlicklid) von der Stadt
rundweg die Auslieferung des Ueberläufers, indem er das Geſetz über die
entlanfenen Unterthanen auch auf den entwichenen Herrichaftsbeamten aus:
dehnte. Als Abgeſandte diefer Adelsverſammlung erjchienen am 6. October
die Herren Johann (Kapler) ven Dur, Smil von Boretz, Johann
von Tizkowitz, Karl von Duban, Wenzel von Zalan (Selena)
Johann von Podiwin, Georg Stalicky, Karl von Türmig, Tohann
von Drum, Otto Kölbel (von Geifing) und Zdenek (Weitmühl) von
Piftian in der Stadt mit dem genannten Verlangen. Repnitz ant—
wortete ihnen ſelbſt, er ſei niemals ihr Diener geweſen, Rechnung zu
fegen über fein früheres Amt ſei er immer bereit geweſen und ſei noch
n Letop. 337. ?) Ibid. 875.
— 29 —
bereit, fi) einem Schiedsgerichte, zu dem auch er die Hälfte der Richter
wählen dürfe, zu jtellen. Die Gemeinde nahm ſich feiner rückhaltlos an
und war Willens, felbft Gewalt mit Gewalt abzuwehren. Sie fhloß
deßhalb mit Repuitz einen förmlichen, ſchriftlich abgefaßten Vertrag und
verſprach ihm feierlichht, ihm nicht zu verlaffen, wenn „etwas feindliche®
abfeits des Rechtes über ihm käme“, dagegen haftet ihr diefer mit feinem
Gute gegen allen Schaden, den fie durch einen ordentlihen Rechtsgang
feinetwegen erleiden follte. Dierauf gieng ein Bote nad) Prag, um der
Gemeinde nöthigenfalls die Bundeshilfe zu fihern. Erjt hierauf (1.4. Oct.)
begab fih der Barcalar Dlartin Ieninet mit einer ſchriftlichen Antwort
der Gemeinde nach VYobofig zur „alten Frau" — Auna von Kowan
— die fie annahm und ihren Söhnen zu melden verfprad. Die Ant-
wort enthielt außer der Anzeige des mit Repnik geichlojfenen Vertrages
und der anzuhoffenden Bundeshilfe eine Gutheißung deifen, was Rep—
nitz dem Adel bereits mündlich gejagt hatte, verſicherte, daß weder Ftep-
nig nod die Städte überhaupt ji) vom Rechte losgeſagt, vielmehr dieſes
zu fohügen gedächten und ſchloß mit der befannten Formel bedingunge-
weifer Friedenskündigung: „Wolltet ihr jonft etwas gegen uns vornehmen,
fo müßten wir es nun ſchon unferm Herrgott befohlen fein laſſen und
unfer Recht zu Hilfe nehmend mit unjern Freunden uns berathen.” Die
„alte Fran” beftätigte den Bürgern mündlich daß NRepnik allerdings
durch einige Freunde zu Teplig von ihr die Entlaffung genommen, auch
Rechnung gelegt und die Regiſter vorgezeigt, aber fie hätte dieß alles
nicht angenommen und ihm die Entlaſſung verweigert. Weiter getraute
fid) vorderhand der Adel nicht zu gehen und die Sadje blicb wieder cine
Zeit lang auf ſich beruhen.
Während der ganzen Zeit aber wühlte unter dein gemeinen Volke,
freilich aud) da ohne fonderlichen Erfolg, der frandalfühtige Qudiwid,
band mit allen beſſer Geſinnten an und erregte felbft auf offener Gaife
Raufhändel, bis ji der Rath bemüßigt ſah, zur Erhaltung der öffent:
lichen Ruhe den Störenfried in fein Haus zu bannen. Nur alle Samftage
follte er in die Fleiſchhank und hierauf ins Bad gehen dürfen, außer
der Fleiſchbank aber durfte er mit niemand fprechen, noch weniger in
einem Wirthehaufe fid) jchen Laffen, vor Allem aber der Stadt Feinden
weder fchreiben, noch Briefe oder Beſuche derfelben empfangen.- Der
Fleiſcher mußte das Alles zwar mit Handſchlag verſprechen (4. Sept.),
aber kaum war er fo in fein Haus „vorfeſtet“, fo fpielten die wohlge-
arteten ungen die Rolle des Alten, bis auch diefen für jedes Vergehen
ß
— 2145 —
ich nun fogar herbei, feine Sache vor ein Schiedsgericht zu bringen und
ellte die einzige Bedingung, daß die Richter fammtlich bürgerlichen Standes
en. Durch Nachgiebigfeit und wohl auch geheime Anjpornung nur
:echer geworden, ſchlug Kudiwid das Sciedsgeriht aus und machte
ch auf den Weg, um die Gemeinde beim Könige jelbft zu verklagen.
det der befannten Urtheilslofigfeit des Legtern, feiner dem Bürgerthume
eindfeligen Umgebung und den adeligen Fürſprechern des Fleiſchers konnte
iefer Schritt, je nachdem jener den Zeitpunkt traf, für die Gemeinde
denflich werden. Es blieb ihr daher nichts anderes übrig, als eben⸗
allg wieder einen Boten an den König zu fhiden, um diejen wo möglich
roh im vorhinein zu inftruiren und zu gewinnen. Der Brief, den diefer
(Anfang Dezember) dem Könige zutrug, bat legteren, Kudiwid in nichts
Elauben zu Schenken als einem „ſchlecht verhaltenen und nichtönugigen
Denichen, der bereits unter Geiftlihen und Laien Unfrieden geftiftet und
wiederholt als Yiügner befunden wurde.“ Aber Kudiwid kam zuvor
ud erhielt jogar von Wladislav einen ihm nicht ungünftigen Be⸗
ſcheid den er der Etadt zur Darnachachtung überbringen follte. Trogdem
eber wagte er jich felbit nicht fogleich zurüd, fand aber bei dem benad)-
harten Adel willige Vertreter. Am 5. Yäner 1515 kamen die Ritter
Heiland Kapler, Johann Wchinskh, Karl von Duban, Wilhelm
von Eljtibor nebjt anderen, — alle mehr oder weniger offene Feinde
ſer Stadt — nad Leitmeritz, wohin fie ſich jedoch nicht mehr ohne
miglichen Geleitsbrief gewagt hatten, und übergaben den Magiſtrate
ven föniglichen Beſcheid. Diefer entichuldigte fich, nicht fogleich antworten
m lönnen, da auch er die Sache dem Könige vorgetragen und auch hierauf
ine fönigliche Antwort in Ausſicht ſtehe. Sobald diefe einträfe, würbe
7 feinen Entihluß den Kudiwid fund thun. Dabei blieb es dann.
Auh Polens hatte fi indeflen mit feinen Klagen unmittelbar
m den König gewendet und diefer die Gemeinde vor fic) zitiert, welche
nd, hierin dem Repnik (11. Nomember) befondere Vollmacht gegeben,
je in Allem zu vertreten, und es muß diejem wenigſtens gelungen fein
in nachtheiligee Urtheil zu hintertreiben. Dafür entlam aber Repnig
em armen Könige auch nicht anders, denn al8 Gläubiger. Die 400 Schod
Muigsftener waren zwar erft zu Lichtmeß des nächften Jahres fällig,
Biedislan bedurfte derjelben aber bereits und ſprach Repnig darum
u, fe daß fie ihm diefer von feinem eigenen Neifegelde borgen mußte.
dei feiner Rüdtehr nad; Teitmerig (14. Weber) wies Repnig bie
Iitteng und Anmeifung des Königs vor und erhob die fällige „Lichtmeß⸗
— 244 --
nach neuen Zeitungen fragend eifrig Herumgiengen, einftimmig behaupteten,
daß ſich zu diefer Zuſammenkunft allenthalben aud Herren und Ritter
fehr zahlreich rüfteten und jchon offen prahlten, daß die Sache der Bürger
zu nichte werden folle, indem fie alles voraus hätten. Der Rath fchrieb
daher alljogleih an bie Prager, e8 möge eine größere Anzahl von
Städteboten abgehen und jeder Kreis auf eigene Koften noch außer den
Bundesgefandten befondere Boten abfertigen, da die Kojten nın einmal
nicht mehr gefpart werden dürften. Am 11. November ftellte Leit—
merig feinen Boten die Vollmacht aus, im Namen ber Stadt zu ver-
handeln und den Enticheid des Königs anzunehmen, als ftünde die ganze
Gemeinde perfönlich vor ihm. Witte November machten fich ſodann bie
Abgeſandten aller drei Stände abermals nah Ofen auf, um wo ınög-
(ih vor dem Könige ihren Streit zu ſchlichten. Die Bürger hatten wirt:
th einen fhweren Stand gegenüber der Ueberzahl des Adels, zu dem
ih der König vielleicht gegen feinen Willen huldvoller Hinneigte, ale zu
erwarten gewejen wäre. Sie baten den König um ein endgiltiges Urtheil
über die alten Streitfadhen, die jie in ſechs Punkten zufammenfaßten;
allein der Adel erklärte vornweg nur über jene Punkte ein Urtheil an
nehmen zu wollen, die durch dic früheren Enticheidungen von 1502 und
1508 noch nicht abgethan wären, im Webrigen aber auf jenen zu ver-
harren. Es blieb fomit nichts übrig als eine abermalige Verfchiebung
des Austrages. Nur die in Contumaz gefällten Urtheile des Landrechtes
und die von diefem ausgeftellten VBerhaftsbefehle behob WLladislan zu
Gunjten der Städte, denen er befahl, nod einmal auf dem nächften Land-
tage einen freundfchaftlichen Ausgleich zu verſuchen; ſollte aber auch diefer
nicht gelingen, dann ſich an ihn um ein emdgiltiges Urtheil zu wenden.
Dagegen blieb das Berlangen der Bürger nad einer neuen Ordnung
der Landesregierung ohne Beantwortung, indem es Wladislap nicht
wagte, die bereits längft ausgeſprochene Caſſierung der Jakobsverträge
durchzuführen und ſich fo Telbft die Hände zu löfen.) Trog des an ſich
geringen Erfolges wurden die am 24. Nänner 1515 „geſund und fröhlich“
Zurüdtehrenden mit Freuden und Ehren empfangen und feierlich bewirthet.
Während der Abweſenheit Repnig's und der übrigen Gefandten
tauchte Kudimwid aus feiner unfreiwilligen Zurüdgezogenheit wieber
hervor und machte der Gemeinde aufs Neue um fo mehr zu fchaffen, ale
er in den Feinden derjelben feinen Rüchalt wußte. Die Gemeinde ließ
) Räßeres Letop. 878 f. Palacky D&j. V. 2. 288 ff.
— 247 —
in Beneſchau verfammelt, vorzüglich zwar um Nendel nicht zu dem
erwähnten wichtigen Amte gelangen zu laflen, daneben aber auch andere
Dinge verhandelt, die Yeitmerig näher berührten. Hier maßte fi) nämlich)
die Ritterfchaft ein Urtheil in dem Streite Polensk's mit der Stadt
an und ſchickte ein folches fchriftlich dahin. ‘Die Gemeinde gieng indeh
auf den Inhalt desjelben gar nicht ein, ſondern ſchrieb an die Adreſſe der
Ueberbringer (Wilhelm Wrefowig und Wolfart Plaufner): „Wir
wiljen ja gar nicht, wer die Herren vom Nitterjtande find, die euch dies zu
Ihreiben befehlen, noch haben wir ihre einzelnen Siegel gefehen. Wenn
und jeder von den Nittern unter eigenem Siegel fchreiben wird, dann
werden wir ihnen eine ordentliche Antwort geben; jo aber willen wir nicht,
an wen wir fchreiben follen.” (19 März.)
Seit dem war die Stellung der Stadt immer bedenklidher geworden.
Die offenen Feinde derfelben hatten fid) von Tag zu Tag gemehrt. Vor
Allen feindfelig benahmen fih der Kameiker, Trita und die Herren
don Liebeſchitz, deren Yeute die Untertanen der Stadt, ja ſelbſt Bürgers-
frauen, wenn fie diefelben auf offener Straße trafen, fingen und miß⸗
handelten. Das Weib des Bürgers Simon Strabal, die aus Auſcha
vom Markte kam, wurde das unglückliche Opfer einer Feindſchaft, von
der fie kaum wußte, und in der Bidnice jagte auf ftädtiichem Grunde
Vilhelm Elftibor mehr nad) ftädtiihen Unterthanen als nad) Wild,
Treka aber ließ fogar mit fürmlichen Verhauen die Landſtraßen bei
dem ftädtifchen Dorfe Wrbitz jperren — was halfen gegen all das Klagen,
wer hörte fie überhaupt an? Ya felbft die eigenen Unterthanen, die
Bewohner der Vorſtädte erhoben ſich in diefer Noth, geitachelt und gehegt
von den fchlau beredjnenden Nachbarn. Die Yaien brauchten cben Gewalt,
die Geiftlichen Yijt. Nur der Energie und Entichiedenheit des Rathes,
fo wie der mufterhaften Haltung der Bürgerfchaft gelang es, die Mienterei
im Reime zu erjtiden. Es war am S. Marcustage 1515, ale einc
Deputation von Vorjtädtern vor den Math trat und in wenig ehrerbietiger
Reife erflärte, daß die VBorjtädte mit den Verhältniffen des Wein⸗ und
Bierfchantes, der Schoßentrichtung u. drgl. nicht mehr zufrieden fein könnten.
Der Rath verfrrad die Sache vor die Gemeindeälteften zur Berathung
zu bringen. Schrabal aber, das fatholiiche Organ des Probjtes unter
den Borftädtern, erwiderte troßig, damit würden feine Auftraggeber nicht
zufrieden fein. Der Rath fah in diefer Widerſetzlichkeit das Anzeichen eines
lang gefürchteten Aufftandes, lich alſogleich die Zechmeiſter der einzelnen
Fünfte vor fi) rufen und nahm fie in Eid, „dem Nathe zu helfen gegen
I- —
— 248 —
jedermann”. Dann erſt wurden die Vorſtädter in Geſaumtheit berufen
und gefragt, ob Schrabal fo „aufrührerifche Worte“ in ihrem Auftrage
gefprochen? Sie ließen ihn im Stiche und läugneten. Sonntags darauf
wurden alfe Zehen von ihren VBorftehern zur Morgenſprache berufen und
jeder Meifter in Eid genommen gegen jedermann, der etwas gegen das
MWeichbild unternehmen wolle. Won da giengen die Zechmeifter auf das
Rathhaus und mieldeten, daß alle Meeifter gefchworen - von da an
rührten ſich die Vorftädter nicht mehr, obgleich jih Wilhelm von Elftibor
und andere Nachbarn ihrer immer noch unberufeuer Weife annahınen und
fih in ihre Verhältniſſe mifchten. — Auch gegen Repuitz gebrauchte
Trefa bereits Gewalt, indem er in deſſen ſeit Jahren ſtrittige Güter
bei Yeitmerik, ehe noch ein endgiltiges Urtheil erflojfen war, feine
Leute fchickte, die mit Gewalt Weinlefe und Ernte hielten.
An die Stelle des verftorbenen Fürjten Bartholomäus war in ge-
wiſſer Beziehung jein Better Karl von Münjterberg getreten, der von den
Städten ebenfalls ein Jahrgeld für die Beſorgung ihrer Angelegenheiten
bezog. Seine Bemühungen auf den folgenden Yandtagen jcheiterten aber
den Adel gegenüber vornehmlich an deffen Verlangen, daß der abtrünnige
Rendel auf dem den Städten gegennüber höchſt wichtigen Poſten des
Unterfämmerers durch Burian Tréka erſetzt werde.
Das nächſte Jahr (6. März 1516) faın Rendel jelbft zur Rechts—
berneuerung nah Yeitmerig und fchloß mit der Gemeinde einen förmlichen
VBerföhnungs- und Freundſchaftsbund. Die Gemeinde erklärte ihm fchriftlich,
fie jei num durch des Könige Briefe darüber aufgeklärt, daß er nur auf
Defehl des letzteren gegen feinen eigenen Willen feiner Zeit die Anklagen
des Bürgerjtandes auf ſich genommen, daß fie es fomit in allen Dingen
eigentlih nur mit dem Könige und nicht mit feiner Berfon zu thun gehabt
habe; fie wolle daher des Bergangenen nimmer mehr gedenken, Tondern
ſich chriſtlich mit ihm vergleichen.
Nicht lange daranf, ehe die Dinge noch zum Abſchluſſe famen, ftarb
Wiadislav (13. März 1516), ohne die Beilegung des langjährigen
Streites, der durd feine eigene Einfichtslojigkeit nicht wenig gewachfen
war, erlebt zu haben. Gr follte vielmehr nod nad) feiner legten An-
ordnung al8 Erbſchaft feinem Sohne überbleiben, indem er die Stände
bath, den Streit und das Brauredht auf fich beruhen zu laſſen, bie fein
Sohn zu verftändigeren Jahren gelommen fein würde.
— 249 —
4. Die Regierung Ludwigs und der Vergleich der Stände.
Ungeheuchelte Trauer fchwebte über der ganzen Stadt bei der Nad:
riht vom Zode des Königs. Man hatte fich bereits gewöhnt, feine Fehler
als eine Art Naturnothwendigkeit hinzunehmen und eden ſich gefreut, ihn
anf die beſſere Bahn einlenken zu fehen. Nun war mit Einem Male wieder
Alles in Frage geftellt — nichts als der Bürgerkrieg fchien gewiß. Schmerz
und Sorge jtimmen beide oft verföhnlich, und außer ihnen rieth aud) die
Augheit noch, fi) wenigjtens mit dem nächjten, gefährlichiten Feinde
anszuföhnen. Wer konnte willen, welche Fehden das Yand verwüften würden,
ehe der noch knabenhafte Prinz deu Zügel ſtrammer ziehen könnte, ja vielleicht
war ein Bürgerkrieg bejtimmt, all die ſchmutzige Wäfche der letzten
Jahrhunderte rein zu jchweifen. Für jeden Fall war der Dommhügel ein
drohender Punkt, — drohend wegen der alten, eingerojteteten Feindſchaft
des Probſtes und der herrlihen Yage für eine kleine Batterie, wie fie
damals bereitö verwendet wurden. Da überdieß der größere Theil der
Gebäude auf den Schloßhügel zur Stadt gehörte, ſich aber für ſich allein
nicht vertheidigen ließ, jo lag der Stadt daran, für den Fall des Krieges
den ganzen ehemaligen Schloßbezirf bejegen zu künnen. Die Gemeinde
befhloß daher, den Probſt jelbjt und einige VBermittlungsperjonen auf
das Rathhaus zu bitten, un in freundichaftlicher Auseinanderjegung
die alten Streitpunfte wo möglid zu begleihen und nad) langjährigem
Streite endlic Frieden zu jchliegen.
Mittwoch nad) Oſtern (27. März), dem allgemeinen Berjöhnungsfeite,
ließ fich der Probft wirklich herbei, auf dem Rathhauſe zu ericheinen, wo
ihn Wenzel von Repnig mit folgender Rede empfieng!): Wir haben
Euch fchon vor dem auf VBeichluß der ganzen Öemeinde hieher zu kommen
erſuchen wollen, Euch jedoch nie duheim getroffen. Wir gedachten nämlid)
der ganzen Zeit der Feindfchaft, wie ihr durch Klagen und Borladungen
die Gemeinde in große Unkojten gejtürze und das nicht etwa für Euch
und das Gapitel, jondern fremden Yeuten habt ihr Geld gegeben, damit
fie uns quälten und beläjtigten, was fie auch ehrlich gethan. Wir hielten
die Gemeinde mit Noth im Zaume, wir fagten ihr, Ihr jeiet doch jelbjt
ein Stadtkind und würdet fchlieplich eine beſſere Geſinnung aunehmen ;
wir ſchickten Geſandte an Euh, um Frieden zu ftiften; fie kamen wie-
2) Auftzezeichnet im genannten Copialbuche.
— 250 —
der und wir freuten uns und fchidten alsbald nod eine größere Zahl,
ihr aber kehrtet uns den Rüden und entferntet Euch, und wohin mir
am nächiten Hatten, dahin hatten wir nun am weiteſten. Wir trauerten,
die Gemeinde drängte, wir tröfteten: Ihr aber handeltet immer wieder
gegen uns Nun der König todt ift und wir nicht willen, wie lange
wir den Frieden erhalten werden, ſchickten wir zu euch, um zu erfahren,
ob ihr von den Vorladungen abftchen, in Glück und Unglüd ſammt
Euren Leuten mit uns halten und unfere Feinde durch Euer Geld nicht
ferner fördern wollt.
Den Probft ftimmte diefer Empfang nicht zum Frieden. Gereizt
änßerte er, folhe Rede habe er nicht erwartet, er fei vielmehr gelommen,
um den Streit durdy ein Schiedsgericht abzuthun. „Daß ih Euch klagte
und vorlud, geihah, weil ihr meine Yeute fingt und mir es nicht fund
thatet, fo daß ich fie hätte ſchützen können. Ihr henktet den einen, und
fagtet, ihr wolltet noch jeh8 andere hängen — dem mußte ich vorbeugen,
und ſomit gabt Ihr und nicht ich den Anlaß zum Streite.” Den Streit
um die drei Häuschen möge man ordnen, mit Wamra (einem „Landes-
Ihädiger*) habe er halten müſſen, weil ihn einige Nittersleute hiezu auf-
gefordert, num aber habe er ihn (den Probft) felbft um 150 Schod geprellt.
Wenn es zum Kriege fäme, würde er fchon feine Leute felbjt fo zu verforgen
wiffen, daß fie gefichert wären und es fei nicht nöthig geweſen, daß fie
ih in die Stadt flüchten.
„Wir thun das”, entgegnete der Bürgermeifter, „nur im Intereffe
unfere® Königs Ludwig, damit wir ihm, fobald ſich etwas erhebt, das
Schloß fihern und erhalten Fönnen gemäß unferer Treue und unferem
Berfprehen. Die Stadt felbjt kann mit Umſicht leicht erhalten werben,
wir möchten aber auch Euch und Eure Leute nit gern von uns ftoßen;
wollt Ihr alfo von Eueren Klagen und der Förderung unferer Feinde
ablaffen und mit euren Yenten zu uns jtchen?” — Ausweichend antwortete
der Probſt, er Klage nicht in feinem Namen, fondern im Namen des
Kapitels, er felbjt könne ſich ſomit auch zu gar nichts verbinden. —
Ein Bürger rief dazwischen: „Was haben wir denn eigentlich fchlechtes
gethan, wenn wir einen Dieb hängen Tiefen?“ „Und wärs auch,“ fehrie
der Probſt in vollem Zorne, „eine gute That, fo war fie doch gegen die
Ordnung“ — und machte fi nun in gehäuften Vorwürfen Yuft. Der
Bürgermeifter verwahrte fich cben fo heftig gegen die Zumuthung eines
unrechten Vorganges, und der Verjtändigungsverjud dien vollftändig
gefcheitert. Repnig bot dem Prälaten ſchließlich cine Bedenkzeit bie
— 251 —
zum nächften Montage, indem cr fagte, e8 gäbe wol noch mandjes zu
beiprechen, für heute aber fcheine ihm das nicht mehr möglich. „Inzwiſchen
werden wir uns verfehen im Jutereſſe unferes Herren und gegen das
Ausland, an deſſen Gränze wir find — mögt ihr denn willen, daß wir
fürforgen werden!“
Die Drohung ftimmte den Präfaten einigermaßen um, er verficherte,
alles verfuchen zu wollen, um den Streit beizulegen; der Dechant der
Stadtlirde erbot fi) zur Vermittlung und die Parteien giengen ohne
einen beftimmten Beſchluß auseinander. Nur noch größer aber wurde
der gegenfeitige Haß, als die Gemeinde erfuhr, der Probſt habe ſich
neuerdings mit Klagen an die Beamten des Königs geivandt. Bei dieſem
felbft genoß er die ficherjte Protection, da fein cigener Domdechant,
Wenzel Doctor, als königlicher Vicekanzler in dejfen Nähe war.
Die Gemeinde proteftierte Schriftlich dagegen, daß er die ganze Sache
der Berjon des Repnitz in die Schuhe zu ſchieben bemüht war, der
doch nur auf ihr Geheiß ſo geſprochen habe. „Er (der Probſt) hat ſich
ſelbſt geprahlt“, ſchrieb der Rath an den Unterkämmerer, „einem unſerer
Feinde 200 Schock geſchenkt zu Haben, während cr doch zu Almoſen ver:
wenden follte, was er als Almoſen empfangen hat. Wüßtet Ihr Alles,
was er mit uns auffpielt, Ihr müßtet teils lachen, theils Euch ärgern...
Grade jo froh wir find, wann er nicht bei uns ift, fo froh find auch
die Prälaten des Schloſſes, wenn er den Rüden fehrt. Als wir feiner
Zeit gewillt waren, mit ihm in Ofen vor Gericht zu ftchen, da wißt
Ihr ſelbſt noch, welche pfäffiſche Heuchelei und Schlauheit er bekundete.“
Achnliches Ichrieb die Gemeinde auch an den König felbft, ſchickte aber
den Brief an den Fürſten Karl mit der Bitte, ihn fo an den König
zu befördern, daß er nicht etwa in die Hände des BVicckanzlers falle.
Der Kreishauptmann Wilhelm von Iburg beftrebte ſich feiner:
ſeite ebenfalls, bei der bedrohlichen Vage wenigftens ein Einvernehmen
der drei Stände feines Kreifes herbeizuführen und wollte zu diefem Zwecke
einen Kreistag nad) Yeitmerit berufen. Die Bürger fahen aber dic
Ausfihtslofigfeit feines Vorhaben Har genug ein und fürdteten andrer-
ſeits eine zu große Anzahl Adeliger in ihre Thore fommen zu laſſen,
weßhalb fie mit allerlei Ausflüchten den Kreistag ablehnten. Es werde
ohnehin bald ein Yandtag ftattfinden und viele von ihnen feien zum
Jahrmarkte nad) Prag gefahren u. |. w.
Auf dem angedenteten VYandtage, der am 28. April zufammentrat,
erhob ſich der alte Streit neuerdings, ohne der Entfcheidung näher ge-
— 252 —
führt zu werden: ja die Angelegenheit ſchien fogar cher rüdwärts ale
vorwärts zu gehen. Die Städte beichloffen, die zugeftandene Steuer zur
Tilgung der Föniglihen Schulden zurüdzubehalten, bis ihr Streit aus⸗
getragen jei, wie ihnen dieß der jelige König in dem Termiue zwifchen
dem 6. Jäner und 23. April zu fehlichten verjprochen hatte. Darauf
drohte der Adel, er würde in diefem Falle die Leßten Landtagsfchlüffe
(unter diefen alfo auch den Vergleich betreff des Gerichtsftreites) aus
der Landtafel Löfchen laffen, worauf die Bürger diejelbe Waffe gebrau-
hend antworteten: fie würden dann das Zugeftändniß ihrer Vorfahren
(1487) in Betreff der entlaufenen Unterthanen und Dienftleute ebenfalls
zurüdnehmen, und die Sache wieder dahin bringen, wo fie zu Zeiten
Kaifer Karls IV. geweſen. Darüber ging der Landtag abermals ohne
Beſchluß aus einander. Zu diefem wichtigen Schritte hatten die Städte-
abgeordneten ſich vorher bei ihren Gemeinden Injtructionen erbeten. Die
von Leitmeritz am 13. Mai abgefertigte lautete: „Unfere Gemeinde
ift verfammelt und beichließt einmüthig und ceinftimmig: weil uns bie
Herren und Ritter den Vertrag des Pfingftlandtages aufheben und ung
nicht halten wollen, fo heben wir ihnen auf den Vertrag über entlaufene
Yente und entwichenes Gefinde; und was fonft die Herren und Nitter
von uns wollen, das heben wir ihnen auf. Was den Schuß unſeres
Rechtes betrifft, fo Ipredden wir: Ihr Tennt unfere Gefinnung, gebt den
Herren die Antwort gemäß unferem Vertrage!“
Diefelbe Gemeindeverfamniung des Pfingjtmontages 1516 wurde
auch denfwürdig durch den zweiten wichtigen Beichluß, „daß von jenem
Tage an aus vielen Gründen des gemeinen Beſten feine Perfon der
römifchen (latholiihen) Partei in die Stadt oder irgend eine Zunft
aufgenommen werden folle.“ In einer andern Aufzeichnung *) wird noch
hinzugefügt, es folle jeder Bürger das Bürgerrecht verlieren und fich
binnen vier Wochen ausverfaufen, der in Zukunft noch das Wort für
die Aufnahme eines Deutjchen oder Nömlings ergreifen würde. Der
Beſchluß fei auf Zettel gefchrieben allen einzelnen Zünften vertheilt wor-
den. Außer der herrichenden Intoleranz der Zeit fag die Beranlaffung
zu diefer Maßnahme offenbar in dem Betragen einiger katholiihen Mit:
bürger, die wie der bereit8 erwähnte Peter Schrabal offen die Partei
des Probjtes ergriffen und fi als Mittel für feine Zwecke gebrauchen
ließen. Uebrigens waren in der Verbannung und Ausſchließung der Ka:
) Gedentb.
— 251 —
zum nächſten Montage, indem er fagte, c8 gäbe wol noch mandjes zu
befprechen, für heute aber fcheine ihm das nicht mehr möglich. „Inzwiſchen
werden wir uns verfehen im Intereſſe unferes Herren und gegen das
Ausland, an deffen Gränze wir find — mögt ihr denn wiſſen, daß wir
fürforgen werden!“
Die Drohung ftimmte den Prälaten einigermaßen um, er verficherte,
alles verfuhhen zu wollen, um den Streit beizulegen; der Dechant der
Stadtkirche erbot fich zur Vermittlung und die Parteien giengen ohne
einen beftimmten Befchluß auseinander. Nur noch größer aber wurde
der gegenfeitige Haß, als dic Gemeinde erfuhr, der Probſt habe ſich
neuerdings mit Klagen an die Beamten bes Königs gewandt. Bei dieſem
ſelbſt genoß er die ficherfte Protection, da fein eigener Domdechant,
Benzel Doctor, ala königlicher Vicekanzler in dejfen Nähe war.
Die Gemeinde proteftierte fchriftlich dagegen, daß er die ganze Sache
der Berfon des Repnitz in die Schuhe zu ſchieben bemüht war, der
doch nur auf ihr Geheiß jo geſprochen habe. „Er (der Probſt) hat ſich
ſelbſt geprahlt“, fchrieb der Rath an den Unterfämmerer, „einem unſerer
Feinde 200 Schod gefchenft zu haben, während er dody zu Almofen ver
wenden follte, was er als Almofen empfangen hat. Wüßtet Ihr Allee,
was er mit uns auffpielt, Ihr müßtet teils lachen, theil® Euch ärgern...
Grade fo froh wir find, wann er nicht bei uns ift, fo froh find aud)
die Brälaten des Schloffes, wenn er den Rüden kehrt. Als wir feiner
Zeit gewillt waren, mit ihm in Ofen vor Gericht zu ftchen, da wißt
Ihr ſelbſt noch, welche pfäffifche Heuchelei und Schlauheit er bekundete.“
Achnliches fchrieb die Gemeinde auch an den König felbft, ſchickte aber
den Brief an den Fürften Karl mit der Vitte, ihn fo an den König
u befördern, daß er nicht etwa im die Hände des PVicckanzlers falle.
Der Kreishauptmann Wilhelm von Iburg beftrebte fich feiner
Kits ebenfalls, bei der bedrohlichen Page wenigjtens ein Einvernchmen
ver drei Stände feines Kreiſes herbeizuführen und wollte zu diefem Zwecke
en Kreistag nad) Leitmeritz berufen. Die Bürger fahen aber die
Usfihtstofigkeit feines Vorhabens Har genug ein und fürdteten andrer-
Ks eine zu große Anzahl Adeliger in ihre Thore kommen zu fallen,
he fie mit allerlei Ausflüchten den Kreistag ablehnten. Es werde
Main bald cin Yandtag jtattfinden und viele von ihmen feien zum
Whrmarfte nach Prag gefahren u. |. mw.
Auf dem angebeuteten YPandtage, der am 28. April zufammentrat,
aheb ſich der alte Streit neuerdings, ohne der Enticheidung näher ge
— 254 —
unſeren Schaden vergelten, wollen. Wir bitten, thut Eure Pflicht und ver:
jcht uns nad) Eurem Amte und der Yandesordnung!* Auch in die ein-
zelnen Städte giengen mit Yaufzetteln verfchene Briefe, die das Geſchehene
verfündeten. „Lnfere Nachbareu,“ heißt es in diefen, „haben ihren Unter⸗
thanen verboten, Gut oder Vieh unferer Unterthanen auf ihrer Herrfchaft
(über die Zeit der Fehde) zu bergen und Wir können e8 nicht länger
ertragen, wie fie uns zuſehen und ſich ins Fäuſtchen lachen. Sie wollen
uns zuerſt mäſſig Tchädigen und laugſam quälen, wenn wir aber ver:
armen und ohnmächtig werden, ums verderben und vernichten.“
Au die Prager fchrieben fie nochmals, fie möchten die Antwort
des Oberjtburggrafen in Empfang nehmen und baten zugleich, die Briefe
m den Bunzlauer, Königgräger und KRautimer Kreis durch
ihre Boten zu befördern, da die eigenen in jenen Gegenden nicht befannt
wären.
„Polenol iſt,“ berichteten fie weiter, „um uns herum fajt überall
zu Haufe und wir kennen ſchon gewiſſe Orte, wo man ihm mit Rath
und That behilflih ijt. Im den Wäldern lauern allenthalben verborgen
viele Spigbuben, vor denen wir uns ſtündlich Schadens verjehen, und
wären wir nicht fo eifrig im Wachen und in unferen Rüſtungen, fo hätten
wir Schon lange bedentenderen Schaden erlitten.”
Am 1. Juni, einem Zamjtage, da die Yandlente zahlreich zum
Wochenmarkte in die Stadt gegangen waren, drangen die Schaaren ver-
wüjtend bis an die Brücke gegenüber der Stadt und brannten in Be:
fetiß der Gemeinde zwei Höfe nieder. Dadurch flieg die Erbitterung
der Bürger aufs Höchſte und wandte ſich zunächſt gegen den Probft, den
man — wir wilfen grade nicht mit welchem Rechte -- für den Förderer
und Urheber der Fehde anſah.
Die Gründe des Zwiſtes hatten ſich ſeit der leuten Beſprechung
nur noch vermichrt. Auf der Neuſtadt wohnte in einem der oben er-
wähnten ftrittigen Häuschen, das zur St. Scorgfirche gehörte, cin gewiſſer
Johaun Hrbowaty, den Nepnig im Namen der Gemeinde, wahr-
fheinfih noch aus Anlaß der verfuchten Erhebung der Vorftädter — zum
Ausverfanfe zwingen wollte. Der Probjt nahm fich feiner, al8 eines
Katholiken an, jedoch auf den entihieden unbegründeten Rechtstitel bin,
daß die St. Georgskirche ſammt ihrem Zubehör eigentlih zur Probftei
gehöre und klagte Ichliekli die Stadt neuerdings beim Yandredite an.
Fedenfalls verweigerte diefelbe die Annahme der Vorladung, nichts defto
weniger aber fand der Probft in der Stadt felbft einen Bürger in bem
— 2355 —
ung bereits befannten Peter Schrabal, der bei der Yandtafel fogar
ald Zeuge im Sinne desfelben ſich gebrauchen ließ. Dieß empörte die
Pürgerfchaft gleichmäßig gegen den Probit wie gegen Schrabal und
der darob „wüthende“ Repuitz war ber eifrigfte Schürer des Grolles.
Schrabal getrante ſich, nachdem er die falfche Zeugenſchaft abgelegt,
gar nit mehr die Stadt zu betreten, fondern wohnte cinige Wochen
beim Probjte. Der Erbitterung der Bürger lich ſich nun nicht weiter
iteuern, und fic jtieg endlich fo hoch, daß letztere die Probftei erftürnten
md Schrabal ſammt jeinem Gönner von dannen jagten. ‘Der Probft
fand eine Zufluchtsftätte im Klofter zu Doran, Schrabal aber auf feinem
Gütchen in Aufcha, während fein Sohn, ein Fleifhhaner, ebenfalls aus
der Stadt ausgewieſen wurde. Nachmals aber, ale der Probjt unter ſicherem
Geleite zurückkehren durfte, nahm er aud) den katholiſchen Schrabal, der
ih feinethalben fo viel Ungemach zugezogen hatte, wieder zu fid). ')
Polensk hielt es nun für gerathen, das ſich rültende Städte-
aufgebot um fo weniger zu erwarten, als er ſeines bejten Helfers be-
raubt war, fondern ſich vor der Hand zurüdzuzichen. Den Probfte aber
wurde um fein eigenes Gut immer mehr bange, demm die Bürger hatten
den ganzen Schloßbezirt ſammt dem Probfteigebäude zum Zwecke befferer
Bertheidigung befegt. Er verfudte es daher nun ſelbſt durd erneute
Verhandlungen fi wenigjtens für den Augenblick Vuft zu verichaffen.
Mehrere Geiftliche, an ihrer Spige der Budiner Stadtdechant, trugen
der (Gemeinde vor, wie man ihn fälſchlich beichuldige, daß er an der
Fehde Schuld fei, fo wie man überhaupt nicht glauben folle, was ihm
alles fälſchlich zur Laſt gelegt wurde. Die Geſandten kamen aber bei
den Bürgern übel an. Dan habe nie Leichtfertigen Reden geglaubt, wurde
ihnen geantwortet, doch kenne man feine Freundſchaft nur allzu gut. Die
Geſaudten baten, das noch einmal über alle Gegenjtände verhandelt würde,
was aber die Bürger mit den Worten ablchnten: „Wir haben zu der
Zeit grade andere Dinge unter der Hand, mit dem Reden iſt's nun
vorbei.” Wenigftens möge man den Probjte, baten die Priejter weiter,
fein Haus in Ruhe laſſen und die offenen Feindſeligkeiten einftellen. Sie
erhielten die Antwort: „Das Haus brauden wir dermalen, wie er das
auch früher zugeftanden hat und die Keindfchaft wird alfogleich aufhören,
fobald der Probſt die Rücknahme des Abfagebriefes bewirkt und ung
unſern Schaden erjekt.“
— — — —
N Red einer Kopie im Conſiſtorialarchiv zu Leitm., Copialbuch IL.
— 256 —
Wie die Bürger nun erfuhren, ſollte fih Polenst, feiner Sache
nicht mehr ganz vertrauend, nach Meißen zurückgezogen und dort Freunde
und Förderer gefunden haben. Der Rath wandte fi) daher an Herzog
Georg von Sachſen mit der Bitte, einem öffentlichen Fehder einge:
dent der mit Böhmen gefchlolfenen Erbeinigungen und Berträge keinen
Unterjtand, zu gewähren. Am 15. Juni erwiederte der Herzog, daß er
deifen Fein Wiſſen trage, fich jedoch den Krbeinigungen und Verträgen,
die zwiſchen Böhmen und Sachſen beſtünden, gemäß verhalten wolfe,
wenn jenes dennod der Fall wäre.)
Die fihtlihe Energie, mit der die Stadt im Vertrauen auf bie
Bundeshilfe vorgieng, die Kriegedrohungen, die fie gegen die Körderer des
Fehders richtete, erbitterten den gefanmmten Adel der Nachbarſchaft. Burian
Trifa zog den alten Proceß gegen Stepnig wieder hervor und verjuchte
als die Gemeinde darauf nicht eingieng, wieder Gewalt. Zugleich aber
verſammelte er am 19. Juni den gefammten Adel des Peitmeriger Kreifes
um jich zu Gaſtorf, um cin gemeinjchaftliches Vorgehen zu befchließen.
Bier Ritter, Smil von Boretz, Wolfhart Planfner, Wilhelm von
Elſtibor und Johann Kapler wurden ale Abgefandte in die Stadt
geſchickt, wohin fie fich jedoch erft nach brieflicher Anfrage, ob man fie
hören wolle, begaben. Am 23. Juni wurden fie vom Rathe empfangen.
Ihre Totfchaft bejtand ans fünf Artikeln. Für's erjte hielten ſich die
adeligen Herren darüber auf, daß die Stadt brieflich erflärt hätte, jeden
für ihren Teind zu halten und als foldhen zu behandeln, der Polenst
beherbergen oder fördern werde. Vielmehr erffärte der Adel, Bolenet
gegenüber in Feiner Feindſchaft zu ftehen, um fo weniger, als ſich die
Städte vom Rechte losgeſagt hätten und die entlaufenen Unterthanen nicht
ausfolgten, fondern bei fi aufnähmen, was fein Grund zu nachbarlicher
viebe jei. Fürs zweite hätte die Stadt fogar bei einigen chrbaren Rittern
Hausſuchung gehalten und damit den ganzen Stand „veripottet“. Ferner
trug ihr der Adel feinen Beiſtand gegen ihre Feinde zwar an, aber nur
um den Preis, daß jie fich in Betreff der Ztändeftreitfragen den früher
gefälften Urtheilen Wladislav's unterwerfe. Im andern Falle drohte
er dagegen, diefen „Spott“ nicht weiter zu ertragen. Sie forderten die
Stadt auf zu einer „Freundſchaft“, wic fie geweſen fei, che noch „einige
Pente” in ihr Aufnahıne gefunden hätten, die aus Egoismus handelten.
Viertens folle ſich die Stadt erklären, ob dieſe „unlöblihen Dinge“ wirt:
') Dresdner Staatsard). Cop. 125 B. 72,
— 257 —
lich unter Gutheißung aller, oder — wie fie hofften — auf Betrieb Ein-
zeiner beichlofien worden feien; fchließlid aber fragten fie, wie fich die
Gemeinde jenem gegenüber zu verhalten gedenfe, in deifen Schutze fie
etwa Polensk finden follte, ob fie ihn vor Gericht befangen oder ale
abgefagten Feind behandeln würde. — Diefe Botfchaft war im Grunde
nichts anderes als eine offene Kriegserflärung, denn die Bedingung des
Friedens war für eine einzelne Stadt, wie bie Herren fehr wohl wiflen
mußten, eine unerfüllbare.e So faßten jie auch die Bürger und fließen
die angeblichen Friedensboten ohne eine Antwort, als die auf den letzten
Bunt, ziehen, und biefe lautete: „In diefem Falle wüßten wir, wie
wir uns zu verhalten hätten.“ Auch der Verſuch Zwietracht zu fäen
zwifchen den Bürgern und ihrem Führer, gelang nur in höchſt unvoll-
kommener Weiſe, wenn er auch nicht ganz mißlang.
Kepnig hatte gegen ſich nicht nur die Roheit und Beſchränktheit
der Kudiwibde, bie confellionelle Partei der Schrabale, fondern aud
den Bürgerſtolz des Erbgefefienen, in deilen Auge er der hergelaufene
Fremdling blieb, den geheimen Widerwillen berer, die fich, feit bie
allgemeine Sache einmal in Gang gelommen, im Einzelnen feinem Geifte
unterordnen mußten, und wenn fchließlich fein Adel heute noch fein Anfchen
erhöhte, fo konnte er morgen zur Grundlage von Verdächtigungen dienen,
die beim großen Haufen aller Zeit bereite Aufnahıne zu finden pflegen.
Wenn fi fo in der Stadt nod) ganz im Stillen und Geheimen verſchiedene
Stimmungen verbreiteten, war bie Stimmung im ganzen Adel gegen dieſen
Mann nur Eine — die des umverföhnfichiten Haſſes. Ausdrud fand
fie bald darauf (am 7. Iuli) auf der Zufammenkunft des gefammten
böhmifchen Adels zu Beneſchau. Dafelbft wälzte diefer alle Schuld an
dem unheilvollen Zwiſte auf die Städte und kehrte feine Emtrüftung
befonder® gegen jene feines eigenen Standes, die die Sache der Städte
für gerecht hielten. Alle Berfonen, die fi) auch fernerhin der Vorrechte
umd Ehren des Herren- oder Nitterftandes erfreuen wollten, follten bei
den darauf abzuhaltenden Kreistagen jich eigens einzeichnen laſſen und
verfprechen, für die Intereffen ihres Standes einzujtehen. Nur für unfern
Ritter von Repnig, der ſich offen losgeſagt habe vom Stande des
Adels, follte die Gnadenpforte bereit8 von nun an verſchloſſen bleiben.
Der Apoftat wurde von feinen Standesgenoſſen förmlich in die Acht
gethan und follte nie mehr uuter fie aufgenommen werben können. Grade
Diefe Auszeichnung ift ein Beweis für die geiftige Bedeutung des Mannes,
deſſen Verſchulden fo groß war, daß er in den Schoß jener Gefellfchaft
17
— 258 —
nicht mehr aufgenommen werden fonnte, in dem doch der berüdhtigte
Mörder Bohnickh gleich dem verlorenen Sohne freudige Aufnahme
fand. ')
So ftand nun die Sache auf dem Punkte, daß entweder fchnelf
abgemwiegelt werben, oder der lang gefürchtete allgemeine Krieg der Stände
zum Ausbruche fommen mußte. Die Bürger ftanden im ganzen Streite
der Sache nad ftet8 in der “Defenfive, der Adel aber fand auch jetzt im
entfcheidenten Augenblide nicht den Muth, fein Glück auf den Bürger-
frieg, mit dem er fo lange gefpielt, zu feten. Nachdem der Bogen zum
Brechen gefpannt war, liefen plötzlich ohne Zuthun der Stadt von zwei
Seiten Vermittlungsanträge ein, einerfeit8 vom Herzoge Georg von
Sachſen und andererfeit8 von den Herren von Waldftein auf Lo—
bofiß und Graupen. Die Stadt, der e8 um den Trieben noch mehr
zu thun fein mußte, al8 dem Adel, antwortete beiden in verbindlicher
Weife und Tieß fi mit jedem in nähere Unterhandlungen ein, obwohl
fie von vorn herein zu den Waldſteinen fein Vertrauen zu haben
fchien, die grade in Betreff Repnig's am wenigften unparteiifch fein
fonnten. Einige Bürger unterhandelten wirktih in Loboſitz um bie
Mitte Juli, unterfchrieben auch bereits einen Geleitsbrief für Bolenst,
jo wie fie einen von ihm in Empfang nahmen, einigten ſich jedoch nicht
über Zeit und Ort der fchließlichen Verhandlung mit demfelben. Die
Gebrüder Waldſtein wünſchten diefe in Teplitz und in kürzefter Zelt;
die Bürger fühlten fih in Auffig ficherer und gaben vor, fie könnten
in fo furzer Zeit feine Schtederichter auftreiben. Als aber die Herren
auf Tepfig beftanden, Magten die Bürger, daß Verhaftsbefehle gegen
Einzelne ausgegeben feien, und fie fomit verhindert wären: in Wirffich-
feit aber beitand das Haupthindernis darin, daß die Waldfteine ale
Preis abermals die Auslieferung Repnitz's verlangten, um mit ihm
gemäß den Benefchauer Beichlüffen verfahren zu können. Dies trieb die
Bürger dem andern Vermittler zu, der ‚allerdings ein großes, aber fein
für die Ehre der Stadt unmögliches Opfer verlangte. Herzog Georg
vermittelte vorderhband einen Waffenftillftand zwiſchen den ftreitenden
Parteien, den die Gemeinde am 30. Juli annahm und in welchen fänmt-
liche Helferehelfer des Polenst, unter ihnen auch jener Gauner Ha-
welfa, der Schütling des Herrn von Elſtibok, den die Stadt nicht
fange vorher aus ihrem Gefängniffe entlaffen hatte, eingeichloffen wurden.
) Palackj Dej. V. 2. 351.
— 259 —
Der Tag der Verhandlung wurde auf ben 29. Auguft feitgefegt und
noch an bemjelben Tage das Friedensinftrument zu Dresden ausge:
fertigt.") Diefes beftimmte, daß Hans von Bolenst fammt feiner Ge:
malin zwar im Beſitze der genannten Schoßgüter belaffen werden, jedoch
von biefen Zins und Geſchoß nad altem Herkommen abfiefern, dagegen
aber zu feiner weiteren Eidespflicht gezwungen werben follte. Wenig
aleicymäßig war freili die Schadenberehhnung, wornach fih Bolenst
für den dreijährigen Entgang des Erträgniffes feiner Güter während der
Fehde 500 Echod gr. m. berechnete, die ihm die Stadt in zwei Raten
wirklich zu zahlen verſprach, während fie felbft für den ihr zugefügten
Schaden feinen Erjag erhielt. Sie mußte indeß zahlen und nod froh
fein, überhaupt wieder Leidfiche Ruhe zu haben. — Die Gemeinde ver:
fügte eben nur über 200 Schod baares Geld und mußte das übrige
von zwei Bürgern borgen, — 125 Schock ſchenkte hiezu der Jude Iſak,
und fo wurde aud die letzte Bedingung erfüllt und der Frieden wieder
Bergeftellt.
Auch in der Gemeinde jelbft wurde an demſelben Tage (24 Septem«
ber) eine Art Frieden geſchloſſen. Die Einflüfterungen des Adels hatten
denn doch gewirkt und aus dem großen Haufen erhoben fi mitten in
der Gefahr bedrohliche Stimmen gegen den hervorragendften Führer. Man
ſprach ſchon da und dort von DVerrath, fo wenig Grund hiezu auch vor:
handen fein konnte. Wahrfcheindlid war diefer Theil der Bürgerſchaft
nicht zufrieden, daß der Rath Lieber das Geld der Gemeinde als bie
Intereffen des Repnig, die der Haufen als jene der Stadt, ja bes
Bürgertbums felbft nicht zu erkennen vermochte, geopfert habe. Der
Ummillen der Gemeindentenden äußerte ſich bereitS in rohefter Weife. So
oft irgend ein Straßenräuber (als geheimer Spießgefelle eines adeligen
Nachbars) geköpft wurde, beweinte ein Theil des verführten Pöbels feinen
Tod und jubelte dem zu, der den Muth hatte, zu fagen — Repnitz
hätte das weit cher verdient, der habe die Stadt mehr geſchädigt. Wenn
euch ſolche Exceſſe von der Stadtvertretung, der nunmehr Repnig
felbft angehörte, energifch geahndet wurden, fo beftand doch auch kein rechtes
Einvernehmen mehr zwijchen diefer und ihrem Mitrathsverwandten Repnig.
Wahrſcheinlich war in den Zeiten der Gefahr feine Auctorität höher
geftiegen, als dieß die mehr republilanifche Verfaſſung der Gemeinde
vertrug. Dagegen erhob fi) num grade jenes Element als C'ppofition,
— — ai
3 Orig in l. Sr. A. M. 68.
W
— 21600 —
als dejjen Führer Repnitz anfänglid) aufgetreten war, die Gemeinde:
älteften umd Bürger, deren Streit mit Repnit eben dahin gefchlichtet
wurde, daß diefe aufs neue verjpradhen und gelobten, dem Bürgermeifter
und den Rathöherren wic vordem gehordhen zu wollen, nicht fo aber bem
Repnitz jelbjt, wenn er ihnen außeramtlid) etwas befehlen wurde. Seinen
Streit mit den Waldjteinen aber verfprady der ritterliche Rathsherr num
felbjt auf fich zu nehmen. Dieß ift zugleich die letzte Nachricht, die wir
über diefe jedenfalls interejlante Erfcheinung befiten — es fcheint nicht,
daß der Danf der Bürger den Berdieniten de8 Mannes gleich fan.
Den allgemeinen großen Streit brachte auch der allgemeine Land⸗
tag zu Ende des Jahres 1516 nm FeinenSchritt weiter, im Gegentheile
trennten fi auf ihm die Städte abermals vom Adel, als fie die Hin-
neigung des in ihre Verhältnijfe jedenfalls wenig eingeweihten Töniglichen
Gefandten zu feßterem wahrnahmen. Sie fchidten Geſandtſchaften an
beide Vormünder des jungen Königs (den Kaifer und den König von
Polen), um fie beifer zu unterrichten; allein der auf diefe Veranlajfung
hin vom Kaifer ausgefchriebene Landtag kam nicht einmal zu Stande.
Jmmer unerträglicher wurde für beide Seiten diefer Zuftand lang dauernder
Ordnungslofigfeit in einem ohnehin in allen feinen Grundlagen zerrüt:
teten Zande. Die biutigen Fehden des Jahres 1517, fo wie der Auf-
jtand der gedrüdten Bauern in einzelnen Gegenden ftellten aud dem
Adel die obſchwebende Gefahr immer näher vor die Augen. Die Städte
waren andrerfeits — wie das Beifpiel von Litmeritz zeigt — durch
die vielfachen koſtſpieligen Gefandtichaften, durd die beftändige Vertretuug
in Prag, die Auslagen der beftändigen SKriegsbereitfchaft, die Nachtheile
der Fehden, bei deren Beendigung fie noch fürmliche Kriegsentſchädigungen
zahlen mußten, und ſchließlich durch das Darnieberliegen von Handel und
Gewerbe verarmt und zu neuen Opfern unfähig geworden. In Leit:
meritz war die Nothlage der Gemeinde bereits fo groß, daß fich der
DBürgermeijter und die Rathsherren bewogen fanden, zu Gunften ber Ge-
meinderenten auf ihre bisherigen Bezüge zu verzichten. Ja felbft die
Sifche, die ihnen die Müller und Fiſcher zu gemwillen Zeiten zu über-
reihen pflegten, follten zum beiten der Stadt verkauft werden.) Im
folcher Tage der Dinge gelang endlih, was dem Könige und feinen Ge—
fandten nie gelungen war, dem witeigennügigen Patriotiemus eines
Mannes, ber durch Cinfiht und Mäßigung über feine Standesgenofien
) Sedentb.
— 261 —
weit bervorragte, des alten Wilheln von Pernftein. Cr bradte die
Parteien fo weit zur Berfühnfichkeit, daß beide auf dem St. Wenzels—
landtage (28. September 1517) Ausſchüße aus ihrer Mitte wählten,
die eine endgiltige Vereinbarung zu Stande bringen follten, was ihnen
endlich auch gelang.
Um das politifche Recht des Dritten Standes handelte es ſich
bei diefem Ausgfeiche ſchon gar nidyt mehr, vielmehr wurden die Verhand-
Immgen von vorn berein nur auf diefer Baſis eingeleitet. In beiden
andern Hauptfragen aber mußten die Bürger fo viel von ihren Rechten
opfern, wie der Adel von feinen Anfprüdhen, fo daR der lange Streit
trog aller Mannhaftigkeit und Ausdauer des Bürgerthums dennoch zum
Bortheile bes Adele endete und jomit in der foctal:politifchen Ent»
wicklung Böhmens einen Rückſchritt bezeichnet, fo beichränft der Sieg
auch war. Ueber die frage um die Kompetenz der Gerichte vereinigten
fi die Stände auf Grund des Yandtagsidıluffee von 1515, fo daß
ale Regel wieder der Grundjat galt, daß jeder Stand vor feinem Ge—⸗
richte, der Adelige fonmit vor dem Yand-, der Bürger vor dem Stadt:
rechte beffagt werden ſolle, uur jollte fi bei Prozejlen um liegendes
Gut die Sompetenz des Gerichtes nicht wie im Allgemeinen nad) der
Zualität des Bellagten, fondern nad) der des Grundes richten. Bor
das Stadtgericht gehörte aber nur „Schoßgut,“ d. i. ſolches, das feit
der Gründungszeit Eigenthum der Städte war; alles andere aber, Yehen-
Allod⸗ und geijtliches Gut hieß in diefem Sinne „ireies” uud gehörte
vor das Landrecht (beziehungsmeile Kammer- oder Hofrecht); das Brau—
und Malzrecht hörte zwar nicht auf eine Art Monopol zu bilden, wurde
aber zum Nachtheile der Städte auf alle jenc ausgedehnt, welde grade
damals im wirklichen Befige desfelben ftanden, jo daß nur für die Zukunft
die Errichtung neuer Brauftätten hintangehalten war. mar follte diefer
Status quo nur für 6 Jahre bis zur endlidyen Entſcheidung aufrecht
erhalten werden, cr blieb aber troßdem für alle Zeiten die Gruudlage
der Brauberechtigung. Dagegen aber follte es deu Untertanen des Adele
sit verwehrt werden, Bier aus der Stadt zu holen und Getreide in
die Stadt zu führen. Ebenſo wurden die alten Marktordnungen wieder
bergejtellt, wenigitens den anfälligen Bürgeru geitattet, gleich dem Adel
bei Zeugenichaftsabgabe den Eid vor dem vandrechte jtehend zu leijten
und, außer wo es fi um Yeben und Tod handelte, überhaupt fchriftlich
Beugenfchaft abgeben zu dürfen. Hiedurd wie durch eine Menge minder
wichtiger Beftimmungen war der Kern aller ragen, die jo fange allen
— 262 —
Fortfchritt in Böhmen hemmten, gelöft und die Städte willigten nun
gern in die Erlegung einer ausgiebigen Steuer zur Tilgung der enorm
angewachfenen königlichen Schulden, fo wie in die Auflöfung ihres Bundes.
Ganz Prag feierte das freudige Freigniß des Friedensſchluſſes; basfelbe
that gewiß auch Leit merig nach der Erlöfung aus fo drüdender Noth.
Wie durch den S. Wenzelövertrag die politiſchen Kämpfe in ben
Hintergrund traten, in demfelben Maße drängten ſich wieder die confelfio-
nellen vor, ja die calirtinifche Bürgerfchaft gewann fogar eine mädhtige
Stüte in der mit ihr nun bald wieder verbündeten meift utraquiftifchen
Ritterſchaft. Nichtsdeftoweniger gelang die Durchführung des erwähnten
confeffionellen Gemeindebeſchluſſes dennod niemals vollftändig, ja es fehlte
ihm zu feiner gefeglichen Geltung zu allen Zeiten die Tönigliche Sanction.
Doch verfuchten die Bürger bald darauf wieder einen Schritt meiter in
diefer Richtung. Auf dem Landtage von 1518 hatte Burian Treka
abermals das Amt bes Lnterfämmerers überkommen, und an feiner
Seite war Johann Hlapja, mweiland Haupt des Städtebundes, zum Hof:
richter der Töniglichen Städte ernannt worden. Beide famen 1519 nad
Feitmerig, um dafelbft nad langer Zeit wieder zum erften Male
den Stadtrath orbnungsgemäß zu erneuern Samftag vor dem Palm:
fonntage (9. April) beriefen fie zu dieſem Zwecke den alten Magiſtrat
und die Gemeinde, fanden aber bei berfelben harten Widerftand, ale
fie auch Katholiken in die Aemter aufnehmen wollten ; vielmehr verlangte
die kalixtiniſche Majorität der Bürgerfchaft, daß weder in das Amt der
Schöffen, noh der Rathmannen und Aelteften auh nur Ein „Römling”
aufgenommen werbe. Mit vieler Mühe erzielten es die Töniglihen Be⸗
amten, daß „nur noch für ein Jahr” wenigftens in einem inzigen der
drei Aemter ein Katholik figen follte und ernannten ben katholiſchen
Sohann Jelinek zum Rathmanne, zum Primator aber den kalirtinifchen
Hron (Ialob Hronowskiy) von Welgenan. ')
Der größte Drud für die Stadt lag von nun an in den von
Jahr zu Jahr fi mehrenden außergewöhnlichden Steuern, die bald als
ungermöhnlich hohe Procente von allem Befitthume, bald als Taxen bei
ieder Art Berfaufes und Gefchäftes ausgejchrieben wurden, ohne ihren
Zwed, die Tilgung der Tandesfhulden und Auslöfung ber Landesgüter
aus den Händen der reichften Adelsfamilien, je zu erreihen. Die Sache
) Gedenlb.
— 263 —
verfchleppte theil® die Unbeholfenheit der Gebahrung, theils der große
Vortheil, den die bisherigen „Regenten” aus dem Befige der Pfand-
güter zogen, noch Jahre lang, jo daß der König bei aller Ueberbürdung
jeiner Unterthanen doch weder von Schulden los, nod) weniger zu Gelde kam.
Bereits 1519 verlangte er durch einen Brief von Dfen aus (am
13. Juli) von der Stadt Yeitmerig ein unverzinsliches Anlchen von
100 Schod auf ſechs Sahre ') und die Stadt Fonnte die Bitte jeden.
falls nicht abfchlagen, fo ſchwer fie ihr auch fallen mochte. Auf dem
Zandtage von 1520 verweigerten dagegen die Städte überhaupt jede fer-
nere außergewöhnliche Steuerleijtung, wenn nicht ein beileres Gebahren
mit den einlaufenden Geldern nachgewiefen werde und übernahmen fo-
dann von ber ganzen Staatsfhuld ein Drittel auf jich, die Sorge um
Dedung der andern zwei Drittel den Herren und Nittern überlaffend.
Zu aller Noth kam noch das Unglück einer furchtbaren Peſt, die
Leitmeritz, wie ganz Böhmen, heimfuchte 2) und neben all dem Un»
glüde dauerten die Fehden mit dem Adel in Kleinerem Maßſtabe unauf-
börlih fort, bis fi) die Städte abermal® gezwungen fahen, zu ihrer
Nothwehr am 6. Dftober zu Prag neuerdings einen Bund zu bilden
und den Krieg gegen den Raubadel förmlid) zu organifieren. ?) Doc
wütbete dießmal der Kampf meijt entfernt von Leit meritz im füdlichen
und meftlichen Böhmen. Vor der Race des Adels wurden die Städte
mur durch die Zuneigung des Königs zu ihrer Sache gefchütt, der endlich)
im März des Jahres 1522 jelbjt nah Böhmen kam. Der Staud der
Bürger bemilligte für feine Hofhaltung 1000 Schock fowie ein Zehntel
Procent vom Werthe allen Grundbejiged. Yeitmerig jandte ihm außer-
dem als Geſchenk eine große Quantität Weines (wenigftens an 30 Fäfler) ;
der junge König fchien aber zu willen, daß jeine Städte nichts mehr
zu verſchenken hatten, und bezahlte den Wein mit 100 Schod. *)
Je mehr König Ludwig die Verhältniſſe mit eigenen Augen zu
betrachten im Stande war, deito mehr näherte er fih der Partei des
Bürgerthums und brach ſchließlich jo volljtändig mit der bisher zum Un:
heile des Landes herrfchenden Oligarchie, daß er ſämmtliche Yandesämter,
wie es Längft der Wunſch der Städte geweſen war, ihren Händen ent»
wand und die oberite Yeitung ſolchen anvertraute, die in feinem Sinne
zu regieren verſprachen. Auch in eine Reviſion der Yandesordnung wil⸗
3 Leit. St. A. °) Eedentb. *) Letop. 443. 8. JE. Sr. U
— 258 —
nicht mehr aufgenommen werden konnte, in dem doc der berüchtigte
Mörder Bohnicky gleich dem verlorenen Sohne freudige Aufnahme
fand. ')
Sp ftand nun die Sache auf dem Punkte, daß entweder ſchnell
abgemwiegelt werben, oder der fang gefürdhtete allgemeine Krieg der Stände
zum Ausbruche kommen mußte. ‘Die Bürger ftanden im ganzen Streit
der Sache nad ftets in der Defenfive, ber Adel aber fand auch jet ir-
entfcheidenten Augenblicke nicht den Muth, fein Glück auf den Bürgen
frieg, mit dem er fo lange gefpielt, zu feten. Nachdem der Bogen zu *
Brechen geſpannt war, liefen plöglid ohne Zuthun der Stadt von zwe
Seiten PVermittlungsanträge ein, einerfeitS vom Herzoge Georg von
Sachſen und andererfeit® von den Herren von Waldftein anf Lo—
bofit und Graupen. Die Stadt, ber e8 um ben Frieden noch mehr
zu thun fein mußte, al8 dem Adel, antwortete beiden in verbindlider
Weiſe und ließ ſich mit jedem in nähere Unterhandlungen ein, obwohl
fie von vorn herein zu den Waldfteinen fein Vertrauen zu Haben
fchien, die grade in Betreff Repnitz's am wenigften unparteiifch fein
fonnten. Einige Bürger unterhandelten wirftih in Loboſitz um bie
Mitte Juli, unterfchrieben auch bereits einen Geleitsbrief für Polensl,
fo wie fie einen von ihm in Empfang nahmen, einigten ſich jedoch nicht
über Zeit und Ort der fchließlihen Verhandlung mit demfelben. Die
Gebrüder Waldftein wünjchten diefe in Teplitz und in kürzefter Zelt;
die Bürger fühlten fih in Auffig ficherer und gaben vor, fie könnten
in jo kurzer Zeit Feine Schiedsrichter auftreiben. ALS aber die Herren
auf Teplitz beftanden, Magten die Bürger, daß Verhaftsbefehle gegen
Einzelne ausgegeben feien, und fie fomit verhindert wären: in Wirklich⸗
feit aber beitand das Haupthindernis darin, daß die Waldfteine ale
Preis abermals die Austieferung Repnitz's verlangten, um mit ihm
gemäß den Beneſchauer Beichlüffen verfahren zu können. Dies trieb bie
Bürger dem andern Vermittler zu, der ‚allerdings ein großes, aber fein
für die Ehre der Stadt unmöglihes Opfer verlangte. Herzog Georg
vermittelte vorderhand einen Waffenftillftand zwifchen den ftreitenden
Parteien, den die Gemeinde am 30. Juli annahm und in welchen fänmt-
liche Helfershelfer des Polensk, unter ihnen aud jener Gamer Ha⸗
welfa, der Schützling des Herrn von Elſtibok, den die Stadt nid
fange vorher aus ihrem Gefängnijfe entlaffen hatte, eingefchloffen wurben.
) Palacky Dej. V. 2. 351.
IL,
— 265 —
Bürger ftieg wieder, in Bauten und milden Stiftungen bdocumentierte
fich wieder, bald prunfend bald Tiebevoll fürforgend, neuer bürgerlicher
WBohlftand. Aber das Glück blieb nicht lange ungetrübt. Schon nadı
ber Art der Reubevölferung ber Städte war c8 nicht anders möglid),
al® daß weitaus die Mehrzahl der Bürger dem calirtinifchen Bekennt⸗
nifle anbieng, das in Leit meritz geradezu als das allein herrſchende
erffärt worden war. Aber auch in die deutſch gebliebenen Städte Böh⸗
mens hatte mittlerweile die deutfche Reformation Eingang gefunden
nub während der hohe Adel vorzugsweile Tatholifch, ber niedere über-
wiegend utraquiftifch mar, bildeten die Städte die eigentlichen Kernpunkte
des letzteren wie des Iutheriichen Bekenntniſſes. Deshalb erfannte nach⸗
mals der katholiſche König, nicht ohne Zuthun und Denunciation des
Adels, deilen Rachetag gelommen war, in ihnen die Brutherde der Re:
volution, wandte ſich von ihnen abermals zum Adel und brach nad) ihrer
volfftändigen Befiegung für immer ihre Macht und Selbftftändigfeit, die
fie mit fo viel Opfern kaum wiedererlämpft hatten. So wurde dic An-
fange glüdlihe Regierung Ferdinands für das Bürgerthum abermals
die unglücklichſte.
An feiner Wahl betheifigte fich der Bürgerftand in derjelben Weife,
die ſchon vordem Sitte geworden war, nämlich durch eine Deputation
von act Wählern, die. zu den im je gleicher Anzahl ernannten Herren
und Nittern hinzutrat. Unter ihnen war diesmal fein Teitmeriger Bürger.
Ferdinand ftellte den verlangten Krönungsrevers aus und fam Anfangs
Feber 1527 nah Prag zur Krönung. Sein Berhältniß zu lingarn
erfaubte ihm aber nicht, fich bleibend daſelbſt niederzulalien, jo daß die
Kegierung dee Landes wieder in den Händen Leo's von Roſenthal lag.
Ba feinem Befuhe Prags gerietb Ferdinand (1528) bereits mit
dem Bürgerftande in einige Collifion, bie diefen jedenfalls nicht für ihn
einnehmen konnte. In ähnlicher Weife mußte wieder ihn der Konfeffione:
ftreit in Kaaden übel fjtimmen. Den bisherigen utraquiftifchen Admi-
niftrator dee Conſiſtoriums wies er aus dem Lande und befahl den
Städten Yeitmerit und Auffig dem Probſte zu Leitmerik als katho—
liſchem Abminiftrator des Erzbisthums 500 Schod zu borgen. Nachmale
(1532) verlangte er von ihnen zu dem genannten Zwecke noch 21 Schod.')
Am Beginne des Jahres 1530 war Ferdinand felbft zum erften Mate
auf kurze Zeit nach Teitmerig geloinmen, um bafelbft mit dem Chur-
9 Leitmeriger St. U.
— 266 —
fürften von Sachſen, der ihn hier bereitS erwartete, eine geheime Ver⸗
handlung zu pflegen.')
Das Jahr 1531 wurde für Yeitmerik, wie für ganz Böhmen
ein fehr kummervolles. ine große Ueberfhwenmung leitete im Zrüb-
jahre die Leiden desſelben ein. Hienach folgten Theuerung, Hungersnoth
und Seuchen?) und zu alldem noch die Türlengefahr, in Folge deren
auf dem Yandtage des 1. Mai eine äußerſt koftfpielige Kriegsbereitichaft
angeordniet wurde. Im Jahre 1534 wurden aus dbemfelben Grunde bie
allgemeinen Yajten noch erhöht, Bier, Getreide, Wein, Vieh, Fiſche und
jede andere Raufmannswaare wurden bejteuert. Trotzdem aber daß dieſe
hohen Leiftungen nebſt Söldnerftellung die nachfolgenden Jahre fortdanerten,
erhofte fi die Gemeinde dennoch durch den wenigſtens in Böhmen felbft
herrſchenden Frieden und den Auffhwung, deu dadurch Handel und Ge-
werbe nehmen Eonnten, und begann wie aufs Neue aufzulcben. Die
wichtigften Urkunden, die einft in Wladiſlavs Händen in ziemlicher
Gefahr gefchwebt, Lieken die Rathsherren copieren und vom Rathe ber
Altftadt Prag vidimieren?), um für die Zukunft geficderter zu fein, das
Rathhaue, die Pfarrei, die GSemeindeftallungen und andere öffentliche
Bauten wurden bamald neu aufgeführt und bei alldem wurde es der
Gemeinde noch möglich, Gelder wegzuleihen und ihren Befit zu ver:
mehren, was im Verhältniß zu der nachmals eintretenden Finanzlage auf
eine ehrliche und umfichtige Verwaltung jchliegen läßt. Am 17. Sep-
tember 1543 faufte die Stadt vom damaligen Vicelandſchreiber Hynel
Krabice von Weitmühl das Gut Piftian fammt dem damaligen
Schloßchen und Maierhofe mit den Zinsbauern und alles, was diejer
an Hufen und Zinsleuten in Sebufein, Kolteben, Tſcherſching
(Cytiniste) Kundratitz, Thutzen und Pokratitz befaß, um 1800 Sch.,
von denen aber 300 Sch. in Abſchlag kamen, die Weitmühl in Ge—
meinſchaft mit Bernhard Podwinsky der Gemeinde bereits ſchuldete.*)
Etwas fpäter wurden noch einige Grundjtüde von Doxan und Brew-
nom angefauft (1546). °)
In der Gemeinde felbjt aber konnte auch während dieſer glüdlidhen
Zeit des äußern Friedens wegen des vorherrfchenden Geiftes der Un⸗
duldſamkeit uud Unverträglichkeit ein dauernder innerer Fritden nicht be-
jtehen. Seit Katholiten und Deutfche aus der Gemeinde förmlich aus-
geichloffen waren, richtete fi die ganze Wuth der öeechiſch⸗utraquiſtiſchen
i) Sedintb. °) Ebend. *) 1616 Freitag nah Hus und Hier. 1. St. U. Rr. 7.
9 *. ©. A. ) hend.
— 267 —
Bürgerichaft mit um fo größerer Einhelligleit gegen das einzige noch
ungleidyartige Element der Bevölferung, die Juden, die, wie vor dem
erwähnt, in der jegigen großen Dominikanergaſſe ihr Quartier hatten.
Schon feit der Gedhifieruug der Städte war die Stellung der Juden
in benfelben ſehr zu ihrem Nachtheile verändert worden.) Die zu Zage
tretenden Beftrebungen, die Juden ganz aus dem Yande zu verbannen,
waren bisher an dem Widerftreben der Regenten und einfichtsvolleren
Herren geicheitert. Als aber im Jahre 1541 zu allen alten Vorwürfen
gegen das verhaßte Bolt noch die neuen binzufamen, es ftünde im
Einvernehmen mit dem Türken, bezahle im offenen Lande Mordbrenner
und vergifte die Brunnen, da konnte Ferdinand nicht mehr als fünf-
zehn Juden reiten, die noch auf ein Jahr in Prag bleiben durften —
alle andern wurden num wirkfich des Yandes verwiejen. ‘Mit wüthender
Freude fiel nun zunädft in Saaz der Pöbel*) über die dortigen Juden
ber und der leitmeriger folgte aljogleih nad. E8 war an einem
Sabbath, den 19. November 1541, als die Chriftengemeinde, wahrſchein⸗
ih durch das Wochenmarktpublikum verjtärkt, in die Iudenftadt einbradh,
diefelbe plünderte und die Bewohner derfelben ohne Linterfchieb des (de-
ſchlechtes und Alters erbarmungelos aus der Stadt jagte. Die That
blieb zwar nicht ungerächt, aber die Juden kehrten nie mehr in ihre
Däufer zurüd. Wer als Anftifter diefes barbarifchen Verbrechens be>
firaft wurde, willen wir nicht, doch fagt der alte Stadtfchreiber, „es
haben der Rath und die Stadt um der Juden willen gar viel gelitten,
einige faßen lange in Prag im Thurme und einige mußten auch den
Kopf dafür fallen.“ Erſt im Jahre 1543 wurde der Prozeß durd eine
allgemeine Amnejtie beendet, die König Ferdinand unterm 15. Juni
der ganzen Gemeinde ertheilte und durch die er ihre „Ehre“ mie ihren
„guten Namen“ wieder herftellte.”) Nach alldem war nicht bloß der
Böbel der That Schuldig, Sondern auch die ganze VBürgerichaft und fpeziell
der Magiftrat wegen Verabfäumung feiner Pflicht beinzichtigt. Damit
war aber der judenfeindlichen Chriftengemeinde, die ſich mittlerweile in
ben Befitz der verlajjenen Habe gejett hatte, noch nicht gedient, fondern
3) Siehe meinen Auffatz über die Yuden in „DRittheilungen de6 8. f. G. der
Deutiſchen in 8.” Jahrgang V. Heft 5. ?) Auch hier fand ein Gürber an
der Epibe, wie 10 iberbar pt nicht zufällig fein kann, daß allenıhalben Leder⸗
hendwerfer das Wort gegen die Juden — ihre Slänbiger und Rivalen —
führten, vielmehr auf die Hauptquellen der Wbneigung binzubenten fcheint.
2.8. Rr. 48.
— 268 —
diefe verlangte durch eine 1546 an den König entſandte Vertretung, daß
diefer den allgemeinen Yandtagsfchluß für Leitmeritz befondere beftä-
tige und die etwaige Rückkehr der Vertriebenen für alle Zeiten verbiete.
Ferdinand millfahrte diefer Bitte am 13. Auguft und fanctionierte
ſomit das Gefchehene, indem er der Gemeinde das Privilegium ausftellie,
daß fortan Fein Jude mehr weder in der Stadt, noch auf den Borftädten,
noh auch nur auf den ftädtiichen Befikungen wohnen noch vorüber-
gehend fih aufhalten, ja daß keiner unter welchem Vorwande immer
dajelbft au nur ein- und ausgehen dürfe. ")
Während fi die Bürgerfchaft noch glücklich träumte am Ziele eine
langgehegten Wunſches angelangt zu fein, zog fich bereits über dem ge-
famınten Bürgerthume Böhmens ein unheilfchwangeres Unwetter zufam-
men. Den prager Städten, in denen feit jenen Zeiten, in melden
Scelbithilfe ein Geboth der Mothwendigkeit gemwefen war, dag Dema-
gogenthum in einen bedenflichen Maße fich entwidelt hatte, war e8 nie
gelungen fich die Liebe des ftrengen, ordnungefichenden Königs zu erwer⸗
ben. Tagegen galten fie in den Augen der Bürger der Landſtädte feit
jenen Zeiten, in denen fie im Kampfe gegen den Adel an der Epite des
Städtebundee gejtanden, immer noch als das eigentliche Haupt des Reiches
und genojfen in gewilfer Beziehung mehr Autorität, al® die höchſten
Yandesbehörden. Ein großer Theil des Adels fühlte nur ungern den
ungewohnten Zügel einer rückſichtsloſeren Regierung und wäre un den
Preis, diefen abzufchütteln, einverftanden geweſen, felbft mit den Städten
zu gehen, wenn diefe aus irgend einem runde einen ſolchen Weg ein-
ſchlagen würden. in Grund diefer Art fand fich bald. Das neue Band
zwifchen Adel und Bürgerthum bildete die Beſorgniß um die Freiheit
des gemeinſchaftlichen Bekenntniſſes, ale in Deutichland ber chen aus⸗
gebrochene ſchmalkaldiſche Krieg immer entfchiedener die Yärbung
eines Neligionskrieges annahm. Dazu fam noch, daß das Haupt der
Proteftanten in Deutſchland, Churfürſt Iohann Friedrich von Sachſen,
ein Verwandter der einſt königlichen Familie der Podebrade und des
unvergeßlichen Fürſten Bartholomäns, zugleich durch alte Verträge
in einem intimeren Verhältniſſe zu dem Königreiche Böhmen ſtand.
Es war vorauszuſehen, daß auf die voſung des Bekenntniſſes hin nahezu
alle Städte wie Cin Mann bei einander ftchen würden, während den
Adel Leicht ein mehr politiſches Programm einigen konnte. Zwar bemil-
— .— —
) 5. St. W. Rr. 35.
— 269 —
ligten 1546 die Stände ein Aufgeboth, eine nene Steuer, fc wie ein
Bierungelt auf vier Iahre; allein ſchon auf diefem Yandtage gab es
Streitpunfte zwifhen den Bragern als Vertretern des Bürgerjtandes
und der Regierung. Ferdinandé Ungunjt gegen fie ftieg ſchon durch
deren Berfuh ber Selbithilfe gegen das bei Prag lagernde- gewalt-
thätige Magyarenheer, und noch höher, al8 das prager Contingent, das
unter Sebaſtian Weitmühls Führung den Krieg gegen den Churfürjten
fortfegen follte, hierin Schwierigkeiten erhob. Ilm fo größer war von da
an fein Groll gegen die Prager, als er ihn vorderhand noch nicht zu
äußern wagte. Gleich zu Anfang des folgenden Jahres (1547) ordnete
er ohne Einberufung des Yandtages auf die Dringlichkeit der Sache ſich
ftügend aus eigener Macht ein allgemeines Yandesaufgeboth an, das vom
24. Yäner bis zum 2. Yebruar jih in und um Leitmeritz jammeln
follte. Jeder Bürger follte von jedem 1000 Schod Befit einen Reiter oder
drei Fußgänger ausrüften, die jeboh nur aus in der Stadt Anfälligen
geworben werden dürften. Yerdinand felbit gedachte noch vor Ficht-
meß in Leitmeritz einzutreffen, wurde aber hieran durd den Tod feiner
Gemalin verhindert. Es begannen daher einzelne Standesperfonen, die
bereits in Xeitmerig eingetroffen waren, trog ber Crmahnungen der
ebenfalls gegenwärtigen föniglihen Commifläre wieder heimzureifen, und
Ferdinand ſah fich genöthigt, durch ein neuerlihes Manifeft (28.
Jäner) fein Ausbleiben zu entfchuldigen und die Stände zum Ausharren
aufzufordern. Die Prager antworteten aber geradezu, daß fie fich zu
einem folhen Zuge nach den beftehenden Landesgeſetzen ohne vorherge-
gangenen Landtagsfhluß nicht für verpflichtet hielten und auch aus
Gründen des allgemeinen Beften nicht erfcyeinen würden.) Obwohl ber
König mit großer Mäßigung die Einwürfe derjelben Punkt für Puntt
zu widerlegen fuchte, blieben die Bürger dennoch bei ihrer Meinung.
Boll Berdruß machte jih fomit Ferdinand in Begleitung feines gleich—
namigen Sohnes am 5. Feber gegen Neitmerig auf und übernachtete
in Budin. Von da aus hielt er am näcjiten Tage — einem Sonn:
tage — jeinen feierlichen Einzug in Teitmerig, wo fich eine immerhin
bedeutende Anzahl von Herren und Nittern, aber feine Prager und,
wie es fcheint, überhaupt wenig Bürger eingefunden hatten. Ferdinand
hatte zwar gewünſcht, daß fie fid nicht nach Art eines Yandtags, fondern
vielmehr eines Kriegslagers verfammelten ; nicht8 defto weniger aber hatten
) Die bezuglichen Acten find u. U. gedendt in Zimmermann Prib&hove,.
— 264 —
figte der König und ernannte zu diefem Zwecke wie zur Wuetragung |
immer noch objchwebenden Streite® wegen der gegen die Städte vorm
gefällten Contumazurtheile eine Commiffion von 42 Mitgliedern, de
dritter Theil gegen den Sinn der beftehenden Landesorbnung aus B
gern beftand. Leit meritz war durch feinen Mitbürger Jakob Kofti
vertreten. Als der König am 16. Mär; 1523 Prag wieder verfi
batte fi der Stand der Dinge wirflih zum Vortheile geändert,
daß eine dreifache ungewöhnlich hohe Steuer die nächſten Jahre hinda
alle Bewohner Böhmens drückte, eine zur Bezahlung der alten Staa
ſchulden, die andere zur Beftreitung des bevorftehenden Türlenzuges ı
die dritte zur Unterhaltung des verarmten Hofes. Außerdem führten
nunmehr wieder hervortretenden NReligionsftreitigkeiten zu einer neuerlid
Reaction, die mit dem Wiederhervortreten Leo's von Rofenthal (Ri
mital) in dem Grade wuchs, als die drohende Türkengefahr in Unge
die größtmögliche Einheit wünfchenswerth gemacht hätte.
Bon den Ungarn ohne Hilfe gelaffen, wandte ſich der bebdrän:
König 1526 zu wiederhoften Malen um folde an Böhmen. Auch defl
Hilfstruppen kamen indeß durch PVerfchulden der genannten Adelspaı
wenigitens dem größten Theile nad) zu fpät. Unter dieſen begegne
auch die von Leitmeritz geftellten Truppen bereits auf dem Wege |
Kunde von dem Tode des Königs und dem Unglüde bei Mohacs.
5. Serdinand I. — Untergang der bürgerliden Autonomie
Das belannte Creigniß des Jahres 1526 bahnte ciner Dyna
den Weg zum böhmifchen Throne, die die Zügel der Regierung ı
fefterer Hand zu erfaflen verftand. Unter der Regierung Ferdinand
trat der Uebermadt der Stände das monardhifche Princip mit größe
Gewalt entgegen, als je zuvor, und wenn fich bisher befonder® bie I
beren Stände Böhmens an Polen gelehnt und in diefem ihr Vorb
gefunden, fam nun in den reifen der ftarfen Regierung der Gedaı
einer Monarchie zum Ausdrude, der mehr an den Abfolutismus füb
cherer Staaten erinnerte. Nichte deito weniger hatte diefe Strömms
momentan wohlthätige Folgen; an die Stelle ber Fehden trat wel
thuender Frieden und überall verjpürte man die ordnende Hand ein
einfichtsvollen, mächtigen und in feiner Art wohlwollenden Könige. €
verflofjen die erften zwanzig Iahre feiner Regierung fegenvoli für &
Land und die Städte erholten fi) von langen Leiden. Der Erwerb I
— AM —
Landtag zu berufen und den Privilegien der Stände vollkomm
zu thun, fo wie diefe durch einen Revers zu fihern. Doch Tonnte das
ihmeichelnde Lob böhmiſcher Ehre und Tapferkeit ebenfo wenig beftechen,
wie die beredten Bitten erweichen. Nur einen Theil ber Anmejenden
fonnte der beichränfte Raum des Saales fallen, über die Stiegen herab
und auf dem Markte vor. dem Haufe drängte fi das Voll. Vielleicht
hätte die augenblickliche Rührung dem Könige einen günftigeren Beſcheid
verfchafft, wenn nicht Klenovsky gebeten hätte, des Königs Worte erft
dem draußen harrenden Volke mittheilen und ihm des andern Tages
die Antwort bringen zu dürfen. Donnerftag frühzeitig verfammelten fid)
abermals die Stände und die Landesbeamten brüdten vor dem Könige
ihr Bedauern aus, daß es ihmen nicht gelungen, die übrigen Stände auf
ihre Seite zu ziehen, wogegen dieſe erklärten, daß, was in ihrem
Namen Klenovskh gefprochen, ihr lettea Wort fei. Auh Ferdinand
ſprach Hierauf fein letztes Wort in maßvoller aber einbringlicher Rede,
und als dic Stände fahen, daß er troß ihrer Weigerung gefinnt fet,
mit den Wenigen, die ihm folgen würden, einen gefahrvollen Zug zu
unternehmen, beichloß des andern Tags die größere Anzahl derer, bic
nicht ſchon abgereift waren, aus freiem Willen mitzuziehen. Diefe beſchied
Ferdinand am 11. wieder zu ſich und verſprach ihnen für alle Zufunft
in Dankbarkeit verbunden zu bleiben. — So hatte ſich in dieſer denf-
würdigen Woche auf dem Rathhaufe zu Leitmerig das Vorfpiel eines
bedeutenden Stückes böhmifcher, beſonders aber bürgerlicher Geſchichte
abgefpielt.
Gleichzeitig waren in Prag am 10. Feber die Grundzüge zu einer
Sereinigung fänmtlicher Städte zum Schutze ihrer Rechte entworfen
worden, worin fich dieje zur Gemeinſamkeit bei der Abftimmung im
Yandtage und zur Anerkennung von Schiedsrichtern zur Schlichtung ihrer
Streitigkeiten unter einander verpflichteten. In ähnlichem Sinne fchloßen
am 14. Feber Mitglieder der andern Stände einen gleichen Bund, der
fih wieder mit jenem im erften Punkte einigte. Zwiſchen den Vertretern
dieſes Doppel-Bundes und dem Könige wurde nun eine Correfpondenz
gefährt, die fo ziemlich besfelben Inhaltes war, mie die Reben in
Yeitmerig. Der ohnehin lang gehegte roll des Könige gegen die
Prager ftieg dadurch aufs höchſte, nichts deſto weniger aber verrieth
er ihn noch mit feinem Worte. Defto geſchwätziger aber gaben feine
Dienftleute der Gefinnung Ausdrud, die in den Hoffreiien herrſchte
Georg Kramai, in deſſen Hauſe ſich das königliche Kachengeſinde
— 272 —
aufbielt, wußte viel zu erzählen von deſſen Drohungen gegen die Prager.
Auch der königliche Schirrmeifter — der Oberfte des Geſchützes — that
fi) durch ſolche hervor. Die Gerüchte hievon erhigten wieder die Ge⸗
wmüther der Bürger noch mehr.
Am 15. Feber wurde eine förmliche YBundesurfuude entworfen und
Herren, Ritter und Städte zu Beittriserflärungen aufgefordert. Um bie-
felbe Zeit ’) zog Ferdinand mit bem ihm folgenden Heere aus Leit⸗
meritz über Außig nah Dresden und zu gleicher Zeit erklärten
fämmtlihe Städte mit Ausnahme Außigs, Budweis und Bil:
ſens, fomit alfo auh Leitmerig, ihren Beitritt zu dem genannten
Bunde, der nun nad zwei Seiten hin, mit dem Churfürften und dem
Könige mündlich, correfpondierte und deſſen urfprünglich mehr paffives Ver⸗
halten immer mehr und mehr den Charakter der VBerfhwörung annahm,
wie er durch die Anordnung einer eigenen Yandesbereitfchaft und deren zwei»
dentiges Verhalten ausgejprochen erfcheinen mußte. Was aber fchließlich
den unglüdlihen Ausgang herbeiführte, war die Halbheit ber Sache;
niemand wollte fo weit gehen, daß er nicht wieder zurüd könnte, und
grade dieſes zweideutige Spiel gereichte nachmals dem Bürgertfume zum
Schaden, als fih der Adel zeitig genug aus der Falle zog und bie
Klappe grade vor den Bürgern niederfallen ließ. Bei dem bloß defen⸗
fiven und beobadhtenden Vorgehen, das nichts deſto meniger ben Schein
des Hochverrathes nicht vermeiden konnte, mußte alles auf die Vorgänge
ienfeits der Gränzen anlommen — Johanu Friedrich aber wurde, wie
befannt, am 24. April gefchlagen und gefangen. So blieb im Hinblide
auf die vereinten fiegreichen Deere Kerdinands, bes Kaifers und
Herzog Morigens fein anderer Weg, als ſich zu unterwerfen — die
Bedingungen biktierte Ferdinand.
Die ftändifchen Gefandten trafen des König in Birna bereits
auf dein Rüdzuge begriffen. Ohne fie anzuhören ſchickte er fie an dem
Kaifer und zog in aller Stille gegen Böhmen zu. Donnerjtag nad Pfingften
fandte er von dort aus Bothen nah Yeitmerig, die vom Bürger⸗
meijter diejelben Bürger al8 Luartierbeforger verlangten, denen auch
bei dem letzten Aufenthalte des Königs diefes Geſchäft anvertraut worden
war. Zugleich fagten fie, die Bürger hätten ſich keine weitere Sorge
zu machen, e8 werde nur der königliche Hof in fehr geringer Anzahl
anfommen und bloß eine Nacht bier zubringen. Doch kamen gleich bes
) Em 14. fchrieb er noch von Leitmerig aus an feinen Sohn Mar (Budo; VII.
©. 481 E.), am 19. aber bereite von Außig aus.
nn |
— 273 —
andern Morgens nad) und nad) die Meiterfchaaren und befetten die Stadt.
Segen Mittwoch kam aud der König mit jeinem Zohne und großem
Gefolge. Tie Stadtvertretung gieng ihm über die Brücke entgegen, um
ihn zu bewillfommmen und ihm nah alter Zitte Siegel und Schlüſſel
der Stadt zu überreichen. Der König fchickte ihnen aber feinen Sekretär
mit dem Befehle entgegen, jie möchten nur heimgehen, er könne im ſolcher
Zeit ihren Willkonm nicht annehmen. Kaum war er in die Stadt ge
treren, jo bejegten vier Fähnlein Fußknechte die Neuſtadt, die Probitei
und die Dubine, 17 geladene Feldgeſchütze aber wurden „zu allem
fertig” vor dem Rathhanſe auf dein Plage anfgepflanzt, die Mündnngen
gegen die Radebceule gerichtet, Huſaren nber fagerten auf dent Linken
Elbeufer bit gegen Doran zu. Erſt nachdem die Szene fo vorbereitet
wor, ließ der König nach Tifche die Rathmannen vor fi) kommen, um
in Gegenwart des Prinzen Ferdinand, des Kanzlers Georg von
Plauen, dc3 Hofmeifters Zdislav Berka, des Hofmarſchalls Ladislav
Topelvon Lobkowitz und Georg Zabka's ihren Gruß zu empfangen,
gab ihnen aber weder, wie cd Sitte war, die Hand, noch ſprach er Sic
auch felbjt an, fordern ließ ihnen durch feinen Hofmeilter danken, zugleich
aber auch die Schlüfjel zu allen Thoren abverlangen, indem er jelbit für
jeine Sicherheit zu ſorgen gedenke. Der Hofmarſchall nahm die Schlüfjel
m Empfang und machte ſelbſt in Begleitung zweier Perfonen alle Morgen
und Abende die Munde in der Stadt, um die Thore auf: uud zug
ſperren, jo fange ſich der König daſelbſt aufhielt — von Ende Mai bie
Anfang Juli.
Die Sommerszeit diejes Jahres gehörte nicht zu den ſchönſten, die
Yeitmeriß gefehen. Die Dinge. die da vor den Mugen der Bürger
vorgiengen, waren nicht geeignet Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft
zu erweden, dic Gegenwart ſelbſt aber laſtete drüceud nicht nur auf den
Gemüthern, fondern auch auf den irdiichen Gütern der Bürger. Abgeſehen
von der bangen Erwartung, mit der fie der Zukunft entgegenſahen, quälten
fie nit nur die finjtern Mienen des ſchwer beleidigten Königs, Tondern
vor Allem die Gewaältthaten eines rohen Zöldnerheeres, das ſich ale
Sieger im Yande befiegter Empörer betrachtete. Der König beriet fort
während noch nere Streitkräfte zu sich und jo mehrte jich von Tag zu
Tag bie läſtigſte Einquartierung in und um vVeitmeritz. Mähriſche,
ſchleſiſche, lauſitzer und andere Truppen rückten ein, ſo wie die Biſchöfe
von Olmütz und Breslau mit ihren Fähnlein. Auch der Herzog Augnſt
von Sachen zog mit 1000 Pferden und jicben Fähnlein Knechten heran,
18
— 2174 —
bequartierte ſich aber, da in Yeitmerig fchon alles angefüllt war, in bem
Dorfe Lobofig. Auh Maurer und Steinmeger wurden requiriert, die
Tag und Nacht Steinlugeln für das grobe Geſchütz meißeln mußten.
Es ift begreiflich, daß die Bürger mit all diefen Gäften nicht gut Kirfchen
effen hatten. Martin Nofydlo, ein fehr angefebener Bürger, wagte
ihnen vorzuftellen, daß fie nicht Heiden und Türken, fondern Leute eines
hriftlihen Königs wären u. &. und wurde hierauf auf königlichen Befehl
in den Thurm geftedt. Später wurde er gegen Caution von 4000 Sc.
pr. G. — cine für jene Zeit riefige Summe — auf freien Fuß gelaffen
unter der Bedingung, daB er fih zwei Wochen nah au ihn gelangter
Auffordung ſtelle. Obgleih er als Bürger vor das Stadtrecht gehörte,
wurde er dennoch nachmals nah Prag zitiert und in den weißen Thurm
geſetzt, bis er fih mit 2000 Sch. auslöfte. Diefer Yall wird nicht ver-
enzelt geweſen fein.
Ferdinand löfte ohne von den Waffen Gebraud machen zu müffen,
die Verfchmwörung dur dipfomatiiche Mittel auf. Schon von Dresden
aus hatte er einzelne der mitverbündeten Herren uud Ritter dur Schreiben
nah Leitmeritz beichieden. Gleich am Tage feiner Ankunft dafelbft er-
ließ er ein Manifeſt an alle Stände — nur die Prager wurden darin
nicht genannt — in weldem er jedem mit Ausnahme derer, bie perföntlich
etwas gegen ihn verbrocden, Straffofigkeit verhie, wenn er jeßt noch aus
beu Bündniſſe träte und dieß perfönlich ihm anzeigen würde. Auf diefe
Weife trennte cr den Adel von den Städten, indem erfterer nun hanfen-
weife nah Veitmeritz kam und fih als den unbewußt verführten
Theil dem Könige vorftellte.e Stoditill, ohne Freunden und Belannten
ein Wörtchen zu fagen, reiften die Herren ab, um ihre Haut zu falvieren
und überrafchten einander gegenfeitig in Leit meritz. Als dieß bie
Prager erfuhren, blieb auch ihnen nichts übrig, als drei Gefandte dahin
zu ſchicken, die dafelbft am Frohnleichnamstage anlangten, als der
König eben mit großem Gepränge die Proceffion um den Wing führte.
Bei der nächſten Verſammlung erflärte der Adel, daß er beim Beitritte
zu jenem Bunde von einer Verſchwörung nichts geahnt habe und fidh
nunmehr dem Willen des Königs unterwerfe, worauf die Namen ber anwe-
ſenden Mitglieder verzeichnet wurden — die Prager Bothen aber konnten
gar feine Audienz erbitten. Eine fchriftliche Eingabe hatte keinen befferen
Erfolg. Erft am 20. Iuni antwortete er auf alle Gefandfchaften derfelben,
fie wärden fi) wohl nah feinem Mandate zu richten willen, — alles
andere würde bei feiner baldigen Ankunft in Prag erfolgen. Am 24.
— 275 —
Juni waren endlid auch die vordem an den König gefandten Prager
vom Sailer ohne Beſcheid nah Leitmeritz gelommen und 'reiften erft
mit dem Könige ohne Beſcheid nah Prag zurüd. Am 1. Juli z0g
Ferdinand unter Trompeten: und Paukenſchall fammt Gefolge von
Feitmerig aus, übernadhtete in Welwarn und gelangte hierauf un»
bemerkt auf da8 prager Schloß, das er bereits die Nacht vor feinem
Umszuge in aller Stille hatte befegen laſſen. Es ift befannt, in welder
Weiſe er daſelbſt Gericht hielt und wie er fonderlih an den Bragern
Nache nahm. Verlaſſen von allen Mitverbündeten ergab fidh der Bürger⸗
ftand auf Gnade und Ungnade, vertrauend dem Rathe und den Verhei⸗
Bungen Tönigliher Beamten. Ein hohes Brettergerüft auf dem prager
Schloßhofe bildete die Nichtertribune, vor der gerufen die Vertreter der
einzelnen Städte erfcheinen mußten, um ihre linterwerfung unter ben
Willen des Könige zu erklären. Am ftrengften wurden die Prager ge
ſtraft — durch Enthauptung, Geißelung und Landesverweilung ihrer
Wortführer, durch Eonfiscation alles Befiges, Aufhebung aller Rechte, —
untereinander gleihmäßig alle übrigen Städte. Nächſt ben Pragern
erſchienen die Saazer als am ſchwerſten belaftet, an dritter Stelle
aber wurbe bie Stabt Leitmerig vor das Xribunal gerufen. Es
war am 21. Yuli. Fünfzig Vertreter der Stadt traten vor den Rich⸗
terftuhl, unter ihnen aus den Näthen Valentin Suk, Wenzel Wicena,
Johaun Kotwa und Matthäus Bakalak, aus den Gemeindeälteften
Georg Mraz, Georg Zak und Wenzel Jelinek, aus der Gemeinde
Klemens Rupec, Martin Zaubla und Beit Weleminsty als bie
Borberftn. Der Hauptmann von Mähren verkündete ihnen, daß fie
derfelben Verbrechen ſchuldig feien wie die Saazer, denen ihr Sünden-
regifter eben vorgelefen worden war, mit Ausnahme, daß fie dem
Könige nicht wie jene den Cintritt in die Stadt verweigert; der König
fei bereit, ihre Rechtfertigung zu vernehmen. Die Leitmeriger
ſprachen: „fie ftänden hier al® Linterthanen gemäß ihrer Vorladung und
gebächten nicht, fih mit Sr. Maj. in einen Proceß einzulaflen, fondern
fie bäten S. M. ſich ihnen gnädig zu erweilen, was immer fie auch
ans Unverſtand und anderen Gründen verfchufdet hätten; fie ergäben
ih S. M. ale ihrem gnädigen Herrn auf Gnade und Ungnade mit
ber Bitte, er möge fie als gnäbiger Herr wieder aufnehmen.” Auch
beten fie die Löniglichen Prinzen, die Rammerräthe und Landesoffiziere
um Fürſprache beim Könige, auf daß er ihr gefchriebenes Geſuch an-
zunehmen gerube, und warfen fi dann vor ihm auf bie Kniee. Ber:
18°
— 2716 —
dinand ließ ihnen dur den genannten Hauptmann antworten, er
wolle fie troß der Größe des Verbrechens dennoch auf Gnade und Un-
gnade annehınen, wofür fi die Genannten bedankten, che fie in bie
Landrechtsſtube abtraten. Hierauf traten noch die leitmeriger Schöffen
vor, die fi) aus eigenem Antriebe ihren Mitbürgern angefchloflen hatten,
und erflärten, daß fie zwar nicht namentlich vorgeladen feien, ſich aber
dennoh vor S. M. ftellen, um ihm Bürgfchaft zu leiften. Es wurde
ihnen bedeutet, ebenfalls in die Stube zu treten, ihre Namen wurden
iedoch hefonders aufgezeichnet. Alle Bürger wurden fodann gefangen
gehalten, einzelne der Prager graufam gemartert und endlich hingerichtet.
Die Keitmeriger mußten fid vor ihrer Entlalfung gleich denen ber
übrigen Städte zur Zahlung von 6000 Sc. binnen 14 Tagen ver-
pflihten. Die „verdiente Strafe an Leib und Leben‘ ſah der König,
wie er fagte, auf Fürbitten feines Sohnes und Anderer nad, befahl
jedoch zunächft alle Tiegenden Güter der Stadt ihm auszuliefern und zu
verfchreiben. Wie man aus der am 1. Auguſt vollzogenen Verfchreibung
erfieht, waren hierunter jedoch nicht die urfprünglihden Schoßgüter, fon-
dern außer denen, welche zu den unter dem Patronate der Stabt ftehenden
Kirhen ımd Stiftungen gehörten, nur bie landtäflichen Güter verftanden,
jedenfalls nur deßhalb, weil die Schoßgüter bereits durchgängig in ben
Händen von Privaten waren. Namentlich genannt werden die Be
figungen in Piftian, Sebuſein, Tlugen, Kundratig, Polratig,
Tiherfhing, Repſch, Libochowan, Zahotan, Ttebautig,
Mitewig nnd Kollchen.
Nah diefen vorangegangenen Mafregeln beherrfchte der Wille des
Könige den nachfolgenden S. Bartholomäuslandtag, den fogenannten
bintigen. Die fträflihe Verbindung wurde nun in aller Form auf-
gelöft — die Siegel von den Berfchreibungen abgerifien.
Was der Adel feit langer Zeit angeftrebt, das hatte der König
nun in wenig Wochen erreiht — das Yoo® und bie Znkunft des Bin⸗
gerftandes hatte er in feiner Hand. Leider in einem Augenblicke, da ber
pofitifche Gedanke noch nicht gefiegt hatte über das fchmerzliche Gefühl
befeidigter Meajeftät! Alle hundertjährigen Rechte des Bürgerthums galten
für verwirkt, und der König, der es felbft noch nicht über ſich bringen
fonnte, die bürgerlichen Boten auch nur anzufehen, ließ ihnen durch den
Oberſtkanzler jagen, daß fie nunmehr von feiner Gnade leben follten. Alle
Stadtprivifegien feien ihm einzuliefern, von denen er ihnen mur biejenigen
zurädftellen werde, die ihm anftchen würden. Die dritte Stimme Hätten
— 277 —
fie fattifch verwirkt, doch wolle fie der König noch aus Gnade bei dieſem
Landtage in deren Genuße laſſen und hiernach nur bis auf feine weitere
Extigließung. Nichts defto weniger fprad in dem Landtagsichluße ſelbſt
ber König im Namen feiner Kammer und Städte. Was der Adel lang
begehrt, eine beftimmte Taxe wie für die Taglöhner fo für die Arbeiten
der bürgerlichen Handwerker und ähnliche Befchränfungen derfelben - —
Des trug ihm ber König nun felbft an, indem er fagte, es fei diefe Art
Ordnung durch den Widerftand der Zünfte vereitelt worden, jet aber,
da er die Städte in feiner Hand habe, folle fie endlich durchgeführt
werden. Um biefür die nöthigen Vorarbeiten zu treffen, wurde in jedem
Kreife eine Commillion, beftehend aus einem Herrn, einem Ritter und
emem Bürger, eingelegt. Der lang angeftrebte Zwed war einerfeits, dem
Mel die nöthigen Producte des Gewerbfleißes billig zu maden, andrer.
Kits aber dadurch, daß verbothen wurde, den Zagarbeitern einen höhern
Ya zu zahlen, ale die Taxe befagte, dem Adel die für den Landbau
uthigen Arbeitsträfte nicht zu vertheuern, da fonft ber Andrang zu ben
Städten ein größerer war. — Auf Bitten der Stände gab Ferdinand nad
Edink des Landtages alle Gefangenen von Adel frei, behielt aber ein-
yine des Bürgerſtandes zurüd, gegen den nun überhaupt die Erecution
ir verhängten Strafen geführt wurde. Leibesſtrafen, diefe aber in bar-
beriicher Art, wurden nur über die prager Bürger verhängt, nach deren
Seliehung aber den Städten verfündet, daß fie gegen Erlegung einer
Tre von 5—800 Gulden einzelne ihrer abgelieferten Privilegien zurüd
tchalten könnten. Die Neitmeritzer erhielten die ihren in Begleitung
ins Decrets vom 24. September zurüd mit dem Bedeuten, daß alle
Par, bie fie etwa verheimlicht hätten, außer Geltung gefegt feien.
Obgleich der Form nad) fein einziges Privilegium unbejtätigt oder
wernthalten blieb, fo wurde dennoch die ganze Stadtverfallung auf an-
im Grundlagen geftellt und die vormalige Selbitregierung weſentlich
Whränft. Die wichtigite Maßregel war die Einſetzung eines königlichen
Gurslorgans in der Stadt, des jogenannten Eöniglihen Richters.
nehm einerjeits die Stellung des ehemaligen Erbrichters ein, indem er
Stadt repräfentierte und das Gericht leitete, andrerfeit8 aber vertrat
de Intereflen der föniglichen Kamıner. Seine Hauptaufgabe aber
segeilicher Art: er hatte ſtreng darüber zu wachen, dab nicht ein
sfilcher Seift in die Gemeinde fich einjchleihe. Indem er fo bie
Belizeibehörde war, hatte er dem Könige oder deſſen Stellver:
ber Alles Bericht zu erjtatten, was in der Gemeinde vorgieng,
an.
— 278 —
allen Sigungen des Rathes wie der Schöffen beizumohnen, feine Winkel⸗
verfammlungen zu dulden, überhaupt aber feine Verfammlung einberufen
zu laffen, deren Programm er nicht voraus fannte und billigte. Ebenfo
hatte er baranf fleißig zu achten, daß bei Todesfällen und Verurtbeilungen
der Töniglihen Kammer ihr Antheil nicht entzogen werde. Seine Er-
nennung gieng vom Könige felbft aus. ‘Der erfte Königs- oder Kaiferrichter
zu Reitmerig war der biefige, Katholifhe Bürger Auguftin Wider,
auch Krejci, der Schneider, genannt. Bon ebenfo großer Tragweite
war die Auflöfung des Verhältniffes, in dem Leitmerig feit feiner
Gründung zu Magdeburg geftanden. Die proteftantifhe Stadt, nım-
mehr in bie Acht erflärt, hatte in allen politifchen Fragen der Tochter⸗
ftabt einen moraliſchen Halt verliehen, der gebrodden werden mnfte. —
Auch das nicht unwichtige Amt bes Weinbergmeiftere behielt fi die
Kammer ſelbſt zur Belegung vor und entzog es fomit der Gemeinde.
— Die alten Zunftordnungen wurden aufgehoben und nur jene Artikel
beibehalten, die fich auf die Aufnahme von Lehrlingen und Gefellen be:
zogen. Dagegen mwurben die Handwerker, Wirthichafts: und Schankhäufer
unter die Aufficht Löniglicher Commiſſäre geftellt, die von Zeit zu Zeit
mit Hilfe der Stadträthe ihre Angelegenheiten ordnen follten. — Eine
bebeutende Einfchränkung erlitt auch das vorbem freie Erbrecht der Bürger,
indem außerhalb der Stadt gefellene Inteftaterben zur Erbfchaft nicht
mehr zugelaffen wurden, Tettere vielmehr an die Sammer fallen follte.
Desgleihen wurden aud die Gelbbußen für größere Verbredhen (Mord,
Drandlegung, Raub, Gewalt, Nothzucht, Ehebruh und Betrug) der
Kammer zugeſprochen. In Betreff des Zoll und Ungeltes follten die
allgemeinen Verordnungen gelten. 1) Ebenfo war die Maßregel allgemein,
wornad) die Städte entwaffnet und zur Entridhtung eines Bierungeltes
für alle Zeiten gezwungen wurden, das die Concurrenz mit dem Erzeug:
niffe des Adels noch erfchwerte, während Zoll und Ungelt den Stadt-
renten gleichzeitig entfielen.
Erft nachdem diefe Maßregeln getroffen waren, erhielten „Brimas,
Bürgermeifter, Rathmannen, Schöffen, Acltefte und die ganze Gemeinde
Neitmerig” am 26, September von Ferdinand I. die förmliche
AZufiherung einer Ammneftie „in Anbetracht deilen, daß fchon einige Rädels⸗
führer geftraft feien und er als chriftlicher Kaifer Bedauern trage mit
der Stadt.” Er nahm fie wieder unter Schug und Schirm feiner Kam⸗
’) Copie im I. St. U.
— 279 —
mer” auf nah den Rechten und Freiheiten, die er ihr neuerdings ge»
ſchenkt, fo daß ihr Verſchulden ihr künftig zu feinem Schaden mehr ge-
reichen folle und verboth allen feinen Unterthanen jeden Spott und Schimpf
gegen bie Gemeinde und ihre Vorftände des Vergangenen wegen !). Einige
Zage fpäter (30. September) ftellte er der Stadt auch jene Einkünfte
zurüd, die zu Kirchen: und Spitalzweden beftimmt waren, „jo daß diefe
zur Ehre Gottes bei den Kirchen und Spitälern bleiben follten.“ *)
So ftand nun zu Ende des Jahres 1547 Neitmerig, was feinen
Beſitz anbelangt, wieder auf dem beicheidenen Standpunfte der vorigen
Beriode, — was feine Autonomie anbelangt, weit tiefer als je.
V Orig. im I. St. 9. N. 38. ?) Orig. im I. St. 9. N. 37.
IL heil.
&:- 8:81 der Eulftur,
| u. 0. „zungen mode gleich am 3
N. I. STILLE der Stadt betrafen,
ACHTÆ nal unter dem 2
| Li. ne Run Nr Saltttichen Bau
no Des aut 'nıe das Veben de
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>, 272,7 222 ,.Sındigt Bewußtſe
S zen Barger cin gelcdhri
N. -. . ”-..
— 281 —
[che Ueberfegungen, wie überhaupt auf Herbeifchaffung und Sammlung
fhriebenen Rechtsmaterials verwendet wurde, al8 ein Zeitalter der
siederherftellung und Neorganifation unferer Stadt.
Es fcheint uns daher vorerft nöthig, auf die Arbeiten diefer Art
a Blick zu ridten. ’) Es find vorzüglich vier große handfchriftfiche Co:
ces in Starken melfingbeichlagenen, nichtsdeſtoweniger aber fehr abgenüßten
derbänden, die vom Fleiße damaliger Stadtfchreiber Zeugnis geben.
er erſte ift ein Papierfoliant von 325 befchriebenen Blättern, den Ja—
ns KozenYy de Krbowa in den Iahren 1469 und 1470 mit jchöner
erficher Schrift niederfchrieb. Wie die meiften dieſer Codices umfaßt
mehrere Werke. Das erfte iſt ein alphabetifch geordnetes Nacjichlage-
h zum Gebrauche der Schöppen, durch welches jich dieſe leicht und in
zefter Zeit nad) einzelnen Schlagworten über alle Grundfäge und Be:
amungen der deutfchen Stadt: und Yandrechte belehren konnten. Alles,
sder Sachſenſpiegel, das Dijtinctionenbucdh und bag magde-
rger Weichbildrecht enthalten, findet fich Hier in Form furzer
gen und Antworten — natürlich in cechiiher Spradye, wie all das
ende Das zweite Werk desfelben Goder ijt die Ueberjegung des
igdeburger Stadtrechtes, das fogenannte „Tächfifche Weichbild,“ deilen
haft eben dic Grundlage des Rechtes in unferer Stadt bildete. Auch
wiſt zu leichterer Orientirung ein alphabetiſches Sachregifter angehängt.
# ganze Buch führt Hier den Namen „Donatn s.“ Hierauf folgen
wine Rechtsentfcheidungen und Weisthiimer, auf diefe aber jenes Rechts—
b, das wegen ſeiner VBolljtändigkeit und Faslichkeit des häufigften Ge—
mchc® und der größten Belichtheit jic erfreute. Es ijt dies das joge-
mte Buch der „Dijtinctionen,“ das am Ende des 14. Jahrhunderts
s einem Rechtskundigen irgendwo in Meißen angefertigt worden jein
L €&& enthält fo ziemlich Alles von deutihen Stadt: und Yandrechten,
w einem Rathsmanne oder Schöppen einer norddeutſchen Stadt zu
Ka uöthig war. In ſieben Büchern Handelt c8 anf Grundlage älte:
dertſcher Rechtsbũcher über die Vermandichaftsnerhäf'niife, Erb: umd
Güterrecht, über das Haus, fein Zugehör, feinen Bau und Frie—
dauszins, Hausthiere und Feldfrüchte, über die Gerichtsperfonen
Sr Pflichten, das Verfahren in Streit: und Strafjadhen, die Wahl
ermandten und die Grundjäge für das Verhalten aller einzel-
fte und Handwerke, über den Frieden der Perjonen, Orte und
— —
daczrris fiche in „Wittheii.nger. d. 8. ſ. G. d. D.“ Jahrg. VI. Rr.IV,V
II. heil.
Geſchichte der Euftur.
1. Das Red.
Bon all den großartigen Umwälzungen, welche gleih am Beginne
der dargejtellien Periode faſt alle Verhältnijje der Stadt betrafen, am we—
nigjten berührt blieben diejenigen, weldye man damals unter dem Begriffe
des Rechtes zuſammenfaßte. Mit den Rotten der hufitiichen Bauern zog
zwar eine arge Gefahr für den Beſitz und ſelbſt das Leben der alıen
deutfchen Bürger durch die Thore ‚der Stadt, das deutiche Recht aber
wurde nur vorübergehend bedroht und gieng in der allgemeinen Ummäl-
sung nicht mit unter. Nachdem ji) die neue Bürgerfchaft nur einmal
häuslich niedergelafjen hatte, um im Frieden die Früchte des Krieges zu
genießen, fügte fie ji) auch willig den bergebrachten erprobten Formen
der Berwaltung und des Rechtes, denen der Slave überhaupt feine andere
entgegenzujegen hatte, Wenn aber bieher das lebendige Bewußtſein der
in der Gemeinde zur Rechtskenntniß erzogenen Bürger ein geichriebenee
Recht entbehriich gemacht hatte, wurde das Bedürfniß desjelben bei den
neuen Bürgern in erklärlicher Weile immer größer. Daher begegnen wir
in dieſer Periode vor allem einem eifrigen Streben, alle möglichen deutjchen
Rechtoquellen dem Verſtändniſſe der cehiichen Bürger und Schöffen zu:
gänglich zu machen. Tie wichtigite Veränderung im Rechtoweſen iſt jomit
nur formeller Natur: Dice Grundlagen desjelben wurden von nun an die
ine ecchiſche überſetzten Rechtsbücher der deutichen Nation. Die zweite
Hälfte des 15. Jahrhunderts kennzeichnet ſich durch deu Eifer, der auf
— 2831 —
ſolche Ueberfegungen, wie überhaupt auf Herbeifhaffung und Sammlung
geichriebenen Rechtsmaterials verwendet wurde, als ein Zeitalter ber
Wiederherſtellung und Reorganifation unferer Stadt.
Es fcheint uns daher vorerft nöthig, auf die Arbeiten diefer Art
den Blick zu richten. ’) Es find vorzüglich vier große handfchriftliche Co-
dices in ſtarken meſſingbeſchlagenen, nichtsdeftoweniger aber ſehr abgenügten
Leberbänden, die vom Fleiße damaliger Stadtfchreiber Zeugnis geben.
Der erite ift ein Papierfoliant von 325 befchriebenen Blättern, den Ja⸗
tobus Kozeniy de Krbowa in den Jahren 1469 und 1470 mit ſchöner
leſerlicher Schrift niederfchrieb. Wie die meiften biefer Codices umfaßt
er mehrere Werke. Das erfte ift ein alphabetifch georbnetes Nachſchlage⸗
buch zum Gebrauche der Schöppen, durch welches fich dieje leicht und in
fürzefter Zeit nach einzelnen Schlagworten über alle Grundfäge und Be—
ftimmungen der deutichen Stadt- und Landrechte belehren konnten. Allee,
was der Sachſenſpiegel, das Dijtinctionenbuch und bag magde-
burger Weichbildrecht enthalten, findet fich hier in Form kurzer
Fragen und Antworten — natürlich in cechiiher Sprache, wie all das
folgende Das zweite Werk desfelben Coder ijt die Ueberfegung dee
magdeburger Stadtrechte, das fogenannte „ſächſiſche Weichbild,“ deſſen
Inhalt eben dic Grundlage des Rechtes in ımferer Stadt bildete. Auch
ihm ift zu leichterer Orientirung ein alphabetifches Sachregiſter angehängt.
Das ganze Buch führt Hier den Namen „Donatus.“ Hierauf folgen
einzelne Rechtsentfcheidungen und Weisthümer, auf dieſe aber jenes Rechts—
buch, das wegen feiner VBollftändigfeit und Faslichkeit des häufigften Ge—
brauches und der größten Beliebtheit ſich erfreute. Es ijt dies das ſoge—
nannte Buch der „Diſtinctionen,“ das am Ende des 14. Jahrhunderts
von einem Rechtskundigen irgendwo in Meißen angefertigt worden jein
toll. Es enthält fo ziemlich Alles von deutſchen Stadt: und Yandredten,
was cinem Rathsémanne oder Schöppen einer norddeurihen Stadt zu
wilfen nöthig war. In ſieben Büchern handelt c8 auf Grundlage älte—
rer deutſcher Rechtsbücher über die Verwandſchaftsverhältniſſe, Erb: und
ehelihes Güterrecht, über das Haus, fein Zugehör, feinen Bau und Frie—
den, Hauszins, Hausthiere und Feldfrüchte, über die Gerichtsperfonen
und ihre Pflichten, das Berfahren in Streit: und Strafjachen, die Wahl
der Rechtsverwaudten und die Grundjäge für das Verhalten aller einzel-
nen Zünfte und Handwerke, über den Frieden der Perfonen, Orte und
N) Sunanerch fiche in „Drittheilungen d. 8. f. G. d. D.“ Jahrg. VI. Nr. IV,V,VL
— 232 —
Sachen und über bie „getreue Hand.” Diefes Buch war fomit am ehe-
ften geeignet, den Mangel jener Rechtsfenutuiß, die mit der früheren Be
völferung gemwillermaßen aufgewachſen war, in einiger Zeit zu erfegern
Deßhalb find die Leberfegungen desfelben auch die in unjerem Gemeinde
ardhiv am häufigſten vorkommenden.
Gleich der zweite Coder, der im Jahre 1479 beendet wurde, erw
hält, aufcheinend von derjelben Hand gejchrieben, diejelbe Ueberfegung um
die gleiche auch der dritte Coder, in welchem ihr Zuſätze aus fpätex-:
Zeit angefügt wurden.
. Am reichhaltigften an verichiedenartigem Materiale ift der vier t
Coder, an dem der Schreiber von 1485 an eine lange Reihe von
Jahren gefchrieben hat. Auch in Betreff der Ausjtattung ift er der ſchmuck⸗
volffte; einzelne Initialen find jehr kunſt· und geſchmackvoll gemalt. Auch
er beginnt mit den mehrgenannten Diftinctiomen. Hierauf folgt
eine Ueberfeung des vermehrten und überarbeiteten brünner Schöffen
buches, oder des „liber sententiarum“, das für die Entwidlung der
deutfchen Stadtrehte Böhmens von ungewöhnlicher Bedeutung gewor⸗
den ift. Außerdem enthält das Buch noch eine Anzahl Bullen, Statute
und Weisthümer, zwei Ueberjegungen des Schwabenjpiegels, dic ald
in Prag geltendes Recht bezeichnet werben, die „majestas carolina“ in
zwei Recenfionen, die Bücher des Andreas Berta von Duba, de
„alten Rofenberger’s" und ähnliche.
Ein anderes nicht minder wichtiges Mittel zur Rechtsbelehrung blieb
auch in den Zeiten des eechiſchen Bürgerthums ‚der unmittelbare Verlehr
mit der Mutterftadt Magdeburg, der von nun am nicht nur mid
vernadhläßigt, jondern vielmehr nur noch forgjamer gepflegt wurde. Se
wol die Gcmeinderehnungen, die die Entlohnung der Boten anführen,
welche die Acten nah Madeburgtrugen, als auch die Anzahl der noch
vorhandenen Urtheilscopien jtellen den regen Rechtsverkehr mit Magde⸗
burg außer Frage. Von den vielen magdeburger Weisthümern, derm
größte Zahl gewiß im Laufe der Zeit durch die vielen Unglüdsfälle, die
unfer Archiv trafen, vernichtet wurde, iſt es uns noch geglüdt, 47 Re
liquien aufzufinden. Diefe find jedoh nicht die Driginale, ſondern jene
cchifchen Ueberjegungen derfelben, die theils in eines der erwähnten Recht®*
bücher, theils in ein eigenes hiezu bejtimmtes Buch eingetragen wurden⸗
Diefe nod) vorhandenen Urtheile des magdeburger Schöppenftuhls betreffes
Schuldſachen, Bürgschaft, Diebftahl, Raub, körperliche Verlegung, Be
figftreit, Erbſchaft, Ehrenbeleidigungen und ähnliches. Außer dem aber
— 283 —
echte die Gemeinde auch nun Belehrung über bie Competenz des Gerich-
8 und bas Vefahren bei bemfelben, fo wie über Gegenftände ber öffen-
een Sitte an.
Der Zeit nach fallen die meiften der nod vorhandenen Weisthümer
bie erfte Hälfte des 16. Jahrhunderts bie zum Jahre heraufreichend,
welchem das alte Band zwifhen Magdeburg und Leitmerig
reits zerriffen wurbe, ja theilweife noch kurze Zeit darüber hinaus.
In der Regel fandten beide ftreitenden Parteien die Darlegung
es Sachverhaltes ein und die Schöffen von Magdeburg entichieden
ann blos bedingungsweile für den Ball, dab fi die Sache fo und jo
dechalte und das und jenes erwielen fei. Dieje Urtheile felbft aber galten
«is präjudizierliche Rechtsbelehrungen für künftige Fälle und wurden deß-
halb in eigenen Büchern verzeichnet.
Ebenfo wie Magdeburg Ifür Neitmerig, fo galt diefes wieder
fir andere böhmiſche Städte ſäch ſiſchen Rechtes ale zweite Inftanz.
Nah dem Wortlaute des Stiftungebriches follte es dieß zwar für ſämmt—
Ge Städte Böhmens fein, die diefes Recht beſaßen, in der That aber
wendten fih die allzn entfernt gelegenen an andere meift ſchleſiſche
Ghöppenftühle. Mit Gewißheit können wir die Städte und offenen Orte
Untig, Graupen, Tetfhen, Böhm.⸗Leipa, Bilin, Teplig,
Lemotan, Trebnitz, Laun, Brür, Welwarn, Raudnig, Schlan,
Elbekoſteletz Brandeis, Nimburg, Podebrad, Jungbunz—
lau, Mſcheno, Turnau, Münchengrätz, Jitſchin, Lie beſchitz,
Geftorf und Köonigswalde nennen, die zu dem ſächſiſch⸗leitmeritzer
Rechtekreiſe gehörten uud von den Urtheilen ihrer Gerichte an den Schöp-
erſtuhl von Leitmerig zu appellieren pflegten. Außer dem pflegten
er auch noch Adelige und geiftliche Stifter (3. B. Offeg, Probftei
deitmeritz, Chriftoph von Lobkowitz, die Brüder Waldftein x.)
Kchtebefehrungen bei den erfahrenen Schöppen dafelbjt zu holen. Sonach
ande fi) das leit meritzer Recht über die Städte eines bedeutenden
deiles von Rordböhmen von Komotau bis Yitfchin, von Tet:
ken bis Podebrad. Außerdem wurden die leitmeriger Schöppen als
iiterfahrene Männer aud) noch häufig von Adeligen erfucht bei Gerichte:
Rendlungen um wichtigere Dinge in ihren unterthänigen Städten ale
Icktefreunde perfönfich zugegen zu fein, was diefe jedoch für den Fall
Üälngen, daß die eine Partei zu ihrem Nechtsiprengel gehörte und jomit
WE Seche möglicherweife hätte zweimal vor diejelben Richter kommen
— 284 —
können. ) Dieſe Stellung verſchaffte der Stadt nicht nur ein gewiſſes
Anſehen nach Außen, ſondern auch mancherlei Einnahmen. Nicht bloß
daß die Parteien, die hiedurch häufig nad Leitmeritz geführt wurden,
dafelbft Geld ließen, mußten fie auch die Urtheile den Schöppen ebenfo
bezahlen, wie in Magdeburg, ja es fielen ſelbſt noch gewiſſe Bußen
an diefe, wie fie ihnen Wladislav neuerdings geſchenkt haben foll.
Die Stadtverfaffung blieb fomit in ihren Grundzügen ganz die
alte, indem fich die neuen Bürger den alten bewährten Formen gern
fügten. Wie vordem ftanden auch nun an der Spige der Berwaltung
zwölf Rathmannen (consules, cechiſch konsele), deren erfter jedoch nım-
inchr bereit8 den Namen Primas zu führen pflegte. Die Amtsleitung,
Ichlechtweg das „Amt”, „Oufad” genannt, führten bie einzelnen Rath:
mannen abwechſelnd durch je vier Wochen, fo daß den Prima die Reihe
im Jahre zweimal traf, der nädjjtfolgende aber außer den vier Wochen
noch zum zweitenmale durch mehr oder weniger Zage biedurd zu fun-
gieren hatte. Der jeweilige Amtsleiter führte den Titel „Bürger-
meijter“, nad ihm wurde in bürgerlichen Kreiſen die Zeit beftimmt,
wie in Rom nah den Gonfulen, nur daß unfere Stadt im Jahre 12
Dürgermeifter hatte und beim Primator noch fein erftes und zweites Amt
unterfchieden werben mußte. Tie Rechnungen fchloß jeder Bürgermeifter
für feine Amtszeit ab und übergab Ausweis und Caſſa feinem Nachfolger.
Diefe Gebahrung — nur bei den einfacheren Yinanzverhältniffen jener
Zeit möglich — machte jedes fchwerfällige Controlſyſtem überflüffig.
Die Rathmannen als ſolche erhielten feinen Gehalt, wohl aber der je-
weilige Bürgermeifter für die Zeit von vier Wochen je fieben Schod
m. Gr. Im Ganzen zahlte fomit die Gemeinde ihren Bürgermeiftern
jährlich mehr als 91 Sch., was für jene Zeit eine bedeutende Summe
und anjtändige Bezahlung war. Außerdem aber erhielten ſämmtliche
Rathsverwandte nad) althergebradhter Sitte Naturalgefchente von den
Müllern, Sichern und andern Unterthanen, zuweilen auch anfehntliche
Geſchenke von befreundeten Nachbaren, wie beilpielsweije die Herzoge von
Sachſen denfelben zu wiederholten Daten Hirſche ſchickten. Außer der
Stadtverwaltung gehörte in den Wirfungsfreis diefer Behörde nicht nur
die Polizei und die mit diefer zufammenhängende, fondern auch noch im
llgemeinen eine niedere Gerichtsbarkeit, deren Gränzen nicht ganz
ſcharf gezogen zu fein ſchienen. Zur Execution derfelben fo wie zur Ent:
9) Reifpiele im Copialbude von 1512 I. ©t. U.
— 285 —
ſcheidung der geringfügigften Rechtsſachen war der Stadtridter an—
geftelit. Auch die Ausstellung von Notariatsacten aller Art gehörte in
den Bereich des Ratbes. Während aber vor dem Schöppenjtuhle für
jede Amtshandlung gezahlt werden mußte, war im Rathsamte alles un-
entgeltlich, felbft die Ausftellung von Urkunden.
Auh von den [ehe Schöppen führte der erjte den Zitel
Brimas. |
Den Rathmannen ftanden feit unbeftimmter Zeit noh fünf und
jwanzig „Gemeindeälteſte“ als Beirath zur Seite.
Diefe drei Collegien wurden in diefer Beriode in rechtmäßiger Weife
dur den Unterfämmerer und Hofrichter, oder durch letzteren
allein im Namen des Königs eingelegt. Allerdings fand dieſe Einfegung
in den Zeiten der jtaatlichen Unordnung nicht nachweisbar ftatt, ein Pri:
vilegium zur eventuellen Selbfternenunng des Rathes aber, wie e8 Prag
von Wladiflav I. erhielt, eriftierte für Leitmeritz nicht. Im fried>
lichen Zeitläuften kamen jährlich einmal, jedoch nicht zu ftreng beftimmten
Zeiten, der Unterfämmerer und der SHofrichter, oder Iegterer affein in
Begleitung eines: Schreibers auf Koften der Stadt nad Leitmeritz,
beriefen die Gemeinde und ernannten nad) dem Borfchlage der fogenannten
Bablmänner (wolenci) die neuen Colfegien, in welche in der Regel
die Mehrzahl der abtretenden Mitglieder wieder aufgenommen wurde.
Der Wahlmänner waren vier, aus den Rathmannen, Schöffen, Ge:
meindeältej:en uns Vürgern je Einer. Wahlmann der Näthe pflegte ftets
der Brimas zn fein. Räthe und Schöppen hießen im Allgemeinen „die
Herren.” Der Schwur der Rathmannen wurde im letztern Zeitraume
mehrfach umgeftaltet, bis ihm Rendel als Unterkämmerer die bleibende
derm gab: „Ich gelobe uud ſchwöre bei Gott und allen Heiligen un-
ferem Könige N. Treue und aufrichtige Ergebenheit, auf alle Dinge ehr-
fh zu achten, zum Rechte zu verhelfen fremden und Einheimiichen, Waiſen
und Witwen, die Urtheile nach Recht auszutragen und das Geheimnis
des Rathes zu bewahren, dieß nicht zu unterlaſſen um Gunft noch Un:
gunft, um Geſchenke noch Angft und Furcht, noch um einer andern Sache
willen, fo wahr mir Gott helfe!“ Die Schöppen ſchwuren nad) derjelben
Einleitung „das Recht zu mehren, die Urtheile nah Recht zu finden,
foweit die Ertenntniß der fünf Sinne reicht, dein Armen wie dem Reichen etc.”
Alle übrigen Gemeindebeamten wurden, injofern fie nicht für Lebens⸗
zeit angeftellt waren, alljährlich von den drei genannten Collegien ernannt.
Die wictigftien unter diefen waren die fogenannten „Kanzleibeamten“,
— 286 —
ober „Beamten über die Gemeindeeinkünfte“, in deren Händen die Ver⸗
waltung des Gemeindevermögens lag, Sie waren ſechs an der Zahl,
je zwei aus den „Herren“, Aelteften und ber übrigen Bürgerſchaft. So⸗
bald der alte Rath abtrat, übergab er Rechnungen und Baarfchaft dem
neuernannten und diefer übergab letere zur Aufbewahrung an bie neuen
Kanzleibeamten. Sie nahmen ſämmiliche Gemeindeeinktünfte in Empfang,
an fie wurden alle Zahlungen angewiefen, worüber fie höchft einfache
Negifter führten. Wie diefe, fo wurde auch der Stadtricdhter jährlich
ernannt, der mit ben ihm untergebenen Bütteln und andern Executiv⸗
organen bie Uriheile der Räthe und Schöppen in Vollzug feste nnd über
geringfügigere Sachen felbft entfchied. Außer bem in der Regel auf längere
Dauer angeftellten Stadtfchreiber (auch Synbicus, mitunter gar Canzler
genannt), der im der Regel ein Nechtögelehrter und wiſſenſchaftlich ge-
bildeter Dann war, gab es noch einen zweiten, ben „jüngeren
Schreiber”. defien Stellung ebenfall® fir war. Außer beiden, die ale
Conceptsbeamten arbeiteten, wurden noch Tagſchreiber in wechfelnder An-
zahl beichäftigt. Als Arbeiten ber gelehrten Stabdtfchreiber haben wir
bereit8 die cechiſchen Weberfegungen deutſcher Rechtsbücher kennen gelernt.
Außer biefen Dentmälern Hinterlicßen uns die meiften auch noch geſchicht⸗
liche Aufzeihnungen aus ber Zeit ihrer Amtsthätigkeit. Leider fümmerten
fich diefe friedfertigen Gefchöpfe weniger um die traurigen Händel der Welt
als um das Blühen und Gebeihen der Weinberge ihrer Herren. Kein
Ereigniß ift folgenfchwerer für fie, als wenn ein Froft in bie hoffnungs⸗
volle Blüthe der Reben fällt, und niemal® werben fie redfeliger als in
guten Weinjahren. — Die Fifcherei hatte ihren eigenen von dem Stadt⸗
rathe eingefeßteu Richter und ſechs Schöppen. Außerdem gab es nod
ein Weinbergfhöppenamt, an befin Epige der Weinberg-
meifter ftand. Arch biefes wurde bis 1547 von ber Gemeindevertre⸗
tung ernannt. — Die übrigen Gemeindebebienfteten werben wir in Einem
bei der Echilderung bes Gemeindehaushaltes kennen Ternen.
In Betreff des Gerihtsmwefens waren feit der letzten Periode
zwei wichtige Veränderungen vor ſich gegangen, abgejehen von jenen Reue-
rungen, deren Schilderung bereits in der polifchen Geſchichte jener Zeit
ihren Plag fand und hier nicht mehr wiederholt zu werden braudt. Bor
ben Hufitenfriegen pflegte noch der Unterlämmerer in den einzelnen Städten
herumzureiſen und zu beftimmten Zeiten perjönlih das Gericht zu leiten,
fo daß in diefem Falle auch die Bußen nit an das Stabtgeridt, ſondern
an bie Kammer fielen. Dieſer Borgang hörte in den Zeiten ber politiſchen
— 2897 —
Unordnung ganz auf und als ihn nachmals (1510 f.) der König wieder
einführen wollte, mißlang, wie wir fahen, diefer Verſuch, fo daß ſeit⸗
ber der Unterlämmerer nur in außergewöhnfichen Fällen in den Städten
erfchien, um erbetene Anordnungen zu treffen.
Im Beweisverfahren vor den Schöppen war die Sitte des Zwei—⸗
fampfes in biefer Periode bereit8 verihmunden. In dem am Ende des
15. Jahrhundertes ins Cechiſche überfetsten „Weichbilde” ift der Artikel, der
vom Zweifampfe handelt, al8 nicht mehr von praftiichem Werthe gar nicht
mehr aufgenommen. Dagegen griff wie allenthafben jo auch hier der Ge—
brauch ber Folter immer mehr um fi), obgleich ber Einfluß Magdeburgs
in diefer Richtung mildernd wirkte. In wiederholten Weisthümern verboten
die Schöffen zu Magdeburg dem Gerichte von Yeitmerig in be
ftimmten Fällen geradezu bie Anmendung der Folter mit Hinweis auf den
alten Rechtsvorgang, theils fetten fie das Gewicht der durch bie Folter
erlangten Ausfagen bebeutend herab.") Uebrigens fcheint ung die Folter über»
haupt ihre häufigere Anwendung nur in jenem Verfahren gefunden zu haben,
bas der Rath kraft feines Amtes als Kreisgerichtöpfleger gegen nicht
bürgerfihe Verbrecher einleitete. Im Uebrigen blieb das Gerichtsver-
fahren und die Strafmweife, wie vordem. Für uns feltfam, dem Magde-
burger Gebraude aber vollfommen entiprechend var, daß mar unrue«
bige und bie öffentliche Sicherheit gefährdende Bürger in ihr Haus
bannte. Die Formel, durch welche dem oben öfter genannten Kudiwid
in folcher Weife Hausarreft aufgetragen wurde, wollen wir ala Beifpiel
hieher fegen. Sie lautete wörtlich alfo: „Johann Kudiwid! du wirft un
jezt verfprechen auf Ehre und Glauben, daß Du, wie Du jekt in dein
Haus hineingehft, aus demſelben ohne unfer MWiffen und Wollen nirgend
bin mehr heraus geheſt und die Schwelle nicht überfchreitejt zur Vermei—
dung der angebrohten Strafe. Willit Du Eamftags in die Fleiſchbank
oder in’8 Bad gehen, jo follft Du das mit Urlaub der Herren thun
und follte Dich) Sonntags die Frömmigkeit anfommen, fo follft Du aud
mit Willen des Bürgermeifters (in die Kirche) gehen können. Mit allen
Nachbarn follit Du Frieden und mit feinem etwas zu thun haben und
auch mit feinem reden außer beim Fleiſchverkaufe! Du follit in fein
Wirthshaus gehen, mit keinem der Feinde diefer Stadt fprechen, feinem
f&reiben, nody Briefe von ihnen annehmen, und diefer Haft follft Du
nicht frei fein, bis wir Di daraus entlaffen!“?) Auch das Schwören
) Siehe „Mittheilungen“ a. a. D. *) Copiolbuch v. 1612.
— 292 —
vr Gärten, Weinberge und Hopfenfelder daſelbſt 5 Sch. 31 gr., die
Jebliker fanmt Mautpauſchale 25 Sch. 45 gr. und endlich 50 Be—
iger von Häuschen, Scheunen und Gärten in der Flur Beniovfa 5 Sch. 12 gr.
Für Padıtung zerjtreuter Nirchengüter, Aeder, Weinberge und Bä—
der erfloffen der Gemeinde zu Georgi 7 Sch. 25 gr. und zu Galli
8 Sch. 20 gr.
Seit dem Jahre 1546 (ber Zins der 1543 gekauften Dörfer fin-
det ſich nämlich erft in obigem Jahre in den Nechnungen) „inften zweimal
des Jahres, zu Georgi und Galli, auch noh acht Inſaſſen von Pie
ftian (1 Cd. 46 gr.); der Richter, Müller und vier andere Inſaſſen
von Sebuſein (4 Cd. 53 gr.); ein Inſaſſe von Kolleben (1 Sc.
4 gr.); einer von Kundratik (1 Sch. 8 gr.); drei von Tlugen
(2 Sch.): zwei in Tſcherſching (2 Sch.) und der Richter von Mi—⸗
rowig (1 Sch.); in Piſt i an außerdben an Galli noch fünf andere
Inſaſſen zufammen 13 Sc. 35 gr. mit Einfluß des Zinſes von ber
dortigen Inſel (12 Sch.). In Pokratitz zinjten außer den früher ge=
nannten feither noch der Richter und fünf Infalfen zufammen 2 Sch. 13 gr.
Die Juden in der Stadt zahlten zu Georgi und Galli einen halb-
jährigen Zins von je 5 Sch., vom Judenbade 8 Sch. im Jahre.
Das ſtädtiſche Elbebad trug wöchentlich 12 gr. Für Vermiethnug
der Wohnungen imlangen Thore, Brückenthoreund Badehauſe,
wie der Kramftellen beim Kirchhofe erhielt die Gemeinde jährlich
41 Sch. von der Gemeindeküche wöchentlich «jeden Mittwoch) 10 gr.,
von den bürgerlichen Fleiſchhauern für die Bänte 27 Sch.
Das Geſchoß kann unter die reglmäßigen Bezüge nicht gezählt
werben, da es nicht jährlich, Tondern bloß bei jedem Beſitzwechſel erlegt
wurde ; dagegen erhob bie Gemeinde von allen Inwohnern eine jährliche
Umlage unter dem Namen „ponucky“, die urfprünglich wol bloß
zu dem im Namen liegenden Zmede (für Nachwachen) verwendet worden
jein mag, im diejer Zeit aber einen bedeutenden Ueberſchuß abwarf. Ihr
Grträgniß belief fi anf etwas über 100 Sch.
Das Erträgniß andermeitiger Einnahmsquellen überwog das der
bisher angeführten bei weiten, war aber der Natur der Sache gemäß ſo
grofen Schwankungen unterworfen, daR wir nur fehr beiläufig die
mittlere Höhe und anzugeben getrauen und ſelbſt dieß nicht bei allen
Poften. So konnten beilpielaweife die der Stadt überlalfenen Heim.
fälle von Nahr zu Jahr fehr verichieden ſein. Im Ganzen betrugen fie
aber feine große Summe, da fie durch den weiten Spielraum des Zeftie-
— 293 —
rungerechtes fehr beichränft waren. Da aud die Verwandten weiblicher
Seite erbten, fo kam an bie Stadt beim Ausfterben des Mannsftammes
einer Bürgerfamilie hödjjtens das „Heergemwäte” des letzten Sproßen,
das gewöhnlich von den Erben in Geld reluirt entrichtet und immer noch
unter dem genannten deutjchen Namen („hergwet“) eingetragen wurde.
— Ebenſo hieng das Erträgniß der in eigener Regie gehaltenen Land—
güter und Weinberge von nicht zu berechnenden Einflüßen ab. Der
Maier des Hofes Ruzopka lieferte für erbautes und verfauftes Getreide
mitunter über 100, mitunter aber auch nur 40 Sc. ab. Das Erträgniß
der Gemeindemühlen belief fih auf nahezu 300 Sch., das des
Salzhandels ftieg von 60 Sch. bis aufs Doppelte, das des Sal;-
zolles überftieg felten 6 Ch. Die Wein⸗ und Bierfhröter lie
ferten jährlich 150 bis 160 Sc. ab.
Die Landbäcker und Kandgeflügelhändlerinnen zahlten
jährlich 20 Sch. für Markftgelder, die Stadtgeflugelhändlerinnen dagegen
nur 7 Sch. (jede zu 15 gr.), die Randfleifcher (huntyfi) mußten bis
40 Sch., die Hockinen zu Georgi und Galli jede zu 5 gr. zahlen. An
Wagegebühren erhob die Stadt an 10 Sch., von jedem Stabtbäder
für den Kram je 28 gr. (alfo bis 6 Sc.), von den Tuhmadern an
2 Sch, den Kürfhnern Y, bie 1 Sch, den Schuftern 1 Sch
Die Hut macher zahlten vom Stande bis 5 Sc., die Seiler lögr.
Kühenbäderund Lebzeltner von den Krämen jene 3 Sch. diefe 40 gr.
Die ergiebigjten Einnahmen aber lieferten die Brüdenmaut
und die Ungelte. Die Erträgniffe der erjteren wurden alle Montage
erhoben und bildeten jährlich die runde Summe von 400 Sch. Außer:
dem hatten fid) aber ganze Dorfgemeinden (mie Kopift, Zeletitz, Geblig,
u. a.) noch paufchaliert. Dagegen wurde im Brückenthore keine weitere
Thormaut, wie in den andern Thoren, erhoben.
Das Getreideungelt betrug bis 300 Sch., das Weinungelt
auch bis 330 Sch. und darüber. inter den Thoren war außer dent
Brückenthore das frequentejte das lange Thor, woſelbſt jährlich 70
bis 80 Sch. Diaut erhoben wurden; dagegen lieferte dag Michael$-
thor nur gegen 10 Sch. und das Zinngießer- (Neu) Thor gar
sicht viel über Cin Schock. Die von den Juden erhobene Thor:
maut belief fid) auf etwa 4 Sc).
Auh die beiden Jahrmärkte der Stadt, damals zu Aller
heiligen und zu Jakobi gehalten, bifdeten nicht unbedeutende Ertrags⸗
— 294 —
quelfen für den Ocmeindejädel. Am Alferheiligenmartte kaſſierte die Stabt
an Marftgeldern 60 bis 100 Sch., an St. Jakob an 50-70 Sch.
Die Schofßgelder, das heißt die bei An- und Verkauf oder
anberweitiger Erwerbung zum Stadtgebiethe gehörenden Grundes fo wie
dergleichen anderweitigen Gutes zu entrichtende Gebühr (das „Ein- und
Ausſchoßen“) ſchwankten über und unter 300 Sch.
Auch der Ertrag ber vier Gemeindeweinberge war nicht unbe-
deutend, wiewohl fehr wechfelnd. Die Bryndtonfa und bie Pekelni
trugen mitunter weit über 200 Sch., die Kuzelka etwas über die Häffte
bievon, die Zehentgärter auf der Moſtſkä Hora noch weniger. Das
Erträgniß für Holz war fehr unbedeutend, da die Gemeinde vor Ans
fauf der weitmühl’ichen Güter faft feine Waldungen befaß. Dagegen
trug der Elbefand jährlich einige Schod. Die zwei Gemeindezie-
geleien bei Zeletitz und in der Lehmgrube arbeiteten faft nur für
Semeinbebebarf.
Nebft alldem erhielt die Gemeinde zu Ende diefer Periode noch
ans der Stabt Wolin einen Zins von 127 Sch., von dem wir aber
nicht wiſſen, auf welchen Zitel hin.
Die firen Einkünfte der Stadt befiefen fih fomit vor 1546 auf
215 Sch. 31 gr. und wurben nach demfelben dur ein einziges Jahr
bindurh um 45 Sch. 43 gr. vermehrt; ſammt den beweglichen über-
ftiegen fie aber unter normalen Verhältniffen weit die Summe von 3600 Sc.
auch vor dem Jahre 1546. Es läßt fich Fein allgemein giltiger, genauer
Maßſtab für das Verhältnig des Geldwerthes jener Zeit zu bem des
unferen aufftellen; doch ift bie Summe ungleich höher anzufchlagen, ale
die bloße Reduction auf Gulden ergeben würde — eine Fuhre Holz (auch
damals einer der thenereren Artikel in Leitmeritz) Toftete beifpiele-
weife damals ebenfo viel Srofchen, wie hente an demſelben Orte Gulden.
Auch unter den Ausgaben gab es ſolche, die alljährlich im gleidger
Summe wiederlehrten und andere, bie ſich einen allgemein geltenden Bor-
anfchlage entzogen. Das neue Vermaltungsjahr Tünbigte ſich der Ge⸗
meinde ſchon fehr koftipielig au. Bis auf halben Weg pflegte man dem
zur Erneuerung des Rechtes angekündigten Unterfämmerer die Fahr-
gelegenheit entgegen zu fenden, in Leitmeritz felbft aber war er mit
feinem Gefolge, was bie Verpflegung betraf, mit weniger als 35 Sch.
nicht auszuhalten. Als Tare für die Erneuerung erhielt er 59 Sch. 12 gr.,
der ihn begleitende Hofrichter 2 Sch., der Schreiber des erfteren 1 Sch
— 295 —
außerdem aber der Uinterfämmerer unter bem Titel „Sporengeld” nod)
weitere 10 Sch. Jede Quittung für diefe Beträge Foftete wieder 20 gr.
— fo fam die Stadt glei am eriten Tage ihres Verwaltungsjahres
sicht unter 107 Sc. davon. Erjchien in Vertretung des Unterkämmerers
bloß der Hofrichter, fo bezog diefer dennoch fämmtlihe Zaren, nur
die Zehrungskoften verringerten ſich ſodann. So oft ber Unterfämmerer
außerdem zur Schlihtung ftädtifcher Angelegenheiten nah) Leitmeritz
fam, beliefen fich die Koften wiederum auf 30 Sch. — 26 Sch. mußten ihm
anßerdem nocd unter dem Zitel „Lotowée“ alljährlich zu Lichtmeß über«
fendet werden, abgefchen von vielen „freimwilligen” Geſchenken.
Die königlihe Kammer erhielt außer dem alten St. Martins»
erbzinfe von 31 Sch. 8 gr. feit unbejtimmter Zeit, vielleicht gleich nad
Ablauf der etwa gewährten Frift für Steuerfreiheit, eine jährliche Steuer
von 400 Sch. („berna regalis“*), die al8 „Weihnachtsſchuldigkeit“ (‚„„hrom-
niene“) vor Lihtmeß (am 25. Yäner) entrichtet wurde. So beliefen
fih die directen regelmäßigen Leiftungen an den Staat auf nahezu 600 Sc.
und wurden fomit von ben Zinfen des zur Stadt gehörigen Grundes
nur zum dritten heile gededt.
Eine zweite Rubrik jährlich wiederlehrender Ausgaben bildeten die
für das Stadtregiment erforderlihen. Der Sold für die Bürger:
meifter betrug 91 Sch., für bie ſech s Verwaltungsbeamten 36 Sch.,
der Stabtichreiber erhielt an firem Gehalte 12 Sch., ber Schreiber in
der Kanzlei (Rentamtsfchreiber) wöchentlich 48 gr., da jedenfalls Feine
Nebeneinkünfte möglich waren. Der „jüngere Schreiber“ erhielt jährlich
65h. Der Stadtrichter ſcheint keinen firen Gehalt bezogen zu haben,
da ihm gewiffe Bußen zufielen. Vielleicht Hatte er aud wie anderswo
ben Nutzgenuß irgend eines ftädtiichen Schanflofal® oder dergleichen. Da⸗
gegen koſteten der Nachrichter, Schinder und Büttel die tadt jährlich
24 Sch., woruuter jedod) auch ſchon die Zubjiftenz der Gefangenen mit-
verrechnet erfcheint. Zwei Diener waren den Ra.he und den Beamten
beigegeben, die 7 und 8 Sch. jährlich erhielten. Die in den Mühlen
Bedienfteten bezogen 45 Sch., der Aufjeher des Marftalls im „Hrad“
(maätale?) 24 Sch., der Kutſcher dafelbft 20 gr. wochentlich, der Ge⸗
meindebüchfenmacher jährlich 8 Sch., der Schloffer 4 Sch., der Zimmer:
mann je nach der Anzahl der Gehiljen einige 20 Sch. ber Aufſeher über
die Wafferleitungen (wodak) 3 Sch., der Maurer 4 Sch., der Tiſchler
je nach der Arbeit bis 85 Sch., der Flurſchütz (lauöni) 2 Sc, der
Sädelmeifter auf der Brüde 10 Sch. Die beiden Thorwächter des
— 26 —
langen Thores erhielten jährlich je 6 Sch., der im Brüdenthor 7 Sch.
Die drei Thürmer bezogen wöchentlich je 18 gr., die Bläſer auf dem
Thurme je 24 gr. An Iahrmärkten und bei Auszügen der Bürgerſchaft
mwurden im Zinngießerthore der Sicherheit wegen 23 Söldner configniert,
die nebft einem Faße Bier je 8 gr. erhielten. Einer, der daſelbſt das
ganze Fahr diente, erhielt 8 gr. auf bie Woche. Auch im langen und
Michaelsthore wurden einzelne Söldner gehalten. Bon den zehn
Nachtwächtern erhielten acht je 8 Sch. 30 gr. jährlich, die zwei andern
zu 2 und 3 Sch. Im Hofe Ruzovka murden außer dem Schaffer,
der wöchentlih 7 gr. erhielt, noch drei Bedienftete mit je 2 Sch. jähr:
(ih gehalten. Auf die Erhaltung der Gemeindeweinberge wurden bebeu-
tende Summen verwendet. Die Brynstopka Eoftete jährlich an 64 Sch,
der Weiner dafelbft 5 Sc., die Belelni 37 Sc., der Weiner 3 Sc.
6 gr., die Kufelfa 46 Sch., der Weiner 3 Sch.; den Binder wurde
man jährlih unter 50 Sch. nicht los. In der Gemeindeziegelei jenfeite
ber Elbe zahlte die Gemeinde dem Ziegler für jeden Strich gebraunten
Kalles einen weißen Heller, was im Jahre bis SO Sch. betrug, dem
Ziegler in der Vehmgrube wurden bis 65 Sch. gezahlt. Die Auslagen
für die Gemeindeverwaltung und Delonomie, fo wie für die Organe der
Exekution und öffentlichen Sicherheit betrugen fomit mehr als den vierten
Theil der Gefammteinnahme.
Die Ausgaben für die Seelforge geftalteten fich in folgender Weife:
Dem Stadtdechant wurden allmöhentlih (am Samftage) 2 Sch. baaren
Geldes zugefchict, außerdem ihm ber Wein beigeftellt und an Feiertagen
andere Gefchenke, wie Fifche, Butter etc. überreicht. Die beiden Kapläne
erhielten jeder zu Galli und zu Georgi je 6 Sch., die Maturiften an
St. Wenzel und zu Mitfaften 15 gr., zu Luzia 45 gr., die Priefter bei
St. Jakob erhielten von der Gemeinde zu Georgi und zu Galli je 45
gr., ale Zins von Zahoran. Auh Wachs und Del wurden den
Klöftern geliefert. —
Weit höher noch war der Schule der Brobforb gehängt. Der Rector
erhielt jährlich in zwei Terminen je2 Sc., ein Magiſter dagegen je
3 Sch. Jedenfalls hatte erfterer Wohnung und andere Emolumente. Ein
„Lorbeergekrönter” Gehilfe (laureatus) erhielt eine Remuneration von 20 gr.
— „ex gratia”. Für Holz zahlte die Gemeinde der Schule jährlich
3 Sch. 45 gr., die Fuhre zu 11—13 gr. gerechnet. Somit foftete die
ganze Schule fammt Gehaften und Beheizung nur halb fo viel, ale —
der Pferdelnecht, und ber Herr Unterfämmerer verzehrte in zwei Tagen
— 297 —
dreimal fo viel, wie Rector, Magifter und Baccalaureus in einem
Jahre. Selbft die Armen erhielten faft dreifach fo viel, indem ihnen
jährlih aus neun Stüd Tud zum Preiſe von 35 Sch. 50 gr. Kleider
gemacht wurden.
Eine große Summe verfchfangen alljährlich die laufenden Bedürfniſſe
zur Erhaltung der Gemeindebanlichkeiten, abgejehen von größeren Bauten
und den Paufchalzahlungen an die Gemeindehandwerter. Maurer und
Material ohne das erforberfihe Holzwerk famen jährlih auf nahezn
400 Se, leteres zumeift für die Brücke verwendet auf mehr als 300 Cd).
Das erforderliche Brennholz zur Beheizung aller Gemeindelocalitäten koſtete
beifäufig 150 Sc.
Die übrigen fehr bedeutenden Stadtausgaben pflegten die Gemeinde:
beamten in drei Rubriken aufzuführen, als Ausgaben für „Geſandtſchaften
und Botichaften”, „Ehrengeichente für Freunde“ und „Verſchiedenes“, unter
welchem Titeln jedoch noch mancherlei erfcheint, das unter die früheren
Rubrifen gehört. In der erften Rubrik bildet die Vertretung auf den
Yandtagen einen Hauptgegenftand. Die Abgefandten wurden von der
Gemeinde ſchadlos gehalten und pflegten in Prag felbft felten unter
30 Sch. zu verzehren. Außerdem wurde ihnen die Reife gezahlt und
ein Fäßchen Wein durfte auf ihrem Reiſewagen ebenfo wenig fehlen wie
subereiteter Fiſch. Wein wurde ihnen auch noch nah Prag nadhgelandt,
wenn der erfte Vorrath erichöpft war. Häufig verbanden die Abgeord:
neten mit ihrer politiſchen Sendung and eine Art Gemeindegeihäft, in
dem fie den Wirthen, bei denen fie fogierten, der Gemeinde Wein offe-
rierten und fo nicht nur ihre eigene Zeche mit biefem vergaften, fondern
auch Gefchäftsverbindungen anfnüpften. — Sehr koftfpielig waren ferner
alle Brozeffe vor dem Landrechte, zn denen fich die Gemeinde oft genug
gezwungen ſah. Die Reifegelder, Taren und Zeugenentfhädigungen ver-
(langen ungeheure Summen. Die Gemeinde war bei der langen Dauer
der Prozeſſe gezwungen, einen ftändigen Sachwalter Jahr aus Jahr ein
in Prag zu haften und außerdem noch oft genug ihren Rathsherrn foft-
ſpielige Reiſen zu vergüten. Ja die Herren pflegten wohl auch, ehe ſie
die Stadt verließen, um als Repräſentanz derſelben vor ben Yandtage,
dem Yandrechte oder einer Commiſſion zu erſcheinen, beim Hutmacher im
„fangen Thore” ihre alten Hütlein gegen anftändigere umzutaufchen, und
da der neue Schmuck in letter Reihe doch der ganzen ehrbaren Gemeinde
zu Gute kam und zur Ehre gereichte, fo war es nur billig, daß fie ihn
“uch bezahlte, wie wir ihn denn wirflih in Rechnung finden. — YUnS,
— 298 —
Taren und Botenlohn für Einholung von Rechtsbelehrungen in
Magdeburg bildeten in diefer Rubrik einen ftändigen Artilel. Ein
Urtheif pflegte auf 1 Sch. 18 gr., zwei zugleich geholte auf 2 Sch. ©
bis 8 gr. zu fommen. Im Ganzen wurden auf diefe und ähnliche Werft
jährlich wohl 550 Sch. und darüber ausgegeben.
Die zweite Rubrik enthält faft lauter Ausgaben, bie unferer Jet
unbefannt find — lauter Geſchenke an „gute Freunde” meift in Wen B
und Fifchen beftehend. So oft jemand von der Gemeindevertretung nach
Prag reifte, durfte er fi vor dem Unterfämmerer, Hofridgter und ander
gnädigen Herren mit leeren Händen gar nicht fehen laſſen; brachte er fer Ei
Faß Wein, fo war ein Lachs der beſcheidenſte Tribut. So oft adeligg *
Herreu von Einfluß in der Studt einfehrten, oder. bie Landeshanptleut” =
eine Verrichtung dafelbft hatten, wurden fie gleichfalls mit Wein tractier-
Ja felbft bei Amtsgefchäften, wenn die Räthe auf die Dörfer zu Geride #
giengen, oder eine königliche Sommiffion in der Stadt verhandelte, wa E
der Schroter aus der „Hrade“ eine fehr wejentliche Perfon. Wenn ea
Dechant Säfte erhielt oder ein Feſt feierte, wenn fich die Delanatsgeijtlichtet E
bei ihm verfammelte, chrte fie die Gemeinde mit einigen Sannen Weim -
Trotz der Billigkeit desfelben belief fi die Auslage dafür dennoch im
normalen Jahren auf weit über 100 Sch. Zu der legten Rubrik, ve
etwa 170 Sc). betrug, gehörten die Bezahlung ber Drefcher in ben Gemeinde =
Icheuern, die Beleuchtung der Rathslokale, Trinfgelder, Fuhrlöhne un
ähnfiches. Alles in Allem konnte man fomit die Auslagen in normales
Jahren vor 1546 auf beiläufig 3.470 Sch. veranfchlagen, gegenüber eine =
Cinnahme von etwa 3.650 Sch. Durch den Anlauf von 1543 fame ei
zwar an regelmäßigen Zinfen nur 45 Sch. 43 gr. hinzu; wichtiger al ®
diefe aber wurben nachmals die Forfterträgniffe. Auch vordem waren inde W
die jährlihen Bedürfniſſe der Stadt nicht nur gedeckt, fondern e8 wurber N
fogar Erfparniffe erzielt, die dann nugbringend angelegt wurden und ww!
in der erwähnten Zeit zur Erweiterung bes Befiges führen konnten.
Anders geftalteten fich freilich die Nefultate, wenn außergewöhlid ME
Anforderungen an den Gemeindefädel gejtellt wurden, was nur zu häufi =
geihah. Eine wenn aud nicht regelmäßig, fo doc fehr häufig wieder —*
fehrende außerordentliche Ausgabe erforderten feit der Mitte des 15. Jahr 4
hundertes der oftmalige Wiederaufbau der zerftörten Brüde, feit 1541 di#
Anlegung und Erhaltung der Waflerleitung, noch größere und häufiger “
aber die außerordentlihen Steuerleiftungen und Kriegsrüftungen.
Die eben angeführten regelmäßigen Leiftungen für die allgemeine *
— 299 —
Staatszwecke oder nad) damaliger Auffaffung für die königliche Kammer
vertheiften fich auf den Einzelnen allerdinge zu ſehr Kleinen, wenig drüdenden
Bruchtheilen. Hatte der Bürger einmal bei der Einführung in fein Eigen
feinen Schoß gezahlt, fo befchränften fich feine Staatsforgen darauf, zu
Georgi oder zu Galli und ähnlichen fehweren Zeiten die wenigen Grofchen
zuſammen zu bringen, die er für feinen emphiteutifchen Befit zu zahlen
hatte; traf fein größeres Unglüd, — ale welches er Kriegsrüftungen,
Frönungen und Hochzeiten im königlichen Haufe anfah, — fo Fonnte er
BOL durch eine Reihe von Jahren hindurch ziemlich forgenlos leben und
eimen Sparpfennig zurücklegen. Allein bei all dem irren wir, wenn
wir uns das Leben des Bürgers im Mittelalter von diefer Seite allzu
germräthlih vorftellen. Die Zeiten, in denen der Beutel desfelben durch
inte längere Reihe von Jahren unbehelligt blieb, waren gar felten, und
trafen fie ein, fo konnte eine einzige außergewöhnlide Steuer in
der Weife, wie fie damals erhoben wurden, die Sparpfennige gar vieler
FJahre verſchlingen. Bis in die Mitte des 15. Sahrhundertes ließ es
die alfgemeine Unordnung zu keinen geregelten Steuererhebungen kommen;
in der zweiten Hälfte desfelben find fie indeß ziemlich zahlveich, wenn
wir aud nicht von allen Kunde haben, vom Jahre 1500 bis 1547 aber
fallt durchfchnittlidg auf jedes dritte Jahr eine außerordentliche Landes⸗
ſteuer (berna), die auch den Bürger traf.
Es foll Hier allerdings keine Gefchichte der Steuererhebungen
gegeben werben, !) doc dürfte es zur Würdigung jener Zeit wefentlich bei-
ragen, wenigftens die wichtigeren zu berühren. Dem Zwecke nach wurden
die größten und häufigiten außergewöhnfichen Steuern zu Kriege. und
Bertheidigungszweden erhoben, und dieſe mehrten ſich in fchredlicher Weile
leit der Annäherung der Türkengefahr. So blieben in diefer Hinficht die
Sabre 1502, 1521, 1522, 1531, 1538, 1541, 1543, 1545 und 1546 im
bürgerlichen Kalender ſchwarz angefchrieben. Die nächft bedeutendite Gruppe
don Steuern war diejenige, welche zur Dedung der Schulden des fönig-
lichen Hofes und der Kammer beſtimmt wareu. Die drückendſten Bernen
dieſer Art wurden in den Jahren: 1514, 1517, 1518, 1520, 1522, 1523
und 1534 ausgeſchrieben. In gewiſſem Zuſammenhange mit dieſen ſtand
die Steuer (von 1509) zum Ankaufe der gutenſtein'ſchen Güter für die
Kaumer. Eine bedeutende Krönungsftener wurde 1509 geleijtet, eine bei
der Ankunft des Könige 1521 und ähnliche zur Beftreitung des Hofhaltes
— — nn:
2) Giche Bindeig, die böhmifchen Finanzen.
— 300 —
im Sande 1522 und 1546. Auch zur Beitreitung der Koiten von Gejandt‘
ſchaften an Päbſte und Kaifer wurden eigene Steuern ausgeſchricben, wit
beifpielöweife 1444 und 1447.
Die Vertheilung der Steuer war eine veridiedenartige uw
vielfach abwechſelnde. Anı häufigften wurde allerdings ein gewiſſes Proce =
vom Scägungswerte des Grundbefites und vom verzinsfichen Kapitew li
erhoben (wie 1502, 1517, 18 21, 22, 23, 31, 38, 41, 43, 45, 46 Ih
häufig wurde eine befondere Steuer auf die Erzeugung des Bicres gele Bi
(wie 1481, 1514 und 1534), oft beim Ein- und Berlaufe icder Wam Ft
erhoben (wie 1520 und 1534), hie und da auch das Waarenlager > €!
Kaufleute beftenert (mie 1502), häufig wurde die Steuer in Form ein Ei
allgemeinen Kopfſteuer ausgefchrieben (wie 1502, 1522 :c.), mitunter a Ts
Hausfteuer von jedem Haufe erhoben (wie 1444 und 1447), ſehr Häuftg
eine diefer Arten mit einer anderen combiniert. Die Beftimmung derfeben
fo wie die Höhe der Steuer gieng vom Landtage aus doc wurde in De:
treff der Städte die Beſtimmung derfelben häufig dein Könige überlafjert.
Die Höhe der Steuer wechſelte ebenfalls fehr je nad Größe des
Bedürfniffes. Im Jahre 1502 mußte jeder Bürger und jede Bürgerin je
10 Sr. als Kopfftener und von jedem Kopfe des Gefindes 1 gr. erlegen,
außerdem aber jeder Kaufmann von feinem Waarenlager 1 Sc. umd
von jeden 100 Ed). Capital 6 gr. zahlen. Eben fo hoch war die Steuer
von 1509. In ben Jahren 1517 und 1518 wurde von jedem Befige im
Werthe von 1 Sc. ein halber Grofchen, 1521 von jedem 100 Sc.
ein Scod verlangt. Beſonders Hoch war die Steuer von 1522, in
welchem Jahre jeder Befiger ohme Unterfchied von jedem Schock feinet
Beſitzes 1 gr. zahlen mußte und außerdem auf die Befiklofen eine Kopf:
ftener gelegt wurde. Bei den Steuern von 1541 und 1543 bildete 1 VNo
vom Befigwerthe die Negel der Leitung; bei der vom Jahre 1545 want
den 7 Sch. vom 1000 erhoben. Indem der Befiter von Kapital zur)
von Grund gleich beftenert wurde, gelangte der erftere zu größerem Bo!
theile, da damals Kapital und Grund eine fehr ungleiche Rente abwarg en
Häufig, befonders im 15. Jahrhunderte, pflegte diefe Art Vermögens⸗ za.
(Srundftener einfach nad) dem halbjährigen Zinserträgniffe bemeffen 3
werden. Die Hausjtener betrug 1444 und 1447 jedesmal einen Groje?
von jedem Haufe.
Die Einhebung dieer Steuern gefhah in dr SEN
dur den Magijtrat. Der Vürgermeifter legte mit Hilfe einiger ra
ein Verzeihniß fänmtlicher Inwohner an; jeder einzelne mußte forma 1
'
auf Zreue und Glauben feinen Befititand angeben, oder es thaten es im
Weigerungsfalle andere für ihn; die Räthe berechneten und erhoben die
Steuer, die auf dem Nathaufe aufbewahrt wurde, bis fie an die von
Fall zu Fall in der Regel aus jedem Stande in gleicher Anzahl ernannten
Yarzbesjteuereinnehmer abgeliefert wurde. Auf den Dörfern verfah der
Richter das Amt des Stadtmagiftrats. Jeder derfelben follte einen eifernen
Kaften haben zur Aufbewahrung des eingezahlten Geldes und falls er, was
die Regel war, nicht fchreiben konnte, ftatt des Regifters Kerbhöfzer führen.
Gelder und Kerbhöfzer der Dörfer wurden zunächſt an die Herrſchaft
nnd erft durch diefe an die Xandesftenereinnehmer übermittelt.
Die Trantiteuer (zu unterfcheiden von der für Gemeindeinter-
Mer erhobenen Schrottgebühr und dem Ungelte) wurde in ber legten
Periode bereits zu wiederholten Malen eingeführt. 1481 wurden vom
Striche des zur Dierbereitung verwendeten Malzes 2 gr., 1514 von dem-
ſelben nur 1 gr., jedoch durch drei Sahre hindurch erhoben. Bon 1534
bis 1537 wurde das Vier fogar doppelt befteuert, indem der (Erzeuger
von jedem Striche Gerſte oder Weizens 1 gr. und der Ausfchenfer von
jedem Faße eben jo viel zahlen mußte; 15-46 wurde aufs Neue ein Faß—
geld zunächſt auf 4 Jahre, nachmals jedody (1547) ftrafweife für alle
Zeiten den Städten aufgelaftet. Eine eigene Stener wurde 1520 gerade für
die Handel treibenden Bürger fchr läftig, indem beim Ein- und Verkaufe
jeder beliebigen Waare vom Groſchen ein Heller, aljo der fiebente Theil
des Werthes erhoben wurde. Auf ähnlichem Priuzipe beruhte die Steuer-
bertheilung von 1534, nur daß für einzelne Waaren, wie Gctreide,
Erbſen, Hirfe, Yinjen, Zwiebel:, Rüben- und andere Samen ein bejtimmter
Tarif feftgefegt, bei anderen Waaren aber im Allgemeinen vom Schock
des Werthes 1 Groſchen verlangt wurde. Höher war der Tarif für
Verlauf außer Yandes.
Obwol einzelne diefer Steuern für Zwecke der Yaudesvertheidigung
dermendet wurden, jo wurde doc aud noch jehr häufig direfte Truppen:
Nelfung und Ausrüjtung von der Gemeinde verlangt. Auch hiebei war
indeß die Art der Laſtvertheilung eine verfchiedene. Entweder wurde (wie
1470) bloß im Allgemeinen das Kontingent (500 Keifige, 50 Reiter :c.)
jeſtgeſeht, das der ganze Kreis, oder jenes, das die Stadt zu ſtellen
hatte. Dieß betrug 1477 10 Reiter und 50 Fußſoldaten. Im 16. Jahr-
Hunderte wurde es Sitte, die Stellungspflicht ähnlich wie die Steuerlei:
fung nad dem Vermögen zu beftinnmen, fo daß beiſpielsweiſe 1531 auf
5000 Sch. Befig zwei Reiter, auf 1000 Sch. zwei Fußgänger, 1538
— 312 —
bora“, von welcher üblich der Heine Hügel „Feleni hora“ (Hirfchberg)
bis zum Stadtgraben herabfällt. Der Name des letztgenannten Hügels
fönnte dahin gedeutet werden, daB aud in Yeitmerig, wie es nachweislich
in vielen deutſchen Städten des Mittelalters Sitte war, ein Theil
des Stadtgrabens, hier der vor dem Zinngießerthore als Thiergarten diente
in dem zeitweilig Dirfche gehegt wurden. Die Gegend zwifchen dem Hirfch-
berge und dem Pofratigbache heißt jchlehtweg da8 „PBfarrfeld“ (fara-
fovsk&e pole). Deftlid von der Wobora bis in die Nähe des Mot-
ſchidelbaches zieht fih die Flur „Kuzovka“ und füdlich von diefer
bis an das Elbeufer die öfter genannte „Bozka“, deren öjtliche durch
das Motſchidelthal getrennte Fortfegung die „pirnaer Weinberge“
(prnsk& vinice) bilden. Die Stadtgründe am linken Elbeufer hießen
ſchlechtweg „za mostem* — hinter der Brüde.
Gleich unter unfern Füßen blidt das Kirchlein des heiligen Nikolans
mit feinen neuen rothen Dace gar freundlich aus den grünenden Wein-
ranfen zu uns herauf; ringsherum zerjtreut liegen einige Hütten, Die
Brünnlein aber, die da einft luſtig dburd die Weingärten riefelten, find
in eins gefammelt und in Röhren geleitet — fie fpeifen die Tröge der
Stadt. Eine Biertelftunde öftlicher Liegt diefe wie eine Karte vor unſern
DBliden ansgebreitet. Ihre Conturen machen die fpigen Thürne und
Thürmchen, die Giebelhäuſer und Mauerzinnen bewegt und mannigfaltig.
Vor ihr Liegt linker Hand die VBorftadt Woldana mit ihren unanfchn-
lichen Häuschen, Scheuern und Deconomiegebäuden, darüber durd die
Schlucht (rokle) des Bolratigbaches getrennt, die Zaſada mit ihrer
gothifchen Kirche. Der Eingang zu diefer führt durch den breiten Thurm,
der mit feinem breiten Zeltdache über jie hinausragt. Das Chor der
Kirche ziert ein zweites kleines Thürmchen. Rechts von ber Woldana
zicht fid) eine zweite große Vorſtadt (vielleicht ijt dick Swarov ?) bis in
den tiefen Graben unter dem Safranfelde hinab. Ueber diefem erhebt
fih auf dem alten Echloßhügel die „Nenftadt”, die cin Heiner Terrain:
cinfchnitt und eine Dauer von den Probſteigebäuden trennt. Sonft fteht die
Reuftadt nach jener cite hin offen, ift dagegen nach un® zu mit zwei
einander überragenden Mauern umgürtet die an der firdiweftlichen Ecke in
eine große thurmähnfiche Baſtion auslaufen. Bon da an umfchlieht cine
mit Thürmen verfchene Dauer die ſüdliche Seite bis über die S. Ge⸗
orgsfirdhe hinaue, unterhalb welcher cine Pforte gegen Süden zu ſich
öffnet. Wie wir bereits wilfen, wurden dieje Werke zur Zeit des Stän-
defrieges aufgejuhrt. Hinter diefen ſchützenden Mauern liegen zerftrent bie
— 303 —
za S. Jakob, hatte die nee Bürgerſchaft in unmittelbare Verwaltung
genommen und gewährte den Seelforgern dafür gewiſſe feftgelegte Bezüge
in Geld und Wein. Im übrigen blieb felbjt das Verhältniß zu den
Klofterbrüdern ein ziemlich freundliches. Auch jenes zum Probjte war es
in Der Regel, wenn wir von den erregten Zeiten abfehen, die bereits oben
ihre Darftellung fanden. Eine vollftändige Ausichließung der Katholiken
gelang der Sache nad) weder vor noch nad) dem intolleranten Beichluße,
da dieſe vielmehr in nächfter Nähe der Stadt, jelbft auf den Schoßgrün-
den derſelben fogar ihre eigenen Seelforger hatten. So predigten noch
am Ende des 15. Iahrhunderts bei S. Georg katholifche Pfarrer, deren
leßter, Ambros Swetlik, zugleich Canonicus bei S. Stephan war.
Seit den Zeiten de8 Repnik blieb aber auch diefe Kirche dem fatholi-
Ichen Sottesdienfte entzogen. Aus eben diefem Verhältniffe leiteten nach⸗
mals die Pröbfte ein Recht auf die Collatur jener Kirche ab, obgleich
diefe, wie wir früher fahen, feit den ätteften Zeiten der Stadt zuſtand.
Auch die Pfarrfiche zu S. Adalbert in der Zafada beſaß in der
Mitte des 16. Iahrhunderts einen katholifchen Pfarrer, Namens Peter,
der fih als Schriftſteller durch feinen Eifer gegen die Sekte der böh-
milden Brüder hervorthat. ')
Auch zu der leßtgenannten von Utraquiften und Katholiken gleid)
verfolgten radikaleren Secte befannten fich bercits einzelne Bürger, wenn
ihre Zahl auch nicht bedeutend fein konnte. Einer von diefen, Martin
Diigalec (1547) gehört foger zu den hervorragenderen Dichtern des
»Sancionals der böhmifchen Brüder,” das ihn mehr als 30 Yieder ver:
dantt. Dagegen gewahren wir in jener Zeit noch feinen fichtlichen Ein—
Fluß der deutfchen Reformationebemegung, oder es entgeht uns derfcibe
bei dem Mangel an gleichzeitigen Quellen. Wie alle Arten von Vereinen
umd Gilden in jener Zeit blühten, fo thaten ſich auch ſolche auf kirchlichen
Gebiete auf, ohne daß der Geift des neuen Bekenntniſſes fid) dagegen
Frräubte. Hervorragend waren in diefer Hinſicht die fogenannten Lite⸗
Tatenvereine, die wir in jener Zeit allenthalben treffen und von
Beun fi) ſchwache Ueberreſte auch heute noch in manchen böhmifchen
Siddichen erhalten haben. Ihr Zwed war die Verherrlihung des Got-
LeWdienftes und gottesdienftlicher Aufzüge durch Chorgefang, fo wie andrer-
ſein die Verbindung weltliher Feſte und Gerüße mit den geiftlichen,
Farı im Sinne und Geifte des Deittelalters. In Leitmeritz gab e8
— ln
) Balbin Boh, docta I. 121.
— 304 —
deren fogar zwei, einen für den lateiniſchen und ben andern für
den dechiſchen Kirchengelang; der erftere behauptete wegen ber gelehrten
und bochanfehnlichen Männer, die ihm angehörten, immer eine gewifſe
Borzugsftelung. Beide Brüderfchaften befaßen je ein nad dem Bet’
hältnifje der Mittel ihrer Deitglieder koſtbares Geſaugbuch. Das de
Brüderfhaft vom Iateinifchen Gefange zählt zu din bedeutendſte⸗
Kunſtwerken, die wir im Gebiete der Miniaturmalerei aus jener Ze cz
befigen. Schon ber Maßſtab feiner ganzen Anlage ift ein colofjalmue—:
Die 463 Pergamentblätter find eine Böhmische Elle und fünf Zoll hoch
und 12 30 breit. Sammt dem ftattlichen meifingbefchlagenen Einbante
wiegt da8 Bud einen Centner und zehn Pfund. Dem entſprechend er —
Scheint aud) der innere Wert, die reihe Kompofition und forgfame AugmiE:
führung der zahllofen Miniaturen und Arabeslen in glänzenden Farber —.
Die auf die Feier des 6. Juli, des Hustages, bezüglichen Miniature zw
nehmen bie Größe des ganzen Blattes ein, das eine ftellt Hus’ Dispim +
tation auf dem Concil, das andere feine Verbrennung dar. Währen db
fih an der Kojtenbeftreitung für andere ähnliche Sancionale in der Regel
am ftärfiten die Zünfte betheiligten, trägt das Leitmeritzer aud in
diefer Hinficht den Charakter eines pratriziichen Gefchenkes. Der eigent⸗
liche Hauptipender ift Ialob Ronovsfy von Welgnau'), doch hat
fi) aud Wenzel von Repnig durch Stiftung des Bildes der Ber-
brennung bes Hus an der Anfchaffung betheiligt. Den Künftler nennt
uns fein Dlatt. Dagegen ift die Zeit der Anfertigung durd die Bethei⸗
(igung des Stepnig genauer beftimmt: 1511 bis 1517. Won geringerem
Werte ijt das fleinere Geſangbuch des öeechiſchen Literatenchors, das aus
etwas fpäterer Zeit jtammt. Als fein Urheber wird Peter Pecha gr
nannt, doc) haben auch andere Bürger beigefteuert. Unter andern cerfennen
wir aus einem der Wappen ein Mitglied der Familie Kameil von
Rofratig. Beide Brüderjchaften kamen nach und nad) nicht nur zu
einen Kleinen Fonde, fondern auch zum Beſitze liegender Gründe, dere
Einfünfte die frommen Brüder in recht augenehmer Weife verrendetet
Ehe fie noch durch milde Schenkungen ſolche erhalten hatten, mußten Die
Einzelnen jelbjt beiſteuerr, um die Koften ihrer geiſtlich-weltlichen Be!
gnügungen zu bejtreiten. Gewöhnlich half aber auch da der oder jest“!
reihe Bürger oder die Gemeinde jelbit nah. Im Mittelalter, da pie
') Das „Epigramma in hujus operis emptorem“ beginnt:
„Pangite cantores, vobis Ronowsky Jacobus
De Welgnau nitidae comparat artis Opus,
— 305 —
ejammte Bürgerfchajt einer Stadt überhaupt mehr einer großen Familie
lich und einzelne Glieder bderjelben durch befondere Brüderfchafts- und
Sildenbande einander noch näher traten, hatte das Annehmen von Ge:
Henten überhaupt nichts peinliche® und nichts bebenfliches und felbft die
ngefehenften Bürger ließen fi ungeſcheut auf offenem Markte fpeifen.
die beliebtejten Tefte, bei denen Yeib und Seele in gleicher Weife er-
wicht werben follten, waren gemeinfchaftliche Mahlzeiten mit gottes⸗
ienftlihem Beſchluſſe, ſogenannte Collationen (kolace). Die Brü-
erſchaft verfammelte fich je nach der Jahreszeit entweder in mehreren
Yäufern einzelner Bürger, oder fic ftellte lieber noch lange Tafeln auf
em Marktplage unter freiem Himmel auf, [ud zu ihnen die Geiftlichen
der Gemeinde und Umgebung, ja jelbft die katholischen Würdenträger
des Domes und verzehrte in Gemeinfchaft und unter Beiftand derfelben
eine ganz refpectable Menge von Ochienfleifch und Kuttelflecken. Dem
alten Stabdtfchreiber wäflert noch der Mund, wenn er, der natürlich nicht
fehlen konnte, mit Stolz fehildert, wie beifpielsweife 1526 die geiftlichen
und weltlichen Herren an zwanzig Tiſchen auf offenem Ringe ſaßen
— abgejehen von dem Zroß der Dienerfchaft — und nicht weniger als
fünfzehn Yämmer, drei Viertel eines Ochſen und die Kuttelflecke
von fünf Stieren verzehrten. Wein und Bier fchenkte die Gemeinde,
für deren Glück die alfo gefättigten geiftlihen Herren beteten und fangen,
wenn fie ſich fodann in feierlicher Prozeſſion langſam um den Ring be-
wegten. Welches Volksgewühl mochte ſich um diefe Geſellſchaft drängen!
Wie erbaulich war das Bild, wenn dieſes über die Reſte der Tafel her-
fel, während die Herren andädtig „Te Deum laudamus“ fingend feier-
Üben Schrittes unter Glockengeläute daherzogen, um in den kühlenden
dallen der Kirche — vielleicht einzuniden! Mitunter geftattete das
Better nicht, dak die Collation in der Art zu einem Volkofeſte wurde.
Jan Iahre 1517 vertheilten ſich die Yiteraten in zwei Hänfern; fünf
Tifhe bereitete Iohann Wicena, drei Wiartin Nofydto. An dem
Male betheiligten ſich unter anderen aud) der Erzdiafon von Dome,
der Pfarrer von Schüttenig, ſämmtliche Seelſorge- und Schufgeift:
lichlet der Ztadt, der Bürgermeiſter Wenzel von Stepnig, der reiche
dron (Hronovst)), ein Herr von Kameik und alle Celebritäten der
Stadt. Mie wohl that es dem guten Stadtfchreiber, in fo vornehmer
Geſellſhaft zu wandeln, noch in ſpätem Alter erquickt ihn die Erinne-
rang an jenen Tag: „Und hierauf giengen wir alfe, fammt den Herren
„Präfaten” und Prieftern in die Kirche und fie läuteten bei der Pfarre
20
— 306 —
die große Glocke ganz gefliffentlich unferthafben, wie wir fo über den
Ring zogen, und wir fangen „Te Deum laudamus“. ınd giengen bie In
die Kirche hinein und jangen es rein bis zu Ende!"
Stiftungen und Vermächtniſſe zu Gunften der Kirchen und
Klöfter können wir aus diefer Zeit verhäftnißmäßig nur wenige anführen.
1495 fchenfte ein Bürger 10 Sch. Zins dem Altare der heiligen Eli:
fabeth. (auch Corporis Christi genannt) in der Dedjanteifirdhe.!) Im
Jahre 1514 vermadte die Bürgerin Urſula Aron (F 1. Nov. 1515)
ihre fänmtlihen Weinberge theils dem Spitale, theils der Kirche. &6 .
waren ihrer aber drei, zwei „Hultvatfa” und „Bulatovska“ in de
Folabe, und einer unter der Radobenle, die bis dahin zum Cale
fißer Gebiete gehört hatten und erft von den Kameiker Herren gegen
das PVerfprechen einer anderen Schenkung zur Kirche in Gernofet ab
gelöſt wurden. Einer derfelben, die „Aronfa,“ führte feither den Ra
men der Geberin.?) Auch ein Menzel BPifariktomig ſchenkte feinen
Weinberg in demfelben Iahre dem Spitale.
Die Dominilaner wurden 1472 mit der Schenfung eine
jährlichen Zinfes im Betrage von 1 Sch. bedacht, den die Unterthanen
des Dorfes Nucnig zu zahlen hatten. Der Geber war Michalek von
Nucnig, wie es fcheint, ein Vafall der Kapler, da Karl von Ew
lowitz die Scenfung beftätigen mußte. — Aud die Kirche zu Sct.
Georg hatte in der Zeit von einem Filcher Namens Mikes (} 1541)
einen Weinberg erhaften.?)
Mehr geihah für die äußere NReftaurirung der Kirchengebäude, An-
Ihaffung von Gloden u. dgl. m. Belonders eifrig erfcheint uns die
Zeit in legterer Hinfiht. Sm Jahre 1501 goßen die Bürger Wenzel
Zlatnif und der Eohn des Rachtabskyi die große Glocke auf eigene
Koften und fchenften fie der Gemeinde unter der Bedingung, daß nicht
etwa Zlatmif oder feine Gemalin einftens in fo große Noth gerathe,
daß er fi) an die Semeinde zu Halten gezwungen wäre. Am Ghrifti-
himmelfahrtstage wurde fie von der Baſtei in der Gegend der jeßigen
Sefnitenfirche von mehr al8 Hundert Menſchen bis auf den Kirchhof ge-
zogen, woſelbſt der Semeindezimmermann ein Nothgerüſt aufftellte, in
dem fie einige Jahre lang hängen blieb. Am 7. Mai 1506 weihte fie
dafelbjt der Bifhof Philipp umd gab ihr wahrfcheinlich zu Ehren des
Geber den Namen „Wenzel.“ Eine zweite Glode auf den Namen
—
) Erect. XUL 3. 1. 2) ©:venkbuch. 9 Juſchrift daſelbſt.
— 307 —
Paurenz getauft hatte die Gemeinde in Prag für die Set. Laurenzi-
fire gekauft.) Bereits 1510 wurde aus unbelannten Gründen der
„große Wenzel” abermals umgegoflen durch Meifter Ptacek von Kutten:
erg umter Beihilfe des hiefigen Kannengießers Thomas und nebft
'iner zweiten kleineren Glocke auf dem Notbgerüfte aufgehängt. Das
Sewicht der großen foll 81, das der kleineren 20 Gentner betragen;
eder Gentner Gewicht kam fanımt dem Guße auf 100 gr. m. Ein
Jahr fpäter kaufte der Magiftrat abermals eine Tleine Glode von dem
jenannten Bürger Thomas. Gerade als diefe aufgehängt wurde, er-
hütterte ein bedeutender Erdftoß die ganze Stadt fo gewaltig, daß das
keinerne Kreuz vom Giebel der Kirche herabftürzte. — Da wegen fchledy-
en Zuftandes des Thurmgerüſtes bisher ſämmliche Glocken auf dem
Rirhhofe auf eigenen Gerüften untergebracht waren, befchloß endlich im
Jahre 1514 der Magiftrat, die nöthigen Baulichkeiten an und in dem
Thurme vorzunehmen und jenes koſtſpielige und in feiner Art meifter-
hafte Glockengerüſt in demfelben aufzuführen, das aus riefigen Cichen-
ballen gezimmert und gefügt vom Grunde des Thurmes bis unter das
Dad hinaufragt und bis heute unerjchüttert ſteht. Meiſter Georg
von Bilfen wurde zu dem Werke gedungen und begann am 15. Juni
a6 Dach des Thurmes fammt dem alten Glodengeftelle einzureißen.
Der Contract ?) lautete dahin, daß M. Georg das Gerüft Herzuftellen,
De unteren und oberen Sloden aufzuhängen, ein neues Thurmdach fammt
Serihalung, eine Thürmerwohnung und eine Schnedenftiege oder eine
ihaliche aufführen Tolle, wogegen fi die Gemeinde verpflichtete, ſämmt⸗
liche Stricke zu borgen, alles nöthige Holz bis vor den Thurm zu ſchaffen,
m Meifter alle Späne und Abfälle, die nicht über eine Elle lang find,
3 laſſen und dann noch alles in allem 240 Sc. ın. zu zahlen. Das
Bert gieng aber langfamer von ftatten als man gehofit hatte und der
Nagiſtrat fürchtete, der Meifter werde fchließlid) jein Wert im Stiche
fen. Daher nahm cr ihn am 6. November in Eid, daß er ji vor
zollendung des Werkes nicht aus der Stadt entfernen wolle, gab ihm
er an Sct. Martin dennoch Urlaub gegen das eidliche Verſprechen,
ı5 er fih zu Deittefaften (22. März) 1515 wieder einjtellen wolle. Er
hrte zwar wirklich wieder und arbeitete den ganzen nachfolgenden Sommer,
ußte aber nodymals um eine Frift bis nächſte Deittefafte bitten. Endlich
Hangen am 14. Septeinber 1517 die Glocken wieder zum erften Male
— —
2) FAechtebuch Ar. III. und Gedentb. ?) Im leit. St. A.
u®
— 318 —
Sahreszahl 1539 trägt. Anch der neue Schild NRolands mit der Börſe,
dem Synibole de8 Marktes, ift offenbar aus jener Zeit. An dem Sodel
diefer Rolandsſäule hatten an Markttagen die Hohl- und Yängenmaße
der Stadt ihren Plag, der zweite Gewölbpfeiler von der Südede aus
mußte durd einen Strebepfeiler geftügt werden. An dem nächſten be-
findet fi) der Pranger und gleich daneben wird zur Zeit einer Frohn⸗
leichnamsprozeifion der Altar gebaut. Die beiden Stockwerke haben eine
ungleiche verhältnißmäßig geringe Anzahl unter einander nicht gleicher Senfter ;
darüber erheben fich nach Oft, Süd und Weft zu drei hohe Giebel im Style
der Zeit des Umbaues, das dreifache hohe Dach reicht bis in die Spigen
derſelber. Den mittleren Giebel der Hauptfront erjegt ein fpiger mit
Kupfer beichlagener Thurm, unter welchem demnächſt eine Uhr angebradht
werben wird. Erſt 1545 wurde die „Rathsglocke“ in demjelben auf-
gehängt, deren Beftimmung es ift, die „Herren“ zur Sigung zu rufen.
Im Innern ift außer dem Saale aud; die zierfiche Renaiffancetreppe, die
bei der Gemeindeverfjammlung zugleich als Tribune dienen muß, der Be⸗
achtung werth. Das Erdgefhoß bewohnt der Apotheler. —
Vom Plage aus führen zwei Gaffen nah Weiten, die fich beide
vor dem Dominifanerflofter vereinigen, zwei nach Often, die nicht weit
vor dem fangen Thore in einander treffen, eine nah Süden zur Pforte
und zwei nach Norden, die eine hievon, die SZinngießergafle, zum gleidy-
namigen Thore, die andere, die wol die Bolratiger heißen mag, zum
Schloße (Rabe). Zu letzterem gelangen wir über den bereits früher
genannten großen freien Plaß, die „kralowä haſe“ (oder den Königs.
zwinger), auf dem wir indeß bereits gegen Often zu vereinzelte Häufer
antreffen. Ein tactmäßiges Hämmern fchallt uns betäubend in die Ohren
— mir find unter die Faßbinder gerathen. Das weitläufige Gebäude
des Schloffes hat feine frühere Beſtimmung, zeitweilig der Sig fürfificher
Berfonen zu fein, längft verloren, ift — vielleicht in der Hufitenzeit —
in den Befit der Gemeinde übergegangen und dient biefer als Wirthſchafs⸗
gebäude. In demfelben find die Wohnungen der Delonomiebedicniteten, die
Stallungen der Gemeindepferde, Schüttböden und Strohmagazine. In den
alten Kelfern aber ruht ein gar köftliher Schaß, der Semeindewein. Ihn
ſchenkt der Schaffer des Schloffes im Erdgefchoße desſelben aus großen
Zinnkannen — defhalb der Kranz über der Schloßthür, der wie faft
jedes Haus in Leitmeritz auch diefes ziert. Zu beiden Seiten des Schloßes
neben der Pforte und an der äußerften norbweftlicden Ede der Stadtmauer
ragen zwei fteinerne thurmartige DBaftionen, der runde Wartthurm bes
EScloffee ift bereite dem Verfalle preisgegeben.
— 319 —
"Ueber die „Eralovd haſe“ Hinab fommen wir die Zinngießergaffe
durchfchneidend an das beicheidene Pförtnerhäuschen des Minoritenklofters,
das im Anfchluße an die hohe Sartenmauer nad). Bettlerordenart das
eigentliche Kloftergebäude verdedt, deſſen Räumlichkeiten die wenigen In⸗
faffen — mituater ift nurmehr Ein Mönd im Klofter — an arıne Zine-
fente vermiethet haben. Neben tem Kirchlein befindet fid) auch ein Kleiner
GSottesader. Hinter dem Kloſter wird bereits der Raum abgejicdt für die
neuen Fleiſchbaͤnke.
Bon da treten wir nun in den ziemlich öden und verlafjenen Raum
des ehemaligen Judenviertels. Die jüdifchen Privathäujer haben
wol größtentheil® wieder neue Beſitzer gefunden, doch jteht die alte
Indenſchule mitten in der linken Häuſerreihe noch öde und leer. Bor
dem langen Thore zieht fich der Judenbezirk noch bis an die Elbe herab
rort. Daſelbſt lag außer dei Trödelei der Fudengarten mit dem Juden-
bade, das die Juden jedoch nur gegen cinen Jahreszins bejeflen. Nun
gehört beides wieder der Gemeinde; der Judengarten hat noch feinen alten
Ramen, wirb aber als Holzgarten und Bauplag verwendet. Die we-
nigen Häuschen in der Gegend bilden die Vorftadt „vor dem langen
Thore” (dlouhobransk& predmösti). Dem Ufer der Elbe entlang gelangen
wir füdweftlidh in die „Mühlenvorſtadt“, fo genannt von der Nähe der
Semeindemühlen, die fid) am rechten Elbeufer und an beiden Zeiten ber
Kleinen Infel in der Nähe derfelben befinden. Hier haben vorzüglich bie
Särber ihre Wohnungen und Werkftätten aufgefchlagen. Die Hintere
Mühle wurde erft 1506 gebaut und erft in der letzten Zeit (1544 und
45) wurden in fänmtlihen Mühlen neue Radftuben errichtet. Bei der
bintern Mühle befindet ſich auch die Schleiferei der Meſſerſchmiede, fo
wie eine Waffe und dic Pulverftampfe mit den Mühlen in Verbindung
ſtehen. Die Schleiferei und die Pulvermühle find neu, denn erjtere
hatte erft 1531 das Waſſer fortgeriffen und legtere war 1535 fammt der
Bulverlanmer in die Yuft geflogen. Bon der diefer Anfel gegenüber
unterhalb der S. Yaurenzlirdhe aus dem Abhange hervordringenden Quelle
wird erftere gewöhnlich die ‚„„Brunneninfel” (studnicky ostrov) genannt.
Die Hanptftrönung der E be wurde den Mühlen zugeleitet, indem
ein langes Wehr von der Spige der „großen Inſel“ (jegt Schügeninfel)
en bis an das jenfeitige fer reichte nnd der Raum zwifchen jener und
der Brunneninfel durd; das Keine Wehr abgefperrt war. Sämmtliche
Schiffe mußten daher durch den engen Kanal zwifchen den Mühlen hin:
durch fahren, wodurd) zugleich ein unausweichlicher Zollſchranken gezogen
— 320 —
war. Stromaufmwärts wurden die Zchiffe durch einen am Ufer fichenden
Drehefel durch diefes „Waſſerthor“ (cechiſch nöͤmcina auch „nemeckä dfra”)
gezogen. Bon der Mühlenvorjtadt gelangen wir auf geradem Wege fort über
den Stapelplat zu der Vorftadt „Ianomw”, die fich um das Johanneskirchlein
herum ausdehnt, von wo aus ſich nach Welt die Hütten der Fiſcherei hinab,
nad) Nord die Dubina hinauf ziehen. Unterhalb dem Marienkirchlein
ftehen die jeit 1541 neu erbauten Gemeindeftallungen. Ehe wir an diefen
vorbei wieder in die Stadt zurüdfchren, müffen wir noch einen Blick auf
das wahrhaft „theuerfie” Kleinod der Stadt werfen, auf die lange hölzerne
Brüde, die feit nahe einem Jahrhunderte über die Elbe führt. Vor dem
Jahre 1452 führte nur eine Fähre über die Elbe, deren Erträgniß die
Gemeinde bezog. Im genannten Jahre aber wurde der Bau der erften
Brüde gegen Oſtern begonnen und nad) Galli (16. October) beendet.
Dadurch wurde indeß die Fähre nicht für immer entbehrlich. Die eigentliche
Brücke war von Holz und ruhte auf hölzernen Böden; der größte Theil
derfelben wurde alljährlich vor dem Kintritte des Eisganges abgetragen.
Gar oft aber wurde dieß verfehen. Schon damals bezeichnete die Volks
ftimme den Pokratitzbach als den Vorboten ber Ueberſchwemmung —
fo oft er auch die um ihre theuere Brücke beforgien Bürger befog, fo
wurde ihm doc das Vertrauen bis heute nicht ganz entzogen. War der
Magiſtrat zu vorfichtig und hob er die Brüde vor der Zeit aus, fo
murrte das Publikum, wenn ſich die Gefahr wieder verzog; verjäumte
er den Zeitpunkt, dann war die Brüde verloren und dic Fähre trat wieder
in ihre alten Rechte. Die erjte Vrücke dauerte nur bie ins zweite Jahr.
Es wäre aber zu langweilig, alle Scidjale diejes ſchwer geprüften Bau-
werkes der Reihe nad) aufzuführen, wir begnügen uns einige der bedeutendften
hervorzudeben. Beſonders unverhofft kam das Unglüd im Jahre 1501, in
welchen plöglic im Hodfommer zur Schnittzeit das Waifer (ein fogen.
„Johanniwaſſer“) jo hoch jtieg, daB es zuerit die Walke und Schleiferei
auf der Brunneninſel, dann die erften zwei ‚Felder der Brücke von diefer
Seite mwegriß und ferner Feld um Feld bis ans andere Ufer hinüber
zertrünmerte. Das Waſſer gieng bi8 Brnian und alle unteren Häufer
der Fiſcherei ſchwammen davon. Kin Stüd der Brücke fand man nachmale
auf den Feldern bei Mlikojed, ein anderes auf der tjchalofißer niet,
eins bei Yibohovan und wieder andere wurden erit bei Außig auf:
gefangen. Tod ftand die Brüde am 1. October fchon wieder fertig
da. Drei Jahre fpäter (1504) giengen abermals 11 Felder fammt den
Böden davon. Im Jahre 1529 brad die Brüde in dem Augenblide
nn Yan
— 3211 —
sufammen, al® ein vieripänniger Wagen mit vier Fäſſern Wein darüber
fahr; Wagen und Pferde verjanfen. Nach einer Angabe von 1504 foll
fie damals vom diesjeitigen Thore an bis zum Steinwege jenjeits 823
böhmiſche Elfen gemeſſen haben. Am jenfeitigen Ende fteht feit je der
Schlagbaum und hinter den Mauthäuschen die bereits erwähnte Vogel⸗
ftange. Dort auf den Wieſen links von der Brücke geht es zur Zeit
des Bogelichichens gar Inftig ber. Doch aud zu andern Zeiten findet
fih dort eine große Volksmenge cin, fo befonders wenn dort der Kreis:
hanptmann vor einer eigens erbauten Bretterbude Mufterung hält über
die 10 bis 20 geworbenen Landöfnechte der Stadtmiliz, die aus ihren
Zorniftern nicht bloß das beftimmte Maß von Pulver und Blei, fondern
andy je einen „großen Käs“ („hruby syr*) vor ihn auszupaden pflegen.
Doch fanden folhe Mufterungen mitunter auch diesfeits der Elbe auf
den Wiefen am kreſchitzer Wege jtatt.
Nicht weit von der Vogelwieſe beginnt der üppige „Leitmeriger Wald”,
der bis an das Ufer der Eger reicht, die faft gegen die Strömung der
Elbe mit einer Biegung nad Oſten in diefe mündet. Diele ganze Gegend
gehörte aber fammt der ausgedehnten Inſel (Faſauneninſel) in der Elbe
noch vor nicht langer Zeit dem Klojter zu Doran. Im Jahre 1483 ver:
fanfte diefe® die Egermühle an der genannten Mündung dem Leitmeriger
Bürger Nikel Wrſchek; die Mühle ijt verfallen, aber der Ort heißt
noch immer Milyniste Den Wald hatte ſchon früher die Stadt ale
Pfandbefig erhalten und erſt in der letzten Zeit einen langen und koſtſpieligen
Prozeß um feine Sränzen geführt. Die Infel ob der Brücke aber veräußerte
da® Kiofter 1529 emphitentiich zur Hälfte an einen Unterthanen der
feitmeriger Probftei, zur Hälfte an den Bürger Georg Truppel. Gleid)
unterhalb der Brücke ganz nahe am Ufer hat fih erjt im 15. Jahrhunderte
eine neue Injel gebildet. Das Ufer ſelbſt ſammt dem damaligen Yandnnge-
platze der Fähre gehört der Gemeinde; der anfänglidy geringe Nuten der
Sandinſel wurde indeß ohne weiters dem nächiten Anrainer von Zeletig
überlaffen ; deffen Hof gieng von Hand zu Hand, die Injel wuchs und wurde
untzbar und die Gemeinde erklärte jie endlich für ihr eigen nach gangbarem
Rechte. Der Bejiger des Hofes aber weigerte ſich fein vermeintliche Recht
aufzugeben, er 309 ſich bis an die Schöppen von Magdeburg und
vor diefen verlor die Gemeinde ihren Prozeß wegen Berjährung durd
30mal Iahr und Tag. Seither gehört die Injel zu ZJeletitz.!)
») Beisihum Nr. 15.
21
— 32 —
Wir fchren über die Brüde zur Stadt zurüd, wofelbft wir nur
noch weniges zu betrachten finden. Der nächſte Pfad führt ziemlich fteit
bald neben dem, bald über das Bächlein hinweg zur Pforte nnd durch
diefe in die Mariengaſſe. Das Spital dafelbit, die Kirche, Pfarre und
Schule am andern Ende derjelben Kennen wir bereits. Die größte und
geränmmigfte der Galfen, die „lange“, zeigt recht hübſche Häuſer — in
dem und jenem mag wol ein reicher Patrizier wohnen. Aus ihrer Mitte
führt nad) Sid die Yaurenzigaife zur Kirche, Pfarre und zum Friedhofe
von S. Paurenz; wie die Übrigen Quergäßchen derzeit; genannt fein mögen,
weiß uns niemand zu jagen. ")
Als im Jahre 1514 eine primitive Confeription vorgenommen wurde,
um die für die Nachtwächter zu entrichtende Gebühr zu vertheilen, befan-
den fich innerhalb der Mauern mit Ausſchluß der der Gemeinde gehörigen
Gebände 248 bewohnte Häufer, einſchließlich der Judenhäuſer und jener
Braulokale, die als Telbjtftändige, bewohnbare Häufer betrachtet werben
fonnten. Außer den Hauswirten wohnten in der Stadt nod) 208 Micth
parteien; doch verficherte die Conferiptionscommiffion, „man würde deren
ſchon noch michrere finden, wenn man in den Häufern fleißiger ſuchen
wollte.*r Im Ganzen lebten aljo in der eigentlichen Stadt mehr ale
450 Familien. Nur von den menigften derfelben haben ſich indeß Namen
und Daten erhalten.
Aus der Menge der feit 1421 auftanchenden neuen Familien ragen
befonders die hervor, welche es feit jener Zeit für gut fanden, ihren
fleinen Yandfig auf dein Sande zn verlajfen und das Bürgerredht in der
nahen Stadt ſammt einem bequemeren und fichereren Site zu erwerben.
Neben dem nicht mehr ausreichenden Einkommen ihres Gütchens floß
ihnen hiedurch das weit reichlichere der ausschließlich bürgerlichen Er—
werbszweige zu und fie gewannen dabei ohne zu opfern. Neben den
entfaufenen Bauern find es ſomit Pente vom niederen Adel, die die neue
Bürgerfchaft bilden und jenen gegenüber dic Patrizier vorftellten. Sie
behielten ihren Namen und Stand bei und ermecten hiedurch bald be;
ihren neuen Meitbürgern eine Eindifhe Sucht, fi) wenigftens in Namen
und Siegel zu gleiher Höhe aufzufchwingen. Wer nur halbwegs einige
) Die Nahmweife im Detail wilrden bei diefem Abſchnitte zu viel Raum bean:
fpruchen. Wir weifen daher nur im Allgemeinen auf die Gedenkbilcher ber
Stadt, anf das Memorabilenbuh von 1512, die immerhin zur Orientierung
bereits für dieſe Zeit braudbare Wbbildung bei Paprocky wie anf viele zerfireut,
Urkunden des I. St. U. Hin.
— 323 —
Strich Feld Hatte, gab diefem Ader einen eigenen Namen und fchrieb
ih darnad) mit „von“; alle befannten Raubthiere bald ganz, bald quer
und fchief getheilt fanden Aufnahme in die bürgerlichen Siegel. Manche
diefer bürgerlichen Stammbeſitze waren auch fehr idealer Natur. Mehr
noch wird uns dieſe Nachahmungséſucht im fünftigen Zeitraume entgegen
treten. Den zum Bürgerthume übertretenen Wenzel von Nepnig
lernten wir bereits näher fennen. Cr gründete indeh kein neues Patri—
ziergefchlecht, da cr der Tette feines eigenen geweſen zu fein fcheint. Bon
feinen muthmaßlihen Vorfahren haben wir nur die Namen eines Za>
harias und eines Predbor von Repnitz finden können.) — Auch mit
Jakob Hronovsty von Velgnau ſcheint deſſen Geſchlecht ausgeftor-
ben zu ſein; die letzte Nachricht, die wir über ihn beſitzen, iſt vom Jahre
1517, in welchem Jahre er Primator in der Stadtvertretung wurde. ?)
Sein Haus bildete das obere Edhaus des Ringes gegen die Zinngießer-
gaſſe, fein Wappen zeigt das große Cantional. Yünger erhielt ſich die
Familie der Nofydlo von Geblitz in Yeitmerig. In der zweiten
Hälfte des letzten Zeitraumes wird bejonders häufig ein Martin N. v. G.
genannt, der zu wiederholten Malen auf den Rathsbänken ſaß. Seine
Familie führte eine Weintranbe im Wappen und auf dem geſchloſſenen
Helme einen Adlerflügel. -— Die Familie Wolinsty von Kopift
trug drei Blätter (?) im Schilde und zwei Hörner auf dem Helme. Auch
die Familie Trnovanskih von Trnovan wird oft genannt. In
fetter Zeit gehörte ein Chrijtoph unter die Natheverwandten. — Die
Familie Kuneſch von Lukawetz trat im Ständejtreite wieder aus dem
Berbande der Bürgerfchaft aus. — Dagegen hatte fi) die Familie der
Kameike in die Stadt gezogen und blieb dafelbft bis zu ihrem Er-
löſchen. Die einzelnen Glieder, die wir in dieſem Zeitraume kennen
lernen, Franz, Johann (1534) und Sigmund (1540 T 2. Mai
1552) gehören ſämmtlich der Yinie Henichs an. Sie ſchreiben ſich ent:
weder Henid, Heniochus oder in deutſch cechiicher Ueberſetzung For⸗
manch — Die Familie Zdihny nannte fih von Hirſchberg
(2 jeleni hory), wahricheinlid nad) dem Gütchen hinter dem Zinngießer:
thore. Am Schlujje der Periode wird am hänfigjten ein Georg Zdichnij
genannt, der zu wiederholten Malen auf den Rathsbänken ſaß. Sein
Haus ftand neben dem der Familie Hansfa, die jih von Adlers⸗
i) Erfter erfcheint 1436 als Zeuge anf einer Urkunde (Archiv desky III. 513),
letzterer betheiligte fi 1452 an der Wahl Georg® zum Landesverweier (A. 2. II.
310). ?) Sedentb.
. 231°
— 324 —
berg nannte und das gegenwärtige Gemeindehaus befaß. Ihr Wappen
zeigt einen Adler getheilt durch einen mit zwei Sternen geſchmückten
Querbalfen. Am Ende der Periode war Georg Hausfa zu wieder:
holten Malen Rathsverwandter. — Die weit verzweigte Familie Sidta
oder Simedel nannte fi von Cejnow und führte zwei Querbalken
und einen Löwen im Siegel. — Die Kotmwa’s erhielten nachmals das
Präbifat „von Freifeld"” und den Anker ins Wappen. — Die Knob—
foche nannten fih von Pirnsdorf. — Die reichfte und fruchtbarfte
Familie von allen aber wurde nachmals die der Mraze, die fih von
Mileſchovka fchrieben. Der „alte Mraz“ war als [Brauer von
Prag nah Leitmeritz gekommen und hinterließ, al8 er 1526 ftarb,
drei Söhne, Georg, Wenzel und Adam, die die Stammpäter einer
überaus zahlreihen Nachkommenſchaft wurden. Als Wappen führte die
?eitmeriger Pine der Mraze im ſenkrecht getheilten Schilde links einen
Löwen über einer bezinnten Mauer, rechts den milefhauer Berg. Schon
Georg Mraz, der Regina, die Tochter des hiefigen Bürgers Johann
Samuel heirathete (1533), wurde eine Reihe von Jahren hindurch in
den Stadtrath gewählt. — Unter den übrigen Familien rvagten noch
hervor die Familie Kodudko (Wenzel K., der 1565 ftarb, war ſchon
1517 Stadtridter, 1524 und dann wieder 1542 und 43 Primator und
faft beftändig Nath geweſen), Skrwik, Nozit, Genivo, Turek,
Stradal, Krajic, Zlatnit, Sttibrnd, Pekai, Wicen, Zat,
Gelinef, Zoubfa, Weleminsty, Kundrat und bie katholiſche Fa-
milie Krejci, aus der der erfte Kaiferrichter ftammte.
Auch die Namen einiger Iuden find uns befannt geworden, deren
Zräger um 1540 nod in der alten Judengaſſe wohnten und das Schick
ſal von 1541 jedenfalls miterlebten. Sie heißen Sabod, Iſak,
der „Ihwarze Jude“, Jakob, Mates, Heffel, Moifes und
Schmuhel.
Unter den Kindern der Stadt, die im 15. Jahrhunderte außer der⸗
ſelben zu einem Namen kamen, iſt der bekannte Convertit Hilariue
von Leitmeritz, der Adminiſtrator des Erzbisthums und Gegner Ro—
fycana’8 zu nennen.
Die Gliederung der ganzen Bürgerſchaft in Krieg und Frieden bieng
eng zuſammen mit der Gliederung nach Gewerben und Zünften. Außer
den Zünften war dem Bürger befanntlicy jeder Gewerbebetrieb unmöglich.
Jede Zunft oder Zeche hatte in dem Zechmeifter ihren Vorſtand und im
ber Herberge den Verſammlungsort zur Berhanblung ihrer Sonberinter-
— 321 —
zujammen, als ein vierjpänniger Wagen mit vier Fällern Wein darüber
fuhr; Wagen und Pferde verjanten. Nach einer Angabe von 1504 foll
fie damals vom dicsjeitigen Thore an bis zum Steinwege jenfeits 823
böhmiiche Elfen gemeſſen haben. Am jenfeitigen Ende fteht feit je der
Schlagbaum und hinter dem Mauthäuschen die bereit8 erwähnte Bogel«
ftange. Dort auf den Wiefen links von der Brücke geht es zur Zeit
des Bogelſchießens gar Iuftig der. Doch aud zu andern Zeiten findet
fi dort eine große Volksmenge cin, jo befonders wenn dort der Kreis:
Hauptmann vor einer eigens erbauten Bretterbude Mufterung hält über
die 10 bis 20 geworbenen Landsknechte der Stadtmiliz, die aus ihren
Tomiftern nicht bloß das beftinnnte Maß von Pulver und Blei, fondern
anch je einen „großen Käs“ („hruby syr*) vor ihm auszupaden pflegen.
Do fanden ſolche Mufterungen mitunter auch diesfeits der Elbe auf
den Wieſen am kreſchitzer Wege ftatt.
Nicht weit von der Vogelwieſe beginnt der üppige „leitmeriger Bald“,
der bis an das Ufer der Eger reicht, die faft gegen die Strömung der
Elbe mit einer Biegung nad) Oſten in dieje mündet. Diele ganze Gegend
gehörte aber ſammt der ausgedehnten Inſel (Faſaneninſel) in der Elbe
noch vor nicht langer Zeit dem Klofter zu Doran. Im Jahre 1483 ver:
taufte diefes die Fgermühle an der genannten Mündung dem Veitmeriger
Bürger Nitel Wrſchek; die Mühle ijt verfallen, aber der Ort heißt
Roh immer Miyniste. Den Wald hatte Schon früher die Ztadt ale
Pfandbeſitz erhalten und erft in der legten Zeit einen langen und koftfpicligen
Progeh um feine Gränzen geführt. Die Infel ob der Brücke aber veräußerte
das Klofter 1529 emphitentifch zur Hälfte an einen Unterthanen der
kitmeriger Probftei, zur Hälfte an den Bürger Georg Truppel. Gleich
imterhalb der Brũcke ganz nahe am Ufer hat fich erjt im 15. Jahrhunderte
eine neue Infel gebildet. Das Ufer ſelbſt ſammt dem damaligen Yandnıngs-
Hape der Fähre gehört der Gemeinde; der anfünglid geringe Nuten der
Sandinfel wurde indeß ohne weiters dem nächſten Anrainer von Zelctig
überfaffen ; deifen Hof gieng von Hand zu Hand, die Inſel wuchs amd wurde
uber und die Gemeinde erklärte jie endlich für ihr eigen nad) gangbarem
Rehte. Der Befiger des Hofes aber weigerte ſich jein vermeintliches Recht
aufgeben, er 309 fich bis an die Schöppen von Magdeburg und
w diefen verlor die (Senteinde ihren Prozeß wegen Verjährung durd)
Amel Jahr und Tag. Seither gehört die Juſel zu Jeletig.")
— — —
VNuethum Nr. 15.
— 326 —
ordnung zu erbitten, im welcher die betreffende Zunft eine befondere Aus-
bildung erlangt hatte oder von ber es befannt war, daR fie irgend ein
brauchbares gefchriebenes Statut befite, ohne darauf Rüdficht zu nehmen,
ob ſich diefe Stadt auch im übrigen desfelben Rechtes bediene, jo daß
fi) nachmals die eine Zunft ihr Statut aus Prag, die andere aus
Neihenberg und eine dritte anderswoher erbat. Kinzelne Zunftord-
nungen entjtanden indeß auch in originellerer Weife durch ein vom Rathe
mit Rüdfiht auf das allgemeine Wohl felbft entworfenes Statut.
Die Beftimmungen des Rechtsbuches find noch ziemlich einfach und
enthalten nur das, was jede Zunft für fich befonders erheifchte, mit Hin-
weglafjung alles allgemein giltigen. Die Quellen desfelben find die älteren
ſächſiſchen Stadt: und Landrechte. Für den Bäder beftimmen bieje
Satzungen genau das Verhäftniß des jemaligen Gewichtes der Waare
zum Preife des Getreides und die Strafe bei Uebertretungen, fchügen
ihn dagegen gegen bie Gomcurrenz nicht zünftiger Bäcker, indem biefe
Landbäder ihr Brod nur an Marfitagen bis zum Mittag feil haben
dürfen. — Die den Müllern geltenden Vorfchriften bezichen ſich auf
die Anlage mehrerer Mühlen an einem Graben und die gemeinfamen
Verpflichtungen der Müller an demfelbden und ähnliches, auf die Haftung
für das in die Mühle gebrachte Getreide und den Preis der Arbeit. Nein
Müller foll mehr Yohn an Geld oder Getreide nehmen als ihm zukömmt,
d. i. vom gehäuften Stridy eine gehäufte Metze, was er darüber verlangt oder
nimmt, ift Diebftahl. — Der Fleiſcher foll Fein krankes Vieh kaufen:
ſchlachtet er ſolches, fo geht es ihm an „Haut und Haar“ und er wird ehrlos.
Ueberwärmtes Fleiſch darf er nur vor der Fleiſchbank verkaufen, ebenfo
wenig darf über drei Tage altes Fleiſch in den Bänfen verkauft werden.
Auch was die Tuden fchlahten, gehört vor die Bänke — Ver
Garbräter („garbert, garpeter“, Garkoch) ſoll ſchwören, feine Speiſen
nur aus gefunden Fleiſche zu bereiten und nicht über zwei Tage ftehen
zu lajfen bei Strafe an Haut und Haar und Rechtloſigkeit. Diefelbe
Strafe fteht ihm bevor, wenn er verdorbene Fiſche verkauft. — Der
Riemer („kdoz usné z luhu dela®) foll feine Fußbefleidung machen,
— der Schufter nicht gärben und der Vohgärber feine Riemen
Ihneiden. Kein Fremder darf rohe Häute in der Ztadt faufen, ſondern
dier ficht nur Bürgern zu. — Ter „Flame“ d. i. Tuchmacher (Flam—
länder, Blamif) darf die Wolle weder mit Haaren noch mit Flocke fäljchen
und bat fein Tuch nicht zu dünn zu machen; jcde derartige Waare follte
verbrannt werben. Macht ex aber fein Stück zu kurz oder fchneidet er
k
— 325 —
eſſen. Urſprünglich wohnte felbft jede Zunft in einem befonderen zufanı-
menbängenden Stadtviertel, wie aus jenem magdeburger Weisthume her-
vorgeht, das in Betreff der Anfeinanderfolge der Zünfte bei öffentlichen
Aufzügen fagt, fie follten ſich fo aneinander fchliefen, „wie fie von An—
fang an ausgefegt feien amd ihre Wohnungen in der Stadt neben cin
ander haben.“ Wenn aud) durd) den Wechſel des Beſitzes hierin im
Yaufe der Zeit Veränderungen vorgiengen, jo blieben doch immer nod)
gewiſſe Handwerker in bejtimmten Gajjen, um fo mehr, als die Gewerbe
im Mittelalter weit regelmäßiger vom Vater auf den Sohn übergicngen
als heute. Nah Zünften geordnet erſchien die Bürgerfchaft bei den Ver-
Fanımlungen der Gemeinde in der großen Halle des Rathhauſes, nad)
Zünften ftellte fie fich zur Vertheidigung der Stadt umd repräfentierte
ſich in gleicher Weife bei jeder fejtlichen Gelegenheit. Dede Zunft hatte
ihre eigene Sahne mit den Abzeichen de& Gewerbes, ihre Yade mit ihren
Urkunden, Siegeln, Zinnfannen und fonjtigen Heiligthümern. Durch all
dieſe Kinrichtungen entwicelte ſich mit der Zeit ein ſtarres Formenweſen
und die Bürger jener Zeit kannten überhaupt nichts Geringfügiges in
der Form. Die kleinlichſten Dinge waren widtig genug, um zu heftigen
Kämpfen zu führen, wenn nicht cine höhere Auctorität ins Mittel trat.
So mußte im Verlaufe diefer Periode Magdeburg durd das jchon
berührte MWeisthum unter anderem den Streit Ichlichten, ob es ſchicklich
ſei, bei öffentlichen Aufzügen, fei ea am Feſte des Frohnleichnamo oder
bei der Ankunft des Fürſten, ciferne Spitzen auf den Stangen der Zunft
fahnen zu tragen. Die Mutterjtadt war mit diefer Neuerung nicht zu-
Frieden und erklärte fie für unſchicklich, ordnete aud) zugleid) in der an—
geführten Weife die ebenfalls ftreitig gewvordene Reihenfolge der Zuufte.
Geſchriebene Zunftorduungen für jede einzelne Zeche erichienen erſt mit
der Zeit, da früher, dort fpäter nochwendig. Für die erjte Zeit genügten
Die Kenntnis der alten Sitte und für die Städte des ſächſiſchen Rechts
kreiſes jene alten Beſtimmungen, welche das Rechtsbuch der „ Dijtinctionen“
enthielt. Diefe Beitimmungen müſſen für unfere Stadt als die Grund—
lage der gefchriebenen Zechordnungen gelten; die eigenen Zunftjtatute ent-
Nanpen erft dadurd, daß jene Verordnungen entweder erweitert, durch
eichnung der bisher ungejchriebenen Zitten vervollftändigt oder den
= und Ortsverhältniifen gemäß umgeändert wurden. Wie bei der Ent-
wicklung des echtes fpichte and) hierin die Entlehnung eine große Role.
Tag wurden bei derfelben die Schranken des Rechtskreiſes nicht in gleicher
Reife beachtet. Man pflegte in der Regel von jener Stadt cine Zunft-
— 3 —
zu erbitten, in welcher die betreffende Zunft eine beſondere Auss —
7: langi batte oder von der es bekannt war, daß fie irgend ie =
:szc&bares geichriebenes Statut belige, ohne darauf Rüdjicht zu nehmen ar
sr ch dieſe Stadt auch im ubrigen desſelben Rechtes bediene, fo dar ra
"& nachmala die cine Zunft ihr Statut aus Prag, die ander u m
Reihenberg und eine dritte anderewoher erbat. Kinzelne Zunftor —
nungen entitanden indeR auch in originellerer Meife durch ein vom Katie ı
mit Rückſicht auf das allgemeine Wohl ſelbſt entworfencs Statut.
Tie Beftimmungen des Rechtebuches find noch ziemlich einfad ur ı
enthalten nur das, mas jede Zunft für fich befonders erheiichte, mit Di Ar
weglaſſung alle& allgemein atltigen. Die Quellen desjelben find die ältere —cı
ſächſiſchen Stadt: und Landrechte. Für den Bäder beftimmen die—meir
Zagungen genau dad Verhältniß des jemaligen (Gewichtes der Maar
zum Preiſe des Getreides und die Strafe bei Uebertretungen, ſchütz en
ihn dagegen genen die Concurrenz nicht zünftiger Bäder, indem dir
Pandbäder ihr Wrod nur an Marfttagen bis zum Mittag feil hab en
dürfen. — Die den Mültern geftenden Rorfchriften beziehen fi) am uf
die Anlage mehrerer Mühlen an einem Graben nud die gemeinjfanme cu
Verpflichtungen der Müller an demſelben und ähnliches, auf die Haftu ug
für das in die Mühle gebrachte Wetreide und den Preis der Arbeit. Kein
Müller foll mehr Yohn an Geld oder Getreide nehmen ala ihm zufön it,
d. i. vom gehäuften Strich cine gehäufte Wiege, was er darüber verlangt o Wer
ninmmt, iſt Diebſtahl. --- Ter Fleiſcher foll fein Erantes Vieh laufen:
ſchlachtet er ſolches, jo acht es ihm an „Daut und Haar” und er wird ehrt ws.
Ueberwärmtes Fleiſch darf er nur vor der Fleiſchbank verfaufen, cbe Siſo
wenig darf über drei Tage altes Fleiſch in den Bänken verfauft werde en.
Auch was die Juden jchladhten, gehört vor die Bänke. — Eer
Garbräter („garbert, garpeter“, Garkoch) foll ſchwören, feine Spe irn
nur aus gefunden Fleiſche zu bereiten und nicht über zwei Tage ſter Hen
zu laſſen bei Zirafe an Haut und Haar und Nechtlofigkeit. Die I
Strafe Steht ihm bevor, wenn er verdorbene Fiſche verfauft. — Der
Riemer (ekdoz usnè z luln dla) ſoll Feine Fußbekleidung machen,
der Schuſter nicht gärben und der Vohgärber feine Kiezzia
Ichmeiden. Mein Fremder darf rohe Hänte in der Stadt kaufen, jonzv tl
dieß ſteht nur Bürgern zu. — Der „Flame“ d. i. Tuchmacher (ALM
(under, Flamif) darf die Wolle weder mit Haaren noch mit Flocke fälſ chen
und hat fein Tuch wicht zu dünn zu machen; jede derartige Waare follit
erbranmt werden. Macht er aber ſein Stüd zu kurz oder ſchneidet Ei
— 329 —
Mutterftabt, fofern fie nur aus echter Ehe und von wolverhaltenen Eltern
ftammen und felbft wol und ziemlich verhaften find, aud in andere
Zünfte und Zehen aufgenommen werden und zu deren Fahnen ftehen
dürfen, und man bürfe ihnen deßwegen die Aufnahme nicht verweigern
weil fie die Söhne von Badern und Yeinwebern feien!!) An dem Gewerbe
des Nachrichters und feiner Gefellen aber, das doc, gerade in jener Zeit
als das umentbehrlichite und rührigfte erjcheint, haftete die größte und
drüdendfte Schmach. Der Nachrichter wurde nicht einmal begraben in
der Geſellſchaft „ehrlicher“ Menſchen, fondern wie der Pfarrer in feiner
Kirche wartet er auf den Pofaunenruf oberhalb feiner „Rachel“ (hier die
Scinbergrube) in Gefellfchaft der alten Gaule, denen er felbft einft den
fegten Zroft gereicht. Der Zeitgeiſt beftrebte ich, dieſe Verachtung
möglichft weit auf alle Angehörigen und Verwandten auszudehnen. Fragte
man doch einft bei den Schöppen zu Magdeburg nad, ob nicht aud)
jener Bürger Georg Lieber für unehrlich gehalten werden folle, der des
Schergen Abraham Wittwe Martha geheirathet hatte. Magdeburg
entfchied zu feinen Gunſten.?) |
Wie ſchon gejagt, wurden die Junftnormen mitunter ergänzt und
verändert durch auswärtige erbetene Belcehrungen und durch Beſchlüſſe
und Erläffe des Stadtrathe, dem fämmtliche Zünfte unterftanden. Wahr⸗
Icheintih nod am Ende des 15. Tahrhundertes wurde von Magdeburg
die Entiheidung erbeten, ob auch nicht anſäſſige Fleiſchhauer aus den
nädjften Dörfern und Städtchen, die Feine Bank befigen, an Wochen-
märften ihre Waare zum Berfaufe in die Stadt bringen dürften, wo—⸗
gegen ſich die anfäfligen Fleiſcher beichwert hatten. Magdeburg
machte die Entfcheidung von der alten Gewohnheit abhängig und die
Landfleiſcher (hunteri) behielten ihr Recht, das fie in der VBerjährungs:
frift von 30 Jahren geübt. Am 18. Dezember 1516 erließ der Rath
eine Berordnung zu Gunſten der Seifenjieder.?) Die bürgerlichen Sei-
fenfieder follen ihr Erzeugnis durd ein eigenes Zeichen kenntlich machen
und dann foll es den Fleiſchern und Hödlern nicht erlaubt fein, irgend
eine andere Seife zu verlaufen, außer folder, die fi) durch das ange-
führte Zeichen als Erzeugnis einheimifcher Seifenſieder erweiſt. Jede
andere Seife, die ſich bei ihnen vorfindet, fan mit Bewilligung des Stadt-
richters confisciert werden. Daßjelbe gilt von Yichtern. Nur an Samijtagen
ift es gejtattet, neben den einheimischen auch fremde Producte zu verlaufen.
— — — — —
) Weitthum Ne. 47. ?) Weitthum Nr. 11. 9 Copialb.
— 328 —
ihnen der Rath jedesmal zwei Mark Silber zu zahlen; erſcheinen fe
aber nicht, fo verfallen fie der Strafe. Dasfelbe müffen die Zimmer
leute fhwören. Auch Gärtner und Weiner, „die im ber Vorſtadt
wohnen“, haben ihren eigenen Schwur. Die Töpfer follen feine
Steine im Thone laſſen, daß ihre Werke nicht Töcherig werden. Fragner
und Marfthoden dürfen an Markttagen nicht vor dem gegebenen
Zeichen einkaufen. Weit befonderer Eindringlichleit wurbe ihnen Kein
lichkeit und den Höcdlerinen — Triedfertigkeit enıpfohlen. Es geht der
Höclerin an Haut ımd Haar und Recht, wenn fie ihre Eßwaaren nidt
rein hält; beginnen aber ihrer zwei Zank und Hader untereinander oder
mit dem emeindegefinde, fo wird derjenigen, die den Streit veranlaft,
ein Stein um den Hals gehängt und fie vom Büttel um den Ring
geführt. Der Stein muß 30 Pfund wiegen und mit Ring und Riemen
zum Umſchnallen verjchen fein. Alle übrigen Zünfte, für die Keine bejon-
deren VBorfchriften gelten, haben dem Rathe Gehorfam und Hilfeleiftung
in allem Rechtlichen zu fchwören. ’) Wer aber meineidig wirb, ber wird
nah Echöppenrechte aus der Stadt gemwiefen auf — hundert Jahre,
gerechnet Jahr und Zag.”) Don verwandten Zünften bildeten wieder
mehrere unter einander eine Gruppe unter einer Fahne und einem Wappen.
So hatten gemeinihaftlih nur je Eine Fahne: Bäcker und Müller,
Fleiſcher und Garköche, Plattner und Panzerer, Schuſter und Trödler,
Kanngießer und Meſſerſchmiede, Gürtler und Beutler, Weiß- und
Rothgärber, Zimmerleute und Tiſchler; Töpfer, Gärtner und Weiner;
Höckler und Fragner — nur Schelme und unehelich Geborene fanden
unter feiner Fahne Plag, wenn die Gemeinde nad Zünften georbrtt
ausrüdte.
Die Zünfte felbjt ftanden nad) der Auffajfung des Zeitgeiftes N
einander in einer gewiffen Ueber- und Unterordnung, die fomeit ge
fonnte, daß einzelne für gemeiner gehaltene, für die in ihnen geborert
zu einer Art Kafte werden mußten. So galten eine Zeit lang in Ye
merit die Bader und Yeinweber als die unterjte Zunft gleich In —
Nahrichter und Schergen. Die Söhne folcher Meifter konnten a 7
wieder nur Bader oder Weber werden, weil fie in feine andere Ju —
aufgenommen wurden, bis fie endlid) am Ende des 15. oder am Anfar—'
de8 16. Jahrhundertes ein Schiedsſpruch Magdeburgs vonder Schm —
befreite. Bon nun an ſollten fie, fo forderte es dic Belehrung BI!
Difinet. 1. V. ?) Diftinet. 1. V. C. XXVI. d. 1.
— 3311 —
Erſaubniß des Wirthes allerdings Bier brauen, aber jeden Nuten hie:
von nimmt Fer Wirth, der fid) mit dem Sefellen in keine Gemeinfchaft
eintaffen darf, weder in Betreff der Pferde, noch des Malzes, des Ko—
chens und des Verfchleikee, fondern der Wirth foll fid) nad) ſeinem
Bürgerredte ernähren und den GSefellen mit Yietlohn abfertigen. Welcher
Bürger fid) daran nicht hält, zahlt 1 Sch. Strafe, und das in ſolcher
verbotener Gemeinfchaft Erzeugte wird zu Gunſten der Gemeinde con:
feciert. Ebenſowenig darf der Wirth dem Geſellen die Hefen überlaffen.
„Keichtes Bier” darf nur dem Meiſter gegeben werden und zwar nicht
mehr als zwei Kannen, wie fie das Gefinde zum Wajfertragen benützt,
und dieſes Bier foll vom legten fein und der Wirth oder die Wirthin
jollen es ihm zumefjen. Sollten fi die Geſellen nicht daran halten, fo
wolle der Rath Mabregeln treffen, daß ihnen in diefer oder jeder andern
Stadt da8 Yeben fauer werde.)
Der Preis der Bierforten wurde alljährlich vom Rathe felbft feft-
geiekt, jo wie von dieſem auch fürforglih Maßnahmen getroffen wurden,
dab die Bürger auf Feine Art zu Schaden kämen. Bon Zeit zu Zeit,
wenn einzelne ihr Bier los waren, während es bei andern liegen blieb,
jtellte er das Branen auf eine Furze Zeit ganz ein, damit die Bürger:
ſchaft gezwungen würde, das vernachläſſigte aufzutrinken, che es verdärbe,
oder er bejtimmte vor der Zeit eine Friſt, bie zu welcher alle abgebrant
haben mußten, und eröffnete dic Brauſaiſon erſt wieder, wenn er fich
überzeugt hatte, daß die alten Lager Abſatz gefunden hatten. - Selbjt auf
den Weinſchank wurde hiebei Rückſicht genommen und zeitweilig die Vier:
bereitung zu Gunſten des Weines fuspendiert. Als Hauptarten dieſes
cetränkes werden Weißbier und Gerſten- oder altes Bier genaunt. Die
Einfuhr fremder Biere war ganz unuterſagt. Verſuche wurden indeß
haufig genug, bejfonders vom Alnterfümmerer Iriefa ang, mit Raud—
niger und Sajtorfer Bier gemadt.
In nächſter Bezichung zu der Brauerei jtand die Faßbinderei
und erfreute ſich ſchon deßhalb nicht bloß eine ansgebreiteten Betriebes,
jondern auch ciner ganz beſondern Aufmerffamkeit von Seiten eines
weifen Rathes; diejer bejtinmmte, wie es jcheint, alljährlich, den Preis
für jede Art Binderarbeit und zwang jeden Binder diefen Preistarif
genan einzuhalten, ſowie jede Art Arbeit von jedem Beſteller anzunchmen.
Fin Stück des älteften diefer Tarife, der uns im die Hand gekommen
1) Copialb.
— 330 —
Einer der mwichtigjten Erwerbszweige der Bürgerichaft und zugleid
jener, an dem alle angefelfenen Bürger in gleiher Weite Theil nahmen,
war die Bierbranerei. Wie lange diefe und der Ausſchank ded
Bieres ausſchließliches Privilegium des Bürgerftandes war, ijt im obigen
bereit® dargeihan worden. Die Art aber, wie die einzelnen Bürger an
diefem Rechte Antheil nahmen, war von der jekt üblichen ganz verjchieden
Jeder Anfällige hatte das Recht, jährlid) eine genau bejtimmte, im Al:
gemeinen aber für jeden gleiche Menge der verfchiedenen Bierarten feld
zu erzeugen und zu verjchenfen, und übte diejes Recht aud) wirklich jelbf
aus. Die wohlhubenderen Hausbefiter hatten ihre eigenen Nebengebäudt
zur Malzbereitung und zum Bierfieden eingerichtet, von minder Bemit
telten benützten mehrere gegen Entſchädigung dasfelbe Lokal und diejelbe
Geräthe. Da ſich aber auf die Bereitung ſelbſt gründlich nur wenig
verſtanden, und sur wenigen hiezu die nöthige Zeit erübrigte, fo fander
Leute, die ſich ausſchließlich hiemit beſchäftigten, bei den Bürgern jeder.
zeit vorübergehende Verwendung. Dieſe — Brauermeiſter und Geſelle
— deren es damals in jeder Stadt mehr gab als heute, bildeten eben
falls eine eigene Zunft. Die Meeifter mußten felbjtverftändlich ange
ſeſſene Bürger fein, während dieß von den (Sefellen nicht verlangt wurde
Die Bräuer wurden entweder von den Bürgern wie andere Arbeiter fü
die Zeit der Arbeit gedungen und gezahlt, oder fie bedingen ſich Antheil
an dem Geſchäfte und übten durch ihre zunftinäßige Sejchloffenheit um
Kinigkeit bald einen derartigen Druck auf ihre Arbeitsgeber, daß fi dei
Rath zu energifcher Gegenhilfe genöthigt Jah, wozu nod) andere ung um.
bekannte Streitigkeiten mitwirken. So löjte derfelbe im Kinvernehme
mit den Semeindeälteften im Jahre 1514 der Bränerzunft die Herberg
auf und unterordnete die Sejellen direct den arbeitgebenden Bürger!
und im zweiter und dritter Weihe den Viertelmeiftern und ſich ſelbſt.
Tiefe Anordnung iſt das älteſte Statut für die Bränerzunft in Yeit
merig. Es enthielt außer den genannten die Beſtimmungen, daß fein
Geſelle felbjt auf den Markt gehen dürfe (um Getreide und Hopfen zu
faufen), mit der einzigen Ausnahme, daß fein Wirth (bei dem er ſich
verdungen) durch vor dem Bürgermeiſter angezeigte Noth verhindert ſei,
ſelbſt einzukaufen. Sollte außerdem ein Bräuergeſelle auf den Markt
betroffen werden, fo ift er von da aus in den Arreſt zu fegen. Streitig-
keiten zwiſchen dem Wirthe und den Geſellen ſollen zunächſt den Viertel⸗
Schlichtung vorgelegt werden; gelingt dieſen der Ausgleich
der Rath Recht ſprechen. Der gedungene Geſelle darf mit
— 333 —
dem Balmzmweige in der Hand. ©. Veit ift nad) dem Volksglauben
der Weder der früh aufjtchen wollenden und als folchen verehrten ihn
iedenfalls auch die Bäder. Die Umfchrift lautet: „Peezet Rzemesla
pekarzskeho miesta Lito.“ (—mifice). Wir glauben nicht mit Unrecht
den Einfluß des Proteftantismus darin zu erkennen, daß gegen den
Schluß unferer Periode der heilige Veit bei den Bädern außer Dienft
tam. Das nächte, kunſtvollere und größere Siegel derjelben Zunft zeigt
einen gefrönten Beugel in einem von zwei Bäckerknechten gehaltenen
Schilde, darüber Statt S. Veit den Doppeladler und darunter zwei Heine
Ipringende Häslein mit der Umfchrift: „P. Poc. Rze. pekarz. v Lito-
mierzicz“ (pelet poctivcho Temesla pekafskcho v Litomöficfch). —
Das 1522 jchön gravierte Siegel der Bräuer zeigt den heiligen Wenzel (?)
in ganzer Figur, in der Nechten das Schwert, in der Linken die Fahne
mit dem Adler, daneben einen Kleinen gefrönten Schild mit zwei Limben.
Die Umfdrift: „peczet czechu sladowniczkeho”. 1522.
In ähnlicher Weife wie an der VBiererzeugung konnte fich die ge:
ſammte Bürgerfchaft ohne Rückſicht auf die Zunftangehörigfeit amı Ge»
treibehandel und Weinbau beteiligen. Die Maßnahmen, wodurd)
eriterer an die Stadt gebunden wurde, haben wir bereit8 kennen gelernt.
Die Stadt bemühte fi durch alle Iahrhunderte aufs eifrigite, dieſelben
aufrecht zu erhalten, indem fie in ihnen die ausgiebigite Garantie für
ihre Wohlhabenheit erfennen mußte. Seit der Zeit der ſchwachen Re—⸗
gierungen in Böhmen war diefe Aufrechterhaltung mit großen often
verbunden, denn fie verwicelte bie Gemeinde in fajt unaufhörliche Strei:
tigleiten mit den adeligen Nachbaren und wurde mit ein Gegenftand des
allgemeinen Ständeftreite8s? Die fonjt auf einander eiferfüchtigen Nach—
barjtädte jahen ſich dadurd zu größerer Kinigfeit und engerer Verbindung
genötbigt. So hatte Auffig die Gontrolle über die Ablieferung des
Zolles bei Yeitmerig übernommen, indem es fein Schiff paſſieren ließ,
das fih nicht mit der betreffenden Uuittung answeiſen fonnte Im
Jahre 1516 (20. Jänner) vereinigten fi Raudnig, Yeitmerig
und Auffig in Betreff des Getreidehandels („ladowäani“) dahin, Feine
trodene Gerſte an meißner Händler zu verkaufen oder überhaupt zu
Waſſer oder zu Yand unterhalb Auſſig hinabzulaſſen, damit nicht dic
Meißner felbft ans böhmifcher Gerfte ihr Malz bereiten, fondern diefes
wie vordem in den genannten Städten laufen, die hiedurch einen zwei—
fachen Gewinn erhoben. Außerdem beſtimmte der Rath von Zeit zu
Zeit die Siftirung der Ausfuhr und dem Aehnliches, je nachdem es der
— 334 —
Handelsvortheil zu erheiſchen ſchien.“). Der Beſchränkungen des Handels
im Großen, wie fie in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vorge:
fommen, geſchah bereits feiner Zeit Erwähnung.
Den Getreidebau ſelbſt betrieben die Bürger in eben fo beſchränktem,
wie fie dagegen den Weinbau im ausgedehnteften Maße pflegten. Der
Grund war neben. der begünftigten Yage und dem Schuge gegen Concur:
venz vorzüglich der, daß es den Bürgern bei ihren Handelsprivilegien
leicht war, Getreide zu den billigſten Preifen zu erfaufen und der Bau
ſelbſt verhältnißmäßig wenig lohnend geweſen wäre, wo Hingegen der
ſchwungvoll betriebene Weinbau und Weinhandel felbjt bei den niedrigjten
reifen des Productes nody bedeutenden Vortheil bot, da der Ausſchank
desfelben ausschließlich den Bürgern vorbehalten blieb. Alle Verhältniſſe
des Meinbanes ordnete das Weinbergamt, an deifen Spige bie 1547
ein von der Gemeinde ernannter Bergmeifter ftand. Auch in der nächſten
Nahbarichaft, in Mihelsberg und Malitfchen, errichtete der
damalige Grundherr, Johann von Wartenberg (F 1464) ein derar-
tiges Weinbergichöffenamt. ?) Der größte Theil der ſtädtiſchen Schoß:
güter, ſelbſt eben gelegene, wie die im Aujezd, nicht ausgeſchloſſen,
waren mit Wein bepflanzt. Die im Aujezd zahlten bis zum Anfange
des 16. Jahrhunderts nur einen halben Schoß, murden aber vorüber»
gehend auf ganzen Schoß gejegt, bis derfelbe 1515 wieder auf das
frühere Ausmaß herablam. Die auf der Flur Ruzovka zahlten dagegen
den ganzen Schoß. Die Weinberge auf der Maſchkahora (Mostskä
hora) waren nad) dem Beifpiele der föniglichen unter der Radebeule von
der Gemeinde auf Zehent ausgefekt. Kinzelne, deren Namen bereits ge-
nannt wurden, hielt die Gemeinde in eigener Negie, deren Erzeugnis fie
im Schloße ſchenkte. Weber jährliche Ernten und PBreife hinterließen uns
die alten Diemorabilienfchreiber ziemlich genaue Nachrichten. Wir wollen
nur die allerbeften Weinjahre jenes Zeitraumes und die Preiſe in cin:
zelnen Jahren al8 Beifpiele nennen. Als befonders niedrig werden dic:
jelben zu Zeiten König Georgs geichildert.. Im Jahre 1452 koſtete
ein Seidel guten böhmiſchen Weines in Prag Einen Heller, in Peit:
meriß felbit aber gar nur einen halben Heller ?), und hatte danıald
Somit denfelben Preis wie das Bier. Daß diefe Angabe dee alten An:
naliften nicht übertrieben fei, beweifen die Aufzeichnungen von feitmeriger
ı) Copialb. ) Terichner Chronik in Illuſt. Chronik v. Böhmen I., 48. 9) Star
letop. 5083.
— 335 —
Bürgern aus fpäterer Zeit, denn auch noch im 16. Jahrhunderte ſank
der Preis des Weines zu jenem Deinimum herab, wenn man aud mm
Sanzen den von 2 Pfennigen für ein Seidel als den mittleren Preis
des weißen Meines anjchen muß. Der rothe war zu jener Zeit als der
Jeltenere im Verhältnijfe von 2 zu 5 theurer. — Die beiten Weinjahre
Des 16. Yahrhundertes ware die Jahre 1516, 1531, 1536, 1539 und
1551. Die Iahre 1531 und 1551 erzeugten eine folche Menge Meines,
daß die Vorräthe an Gefäßen lange nicht hinreichten und bei Zuhilfe—
nahme aller Bchelfe fo teuer wurden, daR das Leere Faß fo viel Fojtete,
wie fein inhalt. Der Wein des Jahres 1536 zeichnete ſich dagegen
nicht fo wol durch die große Menge, als vielmehr durd) die vorzüglidje
Tualität ans und blieb bei der großen Nachfrage — da viele fremde
Vseinhändfleredamal8 wegen der Mipernte in Mähren nah Leitme—
riß kamen — bei ungewöhnlich Hohen Preiſen, jo daß ein Seidel je
nad der Qualität 4 bis 6 Pfennige koſtete, welche Höhe der Preis in
jener ganzen Periode nicht mehr erſtieg; denn jelbit in theuren Zeiten
blieben 4 Pfennige für's Seidel der Preis des Allerbeiten. Im Dahre
1516 war derartig viel und jo „ſüßer“ Wein gepreßt worden, daR die
Yeute in Yeitmeriß die wminderen Gattungen aud um den Preis von
Einem Heller nicht trinken wollten — dagegen gab es allerdings aud)
wieder Jahre, in denen es die Weinbergsbefiger vorzogen, vie nicht reif
gewordenen Zrauben am Stode hängen zu laflen. Kine eben fo große
Rolle, wie im Handel, jpielte der Wein natürlich auch im gejelligen und
Familienleben der Bürger, im Haufe wie bei jedem kirchlichen und bür-
gerlichen Feſte.
Außer Wein bauten die Bürger noch, jedoch in viel geringerem
Maße Getreide, Hopfen, Safran und Senf. As Handelsartifel
nennen die Mauttarife vorzüglid” Bier, Wein, Saß, Metall, Tuch,
Hopfen, Häringe, einheimische Fiſche, Getreide und Vieh. — Im Jahre
1517 machten Bürger auch einen Berjuh im Karhanken am Wege
nah Staliß ein Bergwerk — wir willen nicht welcher Art — zu
eröfjuen, ftanden aber von dem fruchtlofen Unteruchmen, nachdem ſie
60 Schock verbaut, wieder ab. ')
Wenn man num and in «Folge dieſer vielfachen Eriwerbquellen ber
Bürger einen gewillen Wohljtand derjelben nicht vermißt, fo muß man
bob im Auge behalten, daß diefer eben nur durd alle möglichen
i) Gedenlbuch der Stadtſchr.
— 336 —
Mittel künftlich gefchügt auf einem verhältnigmäßig winzig Heinen Fleckchen
ih vorfand, während rings herum in meilenweiter Ausdehnung auch
nicht einmal die Grundlagen zur Entwicklung eines ſolchen geboten
waren, ja diefer Entwicklung ftenmten fich felbft auf dem Heinen Raume
der Städte noch gewaltige Hemmniſſe entgegen, unter denen die Befchrän-
fung des geiftigen Horizontes der Menfchen jener Zeit nicht minder in
die Wagfchale fällt, wie ihre phyſiſche Beſchränkung durch Feinde und
Widerfacher aller Art. Das größte der äußern Uebel war wie immer
fo auch damals für den Bürgerftand der Krieg. Und wenn aud die
Kriege jener Periode mit Ausſchluß jener, die fie einleiteten, nicht in fo
furzer Zeit fo viele taufende von Opfern verfchlangen, wie die unferer
Zeit, fo dauerte dafür die allen Aufichwung niederhaftenbe Kriegsbereit⸗
Ihaft der Städte um fo länger, ja die Städte lebten in jener Zeit über-
haupt faft beftändig auf einer Art Kriegsfuß. Drüdte ſolch ein Zuftand
auch ſchwer auf Handel nnd Gewerbe, fo war doch wenigftens die Sicher:
beit der Perjon und des Eigenthums hinter den Mauern der Stadt einiger:
maßen tröftend, unglücklich aber war in jeder Hinficht die arme Landbe-
völferung, wenn auch die oft getheilte Noth Anftalten zu gegenfeitiger
Linderung derfelben geichaffen Hatte. So war es üblid, daß bei einer
bevorftehenden Fehde die Stadt nicht nur ihre eigenen Untertanen vom
offenen Lande, fondern auc die Bewohner der fremden Herrichaften ge-
hörenden Nachbardörfer in ihre Mauern rief, um fie wenigftens ‚vor Miß⸗
handlung zu fhügen, wenn auch Haus und Hof der Willführ des Feindes
anheimfiel. Bei angefagten und im Sinne der Zeit ehrlich geführten
Fehden Halfen fich die ‘Dorfbewohner felbft gegenjeitig aus, indem die
Untertbanen der in die Fehde nicht verwidelten Herrſchaften das Vieh
des ohne ihren Willen und ihr Verſchulden betheifigten Unterthanen auf
ihrem neutralen Boden aufzunehmen pflegten und fo ihre bedrohten
Standesgenoffen vor Beraubung fchüsten. Daß ſich in folchen Zeiten
der Kaufmann anf der Straße nicht blicken laſſen durfte, ift begreiflich.
--- Bernichtete fo der Krieg allen Handel, jo hemmte ihn im Frieden bie
Schwerfälligfeit und Unzulänglicgfeit der Communication. Alle Briefe
mußten mit eigenen Boten befördert werden, und jelbft die Leute, die aus
folhen Botengängen ein Gefhäft machten, kannten nur eine geringe
Anzahl von Routen, über die hinaus es mahezu unmöglich fchien, eine
Botſchaft zu befördern. So kannten die Leitmeriger Boten mol einer-
feit8 den Weg bie nah Magdeburg und anbererfeit® bi Prag,
Briefe in von diefen Wegen abjeits liegende Drte konnten fie ſchon
— 337 —
nicht direkt beftellen. Wollte jemand von Peitmerig einen Brief in irgend
eıne Stadt aud nur des nädjiten, dee Bunzlauer Kreifes ſchicken, fo
gieng er am ficherfien, wenn cr einen Boten nah) Prag micthete und
durch dieſen wicder einen prager Boten aufnchmen ließ, der den Brief
au den Ort feiner Beitimmung bradite, da jih in Prag allein die
wegetunbdigften Boten befanden.
Das bedeutendfte Gewerbe unter denen, die fait ausschließlich von
Borftäbdtern betrieben wurden, war die Flußfiſcherei. Seit undenf-
lichen Zeiten kam ber Fiſchfang in der Elbe in meilenweiter Erſtreckung
ausichließlih den Bewohnern der „wsilcherei” zu. Doch ſcheint es, daß
Diefe® Recht urfprünglicd mit anderen Rechten der Stadt Yeitnterig vom
Fürften verliehen und erjt von diefer an die genannten Vorftädter gegen
eine Art Erbzins übertragen worden war, da eine Urkunde von 1545
ausdrüdlich jagt, „beiderlei Fiſcher“ Hätten für den Elbefiſchfang den
Leitmerigern von Alters her cine beſtimmte Gebühr entrichtet, gleichviel
ob in Fiſchen oder in Held. Doch waren nicht ſämmtliche Fiſcher Unter-
tbanen der Stadt, da ein Theil derfelben der Probjtei gehörte, in Betreff
jener Gebühr aber ebenfalls an die Stadt gewielen war. Beide bildeten
indeß zujammen nur Eine Gemeinde. Das äftefte gejchrichene Privi-
legium in Betreff der unbeſchränkten Elbefiſcherei erwarben ſich die Fiſcher
im Jahre 1473 von König Wladijlav IL, das Ludwig und Fer—
dinand J. (1522 und 1527) beftätigten. Yegtere beiden Bejtätigungs
urfunden bewahrt nocd eine alte Fiſcherfamilie. Kine Strede der Elbe,
fo wie fonjt noch gewilje Rechte hatten jid) indeß die Bürger ſelbſt vor-
behalten, jo daß auch jie direlt den Fiſchfang betreiben konnten. Tod)
entftanden über die Grenzen jened Gebietes jo wie aus andern Anläßen
seitweilig' Streitigkeiten und Prozeſſe zwilcdhen den Bürgern und deu
Fiſchern. Durch cine Entfcheidung des Unterkämmerers Georg von
Gersdorf vom I. Mai 1545 wurde beſtimmt, daß die Fiſcher ihre
Abgaben an die Stadt wie von Alters her zu entrichten, dafür aber aud)
den Fiſchfang auf der Elbe unumjchränft inne haben follten nit Aus-
nahme einer Strede von der Brüde an bie zu den weiter unten cinge
fegten Grenziteinen, wojelbjt fie nur mit Reuſen und Schnüren fungen
durften. Dieje Strede hieß der Herrenzug. Cbenfo jollte den Yeitmerigern
jahrlich der erſte Fiſchzug oberhalb dem Wehre, weldhe Gegend „v ka-
meni* bieß, zujtehen. Zugleich wurde den Fiſchern eingefchärft, bei ihren
Zügen in der Gegend des Wehres letzteres auf feine Weife zu befcjädigen. ')
9: Orig. in der kit. Fiſcherei.
.))
[7 "]
— 330 —
Kiner der wichtigſten Kriverbszweige der Bürgerſchaft und ;uglah
jener, an dem alle angefellenen Bürger in gleicher Weiſe Theil nahme,
war die Bierbrauerei. Wie lange diefe und der Ausfchent des
Bieres ausſchließliches Privilegium des Dürgerftandes war, ijt im obigen
bereit® dargeihan worden Die Art aber, wie die einzelnen Bürger an
dieſem Rechte Antheit nahmen, war von der fett üblidhen ganz verfchieben.
Jeder Anſäſſige hatte das Necht, jährlich eine geuau beſtimmte, im A:
gemeinen aber für jeden gleiche Menge der verfchiedenen Bierarten jelbh
zu erzeugen und zu verschenken, und uübte dieſes Recht auch wirklich ſelbſt
aus. Die wohlhabenderen Hausbeſitzer hatten ihre eigenen Nebengebäude
zur Malzbereitung und zum Bierſieden eingerichtet, von minder Demit:
telten benügten mehrere gegen Entichädigung dasjelbe Lokal und diejelben
Geräthe. Da ſich aber auf die Rereitung felbjt gründlid) nur wenige
verftanden, und nur wenigen hiezu die nöthige Zeit erübrigte, To fanden
Veute, die ſich ausſchließlich hiemit beichäftigten, bei den Bürgern jeder:
zeit voruberachende Verwendung. Dieſe — Brauermeifter und Geſtllen
— deren ca damald im jeder Stadt mehr gab als heute, bildeten cben-
falls eine eigene Sue Die Meister mußten jelbjtverftändlich ange
ſciſene Rurger ſein, während dieß don den Geſellen nicht verlangt wurde.
Die Brauer wurden entweder ven den Bürgern wie andere Arbeiter für
te Zeit der Arbeit gidurgen und gezahlt. oder fie bedungen ſich Antheile
ar dem Geickaite und ubten durch ihre zunitmäßige Geſchloſſenheit und
Einigkeit baid einen derartigen Druuct aui ihre Arbeitsgeber, daß ſich der
Kar sit erergiicher Segenhitie geuothigt Tab, wozu noch andere und um:
betannte Streitigteitenn mitwirlten. So leite derſelbe im Einvernehmen
sur den Seintindealteiten im Jahre 1511 der Bräuerzunft die Herberge
auf und intererdre:e die eiellen dircet den arbeitgebenden Bürgern
and in gez og drrner Reihe dan Vierte!meiitern und ſich felbit
yo Se Arte Sterut iar Me Bräuerzunft in Yet
merie Es ertdier: fer den genamten Me Beſftimmungen, daß Kin
Geĩtat ii auf den Martt aehen durie um Getreide und Hopfen ji
uf, der arte Ausnabttae. dt Tan Wirth ober dem er ſid
Sinn dind rer Na Baretrinciſter Augereiate Noth verhindern ic,
Klar graukaufe, Zolm amfeler om Bratergeiene anf dem Dorf
..
8
oc von da ass ie din Arreöĩt an öetzen. Streit
arm nme dert lese ent den otsiiiien Taler zunächit den Viertel‘
sm Ä Sie der Auegleich
er Rats Rede irtechen. Dex gedungene @eitlle darf mit
— 339 —
denfelben Gefühlen wie wir fcheiden wird. Das fünfzehnte und der Anfang
des jechzehnten Sahrhundertes, welches Meer von Zrübfal ergoßen fic über
unfer Land! Recht und Ordnung war gebrochen, kaum dem Namen nach mehr
gekannt, Verrath und Gewalt wütheten im Lande, die Gerichte ſchwiegen
oder fie Sprachen um Gunjt und Sold, ihr Spruch fand taube Ohren und
fein Arın rührte fich zu feinem Schuge. Tyrannei und Kniechtichaft theilten
jih in das Voll. Und inmitten ſolchen jozialen Elendes ragt mahrlich faft
wie ein Zraumbild, wie eine Erinnerung an bejjere Zeit oder wie eine
prophetifche Ahnung der fchöneren Zukunft der zinnengefrönte Hügel der Stadt
empor. Es ift wahr, eine eifige Luft weht uns aus den Thoren entgegen,
dumpf und düfter umfängt uns der alte Zwinger: aber da innen hin hat ſich
Recht und Ordnung gefliihtet, hier haben fie ein verborgenes Aſyl gefunden!
Gegenüber jenem ewigen Unfrieden des offenen Landes, dein Ungehorjam
des Adels — welcher Frieden, welche mujterhafte Disciplin herrfcht hier!
Durdfidtig und Har liegt der Stand der Gemeinde vor den Augen des
wachſamen Rathes, ein Wink und vor ihm ftehen die Viertelmeiſter und
Zechmeifter. Ihrer unbeftrittenen Auctorität unterordnet fich jeder Bürger
umd jeder zugerciite Geſelle. Selbſt die Bosheit wagt es nicht, an dem
Rechtsſinne des chrwürdigen Schöppenjtuhles zu mäleln, unübernachtet
wird Recht gefprochen bei handhafter That. Frevel und Verbrechen aller
Art wagen jid) bis an die Mauern und vor die Thore, aber innerhalb
derielben wacht das Auge des Rechtes felbit über Sitte und Anftand. Tas
2eben des Bürgers ijt gejichert durch dic Gemeinſamkeit und fein linter:
halt durch die Fürforge der Gelege. Wol muß er leben von dem Fleiße
feiner Hände, er muß ſich rühren und ſchaffen, aber dann ijt auch geforgt,
daß feine Mühe nicht unbelohnt bleibe — ein Bürger kann nicht Jo
leicht verarınen, und aud der fchuldlos verarmte iſt nicht verlaljen.
Ein faules Glied aber wird unbarınherzig ausgeſchieden. Der Bürger
wußte es aber auch und mußte c8 Fühlen, dar all dieſes Glück nicht
er allein gefchaffen, daß es jteht und fällt mit der Gemeinſamkeit. Alte
Welt ſchien ihm in jenen Zeiten feindlich oder doch verdädtig, nur im
Kreife feiner Mitbürger fühlte er fein Menſchenrecht anerkaunt und gewahrt
— fein Wunder, wenn eine kindliche Anhänglichkeit ihn an die Gemeinde
feffelte und ein muſterhafter Gemeinſinn im ihm groß gezogen wurde.
Das ganze Vermögen der Stadt lag in den Händen einfacher Bürger,
es gab Feine andere Control als die Rüdjidt auf die Gemeinde und
dennoch twaltete im Ganzen Ehrlichkeit in der höchſt einfachen Verwaltungs-
art. Wo es galt die Ehre der Stadt zu wahren oder felbjt nur äußerlich
22*
— 332 —
ift, wollen wir hieher fegen: Anno D. 1511, actum feria III. post Ju-
dica. Item von dem Auspichen einer Bierkufe („kouf‘) 8 Den, vom
Faſſe 4 D., vom Auspichen einer Weinfufe 2 gr. und vom Faſſe 1 gr.
Item Reifen zu Rufen das Schod zu 14 gr., Fahreifen zu 7 gr,
Biertelreifen zu 6 gr. Item vom Neparieren eines Zubers (kadi)
10 gr., mit Ummvenden des alten Bodens für zwei Böden 1 gr. Item
vom MUeberbinden eines alten Reifens bei einem großen Zuber 1 gr.;
It. von eichenen Dauben 5 gr. und vom Herrichten einer Kufe für Wein
4 gr., vom Faſſe 2 gr.; vom Kufen= oder Faßdeckel 5 D. (Meacherlohn);
ein Rufenboden 2 gr.; ein Faßboden 1 gr.; zu einem großen Zuber fir
einen Reifen 8 gr. u.f.w. Zum Scluffe heißt es: „wenn wer immer
von diefen Stüden eines übertritt, fo foll er ohne alle Ausrede 20 gr. m.
als Strafe erlegen.” Die Preife in den uns erhaltenen Tarifen find
aber nicht gleich, Jo daß der Rath auf die wechjelnden Verhältniffe Rüd-
fiht genommen haben muß,
Nichts defto weniger waren die Binder mit den Anjägen niet
immer zufrieden, fondern machten zeitweilig fogar Strife, wie 1513.
Mit einem gejtrengen Rathe ließ fi) jcdoch nicht fcherzen. Der „klein
Binder,” der wahrſcheinlich der Rädelsführer war, wurde mit einer be
ſtimmten Friſt binnen der ihm indeß das Handwerk gelegt war —
ans der Stadt gewieſen und die übrigen Meiſter mußten einen Reveré
umterfertigen, worin fie bei Verluft von 100 Sc. gelobten, jedem ein
zelnen Bürger wie vordem zu arbeiten und wie es die Herren Käthe
befellen wurden, ohne ſich fernerhin je wieder aufzulehnen. Sollte ji
anch nur ein einziger widerfpenftig zeigen, fo fei ſchon der genannte Be⸗
trag verfallen, für den fih auf Befehl des Rathes zwölf der reichten
Binder als Bürgen jtellen mußten. So war wieder Frieden im de
hammernden Gemeinde hergejtellt. 4
Tie Wappenembleme der Zünfte waren im allgemeinen mehr
weniger ahntid denen anderer Städte, beifpielsweife ähnlich denen der
tan Prag, wie fie bei Paproch) abgebildet find, Zumftfiegel
yaben wir aus diefer Periode nur zwei zu Geſicht bekommen, das di
Suter und das der Bräuer, obgleich auch jene, die ji) auf den Urkun:
wen ber mächften Periode befinden, großentheild aus diefer Zeit ſtammen
ziuhten. Die leitmeriger Bäder führten im Schilde einen großen Peugel
ans harııber die halbe Figur des heiligen Veit mit dem Hahne und
LCopialbuch.
— 341 —
Die Probftei auf der Neuftadt Reitmerig verlor verhäftnig-
mäßig wenig, was fie jedenfalls der Stellung zu verdanken hatte, die der
Probſt Zdislav ſelbſt unter den Hufiten einnahm. Erjt 1437 verpfän-
dete Kaijer Siegmund, wie bereits erwähnt, Ktefhig und Trebau—
tig um 100 Ed. nı. der Stadt Teitmerig, die fi) überdieß noch ziveier
Weinberge bei Pokratitz bemädtigte. "; Das Dorf Duvig hatte der:
ſelbe König ein Jahr früher dem Sohann Kapler von Sulo witz ver-
Ichrieben. ?) Andy Viebeſchitz, Saubernigund Yefchtine wurden auf
gleihe Weile entfremdet. Um die Einlöfnng diefer Güter machte ſich be»
fonder8 der Probſt Johann von Wartenberg (um 1497 u. ff.) ver-
dient, der fein eigenes Geld hiefür opferte. ?) Auch die ebenfalls verpfän-
deten Güter der Domdechantei wurden unter jeiner Mitwirkung (1508)
wieder eingelöft. — Die Schenkungen waren zwar in diefem Zeitraum
überhaupt feltener geworden, nichts dejto weniger aber erwarb der Dom⸗
dechant 1459 auf dieſe Weile einen Theil dee Dorfes Wedlig (am
Heberbadje), das fein bisheriger Beſitzer, Johaun von C eceliß und Tet—
fhendorf auf Yitaifch ihm vermact hatte. *) Ein anderer Theil des
Dorfes gehörte feit je zur Dechantei. Nach Angabe der Serien folgten
ouf Zdislap auf dem Sige der Probftei fein Verwandter Siegmund
von Mihelsberg und Jaſchko, der 1444 geftorben fei. Ihm fei fodann
der in der böhmischen vVandesgeſchichte bekannte Johann Bapanjcdhek ge-
folgt, was jeboch nicht richtig zu fein Icheint. Bapanfchek hatte einen
Gegenprobft an Pluch von Rabjtein, dem Bruder Prokops. Diefer
Ichreibt aber erft im Jahre 1447 an einen feiner Freunde, die Probjtei
gehöre zwar unter das königliche Patronat, ſei aber durch die Mikver-
hältniffe dem Papite anheimgefallen und es jei ihm jomit gelungen, fie
für feinen Bruder zu erbitten. >) Doch nennt fich auch gleichzeitig der ge-
nannte Bapaufchet von Sobeſlhav Probjt und führt diefen Titel bie
zu feinem am 2. scher 1455 erfolgten Tode. Bis 1448 war dieſer utra-
auiftiicher Pfarrer am Tein zu Prag, trat aber wie der Yeitimeriger
Hilarius fpäter zum Katholicismus über. 9 Von den folgenden drei
Bröbften (Benedict von Waldftein, Johann von Wartenberg und
Johann Bafı jind die beiden legteren bereits erwähnt worden, jener, der
fi erft 1502 nad) langjährigem Beſitze der Probftei zum Priejter weihen
') Archiv &erky I, 601: *) Ebenda I. 502. °) Paprocky o stavu pansk. 277.
) Archiv @esky III., 568. °) Archiv cesk. II, 436. *) Näheres über ihn
stari letop. 15%, Balbin Bohem. dovta. Epitome 581, Miscell. IV., 86,
Palacky Geld). IV. 1. 442 und a. a. O.
— 342 —
fieß, al8 Vermehrer ihrer Güter, diefer, feit 1508 fungierend, als Kind
und Feind der Stadt. Er ftarb 1532, die Familie aber erhielt ſich noch
lange in Yeitmerig. Auf Johann Fabri folgte 1542 der gelehrte
Erzieher der Kinder Kerdinandsl, Johann Hafenberger oder Ho-
räk, der fih wie Zäk aus niederem Stande einporgefchwungen hatte. ')
Minder glücklich war die wyſchehrader Probſtei davongekommen.
Die Beſitzungen derſelben in unſerer Gegend waren, wie erwähnt, ſchon
vor dem Huſitenkriege verpfändet worden und kamen nachmals an die
Familie von Ruppau, in deren Befitze wir das Gut Schüttenitz
ſammt einem Theile des benachbarten Trnowan noch im nächſten Zeit-
raume treffen werden.
Nicht beſſer gieng es den Rittern von Malta und vom deutſchen
Orden, deren Güter in hieſiger Gegend den beiden Orden für immer
entfremdet wurden. Ploſchkowitz, das dem erſteren gehört hatte, ver-
ſchrieb Kaiſe Siegmund 1437 dem öfter genannten Jakob von Wre-
ſo witz, der aud) gleichzeitig auf diefelbe Weife in den Befit der Herr-
(haft Liebeſchitz kam.) Am Ende des 15. Iahrhundertes aber finden
wir erfteres im Befige des Wenzel Adam von Drahenik, der ung
nod) in Urkunden aus dem Anfange des 15. Jahrhundertes als Herr auf
Ploſchkowitz und eines Theiles von Zahokan entgegentritt. Er fcheint
entweder ein Bafall oder ein Verwandter der Familie Wiejfomwit geweſen
zu fein, die wir nachmals wieder im Beſitze von Ploſchkowitz finden
werden. Ihm galt der Bauernaufftand von 1497, an dem fich der durch
die Sage befannte Dalibor zu feinem Unglüde betheiligte.
Die feften Sige des deutfchen Ordens, der Kelch“ und bie
„Jungfrau“, fammt den Einkünften des Gutes Pitſchkowitz Hatte
Kaifer Siegmund bereits 1422 dem Herrn Siegmund von Warten-
berg verfchrieben. ?) Am wirklichen Beſitze diefer Güter aber war ihm,
wie wir bereits berichteten, Jizka zuvorgefommen. Es gab noh man-
hen Kampf um diefelben ; doch blieben die Hufiten ohne Verfchreibung
im Beſitze bis zur Rückkehr friedlicherer Verhäftniffe. Zizka hielt ſich
dafelbft noch nicht lange vor feinem Tode auf. *) Später finden wir bie
Burg Kelch im Beige dee Wilhelm Iburg aus ber Familie Wire:
fomig, der von da aus die Gegend weithin unſicher machte. Die übri-
gen Befigungen des deutſchen Ordens aber, als Pitſchkowitz fammt
dem Schloße, Nefel, Lenzel, Triebfh, Tauberwitz, Tinſcht,
1) Weber feine fchriftfiellerifche Thätigkeitt ſiehe Balbin Bohem. dosta J., 86. ) Archiv
cesky II, 453. 2) Archiv tesk. I., 545. 9) StaH letop. ©. 66.
— 33) —
Bürgern aus fpäterer Zeit, denn auch noch im 16. Jahrhunderte ſank
der Preis des Weines zu jenem Minimum herab, wenn man auch tm
Ganzen den von 2 Pfennigen für ein Seidel al8 den mittleren Preis
des weißen Weines anjchen muß. Der rothe war zu jener Zeit als der
jeltenere im Berhältniffe von 2 zu 5 theurer. — Die beften Weinjahre
des 16. Sahrhunderte® waren die Vahre 1516, 1531, 1536, 1539 und
1551. Die Jahre 1531 und 1551 erzeuzten eine folche Menge Meines,
daß die VBorräthe an Gefäßen lange nicht Hinreichten und bei Zuhilfe-
nahme aller Bchelfe To theuer wurden, daß das leere Faß To viel Fojtete,
wie fein Inhalt. Der Wein des Jahres 1536 zeichnete fid) dagegen
nicht fo wol durd) die große Menge, als vielmehr durd) die vorzügliche
Qualität aus und blieb bei der großen Nachfrage — da vicle fremde
Weinhändler damals wegen der Mißernte in Mähren nad Yeitme-
ritz kamen — bei ungewöhnlich hohen Breifen, fo daß cin Seidel je
nah der Qualität 4 bis 6 Pfennige koſtete, welche Höhe der Preis in
jmer ganzen Periode nicht mehr erfticg; denn ſelbſt in theuren Zeiten
blieben 4 Pfennige für's Seidel der Preis des Allerbeften. Im Jahre
1516 war derartig viel und fo „Süßer“ Wein gepreßt worden, daß die
Leute in Yeitmeriß die minderen Gattungen auch um den Preis von
Einem Heller nicht trinfen wollten — dagegen gab es allerdings and
wieder Jahre, in denen es die MWeinbergsbefiter vorzogen, die nicht reif
gewordenen Zrauben am Stode hängen zu laſſen. Kine eben fo große
Rolle, wie im Handel, ſpielte der Wein natürlidy and) im geſelligen und
Familienleben der Bürger, im Haufe wie bei jedem kirchlichen und bür
gerlichen Feſte.
Anger Wein bauten die Bürger noch, jedoch in viel geringerem
Maße Setreide, Hopfen, Safran und Senf. As Dandelsartifel
nennen die Mauttarife vorzüglid” Bier, Wein, Salz, Metall, Tud),
Hopien, Häringe, einheimifche Fische, Getreide und Vich. — Im Jahre
1517 machten Bürger aud) einen Berfud im Karhanken am Wege
nach Stalig ein Bergwerk — wir wilfen nicht welcher Art — zu
eröffnen, ftanden aber von dem fruchtlofen Unternehmen, nachdem fie
W Schod verbaut, wieder ab. ')
Wenn man num and im Folge diefer vielfachen Erwerbquellen der
Vürger einen gewiſſen Wohljtand derfelben nicht vermißt, fo muß man
doch im Auge behalten , daß diefer eben mur durch alle möglichen
) Gedenlbuch der Stadiſchr.
— 3356 —
Meittel künftlich gefhügt auf einem verhältnigmäßig winzig Eleinen Fledchen
fich vorfand, während rings herum in meilenweiter Ausdehnung au
nicht einmal die Grundlagen zur Entwicklung eines folchen geboten
waren, ja diefer Entwicklung ftemmten fich felbft auf dem Kleinen Raume
der Städte noch gewaltige Hemmniſſe entgegen, unter denen die Beldhrän-
fung des geiftigen Horizontes der Menfchen jener Zeit nicht minder in
die Magfchale fällt, wie ihre phyſiſche Beſchränkung dur Feinde und
Widerfacher aller Art. Das größte der äußern Uebel war wie immer
fo auch damals für den YBürgerftand der Krieg. Und wenn aud bie
Kriege jener Periode mit Ausfchluß jener, die fie einfeiteten, nicht in Jo
kurzer Zeit fo viele taufende von Opfern verfchlangen, wie die unlerer
Zeit, fo dauerte dafür die allen Aufſchwung niederhaftende Kriegsbereit-
Schaft der Städte um fo länger, ja die Städte lebten in jener Zeit über-
haupt faft beftändig auf einer Art Kriegefuß. Drückte fold ein Zuſtan d
auch ſchwer auf Handel nnd Gewerbe, fo war doch wenigftens die Sicher
heit der Berfon und des Eigenthums Hinter den Mauern der Stadt einiger -
maßen tröftend, unglücklich aber war in jeder Hinficht die arme Lande -
völferung, wenn auch die oft getheilte Noth Anftalten zu gegenfeitiget
Yinderung derfelben gefchaffen hatte. So war es üblich, daß bei net
bevorjtehenden Fehde die Stadt nicht nur ihre eigenen Unterthanen vortt
offenen Yande, fondern auch die Bewohner der fremden Herrichaften ge*
hörenden Nuchbardörfer in ihre Mauern rief, um fie wenigftens ‚vor Miß⸗
handlung zu ſchützen, wenn auch Haus und Hof der Willtühr "des Feinde
anbeimfiel. Bei angefagten und im Sinne der Zeit ehrlich geführtert
Fehden halſen jich die Dorfbewohner felbft gegenfeitig aus, indem die
Umtertbanen der in die Fehde nicht verwidelten Herrfchaften das Vieh
des ohne ihren Willen und ihr Verfchufden betheifigten Unterthanen auf
ihrem mentralen Boden aufzunehmen pflegten und fo ihre bedrohten
»ntandesgenoſſen vor Beraubung ſchützten. Daß ſich in folchen Zeiten
der Kaufmann anf der Straße nicht blicken laffen durfte, ift begreiflich
Nernichtete fo der Krieg alfen Handel, fo Hemmte ihn im Frieden Die
»»cwerſalligkeit und Unzufängfichfeit der Communication. Alle Briefe
mut mit einenen Woten befördert werden, und felbft die Leute, die aus
ſolchen Wotennännen ein Gefchäft machten, fannten nur eine geringe
Auſahl von Monten, über die hinaus es nahezu unmöglich ſchien, eirre
Mhbalt in befördern. So fannten die Leitmeritzer Boten wol einer*
Wie den Wen bis nach Magdeburg und andererfeits bis Prag:
vis In von dieſen Wegen abſeits liegende Orte konnten fie [do #!
. — — — — — — —
— 337 —
nit direkt beftellen. Wollte jemand von Leitmerig einen Bricf in irgend
eine Stadt auch nur des nächſten, des Bunzlauer Kreifes fchiden, fo
sing er am ficherften, wenn er einen Boten nah Prag miethete und
durch dieſen wieder einen prager Boten aufnchmen ließ, der den Brief
an Den Ort feiner Beitimmung bradte, da ſich in Prag allein die
wege kundigſten Boten befanden.
Das bedeutendfte Gewerbe unter denen, die faft ausschließlich von
Vor ſtädtern betrieben wurden, war die Flußfiſcherei. Seit undenf-
ligesr Zeiten kam der Fiſchfang in der Elbe in meilenweiter Erjtredung
aueh chhlieklich den Bewohnern der „Fiſcherei“ zu. Doch ſcheint es, daR
dieſe s Recht urfprünglich mit anderen Rechten der Stadt Yeitmerig vom
dürften verliehen und erjt von diejer an die genannten Vorjtädter gegen
eine Art Erbzins übertragen worden war, da eine Urkunde von 1545
ansdrücklich jagt, „beiderlei Fiſcher“ hätten für den Elbefiſchfang den
Leitanerigern von Alters her eine beftimmte Gebühr entrichtet, gleichviel
ob in Fiſchen oder in Geld. Doch waren nicht ſämuiliche Fiſcher Unter-
thanen der Stadt, da cin Theil derjelben der PBrobftei gehörte, in Betreff
jmer Gebühr aber ebenfalls an die Stadt gewiejen war. Beide bildeten
indeB zuſammen nur Eine Gemeinde. Das ältejte geichrichene Privi-
legium in Betreff der unbeſchränkten Elbefiſcherei erwarben ſich die Fiſcher
im Jahre 1473 von König Wladiflav IL, das Yudwig und Fer.
binand I. (1522 und 1527) bejtätigten. YVeßtere beiden Beſtätigungs
urtunden bewahrt noch eine alte Filcherfamilie. Kine Strede der Elbe,
fo wie font noch gewiſſe Rechte hatten ſich indeß die Bürger ſelbſt vor-
behalten, fo daß auch jie direkt den Fiſchfang betreiben konnten. Tod
eatltanden über die Grenzen jenes Gebietes jo wie aus andern Anläken
zeitweilig Streitigkeiten und Prozeſſe zwifchen den Bürgern und den
Fiſchern. Durch cine GEntjcheidung des Unterkämmerers Georg von
Gersdorf vom 1. Mai 1545 wurde beſtimmt, daß die Fiſcher ihre
Abgaben an die Stadt wic von Alters her zu entrichten, dafür aber aud)
den Fiſchfang auf der Elbe unumſchränkt inne haben follten mit Aus
nahme einer Strede von der Brüde an bie zu den weiter unten cinge
| Iehten Grenziteinen, wojelbft jie nur mit Reuſen und Schnüren fangen
durften. Diefe Strede hieß der Herrenzug. Ebenſo jollte den Yeitmerigern
jahrlich der erſte Fiſchzug oberhalb dem Wehre, welche Gegend „v ka-
Meni“ hieß, zuſtehen. Zugleid, wurde den Fiſchern cingefchärft, bei ihren
digen in der Gegend des Wehres letzteres auf keine Weiſe zu befchädigen. ')
') Orig. in der fit. Fiſcherei.
3)
[U 2]
— 346 —
Wopparn, ber aud um 1454 erwähnt wird.) Ein anderer hieß
PBrotimwa,?) beffen Better war Dobrid von Wchynitz auffremu;,
welches Gut er feinem jüngern Bruder Johann vermadte.?) ‘Das
Gut Rafit hatte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhundertes Johann
Dias! von Wchynitz inne?) Am Anfange des 16. Jahrhundertes
finden wir in verfchiedenen Urkunden einen Johann von Wichynitz er-
wähnt, um bie Mitte desfelben beſaßen die Brüder Jaroſſlav, Adam,
Siegmund und Wilhelm Dias! das Su Wchynitz gemein-
Ihaftlid. Die Burg Wopparn war bereits verlaffen und in Verfall
gerathen. Im Jahre 1541 beſaß Wolf Botita von Martinig bie
Hälfte der öden waldverftedten Burg, fo wie Antheile an der Stamm
vefte Wchynitz und dem übrigen Dörfern des Gutes, die er durch Kauf
an fich gebradht hatte.?) Die andere Hälfte der Ruine Wopparn und
der Veſte Wchynitz fammt ihren Antheilen an den Dörfern Rabofig,
Wopparn, Watislaw, Bilinka, Kotomiri, Kletfhen und
Fencig verfauften die genannten Brüder Jaroſlav, Adam, Sieg-
mund und Wilhelm an Albrecht Geiersberger (KySpersky) von
Wreſowitz, fo daß fi die Familie WehynstH (Kinsty) von nun
an aus unferer nächſten Nachbarfchaft zurüdzog und ihr vormaliger Be⸗
fig nunmehr zwilhen den Yamilien Martinig und Wtefowig ge-
theilt war.
Das alte Geflecht der Kapler behielt dagegen feine Hauptfige
in unferer Gegend, wenn es fi auch bei feiner großen Verbreitung
immer wieder neue Site und dieß mitunter in fehr entfernten Gegenden
erwarb. Außer dem bereits oben oft genannten Kunat (feit 1437 nicht
mehr erwähnt) lebten am Anfange unferes Zeitraumes als die vorzüg-
lichften Repräfentanten nach deſſen Bruder Caslav mit dem Sige auf
Winterberg®) (erwähnt 1434), Johann auf Snlowig (1416 bie
1452) 7), Gerung auf Milefhau (1428—1436) °), Wandt auf ber
Burg Oftrei (1436—1460)), ein anderer Wanct auf Merunig
(1436— 1468) !%); Bufchel auf ber Burg Kodtial (1452 — 1475) '),
war der Sohn des genannten Johann. Später (1468) ſchrieb ſich ein
Niklas auf Winterberg '?) nad ihm ein Peter (1469—1477) 12);
!) Ibid. II., 514 u. 557. 9 Ibid. III, 568. ®) Ibid, III. 552. 9 Ibid,, IIL
562. *) Landtafel, Kaufq. I. B. 12. *) Archiv desky III., 510. °) Ibid. L,
502, II. 310. ®) Ib. III., 498, 514. *) Ib. III., 544. °°) Ib. III. 514, 576.
1) Ib. III, 356, II., 810, IV., 77. ) Ib. II, 676. I. IIL, 877,
IV., 79, 87.
— 339 —
benfelben Gefühlen wie wir fcheiden wird. “Das fünfzehnte und der Anfang
des fechzehnten Jahrhundertes, welches Meer von Trübfal ergoßen fic über
unfer Land! Recht und Ordnung war gebrochen, kaum dein Namen nad) mehr
gekannt, Verrath und Gewalt wütheten im Lande, die Gerichte ſchwiegen
oder fie fprachen um Gunſt und Sold, ihr Spruch fand taube Ohren und
fin Arm rührte fich zu feinem Schuge. Tyrannei und Knechtſchaft theilten
ſich in das Volt. Und inmitten foldyen fozialen Elendes ragt wahrlich faft
wie ein Traumbild, wie eine Erinnerung an beffere Zeit oder wie eine
pro xp hetifche Ahnung der Ichöneren Zukunft der zinnengekrönte Hügel der Stadt
em Por. Es ift wahr, eine eifige Yuft weht uns aus den Thoren entgegen,
dbuazapf und düfter umfängt uns der alte Zwinger: aber da innen hin hat fich
Recht und Orduung geflüchtet, hier haben fie ein verborgenes Aſyl gefunden!
Gegenüber jenem ewigen Unfrieden des offenen Landes, dem Ungehorjan
des Adels — welcher Frieden, welche mufterhafte Disciplin herrfcht hier!
Durdfihtig und Mar liegt der Stand der Gemeinde vor den Augen dee
vachhiamen Rathes, ein Wink und vor ihm ftehen die VBiertelmeijter und
Zech meiſter. Ihrer unbeftrittenen Auctorität unterordnet fich jeder Bürger
und jeder zugereifte Geſelle. Selbſt die Bosheit wagt e8 nicht, an dem
Rechtoſinne des chrwürdigen Schöppenſtuhles zu mäfeln, unübernadhtet
wir d Recht gefprochen bei handhafter That. Frevel und Verbrechen aller
Art wagen ſich bis an die Manern und vor die Thore, aber innerhalb
der ſelben wacht das Auge des Rechtes felbit über Sitte und Anftand. Tas
Leb en des Bürgers iſt gejichert durch die Gemeinſamkeit und fein Unter:
halt durch die Fürſorge der Geſetze. Wol muß er leben von dem Fleiße
inter Hände, er muß ji) rühren und jchaffen, aber dann iſt auch gejorgt,
daß feine Mühe nicht unbelohnt bfeibe — ein Bürger kann nicht fo
liche verarınen, und auch der ſchuldlos verarınte ijt nicht verlajjen.
Eim faules Glied aber wird unbarınherzig ausgejchieden. Der Bürger
Mate es aber aud und mußte c8 fühlen, daß all diefeg Glück nicht
er allein geſchaffen, daß es jteht und fällt mit der Gemeinſamkeit. Alte
Bett fhien ihm in jenen Zeiten feindlich oder doc verdächtig, nur im
ereiſe feiner Mitbürger fühlte er fein Menſchenrecht anerkannt und gewahrt
— Fein Wunder, wenn eine Tindliche Anhänglichkeit ihn an dic Gemeinde
ſefſelte und ein mufterhafter Gemeinſinn im ihm grok gezogen Wurde.
Tas ganze Vermögen der Stadt lag in den Händen einfacher Bürger,
es gab Feine andere Control als die Rückſicht auf die Gemeinde und
dennoch waltete im Ganzen Ehrlichkeit in der hochſt einfachen Verwaltungs
art. Wo es galt die Ehre der Stadt zu wahren oder ſelbſt nur äußerlich
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mi 2 mm vr mm re mie an Opferwilligfeit der Bürger _
— _ zo 20m ec ernr mem Jeutigen Standpunlte aus wo I
2 mern I Sem ram dem Pirgerthume jener Zeiten zurück -
* zz uredauern,. wenn fi jenes Bürgerthu wrı
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2 zr mem 2 cm onmerte Miſſion vollbracht hatte, Die
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en Tr ma Denker die Vorzüge der Bürgergemeirn De
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sr. nm em: eme ro marr über das Vebensglüd und Die
nie ne Nmezer Se peace wurden des glüdlicheren Bürger:
- mess Brom nm lu der Veibeigenfchaft mit zur
. oe we nz Tue and Streben cmpor, feit der böhmifche
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> Ns nm onrermaen ame aulınfden Freiheit konnte den Bürger
Tie itrenge Dieciplin, die allerdings
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Se miNtir NT Zuren porzubanen, mußte mitunter
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Fe er Mr Ssezgended Formelweſen mitunter allen
4, Die Nachbarſchafi.
3. 0". wineege erichöpfende Gefchichte der nachbarlichen
2.200000. genen Saifte können wir uns im geringften wich!
a. zer zer anierem Ztoffe liegt: wir lönnen vielmehr natr
va om Bersitande der Nachbarſchaft andeute st:
Daß diefe im Allgeıne #
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— 349 —
Zu Ende desjelben Yahrhundertes lebte Jakob und Ulrich, ’) zu An—
fang bes 16. aber Karl und fein Sohn Ulrich. Bis dahin war das
fene Duban der Sig der Familie geblieben, durch Ferdinand J.
aber erwarb Ulrih Dubansfy die große Herrſchaft Yiebefchig und
trat von nun an in vielfache Bezichungen zu unferer Stadt, durch deren
Befitz der feinige bald noch mehr vergrößert werden follte.
Aus der Familie von Wrihomig betheiligte jih ein Hans von
Bolenst auf Scite der Katholiſchen an den Hufitenkriegen. ?) Gegen
Cnde des 15. Jahrhundertes wird ein Nikolaus von PBolensf und
Rridhomwig genannt, der den oben genannten Brüdern von Hafen:
burg 1468 die Burg Oltatilabtrat. ?) Zein Nachkomme, wahricheinlich
fein Sohn ift jener Hans von Polenst, den wir bereite kennen zu
lernen Gelegenheit hatten. Die Burg Oltarik hatte Nikolaus jelbft
erft von Jakob und jeinem Sohne Johann von Wrejowig erworben.
Im Jahre 1531 iſt Oltarik im Beige des Wilhelm Ilberg von
Ilburg, der zugleid auch Ronow, Helfenburg (Hradek bei Au:
ha) Yemberg und Drum bejad. *) Helfenburg, wie Raudnitz
chedem cerzbifhöflih, hatte am Ende des 15. Jahrhündertes dem Herrn
Zdenek von Sternberg gehört. °) Lleberhaupt gewann die erjt durd)
die Hufitenfriege nad) Böhmen verichlagene Familie von Wreſo witz
durch diefelben und ihre Folgen unter allen Familien in unjerer Gegend
am meiiten. Auf Auſcha, das jeiner Yage nad als ein dharakterijtifches
Modell eines mittelafterlihen Städtchens gelten kanu, ſaß um 1467 cin
Herr Wenzel Carda von Petrowigß‘), am Anfange des 16. Jahrhun-
dertes aber gehörte es bereits der Familie Zezyma von Aujti, die dad
durch die legten Kriege arg bergenommene Städtchen aufs neue ummauern
unb befeftigen ließ. °)
Zu den nächſten Nachbarn der Stadt gehörten auch noch von Mi—
helsberg und Malitſchen aus die Herren von Wartenberg auf
Tetichen. Bon Johann (7 1464) wurde bereits erwähnt, dak cr auf
den genannten Gütern ein Weinbergſchöffenamt nad Art des Königlichen
Arch. ©. III., 378, 559, °) Siche PBalady Seh. III. 2. 462, 470, 543.
Y% Arch. ©. III... 576. ) Landtafel III. D. 15. *) PBalady Geſch. IV.. 2.
438 fl. °) PBalady Geſch. IV.. 2. 473. °) An der Stelle des chemalıgen öfl-
lichen Thorthurmes lieſt man noch in Stein gekauen die Worte: L. P. 1526,
3. Maje zase zaloziti dal tito wezi urozeny pan pau Jan Zrzema z Austi
ana Austi dedieni krajee kralowstwi deskcho. Daneben befinde fih das
Wappeun der Berka, als chemaliger Herren der Stadt. Au der Mauer des
entgegengefchten Thores flieht die gleichinhaliliche Injchrift vom Jahre 1525.
— 342 —
ließ, als Vermehrer ihrer Güter, diefer, feit 1508 fumgierend, als Kind
und Feind der Stadt. Er ftarb 1532, die Familie aber erhielt ſich noch
lange in Yeitmeriß. Auf Johann Fabri folgte 1542 der gelehrte
Erzieher der Stinder Kerdinandsl., Johann Hafenberger oder Ho⸗
raf, der ſich wie Zäk aus niederem Stande emporgeichwungen hatte. ”)
Minder glücklich war die wyſchehrader Probftei davongelommert.
Die Befigungen derſelben im unjerer Gegend waren, wie erwähnt, [do =
vor dem Hujitenfriege verpfändet worden und famen nachmals an DE!
Familie von Ruppau, in deren Befige wir das Gut Schütteni *
fammt einem Theile des benachbarten Trnoman noch im nächſten Zei
raume treffen werden.
Nicht beffer gieng e8 den Rittern von Malt a und vom deutfhe —"
Orden, deren Güter in hiefiger Gegend den beiden Orden für imme⸗
entfremdet wurden. Ploſchkowitz, das dem erſteren gehört hatte, ver —
fchrieb Kaifer Siegmund 1437 dem öfter genannten Jakob von Wie- J
ſowitz, der auch gleichzeitig anf dieſelbe Weiſe in den Beſitz der Herr
ſchaft Liebeſchitz kam.“) Am Ende des 15. Jahrhundertes aber fin
wir erſteres im Beſitze des Wenzel Adam von Drahenitz, der un
noch in Urkunden aus dem Anfange des 15. Jahrhundertes als Herr uff -
Ploſchkowitz und eines Theiles von Zahokan entgegentritt. Er fcheint FE
entweder ein Bafall oder cin Verwandter der Familie Wrefomig gewefen E
zu fein, die wir nachmals wieder im Befige von Ploſchkowitz finden E
werden. Ihm galt der Bauernaufftand von 1497, an dem fi) der durch &
die Sage befannte Dalibor zu feinem Unglüde betheiligte.
Die feften ige des deutſchen Ordens, der „Kelch“ und bie
„Jungfrau“, ſammt den Einfünften des Gutes Pitſchkowitz Hatte
Kaifer Siegmund bereits 1422 dem Herrn Siegmund von Warten:
berg verfchrieben. ?) Im wirklichen Beſitze diefer Güter aber war ihm,
wie wir bereit® berichteten, Zizka zuvorgekommen. Es gab noch man-
hen Kampf um diefelben ; doch blieben die Hufiten ohne Verſchreibung
im Beſitze bis zur Rückkehr friedlicherer Verhältniſſe. Zizka hielt fich
daſelbſt noch nicht lange vor ſeinem Tode auf. *) Später finden wir bie
Burg Kelch im Beſitze des Wilhelm Ilburg aus der Familie Wie:
fowik, der von da aus die Gegend weithin unfidher machte. ‘Die übri-
gen Befißungen des deutſchen Ordens aber, als Pitſchkowitz fammt
dem Scloße, Nefel, Lenzel, Triebſch, Tanberwitz, Tinſcht,
16406
ı) Ueber feine ſchriſtſtelleriſche Thätigkeitt ſiehe Balbin Bohem. doota I. 86. ) Archiv
cesky II., 452. °) Archiv tesk. I., 545. 9 Star letop. ©. 66.
das nörblihe Babina, einen Theil von Blahow, fo mie zugleich
Saubernig, Leſchtina und den Theil von Zahokan, der wie die
letztgenannten zur leitmeritzer Probjtei gehörte, verjchrieb König Sieg-
mund 1437 dem Jenik von Waldſtein, nah deſſen Tode dieß alles
an Johann von Wartenberg übergieng.“) Gleichzeitig wurden an
denſelben auch einige Güter des Prämoſtratenſerſtiftes von Choteſchau
verpfänbet.
Das Nonnenklofter zu Doran war im Jahre 1421 vollitändig
zerſtört worden. ?) Nach Probſt Mika's Berichten ?) fanden die geflüdy:
teten Nonnen erſt in Raudnig, daun in Leitmeritz eine Zufludt-
ftätte und lebten dafelbft eine Zeit lang von Handarbeit und Almofen.
Bon all den reihen Gütern rettete der jedenfalls energifche Probft Die-
pold von Riefenberg nichts als die nächſte Umgebung der Klofter-
ruinen von Dolanek bis Neuhof. Den größten Theil der übrigen
Süter, Brnian, Bauſchowitz, Deutfchlopift, Duſchnik, Ro:
bateg, Chwalin, Nutfch nik, Liboteinitz und den Antheil von
Dolanektieh fi Keitmerig um 600 Schod von König Siegmund
verschreiben ; doch gehörten auch andere nicht genannte Ortfchaften, wie
WB olefhau und Ehodom noch hinzu. %) Einzelne Theile kamen von
da aus wieder in andere Hände, und die Pröbfte waren unaufhörfich be:
müht, dad Verlorene wieder zu fammeln, wozu fie fi von den Königen
eigene Ermäcdhtigungen zu erwerben pflegten. 1457 trat Leitmeritz,
wie ſchon erwähnt, mit Vorwiſſen des Brobftes die Dörfer Wolefhau,
Nutſchnitz, Liboteinig, Cho dom und einzelne Zinfen an die Herren
Zbinek Haſe von Hafenburg und Wilhelm von Ilhbburg ab. Von
Sohann von Hafenburg erlangte das Kloſter 1474 alle jene Güter
wieder zurüd, die fih in feinem Beſitze befanden. Auch Leitmeritz
mag feine Pfandgüter jchon in diejer Zeit wieder ausgeliefert haben, denn
wir finden nachmals keine Spur ihree Beſitzes mehr. Wol aber dauer-
ten Streitigkeiten und Prozeffe zwifchen der Stadt und dem Kloſter um
bie Gränzen der zurüdgeftellten Güter und Aehnliches noch bis zum
Sqhluſſe dieſes Zeitraumes fort. Deutſchkopiſt, das in den Beſitz
Karl von Duban gelangt war, erwarb das Stift erſt im Jahre
1547 wieder zurüd. 5)
Der Dörfer des Klofters St. Margareth in Brewnov haben
— —
*) Archiv deaxk. 1., 805. ) Brezowa 49. °) Nubmmärbdiges Doran. *%) Archiv
tesky L, 511. *) Gopialb. im I. St. U.
lieh, al8 Vermehrer ihrer Güter, diefer, feit 1508 fungierend, als Kind
und Feind der Stadt. Er ftarb 1532, die Familie aber erhielt fi noch
lange in Yeitmeriß. Auf Iohann Fabri folgte 1542 der gelehrte
Erzieher der Kinder Ferdinauds J. Iohann Hafenberger oderdo=
räk, der fi wie Jäk aus niederem Stande emporgeſchwungen hatte. ">
Minder glücklich) war die wyſchehrader Probftei Danongelommes -
Die Bejigungen derfelben in unferer Gegend waren, wie erwähnt, jhes®
vor dem Hujitenkriege verpfändet worden und kamen nachmals an di —
Familie von Ruppau, in deren Befite wir das Gut Schütteni
jammt einem Theile des benachbarten Trnowan nod im nächften Zeit —
raume treffen werden.
Nicht beſſer gieng es den Rittern von Malta und vom deutſcher—
Orden, deren Güter in hieſiger Gegend den beiden Orden für immo
entfreindet wurben. Ploſchkowitz, das dem erjteren gehört hatte, ve
fchrieb Kaifer Siegmund 1437 dem öfter genannten Salob von Wie —
ſowitz, ber aud) gleichzeitig auf diefelbe Weife in den Befig der Hart
Ihaft Liebeſchitz kam.“) Am Ende des 15. Iahrhundertes aber finberummm
wir erfteres im Befite des Wenzel Adam von Drahenig, der ne
noch in Urkunden aus dem Anfange des 15. Iahrhundertes als Hera F
Ploſchkowitz und eines Theiles von Zahokan entgegentritt. Er ſchein A
entweder ein Bafall oder ein Berwandter der Familie Wrefomig gemefne
zu fein, die wir nachmals wieder im Befige von Ploſchkowitz findent
werden. Ihm galt der Bauernaufftand von 1497, an bem ſich der durdk>
die Sage befannte Dalibor zu feinem Unglüde betheiligte.
Die feften Sige des deutfchen Ordens, der „Kelch“ und bie
„Jungfrau“, fammt den Einkünften des Gutes Pitſchkowitz hatt®
Kaifer Siegmund bereit8 1422 dein Herrn Siegmund von Warte 7°
berg verfchrieben. *) Im wirklichen Befige diefer Güter aber war iger
wie wir bereits berichteten, Zizka zunorgefommen. Es gab noch most‘
chen Kampf um diefelben ; doc blieben die Hufiten ohne Verfchreibus 319
im Beſitze bis zur Rückkehr friedficherer Verhältniſſe. Zizka hielt =
dafelbft noch nicht lange vor feinem Tode auf. ?) Später finden wir >
Burg Kelch im Belize des Wilhelm Iburg aus der Familie Wr *
ſowitz, der von da aus die Gegend weithin unſicher machte. Die Ub
nen Befitungen des deutfchen Ordens aber, als Pitſchkowitz ſam ——
dem Schloße, Nefel, Lenzel, Triebfh, Tauberwig, Tinfie®
1) Weber feine ſchriſtſtelleriſche Thätigleitt fiehe Balbin Bohem. docta I., 86. 2) A
cesky II., 452. °) Archiv Zesk. I., 545. °) Star letop. &. 66,
III. Zeitraum.
Dir Zeit der beschränkten Gemeindeautouomie
bis zum Ende drs dreifigjährigen Rrirgrs.
(1547— 1650.)
I. heil.
Geſchichte der Htadt.
— —
1. Reſtanrierungsverſuche.
In der tiefſten Erniedrigung haben wir zuletzt unſere Stadt ver-
laſſen. Die Iahrhunderte alte Autonomie gebrochen, die langſam er:
worbenen Güter entriffen, di: Hanpteinnahmen der Stadt, die Thormant und
der alte Waarenzoll gefperrt — konnte die Stadt, einft die blühendite
des nördlichen Böhmens, noch tiefer finfen? Die Mehrzahl der Bürger,
bie diefen Fall erlebt, ſchloßen die Augen, ohne daß biefe gezwungen
waren, einen zweiten zu fehen. Ihre Kinder aber mußten die Leiden der
Eltern für erträglidy haften im Hinblide auf die Yeiden ihrer Zeit: fie
mußten jehen, daß ihre VBaterftadt, von deren Unglücke die Väter mit
feuchten Augen erzählt, noch weit — weit tiefer finken konnte! Die Wunden
der Revolution und der Reaction von 1547 Eonnten vernarben, die Runden
aber, die die nächſte Periode jchlug, haben Jahrhunderte lang gebluter,
md ihre Narben find auch heute noch nicht ganz verblichen.
Mie fi in der vorigen Periode der Kampf um das politijche
Recht in den Vordergrund drängte und die Geſchichte unferer Stadt mit
der des Yandes verband, fo tritt jett der Kampf um dic Rechte des
Geiftes und Sewiffene hervor und zwingt uns jene Entwicklungen, die
in andern Perioden in der Darftellung der Kulturgefchichte ihren Raum
fanden, an die Stirn der Begebenheiten zu jtellen, wie vorden die politische
Entwicklung. Tas Trama diefer Zeit beginnt mit einer fehr langfamen
Erpofition. Langſam und mühfam janmelt die Gemeinde wieder ihre
23*
— — — — —ñ ——e —
— 356 —
Kräfte, erwirbt nad und nad), was fie mit einem Schlage verloren,
um jchließlih nicht fo mol alles wieder zu verlieren, als vielmehr im
wörtfichjten Sinne des Wortes zu Grunde zu gehen. Wie anno 1421 fah
man die unglüclichen Bürger in lichten Haufen zum Wanderftabe greifen,
aber die verlaffenen Häufer füllten fi) nicht wie damals alsbald mit
neuen Wirten, wer immer jie waren, fondern fie jtürzten in fich zufam-
men in der langen Zeit ihrer Herrenlofigfeit.
Aus der Mehrzahl der Güter, welche die Gemeinde mühfam er-
worben und leicht verloren, bildete fi ein benachbarter, fur; vor biefer
Zeit durch Hofdienfte erſt etwas empor gekommener Adeliger auf kurze
Zeit ein vecht anfehnlihes Dominium. Ulrich von Duban, damals
Herr anf Tiebefchik, erft Hauptmann des prager Schloßes, dann Unter⸗
fänmerer der königlichen Yeibgedingftädte, erhielt zunächft daa Gut Za—
hotanvom Könige zum Geſchenke uud kaufte wenige Jahre nachher (8. Mai
1550) da8 Gut Piſtian fammt den confiscierten Antheifen an den
Dörfern Bofratig, Sebufein, Koleben, Kundratik, Tlußen
und Tſcherſching von der fünigliden Kammer um 1775 Sch. 51 gr.
hinzu.) Die Wiederermwerbung diefer Güter war das ftete Streben
der nunmehr ganz mittellofen Gemeinde. Merkwürdig fcheint c8 une
aber, daß fie, nod) bevor cine ſolche für durchführbar gelten konnte, einen
Plan erfaßte, an den fie in Zeiten des Glückes nicht gedacht, jo Leicht
realifierbar er damals geweſen wäre. Nun alle Einahmen geiperrt waren,
wurde es der fehnlichfte Wunfch der Bürgerſchaft, irgend eine öffentliche
Anftalt zu befigen, die -- eime Liniverfität im kleinen — wie diefe eine
Zahl von Fremdlingen in die Stadt zöge, durch deren Aufwand -— man
rechnete vornehmlich auf den benachbarten utragniftifchen Adel -— die Ein«
fünfte der Bürger eine Aufbelferung fänden. Aber auch zu dieſem Unter:
nehmen founte ſich die hilflofe Gemeinde ohne königliche Unterjtügung nicht
aufraffen. Diele wurde ihr endlich am 11. Dezember 1549 duch Fer di—
nand I. ſelbſt zugefichert. Er geftattete nicht nur, daß dad bisherige Bürger
jpital in ein „Collegium“ umwandelt werde, in dein ein Meijter der fieben
freien Künste Jünglinge und Auditores aus dem Herrn-, Ritter: und Yürger-
Stande als treuer Präceptor lehren folle, fondern verjicherte auch noch einen
Zins von jährlihen 30 Sc. b. g. auf dem Gute Zahoran, die Ulrich
von Duban und feine Nachfommen zur Unterhaltung des Magifters und
der Schule entrichten jollten, ermächtigte and jeden Bürger dem neuen
Inſtitute nach Belieben zu legieren ober zu teftieren. *)
U im 1. et. A. 9) Orig im l. ei. WR. 89.
— 3551 —
Der Schredenftein fam von Wlaſchelk an Ietfih von Kladno,
ver bereit8 1429 als Beſitzer desjelben genannt wird.) 1437 beftätigte
hm 8. Siegmund alle früheren BVerfchreibungen auf jenes Gut und
xrſchrieb ihm neuerdings 1000 Sch. auf Schredenftein und Robofiy?).
Später wußten die Wartenberge ihr altes Anrecht wieder geltend zu
nahen ?) und waren zur Zeit Georgs abermals im Befige des Schloſſes.
Als Adelsfige geringerer Bedeutung werden um diefe Zeit genannt:
Zahoran, woſelbſt um die Mitte des 15. Iahrhundertes ein Heinrich
von Zahoran einen Theil des Dorfes befaß;*) Nutſchnitz (mofelbit
ım 1472 ein Michael von Nutſchnitz); Lukawetz (die Kuneſche von 2.)
kitaiſch und andere mehr.
Im Ganzen war der Glanz des Bürgerthums im Erbleihen; er
Int, fo wie die Macht des Adels ſtieg. Der Bauer war in die Hände
ne Adels unbedingter geliefert als je, biefer allein der Herr im Lande
— fein Wunder, wenn er nun die Mauern und Thürme feiner Jelfennefter
mählig zu verlaffen und feine Errungenfchaften in bequemerer Weife zu
mießen wagte.
von jedem Fafſe 2 Pf. Jahreszins; Woleelo 82 gr., 5 Hühner, 4 Tage Robot,
Y dh. Sıer ale Jahreszins; Paul Mudrufcel Y, Sc. gr., 4 Tage Robot,
1. Sch. Eier, 4 Hühner und bat den Wein vom „weißen Berge“ zu führen,
Johaun Zalujni 25 gr. und 3 Tage Robot. Alle diefe Inwohner mußten anfer:
dem theil® einen Zag im Walde Büfchelpolz bauen, theil® in deu Weinbergen
arbeiten; Laurenz Echidel liefert /, Sch. gr., 4 Tage Robot, 4 Hühner, Sch.
Eier ale Jahreszins. In Zirlomig liefert der Fährmann 19 Pfen. Jahres:
sine, Brolop 22 gr., Simon Bayr 24 gr., 4 Tag Robot, Mathias Trdlo 18 gr.,
2 Tage Robot; der Müller Zira din Zehent. In Sebufein Bartod 2 Sch.
weniger 4 gr., 6 X. Robot, 4 Hühner, Y. Sch. Sier, der Schenker Martin
14 gr. und 1 gr. vom Faße Bier, 1 gr. vom Faße Wein; Blajel Drajity 1 Sc.
minder 4 Pf.; der Fahrmanu Janek nad eigener Uebereinlunft nur '/, Metzen
Apfel zu Weihnachten. In Birney Jakob Polevla 28 gr. minder 2 Den.,
3 T. Robot, 3 Hühner und 10 Sier; Simon Marut 28 gr. minder 2 den,,
3 T. Robot, 8 Hühner, 10 Eier; Simon, Dufchels Sohn, dasjelbe, Wenzel
28 gr. minder 2 Den., 10 Eier und von dem leer fiehenden (Hofe?) ebenfo viel;
Beriod 28 gr. minder 2 Den., 3 T. Robot, 3 Hühner, 10 Eier. Ale zufam:
men iu Birnen müflen noch jährlih 15 Räder mahen uud beidylagen und je
2 Tage im Walde arteiten. In Nemfhen Matand 24 gr., 2 Tage Robot
md 1000 Stangen ale Jahreszine; Jira Kamla 21 gr., 2 T. Robot und
1000 Stangen.
) Arch. &. I., 410. ?) Näheres ſiehe Heber Burgen. °) Arch. e. 1.,177. ) Archiv
& II. 561, IV. 44, 47.
’ — ———
III. Zeitraum.
Dir Zeit der beschränkten Gemeindeautonomie
bis zum Eude des dreißigjährigen Rrieges.
(1547— 1650.)
W
— 360 —
laſſen; der Beſuch des betreffenden Kreistages zu Leit meritz (Montag
vor Chr. Himmelf.) war indeß nur ein fehr ſchwacher, und die wenigen,
die gekommen waren, eilten wieder raſch davon, nachdem gewijje Com—
miffäre gewählt worden waren, zur Aufficht über die behufs Steuerver-
theilung vorzunehmende Schägung der Hänfer und Anfälligen, zur Er—
hebung der Anzahl der durch Klementarereigniffe Beſchädigten nnd Xei-
ftungsunfähigen uud zur Feftftellung einer beſtimmten Tare für die Ar-
beiten der Handwerker. Ju alle diefe Commiſſionen wurden aus jedem
Stande je zwei im Kreiſe anjäßige Adelsperfonen gewählt. Die Bürger-
haft folfte durch die jedesmaligen VBürgermeijter von Yeitmerig und
Außig vertreten fein. ')
Während all dem fah ſich die Gemeinde beftändig nad neuem
Gütererwerbe um, und die Sucht der einzelnen Bürger, die feit 1547
eingetretene Weberlaftung durd) möglicyjte Vermehrung des Geneindever-
mögens von ſich abzumälzen, fteigerte fich zur förmlichen Manie, ohne
daß fie bei aller Opfermilligfeit der Einzelnen ihr Ziel erreichen konnte.
Die Bürger fchoffen fo viel nur möglih Geld zufammen, borgten von
allen Nachbaren und Freunden hinzu, um nur die Kauffchillinge erlegen
zu können, und um erft nachmals einzufehen, daß die hiedurch ermad)-
ſenden Zinfenfeiftungen dem CErträgniffe der erworbenen Güter bei ber
damaligen Verwerthungsart wenigftens gleich kamen, wem fie diefelben
nicht weit überftiegen. Jaroslav Kameik von Polratig hatte fich,
wie eben erzählt, feinen eigenen Hof ſammt Gärtchen und Weinberg noch
vorbehalten und an jeinen Sohn Andreas vererbt, welhem nun bie
Stadt aud noch den Hof und das Gärtchen (1578) und 500 Sc. ab:
handelte, fo daß ihm nurmehr der Weinberg „Rybnicel” und ein Bauern:
haus verblieb, das die Gerneinde vertragemäßig aus ihrem Obrigkeits⸗
rechte entließ, fo wie fie ihm noch die Schanfgerechtigfeit auf demjelben
geftattete *). Nicht lange darauf kaufte die Gemeinde das ziemlich fern
entlegene Städtchen Rarbig, einen ehemaligen Beitandtheil der Herr:
(haft Sraupen, von der föniglihen Kammer, nicht ohne gegen Die
neuen Unterthanen, denen eine bürgerliche Obrigfeit wie eine Erldſung
erfchien, gewiſſe Verbindlichkeiten einzugehen, die zu haften ihr nachmals
nicht möglich wurde. Zur Beſtreitung des Kaufſchillings machte Karbig
fetbft ein Darlehen von 1000 XThalern?). Der Herr Primas fammt
— — — Te —
2) Memorialb. ?) Urt. im I. St. 8. ?) Siehe Hallwich, Kölbel von Geißing
im Brio f. ſachſ. Selb. V. S. 360.
— 361 —
dem begleitenden Schöffen und Rathsfchreiber mögen fid) nicht wenig in
die Bruft geworfen haben, wenn fie nun (1582, Donnerftag nah Oſtern)
zum eriten Male in Karbitz jelbft die Rolle des unnahbaren Unter:
tammerers und Hofrichters fpielten und den Rath in aller Form und
Würde erneuerten, wie jie das bisher im palfiver Stellung gelernt. !)
Richt lange darauf (17. Jäner 1584) erweiterte fid) diefer Beſitz noch
durch Dinzufauf eines Theiles des Waldes Tellnig bid zum gleichna-
migen Bade (am Oberlaufe noch über diejen hinaus) und eines Stüdes
vom Walde Serniß, das zwifchen dem Walde des Otto Kölbel und
dem zu Eberspdorf gehörigen lag. Die Gemeinde zahlte Hiefür den
zum Verlaufe der Herrihaft Graupen bejtimmten Commiſſären, be:
ziehungsweife dem Kaifer Rudolf II, 2250 Sch. b., wofür die genann:
ten Güter au aus dem Yehensverbande entlafjen wurden. Mehr als die
Hälfte des Kaufichillings erlegte der Bürger Iohanıı Theophil Mraz.
Dem Ölanze, in dem jeither Leitmeritz äußerlich als eine der
begüterteren Städte wiebererfcheinen mußte, entſprach das innere Weſen
ſehr wenig, wenn auch ſelbſt innerhalb der Mauern eine Anzahl reicher
Bürger einen großen Verjchwägerungsfreis bildend die Gemeinde auf
das glänzendfte zu repräfentieren ſich alle Mühe gaben. Nicht bloß die
theifweife mehr dem Ehrgeize Einzelner als dem allgemeinen Beſten zu
fiebe geichlojfenen Käufe, und ebenfo jehr die grade damals ſehr Hoch
geipannten Forderungen des Staates bewirkten durch die aufwachſende
Schuldenlaſt die Unzufriedenheit der Bürger; fondern man munkelte
auch bereits von mehr eigen- ala gemeinnügiger Verwaltung, was um
fo bedenflicher wurde, als durd die Neuerungen Ferdinands die Ver:
rechnung der Einkünfte einen beſchränkteren Kreife zugewiefen, die ganze
Berwaltung überhaupt den Augen aller mehr entzogeu nnd unter einzelne
Kontrollorgane mehr im Interejle der Kammer als der Gemeinde gejtelft
worden war. Zu den alten Yaften famen noch die feit den unausgefegten
Zürfenfriegen von Jahr zu Fahr ſich miederhofenden neuen Auflagen.
Neben der ftrafweife auferlegten erblichen Getränkſteuer betrug die vom
Landtage auferlegte noch alljährig das 4 bis Hfache, eine neue Hausftener
fam Hinzu und die Gemeinde mußte Jahr um Jahr mindeftens ihre
zwanzig Mami jtellen, rüjten und bezahlen. Zum Lleberfluße traf in
Diefe an fich genug mißlichen Verhältnilfe im Jahre 1532 auch noch eine
fo furchtbar verheerende Bet, dat Wochen hindurd täglich 4U bis 80
ı) Memorialb.
— 332 —
Perfonen darüber bei den verfchiedenen Kirchen von Leitmeritz begra-
ben wurden. Räthe und Schöffen, die Vorfteher beider Klöfter, viele
Bürger aus den angefehenften Familien wurden ihre Opfer. ')
Rudolph ſah ſich durd die vielen Bitten genöthigt, eine aber
iialige Erhöhung des Elbzolles und zwar wieder um 3 Pf. zu bewilli-
gen, um der Stadt ihre Laſten zu erleichtern (21. November 1583).
Dafür ftiegen aber auch bald wieder die Abgaben. Ganz beiondern Un
willen und unverheltes Murren rief es hervor, als im Jahre 1596 die
Kreishauptleute das Einkommen eines jeden einzelnen Handwerkers, Krä-
mers und Höcklers durch die Zechmeiſter fchägen ließen und dann jedem
Inwohner eine Steuer auflegten, die von 4 gr. bie zu 7 Schock ftieg
und in zwei Terminen, zu St Prokop und zu St. Wenzel, zu zahlen war.
Selbft die alten Weiber, die auf dein Markte beim Käſe ſaßen, mußten
ihre 6 gr. zum Zürfenfriege jteuern.
In trauriger Weife fhloß das 16. Jahrhundert mit einer neuerli-
chen Verheerung, welche die Peſt 1599 abermals unter den Bürgern und
Inwohnern anrichtete, und das 17. begann mit einem der größten Un-
glüdsfälle, die cine mittelalterliche Stadt treffen Fonnten, — einer über:
aus nahen Concurrenz und einem großen Prozeſſe.
2. Ein nnglüklicher Prozeß.
Bei den Scharf gezogenen Ständefchranfen des Mittelalters, dem
Zwange und der Unbeweglichkeit, die in allen Verhältniffen und Schid-
ten der Bevölkerung walteten, einerjeils, war die Herrichaft des Privite-
giums andererfeits zur Anfrechterhaltung diefer Verhältnilfe fowol, wie
zur Sicherung ber Eriftenz jedes Einzelnen unbedingt nothwendig. Vom
Standpunfte unferer Zeit aus darf man jene Verhältniſſe überhaupt nicht
betrachten. Wer von dem Bürgerthume jener Zeit ein Vosſagen von dem
bevormundenden Brivilegium, einen Verſuch freier Entwicklung im Selbft:
bewußtfein der Kraft verlangen würde, wie man das allerdings heute
verlangen fann, müßte erſt unzählige andere Schranken fallen machen,
wie fie nachmals wirklich gefallen find, um die des Bürgerprivilegiums
entbehrlich zu madhen. Wie die Verhältniffe wirklich waren, beftand der
Kampf der Städte um ihr Dafein in einem Kampfe um ihr Privilegtum.
Schon bei der erften Anlage von Städten hatte man darauf Bedacht ge-
5 Memorielb.
— 363 —
nonmmen, daß jede einen zu ihrem Gedeihen umentbehrfihen Wirkungs
kreis von beſtimmter Ausdehnung befige, in den fein zweiter beichränfend
eingreifen dürfe. Hieraus entjtand jene Gepflogenheit, die zur Zeit der
Abfaffung des norddeutſchen Nechtes bereits als geheiligtes Geſetz er-
fheint, daß jede Marktitelle von der andern mindeſtens eine Meile weit
entfernt fein jolle. *) Diefer Grundfag deutichen Rechtes fand in Böh
men jeine Anerkennung nicht nur einschließlich durch die allgemeine An:
erfennung deutſchen Stadtregytes, ſondern auch im befondern durch die
feiner Zeit erwähnte ausdrüdliche Beftimmung des jonenannten Meeilen
rechtes, wornacd im Umkreiſe einer Meile um Yeitmerig für alle Zu-
hmft fein bürgerliches Gewerbe von andern, al® Bürgern der eigenen
Gemeinde betrieben werden jollte, welche beide Bejtimmungen einander
dahin ergänzten, daß, ohne ein den Gründern der Stadt förmlich gege-
benes Berfprechen zu brechen, der böhmifche Landesfürſt, deifen ausſchließ
liches Recht die Errichtung von Städten der Yandesordnung gemäß war,
die Errichtung einer Stadt näher als eine Meile von Yeitmerig nidt
geftatten durfte. ‘Der Adel Hatte längjt die Rechtskraft jener alten Ver—
träge der Regierung mit den Städten zu längnen verfucht und thatſäch
(ih ihnen die Anerkennung verfagt ; aber aud in den greifen der Regie
rung ſchien feit den Hufitenkriegen das richtige Verftändniß jener Ver—
bäftnifje abhauden gekommen zu fein.
Der Herr Adam von Waldftein, der Beliger des Dorfes Vo—
bofig, kümmerte fid) wenig um ſächſiſches und anderes Recht, fondern
einzig um feinen Bortheil. Loboſitz hätte fich feiner günftigen Yage
nach ehr wol zu einem Marktplage und Städtchen geeignet, weit mehr
ale Budin und Trebnig, doch ſtand deifen Erhebung die Nähe der könig
lichen Stadt und deren Vorrecht von je entgegen. Waldſtein gieng
feinen Weg in aller Stille und wußte jeine einflußreiche Stellung bein
Hofe als Kämmerer und Rath dahin zu verwerthen, dar ihm Kaifer
Rudolph II. che noch jemand in der Nachbarichaft etwas von dem
Plane erfuhr, bereits am 4. Juli 1600 das Diplom der Erhebung von
Loboſitz zum Städtchen unterjchrieb, nachdem er erit am 22. Juni fein
Geſuch überreicht hatte. ?) Er begründete feine Bitte damit, dag er aus
einander fette, wie Yobofig ein jo großes Dorf fei, daß es an hundert
Anjäßige zähle, und von den Nachbarn bereits ohnehin Städtchen ge-
') Sachſenſpiegel II., 66. *) Hierliber fiehe Tieftrunte Spor Litomerickych in Pa-
mätky archeolog. V., 6 fi. — Die einzige brauchbare Borarbeit, deren Oncllen
uns zum Theil nicht mehr zu Geficht Tamen.
— 364 —
nannt werde, fo daß ihm eigentlich nur die Beftätigung fehle. Wenn er
nun die Beſtätigung eined wöchentlihen Marktes und zwar am fFreitage
bitte, jo werde dieß niemand zur Einbuße gereihen, da 2eitmerig
feinen Markt am Samftage, Raudnig am Donneritage, Bilin Mitt-
woch, Trebniß Dienftag, Budin, Brür und Tepligaber am Mon:
tage hätten. Dieß alles mußte er dem Kaifer plaufibel zu madjen, und
diefer, der jedenfalls jelbft Feine nähere Kenntniß der Verhältniſſe be-
ſaß, verlangte audy weder Gutachten noch Rath, fondern gab kurzweg feine
Einwilligung.
Welhen Schreden die Nachricht hievon, die wie ein Blitz aus
heiterem Himmel kam, in Leitmerig hervorrief, läßt ſich leicht deuten.
Die Hauptgefahr lag darin, daß der Getreidemarkt fih von Keitmerig
nad) Yobofig ziehen, Zoll und Ungelt in Folge deſſen ſinken und ein
Hauptnahrungszweig der Bürger dadurd) abgefchnitten werde. Schon
bisher gab es Jahr aus Jahr ein Streit mit den Nachbarn wegen un-
befugten Getreidehandels in Loboſitz, erft 1595 war deßhalb ein koſt⸗
Ipieliger Prozeß gegen die Schleinige verloren uud man fürchtete den
Ruin der Stadt, wenn Loboſitz ein befugter Yadeplag würde. Man
fonnte der Nachricht, die fih erft Ende Auguft in Leitmeritz verbrei-
tete, vor Schreden kaum Glauben fchenfen. ‘Der Kaiferrichter, Adam
Mraz von Miteichovka felbft fuhr am 30. Anguſt über Angehen des
Rathes in Begleitung des Mag. Elias Styrskolsky und des Stadt:
Schreibere Simon 3varsky nah Prag, um vor Allem über bie Ver—⸗
(äßlichkeit des Gerüchtes Erfundigungen einzuziehen. Schon am 1. Sep-
tember fonnten fie der Gemeinde die beftimmte, aber traurige Verfiche:
rung geben, daß es ſich allerdings fo verhalte, wie man vernommen,
und zum Beweiſe deifen cine Abjchrift des Diplome übermitteln. Vier
Wochen lang blieben nun die genannten Gejandten in Brag, alles auf-
bietend, um durch gute Worte und Werke die Zurüdnahme des Privile-
giums zu ermirfen. Sie wandten ſich mit Bitten an Se. Majeftät
felbjt, mit Bitten und Geſchenken an den Oberjthofmeifter, Oberftfanzler,
Oberftlandrichter und Oberjthofrichter und ihren Bitten ſchloß fi Die
Aebtiffin von ct. Georg als Obrigkeit des ebenfalls gefährdeten Städt-
hens Trebnig an. Sie beduuerten in der Eingabe an den Kaifer,
daß eine fie fo nahe berührende Sache durchgeführt wurde, ohne daß fie
bievon auch nur Kenntnig erhalten, wie dieß doh in ſolchen Fällen
Sitte fei, da fie anders nachgewieſen hätten, welcher Nachtheil dem Koö⸗
nige felbft erwachſe.
— 365 —
Der ®etreidehandel und nit ihm das Ungelt, der Bierſchank und
mit ihm das Faßgeld würden fünftighin wegfallen. Sie beriefen ſich
auf den Inhalt der Privilegien und auf das gute Recht des Zacjfen-
landes, unter das fie gehörten.’) Yobofit liege mir eine Kleine halbe
Meile von Leitmeritz, von dort werde das meifte Getreide gebracht
und wenn das dort verfauft werde, fo werde aud der Zoll herabgehen,
der zur Erhaltung der Brüde, Wehr, der Ufer und Mauern beftimmt
ft. Auch Johann Waldftein, der Bater des Adam, habe bereits zu
Zeiten Marmilians denfelben Plan gefaßt, da fi diefer aber auf
feiner Reife nah Sachſen felbit von der Yage der Orte überzeugt,
babe er jeine Einwilligung verfagt und deßhalb baten and fie, daß ber
Kaiſer die Ausführung des Beſchluſſes filtiere und fie in ihrem Rechte
ſchũtze.
Am 9. September, einem Markttage, brachten Boten des Lobo—
ſitzer Gutsverwalters Martin Egnar das Privilegium auf das Leitme—
ritzer Bürgermeiſteramt mit dem Verlangen, es durch den Büttel aus—
rufen und an die Rathhausthür anſchlagen zu laſſen. Da der Rath
hierein nicht willigte, ſchlugen die Boten nach eingeholten Verhaltungs-
maßregeln Nachmittags desſelben Tages dasſelbe eigenmächtig an der
Rathhausthüre an. Dieſe Ungeſchicklichkeit brachte das Volk ungewöhn-
lich auf; das Diplom wurde abgeriſſen, und der Bürgermeiſter erflärte
den Voten, er könne im Wiederholungsfalle für ihre geſunden Glieder
nicht einſtehen. Der Pöbel begleitete fie aus der Stadt unter den höhnen-
den Rufen: Da jeht den Bürgermeifter und Primas von Loboſitz!
Montag darauf befhloß der gefammte Rath, jedem Bürger und In»
mwohner von Leitmeritz bei Strafe des Ausſchlußes aus der Gemeinde
zu verbieten, in Loboſitz irgend ein Geſchäft abzuſchließen, dort etwas
zu kaufen oder zu verkaufen.
Gegen das Begehren der Leitmeriger bradte Waldftein
beim Kaifer am 18. September eine heftige Gegenvorjtellung ein. Die
Yeitmeriger wollten — war ber Kern feiner gehälligen Einrede —
die königliche Macht beichränfen und den König eines rechtswidrigen
Vergehens zeihen, als ob nicht der König von Böhmen gemäß der
Lanbesordnung das Recht habe, Jahrmärkte nach Belieben zu gejtatten.
ı) „non liceat castrum vel forum seu villam forensem nisi unum milliare ah
alio distet, construere.... oppidum vel villa foralis non debet in pro-
pinquo alterius sdificari, esset enim damnum alterius, quod fieri non
debet...“ zitierten fie wörtlid aus Sachlenfpiegel, III., 65.
— 366 —
Der König möge ja nicht glauben, daß feinen Einkünften ein Schaden
gefchehen würde, jeinen Machtbrief nur aufrecht erhalten und dann wolle
er felbft im Nechtewege mit den Bürgern jchon fertig werben. Diefen
zu ſcheuen hatten die Bürger nad alter Erfahrung allerdings allen
Grund. Zu unften des Adels galt jede feiner alten Prätenfionen,
in den Privilegien der Städte aber waren bie oft gebrauchten Worte
der Monarchen: „und was wir oder unfere Nachkommen jemals gegen
den Inhalt diefes Privilegiums vornehmen foliten, foll eitel und nichtig
fein” längſt bloße Phraſe geworden. Beide Parteien kannten die böh-
mifchen Gerichte zu gut, als daß fie fi über den Weg der Entſchei⸗
bung jobald hätten vereinbaren fünnen. Die Bürger konnten ihr Heil
nur von der Vermittlung des beffer zu unterrichtenden Monarchen er-
warten; Waldſtein pochte auf den Entfcheid durch feine Standes:
genoffen, deren aller Sache die feine war. Die Enticheidung hieng nur
davon ab, welcher Weg betreten wurde, und jener mußte fiegen, ber
mehr Mittel bejaß, feinem Gegner auf deilen Wege auszumeichen.
Eine Kampfgenoffin hatten die leitmeriger Bot.n in Brag an
der Fran Polyrena von Yobkowig gefunden, der um den Vortheil
ihrer Schußftadt Raudnitz bangte. Ihrem Einfluffe gelang vielleicht
mehr, ala den Bitten und Geſchenken der Bürger. ‘Der Kaifer wurde
wenigftens dahin bewogen, in einer befonderen Audienz fid) durch den
Kammerpräfidenten den Sachverhalt und die gegenjeitigen Begehren dar:
ftellen zu laſſen, worauf er den mündlichen Befehl ertheilte, die Durch⸗
führung des neuen Privilegs einzuftellen, bis eine eigens hiezu zu cr»
nennende Commiſſion nad gefchehener Beaugenfcheinigung dem Kaifer
ihr Erkenntniß würde übermittelt haben. Durch eine Taiferlihe In:
hibition vom 19. September wurde Adam von Waldſtein bievon
perftändigt und ihm aufgetragen, bis zum Austrage der Sade von dem
Privilegium feinen Gebrauch zu machen, da es ja nur unter der Clanſel
gegeben fei, daß fein Anhalt „nicht zum Nachtheile oder Schaden der
(GGerechtſame irgend jemandes jei”, was nun eben behauptet werde. - -
Ties war der Meg, den die Bürger wünfchten, die fich verjichert hielten,
dar das Urtheil einer halbwegs unparteiifhen Commillion dem Kaifer -
jelbft nicht zum Schaden gereihen werde, --- wenn nur der Mille dee
Raifere nicht ohnmächtig geweſen wäre gegenüber den Ränken feiner
adeligen Unterthanen. Der Herr von Waldſtein fümmerte fi nicht
im Geringften um den kaiſerlichen Befehl, fondern ließ die Wochen⸗
märkte in Yobofig frei abhalten. Die Leitmeriger wiederholten ihre
— 367 —
Ditte beim Kaiſer, fandten ihm einen Abriß der Lage von Leit—
meriß und Loboſitz und Eagten, wie die Interthanen Waldfteine
fogar an nicht privilegierten Orten nächtliher Weile das Getreide zu:
fammen laufen, ja jelbit das bei Neitmerik gekaufte nicht verzoliten,
unb wie niemand wäre, an ben jich die Verletzten mit Erfolg wenden
tönmten. Schließlich baten fie um Aufrechterhaltung des kaiſerlichen
Befehle und um baldige Abfendung der Commiſſion. Aber auch ihr
Gegner wandte ſich an den Kaifer mit der Behauptung, er mülje erft
von Rechtswegen abgeurtheift fein, wenn er ſich feiner Rechte begeben
folle; bisher aber wären die Keitmeriger mod) nicht zu beweifen im
Stande geweien, warum S. Maj. nicht jeinen treuen und gehorfamen
(N) Unterthanen ſolche Privilegien und Gnaden ertheilen könne. Dicjer
Satz bildete nachmals faft wörtlich den Entfcheidungsgrund zur Der:
urtheilung der Stadt, und Waldſtein wußte wol, warum er den
Streit fhon durch dieſe Gegenrede vor das Landrecht zu ziehen fuchte ;
denn einmal fchien vor diefem ber formelle Beweis feines Rechtes Teicht
zu führen, da er das dem Monarchen in einer guten Stunde abge:
nommene Privileg in den Händen hielt, und zweitens war er ganz ficher,
daß alle adeligen Beiſitzer des Gerichtes in der Sache ein Prinzip er:
fennen würden, gegen das fie fein Präjudiz zu Schaffen Grund hatten
—- wie weit e8 mit ber Iinparteilichfeit des Gerichtes her Sei, mußte
der Hailerliche Rath am beften willen. Was cr nun that, gieng alles
dahin, den Austrag auf dem vom Kaifer bezeichnetin Wege zu vereiteln
und die Sache vor fein Forum zu bringen. In diefer Abficht bat er den
Raifer ferner um fandtäflihe Einverleibung des Privilegiums, welche
etwas kühne Bitte allerdings abgejchlagen wurde. Dagegen erhielten
tie leitmeriger Boten auf ihr vieljeitigea Suppfizieren und Sollizitieren
feine Antwort. Jedenfalls war Waldſtein mittlerweile noch thätiger
und konnte wol auch mehr bieten, als cinige Fäſſer Wein, deren Ber-
wendung der ehrliche Stadtichreiber in feinen Aufzeichnungen ) ausdrüd.
(ih anführt ale der Sitte der Zeit ganz gemäß; denn als dic Yanbes-
beamten und Richter um jene Zeit zujammentraten, zogen fie auch diefe
Sache in ihre Berathung und beichloßen, die beiden Parteien ſeien vor
das Kammergericht zu befchiden und ihr Streit durch ein Urtheil
desjelben zu entfcheiden. Die Boten fehrten traurig heim, brachten ihrer
Gemeinde diefe unheilverheigende Nachricht, aber auch den Rathichlag ihrer
) Memorialb.
— 368 —
Sreunde in Prag, die Gemeinde möge ihr Glück noch einmal beim Kaiſer
unmittelbar verſuchen.
Alſogleich wurde (im November 1600) eine neue Geſandtſchaft nad)
Prag geihidt, die eine neue dringende Supplifazion verfaßte und
lämmtlihe Einwendungen und Beichwerden gegen die Erhebung von
Pobofig beilegte. Als der triftigfte Rechtsgrund wurde der aus-
drücdtihe Wortlaut der vom gegenwärtigen Monarchen felhft beftätigten
Privilegien angeführt, wornach nirgend anders als an den Ufern bei
Yeitmerig geladen und abgeladen werben bürfe, in denen grade Loboſitz
ausdrücklich als einer jener Orte genannt ijt, an denen die Yadung unter
beftimmten Strafen verboten wurde. Außerdem waren alfe Gründe der
Nüglichleit und des allgemeinen Rechtes (Sadjjenfpiegel) wiederholt.
Aber auch des Kaiſers Antwort war nun nicht mehr günftig für die
Bürger, indem auch er bereits für die Entjcheidung durch das Sammer:
gericht geftimmt war, obwol die Bürger mit Recht bemerften, daß fie
vor diefem nicht jowol fi) als vielmehr das Intereſſe feiner Perſon zu
vertreten hätten, wofür ja feine Kammer jelbft da fei, deren Entjcheidung
ihnen lieber wäre, al& die des Serichtes. Durch vielfache Bitten verſuchten
die Abgefandten perfönlic, cine Audienz beim Kaifer zu erlangen — dod)
alles vergebene. Ahr Rechtsfreund tröftete fie: „das fei auch Fürſten,
Grafen und Herren nicht möglich.“ Traurig kehrten fie daher zurüd
und meldeten am 27. Dezember der Gemeinde, daß nun kein anderer
Weg ubrig bleibe, al® der bereit® am 13. Dezember ergangenen Vor:
(adung vor das Kammergericht, die indeß erſt am 3. Jänner 1601 nad
Feitmerig gelangte, Folge zu leisten. Die Zagfahrt war auf ben
14. Feber feſtgeſetzt. Bereits am 4. Jäner giengen die Bothen abermals
nad Prag, um fid bei Freunden zu berathen und neue zu erwerben,
überliefen den Kanzler Tag für Tag, bis er fie ziemlich zornig fortwies.
Eine glücklichere Wahl trafen fie, wenn ſie fi Erzherzog Marimilian
zum Fürſprecher wählten. And an die zum Nandtage verfammelten
Städteboten wendeten fie CH in eijriger Ansnützung der Zeit bid zum
14. Feber, an weldem der Wechtävertreter der Yeitineriger, Wenzel
Radnicky von Zezhor vorerit ein VBertagungsgefucd einbringen follte,
um nur nod) Zeit zu gewinnen. Das Kammergericht fam ihren Wünfchen
entgegen, inden es aus andermeitigen Gründen überhaupt nur zufam-
inentrat, um fi) auf den 20. Mai zu vertagen. Die Bothen verließen
bis auf Styrskolskh, der beim Yandtage blieb, Prag und die Bürger
faßten wieder neue Hoffnung, daß die Sache dennoch auf anderem ale
— 365 —
Der Getreidehandel und mit ihm das Ungelt, der Bierſchank und
mt Ihm das Faßgeld würden künftighin wegfallen. Sie beriefen fich
af Den Inhalt der Privilegien und auf das gute Recht des Sachſen
\andes, unter das fie gehörten.) Loboſitz liege nur eine fleine halbe
Meile von Reitmerig, von dort werde das meifte Getreide gebracht
und wenn das dort verkauft werde, fo werde auch der Zoll herabgehen,
der zur Erhaltung der Brüde, Wehr, der Ufer und Mauern beftimmt
ft. Auch Johann Waldftein, der Bater des Adam, habe bereits zu
Zeiten Marmilians bdenfelben Plan gefaßt, da fich diefer aber auf
feiner Reife nad) Sachſen felbft von der Yage der Orte überzeugt,
babe er jeine Einwilligung verfagt und deßhalb baten anuch fie, daß der
Raifer die Ausführung des Beſchluſſes fültiere und fie im ihrem Rechte
ſchũtze.
Am 9. September, einem Markttage, brachten Boten des Lobo
ſitzer Gutsverwalters Martin Egnar das Privilegium auf das Veitme—
ritzer Bürgermeiſteramt mit den Verlangen, es durch den Büttel aus—
rufen und an die Rathhausthür anſchlagen zu laſſen. Ta der Rath
hierein nicht willigte, ſchlugen die Boten nach eingeholten Verhaltungs
maßregeln Nachmittags desſelben Tages dasſelbe eigenmächtig an der
Rathhausthüre an. Dieſe Ungeſchicklichkeit brachte das Volk ungewöhn
lich auf; das Diplom wurde abgeriſſen, und der Bürgermeiſter erklärte
den Voten, er könne im Wiederholungsfalle für ihre geſunden Glieder
nicht einſtehen. Der Pöbel begleitete fie aus der Stadt unter den hohnen—
den Rufen: Da feht den Bürgermeifter und Primas von Loboſitz!
Montag darauf beſchloß der gefammte Rath, jedem Burger und In-
Wwohner von Leit meritz bei Strafe des Ausſchlußes aus der Gemeinde
zu verbieten, in Loboſitzz irgend ein Geſchäft abzuſchließen, dort etwas
zu kaufen oder zu verkaufen.
Gegen das Begehren der Leitmeriger bradte Waldſtein
beim Kaiſer am 18. September eine heftige Gegenvorftellung ein. Die
te ütmeriger wollten — war der Kern feiner gehäfligen Eiurede —
bie löniglihe Macht befchränfen und den König eines rechtswidrigen
Bergehens zeihen, al8 ob nicht der König von Böhmen gemäß der
Sandesorbnung das Recht habe, Jahrmärkte nach Belieben zu gejtatten.
— —
) „non liceat castrum vel forum seu villam forensem nisi unum milliare ab
alio distet, construere.... oppidum vel villa foralis non debet in pro-
Dinquo alterius sdificari, esset enim damnum alterius, quod fieri non
Gebet...“ zitierten fie wörtlich aus Sachſenſpiegel, III., 6%.
— 366 —
Tor König möge ja nicht glauben, daß feinen Einkünften ein Schaden
geichehen würde, feinen Meachtbrief nur aufrecht erhalten und dann wo We
er felbjt im Rechtswege mit den Bürgern fchon fertia werden. Difen
zu fchenen hatten die Bürger nad alter Erfahrung allerdingg olen
Grund. 31 Gunften des Adels galt jede feiner alten Prätenfione rı,
in den Privilegien der Städte aber waren bie oft gebraudten Worte
ber Monarchen: „und was wir oder unjere Nachkommen jemals gegg en
ben Inhalt diejes Privilvgiuns vornehmen folften, fol eitel und niytig
fein” längſt bloße Phraje geworden. Beide Parteien fannten bie böB-
mifchen &erichte zu gut, als daR fie fih über den Weg der Entichei-
bung fobald hätten vereinbaren fünnen. Die Bürger konnten ihr Gew 4
nur von der Vermittlung des beffer zu mnterrichtenden Monarchen er —
warten; Waldſtein pocdte auf den Entfcheid durch feine Standes
genoſſen, deren aller Sache die feine war. Die Entfcheidung hieng nu“
davon ab, welcher Weg betreten wurde, und jener mußte fiegen, der
mehr Meittel beſaß, feinem Gegner auf deſſen Wege auszumeichen.
Kine Kampfgenoſſin hatten die feitmeriger Bot:n in Brag an
der Fran Polyrena von Vobkowitz gefunden, der um ben Vortheil
ihrer Schutzſtadt Raudnitz bangt. Ihrem Einfluffe gelang vielleicht
mehr, ala den Bitten und Geſchenken der Bürger. Der Kaifer wurde
wenigſtend dahin bewogen, in einer befonderen Audienz fi durch ben
KNammerpräfidenten den Sachverhalt und die gegenfeitigen Begehren dar-
jtellen zu laffen, worauf er den mündlichen Befehl ertheilte, die Durch⸗
führung des nenen Privilegeé einzuſtellen, Dis eine eigens hiezu zu er:
nennende Commiſſion nad geſchehener Beaugenſcheinigung dem Kaifer
ihr Erkenntniß würde übermittelt haben. Durch eine kaiſerliche In—
hibition vom 149. September wurde Adam von Waldſtein hievon
verſtändigt und ihm auigetragen, bis zum Austrage der Sache von dem
Privilegium deinen Gebrauch zu machen, da es ja nur unter der Clauſel
gegeben ſei. daR ſein Anbalt „mit zum Nachtheile oder Schaden ber
iVerechtſame irgend jemanden Yet”, was nun eben behauptet werde. --
Died war der Weg, den die Burger wünschten, die ſich verfichert hielten,
daß dad Urtheneiner balliwene unvartciiſchen Commiſſion dem Xaifer
—
icibvit nee zum Schaden gereichen werde. — wenn nur der Wille dee *
Safran ennmachtza nam ware gegenüber den Ränken fein —
adengen Urterzrhanen. Der Herr von Wa! ditein kümmerte ſich nich |
a Geringiten; um den kaiſe:incben Befehl, ſondern ließ die Wochen — -
mo oboiitz fra adhalten. Die Leitmeritzer wiederholten ihre» —
— 367 —
Bitte beim Kaifer, fandten ihm einen Abriß der Lage von Leit:
ze eriß und Loboſitz und Hagten, wie die Ilnterthanen Waldfteine
Ogar an nicht privilegierten Orten nächtlicher Weile das Getreide zu-
'asımınen kaufen, ja felbft das bei Yeitmerig gekaufte nicht verzollten,
zrıb mie niemand wäre, an ben fidh die Verletzten mit Erfolg wenden
Snonten. Schließlich baten fie um Aufrechterhaltung des Faiferlichen
Sefehls und um baldige Abfendung der Commiſſion. Aber aud ihr
SS egner wandte ſich an den Kaifer mit der Behauptung, er müſſe erft
on Rechtswegen abgeurtheift fein, wenn er ſich feiner Rechte begeben
ſo Ile; bisher aber wären die Leitmeritzer nod nicht zu bemeilen im
Stande gewefen, warum S. Maj. nicht feinen treuen und gehorfamen
CH) Unterthanen ſolche Privilegien und Gnaden ertheilen könne. Dieſer
Sag bildete nachmals faft wörtlich den Entfcheidungsgrund zur Ver-
wrtiheilung ber Stadt, und Waldftein wußte wol, warum er den
Streit ſchon durch diefe Gegenrebe vor das Landrecht zu ziehen Tuchte ;
denn einmal fchien vor diefem der formelle Yeweis feines Rechtes Teicht
a2 führen, da er das dem Monardien in einer guten Stunde abge-
nommene Privileg in den Händen hielt, und zweitens war er ganz ficher,
daß alle adeligen Beifiger des Gerichtes in der Sache ein Prinzip er-
kennen würden, gegen das fie fein Präiudiz zu fchaffen Grund hatten
—- wie weit es mit der Iinparteilichkeit des Gerichtes her ſei, mußte
der faiferlihe Rath, am beiten wiſſen. Was er nun that, gieng alles
dahin, den Austrag auf dem vom Kaifer bezeichnetin Wege zu vereiteln
und die Sache vor fein Forum zu bringen. In diefer Abficht bat er den
Raifer ferner um fandtäflihe Einverleibung des Privifegiums, welche
etwae kühne Bitte allerdings abgefchlagen wurde. Dagegen erhielten
‘ie feitmeriger Boten auf ihr vielfeitigee Supplisieren und Sollizitieren
keine Antwort. Jedenfalls war Waldſtein mittlerweile noch thätiger
und konnte wol aud) mehr bieten, ale cinige Fäſſer Wein, deren Ber-
wendung der ehrliche Ztadtichreiber in feinen Aufzeichnungen N auedrıid
lich anführt als der Sitte der Zeit ganz gemäß; denn als die Yandes-
mten und Richter um jene Zeit zufammentraten, zogen fic auch dieſe
Sade in ihre Berathung und beichloßen, die heiden Parteien ſeien vor
® Rammergericht zu befhiden und ihr Streit dur ein Urtheit
ae @feiben zu entſcheiden. Die Boten fehrten traurig heim, brachten ihrer
emgeinde diefe unheilverheikende Nachricht, aber auch den Rathſchlag ihrer
— ——
Monerialb.
ihre ganze Beweisführung verrathen worden war und er Kenniniß von
alfen ihren Privilegien hatte, ‘was ihr Vertrauen zum Gerichte nicht
erhöhte. Manches Faß Wein und mander Lachs mag nun wieder nad
Prag gewandert fein, ehe diefe VBorladung wieder aufgehoben und abermals
ein Zag (20. Anguft) zum Zuſammentritte der Commiſſion beftimmt
wurde. Waldftein hatte hiemit wenigftend wieder eine zweite Erntezeit
geivonnen. Che aber der Tag nod) kam, verlegte die Kammer abermals
die Commiſſion auf unbeftimmte Zeit, da Waldftein im irgend einer
Million nad Braunfhmweig fahren müſſe. Auf neuerliche Anfragen
gab den Bürgern ihr Profurator den Rath, bereits jett ſich gewiſſer
Zengniffe einzelner Perfonen zu vergewiffern, für den möglichen Kal, daß
diefe vor dem Austrage der Sache noch ftürben. Beſonders follten der
Kanzleifetretär Erhardt von Duppau und die Beamten Deillner und
Hloſchek ihre Ausfagen abgeben über den gleihen Verſuch Johanns
von Waldftein im Jahre 1575, der erfolglos blieb, obgleich aud) damals
das Diplom bereits au@gefertigt war. lit den nöthigen Yachfen verjchen
madıten ſich die Gefandten abermals nad) Brag auf, um dieſe für jie
feiner Zeit vortheilhaften Zeugniſſe zu erbitten, doch umfonjte. Millner
und Hloſchek waren gar nicht in Prag, Duppau aber nahın den
Yahs und — entſchnldigte fih. Waldſtein kehrte indeifen zurüd, Die
Leitmeritzer betrieben eine neue Zagfahrt, diefe aber vercitelte wieder
anderweitige Beihäftigung des Commiſſärs Zezima, und nun vergieng
ohne allen Fortichritt die Zeit bis zum nächften Kammergerichte an St.
Martin. Die nächte Sorge der Stadt war nun wieder, bieje Kippe
glücklich zu umfdiffen, was aud) gelang. Das Gericht gieng vorüber,
ohne daß der Streit zur Sprache kam. Johaun von Wrefowig ver-
ſprach fih mit Waldſtein felbft über einen neuen Tag zu einigen, ale
welcher der 13. Jäner 1603 wirklid) angenommen wurde. Die Gefandten
fehrten heim, Waldftein erfdien abermals nicht. Die Bürger wandten
fih num an den neuen Unterkämmerer, Burghard von TZocnit und baten
den Kaiſer, daß er dieſem gejtatte, bei der Commiſſion zugegen zu fein,
da ihm der Schug desielben zuftche. Dieß wurde geitattet, ein neuer
Tag beftimmt. Da muRte wieder gerade der Kommilfär Peter Ko jto-
mlatffy jterben und die feftgelegte Zeit verjtreichen, che Yadislan
Zeidler von Schönfeld auf Enzowan au feine Stelle trat. So
309 fih nun die Sache in ununterbrodener Gleichförmigleit ebenſo er-
müdend für Erzähler und Yefer, wie cerfchöpfend für den Stadtſäckel bie
zum Jahre 1608 fort: immer neue Tagfahrten und immer die alten Ent-
— 873 —
Ihuflbigungen Waldfteins, angebliche Reifen und Miffionen und der-
gleichen mehr,
Der Grund des BVerfchuldens der Stadt lag nicht nur in diefem
toftfpieligen Prozeſſe allein, fondern vornehmlich auch darin, daß fie, um
fi König und Hof mehr als fonft geneigt zu erhalten, in den gefahr-
drohenden Zeitläuften auch noch über die an fich ungeheuren, das gauze
Land bedrüdenden Peijtungen zur Bedeckung der Koſten der fortwüthen-
den Türkenkriege ein Uebriges thun mußte. Schon 1591 hatte Rudolf
die Stadt abermals gegen 500 Sc. an Iohann Brudner von Brud:
ftein verpfändet ') und im Laufe der Zeit vermuthlih noch mehr Kapi—
talien auf diefe Hypothek Hin aufgenommen. Nach DOftern des Jahres
1603 fam eine förmliche Gefandtichaft des Kaifers, unter diefer auch Adam
von Waldſtein in der diefem gewiß nicht unangenehmen Miſſion nacı
Leimeritz, um für den Kaifer ein Anlehen zu erheben. Die Gemeinde
durfte fich nicht weigern, nahm felbft von einzelnen Bürgern und Nach—
baren Anleihen auf und fandte den Kaiſer 3000 Sc. m.) Auch 1604
und 1606 wurden folche Anlehen erhoben, in letzterem Jahre eine Sunme
von — 20.870 Sch.! Letztere war zur Auslöſung einer Pfandſchaft vom
Fürſten Karl von Yichtenjtein beſtimmt, welchen Dann Leitinerig bald
perjönlih und ſpäter durd) jeine Wirkjamteit kennen Lernen ſollte. Ale
nämlid im Jahre 1606 die große Seuche den Hof und alle Behörden
aus Prag vertrich, ließ ſich die böhmifche und die Reichskanzlei, fo wie
die Buchhalterei in Yeitmerig nieder und blieben dafelbjt bis zum
13. Feber 1607. An der Spite diefer Behörden ftand eben ale Reichs»
hofmeifter der nachmals vielgenannte Pihtenftein, der feine Wohnung
im Haufe des Bürgers Balzar Pitſchmann anfgefchlagen hatte. Die
Kanzleien wurden in's nırazifche Haus unter dem Kelchthurme, ſpäter aber in
das Rathhaus verlegt, während Rath und Schöffen in die Pfarrei wan-
dern mußten. Die Bürger wollten fi) indeß Beſuch und Gäſte nicht lo⸗
ben — fie prätendierten viel und zahlten wenig. Neben diefen und ähn»
lichen Arten geringeren Drudes bewirkte die Art der Gemeindevermögens⸗
verwaltung immer mehr die allgemeine Unzufriedenheit der Bürgerſchaft.
Bon geradezu unredlicher Gebahrung haben wir uns wenigjtend Die
BDelege nicht verichaffen Fönnen; dennoch genügte das Geheimniß, das
feit Ferdinands I. Neuerungen diefen Zweig der Amteverwaltung
umgab, um die Schuldenlaft der Gemeinde in den Augen der Bürger
N Ur im J. St. 9. ) Memoralb.
— 31714 —
anf Rechnung eigennügiger Verwaltung zu fchreiben und die Ehrlichkeit
der neuen Verwaltungsorgane in jeder Hinficht zu verdächtigen. Während
vor 1547 in dem Collegium der Verwaltungsbeamten alle drei Verwal:
tungsförper durch eine je gleiche Anzahl repräfentirt wurden, war bei der
neuerlichen Ueberlaſſung der einzelnen Kinfünfte an die Gemeinde deren
Verrechnung nur den Räthen oder vielmehr, da dieſe dem Kaiferrichter
gegenüber in vieler Hinfidt wenig mehr als Automaten waren, legterem
vorzüglich anhein gegeben worden. Seit Tahren murrte die Bürgerſchaft
über große Schulden, ſchlechte Wirthfchaft und Eigennutz. Endlid) ermannte
jie fih) 1607 zu einer förmlichen Klage, die fie gegen die VBerwaltungs-
organe bei der Kammer einbrachte.
In Folge deffen fam am 5. April der königliche Hofrichter felbft
nad) Yeitmerig und berief die gejamnıte Gemeinde auf das Rathhaus,
um ihre Klagen perfönlih zu hören. Die Bürgerfchaft verlangte vor
Allem einftunmig, daß der feit 1602 amtierende Kaiferrichter, Mathias
Siska von Ceinom ihr jelbft Rechnung lege, warum er der Gemeinde
feither mehr als 38.000 Sch. Schulden aufgebürdet habe. Auf dieſes
Begehren, das allzu deutlich erfennen Tieß, wie die Bürgerſchaft immer
noch nicht ihr altes Recht vergeſſen lernte, wollte der Hofrichter durchaus
nicht eingehen, mm der Gemeinde nicht etwas einzuräumen, wa® ihr nun
einmal nicht mehr zufommen follte. Der allgemeine Unwille über diefe
Weigerung wurde ihm aber fo unverhofen zu erkennen gegeben, daß er
fih genöthigt fah, die Verhandlung abzubrehen und den Schluß der-
felben auf drei Wochen hinauszuſchieben. Bis dahin follten die Rech—
nungen wirklich zufammengeftellt und in feiner Gegenwart veröffentlicht
werben, jo daß es den Schein haben mußte, als erfolge die Rechnungs⸗
fegung eben nur ihm gegenüber. Die Gemeinde erfannte aber diefe Ab-
fichtlichkeit jehr wohl und war mit dem Austrage durdaus nicht zu—
frieden. Kinige Wochen vergiengen in großer Aufregung. Pasquille
wurden ausgeltreut und an die Wände gelebt, an die Kammer aber
wiederholte Eupplicationen eingereicht, welche die Unterſuchung der Sache
durch eine eigene Commiſſion verlangten. Zur beſtimmten Zeit fam der
Hofrichter wieder in Begleitung des Regiſtrators der YBuchhalterei und
hoffte durch einfeitige Verhandlungen mit den Gemeindeälteften die Sache
leichter beizufegen, Fonnte es aber den ganzen erften Zag nicht weiter
bringen, als daß fich diefe entfchieden teigerten, ohne die geſammte
Gemeinde auf die Sache auch nur einzugehen. Obgleich es num Regie⸗
rungsprincip war, ®emeindeverfammlungen bintanzubalten, mußte ſich
— 35 —
der Hofrichter dennoch abermals zur Berufung einer ſolchen entſchließen
und unterhanbdelte mit ihr in erbitterter und ftürmifcher Debatte drei
Tage lang ohne Erfolg. Die Bürger beftanden feſt darauf, daß dic
Berwaltung nicht mehr den Räthen allein überfaffen bleibe, der Hof:
ricster verweigerte aber jede Conceſſion. Am vierten Tage (Sonntage)
erneuerte er ben Rath und fuhr nah Außig, wohl in der Hoffnung,
daß es dem neuen Rathe gelingen werde, einen Ausgleich zu treffen.
As er Montags zurückkehrte, war diefer aber immer noch nicht getroffen
umd er fuhr nach Prag mit dem Auftrage, ihm von Gelingen desjelben
fogleich Nachricht zu ertheilen. Acht Tage fpäter vereinigten ſich die
Schöppen, Gemeinbeälteften und Bürger dem Rathe gegenüber dahin,
daß dieſer feine Rechnung legen und von 13 aus der Gemeinde cr:
nannten Vertrauensmännern prüfen laſſen follte, wodurch endlich Frieden
bergeitellt wurde.’)
Mittlerweile follte au die Zeit fommen, mit dem Nachbar auf
Lobofit Frieden zu fchließen. An Allerheiligen des Jahres 1608 ver«
fanmelten ſich endlich nad jahrelanger Verfchleppung wieder einmal die
drei Eommilfäre Zezima, Zeidlig und Jakob von Wiefowig, nm
beide Parteien zu hören. Waldſtein ſchien endlich alle Mittel der
Berzögerung erfchöpft zu haben und erflärte nun offen, daß er von einem
Berhör vor einer Commillion und von Unterhandfungen mit den Leit—
merigern überhaupt nichts wiſſen, fondern fich einzig auf dem Rechte:
wege finden laſſen wolle. Auf das hin befchloß die Commiſſion ſich
anfzuföfen und aus der Kanzlei des Kaiſers ergieng hierauf am 28.
Auguft 1610 ein ‘Dekret, da8 beide Parteien abermals auf den gewöhn-
lichen Rechtsweg verwies. Somit war ber Streit nah zehn Jahren
wieder beim Anfange, und nun verzögerten erjt noch bie regelrechten
Berfchleppungen jeinen Austrag durd volle Fünf Jahre, bis endlich im
Yahre 1615 das königliche Kammergericht das Urtheil in der Weife
fällte, wie e8 beide Parteien von dieſem Gerichte erwartet hatten. Indem
ſich die adeligen Richter einzig auf den Boden der Yandesordnung ftellten,
welche feiner Zeit ohne Zuthun der Bürger vom Abel entworfen worden
war, und gegen welche die Bürger oft genug proteitiert hatten, fanden
alle bejonderen Rechte der Städte, wie fie diefen durch die Fürſten noch
lange vor dem Beftande der Yandesordnung im feierlichiter Weife zuge:
fihert worden waren, feine Berüdfichtigung. Obgleich der Gebraudy des
———— — —
ty Memoralb.
— 316 —
ſächſiſchen Nechtes und des Meilenrechtes, auf den ſich die Stadt ftüßte,
durch unzweifelhaft beweifende Urkunden wie dur Jahrhunderte alten
Brauch als zu Recht beftehend erwieſen werben konnte, fanden doch all
diefe Beweife feine Berüdfichtigung vor jenen Richtern, die nur das als
Deweismittel gelten ließen, was in die Yandesordnung Aufnahme ge-
funden Hatte; fie entjchieden daher, daß es bei der Erhebung des Ortes
?obofig zur Stadt und der Verleihung des Marktrechtes an diefelbe
zu verbleiben habe, und dieß aus dem Grunde, weil die Leitmeritzer
nicht im Stande geweſen jeien, zu beweiſen, daß Kaifer Rudolf bie
Macht, Loboſitz zur Stadt zu erheben und mit einem Markte zu be»
ſchenken, zu haben nicht geruht habe.“ ')
Che aber noch dieß lang vorhergefehene Unglück eintraf, gieng es
auch ohne geringere Mißgeichidde nicht ganz ab. Am 12. Dezember 1610
paflierte Erzherzog Leopold auf feiner Reife nah Dresden Leit—
merig, *) nicht lange bevor fein Kriegsvolk den berüchtigten Einfall nad
Böhmen machte, von welcher Heimfuhnng auch Peitmerig feinen
Theil zu tragen hatte. Wir fünnen zwar nicht enticheiden, ob einzelne
Rotten des „paſſauer Volkes“ ſelbſt ihre Streifzüge bis in unfere
Gegend ausdehnten, oder ob fich inländifches Gefindel durch das Beifpiel
jener ermuntert ſah, ‚ein Gleiches zu thun — doc erzählt ein gleichzeiti-
ger Bürger ?), es jei am 20. Feber ein Haufen „frenider Soldaten“ in
die Stadt gekommen und habe das Klofter der Minoriten zu S. Jakob
erbrochen und gepfündert. Der eine Mönch, der ſich eben in bemfelben
befand, entfloh und wurde in einem Bürgerhaufe von einigen anmwejenden
Adeligen gegen die nacheilenden Soldaten vertheidigt. Kinige Wochen
Ipäter wurde das Dorf Kopift auf ähnliche Weile geplündert.
Um diefelbe Zeit trat Leitmeritz in Unterhandlungen mit Au-
Big, um durch Anlauf der Waflermant unterhalb Loboſitz dem vor-
ausfihtlihen Schaden einigermaßen vorzubauen. Am 4. Auguft 1610
wurde ein Kaufvertrag abgeſchloſſen, (der indeß erſt 1612 in bie Yandtafel
gelangte) wornah Außig gegen einen Kaufpreis von 9000 Sch. das
Dorf Zaleft fammt den zehn Anſäßigen daſelbſt, den freien Pläßen
bi® zur Elbe, zwei Mühlen und einem Kretſchem, der Eibefifcherei und
dem Elbezolle nebſt den Stiftungsunterthanen zu Zirkowitz und
allem anderen Zugehörigen an die Stadt Yeitmerig abtrat, fih aber
das Recht vorbehielt, daß die Außiger Bürger gegen Borweifung einer
') Copie im I. St. W. ?) und ?) Urladius’ Epbemeriden. Ms.
— 371 —
Fünfzig paffende Bauhölzer für die Brüde, die Kölbel auf cigene
Koften bis Auffig zu Schaffen verfpradh, waren Allee, was jich die Ge—
meinde vorbehielt.
Der nächſte Commiffionstag wurde auf den 12. November, alio
Ipät nach der Ernte, deren Nugen Waldſtein indeflen trog allen faifer:
lien Verboten zog, feitgelegt. Wer aber wieder nicht fam, war Wald⸗
tein — er müfle in Privatangelegenheiten nah) Mähren reifen, jchrieb
er. Leitmeritzer Rathsperſouen wallfahrteten nah Wchynitz zu Johann
von Wrefowig, einem der Commiffäre, um wenigſtens den Troſt
ner neuen Tagfahrt zu erbitten. Dieſe murde auf den 15. Jäner
1602 feftgefegt. Als aber der S. Makariustag fam, ließ fich meder
Valdftein, noch irgend einer der Commiffäre fehen. Der Herr auf
Bchynitz, an den man fih abermals wandte, fand die Sahe ganz
erklaͤrlich — es habe nämlich außer ihm von diefer Tagjahrt niemand
etwas gewußt. Nun giengen wieder Abgefandte nach Prag, um durd
ernenerte Gefuche beim Rammerpräfidium cine neue für alle Parteien
verbindende Tagfahrt zu erbitten. Hierauf erhielten die Commiſſäre am
8. Feber den Befehl, die Parteien zu hören — da erkrankte einer der:
ſelben und verlangte abermalige Berichiebung. Die Yeitneriger baten
abermale um Kinfegung eines andern Commiſſärs an Stelle des erfranften.
Zugleich klagten fie, wie ohne alle Rückſicht auf die Faijerlichen Befehle
Getreidehändler bei und unterhalb Loboſitz laden mmd' diejenigen, Die
fe nach Recht anhalten wollten, mit Gewaltthätigfeit bedrohen, ja auch
de Außiger machten Miene, die Arrejtierung der unverzollten Waare
Gunften Leitmeritz's nicht mehr wie vordem vorzunchnen. Der Kaiſer
ernannte an Stelle des MWartenbergers Johann Zezima auf
Yufha zum Commiſſär und befahl Walditeim neuerdings aufs
Etrengfte, ji) am 27. Juni vor der Commiſſion zu ftellen. Grade in
dieſe Zeit follte das Burggrafengericht fallen, bei welchem die Prokura
teren der Stadt Yeitmerig, W. Radnicky md WE Rudel
beſhaftigt waren, deren Entlaſſung zwar gebeten aber nicht gewährt
wurde, fo daß ſich die Bürger entſchloßen, ihre Vertheidigung ſelbſt auf
N zu nehmen. Da fi Waldſtein in nleiher Yage ohne Profurator
bejand, verlegte die Kammer jelbjt die Tagfagung. Dieß zeigte den
vchenden Wind an: Waldſtein hatte bei der oberjten Behörde wieder
Kumpel die Oberhand gewonnen. Es wurde ihm geftattet, mit Umgehung
Kr Commiſſion die Gemeinde Yeitmerig abermals auf den 6. Juli
es Kammergericht zu laden. Zugleich fahen die Bürger, daR ihm
24*
378 —
Berwaltung und die hiemit in Zuſammenhang gebrachte Verſchuldung
der Gemeinde laut wurde, fo ift es begreiflich, daß ſolche Fälle fie nicht
beſchwichtigten. Vielmehr erfchien nun die Regierung felbitj als Haupturſache
der erdrüdenden Schufdenlaft, und gegen diefe wandte fih aller Groll.
Kein Wunder, wenn ber Jubel nicht jehr von Herzen gieng, mit bem
Yeitmerig feinen Raifer Mathias empfieng, als er am 28. Auguft
auf der Rüdreife von Dresden in Gefellfchaft des neuen Königs Fer
dinands IL, ſo wie der Erzherzoge Karl und Marimilian dafelbft
einzog und übernachtete.) Kfagte man aber Rudolf und Mathias
der Mißrenierung an, fo fah man in der bevorftehenden Regierung Fer⸗
dinands L. die größte Gefahr für die beftehenden Religion 8 verhäftniife.
Den Utraquismus, der fic den Formen nach ganz an die katholiſche
Kirche anſchloß und äußerlich in Geremonien, Faften und Umzügen, Bil:
der⸗ und Heiligenverehrung von diefem kaum zu unterjcheiden war, haben
wir bereit im frühern Zeitraume als herrſchend vorgefunden. Obgleich
er feinem Wefen nad einen Uebergang zum augsburgifchen Xehrbegriffe
hätte anbahnen können, fo erfchien diejer jenem doch faft al8 eine ebenfo
große Neuerung, wie dem Katholizismus, in jo fern eben bie abweichen⸗
den Formen beim Volke am kmeiften ins Gewicht fielen. Wie fi fomit
die Bürgerſchaft durch Gemeindebefchlüffe gegen die Katholiken abſchloß,
jo verhielt fie fi aud; dem Protejtantismus gegenüber länger abwehrend
al8 andere, ſelbſt bisher rein katholiſche Städte, in denen das Bedürfniß
der Reform ein Tebhafteres war, wie in den theilweife befriedigten utra-
quiftifchen. Während in vielen von jenen ein Widerhall deifen, was in
Deutichland gepredigt und gelungen wurde, faft gleichzeitig fich vernehmen
läßt, finden wir in Xeitmerig erft am Ende des 16. Yahrhundertes
die erften Spuren deutfch-reformatorifcher Einwirkung auf ben harmlofen
Utraquismus. Erft mit dem Dechant Wenzel von Brod, der um 1570
fein Amt antrat, verließ die Kirche zu Leit meritz die Schranken dieſes
Bekenntniſſes und ſchloß fi nah und nah immer mehr an die Lehren
des deutjchen Neformators an. Hiemit begann aber auch von Neuem
der confeflionelle Streit und Kampf, und vLeitmeritz ſchloß fi auch in
diefer Hinfiht von den bekannten Beſtrebungen der Michrzahl der Land-
ftädte nidht aus. Der Magijtrat war für die Neuerungen Wenzels
bald gewonnen und gab ihm (1573) das fchriftliche Zeugniß, daß er fie
billige. Zwar wagte er es noch nicht, das Bekenntniß des Dechants beim
) Urlad. Epb.
— 35 —
der Hofrichter dennoch abermals zur Berufung einer foldyen entjchließen
und unterhandelte mit ihr in erbitterter und ftürmifcher Debatte drei
Zage lang ohne Erfolg. Die Bürger beftanden feſt darauf, daß dic
Verwaltung nicht mehr den Näthen allein überlaflen bleibe, der Hof:
richter verweigerte aber jede Conceflion. Am vierten Tage (Sonntags)
ermenerte er den Rath und fuhr nach Außig, wohl in ber Hoffnung,
daB es dem neuen Rathe gelingen werde, einen Ausgleich zu treffen.
AUS er Montags zurückkehrte, war diefer aber immer noch nicht getroffen
md er fuhr nad) Prag mit dem Auftrage, ihm von Gelingen desjelben
ſogleich Nachricht zu ertheilen. Acht Tage fpäter vereinigten fich die
Schöppen, Gemeindeälteften und Bürger dem Rathe gegenüber dahın,
daß biefer feine Rechnung legen und von 13 aus der Gemeinde cr:
nannten DBertrauensmännern prüfen lajlen follte, wodurch endfich Frieden
bergeftellt wurde. ’)
Mittlerweile follte auch die Zeit kommen, mit dem Nachbar auf
Lo boſitz Frieden zu fchließen. An Allerheiligen des Jahres 1608 vers
ſammelten fich endlich nach jahrelanger Verfchleppung wieber einmal die
drei Commiſſäre Zezima, Zeidlig und Jakob von Wiefowig, um
beide Barteien zu hören. Waldftein fehien endlich alle Mittel der
Berzögerung erjchöpft zu haben und erffärte nun offen, daß er von einem
Berhör vor einer Commiſſion und von Unterhandlungen mit den Peit-
Merigern überhaupt nichts wifjen, fondern fich einzig auf dem Rechts:
Wege finden laſſen wolle. Auf das hin beſchloß die Commiſſion fich
anfwlöfen und aus der Kanzlei des Kaiſers ergieng hierauf am 28.
Auzuſt 1610 ein Dekret, das beide Parteien abermals auf den gewöhn-
Ligen Rechtsweg verwies. Somit war der Streit nah zehn Jahren
Wieder beim Anfange, und nun verzögerten erft noch die vegefrechten
Verihleppungen jeinen Austrag dur volle fünf Jahre, bis endlich im
Behre 1615 das Föniglihe Kammergericht das Urtheil im der Weife
Fakt, wie es beide Parteien von dieſem Gerichte erwartet hatten. Indem
fiqh die adeligen Richter einzig auf den Boden der vandesordnung ftellten,
Welche feiner Zeit ohne Zuthun der Bürger vom Adel entworfen worden
Wer, ımd gegen welche die Bürger oft genug protejtiert hatten, fanden
«le Hefonderen Rechte der Städte, wie fie diefen durch die Fürften noch
lang vor dem Beſtande der Yandesordnung in feierlichfter Weife zuge:
Wert worden waren, feine Berüdfihtigung. Obgleich der Gebrauch des
|
) Nmaoralb.
— —
— 380 —
Wit, auch Netolickh genannt, weigerte fich entfchieden mit feinen Schülern
auszurüden. Dafür wurde er nad Prag citiert und auf anderthalb Wo-
hen in den Thurm gejtedt. Nichts deftoweniger verfuchte e8 Stephan
der Slovake — fo hieß ber Dechant — kein zweite® Mal mehr mit
der Brozeflion. ?) Außer der bereits eingewurzelten Abneigung gegen die
Formen des Katholizismus ſchadete den Reformverſuchen bes Dechants
am meiften feine eigene Unfähigkeit und der Aergerniß gebende Yebens-
wandel. Nicht felten kam es zu lautem Streite zwifchen ihm und feinen
ungläubigen Zuhörern, wenn er von der Kanzel herab feinem Unmuthe
Luft machte. Als er dem verftorbenen Bürger Adam Noſydlo (1607)
die Leichenprebigt hielt und dabei ganz „bachantifch” auf den dahin Ge-
ſchiedenen fchimpfte, wurde der Tumult fo groß, daß er von der Kanzel
berab mußte. *) Darauf bat er um feine Demilfion in der Hoffnung
beim Rathe eine Stüge zu finden — diefer aber gab fie ihm überaus
bereitwillig. Trogdem, daß dieſer Verſuch mehr verfchlechtert als verbeifert
hatte, ließ fich einer feiner Nachfolger, Mathias Woſchitka, den die
Gemeinde indeß ‚nur proviforiich angenommen hatte, dennoch auf ähnliche
ein, worauf ihn der Rath feines Amtes enthob (13. Dezember 1612). >)
Erſt hierauf erhielt die Gemeinde wieder einen proteftantifchen Prediger,
wie fie ihm wünjchte, in der Berfon des Georg Sequenides von
Chotebofr (Ghoteborenus), der die volljtändige Vernichtung feines Be—⸗
fenntniffes in feinem Kirchipiele erleben follte. Nicht gefchickter als die
Geiftlichen benahmen ſich die königlichen Beamten, fo oft fie nach den
Zeiten des duldfamen Dax dem Katholizismus allmählig wieder im
Kleinen zurüd zu erobern verfuchten, was nun einmal im Großen ver-
foren fchien. Eben diefe Meinliche ewig nergelnde Politik charakterijiert
das Zeitalter Rudolfs II. Wir wollen nicht entfcheiden, ob der Gemeinde:
beſchluß von 1517 ohne die königliche Sanetion von rechtsverbindlicher
Giltigkeit fein fonnte, wol aber ift ficher, dag im einzelnen Falle die Ge-
meinde felbft über die Aufnahme neuer Bürger zu enticheiden hatte, und
diefe einem Katholiken chen nicht zu gewähren pflegte, obgleich fich auch
nad; 1517 immer noch Katholifen unter den Bürgern befanden. Nun
meldeten fich 1617 zwei Männer, der eine Namens Nikolaus Mrazet
aus Budin, der andere Namens Bartholomäus Collen, um da® Bürger-
teht in Yeitmerig. Beide waren nicht nur Katholiken, fondern fie
ftanden auch in dem Geruche, befondere Werkzeuge der Jeuſiten zu fein.
) and *:) Demorabi. °) Urcad. Eph.
— 379 —
rechten Namen zu nennen, da die Vereinbarung ber nachmals fogenann-
tn böhmischen Confeſſion noch nicht ftattgefunden hatte, doch ift unter
dem „Ritus der wahren urfprünglihen Kirche Chriſti,“ wie ihn
Wenzel befolgt Haben fol, jedenfalls ein anderer als der utraquiftifche
zu verftehen. Deutlich bewies dieß auch der Dechant, indem er der erite
in Keitmerig, nicht Tange nach jeiner Ankunft dafelbit, ein Weib nahm,
von welcher Zeit an num durch ein halbes Jahrhundert neben dem Herrn
Dechant auch eine Fran Dechantin auf unferem Pfarrhofe waltete — nicht
immer zur Zufricdenheit der Gemeinde fo wie der Kapfäne, wie fi an
linem Orte zeigen wird. Minder einverftanden als der Magiſtrat war
mit diefer Neuerung das utraquiftifche Gonfiftorium, die oberfte Kirchen-
behörde. Diefe befahl dem Dechant fein Weib zu entlajfen und drohte
ihm im Weigerungsfalle mit Sufpenfion. Der Stadtrath aber nahm fidy
feiner auf das wärmſte an und bat bejonders den Herzog Augujt von
Sachſen um feine Fürſprache beim Kaifer '). Diefe muß nicht erfolglos
geblieben fein, denn Wenzel blieb nun beweibter Dechant bis an fein
Lebensende (1575), um fo mehr da mittlerweile Utraquiften, Qutheraner
und fogar böhmifche Brüder zu der erwähnten „böhmischen Confellion“
fich einigten und der Spielraum innerhalb diefer Bekenntniſſe ein weit
größerer wurde. Auch das Bekenntnis der böhmischen Brüder hatte
feine Bertreter unter den Bürgern, obgleich es eine größere Anzahl Angehö-
Tiger auf dem offenen Lande zählte als in der Stadt. Nachdem aud) diefe
Cenfeffion in die böhmifche aufgenommen war, bauten ihre Anhänger
(1581) im unferer Gegend einen eigenen Tempel in Ctinowes (bei
NRaudnig). *)
Während diefe Verhältniffe unter der Regierung Marimiliane II.
in ein ruhiges Geleis gekoinmen waren, erhob fih unter Rudolf II.
eine abermalige Reaction, die, durch ungeſchickte Organe vollzogen, nichts
crreichte, als daß fie an die Stelle der Zufriedenheit neuerliche Erbitte-
Tung ſetzte. Durch uns nubekannte Mittel war die proteftantifche Gemeinde
1603 zur Annahıne eines Dechants bewogen oder gezwungen worden,
der ſich nachmals als Organ der Fatholifchen Reaction entpuppte. Seine
Segenreformation begann er mit dem Verſuche der Wiedereinführung der
Srohnleichnamsprozeffion, die er 1603 wieder um den Ring führte, nad)-
dem fie feit langer Zeit nicht mehr üblich gewefen war. Cr ftic aber
“heftigen Widerftand. Der Rector des Gollegiums, M. Hieronymus
— —
) Cuiel. 9) Wımorabt.
— 332 —
zeitweilig in Peitmerig felbft aufhielten. Wenzel Wilhelm von Ruppau
und Radislav Kinskij waren die nächſten Nachbaren der Stadt, jener
von Schüttenig, diefer von Jahotan aus, Daniel Streta Schot-
nowsky war bei der Stadt ſelbſt begütert. ‘Di. Valentin Koch an und
Sohann Theodor Sirt von Ottendorf waren mit feilmeriger Bürger
famifien nahe venwandt. Außerdem waren Kapler und Ruppau
Gläubiger der Stadt mit bedeutenden Summen.
Der Kriegsbereitihaft halber war ſchon früher die Stadt außer
den PVorftädten Neuftadt, Zaſada, Woldana, unterm Colleg,
vor dem langen Shore, deren jede unter einem Hauptmanne ftand,
in vier Viertel eingetheilt. Hauptleuten und Zehentnern (desätnici)
war ihr beſtimmter Wirkungskreis angewiefen. Außer ihnen beftellte der
Magiftrat einen „Generalhauptinanmn,” einen Fähndrich und einen Haupt:
mann zur Auffiht über die Waffen und Gefhüge der Stadt. Der
Magiſtrat beftand in dem verbängnißvollen Jahre 1618 (feit dem 24.
April) aus folgenden Männern: Johann Woborsky, Primator, Si-
mon Fritfh, Veit Nymburskh, Johann Kneyſel, M. Pant
Stranety, Mathiag Lukas, Wenzel Schmidt, Johann Haniſch,
Johann Hauſchka von Adlersberg, Nikolaus Mraz (Mrazek), Io-
hann Mites, Iſaias Welik von Schönau. In deren Arntezeit fiel
der entfcheidende Act der Zuſtimmung zur Wahl des Gegenkönige Fried-
rich von der Pfalz, durch melden Yeitmerit entichieden auf die Seite
der Revolution trat. Doch müſſen nicht alle jene Magiftrateperjonen
mit gleihem Eifer der neuen Wendung der Dinge zugethan gemefen fein,
einzelne waren entfchiedene Gegner. Sriedrich wurde am +4. November
1619 gekrönt, und am 5. Dezember erfchien bereits fein neueingeſetzter
Unterfämmerer Prokop Dmwotecty von Olbramowitz in VYeitmerig,
um den Kath im Sinne der neuen Ordnung zu erneuen. Woborety,
Kneyfel, Lukas, Shmidt, Haniſch und Niklas Mraz wurden
ausgefchloffen und an ihrer Stelle Johaun Hradistfty, Wenzel
Aunhostſki, Wenzel Hostkcky), Kohann Budinsly von Wy—
ihetin und Wenzel Rambaufef eingelegt.
Den Umfchwung der Berhäftniffe benüßte die herabgefommene Stadt
zunächſt dazu, um aus der beichloffenen Veräußerung der geiftlichen
Güter Gewinn zu ziehen. Durch ben Yandtagsfchluß vom 28. October
1619 bevollmächtigt verkauften die oberften Yandesofficiere und Kandrichter
des Königreichs am Samftage nach Septuagefima 1620 der Gemeinde
Leitmeritz biejenigen Güter, die der Brobftei und Domdechautei
— Te
— 331 —
Der erftere wenigftens rechtfertigte nachmals den Verdacht. Der Rath
verweigerte ihnen, wie vorausfichtlich, die Aufnahme, fie wandten ſich an
die königliche Hofkanzlei, diefe berief drei Räthe und den Stadtſchreiber
M. Stransty nah Brag und der Kanzler ftedte fie auf folange in
den Thurm, bis die beiden Katholifen in den Gemeindeverband aufge:
nommen wurden. ) Das ınag nicht Gewalt, fondern nur Strenge zu
nennen fein, — fehr ungejchidt aber war es gewiß, wen zu Liebe es
immer geichehen mochte, wenn ber Hofrichter wenige Monate darauf
(am 24. April 1,13), da die erfte Gährung der Gemeinde noch nicht
borüber war, den mißliebigften der beiden neuen Bürger, Nikolaus Dir a>
jet — zum Rathe ernannte. ?) Im welche Stimmung diefer Vorgang
die nahezu ausſchließlich proteftantifche Gemeinde verfegte, iſt leicht zu
errathen; das längft geſchwundene Mißtrauen in die Regierung wieder zu
erwecken war er wenigjtens wicht geeignet. —
Nach all dem kann e8 nicht mehr ziveifelhaft fein, auf welcher Seite
wir unfere Stadt zu fuchen haben, wenn in den folgenden Jahren durch
ähnlihe und andere Ereigniſſe hervorgerufen jener befannte Aufjtand
pröteftantifcher Stände gegen die Regierung ausbrad, der wuglückſeliger
endete, al8 der von 1547. Neitmerig hat deinfelben weder cine befondere
Anregung gegeben noch fich hervorragend an demſelben betheiligt, doch
durfte man von deinjelben, als einer proteftantifchen Stadt, auch nicht
erwarten, daß es fi) bei der Gemeinſamkeit der Intereſſen, bei gleichen
Erfprungen und gleichen Befürchtungen der Gemeinſchaft ſämmtlicher
moteftantifchen Stände entzichen werde: es jchloß fich vielmehr ganz
tüchaltlos der revolutionären Regierung der dreißig Direktoren,
lo wie nachmals der des König Friedrich von der Pfalz an und ver-
af jo mit im den Strudel jener unheilvollen Zeit.
4. Die Beit der Gegenreformation.
Dit den im Jahre 1618 auftretenden Direktoren hielt die Gemeinde
reimeriz im fo inniger zuſammen, als die Haupttrichbfedern der politi:
en Bewegung auch noch perjönlich in mehr oder minder naher Bezic-
ja Stadt ftanden. Mit der alten familie der Kapler jtanden
vele Bürger in intimen Verhältniſſen, da ſich viele Glieder derſelben
— _
' Historia persecutionum. ?) Die Ratheverzerichniſſe berweifen die Richtigkeit der
%6 Perſecntian obüchleine.
— 384 —
mann Georg Wildelm Sezima von Sezimomo-Aufti auf Jiſtkupy
und Liebeſchitz um 9500 Sc., und gab fo den ficheren Beſitz gegen
unficheren hin, um fchließlich um beides zu kommen. Der Kauf wurde am
19. Mai gefchloffen, ohne in die Landtafel eingelegt zu werben, wie aud)
Sezima nie mehr als eine Abfchlagszahfung von 4000 Sc. geleiftet hat.!)
Während auf diefe Weife der Ecchiiche Magiſtrat für das allge:
meine Beſte zu forgen glaubte, hatten auch die Deutfhen in ber
Stadt begonnen, für ihren Vortheil thätig zu fein. Sie kauften im Jahre
1620 von der Regierung König Friedrichs das ebenfalls eingezogene
Minoritenkloſter in der Judengaſſe (jegt Dominikanerkloſter) ſammt dem
Kirchlein um 2500 Sc., worauf fie jedod nur 780 Sch. 30 gr. wirf-
lich auszahlten.?)
Die Brüder wurden herausgetrieben und die Deutichen fetten ſich
in den Befig des damals fehr Kleinen Klofters und des Kirchleins, das
ih in fehr verwahrloftem und baufälligem Zuſtande befand. Tb und
was für Grauſamkeiten dabei vorgekommen fein mögen, wird uns nir:
gends berichtet; nur fo viel geht aus der Zufammenftellung aller über:
lieferten Zhatfachen hervor, daß die Klagen des nachmaligen Quardians,
„die Deutichen hätten die Brüder zerftreut und gemordet,“ jehr über-
trieben find. Zur Beauffichtigung diefer Kirche wurden am 1. April
1620 Aegydius Keller, Bartholomäus Keißmann, Bernhard Kerbe
und Martin Preitel ald Kirchenväter eingejegt.
Mit für die geringen Kräfte der Deutjchen bedeutendem Aufwande
begannen jie die Herjtellung der verfallenen Gebäude, festen neue Bänte,
einen neuen Predigtftuhl und Altar in die Kirche und wandten fih an
die Regierung um Zufendung eines deutſchen Prediger. Diele will⸗
fahrte der Bitte und fandte ihuen einen ledigen Mann als Priefter,
dejien Namen wir nicht bejtimmt angeben können.) Er wohnte in dem
Heinen Klofter und hielt den deutfchen Sottesdienft bis zu der durch den
8. November 1620 entjchiedenen Wendung der Dinge.
Bon weld kurzer Dauer die Regierung Friedrichs war, und
wie durch den Sieg auf dem weißen Berge vor Prag der latho-
liſche Ferdinand Il. Herr des Königreiches wurde, ift allbelannt.
') Sedenkbud der Stadiſchreiber. *) Ebendaſelbſt. ?) Wahrſcheinlich war es der
in der Eonfiscationslifte genannte Brädilanı Wenzel Hruſchowansky, und
diefer fönnte möglicher Weife Eine Berfon fein mit dem bei Peſchel (Gegenr. Il.
65 u. 446) Netsnelen dem hitmeriger Dedhant Georg Sequenides genannten
M. Wenzel Meriffäne, gewefenen Pfarıer von Hruſchowitz.
— 385 —
Leitmeritz wurde bald nach dieſem entfcheidenden Tage durch 5 Com⸗
pagnien vom Regimente bed Kurfürften von Köln für den Kaifer in
Bei genommen.
Cine bange angjtvolle Spannung mußte fi) aller Gemüther be-
mächtigen. Dan kannte die Abfichten Ferdinands, feine Reformen
in Steiermart, feine NRäthe, die Jeſuiten — aber alles gieng nod)
rubig feinen alten Gang. Das Todesurtheil fchwebte über jedem Kin:
zelnen Haupte und eine peinfiche Ungewißheit ängftigte die Sculdbe:
wußten. Ferdinand wollte ja feine Bürger nicht vernichten, fondern
befehren, und die Pein der Ungewißheit kann man wohl mit zu den
Hug erfonnenen Mitteln rechnen, mit denen feine Rathgeber auf bie
Gewiſſen fo vorzüglich zu wirfen wußten. Am Sct. Stephanstage (26.
Dezember) 1620 erſchienen als Commiſſäre des Statthaftere Fürften
Lichtenſtein Ritter Dionys Markwart von Hradet, Herr Wenzel
ber eltefte Wratislam von Mitrowig und Herr Wenzel Mla—
bota ron Solopisf, um einen neuen Stadtrath einzufegen, ignorirten
den beftehenden und beftätigten von Perjon zu Perfon den von 1618,
obgleich auch in dieſem fehr viele vom letztjährigen faßen, und dadurd)
rabicale Hufiten wie Stransty zwar am Ruder bficben, aber von
Collegen wie Niftae Mrazek leicht überwacht und denunzirt werden
fonnten. Auch beftätigte die Commiſſion den kaiſerlichen Richter Ma»
thias Schimetſchek (anders Siesta) in feinem Amte, das er ſchon
feit 1602 (13. Yäner) beffeidete, obgleich er zu der reichen Familie der
Simeket gehörte, die größtentheifs proteftantifch gefinnt waren. Bald
aber wurde Niklas Mrazef fein für die bevorftchenden Geſchäfte
tauglicherer Nachfolger. Diefer Nat) blieb bis 1625 im Amte, und
felbft in diefem Jahre wurden viele Utragnijten am 5. Mai durd den
Unterfämmerer Pribit Jeniſchek von Aujezb wieder als Nathe-
berren beftätigt. Es follte eben nicht den Anfchein gewinnen, als fei es
auf die Confeſſion abgejehen.
Inzwifchen kam aber doch fo mande Kunde nad) Peitmerig, die
jebem Einzelnen darüber die Augen öffnen konnte, was feiner warte.
Schon 1620 hatte Ferdinand über die Einwohner von Yeitmerig
fo wie über die anderer Städte die Straffälligkeit an Ehre, Yeib und
Gut und den Berluft aller Privilegien wegen des begangenen Hoch—
verrathes ausgeiprocdhen. Der biutige Tag des 21. Juni 1621 mußte
den Bürgern als eine um fo furchtbarere Borbedeutung erfcheinen und fie
amı fo tiefer ergreifen, al® unter den 27 hochangefehenen Opfern aud)
25
— 380 —
Wit, auch Netolickh genannt, weigerte fich entfchieden mit feinen Schülrw
auszurüden. Dafür wurde er nad Prag citiert und auf anderthalb Bu
hen in den Thurm geftedt. Nichts deftoweniger verfudhte e8 Stephen
der Slovake — fo hieß der Dedant — fein zweites Mal mehr mr
der Prozeflion. *) Außer der bereits eingewurzelten Abneigung gegen Di
Formen des Katholizismus chadete den Reformverfuhen des Dedant
am meiften feine eigene Unfähigkeit und der Aergerniß gebende Lebens
wandel. Nicht felten fam es zu lautem Streite zwifchen ihm und feinen
ungläubigen Zuhörern, wenn er von der Kanzel herab feinem Unmuthe
Luft machte. Als er dem verftorbenen Bürger Adam Nofydlo (1607)
die Leichenpredigt hielt und dabei ganz „bachantiſch“ auf den dahin Ge—
Ichiedenen fchimpfte, wurde der Zumult fo groß, daß er von der Kanzel
herab mußte.) Darauf bat er um feine Demilfion in der Hoffnung
beim Rathe eine Stüge zu finden — bdiefer aber gab fie ihm überaus
bereitwillig. TZrogdem, daß dieſer Verſuch mehr verfchlechtert als verbeilert
hatte, Tieß fich einer feiner Nachfolger, Mathias Woſchitka, den die
Gemeinde indeß .nur proviforifch angenommen hatte, dennoch auf ähnlide
ein, worauf ihn der Rath feines Amtes enthob (13. Dezember 1612).°)
Erit Hierauf erhielt die Gemeinde wieder einen proteftantifchen Prediger,
wie fie ihn wünfchte, in der Perfon des Georg Sequenides von
Chot!bor (Choteborenus), der die vollftändige Vernichtung feines De
fenntniffes in feinem Kirchipiefe erleben follte. Nicht gefchicter als die
Geiftlihen benahmen fich die Föniglichen Beamten, fo oft fie nad den
Zeiten des duldfamen Dax dem Katholizismus allmählig wieder im
Kleinen zurüd zu erobern verfuchten, was nun einmal im Großen ver’
foren ſchien. Eben diefe kleinliche ewig nergelnde Politik charakteriſiert
das Zeitalter Rudolfs Il. Wir wollen nicht entſcheiden, ob der Gemeinde
befhluß von 1517 ohne die Fönigliche Sanction von rechtsverbindfider
Giltigkeit fein fonnte, wol aber ift ficher, daß im einzelnen Falle die Ge
meinde felbjt über die Aufnahme neuer Bürger zu entfcheiden hatte, und
diefe einem Katholiken eben nicht zu gewähren pflegte, obgleich fid auch
nach 1517 immer noch Satholifen unter den Bürgern befanden. Nun
meldeten fih 1617 zwei Männer, der eine Namens Nikolaus Mrazet
aus Budin, der andere Namens Bartholomäus Collen, um das Yürgee®
recht in Leitmeritz. Beide waren nicht nur Katholiken, *
ftanden audy in dem Geruche, befondere Werkzeuge der Ye
) uud ?) Memorabi. °) Arcod. Eyh.
— 387 —
it ceinleuchtend, wenn man erfährt, daß die Waldſteinſchen Truppen
allein in kurzer Zeit 500 Fäſſer Wein vertilgten. Die beiden Commiſſäre
preßten außerdem der Gemeinde zwei Schuldverſchreibungen von je 1000
Thalern ab. 1623 wird Johann Rip von Yichtenfeld ale Suber-
nator von Leitmeritz und Hauptmann des ganzen Nreijes genannt.
Unter folhen Vorbereitungen rüdte das eigentlidie Neformations:
wert heran. Im Jahre 1623 verziceh Ferdinand den Bürgern von
“eitmeriß die angedrohte Strafe an Yeib und Ehre und reduzierte
diefelbe auf den Verluſt ihres Gutes allein. Als Commiſſäre, welche jedes
Sinzelnen Verbrechen und Bergehen gegen die königliche Deajeftät unter:
fuchen, ficher ftellen und cin verhältnismäßiges Strafausmaß vorjhlagen
jollten, wurden durch den Fürsten Karl von Yichteujtcin Georg Wil
beim Michna von Wacinow, derjelbe, der 1617 als Kanzleiſekrelär
die leitmeriger Räthe hatte einſperren lalfen, und Andreas Kotwia von
Freifeld eingeſetzt.
Dieſe „Inquiſitionscommiſſion'“ bezog ſich in ihrer Wirkſam
keit vorderhand in directer Weiſe nicht auf Glauben und Religion,
ſondern vor Allen auf die Unterſuchung politiſcher Verbrechen: fie
wurde aber infofern ein Neformationsorgan, ala diejenigen, dic
während des cingeleiteten Prozeſſes katholiſch wurden, mit der Nieder:
ihlagung ihres Prozeſſes und fomit mit Erhaltung ihres Ber:
mögens. belohnt wurden. ?) Melche, hiedurch angelodt, durch die Quäle
reien der als Aſſiſtenz fungierenden Einquartierungen und die Ungewißheit der
Zukunft geängjtigt, noch vor Beendigung des Inquiſitionsverfahrens ihren
Glauben wechjelten, können wir nicht mehr namentlich nachweiſen. Daß
es eine Deinderheit war, die beſonderd im den voruchmiten Häuſern cine
geringe Vertretung Fand, geht aus der Anzahl derer hervor, die ſich ver—
urtheilen ließen und lieber Hab und Sat, als ihren Glauben opferten,
Alle in den nachfolgenden Inquiſitionsregiſiern nicht genannten Bürger
muß man entweder ala inzwijchen angeſiedelte Watholifen oder als zum
Katholizismus vor Beendigung des Inquiſitionsnperfahrend Uehergetretene
anjehen, da aui Nichtanerlennung des Pfalzgrafen Friedrich ale Königo
von Böhmen von Zeiten rinzelner atatbeliicher Bürger aus gar
nichts au fchlieien iſt, und im der Anertemmmmg eben die Straifälligkeit
beruhte.
1) Tieſes Mittitel, das wer Jin rinee der waichtigeren dallen, hat Peſfſhet in ſeiner
„fegenreformation““ ganz siberfehrn.
2.7
— 38 —
In Reitmerik begann die Ingquifitionscommiflion ihre Thätigkeit
unter dem Borfige des Herrn Georg Wilhelm Mihnavon Wacinom,
Hauptmanns aller königlichen Städte und Herrfchaften in Böhmen und
der richterfichen Yeitung des neu eingeſetzten Kaiferrichtere von Leitmeritz
Nikolaus Mrazek (Budinskü) am 14. Juli 1623. ) Die Unter:
ſuchnng geſchah auf freiem Fuße und die Grundlage des gerichtlichen
Vorgehens bildeten dic eigenen Bekenntniſſe und die Ausfagen der aufge:
brachten Zeugen. Im vielen Fällen war Angeber und Richter Eine Perſon
Niffas Mrazek. Weber den Thatbeſtand des Verbrechens der einzelnen
Verurtheilten finden wir leider feine Nachrichten, da die Inquifitions-
commiffion felbft erklärt, „es wäre bei der großen Anzahl ber Verſchuldeten
in Leitmeritz cine allzuweitläufige und einiger Maßen überflüßige
Sade, ein Urtheil über jeden Einzelnen zu Sprechen und zu begründen.”
Da aber doch die Arten des Verſchuldens verjchieden waren, jo wurden
die Einzelnen nach der Größe ihres Verbrechens in ſechs Claſſen ein:
gereiht, fo daß in der erften Claſſe die am meiften und in der ſechſten
die am mindeften Verſchuldeten erfchienen. In gleicher Weile wurde
auch das ſämmtliche bewegliche und unbewegliche Vermögen eines jeden
Berurtheilten nach dem gerichtlichen Schägungswerthe in „ſechs Uncias“
oder 6 Theile getheilt, und die in erfter Claſſe Verurtheilten zum
Verluſte aller ech 8, die in zweiter zum Berfufte von fünf, in dritter
von vier, in vierter von drei, in fünfter von zwei und die in
fehfter zum Berlufte von Einem Theile verurthellt. Alle Strafe
erlaffen war nach Taiferficher Verordnung nur denen, die in Nichts ver:
ſchuldet befunden wurden, denen, die zur Zeit des Aufruhres unmündige
Waiſen waren, den Weibern, die zur felben Zeit unter der Gewalt eines
Mannes ftanden, und wie fhon erwähnt denen, die vor oder während
des Gerichtsverfahrene zur fatholifchen Kirche zurückgetreten waren. Die
Güter aller derer aber, die feit den Anfjtande geitorben waren, follten
ohne Rüdficht auf die fonftigen Erben an die kön. Kammer fallen, da
die Stadt ohnehin feit der Aufhebung ihrer Privilegien fein Recht auf
die Heimfälfigkeiten mehr befige. Gegen Perfonen des weiblichen (Se:
Schlechts, welche zur Zeit der Empörung nicht unter der Gewalt eines
Mannes ftanden, wird wie gegen Männer vorgefchritten, nur mit dem
Unterfchiede, daß fie nur unter die VBerfchuldeten der ſechſten Claſſe
gezählt werden können.
Diejenigen Bürger, die als vorzüglich an dem majeftätsverbrede-
|
— 389 —
rien Aufſtande gegen dem bereits gefrönten König Ferdinad II. be»
tgeiligt in die erfte Claſſe der Verſchuldeten veingereiht und zum Ber:
lufte alles beweglichen und unbeweglichen Vermögens nach dem Vorſchlage
der kön. Commiſſion verurtheilt zu werden verdienten, find namentlich
folgende: Iſaias Welif von Schönan (z Sonowa), der mütterlicher
Seite aus dem Haufe Hauſchka von Adlersberg ſtammte und mit
den Familien Mraz und Kolda verjchwägert war. Von 1618 —1620
war er Mitglied des Rathscollegiums gewefen. Sein Haus lag neben
der St. Marienkirche, die jetzt fammt diefem und cimigen anderen das
biſch. Seminär bildet. Der junge Erbe des Dionys Hauſchka, Be—
ſitzer des jegigen Gemeindehaufes; Wenzel Helwik von Welzom,
Nachbar des Borigen; danı Kaſpar Koch, Johaun Plato, Johann
Moftnit von Nifchtig, gewelener Stadtfchreiber und Stadtridıter,
Martin Zunet, Tobias Spata, Jakob Roßa, der Gemal der Ludmilla
Burtyne, Johann Hauſchka von Adlersberg, Gemal der Regina
DMraz und Schwiegervater de8 Johann Moſtnik, jeit 1618 bie zu
jeinem Tode Rathsmann und Hauptmann des 2. Stadtviertele. Zur
Zeit feiner Verurtheilung war diefer nicht mehr unter den Nebenden ; nichts
defto weniger aber wurde feine Semalin zum Verluſte ſämmtlichen Ber:
mögens im Schägungswerthe von 7.652 Sch. verurtheilt. - - Ferner Wenzel
Rambauſek, Magiiter des öeechiſchen Yiteratenhore, Paul vibetzki,
Wenzel Aunoſchtſkij, Veit Nymburſky, erſterer ſeit 1610 Stadtrath,
letzterer ſeit 16004 zu wiederholten Malen Stadtrath, Schöffe, Primator
und königl. Steuereinnehmer für den leitmeritzer Kreis; Mathias Subka
Georg Meluicki von Öreifenfeld (1623 bereits 7), Balzer Stobloch,
Johann Polak, Georg Zatcecky, Adam Mrazek, Johann Welwarfty,
Johaun Jelen und die ſchon genannten Bürger Adam und Tobias
Kolda, alle dieſe aus den reichſten und angeſehenſten Familien der Stadt;
dann Sigmund Weſelski, der Prädikant Wenzel Hruſchowanski,
der ein Haus vor dem Michelsthore beſaß, Gregor Berka, Thomas
Radofta und die Franen Ludmilla Malnicky und Anna Bober.
Die legteren wurden deshalb in die erjte Claſſe verjegt, weil fie vor
der Füllung des Urtheils den Exulautenſtab ergriffen hatten. Dasſelbe
hatte auch Hruſchowansky thun müſſen, nahdem das Geſetz, daß die
Ausweifung der „fremden Prädikanten“ bejtimmte, am 12. Juli 1624
war republiziert worden. Das Bermögen bes Georg Ziegel, Bürger der
Neuſtadt Prag, foll inzwifchen jequeitriert werden, bis der Prager
Richter wird entjchieden haben.
— 3590 —
Fünf Sechſtel des Vermögens follten nad) Antrag der Commiſſion
verlieren: Wenzel Hostecki (Saftdorfer), ein reicher und geadhteter
Mann, der von 1602 1625 achtmal Ratheherr und dreimal Mitglied
des Sechsrichtercollegiums gewefen ; Wenzel Menſtik, Acgidins Becwar,
Georg Hauuſch und Wenzel Heuyd („Heniochus“) aus der alten
ritterlichen Familie der Kameit von Bolratig; danı Johann
Mitio, von 1617- 1620 Mitglied des Nathecollegiums und bereite
1620 gejtorben. Zu diefen bemerkt die Commiſſion, daß zwar aud fie
ihr ganzes Bermögen verwirft hätten; da aber der Kaiſer nun einmal
von der Strenge des Rechtes abzulajfen aeruhe, fo beautrage fie, genannten
ein Sechſtel ihres Gutes zu belaflen.
In die dritte Claſſe eingereiht erſcheinen: Johann Kneiſel,
1618 Geueralhauptmann der Stadt und ſeit 1609 - 1626 achtmal deren
Rathsverwandter; Jakob Hrda (1625 bereits T); M. Paul Stransky,
der befaunte Berfalfer des „Staates von Böhmen”, der 1609 nad) Yeit-
merig gefommen, um als Yehrer eine Stelle zu finden. Durch feine
Kenntniſſe hatte er fich bald eine achtenswerthe Stellung und durch eine
Heirat ein bedeutendes Vermögen erworben. Außer den zerjtrent liegenden
Weinbergen (genaunt „u cervend baudyt, „Slamovka“, „Sidlovka“,
„na mazane”, in der Bolabe „Tisicka*, „modra und Cervena“ in der
Polabe, „bei St. Niklas” beſaß Stranffy cinen größeren und zwei
fleinere Höfe in Delikojed') ſammt der Elbinſel weſtlich von dieſem
Dorfe und einen Garten an der Elbe vor dem langen Thore. So
wurde er denn, obwol ein Fremdling, 1614 in das Natherollegium ge:
wählt und gehörte demſelben in den Jahren 1615, 18, 19--1625 an.
Ferner gehörten in dieſe Claſſe: Mathäus Vehly, Thomas Neudorf,
Michel Bergmann, Peter Jakeſch, nud Johann Georg Mraz von
Mileſchovka, Neffe der Katharina Stransly, Sohn des Siegmund
Mraz, Andreas Simekel von Ceynow aus der reichverzweigten und
begüterten Familie, die man uud) „Sisfa” mamıte, in der aber nicht
alle Glieder von der Zähigkeit waren, wie der alte Andreas, der noch
auf dem alten Schöppenſtuhle geſeſſen und deſſen Rath auch das nach
Zeven fiad name). ĩ. .Wlachesskyt, dan Auer ſich zwiſchen der
E!be md dm pfoſniter ge er Korn era Wbo (daher „Klin“ ye
naunty bingezogen (Ausmoß Ir Dir.) ſammt den Werdeplägen an der Elbe.
einer Wieſe von I Auderu Den, einem Felde ıl5 Dir.) zwiſchen deu Gemernde
feldern und Denn dee Hradiſchtſtiy und der Juſel. 2. „Alachacovnky“
(O0 Sır.) neben dem Lukaweher Wege — Kaufcontract vom 5. Drcember 16%.
— 391 —
folgende Sechsmännergericht wicht entbehren konnte. Mit ihm theilten
dasfelbe Schickſal Joſef Stelzer, der Apothefer Daniel Schwengfeld,
Johann Petzoht (vor 1627 7), Johann Zäk, Wenzet Arkadius,
Wenzel Klatowski, Veit Soyka, Beſitzer dreier Häuſer, Linhard
Heller, Urih Stepitidfa und Johann Wicen, von 1608 --1615
Rathsmann, aus einer in Yeitmerig ſehr berühmten Familie ſtammend.
In die vierte Claſſe der Meajeftätsverbredjer find eingerciht:
Johann Ehoholiue, David Turinsty, Sigmund Soyfa, Theo—
phil Mraz von Mileſchovka, der das von feinem Onkel Johann
1584 errichtete Kideicommiß- und day Majoratshaus wit dem Kelch
thurme („dum pod bäni“ „Knopfhaus“) im Belige hielt; Mathänus
Pazderak (FT vor 1627), Johanun Yahovsty, Johann Budinokü,
Johann Helwik, Sylveſter Wyſchata, Zacharias Hafmanı,
Dr. Dauiel Styrskolskh, den Stransfy unter deu berühmten
Deännern von Yeitimeriß aufzählt; 1) Jakob Dreyer, Jalob Hrda,
der verſtorbene Gemal der Katharina Schindler, Johaunn Jiskra,
Johann Dealinovsty, Johaun Hradistsfy, von 1610 -51619 mit
Ausnahme des Jahres 1618 ununterbrochen Mitglied des Rathes,
Mathias Praſchilius, M. Georg Tychiſtes oder Bohdanecky (Tr vor
1627), Johann Soyka, Bartholomäus Wefelafy, Johaun Mantin,
ſeit 1602-- 1610 Schöffe und von da ab Sechorichter big 1620, vor
1627 geſtorben; Wenzel Slepitihfa, Wenzel Schmied Stadtrath
von 1611--1614, 1617 und 1620), Adam und Wenzl Dauſcha,
Matthäus Ulrich, Andreas Kos, Mathias Parizek, Stephan Sliwka,
Andreas Nyez. Thomas Zdara, Karl Nawfa, Johann Zeiffert,
Johann Richter, Johann Doftor, NBaltafur Nrolup, Mathäus
Yveh, Wolf Wildner, Johann Helflins, Andreas Zednik, Dar
tholomäus Pakoſta.
Fin Drittel des Vermogens ſollten nach Anjicht der Commiſſion
folgende verwirkt haben: Wenzel Budiusty, Daniel Hoſhar, Jalob
Zatecki, Johann Kominek, Jakob Simedek, Georg vLiska, Georg
Rozwoda, Johanun der jüngere Zatecküÿ, Adam Zäk, Chriſtoph
Reinbach, Johann Gern ij, Martin Förſter, Mathäus Rychmuth,
Johaun Zmiwacel, Joh. Noprfiwa, Jakob Sar, Wenz. Weſelſtki,
Johann Hoffmann, Fabian Rokycanskh, Georg Reus, Johann
Suba, Georg Yunacck, Andreas Kopriwa, Johann Aulhorn,
') Respubliea boh. 1., 15.
— 384 —
mann Öeorg Wilhelm Sezima von Sezimowo⸗Auſti auf Fifttup um
und Liebefhig um 9500 Sch., und gab fo den fiheren Beſitz gege
unficheren hin, um fchließlich um beides zu kommen. Der Kauf wurde am.
19. Mai gefchloffen, ohne in die Landtafel eingelegt zu werben, wie au
Sezima nie mehr als eine Abfchlagszahlung von 4000 Sch. geleiftet Hat. mm
Während auf diefe Weife ‘der ecchifche Dlagiftrat für das allge— +
meine Beſte zu forgen glaubte, hatten auch die Deutſchen in bez
Stadt begonnen, für ihren Vortheil thätig zu fein. Sie kauften im Jahr
1620 von der Regierung König Friedrichs das ebenfalld eingezogeme-t
Minoritenkloſter in der Judengaſſe (jet Dominikanerkloſter) fammt de zm
Kirchlein um 2500 Sch., worauf fie jedoch nur 780 Sch. 30 gr. wir T-
ih auszahlten.?)
Die Brüder wurden herausgetrieben und die Deutfchen festen Jüd
in den Befig des damals fehr Kleinen Klofters und des Kirchleins, Das
fi) in fchr verwahrloftenm und baufälligen Zuftande befand. Th ıamıd
was für Sraujamfeiten dabei vorgekommen fein mögen, wird uns nir:
gends berichtet; nur fo viel geht aus der Zujammenftellung aller über:
lieferten Thatſachen hervor, daß die Klagen des nachmaligen Quardiant,
„die Deutichen hätten die Brüder zerftreut und gemordet,“ fehr über
trieben find. Zur Beauffichtigung diefer Kirche wurden am 1. April
1620 Aegydius Keller, Bartholomäus Keißmann, Bernhard Kerbe
und Martin Preſtel als Kirchenväter eingejegt.
Mit für die geringen Kräfte der Deutfchen bedeutendem Aufwande
begannen fie die Herjtellung der verfallenen Gebäude, fegten neue Bänle,
einen neuen Predigtftuhl und Altar in die Kirche und wandten jid an
die Regierung um Zufendung cincs deutſchen Predigers. Dieje will
fahrte der Bitte und fandte ihnen einen ledigen Mann als Prieſter,
deſſen Namen wir nicht beſtimmt angeben können.“) Er wohnte in dem
Keinen Kloſter und hielt den deutſchen Gottesdienſt bis zu der durch DEN
8. November 1620 entjchiedenen Wendung der Dinge.
Bon welch kurzer Dauer die Regierung Friedrichs war, u si
wie durch den Sieg auf dem weißen Berge vor Brag der faEp!'
(ifhe Ferdinand I. Herr des Königreiches wurde, ift allbekan et
i) Gedenkbuch der Stadifhreiber. °) Ebendafeibfl. *) Wahrſcheinlich war es
in der Konfiscationslifte genannte Brädilanı Wenzel Hruſchowaneky, —
diefer Fönnte möglicher Weiſe Eine Perſon fein mit dem bei Peſchek (Gegenr. l
65 u. 446) lets nehen dem leitmeritzer Dechant Georg Sequenides genan— |"
M. Wenzel Metiffäne, gewefenen Pfarrer von Hruſchowitz.
— 393 —
reichlich geerntet hat. Mrazek war e8 nicht gegönnt zu genießen, was
er fo fange voraus denkend, erjt duldend und heuchelnd, dann ftolz und
höhnend verfolgt und erreicht. Er jtarb im Jahre 1631 im tieffter Not
in fremdem Haufe um eine Yagerftätte und cin Stüd Brod bettelnd ')
Ehe wir noch die übrigen mittlerweile zur Belehrung angewendeten
Mittel außer der dreijährigen beängftigenden Qual der Unterfuchung
und ber beftechlichen Lockung des Generalpardons betrachten konnten,
liegen fomit die bis 1626 erreichten Nefultate vor. Zweihundert
md fünfzehn Familien harrten aus bei ihrem Glauben und waren
bereit theils ihr-ganzes Gut, theils einen beträchtlihen Theil desjelben
aufzuopfern, denn es iſt zu bemerken, daß in die 4., 5. und 6. Claſſe
faft nur Arme cingereiht wurden.
Nah Schluß der Regiſter wurden diefe durd) die Inquifitions-
commilfion an den Fürſten Lichtenſtein zur Beitätigung eingereicht
und bis dahin blieb den Verurtheilten wieder cine peinliche Friſt, die
inzwifchen nach Möglichkeit zum Heile der Scelen benütt werden follte.
Inzwiſchen hatte nämlich auch auf direktem Wege vie Wiedereinführung
des Katholizismus begounen. Das Patronatsrecht über bie Kirchen
alter königl. Städte hatte der Kaifer dem Erzbifchofe Eruft Albredt,
Grafen von Harrad) zur Adminiftration bis auf Weiteres in die Hände
gegeben und diefer übertrug die Sollatur der Kirchen zu Allerheiligen
St. Laurenz, St. Adalbert, St. Georg und St. Martin (in
Ditikojed) an Johann Sirtus von Lerchenfeld, den Probft des Doms
fapitel® auf der Neuftadt zu Yeitmerig. Nach diefen Anordnungen
erfolgte 1624 durch den Statthalter Fürften Lichtenſtein der jtrenge
Befehl, alle „Fremden Prädikanten,“ ınit welchem Namen die utraquis
ftifhen und Iutherifchen Geiftlichen bezeichnet wurden, zu entfernen. Bald
darauf, am 12. Juli, that derfelbe Statthalter der Stadt zu wiffen, daß
e8 des Erzbifchofs Wille fei, die fo vermaijten Kirchen mit neuen
katholiſchen Prieſtern zu befegen, und daß zur Durdführung dieſes
Werkes bereits für die cinzelnen greife bejtimmte Commiſſarien auége⸗
ſandt feien. Dieſe feien von Seite der Gemeinde mit Pferden, Wägen,
Boten, Nahrungsmitteln und allem jonjt Nöthigen auf das Beſte zu
unterftügen. So befam Leitmerig bereits im nächften Jahr 1625 in
der Perfon des bisherigen Pfarrers von St. Niklas auf der Kleinfeite
Brag, P. Andreas Damian Künel wieder einen katholiſchen
) Heliades Ephemeriden Ms,
— 3386 —
der 80jährige Paul Kapler von Zulemwig fein graues Haupt unte
das Henferfchwert beugen mußte, das geachtetſie Glied einer der Stadt
jo befrenndeten, nachbarlichen Famihe Mh Kochan md Sirt vn
Ditergsdarf, weltter letztere dir Einzine mit der Todedaugſt davon
tr. Gakin, wie erwähnt, in Veitmeritz theuere Verwandte, die ihr
Schickſal beweinten.
Im ſelben Jahre noch ergiengen kaiſerliche Befehle an Leitme—
ritz, die angekauften geiſtlichen Güter ohne einen Anſpruch auf
Entſchädigung zurück und die eigenen Gemeindegüter unter einen faier:
lichen Sequeſter zu ſtellen. Die Collaturrechte wurden allen Städten
entzogen und auf den Erzbifchof übertragen. Selbjtverjtändfich mußten
auch die Deutſchen ihre Kirche nun wieder zurüditellen und über die
Entſchädigung der früher verdrängten Eigenthümer entſpann ſich ein fanger
Proceß, der weiter unten erwähnt werden wird.
Mit dem Probjte von Doran fonnte fi) die Gemeinde auf Ber:
mittlimg der Brüder Friedrich md Ulrich Bechin von Paar
nur dadurd vergleichen, daß fie dem Probfte und dem Kloſter 2000 Sch.
für die Nugnießung des Dorfes Deutſchkopiſt zu zahlen verfprad.
Die vormaligen Stadtgüter und Einfünfte verwalteten Anfangs die
Kommandanteır des jeweiligen Befagungsheeres, die als „Subernatoren”
oder „Hauptleute der Stadt“ als die eigentlichen Herren derfelben er
ſcheinen. Zpäter (in Veitmerig wahricheinfid) feit 1624) ging dieje fall
unnniſchränkte Machtvollfommenbeit an die faiferlichen Richter über. Nach
1621 erſchien ald Beſatzung das Regiment Waldftein, 1622 und 23
das Regiment VYichtenftein und 1624 Holjtein unter den Comman
danten Naspar don Nrain, Morandi, Yeon und dem Fürſten von Hol:
ſtein ſelbſt, der ſammt dem Stabe länger ala ein Jahr in der Stadt
tan und allivächentich für feine Tafel allein 500 Rth. von der Stadt
bezog. Diele Truppen fügten zu den geiftigen Qualen der Bürger not
die eutſprechenden phofiliben bins, jo daß die Herzen erweicht und für
dir Yehren der bald machfelnenden Prediger empfänglicher werden jollten.
An diefem Sinne wurde auch die Doliteiniche Beſatzung ſchlechtweg de
„Hoiſteinſche Gommiſſion“ genannt. Im nächſtfolgenden Jahrt
diente ſie auch bereit ald Aſſiſtenz der zur Unterſuchung der Etrof
ſalnigleit den GEinzelnen abgeſandien „Jnquiſition.“ Als „Militär
commiharen fuugirten Joharnn Dabart von Wfefomwig auf Ploſch— |
fowin und Stephan. rat ven Millefimo Daß folhe Truppen |
auf Noten der Kurger lebten. it jelbſwerſtändlich, und wie ſie leblen,
J
— 395 —
hinzu, daR, wenn fie binnen vier Wochen von diefer Erlaubnis feinen
Gebrauch machen würden, ihr Hut dem Fiscus verfallen fei. Es fcheint
nicht, daß viele dem Rufe gefolgt feien. Am 8. Detober desſelben
Jahres erließ Fürſt Yichtenftein ein Mandat ähnlichen Inhalte, in
welchem jedem, der zurückkehren würde, ein fo lang gewährter Aufenthalt
verfprochen wurde, bis er feine Habfeligfeiten würde verfauft und die
betreffende Strafe erlegt haben. Somit war die Emigration bereits
geftattet. Streng verboten aber wurde den Beinzichtigten, etwas von
dent Ihrigen unter der Haud zu verkaufen, fowie aud) jedem Anderen,
von einem Ineriminirten ohne Willenfchaft des Kaijerrichters etivas zu
taufen. Die böhmifche Ausgabe der Perfecutionsgefchichte ") ſagt auch,
man hätte ihnen folgende 6 Artikel vorgelegt: 1. Wenn fie, ein jeder
mit feiner Familie, wieder kämen, fo follten fie als Miethsleute in der
Stadt wohnen. 2. Die Kinder follten fie katholiſch unterrichten laſſen,
auch niemand Eatholifch zu werden widerrathen. 3. Die eltern jollten
fleißig lernen, d. i. den Predigten und abjonderlidhen Unterredungen von
Glaubensſachen beiwohnen. 4. Die äußern katholifchen Gebräuche, Faſten,
Feiertage, Prozejlionen u. ſ. f. follten fie wit beachten. 5. Wider die
Katholifchen follten fie heimlich nichts unternehmen. 6. Käme jemand
bie Johannis (1626) nicht wieder, jo würde ihn hernad) alle Gelegenheit
zur Rückkehr abgefchnitten bfeiben. Die Nichtigkeit diefer Angabe müſſen
wir dahin gejtellt fein Talfen; beweiſende Akten Liegen uns nicht vor.
Durch die bis jekt erwähnten Maßregeln war die Menge der
Akatholiken bis auf die oben angegebene Anzahl zurüdgebradjt worden.
Gegen die übrigen Halejtarrigen nun follte nod das legte Mittel in
Anwendung Fommen, che man fie als unverbejferlid) aus dem Yaude
jtieg. — Um fo die legte Hand ans Werk zu legen, wurde vom Kaiſer
ein eigenes „Neligionsreformationggeriht“ eingelegt, deſſen Meitglieder
der Cardinal Erzbiſchof Darrad, der Abt von Strahov Kaſpar von
Hünfterberg, dam Jaroſſau Borita Graf von Martinig,
Friedrich Areiherr von Talenberg, Chriſtoph Wratielav von
Mitrowittz und der bekannte Kapuziner Valerianus Magnus (reete
Groß) waren. Diefe Commiſſion kündigte am 27. März 1627 der
Stadt Yeitmeriß an, daß fie, da der Kailer die Reformation von ganz
Böhmen befchloffen, zu diefem Zwede den genannten Kapuziner P. Vale⸗
rianus Magnus nad Yeitmerig fchide, den in allen Stücken bei
’) Berfecutionstunde ber Peichel IL. 324.
— 396 —
Durchführung feines Wertes Gehorfam und Affiftenz zu leiften fei. An
fegterer fehlte e8 nicht, da immer noch cine wmilitärifche Beſatzung die
andere ablöfte. Yu Frühjahre 1627 Hatte Waldftein ein förnliches
Pulvermagazin nah Leitmeritz verlegt, dem ein Graf von Neurodt
voritand. Am 18. Juni langten nod) 100 Musketiere an, die zwar
nicht direct zur Affiftenzleiftung beim Belehrungsmwerfe befehligt waren,
aber dody zum Schuge der Prediger und Commiſſäre dienen follten.
Nahdem Balerianus!) ſelbſt nah Leitmeritz gekommen, fuchte er
mit Eifer und Fleiß dur Predigten und Brivatunterredungen- die noch
Widerftrebenden zu überzeugen und zu gewinnen, fo wie die bereits
Uebergetretenen im Glauben zu befräftigen. In diefe Zeit müſſen die
zweitägigen Disputationen zwiſchen ihm und dem auch in der Theologie
bewanderten Stransty fallen, deren die Perfecutionsgejchichte erwähnt.
Die aber durch die früheren Mittel nicht gebeugt waren, beugten fich
auch jett nicht den Worten des Kapuziners; ja da mittlerweile dag
eifrigfte NReforinationswerkzeug, der Tail. Richter Simon Peter Autit
von Trebnig fih von Neitmerit entfernt hatte, begannen ſich die
Keßer fogar wieder zu mehren, indem ſich mancher bibelfejte Proteſtaut,
der fih der Gewalt gebeugt hatte, nuu durch die Worte des Predigers
zu langverhaltenem Widerjprud herausfordern ließ. Im Monate Mai
fam der Erzbifhof Erneft feibft nach Leitmeritz, um fid) von den Yort-
Schritten der Belehrung zu überzeugen und fein Anjchen fo wie den Pomp
fatholiicher Geremonien mit in die Wagichale zu legen. Am 20. Mai
weihte er feierlih den Hauptaltar der entweihten St. Jalobskirche wieder
ein und am Tage darauf firmte er mit nie gefehener Feierlichkeit die
Befehrten.?) Viele fanden ſich vor ihm ein, viele aber beftaunten unges
rührt die ihnen fremden Formen.
Da ermüdete endlich die Geduld der Reformationsorgane und des
Kaiſers — und die Rechnungen wurden abgeſchloſſen.
Doch auch jegt follte noch nicht Allen auf Einmal der Weg verfperrt
werden, fondern indem man bei denen beganıı, die man als unverbeffer-
lid hatte kennen gelernt, wollte man noch einmal die minder ftarken
Charaktere erfhüttern und in VBerfuhung führen. Am 14. Juni 1627
wurde auf dem Rathhanfe cin Erlaß der Religionscommiffion
') Die Namen der anderen „Inftuctoren‘ von Feitmerig find unsaus authen⸗
tiſchen Quellen nicht belauut geworden. Die Berfecntionegefchichte und die aus
ihr geſchöpft, nennen uch cinen P. Franz Rozdrajom, Kapuziner. ?) He-
Jisdes kEphemeriden.
— 3911 —
folgende Sechsinännergericht nicht entbehren Tonnte. Mit ihm theilten
dasjelbe Schidfal Joſef Stelzer, der Apothefer Daniel Schwengfeld,
Joham Pegolt (vor 1627 7), Zohan Dat, Wenzel Arkadins,
Wenzel Klatowskiy, Bet Soyfa, Befiger dreier Häuſer, Yinhard
Heller, Urih Slepitſchka unt Johann Wicen, von 1608 - 1615
Rathemann, aus einer in Yeitmerig ſehr berühmten Familie ſtammend.
In die vierte Claſſe der Meajeftätsverbrecjer find eingerciht:
Johann EHoholiug, David Turinsty, Siegmund Soyfa, Theo
ph Mraz von Mileſchovka, der das vom feinem Onkel Johann
1584 errichtete Fideicommiß- und day Majoratshaus mit dem Kelch
thurme („dum pod bami“ „Knopfhaus“) im Befige hielt; Mathäusb
Pazderak (F vor 1627), Johanun Yahoveky, Johann Budinokü,
Johaun Helwik, Sylveſter Wyſchata, Zacharias Haßmann,
Dr. Dauiel Styrskolsküi, den Stransky unter dem berühmten
Männern von Veitmerig aufzählt; 1) Jatob Dreyer, Jakob Hrda,
der verſtorbene Gemal der Natharina Schindler, Johann Jiskra,
Johann Malinovokij, Johanu Hradistskiy, von 1610 -1619 mit
Ausnahme des Jahres 1618 ununterbrochen Mitglied des Macher,
Mathias Praſchilius, M. Georg Tychiſtes oder Bohdanecky (7 vor
1627), Johann Soyka, Bartholomäus Weſeloky, Aohann Mantin,
feit 1602- 1610 Schöffe und von da ab Sechorichter big 1620, vor
1637 geftorben; Wenzel Stepitichfa, Wenzel Schmied eSſtadtrath
von 1611--1614, 1617 md 1620), Adam und Wenzel Dauſcha,
Mathäus Ulrich, Andreas Kos, Mathias Parizek, Siephan Sliwka,
Andreas Nye z. Thomas 3vara, Karl Kawka, Johann Seriffert,
Johann Richter, Johaun Doktor, Baltaſar Nrolup, Mathäus
Lech, Wolf Wildner, Johann Helftino, Andreas Jednif, Bar
tholomäus Pakoſta.
Ein Drittel des Vermogens ſollten nad Anſicht der Commiſſion
jolgende verwirkt Haben: Wenzel Budiuskty, Dane Doflar, Jalob
Zatecky, Johann Kominek, Jakob Simedet, Georg viska, Guorg
Rozwoda, Johann der jüngere Zateeki, Adam Zak, Chriſtoph
Reinbach, Johan Gern ij, Martin Förſter, Mathäus Rychmuth,
Johaun Smiwadek, Joh. Woprimwa, Jakob Sar, Wen. Weſelſky,
Johann Hoffmann, Fabian Rokycauskh, Georg Reus, Johann
Suba, Georg Yunadck Andreas Kopriwa, Johann Aulhorn,
—
) Respublica boh. L.. 15.
— 3% —
Durchführung feines Werkes Gehorfam und Alfiftenz zu leiften fei. An
legterer fehlte es nicht, da immer noch cine militärifche Beſatzung die
andere ablöfte. Im Frühjahre 1627 Hatte Waldftein ein föruiiches
Pulvermagazin nah Reitmerig verlegt, dem ein Graf von Neurodt
voritand. Am 18. Juni Tangten nod 100 Musketiere an, die zwar
nicht direct zur Alliftenzleiftung beim Bekehrungswerke befehligt waren,
aber doh zum Schuge der Prediger und Commiſſäre dienen follten.
Nachdem VBalerianus!) felbft nach Leitmeritz gekommen, fuchte er
mit Eifer und Fleiß durd Predigten und Privatunterredungen: die noch
MWiderftrebenden zu überzeugen und zu gewinnen, fo wie die bereits
Uebergetretenen im Glauben zu befräftigen. Im diefe Zeit müſſen Die
zweitägigen Disputationen zwilchen ihm und dem auch in der Theologie
beivanderten Stransty fallen, deren die Perjecutionsgefchichte erwähnt.
Die aber durch die früheren Mittel nicht gebeugt waren, beugten ſich
auch jegt nicht den Worten des Kapuziners; ja da mittlerweile das
eifrigfte Neformationswerkzeug, der kaiſ. Richter Simon Peter Autit
von Trebnig fih von Leitmeritz entfernt hatte, begannen fich die
Keger fogar wieder zu mehren, indem fid) mancher bibelfefte Proteſtant,
der fih der Gewalt gebeugt Hatte, nun durch die Worte des Predigers
zu langverhaltenem Widerſpruch herausfordern ließ. Im Monate Mai
fam der Erzbifhof Erneſt felbjt nach Leitwerig, um ſich von den Fort⸗
Ichritten der Belehrung zu überzeugen und fein Anjchen jo wie den Pomp
katholiſcher Ceremonien mit in die Wagichale zu legen. An 20. Mai
weihte er feierlich den Hauptaltar der entweihten St. Jakobskirche wieder
ein und am Tage darauf firmte er mit nie gefehener Feierlichkeit die
Bekehrten.“) Viele fanden ſich vor ihm ein, viele aber bejtaunten unge»
rührt die ihnen fremden Formen.
Da ermüdete endlich die Geduld der Reformationsorgane und des
Kaiſers — und die Rechnungen wurden abgeſchloſſen.
Doch auch jegt follte noch nicht Allen auf Einmal der Weg verfperrt
werden, fondern indem man bei denen begann, die man als unverbeffer-
lich Hatte kennen gelernt, wollte man noch einmal die minder ftarken
Charaktere erjüttern und in Verfuhung führen. Am 14. Juni 1627
wurde auf dem Rathhaufe ein Erlaß der Religionscommiffion
) Die Namen der anderen „Infttuctoren‘ von Leitmerik find uns aus authen⸗
tiſchen Duellen nicht belaumt geworden. Die Perfecntionegefhichte und die ans
ihr gefhöpft, wennen nech cinen P. Franz Rozdrazow, Kapuziner. °) He-
lisdes Ephemeriden.
— 397 —
publizirt des Inhalts: „es fei der Commiffion die Nachricht zugekommen,
dag fih in Leit meritz die Ketzer auf's nene mehren, und wie befonders
Paul Stransty mit feinem Weibe fich erfreche zu antworten, daß fie
von ihrem Keßerthume nicht Laffen mögen. Da aber der Kaiſer wolle,
daß alfe in diefem Erbfönigreidhe feines Glaubens feien, fo folle jet der
Magiſtrat, da fein Kaiferrichter in Leitmeritz ift, dem Dedant alle
mögliche Aſſiſtenz Leiften, allen Ketzern befehlen, daß fie ji) hei Zeiten be-
finnen möchten, befonders aber dem Paul Stransfy und feinem Weibe
ter Androhung thatfählicher Beftrafung gebieten, fie mögen nicht
fo hartköpfig fein, ihre Aergerniß gebende Aufmwieglung laſſen und zur
Kirche übertreten, fall fie fich nicht etwas Aergerein ausfeken wollten.“
Auch diefe Drohung bewirkte Feine Beſſerung. Nach einigen Wochen,
am 21. Juli erfchien ein neuer Befehl: Es fer in Erfahrung gebradt,
daß die Keber in Leitmetitz gegen alfe „wohlgemeinten und wahr:
baft väterlichen” Ermahnungen der Ünftruftoren verftoct bleiben und
gradezu erklären, fie fönnten von ihrer angewöhnten Religion
(die doch eine „miferable Verführung”) keineswegs Taffen und dadurd
Aergerniß gäben und andere, die fich bereits auf dem Wege der Beſſerung
befinden, vielleicht auch uoch durch Winkelzufammenkünfte haldftarriger
nur rüdfällig machen. An der Spite dieſer ſchändlichen Sefte erkenne
man den Paul Stransfy und feine Gemalin gleichfam als Führer.
Da es aber der unbeugfame Wille der Majeftät fei, daß ſich
jeder in Böhmen zu der allein ſeligmachenden Religion befenne, der
S. Majeftät mit dem ganzen ruhmmwollen Haufe Defterreich tra
anzuhängen geruhe, deßhalb fei es ftrenger Befehl, den Baul Stransty
fanımt feinen Weibe gleich den andern Tag, ſobald dieſe Schrift dem
Magiftrate wird zugegangen fein, auf das Rathhaus vor den Rath zu
berufen, ihnen diefen Befehl zu publiciren und zu verfündigen, daß ihnen
beiden von der Publication an ein peremptorifcher Termin von zwei
Wochen geftellt werde, binnen welchem fie fich über die vollbradte Beicht
md Commnnion (natürlid sub una) durd eine Beicheinigung von
Seite des Beichtvaters auszuweiſen haben. Geſchähe dich binnen dem bejagten
Termine nicht, fo Haben fie mit Ablauf desjelben Tängftens bis
Sonnenuntergang die Stadt zu verlaffen und fernerhin das
Land Böhmen nie mehr zu betreten. Wenn fie in diefer Zeit ihre
Güter nicht verkaufen könnten, was ihnen fonft frei ftehe, fo follte man
ihmen biezu noch cine Friſt von einem Jahre gewähren, in welcher fie
dieſes Geſchaft von einem katholiſchen Bevollmächtigen beforgen
⸗
— 394 —
Dechant, den erjten fett zwei hundert Jahren. Mit dem neuen See: =
leuhirten begannen num aud) die ftrengeren Maßregeln zur Katho- —
lifierung. Bor allem mußten die Bilder des Hus und Hiero- —.
nymus?) ans der Kirche gefhafft und der ſteinerne Kelch an derfelben —n
abgemeifelt werden.) Dafür aber ftand fie nun leer! Da follten anw_erı
Vftermontage 1625 zum erften Male alle Bürger bei Strafe von je ar
5 Schock in ihr erfcheinen und Meffe hören und ihre Anwefenheit durc
Zettelabnahme von jedem Einzelnen vom Küfter controllivt iwerden. Dicfe- 8
Mittel half aber nicht, denn viele zahlten Lieber die 5 Schod, ale da___R
fie erfchienen wären. Es wurde defhalb bei der nächſten Krohnleihnanem—t -
prozeffion verschärft, indem jeder, der bei diefer nicht erfcheinen wird er,
mit militärifher Erefution bedroht wurde Auch da eridiene— wı
manche nicht. — Die Drohung aber blieb nit unerfüllt. Stranſ E iV
3. B., der nicht erſchien, mußte fi) verjteden, inde fein Hana due cH
Soldaten geplündert und ſeine Gemalin mißhandelt wurde. Kühe u mw?
Weinfeller fand er ausgeräumt). Jahrs darauf follen fogar nad Ze «er
Angabe des allerdings parteiifchen Perjecntionsbüdleins 10, 20 Er E!
30 Mann Soldaten in die Hänfer derjenigen VBornehmen gelegt wor 1
fein, die nicht nachgeben wollten.
Da erfannten alle, die bis jegt nod) zwilchen Hoffen und Ban I cn
geichwebt, daß die Suche der Glaubensfreiheit total verloren Yel
und es ergriffen bereits im Jahre 1625 die erjten den SrulantenjzerdD,
indem fie, jegt noch heimlich und über Nacht Hab und Gut verliegen
und auf eine beifere Zukunft hofjend, den Yande den Nüden kehrteini.
Ihre Anzahl muß nicht unbedeutend gewejen fein, denn bereits am 17.
April, alfo noch vor den legten Scenen des Frohnleichnamsfeſtes, ſtanden
in und bei der Stadt 70 Häuſer feer und verödet.*) Viele der Incri—
6
[2 10
7*
minirten hatten noch zu rechter Zeit ihr Gut heimlich verkauft oder ihre Fa,
Habjeligfeiten in der Augſt vor der Zukuuft über die Gränze geſchmiig Nr
gelt. Dieß lag aber nichts Weniger als im Wunſche des Kaiſers, ME Fr,
um Alles jeden Einzelnen für feinen Glauben gewinnen, aber nicht J+
verlieren wollte. Schon am 9. März 1626 forderte daher der fuiferkidit
Richter alle, die ſich entferne Hatten, auf, in ihre Heimath zurüdzuichren Fon
und ihr Out ungeftraft zurück zu empfangen, fügte aber auch die Drohuug “i
_———.. j 22 |
') Historia persecutionum bei Peſchel Ggeurf. II., 12. °) Ebendafelbfi II., 3’. gi
Näheres am a. O. 11.,204 HF. ) Zeugniß des Peter Ziehart von Rofantl
Hauptmanne der Probflei Yeitmerig vom 17. April 1625.
— 395 —
hinzu, daR, wenn fie binnen vier Woden von diefer Erlaubnis feinen
Gebraudy machen würden, ihr Hut dem Fiscus verfallen fei. Es jcheint
sicht, daß viele dem Hufe gefolgt feien. Am 8. October desjelben
Jahres erließ Fürſt Yihtenftein ein Mandat ähnlichen Inhalte, in
suchen jedem, der zurüdfchren würde, ein fo lang gemwährter Aufenthalt
veriprochen wurde, bis er feine Habfeligfeiten würde verkauft und die
Betreffende Strafe erlegt haben. Somit war die Emigration bereite
gellattet. Streng verboten aber wurde den Beinzichtigten, etwas von
Dem Ihrigen unter der Hand zu verlaufen, ſowie aud) jedem Anderen,
von einem Incriminirten ohne Wiſſenſchaft des Kaijerrichters etwas zu
faufen. Die böhmiſche Ausgabe der Perfecutionsgefchichte ') jagt auch,
mas hätte ihnen folgende 6 Artikel vorgelegt: 1. Wenn fie, ein jeder
nie feiner Familie, wieder kämen, jo ſollten fie als Deietheteute in der
Stadt wohnen. 2. Die Kinder follten fie fatholifch unterrichten laſſen,
auch niemand Tatholifch zu werden widerrathen. 3. Die eltern jollten
leißig lernen, d. i. den Predigten und abfonderlihen Unterredungen von
Saubeusfachen beiwohnen. 4. Die äußern fatyolifchen Gebräuche, Faſten,
Feiertage, Prozeſſionen u. |. f. follten fie mit beadhten. 5. Wider die
Katholiſchen follten fie heimlich nichts unternehmen. 6. Käme jemand
bie Johannis (1626) nicht wieder, jo würde ihm hernad) alle Gelegenheit
zur Rückkehr abgefchnitten bleiben. Die Nichtigkeit diefer Angabe müſſen
wir dahin gejtellt fein laſſen; beweifende Akten Liegen ung nicht vor.
QDurd) die bie jetzt erwähnten Maßregeln war die Menge der
Alatholiken bis auf die oben angegebene Anzahl zurücgebradyt worden.
Gegen die übrigen Halejtarrigen nun follte uoch das legte Mittel in
Anwendung kommen, che man fie als umnverbeffertich ana dem Yande
ſtich. — Um fo die legte Hand ana Werk zu legen, wurde vom Naifer
en eigenes „Religionsreformationdgericht“ eingelegt, deſſen Mitglieder
der Kardinal Erzbiſchof Harrad, der Abt von Strahov Nalpar von
Wünfterberg, daun Jaroſlſavu Borita Graf von M artinig,
griedrich Freiyerr von Tulenberg, Ehriſtoph Wrutislav von
Nitrowig und der befannte Kapuziner Valerianus Magnus (reete
Groß) waren. Dieſe Commiſſion fündigte am 27. März 1627 der
Stadt Yeitmerig au, daß ſie, da der Kaiſer die Reformation von ganz
Böhmen beſchloſſen, zu dieſem Zwecke den genannten Kapuziner P. Vale:
as Magnus nach vVeitmeritz ſchicke, dem in allen Stücken bei
) deiſecutionstuude bei Peſchel U.. 324.
— 40 —
rühmt Leitmeritzz als nächſt Prag die ftandhaftefte Stadt Böhmens
im Belenntniffe des einmal angewöhnten Glaubens und gibt die Zahl
der Auswanderer auf mehr ala 500 an.)
Diefe Angabe muß nicht übertrieben fein, da unter den Berur:
theilten nur die Häupter der ftädtifchen und vorftädtifchen Familien,
nicht aber die Yamilienangehörigen, Eheweiber, Kinder und Gefinde
angeführt find, die leicht die Zahl der Köpfe verdoppeln fonnten. Alle
nahmen ihren Weg zunädit nad Meißen und die größte Anzahl der»
jelben beherbergten die Städte Pirna und Dresden Was die Exu—
lanten thatfählih wmitnehinen konnten, war bfutwenig, in ben meiften
Fällen gar nichts. Dieß an einzelnen Beilpielen nacdyzuweifen, werden
wir fpäter Gelegenheit finden. Im Allgemeinen erflärt es ſich dadurch,
daß die Häufer und Güter eben zu dieſer Zeit begreifliher Weife im
Werthe ungemein fielen, ja oft Jahre lang auch zu den billigften Preifen
feine Käufer fanden. Dieſe wurden auch badurd abgehalten, daß fie
fürdhteten, bei der ungeheueren Schufdenlaft, die ſeit der fetten Zeit die
Gemeinde aufgethürmt Hatte, über kurz oder fang einmal unangenchm
ins Beileid gezogen zu werden. Wußerdem lag c8 im Intereſſe mandher
Perfonen, Käufe gefliffentlich zu Hintertreiben. ‘Da ferner der „Pardon“
im Verhältnis zum Cchägungswerthe von 1623 bejtimmt war, fo blieb
auch im befleren Falle vom wirklichen Erldfe felten etwas übrig. Eine
faiferliche Refolution vom 17. September 1627 fchrieb das bei der Aus-
folgung des Vermögens an Emigranten zu befolgende Verfahren für
alle königl. Städte mit Ausnahme Budweis', Bilfene und Schlans
in gleicher Weife vor. Wer auswandern müſſe, folle vor den Nath
gerufen werben, um dort ein genaues Verzeichnis feines Vermögens abzu-
geben. Sobald letzteres in Geld umgeſetzt fei, fei davon für’s erite
diejenige Summe, zu der er wegen bes Majeftätsverbrechen® ver:
urtheilt wurde, für’ zweite die Summe feiner noch rüdjtändigen Con—
trid utionsrefte und drittens die aller Privatforderungen,
die jemand an ihn hat, abzuziehen. Der Reft aber gehört noch nicht
dem Emigranten, fondern davon wird ihm noch ein Jchntel als „Quote“
zur Bezahlung der Gemeindefchulden abgezogen, und erft die übrigen
neun Schntel werden ihm oder feinem Bevollmächtigten ausgefolgt. Ver:
fäufe, Vermächtniffe und Xheilungen, die unter der Hand gefchehen, find
ungültig und haben feine Rechtskraft.
— —
) Stranaky Resp. b. I. 16.
— 397 —
pubfizirt des Inhalts: „es fei der Commiffion die Nachricht zugelommen,
dag fi in Leitmeritz die Keter aufs neue mehren, und wie befonders
Paul Stranski mit feinen Weibe fich erfreche zu antworten, daß fie
won ihrem Keterthume nicht Laffen mögen. Da aber der Kaifer wolle,
Daß alfe in diefem Erbfönigreihe feines Glaubens feien, fo folle jett der
Moagiftrat, da kein Kaiferrichter in Leitmeriß ift, dem Dedhant alle
zmögliche Alfiftenz Leiten, allen Ketzern befehlen, daß jie jih hei Zeiten be-
fünnen möchten, befonders aber dem Paul Stransfy und feinem Weibe
unter Androhung thatfächlicher Beftrafung gebieten, fie mögen nicht
fo Harttöpfig fein, ihre Aergerniß gebende Aufwieglung laſſen und zur
Kirche übertreten, falls fie fich nicht etwas Wergerem ausſetzen wollten.“
Auch diefe Drohung bewirkte keine Beſſerung. Nah einigen Wochen,
am 21. Inli erfchien ein neuer Befehl: Es fei in Erfahrung gebracht,
daß die Ketzer in Leitmetig gegen alle „wohlgemeinten und wahr-
Haft väterlichen“ Ermahnungen der Inſtruktoren verftodt bleiben und
garadezu erflären, fie fönnten von ihrer angewöhnten Neligion
(die doch eine „miferable Verführung“) keineswegs Taffen und dadurch
Aergerniß gäben und andere, die fich bereits auf dem Wege der Beſſerung
befinden, vielleicht auch uoc durch Winkelzufammenkünfte hafsftarriger
nur rüdfällig machen. An der Spige dieſer ſchändlichen Sefte erkenne
man den Baul Stransfy umd feine Gemalin gleichfam als Führer.
Da es aber der unbengfame Wille der Majeftät fei, daß ſich
jeder in Böhmen zu der allein ſeligmachenden Religion befenne, der
S. Mojeftät mit dem ganzen ruhnwollen Haufe Defterreich treu
anzuhängen geruhe, deßhalb fei es ftrenger Befehl, den Paul Stranefj
ſammt ſeinem Weibe gleich den andern Tag, ſobald dieſe Schrift dem
Magiſtrate wird zugegangen fein, anf das Rathhaus vor den Rath zu
berufen, ihnen dieſen Befehl zu publiciren und zu verfündigen, daß ihnen
beiden von der Publication an ein peremptorifcher Termin von zwei
Wochen geſtellt werde, binnen welchem ſie ſich über die vollbrachte Beicht
und Commmmion (natürlich sub una) durch eine Beſcheinigung von
Seite des Beichtvaters auszumeifen haben. Geſchähe dick binnen dem befagten
Termine nicht, fo haben fie mit Ablauf desjelben längftens bie
S onnenuntergang die Stadt zu verlaffen und fernerhin das
Yan Böhmen nie mehr zu betreten. Wenn fie in diefer Zeit ihre
nicht verkaufen könnten, was ihnen fonft frei ftehe, jo follte man
One biezu noch eine Frift von einem Jahre gewähren, in welcher fie
es Geihäft von einem katholiſchen Bevollmächtigen beforgen
— 398 —
laſſen dürfen. Che fie jedoch die Stadt verlalfen, follen fie dem Magiſtrate —
ein Verzeichnis aller ihrer Güter überreichen und diefer diefelben ſchäter —
laffen. Nur der Reft des Erlöfes nad Abzug einer beitimmter Quote
zur Tilgung der Stadtfchulden, eines Betrages für den erhaltenen Bardor—
als Strafe für das begangene Majeftätsverbrechen, folle ihnen dann aus
gefolgt werden. Diefes Alles aber folle zum abfchredenden Beifpiele fü _-
die Andern mit Strenge durchgeführt werden.
Kaum war das verhängnisvolle Schreiben in Yeitnmerik arm
gelangt, jo wurde am 23. Juli M. Paul Stransty, feine Gemahlie_
deren Tochter aus cerjter Ehe, Dorothea Zlatohlamef und die ir:
Haufe des Stransty erzogene Waife Anna Kandorsty von Kammr-
doretdHora auf das Rathaus berufen. I) Im demfelben alten Somm_ Le
unjeres Rathhauſes, in dem er fo viele Jahre dur feinen Geiſt we
Herrfcher gewaltet, in dem er ſelbſt jo oft auf dem Stuhle des Bürge=- x -
meifters gejeilen, itand er mm fremd vor fremden Leuten, die inzwiſch «erı
der Unbeftand der Zeiten auf jene Sie gehoben. Einen einzige ar,
der zu König Friedrichs Zeiten mit ihm auf diefen Bänken geſeſſe st,
fand fein Auge im Kreiſe feiner Richter, und mußte ihn wicht ohne Bor
warf treffen — Johann Hradifchtffy, der nun als Rrimator Yid
erhob, und feinen Amtsgenoſſen von ehedenm mit ftrengfter Bedrohung w er-
kündigte, daR er binnen aht Tagen, mit Weib und Kind das Pc rd
verlajfen müjfe — allen andern zum abfchredenden Beiſpiele. Deutlic Her
als an den zwei Männern, die nun einander gegenüber ftanden, fon mit
das halsjtarrige Volk kaum fehen, worum die Wahl jih handle. Strom!
ſtij ſchwankte wicht doch begehrte er, daß ihm das kaiſ. Reſcx— IM
vorgelefen werde. Dieß verweigerte man ihm troß dem darin ansdra 14
lich enthaltenen Wefehle jedenfalls deshalb, weil der Brimator, dem, vic
ed bei Convertiten zu fein pflegt, jelbit Ferdinand II. nit ſir m
genug amd jeder Standhafte ein Vorwurf war, deſſen er fi nicht ſchell
genug entledigen konnte, die ohnehin kurze Friſt über feine Macht ⸗il
tammenheit hinaus noch am die Hälfte der Lage verkürzt hatte. —T
um 27. Auli wurde Ztranefn zur letzten Verſuchung auf die Dechan H
laden amd ihm auf fein Begehren der Wortlaut des Mandates —
elent Gr wählte das auferlich härtere Yos, wie von ihm zu crwa1!
wa cine Wemahlin wählte ſich zwei Bevollmächtigte, die fie bat,
und ihrer Tochter Gut bei Seiten, To lange es noch etwas gelte, zu De
Yan etranatv's ddte. Thorn 4. Auquſt 1650 im I. St.
— 408 —
wegen der „turpitudo mutui“ nichtig erflärt werden. Dieſe betrugen
eine Summe von 12.100 Sch., von welcher die größten Theile trugen -
die Frben der Johanna Krineckij, Gregor und Georg Beutel in
Tetſchen, Renzet Hoſchtetzky in Yeitmerig u. a.
Ta aud feit dem fait. Siege viele Schulden, diefe alle aber ohne
ipezielle Erlaubnie des Kaiſers gemacht worden fiud, jo jind uud) dieje
nicht zu zahlen, woferu nicht von den Gläubigern nachgewiejen wird,
dag fie zum allgemeinen Wohle der Stadt verwendet wurden. Dadurd)
wurden zunächſt jene Schuldſcheine für wichtig erklärt, die die Mifitär-
commiffäre Wreſowitz und Milleſimo erpreßt hatten.
Durch die Bejtätigung diefer Kommufjionsganträge wurde zwar die
drüdende Schuldenlaſt bedeutend vermindert, aber der Reſt derjelben, die
Unvermögcuheit, diejen zu verzinfen, die nachfolgenden Kriegsmwirren und der
totale Ruin der Gemeindewirtſchaft bewirkten einen neuen großartigen Zu-
wachs, fo daß ſich ſchließlich die Regierung ſelbſt ins Mittel legen und
1629, um nur die Gläubiger abzuhalten, befehlen mußte, alle Schuldprozeſſe
zu fiftieren bis eine bereits in Ausſicht gejtellte „ Tractationscommilfion” ine
veben treten würde. Am 17. März 1625 wurden durch fail. Refolution
die oben erwähnten dulden, die die Stadt gegen dic condemmirten
Perſonen hatte, für nichtig erflärt, oder cigentlid), wie man lieber jagte,
der Gemeinde gefchenft, da jie, wenn fie die Regierung gelten ließ, con:
jequenter Weiſe diejer verfallen waren. Doch war das Geſchenk Tein
ganz uneigennütziges, indem die Ztadt dafür eine Schuldverichreibung tm
Werthe von 21.000 Sch., die jie noch von Kater Rudolf 11. beſaß,
ausliefern mußte, jo daß fie noch um einiges zu furz kam.
Am 11. Aprıl endlich fühlte ſich der Kaiſer durch viele Bitten be-
mwogen, als gnädiger Herr der gebejjerten Stadt ſich wieder anzunchmen
und feine erneute Gunſt durch Bejtätigung ihrer alten Privilegien zu
beweifen, jedoch mit der ausdrücklichen Clauſel, daß den Schug und
die Vortheile diefer Privilegien nur die fatholiihen Bürger von
Leitmeritz beanspruchen könnten. Was fi aber im dielen Privilegien
gegen die heilige Kirche oder gegen die Regale des Könige vorfinden
jolfte, das erklärte ev, jo wie die in der Zeit der Revolution von Seite
der Gemeinde gemachten Schulden, fir null und wichtig. Aud wird
den Yeitwmerigern beiohlen, daR ſie „vom heutigen Tage an feinen
vehr ale Bürger oder Juwohner in ihre Gemeinde aufnehmen, der
fi) wicht mit dem Könige und deifen Rachkommen in Bezug auf die römi-
ſche Religion vergleichen möchte, und Widerſacher des Glaubens nicht
26*
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mehr bei ſich dulden follen.” And) fol kimftighin niemand weder in Ter
Stadt, noch in den Borjtädten cin Haus befiten, faufen, bauen oder a u dh
nur miethen umd auf dieß hin irgend eine bürgerliche Nahrung trek Emmcıı
dürfen, der nicht das Bürgerrecht der Stadt beſäße. Diefen Befehh Wen
fügte er noch einige Bejtimmungen hinzu, die den leitineriger Iahrındı ri:
ten aufhelfen jollten. Durch diefe Privilegiumsbejtätigung wuchs mie
Stadtfihuld wieder nm 1000 Thaler, die Fürjt Lichten ſtein fr & a:
ren beaufprudte. ) Am 22. Aprit jchenkte Ferdinand der Stadt ur
Bezahlung ihrer Schulden außer den zu diefem Zwecke erhobenen Quo&cı
anch noch die Strafgelder (perdonum), zu denen ihre chemafigen Cm:
wohner der Rebellion wegen waren verurtheilt worden, dainit jie M id
wieder aufhelfen und die vielen Leer ftchenden Häufer mit „guten, fat:
liihen Bürgern” wieder bejegen könnte. Diefe Strafgelder erlangTen
aber in Wirklichkeit nicht im eutferntejten den ausgelprodenen Wer th,
da die Stadt ftatt ihrer nur Gründe und halb demolirte Häufer in
Beſitz nahm und zu äußert niedrigen Preifen ablajfen oder auh gu;
verfchenfen mußte. 2) Viele auch blieben in den Händen der unbejdyräm. nit
herrfchenden Gnbernatoren der Stadt. Dieſe fehalteten fo eigenmäcktig
und willführlid) und führten grade im der Zeit der allgemeinen IE otl)
ein fo prächtiges und glänzendes Yeben, daß felbjt die Regierung Wi:
trauen gegen ihre ergebenjten Organe zu ſchöpfen begann. Schon am
24. Dezember 1626 war ein ſtrenger kaiſ. Befehl au die Gemeinde M
gangen, fie möge die jeit der glorreichen Biltorie regierenden Gubernerite:
ven angeben und anzeigen, wie jie gewirtichaftet hätten, befondere ber
die faif. Richter, die „praviren und prajfen ſamb fie anſehnliche Cavag Miei
wären.“ In specie aber fei es zu verwundern, „wie der zu Yeitr ie:
rig, fo fi) mit Venten, Roßen, Wolleben und anderem übermäßig pr «id:
tig halten folle,“ zu ſolchem Reichthume gekommen fer?
Sollte fid) etwas in jeinen Rechnungen herausftellen, jo folfe 2 tal
fi) augenblicks feiner Perfon bemächtigen und verfidern. Diefer Berd ht
galt dem Simon “Peter Aulik von Trebnig, der feit 1624 Kaiſerr a:
) Da die Stadt nicht zahlen konnte, jo übergieng diefe Poft fpäter durch gr"
an Bolyrana Yoblfomwsln von Bernflein und von diejer durch Schrulung al
die Jeſniten. °) So verlaufte 53. B. 1630 die Stadt den Weinberg a
Audreas Simecek, der ihr ald Piandquote desſelben zugefproden mword:n ne” *
um 200 Sch., während die Strrafe 1650 Ed). betrng und dieſer Weinberg >! a
noch 1627 in dieſim Schäkungswerthe gefanden haben muß. In nod gg ©
Maße fanlen die Werthe in den folgenden Kriegsjahren.
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ter und Qubernator von Yeitm erig die gejammte Verwaltung der ehe—
maligen Stadtgüter in den Händen hatte und aus einer, wie es ſcheint,
ganz armen Familie abjtammend fid) im Laufe von zwei Iahren ein be-
deutendes DBermögen in Leitmeritz erworben hatte. Ob er die Güter
um ein billiges gekauft, oder ob er fie auf eine andere Weife an ſich ge
bracht, ließ fich vielleicht in jenen verwirrten Seiten felbft nicht nachwei—
fen — uns ift es ganz unmöglich.
Gewiß iſt, daß er im jener Zeit in den Befit des großen und
Ihönen Batrizierhanfes kam, das der Erbe des „Diwiſch“ (Dionys
Hauſchka) verlaffen mußte. Außerdem erwarb er das Gut der Familie
Hauſchka von Adlersberg zwifchen der Stadt und Pofratig, mehrere
Weinberge in der Bolabe und am Radobeul nah den Familien
Rambauſek, Pazderaf und andere und zwei kleine Höfe in Profmif,
„Manrovskij und Salacovsfy”, die zum Rechte von Geblitz gehörten.
Den kaiferlihen Zorn wußte er zu beſchwichtigen. Ta die Stadt 1617
als ohne Faiferlichen Richter genannt wird, dürfte er felbit zu dieſem
Zwedenah Prag gereift ſein und feine Abficht gelang ihm fo vollkommen,
dag ihm der Kater 1625 (Freitag nad vukas) auf Unkoſten der Stadt
die Gnade erwies, ihm „für die vielen Dienſte, die er dem Haufe Deſter
reich erwieſen“ aus kaiſ. Machtvolltommenheit "feine (Büter aus beim
Berbande des Leitmeriger und geblitzer Rechtes auszujcheiden, aus
den Staatgrundbüchern löichen zu (allen und zueinem erblidhen rei,
gute zu erheben, ſo dar hiedurch die Ztadt ein nicht unbedeutendes
jährliches Einlommen ohne alfe Entſchädigung verlor. Auf ſolche Weite
wurden im Vaufe der Zeit cine Menge chemaliger Schoßgüter der ſtädti—
then Zchokprlicht entzogen und theils an Zrivare, meiſt aber an geiit-
lihe Corporationen verfiehen, die nun zur Zicherung der erzielten Erfolge
in Yeitmerik zahlreich angeitedelt wurden. Am 19. Mär; 1629 wurd:
sur Begutachtnug der vorzulegenden Rechnungen der fait. Ritter eine
Comnmiſſion ernannt, beischend aus Thilivv rabrızıne von Dohen
fall und Meichior zon der Wahl: Autıt aber wurde bald darauf
sum Zefretär bei der babımichen Heitfanztet ernannt. Zo war dieter der
letzte Kaiferrichter. der unbeſchrankt ru tem Stadtvermogen idaltete,
mdem der Naiter bereits am 11. War I = bald nah der Wiederbe
ftätigumg der Trivifegien der Stadt cuch die (Suter ;m eigener Xer-
waltung unter aemiiien Bedirgungen \srzdaegeben hatte.
Das reihite Hut aber, Erbie, blieb verloren, obgleih die Stadt
wur die Hälfte des Nauficillingse von dem Käuir G. W. Sezyma
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von Auſti wirklich erhalten Harte, und den ganzen Rauf ale durch Die
rebelliichen (Semeindevertrerer von 1620 ohne Cinmilligung der Komme er
geichehen in Webereinitimmung mit deren übrigen Amtähandfungen f El
nichtig erffärte. Ferdinand hatte aber bereits an 13. Mai 1623 DI!
ſämmtlichen confisciersen Güter der Vettern Georg Wilhelm und Nase
Chriſtoph Zezyma auf Auſcha, namentlih das halbe Schloß und ie
halbe Stadt Auſcha, die Stadt Levin, Wernſtadt, Schloß Ce t
nowes und Nahowes :aufer Giſtrupn u. Liebeſchitz: den Jeſuite —n
von St. Clemens in Prag geichenkt, ohne aber das hinzugefauf tt
Gurt Wrbitz namentlich zı erwähnen. Faft ein Jahrhundert dauerte d it!
daraue entitandene Prozermir wechſeinden Hoffnungen und Ausjihteme N".
während welcher Zeit das Gut im Beſitze der Jeiuiten blieb. Grit 16)0
fand er durd eine Art Vergleich fein Ende. Tas Gut wurde den Jeſuits In
gegen eine Entihädigung von 2.100 Fl. zugeiproden. Auch die Colfater Aur
der Kirchen blieb noch fange in den Händen des Probites, jpäter Si—
ihofs von Yeitmerig, obgleih die Bürger glaubten, dur die Wi -it
derbejtätigung aller Privilegien auch die Collatur impficite mit znriv id:
erhalten zu haben.
Veberhaupt mehrten jih mit dem steigenden Cinfluße, den jew tt
die geiftlihen Corporationen gewannen. bei dem von der Negierums 0
unterjtügten Beſtreben derjelben, ihre Macht in geiftiger und materiel Eller
Beziehung auszubreiten, und der ängjtlihen Eiferfucht andrerjeite, & emit
der die Gemeinde ihre gefährdeten Rechte bewachte, die Rectsjtreitigfeimer te
beider in bedenkliher Weiſe. Aus der Revolutionszeit reichte noch = der
Prozeß der Franziskaner mit dem Naiferrichter und der Gemei — de
herüber. 1621 war das SKlofter janımt der Kirche nit nur wo hl
erhalten, jondern mit einem Aufwande von 600 Sc. verichönert wezauwon
den Deutſchen zurücdgeftellt worden und jchon im Feber desſell S ben
tahres führte dent Wratislan von Mitrowik nr P. Ram FI
zel von Teinitz wieder ein, der den Zuſtand des Kloſters ehr geo IT?
net fand und ſich zufrieden zeigte, überhaupt wieder in den PBefig d we‘
Yelben am fommen, Der erjte Cuardian war vudwig Amuſus. Eein
Nachſolger, Guardian Dr. Joannes Bap. Zancins, apoft. General
marine, eine äuſerſt heftige und moraliſch durchaus verworf ene
Hatın, a tmaı mit der bloßen Nüdgabe nicht zufrieden, fondern, inder S er
Aengenausfagen liegen vor, die zu baarfiräubenb find, um angef ST
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viel Laͤrmens machte, wie „die Söhnlein von Yeitmerik in ihrer Trun-
fenheit“ das Kloſter zerjtört, die Brüder zerfirent und gemordet, ver-
fangte er 1622 vor dem Gubernator Johann Ryb von den Deutfchen
eine Entſchädigung für den angerichteten Schaden. Da diefe aber nad):
wielen, daß fie nod) 600 Sch. auf Bellerung verwendet, ſprach fie Rytz
von aller Schuldigfeit los, und fie blieben unbehelligt, bis 1623 Georg
Wilhelm Michna als kaiſ. Commiſſär nah Neitmerit fan. Da
bängte ſich Sanzius an ihn, um durch ihn eine Entfchädigung zu erwirfen.
Michna berief den Quardian und die Deutſchen vor ſich auf das Rath—
haus und Sanzius verlangte von dieſen 2000 Sch. Schadenerſatz. Da
fie aber die früheren Einreden ımd Beweiſe vorbrachten, ſprach fie auch
Michna los, rieth ihnen aber diefe Beweiſe an die Kammer zu fenden.
Da begann der Quardian mit den Deutfchen unter der Hand zu ver-
handeln und war mit feiner Forderung jchon bis auf 200 Thaler herab-
gegangen, mit denen er fid) zufrieden ftellen wollte. Aber auch dazu mochten
fi die Deutſchen nicht verftehen und fo blieb vorderhand alles auf ſich
beruhen. Als aber im Jahre 1626 die Auswanderungen in größerem Maße
begannen und Häujer und Gründe herrenlos wurden, traten der Quadrian
und ber Raiferrichter Aulik nach gleichen Zielen ftrebend ins Einvenehmen
und Sanzins feste jih mit Erlaubnis des Kaiferrichters in den Befit
der vier Häufer, die die deutfchen Bürger Johann Moſtnik von Ad—
lersberg, Michael Bergmann (Fleiſchergaſſe), Daniel Schweng:
feld, Apotheker und Aegidins Keller, Keßler, (lange Gaſſe) verlafien
hatten, und als diefe vier von Pirna, mo fie eine Zufluchtsjtätte gefun-
den hatten noch einmal auf drei Wochen zurücfehrten 11626), um ihre
Bermögensangelegenheiten zu ordnen, mußten fie jehen, wie ihre reiche
Cinrihtung ſammt den Bibliothefen und den ihnen befonders werthen
theologischen Büchern in das Kloſter S. Jacob gefchleppt wurden. !)
Dann wurden die Häufer vermiethet und der Zins von den Minoriten
eingezogen. Nachmals bemächtiate ſich F. Sancius auch der bürgerlichen
Fleiſchbänke hinter ſeinem Kloſter und verwandelte fie in ein Ballhaus. ?, —
Die Freundfchaft mit Aullik dauerte aber nur fo lange, bis Sanzius
fein Ziel erreichte hatte. Bald eutzweiten jie fi) bei Theilung der Beute
und Sanzins flagte über den Kaiſerrichter, er habe den Weinberg des
fel. Rambaufef (F 1625), den das Kloſter an fich gebracht, mit einem
andern minder erträglichen zu jeinem Vortheile ausgetaufcht, die Zinfen
N Brief Johann Moftnile ddto. Birna 16—28. November 1630. ?) Gedent:
bud der Stadiſchr.
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der unter feiner Verwaltung ftehenden Güter zu eigenem Nutzen vermezz.
det, dem Klofter das früher verſprochene Deputat nicht ausgefolgt um
ſich läßig erwieſen in Eintreibung der zugeficherten 2000 Sch., die rip
aus dem hinterlaljenen Vermögen einiger Emigranten zu zahlen verfpr wo
hen. Die Klage über die Nichtablieferung des Deputates bezog fih auır
einen Vertrag vom 10. Feber 1626, durch welchen Aulik den Franzis fa-
nern für je drei Wochen 1 Faß Bier und je einen Strid Weizen, Gen-fte
und Roggen verfprochen, in jo lange, als er die Kloftergüter noch mit in
Verwaltung haben würde. Die mußte natürlich aufhören, als 1628 im
die Verwaltung aller Güter überhaupt entzogen wurde. Nach langem
Streite verftändigten fich endlich beide Parteien bei einer Zuſammenkunft
die fie auf Schloß Cernoſek Hatten, dahin, daß Aulik ſich dazu verftand,
den erwähnten Weinberg wieder abzutreten, das vorenthaltene Deputat
abzuführen, und die Franziékaner im Beſitze der vier Hänfer bis
zur Ausbezahfung der 2000 Sc. zu belaflen. Sanzins ftanden Mittel
zu Gebote, es durchzujegen, daß der Kaifer am 27. Juli 1629 diefen
Bertrag in Bezug auf die zwei Punkte betreffend den Meinberg und Das
Deputat ratifizierte. Als nun aber die Verwaltung des Gemeindevermd-
gene an die Stadt zurücgelommen war, wollte diefe von all diefen Ver:
trägen nichts willen, indem fie bei den erwähnten Berathungen gar nidt
bingugezonen worden jei und Aulik nur auf eigene Fauſt gehandelt habe.
Sie brachte alje im Dahre 1630 aufs Nene den ganzen Prozek vor dad
Oechsmännergericht. Dieſes entjchied am 7. November 1630 dahin, dab
die IP. Aranzistaner bisher in unrehtmäßigem Befige der
vier Hauſer geweſen feien, da ſowol die Uebergabe derfelben als die Zu‘
ſprechung der 2000 Sch. ohne Wilfen und Willen der Gemeinde gefchehen
ſer Oben ſo ſei es genen die Privilegien der Stadt, daß die Franzi
kanerem den vier Hänſern Bier gefchenft und die chedem vorhandenen
‚upennture derſelben verſteckt hätten; es jtehe alfo dem Rathe zu mit den
VHauſern rei zu verfügen. Srbittert über diefen Urtheilsſpruch reife
un vleugidian Sauzius jelbit an das faif. Hoflager, um dafeibft feine
Säache u jubren Aber auch die Stadt machte bei der Kammer ihre genug
hiſtiden egenvorſtellungen. Es ſei ganz unverſchämt, ſagte der Magiſtrat,
Bun aurrun außer den vier genannten Häuſern noch das des Menzel
Yaunstepd ® beanſpruche, und unverschämt, daß er behaupte, Die Hänfer
ua am an zerſtortem Zuſtande übergeben worden, da doch der dama⸗
FJ a Dominikauerkloſters.
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lige Kaiferrichter felbft bezeugen könne, wie fie im beten Zuftande fammt
Bibliothelen und Einrichtungen ihnen übergeben wurden und wie fie ſelbſt dic
Häufer ausgeräumt. Doch jei dieß Alles ohne Wiſſen ber Gemeinde durch
S. P. Aulik ex pio zelo (?) gefchehen uud dieje Abtretung daher niemals
rechtögiltig geweien. Auch habe Sanzine gedroht, falle man ihn nicht
mit 2000 Sch. befriedige, werde er auf die Gerechtſame der 4 Hänfer
Bier brauen, Wein fchenfen, mit Getreide zum Schaden der Stadt han-
deln. Dann aber, würde fi der Bürgermeifter und Rath bemüßigt fehen,
dent Bruder des heil. Franziskus den Kram zu fperren und die Fäſſer
zu zerihlagen zum Schute jeiner Anempfohlenen und bitte deßhalb zur
Abmendung eines jolchen Aergernijjes, die vier Häufer gegen Empfang
des Kiofters wieder zurüdzuftellen. Durch den Sachjeneinfall fcheint der
Terlauf des Prozeſſes unterbrochen worden zu fein, und 1632 finden wir
wieder eine eigene Commiſſion bemüht, ihn gütlich beizulegen, doch aud)
dießmal nit mit Erfolg. Die Mitglieder aus dem Bürgerftande,
Primas Hradifhtsty und Paul Yefny behanpteten, dem Klofter Fein
Deputat ſchuldig zu fein, da diefem feine Güter zu cigener Verwaltung
zurüdgeitellt feien, ebenfo wenig die oftgenannten 2000 Sch., da bereits
durch die Inquifition alle Verbrechen der Bürger, alfo aud die der
Deutſchen gebüßt feien. Ueberdieß habe dem Stlofter die Nutzung
der vier Häufer bereit8 mehr als 2000 Sch. getragen und jenes fei auch
noch im unrechtmäßigen Befiße des Gute des Rambanſek, das tod
der Kaifer der Stadt als Perdon und uote geſchenkt und Aulik
eigenmädtig dem Sanzius überlaffen habe Wegen Vückenhaftigkeit
der vorhandenen Acten können wir nun den Verlauf de® Prozeſſes eine
Zeitlang nicht verfolgen; im Jahre 1643 finden wir aber die Franzis—
faner noch im Beſitze der fraglichen Häufer, die fie al8 Pfand für die
Forderung von 2000 Sc. inne hielten, die ihnen alſo doch ſchließlich müften
zugefprochen worden fein. Am 9. April 1643 tanfchten fie diefelben end—
(ih gegen einige Felder (meiſt in der Flur Augezd) um, die ihnen die
Stadt für die Hälfte der prätendierten Summe abtrat, während fie ihnen
über die noch übrigen 1000 Sch. am 24. April einen Schuldfchein aus-
ftelfte, in welchem beiderjeitig zwiſchen Stadt und Klofter Frieden und
Eintracht verfprochen wurde im Gegenſaße zu dem unchriſtlichen Ver—
halten der Vorgänger „unglüdjeliger deutfcher Nation und Zunge“.
Auch zwifchen der Stadt und dem Probfte wurden die neuen
Berhältniffe immer gefpannter. Die Peitmeriger waren der Meinung,
daß ihnen die Kolfatursrechte nur für die Zeit abgenommen worden
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feien, als fie feinen ordentlichen katholiſchen Seeljorger hätten und daß
Jomit der Probft der Neuftadt Leitmeritz nicht Befiger der Collatur,
jondern nur proviforifcher Adminiftrator fei. Als fie 1625 wirflid einen
katholiſchen Dechant bekamen, konnten fie fi) bei dem abfoluten Re—
gimente des Kaiferrichters kein Recht verfchaffen und fo blieb die Sache
auf fid) beruhen, bi8 die Gemeinde die Gefammtverwaltung ihres ehema: .
ligen Vermögens wieder in die Hände befam. in Prozeß, den fie nun
gegen den Probjt Johann Sirtus von Lerchenfeld führte, wurde
in Bezug auf die auf den unterthänigen Stadtgründen liegenden Kirchen
durch die Urtheile vom 24. Juli und 27. Auguft 1629 zu ihren Gunjten
entihieden. Da aber vor Vollziehung des Urtheils Probft Sirtue
jtarb und der befannte ftrenge Reformator Iohann Ctibor Kotwa von
Sreifeld ihm im Amte nachfolgte, erneuerte diejer die früheren Prä-
tenjionen und wollte die Kirchen zu S. Georg, S. Adalbert und
©. Martin nidht ausliefern. Darüber erbittert erbracdhen die Leit—
meriger am dritten Tage nad der Inſtallirung des neuen Probftes
die Schlöſſer der genannten Kirchen mit Gewalt, rilfen fie los, und
hängten Anhängichlöffer davor. Begreiflich führte nun der Probft aufs
Neue Klage gegen die Neitmeriger, behauptete fogar, die Collatur
diefer Kirchen habe feit Dienichengedenfen zur Probftei gehört und machte
ji) auch den Umſtand zu Nutze, daß nad) Einführung des Fatholifchen
Pfarrers die Kirchen nicht übergeben wurden, was hätte geſchehen müſſen,
wenn die Behauptung der Bürger richtig wäre. Zwar repfizierten auch
die Bürger fehr eingehend, aber auch der Probft war rührig — und
die Replik jener wurde caffirt, da fie fih nicht an das jetige Recht
des Königreichs (die erneute Yandordnung), jondern mit Gitirung
des Reichsrechtes (ſächſiſches Recht) am diefes anfchliefe. So blieb
auch diefer Streit inzwifchen unentfchieden und der Probft im Beſitze der
Collaturen.
Auch dem Dominikanerkloſter bei St. Michael, das ſeit
der Huſitenzeit in feiner beſonderen Blüthe ſtand, und großentheils ſogar
noch in Trümmern lag, ſollte nach dem Willen des Kaiſers aufgeholfen
werden. In dieſem Sinne erfolgte am 28. September 1630 die Schenkung
des Gutes Großaugezd an den Konvent zum Behufe der Errichtung
eines Noviziates für böhmifche Ürdenszöglinge. Manche Schenkuug geſchah
aber auch auf Koften der Stadt, da wie bei allen Schentungen an
geiftlihe Orden, die Schoßpflichtigleit erloſch. Gleich nad der Aus:
wanderung ded Georg Hanuſch bemädhtigte fi der Konvent feines
— 41 —
Hanfes "), und als dic Gemeinde dagegen protejtirte, erhielt jie ben
gemeſſenen Befehl, dem Gonvente das Haus nicht jtreitig zu machen.
3m Jahre 1630 kam P. Peter Canadilla, failerliher Kath, mit
kaiſerlichen Empfehlungsjchreiben nah) Yeitmerig, um als Prior den
Wiederaufbau des eingefallenen Kloftere einzuleiten. An Folge deſſen
mußte den 18. November die Gemeinde noch zwei andere Häufer, eines
neben dem erwähnten, das andere rüchvärts an der Stadtmauer gelegen,
abtreten, die zur Erweiterung des Kirchhofes demolire wurden. Dafür
Tollten die Bürger das Recht haben, fich und ihre Kinder für alle Zeiten
dorthin begraben zn fallen. 1633, 29. Juli mußte die Stadt nod) zwei
zerftörte Häuſer zwilchen der, Stadtmauer und der Gemeindeburg (jegt
Rade) „zum Aufban des ſchon erwähnten) Noviziates“ Tchenfen. Doch
tam dasfelbe nicht auf diefe Stelle, fondern jene Gründe wurden zur
Erweiterung des Gartens verwendet.*) Auch der Probſt Crispin von
Toran verlangte (1626) — wol nicht ohne Erfolg — ein Haus in der
Stadt, in das ſich jein Konvent in Zeiten der Noth flüchten könnte und
bezeichnete, al& bejonders geeignet, das verlajfene Haus des Adam Kolda,
der es ohnehin durch jeinen Zturm auf Doran verwirkt hätte.
Außer der Vergrößerung der bereits bejtandenen Urdenshänfer in
Yveitmeriß War der Sailer auch noch bemüht, neue daſelbſt einzu-
führen und zwar jene, die ihm chen bei der vollendeten Reformation am
treftlichiten gedient und für die Erhaltung des jo mühcvoll gepflanzten
Glaubens aud) in der Zufunft die beſte Stügße zu fein ſchienen, Die
Jefſuiten und die Kapuziner, beſtimmt zu wirken, jene durch Klugheit
und Gewandtheit in den Höheren, diefe durch voffsthiiniche Beredſamkeit
in den niederen Klaſſen der Geſellſchaft. Am 5. Auguft 1629 erjchien
eine faif. Rejolution, weiche erflärte, daß Ferdinand Il. gleich nach
der ruhmmreichen Victorie beichletien, zur NWerbretitung des fatho:
liſchen Glaubens dic Geſellſchaft Jeſu wieder in Böhmen ein-
wführen und dak er auch zugleich Yeitmerig als einen geeigneten
ar auserſehen habe. Es erfolgt daher an die Gemeinde der Befehl,
dieienigen Gebäude und Gründe, welche die hiezu beſtimmte Commiſſion
für die künftig bier einzuführenden Pi’. KJeſniten auserſehen habe,
entweder umtonjt oder um einen billigen “Preis abzutreten und Die
>, Echhaus au der Stelle von N. 40. *»Dieß iff menigflene ans dem jetigen
Sebäudeftande zu Schließen. Die Häufer gehörten ehedem dem Daniel Reto-
litzgky und Johann Yaudedorj. Der Bau follte fo geiührt werden, daß zwi-
iden dem „Erad” uud dem Wooiziate ein Güßchen fils zwei Peiſonen bleibe.
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betroffenen Befiger derjelben durch confiscirte Güter zu entfchädigen.
Die erwähnte Commillion, das ift Graf Paul Michna von Wakinom,
fönig. Statthalter, und S. PB. Aulik von Trebnik, nunmehr Sekretär
ber böhm. SHoffanzlei, hatte al& geeigneten Plag zur Wohnung für die
Jeſuiten die Kirche zu unfer lieben Frau in der damaligen Marien-
gaffe (jetzt Jeſuitengaſſe), das bdabeiftchende von Yerdinand 1.
geftiftete Collegium und ſechs nebeneinanderftehende Privathäufer in
derjelben Gaſſe, zum leiblichen Unterhalt die Höfe des „verftorbenen“
(yquod non!) Panl Stransky und zur geiftigen Erholung der Patres
desjelben Garten vor dem langen Thore, der noch durch die der Emi-
granten Johann Hauſchka, Caspar Koh und Anna Treitler zu
vergrößern fei. Am 5. Dezember 1630 wurde durd Vermittlung der
genannten Commilfion ber Kauf der erwähnten Häufer, Güter und
Gärten zwifchen der Gemeinde, die fih am 31. Auguft 1629 in den
Beſitz derfelben mit nicht ganz klarem Rechte") gefett Hatte, als Ber-
fäufer einerfeits und dem P. Martin Stredonius, Rector des Jeſuiten—
college zu St. Clemens in Prag, anitatt des fünftigen Neftors von
Leitmeritz, ald Käufer andrerfeits abgefchloffen. Die Jeſuiten ver-
wilfigten fi für drei Höfe und vier Gärten 3000 Schod m. (etwa
2330 Neihsthl.) in Naten zu zahlen. In Betreff der Häufer jcheint
man noch nicht einig geworden zu fein. In demfelben Fahre (Donnerftag
nah S. Profop, 4. Juli) hatte derfelbe Orden bereits in Pokratitz
das ehemalige Gut der Ritter von Kameik ſammt der Concollatur von
St. Adalbert an fi gebracht, das die königl. Kammer al8 Buße des
Johann Köchel von Hollenftein eingezogen hatte und nım um
11.988 Sch. an den Rektor von S. Clemens verkaufte. Am 21. Jäner
1631 wurden die erften drei Jeſuiten in dic genannten Käufer einge-
führt, aber bald wieder dur den Sacjfeneinfall von da verſcheucht.
Erft 1632 verfprad der Rector von S. Clemens wieder, nun mehr
recht bald abermal® zwei Patres Jeſuitas nad Yeitmeriß zu fenden.
Trog dem aber kam der förmliche Abſchluß des Häuferfaufes erft am
) Die genanıten Güter gehörten eigentlich der Gemalin des Stranskö, dir nad
Ausweis der Inquifltionsregifter ale unter der Gewalt de Mannes nicht ver:
urtheilt war. Bon diefem Vermögen war alſo bloß die Quote zu zahlen ;
man nahm aber Lie ganzen Güter ale dur Strans!n’s Tod heimge-
follene in Beſitz. Da diefer aber feine Bevollmächrigten in Feitmerip hatte
und fehr häufig correſpondierte, fo fällt auf die betreffenden Organe (befonbere
Aulit, der damals noch ale Kaiferrichter diefe Angelegenheiten geleitet hatte) der
Berdadt, Straus kÿ nicht ohne Abfiht tobt geglaubt zu haben.
— 43 —
13. Iäner 1638 zu Stande, nachdem vorher lange, befonders UM ein
Häuschen des Emigranten Mathäus Zu ber gejtritten worden war, das
die Jeſuiten als zur Kirche gehörig beanfpruchten. Dieſe Kirche, die
damals die Gemeinde erft neu hergeftelt, mit Uhr und Glocken verjehen
und mit einem neuen Altarblatte der Iungfrau Maria geſchmückt hatte
(gegenüber der jetzigen Diarienkirche gelegen), das Collegium (jegt
Symnafium) und das Haus des M. Iſaias Welik fcheint ihnen von
der Stadt gauz gefchenkt worden zu fein; für das Haus des Sladek
aber zahften fie 700 fl., für das des Kochan 933 fl. 20 kr., für das
des Rneifel 700 fl. und für das des weilend Thobiad Beier 816 fl.
40 Er. in Raten.
In derfelben Zeit (14. März 1636) richtete aud) der Prager
Kapuzinerguardian Sanınel von Pilfenberg ein Geſuch an
den Erzbifhof um Ausmittlung eines Plägchens zu einer Niederlaſſung
in Zeitmerig. In ziemlich herriſchem Tone befahl der Erzbifchof
hierauf der Stadt (25. März 1636), einen geeigneten Baugrund und
das S. Yaurenzlirdlein zur Verbreitung der Ehre Gottes dem
Orden einzuräumen. Da ein gleiher Befehl and jhon am 2. Jäner
von Seiten des Kaiſers erfolgt war, fo trat die Stadt am 19. April
1638 eine beträdtliche Anzahl von demolirten Häuſern in der ehemaligen
Iungferngafje ab. Der Grundjtein zum Baue des Klojterd wurde
aber erſt am 27. April 1649 gelegt. Der größere Theil des Kloſters —
ausſchließlich der Kirche — wurde noch in demfelben Jahre unter Dach
gebracht. °)
Dis zu ber Zeit, in die wir hier vorausgreifen mußten, erfreute
üh Yeitmerig aber durchaus feiner friedlichen Neubildung und Ent:
widlung, wie jie nothwendig geweſen wäre, wenn die großen Wunden
auch nur oberflädylich verharichen follten. Zelbjt der Erfolg der Re—
formcommmiffion war trog alien diefen nen errichteten Schugmwehren fein
volllommen gejicherter. Es iſt im Ange zu behalten, daß es fich nicht
darum handelte, eben Abgefallene oder Verführte zu einer noch wohl»
belannten Religion zurüdzuführen, wobei, wie jeder weiß, die bloße
Erinnerung au den Glanben der Väter und der Jugend im Volke
Runder thut, jondern um Cinführung eines Glaubens, der in ciner
Stadt, die bereits zwei Jahrhunderte lang cinem andern Belennt:
niffe angehangen, men ericheinen mußte. Den huſitiſchen Yehrbegriff
3) Jalſch's Mitibeilung in „Bohemia” 1834 Wr. 11.
— 1414 —
nannten die Leitmeritzer den „Glauben der Väter,“ von dem ſie ſich nicht
trennen könnten. Gerade die Zähigkeit des weiblichen Geſchlechts,
das oft die Männer an Standhaftigkeit übertraf, beweiſt, daß das von
fervative Motiv, die alte Gewohnheit, jchwer in der Wagichale lag.
Yutheraner und böhmijhe Brüder konnten am wenigjten ihre
alte Glaubensmeinung in der neuen Form verbergen. Teshalb ver-
ließen diefe zumeift das Yand, doch nicht ohne die Hoffnung, in beſſeren
Tagen vielleicht geſchützt durch irgend eine fremde Macht die neuen Wirthe
aus ihren Hänfern zu verdrängen. Deshalb Liegen fie ſich auch zumeift
in den Gränzjtädten und bejonders in denen nieder, die durch die Wafjer
jtraffe der Elbe mit Yeitmerig verbinden blieben. Dieſen gegenüber
hatten es die gemäßigten Utraquiften weit leichter, den gehofften Um—
ſchwung der Dinge in der Heimat felbjt abzımvarten und bis dahin einer
Glaubens form fi) zu bequemen, die von der ihren nicht gar jo fehr
verjhiven war. Unter der Obedienz des Erzbifchofs waren fie ohnedies
immer geftanden und es waren ihnen durch Kerdinand IT. gewiſſer—
maßen nur einzelne Privilegien entzogen worden. Daher ift denn der
Werth jo mander Errungenschaft, die damals die latholiſche Kirche
machte, mindejten® jehr zweifelhaft. Viele von denen, die jeit 1627 für
den Katholicismus auffällig ceiferten, waren im Herzen UWıragnijten
Selbſt bis in den Schoß der Familie hinein drang Zwieſpalt und Ser:
rüttung; ein Bruder ergriff den Exulantenſtab, indeß der andere als
Convertit in der Stadi zu Ehren und Würden fan. ft aber beitand
zwilchen jo getrennten Gliedern einer Familie das freundſchaftlichſte Ein-
vernehmen fort, und es Scheint faſt, als ob es mitunter Plan geweſen
fei, dak der Eine im der Fremde, der Andere in der Heimat fein Glück
verſuchte, um vielleicht einmal da oder dort ſich wieder zu vereinigen.
Wir haben ſogar Beiſpiele, daR Eltern, die ſich fiir gut und eifrig fa-
tholifch ausgaben, ihre Rinder zu ihren Verwandten in die Fremde ſchickten,
um fie dort in ihren alten Glauben erzichen zu lajjen, was in Yeit-
merik nunmehr auch heimlich nicht mehr möglich war. Tem ſchon
genannten Johann Rneyſel, der fid für einen Matholifen ausgab und
jo ſelbſt Rathemann geworden war, befabl der Uterlämmerer jirengjtens,
feine Zodhter von Pirna zurüdzurufen, wohin er fie zu feinen cemi-
grirten Freunden geſchickt hatte, angeblich damit fie dDeutich lerne, Manche
Kmigranten, die einſt im Ueberfluß, nun in Noth und Elend Lebten,
fonnten den Tag nicht erwarten, der ſie, wie fie mit Ueberzengung hofften,
in ihre liche Heimat zurückführen werde, und Schnſucht und Heimweh,
— 41 —
an dem der Slave unter Deutſchen bejonders leider, trieben fie zu
gewagten und voreiligen Verſuchen. Schon 1626 famen mehrere zurüd,
die den Ausgang ihres Proceſſes nicht abgewartet hatten, um ſich von
dieſem zu unterrichten und vielleicht, was zu retten war, noch zu retten.
Denn jie ji ruhig und jtill verhielten, fo konnten fie ſich ungehindert
wieder entfernen; wer aber feinen Groll nicht verhehlen konnte, der lief
Gefahr, nicht fo leichten Kaufes davon zu fommen. Kinen von Dielen,
den erwähnten Mathäus Zuber, hielt der Kaiferrihter Aulik jo lauge
eingefperrt, bis cr ſich dadurd zu befreien wußte, daR er in angeblicher
Erleuchtung jein Häuschen der Kirche unſerer Lieben Kran fchenfte,
um das ſich Ipäter der Streit mit den Jeſuiten drehte. Noch mehrere
aber fchrten 1628 heimlich) zurück, obgleich diesmal die Gefahr für
fie jchon größer war. Nach einem Erlajje der Reformeommiſſion vom
28. April 1625 wurde e8 jedermann ftreng verboten, die rückkehrenden
Keger zu beherbergen, die vielmehr von der Behörde, wo man ihrer nur
habhaft werden könne, zu verhaften ſeien. Aus dem Berfahren gegen
Einen diefer Unglücjeligen dürfte man auf dag Vorgehen im Allge—
meinen fchließen fönnen Mathes Klaus, Keßler in der Vorſtadt, ein
gebeugter Greis, war, da fein Alter die Yeiden der Verbannung wohl
am ſchwerſten tragen mochte, zurüdgefcehrt, um zu jehen, wer in ſeinem
durch den Fleiß jo vieler Jahre erworbenen Häuschen wohne, und viel
leicht aud, um unbemerkt oder doch überjchen feine muiden Glieder da—
ſelbſi auszujtreden. Der Magijtrat aber cfuhr von feiner Rückkehr
und ließ den Alten in die Schattelei einjperren. Dann aber fragte er
bei der Reformationscommiſſion um Werhaltungsmaßregeln an. Dieſe
bejaht, den Greis vorerjt ſtrengſtens zu eraminieren, worin er denn
eigentlih das Hindernis zur Rückkehr zum Glauben cerblide und mit
wem cr ctwa im Bunde ftche. Dann aber ſei er drei Tage lung bei
Waſſer und Arod in Kinzelbaft zu halten, damit ihm niemand in der
Ketzerci bejtärten könne. Nur ein Priejter ſoll Jutritt zu ihm haben,
um ihm zu unterrichten. Nach diejen drei Tagen der Unterweiſung fe
ihm zu verkünden, daR ihm cin feruerer Termin von abermals drei
Zagen gejtellt werde, binnen welchem er ſich entichlichen muſſe, zu
beichten und sub uma zu commmmizieren. Thue ev dich, dann jet ihm
die verdiente Strafe nachzulaſſen, thue cr es aber nicht, dann fei
er nad) Yerlauf von cbermals drei Tagen durh den Schergen aus
der Stadt zu führen und andern zum Beiſpiele mit Ruthen fortzu-
peitfhen — dich Alles aber aus befonderer Gnade und „Berüd-
-- 416 —
jihtigung für fein Alter.” Welchen Theil der Alte gewählt, haben wir
nicht gefunden. Ueberhaupt follte nun endlih alle Schonung aufhören
und die noch zurüdgebliebenen oder wieder zurüdgelehrten Ketzer follten
nunmehr als Verbrecher behandelt werden. Eine Injtruction der
Inſtructoren vom 24. November 1628 befichlt „dergleichen trugig un—⸗
gehorfambe Leute, wo diejelben anzutreffen, in deren Kreiſen durch Die
Kreishauptleute zu arretieren oder wo es von Nöthen die Männer mit
Zufhidung einer Anzahl von Musquetieren zu gefänglicher Haft einzu⸗
ziehen, naher Prag zu führen und in dem weißen Thurm zu ent-
halten (sic.).” An den Weibern aber folle noch ein dreiwöchentlicher
Belehrungs= und Bekehrungsverſuch gemacht werden. Bei welcher aud)
diefe Mühe vergeblich fei, die fol bis an die Gränze geichafft und dort
ihr befohlen werden, bei Berluft von Yeib, Ehre, Hab und Gut nie
mehr zurüdzulehren.
Diejenigen aber, die zurücgeblieben waren und aufrichtig oder heu-
helnd zum Katholicismus ſich bekannten, wurden in ftrengfter Kirchen-
zucht und die Lifte der Gläubigen und Zweifelhaften in fteter Evidenz
gehalten. Alljährfich verfangte der Kreishauptmann und Reformcommiſſär
Yeo von Kolowrat die Verzeichniſſe derer, die gebeichtet uud die nicht
gebeichtet, und damit aud) der Secljorger feine Hrerde genau überwachen
fünne, war die Einrichtung getroffen, daß um die öÖfterliche Zeit jeden
Tag die Inwohner von je zehn Häufern der Reihe nad) beichten mußteı.
Die Pflicht des Magijtrates aber war es, dafur zu jorgen, duß die für
jeden Tag bejtimmten vor dem Beichtjtuhle erichienen. Auf die Dorf:
ſchaften, die Feine Secljorger hatten, pflegten zur öfterlihen Zeit Miſſio—
nen zu gehen. Ans einem Werzeichniffe vom Jahre 1629 erfehen wir
in Betreff des Yeitmeriger Ardidiafonats folgende Refultate: Durch»
aus fatholifirt oder mindeftens fügſam erfcheint nur die Stadt Yeit-
merig mit ihren VBorftädten und Schoßdörfern, die Domäne des Wil—
helm von Wrefoweg (Ploſchkowitz, Yibohowan, Gernofet, Ca-
lofig), die des Molfenftein (Benfen, die der Eliſabeth von
Salhaufen (Schwaden, Waltii, Srofpricien), die der PP.
Fefuiten, des Yco Kolowrat und Merode (Algersdorf, Mer-
tendorf, Munker, Konojed, Tſchaſchel, Eicht, Schebine,
Grünwald, Naſchwitz, Heudorf, Rebire, Weißkirchen) und
auf der Domäne des Probſtes die Dörfer Trebautitz, Kreſchitz und
S aubernig.
Turdane Häretiler waren hingegen nod bie Unterthauen bes
— 413 —
13. Iäner 1638 zu Stande, nachdem vorher lange, befonders um ein
Häuschen des Emigranten Mathäus Zuber gejtritten worden war, da®
die Jeſuiten als zur Kirche gehörig beanjpruchten. Diefe Kirche, die
damals die Gemeinde erft neu bergeftellt, mit Uhr und Glocken verjehen
und mit einem neuen Altarblatte der Jungfrau Maria geſchmückt hatte
(gegenüber der jetigen Marienkirche gelegen), das Collegium (jegt
Gymnaſium) und das Haus des M. Iſaias Welik fcheint ihnen von
der Stadt ganz gefchenkt worden zu fein; für das Haus des Stapel
aber zahlten fie 700 fl., für das des Kodan 933 fl. 20 fr., für das
des Rneifel 700 fl. und für das des weiland Thobias Beier 816 fl.
4 Ir. in Raten.
In derfelben Zeit (14. März 1636) richtete auch der Prager
Kapızinerquardian Samuel von Bilfenberg ein Geſuch an
den Erzbifchof um Ausmittlung eines Plägchens zu einer Niederlaifung
in Keitmerig. In ziemlich herriſchem Tone befahl der Erzbifchof
hierauf der Stadt (25. März 1636), einen geeigneten Baugrund und
das S. Yaurenzkirdlein zur Verbreitung der Ehre Gottes dent
Orden einzuräumen. Da ein gleicher Befehl auch ſchon am 2. Jäner
von Seiten des Kaiſers erfolgt war, fo trat die Stadt am 19. April
1638 eine beträchtliche Anzahl von demofirten Häufern in der ehemaligen
- Sungferngafje ab. Der Grundftein zum Baue des Kfojterd wurde
aber erſt am 27. April 1649 gelegt. Der größere Theil des Kloſters —
ausſchließlich der Kirche — wurde nod in demfelben Jahre unter Dad)
gebracht. ?)
Dis zu der Zeit, in die wir hier vorausgreifen mußten, erfreute
NG Yeitmerig aber durchaus feiner friedlihen Neubildung und Ent-
Dillung, wie fie nothweudig gewefen wäre, wenn die großen Wunden
auch nur oberflächlich verharfchen follten. Zelbjt der Erfolg der Re-
formcommiſſion war trotz allen dieſen neu errichteten Schutzwehren kein
volllommen geſicherter. Es iſt im Auge zu behalten, daß es ſich nicht
darum handelte, eben Abgefallene oder Berführte zu einer noch wohl»
befannten Religion zurüdzuführen, wobei, wie jeder weiß, die bloße
Crinnerung an den Glanben der Väter und der Augend im Wolfe
Runder thut, jondern um Kinführung eines Glaubens, der in einer
Stadt, die bereite zwei Jahrhunderte lang cinen andern Belennt:
niſſe angehangen, neu erſcheinen mußte. Den hufitiſchen vehrbegriff
— —
’ Yllg’s Mitheilung in „Bobemia” 1834 Mr. 11.
— 48 —
wanderten Böhmen die Erfüllung ihrer Sehnſucht hoffend über die
Gränze. Schludenau, Tetſchen und Außig wurden genommen und
geplündert. Bon da aus zog da8 Sachſenheer, wie e8 fcheint, in zwei
Heeresfäulen, plündernd und fengend gegen Leitmeritz heran. Die eine
mußte bei Sebufein über die Elbe geſetzt haben und marfchirte durch
das Tlutzner Thal und über Pokratitz zuerft vor die Stadt. An der
Stelle des To fefsthors bejtand damals nur cine Meine durch Baftio-
nen wohl gebedte Pforte, und die Sachſen zogen deshalb, wahrſchein⸗
lich durch ortsfundige Emigranten geführt, um einen Theil der Stadt
herum beim Zinngießer- (jet Neu-) Thore vorüber und machten ihren
Angriff auf das lange Thor. Da dieſes nicht geöffnet wurde, die Be⸗
fagung aber nur gering geweſen zu fein fcheint, fo zerhieben fie e8 und
drangen in die Stadt. Der zweite Heerhaufen zog am linken Ufer der
Elbe herauf. Alle Dörfer, durch die fie kamen, wurden geplündert und
verbrannt, da die Einwohner des Neitmeriger Gebietes bereits alle
fatholifch waren, wie eben dargethan wurde. So fanten am linken
Ufer der Elbe Profmit, Mlikojed und Beletig (Eifendörfel), am
rehten Sebufein und Tlugen in Aſche. Beim VBorrüden gegen
Raudnig wurde auch noch Nutfchnig (damals der Stadt gehörig)
verbrannt. Die Elbebrüde und ein Theil der Borftädte erfuhren
dasjelbe Los. Am fchlimmften wurde in der Borftadt vor bein lan-
gen Thore gewirtbichafte, wo man nicht mehr den led erkennen
konnte, auf dem ein Haus geftanden war. Die Gemeinde fpeciell ver-
for dadurch, ungerecdhnet den Schaden, den fie durch Verarmung ihrer
zin&pflichtigen Linterthanen litt und außer der koſtſpieligen Efbebrüde,
drei Zinshöfe jenfeits der Elbe und den Gemeindehof in Proſmik,
die der Erde gleich nemacdht wurden. Auch die Gärten um die Stadt
und die Ziegelfcheuern wurden zerftört und verwüftet. Am 15. November,
an einem Samftage, zogen die Heere in die Stadt und hielten dafelbft
Raſt. Am Sonntage darauf ſah Yeitmerik feit ſechs Jahren wieder
zum erften Male in feiner Hauptlirhe proteitantifchen Gottesdienft,
dur den die Führer für ihr Kriegeglüd, die Emigranten für ihre glüde
liche Wiederkehr am lang verlaffenen Heerde gewiß nit ohne Rührung
dankten.“) Die Stadt felbit fchonte Generallieutenant Arnim ale
wolgelegenen Proviantplag und weil viele Einwohner fi als heimliche
Proteftanten zu ertennen gaben. “Diejenigen aber, welche, weil fie dieß
) Veſchel Ogensi. TI., 886.
— 49 —
nicht wollten, oder weil fie im Befige der Güter der von den Sachſen
beihügten Proteftanten, deren viele mitgefommen waren, einzelne jogar
im ſächſiſchen Dienſten itanden, nun das ſchlimmſte befürchten mußten,
verließen die Stadt, flohen nad) Prag, und als auch dahin die Sachſen
famen, bis nah Mähren. Andere wieder juchten fich bei Zeiten mit
den rüdtehrenden Emigranten auf guten Fuß zu jtellen und zu vertragen.
Daß es aber auch in der Stadt nicht ganz ohne Plünderung, ja fogar
Demolirung von Häufern, befonders derer, die von den Katholiken
verlafien waren, herging, beweilt das Beiſpiel, daß die Soldaten die
Süter des Aulik, der den Emigranten aus begreiflichen Gründen am
meiſten verhaßt war, plünderten und theilweile demolirten, indem fie
ibn, da er zur Hoflanzlei nad Budweis gereiit war, für Landflüd):
tig erklärten. Diejenigen Bürger aber, die fi) in hervorragenderer
Weiſe an der Gegenreformation betheiligt hatten, und dennoch wagten in
der Stadt zu bleiben, wurden aus ihren Häuſern gejagt und kamen
tbeilweife in Roth und Elend um; Jo der cheinalige Saiferrichter Nikos
laus Mrazek und fein Genojje Georg Simelet, wailand Primator
der Stadt. Erjteren, der frank und elend um einen Bilfen Brod betteln
gieng, nahın Erasmus Pitſchan mitleidig in jein Haus, in dem er am
12. Dezember feinen Yeiden erlag, der einjt der erjte in Yeitmerig ge-
weien war. Auch Simelck ftarb mehr durch Hunger als durch Krank—
heit, wie Heliades erzählt, der hinzufügt: fortuna quem fovet stultum
facitt. Arnim verlangte 6000 Thaler Brandſchatzung und, um dieſe
unter anderen Berhältnijfen nicht allzıı große Summe zuſammen zu brins
gen, mußte der Magiſtrat den ganzen Erlös für die bis jegt verkauften
Güter der Beftraften zuſammen nehmen, nnd jo konnte dieſer wieder
nicht. jeinem cigentlichen Zwecke, der Schuldenbezahlung, zugeführt werden.
Außerdem veranſchlagte man den Werth des von den Sadjen genomme—
nen Weiner und Getreide auf 4000 Thlr. Die Kriegsvölker richteten
ih nun in Leit meritz ihre Winterquartiere cin und blieben dajelbjt
den ganzen Winter big in den Juni des Jahres 1632. Inter den vielen
zurüdgelehrten Emigranten jind uns namentlih nur bekannt geworden
Alerander und Paul Kapfer von Sulewig und Johann Moſtnik
von Nyfchtig, der ehemalige Stadtichreiber, der es in ſächſiſchen
Dienften bereits zum Kriegscommiſſär des Leitincriger Kreiſes
gebradht Hatte, dan Johann Trupel und die „hulejtarrige Treitlerin“.
Auch Georg Ferdinand Woſterskiy SKapler, der bisher in Böhmen
geblichen war, ließ fi nun durch feinen Verwandten Paul auf Seite
27*
— 416 —
fihtigung für fein Alter.” Welchen Theil der Alte gewählt, haben ne i
nicht gefunden. Ueberhaupt jollte nun endlih alle Schonung aufhör- e
und die noch zurüdgebliebenen oder wieder zurücgelehrten Keger ſollt e
nunmehr als Verbrecher behandelt werden. Eine Injtruction DD e
Injtructoren vom 24. November 1628 befiehlt „dergleihen trugig ım zı
gehorfambe Leute, wo dieſelben anzutreffen, in deren Kreifen durch Di
Kreishauptleute zu arretieren oder wo es von Nöthen die Männer zızZ:
Zuſchickung einer Anzahl von Musquetieren zu gefänglicher Haft einzız-
ziehen, nacher Prag zu führen und in dem weißen Thurm zu ent-
halten (sic.).” An den Weibern aber folle uod ein dreimöchentlidher
Belehrungs- und Bekehrungsverſuch gemacht werden. Bei welder auch
diefe Mühe vergeblich fei, die foll bis an die Gränze gefchafft und dort
ihr befohlen werden, bei Berluft von Yeib, Ehre, Hab und Gut nie
mehr zurüdzulehren.
Diejenigen aber, die zurücgeblieben waren und aufrichtig oder heu⸗
helnd zum Katholicismus fi) bekannten, wurden in ftrengfter Kirchen⸗
zucht und die Lifte der Gläubigen und Zweifelyaften in fteter Evidenz
gehalten. Alljährlic) verlangte der Kreishanptmann und Reformcommiſſär
Leo von Kolomwrat die Verzeichniſſe derer, die gebeichtet uud die nicht
gebeichtet, und damit and) der Sceljorger feine Heerde genau überwaden
fünne, war die Einrichtung getroffen, daß um die öfterliche Zeit jeden
Tag die Imvohner von je zehn Häufern der Reihe nad) beichten ınuptent.
Die Pflicht des Magiftrates aber war es, dafür zu jorgen, daß die für
jeden Tag beftimmten vor dem Beichtſtuhle erfchienen. Auf die Torf:
ſchaften, die feine Seelſorger hatten, pflegten zur öfterlihen Zeit Mifjto:
en zu gehen. Aus einem Verzeichnijfe vom Jahre 1629 erſehen wir
in Betreff de8 Yeitmeriger Ardidiafonats folgende Reſultate: Durch⸗
aus fatholijirt oder mindeftens fügſam erjcheint nur die Stadt yeit
merig mit ihren Vorſtädten und Schoßdoörfern, die Domäne des Wil—
heim von Wrefoweg ( Ploſchkowitz, Libochowan, Cernoſek, Ca
lofip), die des Wolkenſtein (Benſen), die der Eliſabeth von
Salhaujen (Schwaden Waltif, Sroßpriefen), die der PP.
Jeſuiten, des Leo Kolowrat und Merode (Algersdorf. Met
tendorf, Munker, Konojed, Tſchaſchel, Eicht, Schebin“
Grünwald, Naſchwitz, Heudorf, Rebire, Weißkirchen) und
auf der Domäne des Probſtes die Dörfer Trebantitz, Kreſchitz ut
S anubernik.
Durchaus Häretiler waren hingegen nod die Unterthamen Dt
— 4211 —
Com pagnie des Regimentes Ton Baltafar de Maradas, und 10 Tage
väter der Stab desſelben jammt drei Compagnien Eroaten als Beſatzung
in der Stabt ein. Nun blieb Yeitmerig bis zum Einfalle der Shweden
beitändig mit kaiſerlichem Kriegvolfe bejekt. ) Daß der Abzug der Feinde
nicht ohne erneute Plünderung der Umgegend gejchah, beweift die That-
fache 2), daß die Sachſen über das Schloß Kameik, das damals der
Familie Gernin gehörte, herfielen, dasfelbe plünderten und die Beute
zur Elbe hinabfchleppten, um fie dajelbft einzuſchiffen. Das Regiment
Batldfteins aber erfchien noch zu rechter Zeit, um jie daran zu hindern
and die Beute ihnen wider abzujagen, die inzwifchen in Yeitmerig deponiert
wurde, bis Graf Hermann Gernin, Hauptmann des Saazer Kreifes,
durch Vermittlung des General® Maradas wieder zu feinem Eigenthume
fm. Am 18. Juni wurde der Bürgerſchaft befohlen, die vom Feinde
zerſtörte Brücke jchleunigft wieder aufzubauen, und da die Mittel der
Gemeinde durchaus nicht zureichen fonnten, borgte Baltafar Maradas
jelbft der Stadt 1000 Ed. zu diefem Zwecke (6. Octob.). Später ver-
größerte fih die Schuld der Stadt an Maradas bis auf 3000 Sd). ?)
Am 25. September kündigte Albrecht von Waldſtein ſelbſt der Stadt
an, daR er mit einem Theile feines Heeres bei Yeitmeriß über die
Eibe zu gehen gedenke und erneuerte am 8. October den Befehl des
Mar adas, die Brücke fchleunigjt, wenigftens auf beiden Seiten wieder
berzuftellen und in der Deitte durch Schiffe zu verbinden. Wirklich ftellten
nun die Bürger eine neue, aber niedrige Nothbrüde ber, über die am
19. November der Herzog von Friedland jeine Truppen führte.
So war die Herrlichkeit der Proteftanten dießmal wieder nur von kurzer
Tauer geweſen. Es ijt natürlich, daß der proteftantifche Seelſorger ebenfo
gut mit den Feinden wieder abzog, wie die zurüdgefehrten Cinigranten.
Nur mit Vebenegefahr fonnte der eine und der andere jich noch in einem
— — — — —
) Am 28. Juni Artillerie unter Desfoure, 10. Inli bie 2. Auguſt Don Bal⸗
tafar, 2. Dezember RKeynodowetvu, 12. Aprıı 1633 Graf Thun,
11. October alla, 19. Nodember Fürſt Waldfieriu, 24 November
Yamberg, danı Graf Thur, 34. Juni 1654 509g Thun ab uud Marczy
nomely, den am 18. Juni wieder Thun adlöfle, ein; 29. Sepiember Yob:
tomwıy, 8. November Oberſt Strafoldo. °), Brief Herman Gernin’s vom
11. Zäner 1633. *) Diefe 3000 Sch. ſcheulte am U. Jänner 1652 Johanna,
geb. Maradas, Gemalin des Johann Zatazar von Montalbano, zu
tommen Zmeden dem Kloſter Karlehoi ın Brag (Abt Ifidor della
Cruce).
— 418 —
wanderten Böhmen die Erfüllung ihrer Sehnſucht hoffend über Die
Gränze. Schludenau, Tetfhen und Außig wurden genommen und
geplündert. Bon da aus zog da8 Sachſenheer, wie e8 ſcheint, in zwei
Heeresfäulen, plündernd und fengend gegen Xeitmerig heran. Die eine
mußte bei Sebufein über die Elbe gejet haben und marſchirte durd
das Tlutzner Thal und über Polratig zuerft vor die Stadt. An ber
Stelle des To fefsthors beftand damals nur cine Meine durch Baſtio⸗
nen wohl gededte Pforte, und die Sachſen zogen deshalb, wahrſchein⸗
(ih dur ortsfundige Emigranten geführt, um einen Theil der Stadt
herum beim Zinngießer- (jegt Neu-) Thore vorüber und machten ihren
Angriff auf das lange Thor. Da diejes nicht geöffnet wurde, die Be
fagung aber nur gering gewefen zu fein fcheint, fo zerhieben fie es und
drangen in die Stadt. Der zweite Heerhaufen zog am Tinten Ufer ber
Elbe herauf. Alle Dörfer, durch die fie kamen, wurden geplündert und
verbrannt, da die Einwohner des Leitmeritzer Gebietes bereits alle
fatholifch waren, wie eben dargethan wurde. So ſanken am linken
Ufer der Elbe Brofmit, Mlikojed und Zeletitz (Eifendörfel), am
rehten Sebufein und Tlutzen in Aſche. Beim Vorrüden gegen
Raudnitz wurde auch noch Nutſchnitz (damals der Stadt gehörig)
verbrannt. Die Elbebrüde und ein Theil der Vorſtädte erfuhren
dagfelbe Los. Am ſchlimmſten wurde in der Borftadt vor dem lan
gen Thore gewirthichaftet, wo man nicht mehr den Fleck erkennen
konnte, auf dem ein Haus gejtanden war. Die Gemeinde fpeciell ver:
(or dadurch, ungerechnet den Schaden, den fie durch Verarmung ihrer
zin&pflichtigen Unterthanen litt und außer der Eoftfpieligen Elbebrüce,
drei Zinshöfe jenfeits der Elbe und den Gemeindehof in Brofmil,
die der Erde gleich gemacht wurden. Auch die Gärten um die Stadt
und die Ziegelicheuern wurden zerjtört und verwüftet. Am 15. Novembet,
an einem Samſtage, zogen die Heere in die Stadt und hielten daſe Ibſi
Raſt. Am Sonntage darauf ſah Yeitmerig ſeit ſechs Jahren wi edet
zum erſten Male in ſeiner Hauptkirche proteſtantiſchen Gottesdie nit,
durch den die Führer für ihr Kriegsglück, die Emigranten für ihre grüd
liche Wiederkehr am lang verlaffenen Heerde gewiß nicht ohne Rühra!Nd
dankten.) Die Stadt felbit Ichonte Generallientenant Arnim als
wolgelegenen Proviantplatz und weil viele Einwohner ſich als heim liche
Proteſtanten zu erkennen gaben. Diejenigen aber, welche, weil ſie dieß
2) Peſchek Ggentj. II., 885.
— 423 —
vordem gefchehen. Er verwaltete fein Amt aber nur no Ein Jahr,
indem wir bereits zu Anfange des Jahres 1634 den ehemaligen Pfarrer
von St. Heinrih in Brag, M. Deartin Jacobides, einen geborenen
Leitmeriger, an feiner Stelle finden.
Die zurückkehrenden Flüchtlinge fanden ihre Wirtfchaften übel beftellt;
ihre Häufer waren geplündert und demolirt, oder e8 hatten fich die einquar-
tierten Soldaten darin feitgefeßt. Auch Aulik hatte, wie fchon erwähnt,
dabei bedeutenden Schaden erlitten, wußte aber auch allfogleih in einer
famentablen Supplif dem Raifer fein Unglüd darzuftellen und ihn nebenbei
anfmerffam zu machen, wie die Häufer und Höfe der mit den Feinden nun
wieder fortgezogenen abermals leer ftünden und feine Beſitzer hätten, mit
denen ihn der Kaiſer leicht entſchädigen könnte. Dießmal gefchah ihm aber
fein Wille noch nit, indem auh Waldſtein auf diefelben Güter, als ihm
vom Raifer zur Entfchädigung der SKriegsunfoften zugefprochen, Anfprüche
machte. Aulik aber lieh die Güter nicht mehr aus den Augen und
faufte fie nad dem Falle Waldfteins ").
Dieb nun gleich die Stadt felbft eine Zeitlang von feindlichen
Ueberfällen verfchont, jo müffen doch auch noch 1633 mindeften® einzelne
fliegende Corps die Umgegend hart mitgenommen haben. Das bezeugt
ein Brief des Rreishauptinanne Zdenko von Kolomrat, den er am
16. April von feinem Gute Bürgftein aus nad Leitmeritz fchrieb.
Seldft diefen harten Mann jammerten die Leiden feiner Unterthanen.
„Noch immer haben wir, fchrieb er, die gottlofen Feinde auf dem Halſe,
umd da ich feinen Schug finden Tann, fo weiß ich mir nicht anders zu helfen,
ale daß ich, wie andere Herren thun, mein Gut verlaffe — foll dann
Kreishauptmann fein, wer Luſt Hat! — Ich kann folhe Quälereien der
ermen Leute, befonders meiner Unterthanen, nicht länger fehen!“ War
auch Leitmerig von folcher Qual nun befreit, fo blieben doch felbft die
kaiſ. Befagungen eine genug drüdende Pal. Bald wurde Ausficht auf
Srieden Am 8 Mai wurden von Neuhaus aus fünf Häufer
beitellt, von denen drei für die faiferlihen und zwei für bie
ſächſiſchen Gefandten eingerichtet werden follten. Daß diefe zwar über
den Frieden in Yeimerik verhandelten, diefe Berhandlungen aber erjt
im künftigen Jahre zu Brag zum Abſchluße kamen, ift bekannt. Bor
) Es waren die treitlerihen nud trupelichen: Ein Hans in der Stadt, ein
Hof mit Hedern und Weinbergen in der Woldane. Preis 4306 Sch., Kauf:
cortract vom 13. Yuni 163G.
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der Feinde ziehen, wohnte während der ganzen Zeit des Sachſenregi⸗
mente® mit jenem unter einem Dache in Leitmeritz, wo er feine
Jugend verlcht hatte, und zog dann mit ben Feinden aus dem Yande-
Er muß in Leitmeritz eine populäre Perfönlichkeit gewefen fein, denn
die Peute, die ihn aus feiner Jugend kannten, nannten ihn nur fchleht =
weg Sirik Im die Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung miſchte
fich die Kriegscommilfion nicht cin. Eben fo blieb der alte Magijtrat
unter dem Primator Hradiſchtſky in feinem Amte. Dagegen wurbe
wie in Prag ber proteftantifche Gottesdienft wieder eingeführt. Der
fatholifche Dechan Damian Künel war nad) Prag geflohen, nicht
ohne Hinzuthun der Bürger felbft, mit denen er auch vordem nicht im
beften Einvernehmen geftanden. ALS protejtantifcher Seelforger wird ein
Dechant Theophil genannt, vielleicht ein Prediger des fächlifchen Mi:
litärs. An feine Kirchenverwaltung knüpft fi) eine ziemlich dunkle Ge—
Ihichte. Auf Befehl der Kriegscommiffäre Wolf von Sal hauſen,
Alerander Kapler und Johann Moſtnik wurde am 15. Jäner das
im Jahre 1628 aufgenommene Inventar der Kirchengeräthe revidirt und
viele Foftbare derfelben waren nicht mehr vorſindig. Selbſt das Salre
mentshäuschen auf dem Hochaltare war mit Gewalt ausgebrochen, und
das filberne Giborimm fehlte. Der nächſte Verdacht war natürlich der,
die Katholiken Hätten die Gegenjtände zu fid) genommen und man mag
vielleicht am meiften auf den uns ſchon bekannten Convertiten Hra—
diſchtſty gemuthmaßt haben. Es wurde deßhalb eine ftrenge Haus
unterfuhung angeordnet — da aber brachte der Primas Johann Hra
dBifchtffy eines Tages die vermißten Sachen vor die Commiſſion und
erklärte, die Nacht vorher habe eine unbekannte Berfon einen Sad in
feinen Hausflur geworfen und fi) fo ſchnell entfernt, daß ſie weder feit-
genommen noch erfanzt werden fonnte. Später behauptete der Glödner,
fein Weib Habe gefehen, wie der Dechant Theophil in der Nadı, al®
er in die Kirche überjicdelt, die Ichönften Kirchengeräche und Paramente
in einen Sack gepadt und dieſen einem ſächſiſchen Soldaten, der vor
dem Thore des Kirchhofs gemartet, übergeben habe. Sicheres wurde
darüber nichts ermittelt. —
Nachdem Waldſteim wieder den Feidherrnftab ergriffen und Dt
Sachſen aus Prag und dem größten Theile Böhmens vertriebe Ti
blicb außer Eger nur nohXeitmerig in den Händen derfelben. AD «
auch letzteres verliehen fie am 6. Juni 1682, als fie von Sachſen at
geichnitten = - noch an bemjelben Tage rückte eu
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wurde wenigiten® nicht geplündert und nicht verbrannt. Baner begnügte
ſich mit einer Brandihagung von 4500 fl. ') und 49 Faß Wein. Außer:
dem aber mußte natürlich das Heer verpflegt werden und die Kirche ihre
Koftbarkeiten im Werthe von 2632 fl. hergeben. Baner felbft zog zwar
bald weiter gegen Prag zu, ließ aber cine Bejagung dafelbft und fehrte
am 5. Auguſt fammt feinen Generälen auf feinem Rückmarſche wieder
in die Stadt zurüd. Einen Theil des Heeres verlegte er in die Stadt,
der größere aber bezog ein Yager bei der Milikojeder Kirche. Auch im
Gefolge diefes Heeres befanden fi) wieder heimfehrende Emigranten
in großer Zahl, und es ift fein Zweifel, daß fie auch diesmal wieder
ihren Gottesdienft einführten, obgleich dies nirgends ausdrüdfid erwähnt
wird. Unter ihnen befand fich abermal® Paul Kapler, dann Adam
Kinsty und der arge Ketzer Tobias Kolda. Die Namen der übrigen
find nicht befannt. Die beiden erjteren fcheinen förmlich in ſchwediſchen
Dieniten gejtanden zu fein und beforgten bei ihrer Ortsfenntnis die
Berproviantierung des Feindes. Kinsky holte von ber Burg Ko ftial
die ehedem der Familie Kapler, nun aber dem Adam Waldſtein ge-
hörte, das dort aufgelpeicherte Getreide und brachte es nah Leitmeritz.
Die Gebrüder Baul und Georg Ferdinand Kapler aber, die
im „Kuopfhaufe” ihre Wohnung aufgeichlagen hatten, bemächtigten fich
ihres ehemaligen Befites, des Gutes Trieblig und trieben eine
Art Getreidehandel mit den Schweden. Gegen letzteren leitete jpäter
die Regierung eine ftrenge Unterfuchung ein und forderte die Veitmeritzer
auf, alles, was fie gegen ihn wühten, anzugeben. Ans Gewogenheit für
feine Perfon oder vielleicht aus Ehrfurcht vor dem tragifchen Geſchicke?)
eines einft fo müchtigen und blühenden Geſchlechtes fand fich fein ein-
jiger Bürger, der gegen ihn gezeugt hätte. Da befahl die Kammer
endlih, mindejtens vier Zeugen ohne Widerrede gegen ihm zu jtellen;
aber auch da fand fih niemand, als endlich ein gewißer CTizet. Auch
die ehemaligen Beſitzer von Ploſchkowitz und Schüttenitz beſuchten
im Gefolge der Schweden bie ihnen entzogenen Güter. Johann Habart
von Ploſchkowitz erkrankte in Yeitmerig und ließ ſich am 31. Auguſt
zu feiner Gemalin nah Pirna bringen, mo er bald darauf ſtarb.
Wenzel Wilhelm von Ruppau, der thätigite Weiturheber des Aufftandes
von 1618, ftarb zu Yeitmerig am 20. September, wie der Bürger
') Onittung des Sekretäre Schmiedt vom 24. September 1634. °) Der Aelteſte
wurde hingerichtet und an fünfzig männlide Eproflen dieſer alteu Familie
ſollen den Srulautenflab ergriffen Haben.
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Heliades erzählt, im Wahnfinne. Sein Leihnam wurde nah Dresden
geführt. Arge Exzeſſe begieng der „Bilharde” Tobias Kolda, der bie
Bekehrten fchalt und fich mit ihnen vaufte Als der Bürger Adam
Dworsty, dem er wahrfheinfich befonders abhold war, nad längerer
Abweſenheit nah Leitmeritz zurückkehrte und Kolda ihn erblidte,
ließ er die Rathsglocke Täuten, nnd als das Volk zufammenftrömte, redete
er es an und verfprad ihm ein Faß Wein, wenn es den „Rordowanffy”
erfchlagen wollte. Da liefen fie denn mit Aerten, Knitteln und Waffen
zufammen, belagerten das Haus des Armen und hätten es erftürmt,
wenn fich nicht ein Rathsherr dazwilchen gelegt hätte. Sie giengen nun
zwar davon ab, ihn zu erfchlagen, führten ihn aber dennoch auf
die „Schattelei” und ließen ihn dort fo Lange figen, bis er ſich mit
einer großen Geldfumme loskaufte. Diefer Vorfall mag nicht vereinzelt
vorgelfommen fein und beweift wenigitens, daß die Afathofifen während
der Schwedenherrſchaft abermals eine bedeutende Rolle in der Stadt
fpielten. Als nad) der Eroberung NRegensburgs die faljerliden Truppen
in Böhmen verftärkt werden konnten, wurden auch die jchwebdifchen
Regimenter aus dem Lande geworfen. Am 26. September erfchienen die
erften Croaten vor der Stadt und die Schweden verließen bicjelbe
fammt den Emigranten, deren Hoffnung fo zum zweitenmale zu nichten
geworden war. Manche mochten fid, ihnen auch jest noch anfchließen,
die wegen ihres Benehmens in der lebten Zeit ihren Kopf nicht für
feft genug hielten. Andere aber hatten vor den Feinden abermald Haus
und Hof verlaffen und trieben fi in der Fremde herum. Diefer Zuftand
wurde noch lange nicht beiler, denn nun wurde die Stadt wieder mit
faiferlichen Völkern befett, die, aus aller Herren Rändern zufammengeraffte
nicht beifer hauften, als die Schweden ). Hunger und Peſt waren
die traurigen Begleiter der Kriegsnoth. Sprechender, al8 jede Schilderung
e8 könnte, fchildern die Noth die verbürgten Thatfachen 2), daß alle Dörfer
in der ganzen Umgegend derartig vermwüftet waren, daß durchichnittlich
in jedem Dorfe kaum zwei Höfe noch ein Stückchen Dad und noch wenigere
einen Inwohner hatten. Viele diefer waren Hungers gejtorben und viele
ı) Am 29. September zog Fürfl Lobkowitz ein; ihm folgte Oderſt Olympios
Strafoldo und Marczynoweky, am 8. Wovember Generalfeldmarſchall
Eolloredo und am 19. Dez mber Graf Rymwary mit frinem Regimente.
!) Zeugnis des G. W. Kuneſch von Lukbawetz und Peter Ziehard vom
80. November 1635, und des Johann Wenzel Kapler von Freitag vor An:
drea® 1635.
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erfchoffen worden. Die übrigen hielten fid) noch 1635 vor Angft in den
Waälbern verborgen und nährten fich kümmerlich dadurch, daß fie Holz
asınd armfelige Früchte des Waldes, forgfältig den garnifonierenden
Soldaten ausweichend, in die Stadt trugen. Schmal aber mögen Lohn
nand Almojen der Städter geweſen fein, denn von all den fchönen
reichen Häufern derfelben hatten nunmehr nur noch 69 einen Wirth.
Mehr als zwei, hundert waren bdemoliert oder verlaflen, wein fic)
richt etwa ein Trupp Dragoner cingeniftet und in die fchönen Weinkeller
feine Pferde gebunden Hatte. Selbft von den zurüdgebliebenen In—
wohnern ftarben viele in Noth und Elend, während die Söldner in
ihren Eoftbaren Wohnungen ſchmauſten; viele, befonders rauen, erlagen
grabezu den täglichen Mißhandlungen. Viele trugen den Keim des Todes
moch eine Zeit in ſich und ſchleppten ſich nur eine Zeitlang elend und
krank noch fort. Unter den erfteren befand fih auch der Convertit
Johann Hradiſchtſtki, den fein Webertritt zu Würden und Schägen,
Fchließlih aber wieder um alles gebracht. Kurz vorher noch Brimator
Der Sradt ftarb er am 25. September elend und verlaſſen in einem
Winkel des Salzmagazins, während fein eigenes Haus in den Händen
der Soldaten war. Der Chronift Heliades lag fünf Vierteljahre
krank barnieder, nachdem ihn die Eoldaten mit Hieben gezwungen, fo
viel Wein auf das Wohl der ſchwediſchen Krone zu trinken, daß cr für
todt umfiel. Seine Gemahlin aber ftarb aus Kränkung über die vielen
Beleidigungen und Diighandlungen. Wer den Schweden entfloh, fiel
den Kaiferlichen in die Hände, wie der Bürger Georg Meißner, der
geplündert und zerhauen von leßteren heimkehrte. Auf allen Dörfern
der Stadt waren nicht mehr als 13 Bauern und 11 arme Häniler
aufzufirden. Die Weinlefe hatten die Schweden für diefes Jahr bereits
im Auguſt in allen Weinbergen zugleich abgehalten und an den Stöden
ſelbſt unerfeglihen Schaden angerichtet. Viele derfelben waren in folge
des Genuffes der unreifen Trauben geftorben. Wohl konnte dem Kaifer
Das tiefe Elend der Stadt nicht verborgen bleiben, wenn die einjt fo
reide Stadt bei Erhebung ber am 7. Juni 1635 ausgefchriebenen großen
Eriegsſteuer alles in allem mit 61 fl. 31 kr. erfchien. Schon während
die faiferliche Armee noch vor Regensburg lag, hatte fi die Stadt mit
wiederholten Bitten und Vorftellungen an den Kaifer gewandt — allein
alle dergleichen Bitten hatte diefer dem Gommandanten von Böhmen,
Don Baltafar zur Begutachtung und Schlußfaffung zugefandt, und
biefer erkannte immer, daß der Stadt ihre Noth nicht zu eriparen (ki.
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Dieſe ermüdete aber nicht im Flehen und erflehte endlich, daß ihr ber
Kaiſer für die vielen erlittenen Schäden den Bier⸗ und Weintatz auf
ein Jahr fchenfte. Doc war diefe Wohlthat nicht allzuhoch anzufchlagen,
da die Soldatesfa zwar viel Wein trank, aber keinen zahlte. Später
aber (30. September 1638) gab Ferdinand der Gemeinde auch die
Hälfte aller Heimfälle im Sinne des Landtageſchluſſes 1577, die ihr
bisher entzogen waren, zurüd.
Bald darauf beſuchte Ferdinand II. perſönlich Leitmeritz,
um dafelbft mit dem Kurfürjten von Sachſen und feinen Söhnen zu ver-
handeln. Er verweilte dafelbft vom 4. bis 8. October, während der
Rurfürft am 5. eintraf und gleichzeitig mit dem Kaifer die Stadt verlieh.
In kirchlicher Beziehung war immer nocd nicht volltommener
Frieden hergeftellt. Der Erzdehant M. Jakobides war fchon 1634
geftorben und da man vielleicht die Entfcheidung der Collaturfrage ge-
fliffentlih Hinausziehen wollte, lie der Probft die Dechantei inzwijchen
durch feinen Canonicus Rudolf Rober verwalten. Ob alles wahr
fet, deffen die Gemeinde diefen Dann befchuldigte, willen wir natürlich
nicht; daß aber die Gemeinde an ihm nicht mit jener Xiebe hing, wie
an ihren ehemaligen Pridigern, daß fie feiner gern los fein wollte
und er wenigftens ein fehr heftiger Mann war, ift gewiß. Mehr als
20 Zeugen traten gegen ihn auf und klagten, er habe die Nachbarn aus
gewillen Urfachen (?) bis aufs Blut geprügelt, einem mit der Tadel den
Bart abgebrannt (vielleicht war er zu pithardiich), ungefeßliche Gebühren
abgeprefjt, die Nähe von der Kauzel herab „räudige Schafe” genannt
u. f. w. u. f. w. So gewiß nun das Belenntnis und der Pfarrer in
feinem innern Zufammenhange ftehen, jo gewiß hat doch dieß unglückliche
Verhältnis der innigeren Aufnahme des neuen Beleuntniffes gefchadet.
Roder wurde nicht abgerufen, fondern der Gemeinde ihre Auflehnung
verwiefen. Reformatoriſche Edikte erfolgten aber noch immer, jo 1636
das, daß in allen Eidesformeln der Namen Mariens aufzunehmen
ſei. Ein Befehl vom 4. Feber 1639 aber ftellt den noch vorhandenen
oder feit dem feindfichen Einfalle zurüdgebliebenen Proteftanten den legten
Termin, binnen vier Zagen katholiſch zu beidhten und zu comunizieren
oder das Yand zu räumen, widrigenfalls fie mit dem Verluſte alles
Bermögens, und wo feines vorhanden, körperlich gejtraft werden würden.
Wer einen ſolchen auf feinen Gütern verberge, verfällt, je nachdem er dem
Herren, Ritter oder Vürgerftande angehöre, in eine Strafe von 3000,
2000 oder 1000 fil., damals immenfe Summen, von benen brei Bier:
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theife zu frommen Sweden gewidmet, das vierte aber dem Denunzianten
zufallen folle.
Daß die Stadt wenigftens proteftantifcher Gejinnungen immer nod)
verbächtig war, erfieht man aus dem Mißtrauen, das die Regierung an—
läßlich des nächſten Shwedeneinfalles gegen die Bürger hegte.
Diefe wurden geradezu angeklagt, den Schweden, die diesmal aus—
drücklich als „Befchüger des Evangeliums“ auftraten, drei Meilen weit
Geſandte entgegengeſchickt und mit ihnen „unziemlich Landesverrätheriiches“
verhandelt zu haben. Doc, verhielt fi die Sache nah dem Zeugniſſe
des Domdehants Johann Göleftin von Kronenfeld (20. Juni 1639)
fofgendermafien:
Das Erjcheinen der Schweden war dießmal ein jehr unverhofftee.
Scherzend ſprach man noch von ihnen,*) da fam aufeinmal das Gerücht,
fie feien ſchon in Außig und zwei Abtheilungen rücken von verfchiedenen
Seiten gegen Yeitmerigß! Da fandten die Bürger erichroden Kund⸗
fhafter nah) Außig und erfuhren, daß bei Pirna 1000 Weiter, bei
Außig aber eine Partie von 600 Muffetieren über die Elbe geſetzt
hätten. Auf dieſe Nachricht überficl eine unfägliche Furcht die Bürger.
Dur alle Bergthäler ftreiften Heine ſchwediſche Parteien und eine
Reiterſchaar erjchien jelbit vor den Thoren der Stadt. Beſatzung war
feine in der Stadt, wohl aber waren die Thore dermaßen genügend
mit bewehrten Bürgern befeßt, daß fie jeder Partei hätten trogen
tönnen. Da aber der Parteiführer Einlak begehrte, mit Anzündung
drohte, die Bürger aber vom Hinterhalte unterrichtet waren (— und ber
erwähnte Verdacht nicht fo ganz ohne zu fein fcheint), öffneten fie dem
Heinen Häuflein die Thore. Einer von den Soldaten, ein Katholif,
hatte vordem and) dem Kaifer gedient und meinte c8 gut mit der Stadt.
Diefer verrieth den Bürgern, fie möchten wol auf ihrer But fein und
die Stadt in Acht nehmen, denn die nächfte Nacht würden 600 Muffe:
tiere vor dem Thore ericheinen und, wenn fie fich widerfegten, die Stadt
plündern und verbrennen. Daher jandte der Raıh zwei Perfonen aus
feiner Mitte mit einer Empfehlung des Parteiführere an den General—
major Stahlhantfchle (vulgo Stahlhans) in Außig, bei dem
fie fo viel erreichten, daß er die 600 Muſtetiere inzwifchen anderweitig
verwendete und erft am 28. April Nachte in vVeitmeritz einrüden ließ.
Bon nun an blieb die Stadt wieder faft cin Jahr in ſchwediſchen
9 aueſage bes Panl Golindt, Prager Bürgers, ber ſich eben in Proviänt:
seihäften in Leitmeritz aufhielt.
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Händen. Für die Emigranten, die au in diefem Jahre eine Rüd-
kehr mwagten, war dieß der unglüdlichfte Verfuh. Als Stahlhantſchke
abermal® aus Sachſen nah Böhmen zu ziehen im Begriffe war,
ſchloſſen ſich ihm am 26. Yuli 1639 alle Einigrauten Pirna’s, die nur
auf die Beine kommen konnten, an, um ihr Vaterland wieder zu ſehen.!)
Ihre vermeintlichen Reifeengel plünderten fic zwar auf dem Wege auf
höchſt undhriftliche Weife, aber viele gelangten dennoch nad Yeitmerik,
wo auch Baner felbft fpäter feinen Aufenthalt nahm. Bor Allem
follte die arme Stadt eine Brandſchatzung von 35.860 fl. 14 fr. 3 Pfen.
erlegen und 183 Fäſſer Wein zur Verfügung ftellen, dann begann aber:
mals die kirhlihe Reformation. Zum fiebenten Male binnen vier-
‘zehn Jahren wechſelte nun wieder der Gottesdienſt in der Allerheili-
genkirche!
Ein Paſtor, Namens Nikolaus Baſilius Kneskh, wurde
nun wieder foörmlich angeſtellt, um die Seelſorge auf proteſtantiſche Weiſe
zu leiten. Dieſe Anſtellung ließ ſich die Gemeinde zwar von Seiten des
Stadtfommandanten, Obriſten Ben, gefallen, verhielt ſich aber im All:
gemeinen jo pafliv, daB der neue Dechant drei Wochen lang feinen
Heller Gehalt befam, obgleih ihm Baner den Gehalt des vorigen
Dechants bewilligt hatte. Die Stadt war aber auch materiell beim
beften Willen nit im Stande, den naczufommen, und dem Pajtor
Tonnte Schließlich nur dadurch ein Unterhalt gejchafft werden, daß dem
Cantor und dem Collegium ihre Stiftungseinkünfte einftweilen theilweiſe
entzogen umd jenem gereicht wurden. Im Llebrigen wurde die Stadt,
die ih Baner zum Stützpunkte und Proviantplage auserſehen hatte,
demgemäß verhältnismäßig glimpflid” behandelt. Aber aud hierin trat
bald eine traurige Wendung cin. Baner ließ von allen Seiten eine
Menge Getreide herzuführen, un c8 auf den Stadtmühlen vermahlen
und in der wohlbefejtigten Stadt deponiren zu laflen. Dieſe Abficht
wurde bei dem kaiſerlichen Heere befannt und einige Müller aus der
Umgegend, die der Yage kundig waren, erhielten Befehl, das große Wehr
oberhalb der Stadt zu demoliren. Sie wagten fi wirklich nächtlicher
Weile bis auf die Entfernung eines Musketenſchuſſes an die Stadt und
rien das damals beftandene Wehr, das über die ganze Elbe?) ging, an
der Stelle auf, wo die ſtärkſte Strömung jtattfand, fo daß das durch⸗
— — — —
IM. Zaeke, bei Peſchit Egnf. II., 522, 823. ?) Der Durchleß, oder dad ſog.
Waſſerthor war zwifchen der jetzigen Schütininfel und dım reiten Gibenfer.
— 431 —
ftrömende Waffer felbft noch einen Theil demolirte und darunter ein
tiefes, lange nicht zu verjchüttendes Loch auswühlte — dadurch geriethen
die Diühlen aufs Trockene und die Abficht Baners wurde mindeſtens
für fange Zeit vereitelt. In feinem Zorne hielt cr den Dlagijtrat für
den Beranlafjer diefes unglücdlichen Zwifchenfalles und behandelte von
nun an die Stadt viel härter und graufamer. Den Primator und zwei
Rathsherren ließ er gefangen feßen, die Mühlen aber niederbrenmen.
Die Umgegend war fchon vordem troß der freundlichen Uebergabe nichts
weniger als gejchont worden. Was ji noch über die früheren Ber:
wüjtungen hinaus erhalten hatte, wie die Kirche zu Sit. Johann auf
der Dubine und die zu Sct. Adalbert wurden mit fammt der gau—
zen Zafada dem Boden gleich gemacht. Zerftört wurden die neue
Nothbrücke und die Gebäude und Gärten auf der „großen Inſel“
(Schützeninſel), in der Stadt felbft aber wurden nun noch über 100
Häujer, die wenngleich theilweife unbemohut noch baftanden, foörnilich
demolirt. In folcher Bedrängnis feufzte die Stadt den ganzen Sommer,
Herbft un: Winter 1639 bis zum Frühjahre 1640, in welchen bie
faiferlihen Waffen den Feldzug in Böhmen mit fo glücklichem Erfolge
begonnen Hatten, daß Baner für feine Befagung in Yeitmerig fürd-
tend von einem Plünderungszuge aus den Saazer Kreife zurüdkehrte,
um dieje mit fich fortzuführen. Nun war Schonung von Seite des er-
bitterten Feindes noch weniger zu hoffen. Schon zu Anfang des Jahres
1640 hatten die auf der Rückkehr befindlichen Truppen der Stadt ge-
zeigt, was fie zu erwarten hatte. Alle Orte, die fie berührt, hatten fie
geplündert und jtappelten nun die Beute auf dem Marktplage zu Yeit-
merig auf. Koitbare SKirchenparamente dienten als Pierdededen und
unter anderen trieben jchwediiche Knechte ihre rohen Poſſen. Bald be⸗
gannen fie auch wirklich die Häufer zu plündern:; Holz, Gewürze, und
Salz wurden den Bürgern faft unbekannte Dinge.) Baner beſtimmte
den Ausmarſch auf den 19. März und befahl zuvor die Stadt zu
plündern und dann anzuzünden, damit diefer Waffenplag nicht den
Raiferlihen zu Gute käme. Diefer traurige Entſchluß wurde unter
Zrommelihlag in ber Stadt ausgerufen und den Einwohnern er:
laubt, binnen einer bejtimmten Zeit jih aus ber Stadt zu flüchten.
Eine traurigere Yrühlingsfeier war wohl jelten in Yeitmerig. So
ichien «8, al8 wenn das legte Glied an die Kette des Unglücks angelegt
7 Mile rubmwürbiges Doyan ©. 88.
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werben follte, die fich feit der verhängnisvollen Schlacht von 1620 um
die Stadt gezogen — entvölfert, verwüſtet und nun gänzlich vernichtet!
Weinend zogen die Heinen Reſte einer einft fo blühenden Bevölkerung
aus den Thoren ins Freie, um von ferne den Rauch ihrer Häufer zu
ſehen. Zuletzt zog laut Hagend eine Schaar von Kranken, Weibern und
Möchnerinnen mit ben Säugliugen‘ auf den Armen gegen das Thor.)
Da erblidte eine der Armen die Gemalin Baners hinter dem Fenfter
ftehend und anfcheinend gerührt dem traurigen Zuge zufehend, — und
alle fanfen vor ihr bittend auf die Kniee. Sie aber ihrem Gemahl um
den Hals fallend erflehte Gnade von ihm für die Stadt; jedoch wurde
ihr diefe nur unter der Bedingung, daß fie binnen wenigen Stunden
1000 Th. Brandfchagung erlege. Nur 100 Thaler hatte der Magiſtrat
noch dur ein ganzes Jahr vor den Schweden zu verheimlichen gewußt,
die cine Sammlung für die neu anfzubauende Brücke geliefert hatte.
Das übrige mußten die Bürger mit ihren Ietten Pfennigen ergänzen,
um jo die Kinäfcherung ihrer Stadt abzuhalten. Außerdem uber mußte
die Gemeinde noch Schuldfcheine ausftellen, lautend auf 2625 fl. für
das Magazin, das die Schweden in der Eile zurücklaſſen mußten, auf
915 fl. für den Generafzeugmeifter Torjtenfon und auf 1200 fi. für
den Stadtcommandanten, Obriften Bem. Auch mußte die Semeinde
Banern einen Revers ausftellen, daß fie ihm Getreide und Salz nad)
Bedarf liefern wolle. As Bürgen hiefür führte er den Primator
Johann Karl Pitſchan von Dellefort und den Ratheherrn Adam
Dworaty mit fih fort. Das gleihe Schickſal theilte der Dechant
und zwölf andere Geiftliche, durd) deren Entfernung Baner wahr:
Scheinlich den Proteſtantismus in Yeitmerig fchüken wollte. Nach
folhen Vorkehrungen erft zogen die Schweden am 19. März wirklich
fort. Dan berechnete den Sefammtichaden, in den die Stadt durch diefe
Invafion gefallen, auf 96.440 fl.
Ein traurige® Bild mag die Stadt nun dargeboten haben! -—
Obgleich mancher Entflohene nun wieder heimkehren mochte, fo waren
doch ſammt diefen im Auguft 1640 nicht mehr als 52 Bürger in der-
1) Las Folgende iſt aus keiaer gleihzeitigen Delle, fondern aus einca
amtlidhen Beridt: von 1674. Die dem Thurmknopfe der S. Laurenzlicdge
entnonimenen Notizen fowie Mila’ Beriht flimmen damit überein, uur daß
letzteier die Begnadiguny vorzuglih den Bitten dir Kloflcifraneu von Deren
zuſchreibt.
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felben und auf allen ihren Gründen und Dörfern fanden fi nur noch
adt Unterthanen, die Krieg, Hunger und Noth überlebt hatten.)
Ein Jahr der Raft und Erhofung folgte nun. Nur nah Emi—
granten und Afatholifen wurde gehaicht, uud hätten diefe jich nicht bei
Zeiten aus dem Staube gemacht, jo wäre e8 ihmen diesmal nicht wohl
ergangen.") Baner beläjtigte überhaupt die Stadt nie mehr, wohl aber
bald wieder jein Nachfolger Torſtenſon. Deſſen Heer lagerte im
Hrühjahre 1643 in der Gegend von Melnik und bloquirte Yeitmeriß.
Zu wiederholten Malen juchten ſich wieder einzelne Parteien deſſen zu
bemädhtigen; allein eine ftarfe Befatung, beftehend aus Eoldaten der
NRegimenter Salhaus, Waldftein und Riedefel unter den Com—
mando des Francesco Gafjonato vertheidigte d’e Stadt glücklich
gegen alle Stürme. Der beftigfte derfelhen fand am 2. Juni 1643 ftatt.
Sieben Negimenter umlagerten die Etadt und griffen an verfchiedenen
Stellen an. Auch die wenigen Bürger griffen zu den Waffen und
fochten diesmal tapfer auf der Mauer.
Gaffonato gibt ihnen das Zeugnis,?) der Rath und die ganze
Gemeinde fei derartig auf ihrem Poften im Gewehr gejtanden, dab er
nichts anderes zu fagen wiſſe, „al® daß fie alle Treue, Schuldigkeit
und Pflicht geleiitet und fich refolvirt, bis auf den letzten Blutstropfen
dem Feinde Widerjtand zu thun.” So mußten die Schweden diesmal
vor ben Thoren bleiben, die Bürger aber juchten dadurch den unange—
nehmen Eindruck zu verwiſchen, den die Uebergabe der Stadt fo leichten
Kaufs 1639 gemacht hatte. Sie waren zum Sriegsdienfte nicht ge-
jwungen worden, fondern Hatten fi dem Commandanten freiwillig mit
Wehr und Waffen zur Verfügung geftellt.
Daß indeß auch jegt an ein Aufleben der Stadt nicht zu denfen
war, ijt felbjtverftändlih. Seit Jahren konnten die Bürger feine Ernte
einführen und Feine Weinfefe halten und mußten dabei übermüthige Sol:
daten verpflegen. Erbarmungswert find die Nlagen über Bedrüdung
uud Mishandlung aller Art, mit denen jich die armen Bürger an alle
Behörden jchutfichend wandten, ohne Erhörung zn erlangen- „Um des
Blutes Chriſti willen,“ flchten fie den Feldmarfhall Colloredo an,
„Tolle er doch wenigitens ihre Weiber und Kinder vor den Infos
(enzien der Soldaten bewahren, wenn auch ſie ſelbſt ſchon den legten
3) Zengniß der konigl. Commiſſion vom 9, Augun 1640. ?) Kreisamtlider © fh"
vom 25. September 1642. °) Bom 9. Juni 1643.
28
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Rechte. Leitmeritz blieb von Kaiſerlichen befegt, bi® wieder zum heil.
Weihnachtsfeiertage 1645 in den torftenfonfdhen Scaaren noch un—
willfommenere Säfte ſich Inden, dic bis zum 10. Feber des nächſten
Jahres dajelbjt verblieben. Die diesmals ziemlich wmühelofe Einnahme
der Stadt war die legte Kriegethat Torftenfons “Der Auszug der
drei Regimenter, die daſelbſt garnifonirt hatten, gieng ohne Plünderung,
aber nicht ohne fchwere Requiſition vor fi. Mehreres iſt uns über
diefen Beſuch in hiefigen Quellen nicht aufbewahrt, al& daß er die Stadt
19.500 fl. kojtete, und das fchönfte Haus der Stadt, das alte Ro-
novekyſche, „die Zierde nnd der Schmuck der Stadt,” zerjtört wurde.
In den Jahren 1646 und 1647 ſah Yeitmerig weiter feinen Feind mehr
in feinen Mauern, wenn ihm glei in letzterem Jahre wegen rüdjtän-
diger Contribution, die für die Armee Winterbergers zu liefern war,
zu wiederholten Malen (23. Juli und 2. Anguft) durch jtreifende Corps
das Vieh weggenonmmen wurde. Dagegen hatte die Stadt das zweifel-
hafte (Süd, die Schweden auch als Freunde noch zu geniehen und
ihre größten Führer, die fo fange die Schrecken Deutſchlande gewefen
waren, von Angeficht zu Angeficht zu jchen, während der langerfehnte
Frieden bereits gefchloffen war. Schon am 6. Auguft kamen Schaaren
der Königsmarfer Armee unter dem Obrijten Copie und Obriſt—
lientenant Ehrenfried Klemm vor die Stadt und nahmen dieſelbe ein,
ohne daß wir fagen können auf welche Art. Chriftoph Wachsmann
übernahu das Kommando dafelbit und ließ, wahrfcheinlich gegen Rück—
ftellung des genannten Reverfes und Schuldbriefes, das daſelbſt vorge»
fundene Magazin (wahrſcheinlich ein fFaiferfihes, da das jrühere fchwe-
diſche wohl durch die Kaijerlichen ausgeräumt worden fein dürfte) auf
fiebzig Wagen fortführen. Am 15. October rüdte noch Oberft Ben-
jaminfon, den 4. November Obriſt Plato und am 16. Sencrat
Arel villie dajelbjt ein, die von der aufgehobenen Belagerung Prag «
nad) erhaltener Siegesuachricht den Rückmarſch antraten. Nun mußte
die Stadt auch jene Obligation auslöfen, die fie dem abziehenden B em
hatte anéſtellen müſſen. Da der die friedfichen Völker betreffende (16.)
Punkt des Friedensſchluſſes dahin Tantete, es follten die Unterthanen
den abziehenden Völkern Wagen, Pferde, Schiffe u. dgl. darleihen, den
Unterhalt aber ohne Bezahlung darreichen, jo genoß Yeitmeriß nod
lange nicht den Segen des erjehnten Friedens. Hörten glei) Plünde-
rungen und Mißhandlungen auf, fo laſtete doch noch cin ungeheurer
Drud bie in den Sommer des fünftigen Jahres auf der Stadt. Am
— 455 —
23. November erjchien Generallientenant Yöwenhaupt und am 16.
Dezember übernahm Obrijtlientenant Sebaftian von Rottenburg das
Commando der Stadt, der mit dem Wirtenbergerſchen Regimente
einrüdte. Diele Truppen blieben uwun dafelbit, aber and als Freunde
nicht® weniger als gern gejehen, bis zum 1. Detober des folgenden
Jahres (1649). Zwar ſchenkte Arfuredt Wirtenberger von De:
bern am 13.—23. Jäner dem ganzen Leitmeritzer Kreile große
müthig die rüdjtändigen Contributionen, allein feine Dfficiere und Sol-
daten waren nichts weniger als von feinem Geiſte befeelt, fondern, an
Bedrüdung und Erprejjung gewöhnt, peinigten jie auch jett noch ihre
Quartiergeber aufs unmenjdlichite. Zwar verbot Wirtenberger auf
Mahnen des Kreishauptmanns Kolowrat feinen Truppen jede Be—
ſchädigung fremden Eigenthums, befonders an Gärten, Weinbergen u.
dgl. unter Todesſtrafe, ) allein unzählige Tuälereien trieb der Sol:
bat doch immer noch ungehindert. Am 12. Auguft kündigte Wirten-
berger von Nürnberg aus feine baldige perfönlihe Ankunft an und
forderte den Commandanten auf, fid nunmehr zum Ausmarfche bereit
3a halten, da die in Böhmen befegten Plätze nunmehr dem Kaijer über-
geben werden follten. Die freude, die die Bürger über diefe Nachricht
hätten empfinden können, wurde ganz verdrängt durd die Veforgnis
neuer Bedrückung, die bei der Anfunft jo vieler Großen bevorſtand. Wil:
beim Albredt von Kolomrat tröjtete fie damit,” daß nun ohnehin
diefe Paft bald dem Yande werde abgenommen werden und die „Herren
Schweden” wohl außer Quartier nichts verlangen dürften. Uebrigens
„wird es auch nicht viel zu bedeuten haben, wenn obgenannter Herr (Senes
ralreichözeugmeifter etwa der frifchen Yuft halber auf etlicdye wenige Zeit
bi6 zur völligen Abführung der Schweden ſich dafelbjten aufhalten möchte.“
— Die Wuft muß dem Generalreichszeugmeiſter wirklich angeichlagen
baben, denn erſt am 1. Tctober erfolgte der Ausmarſch der Schwe—
den — ein feitliher Tag für Leitmeritz! — Endlich — endlich
zog ber Nette von din Herren Schweden durch das Brüdenthor!
Bie mancher fromme Wunſch mag nachgeflogen fein, nur fein — „auf
Viederſehn!“ —
Yeitmerig hatte unter allen königlichen Städten Böhınen 8 nebſt
Laun am meijten gelitten. Mean veranfchlagte den ſämmtlichen Schaden
son 1631 -— 1650 auf 773.092 fl. 45 fr. Die Vorftädte fammt ihren
9 Beſchl vom 30. Juui (10. Juli) 164%. 2) 15. Augnſt 1649.
28°
— 436 —
Kirchen waren wie weggefegt, Wälle und Mauern an vielen Stellen durd)-
brochen und eingeftürzt, in der Stadt felbft die meiften Häufer demofiert
und verlaflen. Welche ſchauerliche Einſamkeit muffte die fpärlichen Eins
wohner empfangen, al® der Lärm des Krieges verfchollen war! — Zu
all dem war in den Ruinen noch ein gar Schlimmer Feind zurückgeblieben
— eine mörderifhe Peſt! Noch während der Anweſenheit der Schweden
hatte fie furchtbar gewüthet, und nichts. was fonft den Kranken aufrichtet
uund tröftet, der Beiſtand und die Nähe theilnchmender freunde, finderte die
Lage jener Ungläücklichen. Zum Zod erfchroden fühlte das Opfer den
Schinerz des qualvollen Geſchoſſes, und froh in einen Winkel, um ihn
ungejehen zu verbeißen. Entdedten die Schweden den Armen, fo wurde
er gemäß einem Befehle de8 Kommandanten ohne Erbarmen vor bie
Stadt geichleppt und dort in einer Stallruine einem jammervollen Schid
fale überliefert.
Wir wiffen nicht, wie viele von den 52 Bürgerfamilien, die nad) dem
banerfhen KEinfalle die Stadtgemeinde bildeten, die legten Stürme
überftanden haben, doch wenn wir auch drei Viertel annehmen wollen
— an wie viel Ruinen mußte ein Nachbar fuchend und vielleidht weinend
vorüber gehen, che er den nächſten fand! Welchen Anblid gewährte erjt
das offene Pand! Zwar war mancher entflohene Bauer wieder beimgefehrt,
um den Fleck zu fuchen, auf dem einft fein Hans geftanden, aber wie wenige
waren dieß, und wie wenige fanden das gefuchte! In GebLlig zählte im
Jahre 1650 die Stadt 2 Unterthanen, in Nutſchnitz 2 und 3 Häuffer,
in Sebufein war feiner mehr; in Saleſel fanden ſich noch 4, in
Tiherfhing 9 und in Pokratitz 11 Häuffer, in allem zuſammen
aber nur Ein unterthäniger Bauer. Alles in Allem hatte aljo die Stadt
auf ihren gefammten Gütern noch 40 Yeute; außerdem waren noch 5
unbewohnte Brandftätten fichtbar — fonjt war der Boden geebnet.
Der 24. Yuli 1650 war der feftlihe Tag der Friedensfeier nach
jo langer unfäglicher Bedrängnis.
II. heil.
Geſchichte der Euftur.
1. Das Recht.
In dem eben gefchilderten Zeitraume hatten bie bürgerlichen Gemein»
wein Böhmens die Hälfte jenes Kreifes durchlaufen, in dem fidh.
ihre Gefchichte bewegt. Im erften Zeitraume beruhte das Berhältnis der
Städte zum Könige auf eincın von beiden Seiten freiwillig abgeſchloſſenen
Bertrage. Der cine Contrahent war die Würgergemeinde, der andere
der König von Böhmen, oder wie man zu fagen pflegte, feine Kammer.
Zum Lande ſelbſt ftanden die Städte in gar feinem direkten Verhältniſſe;
Berpflichtungen waren fie bloß dem Nönige gegenüber eingegangen, daher
ihre Exemtion von allen Yadesbehörden und Yandesgerichten. Bon einer
Unterthänigkeit Eounte eigentlich wicht die Nede fein. Von vornherein
lag aber die Gefahr nahe, dag dieſes Berhältnis fid) im Yanfe der Zeit
in feiner Reinheit nicht erhalten werde, eine große Gefahr lag ſchon in
der fehr ungleihen äußern Macht der beiden Kontrahenten. Wer follte
das Recht der Stadt ſchützen, wenn es einen herrfchfüchtigen Könige einfiele,
den Vertrag einfeitig zu ändern. So lange es fid) nicht um Gewalt gegen Se:
walt handelte, fehlte ihnen ein folher Schuß allerdings nicht, die deutiche
Mutterftadt oder jene Stadt, die ſich die neue böhmijche freimillig wählte,
hatte diefen Schuß vertragemäkig übernommen. Jene Städte galten
als Garanten des Bertrages, und wir fahen, wie fie ſich als ſolche
auch wirklich jeder Zeit benahmen. Dieje mußten daher aud) zunächſt
unbequem werden, wenn es galt jenen Vertrag aufzuheben und aus dent.
— 438 —
einen freien Contrahenten einen Unterthanen des andern zu wachen.
Diefer Berfuh war im zweiten Zeitraume fchon nicht mehr ohne allen
Erfolg gemacht worden, nicht zwar vom Hofe aus, fondern von den
Ständen oder vielmehr von jener Dligarchic aus, die ebenfo wie die Herr-
Schaft über den König felbit, fo auch über das diefem anhängliche Bürgerthum
zu erringen ftrebte. Jener Goutract wurde in vielen PBuncten zernichtet
und fchließlih der Weg gebahnt, ihn ganz zu beheben. Dieß geichab
vorzüglid dur die Sanction des neuen Geſetzbuches, der wladislanfchen
Pandesordnung, in der feiner vorderhand uun Feine Erwähnung gejchab ;
bald aber wurden alle ſtädtiſchen Rechte als nicht bejtehend betrachtet,
eben weil fie in jenen Geſetzbuche nicht vorkamen, wic wir beiſpieleweiſe
in dem Prozeſſe Tobojig zu zeigen Gelegenheit hatteu. Ferdinand L,
der das Königthum wieder erhoo, fand feinen Grund, den Städten wieder
zu geben, was fie von ihrer Unabhängigkeit eingebüßt hatter, ja er bob
auch noch den Reit der Vertragsbeſtimmungen nach der Niederwerfung
des Empörungsverfuches auf und verjegte die Bürger in den Stand der
gemeinen Unterthänigkeit. Was ihnen von ihren alten Sonderredhten
noch zurüdgeftellt wurde, follte von nun an nicht mehr auf jenem alten
Sontracte, fondern lediglich auf königlicher Gnade beruhen. Ganz folge:
richtig mußte Ferdinand fomit auch das Jahrhunderte alte Verhältnis
löfen, in dem Teitmerig zu Magdeburg jtand: nach der Auflöfung
des Vertrages mußte man fi auch den Garantın vom Halje fchaffen.
Dieß that Ferdinand 1., indem er, wie bereits erwähnt, 1547
jede ſernere Appellation nah Magdeburg verbot und bald darauf in
Prag einen eigenen Appellationshof errichtete, der von nun an für alle
fönigliden Städte Böhmens zugleid als letzte Gerichteinftanz galt. Be:
Iehrungen über politiihe und foziate Fragen irgend wo anzufudhen oder
irgend woher auzunehmen, hörte nun ganz auf; das Bügerthum hatte
fih nun nicht mehr nach Belchrungen zu richten, fondern nur nach Befehlen
zu gehorhen. Den Borwand zu dieſem bedeutfamen Verbote gab die
confeſſionelle Stellung Magdeburgs und die in Folge deilen über das:
felbe verhängte Reichsacht. —
Die einzige Neliquic, die an die frühere Stellung der Stadt erinnerte,
war nunmehr nur noch das ſächſiſche Redt, das immer noch in
lebendigen Bewußtſein und in ununterbrochenem Gebrauche blieb. Auch
dieſe Reliquie mußte fallen. So verſchieden vordem die einzelnen Ber-
träge fein lonnten, fo uniform ſollte nun die Unterthänigkeit erſcheinen:
die einzelnen Stadtrechte ſollten aufgehoben werden und au ihre Stelle
— 431 —
ftrömende Waffer felbjt noch einen Theil demolirte und darunter ein
tiefes, lange nicht zu verjchüttendes Loch auswühlte — dadurch geriethen
Die Mühlen aufs Trodene und die Abfiht Baners wurde mindeſtens
Fitr lange Zeit vereitelt. Im feinen Zorne hielt er den Deagiftrat für
Dere Veranlaſſer diches unglücklichen Zwiſchenfalles und behandelte von
mare an die Stadt viel härter und graufamer. Den Primator und zivei
Rathhoherren ließ er gefaugen fegen, die Mühlen aber niederbrennen.
Die Umgegendb war fchon vordem trotz der freundlichen Webergabe nichts
weniger als geſchont worden. Was fi noch über die früheren Ver
wiljtungen hinaus erhalten hatte, wie die Kirche zu Sit. Johann auf
der Dubine und die zu Sct. Adalbert wurden mit ſammt der gan—
zen Zafſada dem Boden gleich gemacht. Zerſtört wurden die neue
N othbrüde und die Gebäude und Gärten auf der „großen Inſel“
( Schutzeninſel), in der Stadt felbft aber wurden nun noch über 100
Däufer, die wenngleich theilweife unbewohnt noch dajtanden, förmlich
Demolirt. Im foicher Bedrängnis feufzte die Stadt den ganzen Sommer,
Derbft und Winter 1639 bis zum Frühjahre 1640, in welchem dic
Faiferlichen Waffen den Feldzug in Böhmen mit fo glüdlichen Erfolge
begomen hatten, daß Baner für feine Befakung in Yeitmerig fürd-
tend von einem Plünderungszuge aus dem Saazer Kreife zurüdtehrte,
um diefe mit fich fortzuführen. Nun war Schonung von Seite des er-
Ditzerten Feindes noch weniger zu hoffen. Schon zu Anfang des Jahres
1640 hatten die auf der Rückkehr befindlichen Truppen der Stadt ge-
zeigt, was fie zu erwarten hatte. Alle Orte, die fie berührt, hatten fie
geplündert und ftappelten nun die Beute auf dem Marktplage zu Yeit-
merig auf. Koftbare Kirchenparamente dienten ala Pferdededen und
unter anderen trieben ſchwediſche Knechte ihre rohen Pollen. Bald be-
gannen fie auch wirklich die Häufer zu plündern: Holz, Gewürze, und
Salz wurden den Bürgern faft unbefaunte Dinge.) Baner bejtinmte
den Ausmarſch auf den 19. März umd befahl zuvor die Stadt zu
Yındern und dann anzuzünden, damit diefer Waffenplag nicht den
Leiſerlichen zu Gute käme. Diefer tranrige Entſchluß wurde unter
Tremmelfchlag in der Stadt ausgerufen und den Einwohnern cr:
laßt, binnen einer bejtimmten Zeit fi) aus der Stadt zu flüchten.
Eine traurigere Frühlingsfeier war wohl jelten in Yeitmerig. So
ſchien es, als wenn das Leite Glied an die Kette des Unglücks angelegt
) Dia ubmwärbiges Doran ©. 86.
— 440 —
ſächſiſchn Rechten und eigenem Rechtsbewußtſein urtheilen, fondern es
follten dafelbjt „gewiſſe Rechtsſachen nah gewillen Iuftructionen
und Anſchaffung berathicdlagt werden.” So gieng mit dem alten
Rechte auch die alte Unabhängigkeit des Richterſtuhls verloren, und die
adeligen Yandesbeamten hatten endlich erreicht, was fie feit Wenzels IV.
Zeiten branjprudt: die Städte waren ihnen nun in jeder Hinſicht unter-
worfen. Aeußerlih blich dagegen die Form des neuen Gerichtshofes jener
des alten ziemlich glei. Sechs Richter wurden bci jeder Rathserneuerung
duch den Landesunterfänmerer oder feinen Stellvertreter ernannt und
urtheilten unter der Leitung eines Primators ans ihrer Mitte; dod) unters
ftanden fie unmittelbar dem Kaiferrichter. — Erft feit diefer Zeit erhielt
das fjogenannte „böhmiſche Stadtrecht”, feiner Grundlage nad übrigens
ebenſo ausfchließlich ein deutſches, wie das fächfifche, wirfli Eingang
in Zeitmerig, obgleih es noch Jahre dauerte, ehe das überaus zähe
magdeburger Recht ganz vergeifen und verfchollen war. Wir haben bereits
geliehen, daß noch 1626 Ktlagichriften der Gemeinde Leitmerig bei dem
Rammergerichte deshalb cafliert wurden, weil fie ſich auf fächfilches und
nicht auf böhmifches Recht bericfen. — Erſt mit dem fdhließlichen Durch:
greifen des böhmischen Stadtrehtes wurde auch der Einfluß des rö-
miſchen Rechtes überhaupt cin überwucdernder. Das biefige Stadt-
archiv verwahrt noch einen gefchriebenen Goder des böhmifchen Stadt-
rechtes, den romiſche Rechtslehren ats Stoffe über uud über überſchwemmen.
An der Schrift erfennen wir die Hand des gelchrtien MD. Paul
Stransky. Aue den Acten der Prozeife, die diefer als Rechtsfreund
führte, erjehen wir, daR derjelbe in vielen Dingen, beijpielsweife bei
Beiigftörungsklagen, faft ausſchließlich römiſches Recht vitierte ohne Rüd-
fiht auf das böhmifche.
Das widtigfte und angefehenjte Amt in der Stadt bekleidete feit
1547 der FTönigliche oder, wie er auch hieß, Faijerfihe Richter.
Obgleich daeſelbe in der Regel einem Mitgliede der Bürgerſchaft über:
tragen wurde, fo war der Karferrichter dennoch Fein Gemeindebeamte,
Sondern cr vertrat vielmehr die königliche Kammer und deren Intereſſen
gegenüber der Gemeinde. Er war der Träger des neuen Syſtems im jeder
Stadt. Wenn die Könige im erjten Zeitraume in weitausjchender Klugheit
fleine Bortheile aufgaben, um durch Ueberlaſſung derichben die Gemeinden
zu fraftigen und ons ihrer Kräftigung einen ausgicbigeren Vortheil im
Großen zu zichen, trat jegt an die Stelle dicjer Politik cine haarſpal⸗
tende Knauſerei, eine engherzige Ue berwachung und Eontrollierung — die
— 41 —
Politik der Fiskalität, deren Nepräfentant der Kaiferrichter wurde. Er
wird, heißt es in feinen Iuftructionen, bei jeder Berfammiung der Raths⸗
männer mit auf dem Rathhaufe und zwar auf dein erjten Plage ſitzen
und bei allen Berhandlungen derfelben wol aufmerken und das Intereſſe
des Königs alfezeit im Auge haben, „darauf aber wird er bejondere
Sorge, Eifer und Fleiß verlegen, ob er nicht im Rathe oder in der Ge⸗
meinde oder von den einzelnen Perfonen in der Stadt etwas erfahre, daß
etwas zum Nachtheile, zur Schädigung oder Verminderung unſeres obrig-
feitlichen Anjehene oder zum Schaden unjerer Kammer oder jonft irgend cin
geheimes3 Kinverftändnis im Auge ſei. So etwas foll er augenblicklich
ohne Säumen nnd oder an unferer jtatt unferer Kammer anzeigen und
feineswegs verfchweigen.” So vicl bei ihın fteht, wird er jelbjt vorzu-
beugen haben. Er überwacht den Fleiß und die Gewiſſenhaftigkeit der
Rathmannen. Er wird darauf achten, wie er vei jeder Verſammlung zus
gegen ift, daR ſich die Käthe pünktlich zur angelegten Stunde verfammeln
und die Parteien ohne Aufihub und Anfehung der Perfon abfertigen.
Tie ſaumſeligen Räthe hat er zu rügen und wenn dieß keine Beſſerung
in ihren Sitten herbeizuführen im Stande ift, der Kammer mit Namen
auzuzeigen. Das Amtsgeheimnis Hat er nur jo weit zu wahren, als nichte,
was gegen die der Obrigkeit zu zollende Ehrerbietung wäre, unterläuft,
ſolches aber keinegswegs zu verichweigen. Dem Stadtrathe Wurde dag
Recht entzogen, wie vordem die Gemeinde zur Verſammlung zu rufen,
noch audy außer den Rathsſitzungen andere Zuſammenkünfte zu halten.
Rur der Kailerrichter — und der nur auf königlichen Beſehl oder aus
höchſt wichtigen Gründen — follte fernerbin cine Gemeindeverſammlung an:
fagen und überwachen. Neben diejer Leberwahung und Bevormundung
des Rathes und der Gemeinde hat der Kaijerridhter noch ganz vorzüglich das
fiskaliſche Antereife im Ange zn behalten. Vor allem mußten zu dieſem
Zwede die Gerichte überwacht werden, damit feine von den jeit 1547
der Kammer zufallenden Bußen verheimlicht würde. Zu diefem Behufe
hat er jih auch mit den Rechtsanwälten der Stadt ind Einvernehmen
zu ſetzen, damit ihm dieje gegen cine gebührende Entlohnung von jedem
Rechtafalle Nachricht gaben. Kaum hörte man das Sterbeglödlein läuten, To
ſah man auch ſchon den emſigen Naiferridhter Ipringen, wie er in Beglei—
tung zweier Rathämänner und cined Schreibers das Sterbehaus ſuchte,
um alle Dinterlajfenichaftsgegenjtände, befonders aber die Baarihaft genau
zu inventiren und dieſes gefiegelte Inventar au die Kammer zu ſchicken,
damit die eiſt emticheide, ob ihr in diefem Falle nicht eiwa ein Heimfall
— 442 —
gebühre. Bis zu diefer Entſcheidnug hatte der Kaiferridhter dafür zu forgen,
daß die Berluffenichaft in ihrem Stande bleibe und erſt nad) erfolgten
Kammerbeſcheide durfte er der Berlajfenfchaftsverhandlung freien Yanf laſſen.
Alle Strafgelder und Heimfälle hat der Richter an das Kummmerrentamt ab»
zuliefern und halbjährig Rechnung vorzulegen. Damit aber auch er wicder
nicht ganz ohne Kotrolle bleibe, mußte wieder der Bürgerimeifter und Rath
beftätigen, daß ihm von andern ald den vom Kaiſerrichter angegebenen
Gebühren nichts bekannt fei. Zum dritten führte der Kaiſerrichter noch das
Anıt der oberſten Stadtpolizeibehörde, zu welchem Behufe ihn der Stadtrid)-
ter direkt untergeordnet wurde. In dieſer Kigenfchaft Hatte er vor allem darauf
zu achten, daß nichts gethan, geſprochen oder gefungen würde, was gegen
die Chre Gottes oder die Majeſtät des Königs und feiner Erben fein
könnte, die Beiligung der Sonntage überwachen, Gewichte und Maße zu
prüfen, Yandjtreicher und umbefugte Bettler abzuſchieben, die Aufnayme in
die Spitäler — die doch der Gemeinde gehörten — zu bewirken, für die
Reinlichkeit der Gaſſen zu forgen und dergleihen mehr. Dieſe Diadjtbe-
fugniffe wurden in Seiten außerordentlicher Verhältniſſe noch vermehrt.
Eo waren die Kaiferrichter von der Schlacht auf dem weißen Berge bie
zur Wiederherftellung ordnungsmäßiger Zuftände in Böhmen (1628) ale
Subernatoren und BVBerwalter der Gemeindegüter und Einkünfte gradezu
unumjchränfte Herren der Stadt. Der Slaiferrichter Herold verſuchte es
Ipäter fogar (1620), die Primatorswiürde mit feiner Stellung zu verbin-
den, was indeR die Regierung nicht duldete. Aber auch außerdem hielten
fie die Gemeinde in genug kurzem Zügel. Die königlichen Städte wurden
von 1547 an als wahre Metkkürhe der königlichen Kammer betrachtet und
in einem halben Jahrhunderte waren fie vertrodnet. Wie viel indeß von
den jo neu gewonnenen Einkünften in den Händen des jedenfalls wolbe
joldeten Kaiſerrichters blicb, wilfen wir nicht, doch beſchränkte dieß und
die Bezahlung der Angeber den Ertrag der neuen Unellen gewiß weſentlich.
Die Ernennung des Naiferrihters gieng von der Kummer im Namen
de8 Königs aus; vor den Kammerräthen in der böhmifchen Kanzlei des
Prager Schloßes mußte er perſonlich feinen Eid leiten, Jowie dahin auch
in der Regel Abgejandte ans der Stadt berufen wurden, um dem neu
ernanmten im Namen derjelben Schorfam zu ſchwören.
Auf den erjten lcitmeritzer Naiferrichter, den katholiſchen Auguftin
Wider, auch Krejti genannt, deijen noh 1558 Erwähnung gefchieht,
folgte in diefem Amte Wenzel Wicen, der es bie 1573 fortführte. Bon
dba an belleidete dasſelbe cin Glied der reichiten und verbreitetiten Familie
— 43 —
von Leitmerig, Mag. Heinrich Derazvon Mitefhovfa, den Stransky
unter die Gelehrten feiner Zeit zählt, bis zu feinem 1582 erfolgten Tode.
Er erlag wie viele feiner Angehörigen der in diefem Jahre furchtbar
wüthenden Peſt. Ihm folgte Georg Hauſchka von Adlcrsberg (von
1583— 1586), zu weldyen ver nachmalige Gefhichtsichreiber Balbin in
Berwandihaftsverhättniffen ftand. An jeiner Stelle wurde abermals cin
Glied der Familie Mraz, der damalige Primator Adam Mraz am
18. Mai 1596 zum Kaiſerrichter ernannt, dem am 13. Jäner 1602 ber
Bürger Mathias Siska von Cejnow im Amte folgte, der es durch
18 Jahre laug leitete. Er diente ebenfo Friedrich von der Pfalz, wie
Mathias; Kaifer Ferdinand II. aber behielt ihn nad) der weißen
berger Schlacht nicht in feinem Dienfte, fondern ſetzte an feine Stelle den
katholischen Niffas Mrazek von Budin, die mißliebigite Perjöntichkeit
unter der Bürgerfchaft.e Er und fein Nachfolger Simon Peter Aulik
von Trebnig (1624—10. Juni 1629) waren die uunumſchränkteſten
Herren in ihrem Amte und die hervorragendjten Werkzeuge dev Gegen:
reformation, ſowie bejondere Freunde der Jeſuiten. Yesterer fette feine
Yaufbahn noch weiter im königlichen Dienfte ınit Glück fort, erjterer jtarb
verachtet und verlujjen den Hungertod, nachdem die Schweden jeinen
Gegnern wicder auf cine Zeit lang die Oberhand verichafft. Er war der
ftändige Zeuge der Inquiſitionscommiſſion gegen feine Deitbürger gewe⸗
ien. Auch jener hinterließ kein geſeguetes Audenfen: man zieh ihn unmä—
Biger Habſucht und Aufgeblafenyeit. Cr war einer von denen, die Die
Segenreformation erjt nad) Peitinerig brachte; in kurzer Zeit war er reich
begütert, fein Bruder Dechant, feine Rachkommen die voruehimjten Burger
von Leitmeritz — aber all das Glück hatte wenig Beitand. Auf Aulik
folgte (3. September 1629) Wilhelm Herold von Stoda, ciner eben⸗
falls erſt neu augeficdelten Familie angehörig, der fein Anıt während den
unglüdlichen Zeiten des Krieges bis 10638 fortführte (F >. Jäner 1646).
Rad) der kurzen Amtsführung des I. Karl Pitſchan folgte die Z6jährige
des Jakob Strobel (Strobelins von Sternfeld von 1643 --1668).
Der Form nach blieben im Uebrigen fo ziemlich die vorunge hend
gefhilderten Gemeindeeinrichtungen. NRach den: Vorfchlage von 4 Wählern
(je einem aus dem Rathe, den Richtern, Ackteften und der Gemeinde)
ernannte alljährlidy der Yandesuntertämmterer oder fein Stellvertreter je
12 Rathoͤmänner und ſechs Richter. Der erjte in ber Reihe der Käthe
hieß nach wie vor der Primator, während day Bürgermeijteramt von
Monat zu Mouat wedjfelle. Die Räthe bezogen mit Ausnahme des
— 44 —
früher erwähnten bis zum Jahre 1588 feinerlci Einkommen, während
bei dem Schöffengerichte für die einzelnen Amtshandlungen von den Bar:
teien Zaren entrichtet wurden. Im genannten Jahre aber beftimmte der
Kath, dag fortan aud ihm für das Einlegen und Erheben von Schriften,
Berfiherung von Urkunden und Bollmadten u. dgl. wie vor Gerichte
gezahlt werden follte. Begründer wurde diefe Neuerung damit, daß es
viele Parteien gäbe, welche ihre Yapalien vor das Amt brächten, die
Näthe Jahre lang behelligten, ohne fid) zu einem Vergleiche berbeizu-
laſſen, während legtere ihre eigene Wirihfchaft verfäumten.!) Außerdem
erhielten Räthe wie vordem befonders von den Unterthanen zu gewifien
Zeiten Geſchenke, zu Weihnachten beifpielsweife in der Regel Wild.
Der Umfang der Amtewirkjamteit des Nathes blieb derfelbe, ab⸗
geiehen von der angeführten Ueberwachung und Beeinflußung. Beides
und ein gewilles Hofneijtern der Regierung nahm befonders nach 1627
immer mehr zu. Die officiellen Ermahnungen an bdenfelben häuften fich
immer mehr, bis der zum Hofrichter ernannte S. P. Aulik am 30.
Auguft 1642 eine eigene Geremonie entwarf, die von da ab bei der
Rathserneuerung eingehalten wurde. Hiernach hielt der Unterfämmerer
oder Hofrichter, nadhdem der nen ernannte Rath feinen Schwur geihan,
eine obligate Rede vor diefen, den Acktejten und der ganzen Gemeinde,
die in der Regel in neun Hauptpunkten bejtand. Vorerſt wiederholte er
den Inhalt des Schwurcs und ermahnte zur Treue gegenüber dem Mon—
archen, 2. zum Eifer in der katholiſchen Religion, fleißigen Beſuch der
Kirche und des Beichtſtuhls, zur Haltung der Faſten und Feſte, 3. zu
genauer Aufjiht über den Schnulbeſuch der Kinder, 4. zur Beſtrafung
ärgerliher Sünden, wie des Fluchens und Yäjterne, 5. zum Schuge der
Witwen und Waiſen und zu befonderer Beridjichtigung derjelben bei Kin:
quarticrungen, G. jollten die Käthe genaue Rechnungen führen über die
gewohnlidyen und auferordentlihen Gemeinderinkünfte, Sammlungen und
Kontributionen, zu deren Prüfung nach einem neuerlichen Kanımerbefehle
je zwei Perſonen aus jeiner Mitte, aus den Arctteften und der Gemeinde
ernennen und jene dann abliefern, 7. die Contribution mit Gerechtigkeit
vertheilen und nicht ſaumſelig in der Ablieferung fein, 8. jollten die
Käthe in ihren Arbeiten einander beiftchen, das Amtsgeheimmuie wahren
und bei Strafe von je 30 Kr. feine Zigung verfänmen, 9. follten die-
felben Vicbe zur Gemeinde fallen und jedem ohne Auffchub zu feinen
2) Memorab.
— 431 —
ſtrömende Waſſer felbft noch einen Theil demofirte und darunter ein
tiefes, lange nicht zu verfchüttende® Loch ausmwühlte — dadurch geriethen
je Mühlen aufs Trodene und die Abfiht Baners wurde mindeftens
ür fange Zeit vercitelt. In feinem Zorne hielt er den Mlagiftrat für
en Veranlaſſer dieſes unglücklichen Zwifchenfalles und behandelte von
me an die Stadt viel härter und graufamer. Den Primator und zwei
Ratböberren ließ cr gefaugen jegen, die Mühlen aber niederbrennen.
Die Umgegend war ſchon vordem trog der freundlichen Uebergabe nichts
veniger als geichont worden. Was fid) noch über die früheren Ver:
wüftungen hinaus erhalten hatte, wie die Kirche zu Sct. Johann auf
der Dubine und die zu Sct. Adalbert wurden mit fammt der gan-
zen Zafada dem Boden gleich gemacht. Zerftört wurden die neuc
Nothbrücke und die Gebäude und Gärten auf der „großen Inſel“
(Scügeninfel), in der Stadt felbft aber wurden nun noch über 100
Däufer, die wenngleich theilweife unbewohnt noch dajtanden, förmlich)
demolirt. In folcher Bedrängnis feufzte die Stadt den ganzen Sommer,
Herbſt und Winter 1639 bis zum Frühjahre 1640, in welchem bie
lai ſerlichen Waffen den Feldzug in Böhmen mit fo glücklichem Erfolge
begonnen hatten, daß Baner für feine Beſatzung in Leitmeritz fürd-
tend von einem Plünderungszuge aus dem Saazer Kreiſe zurückkehrte,
wazz diefe mit fich fortzuführen. Nun war Schonung von Seite des er-
Düggerten Feindes noch weniger zu hoffen. Schon zu Anfang des Jahres
1640 hatten die auf der Rückkehr befindlichen Truppen der Stadt ge-
eigt, was fic zu erwarten hatte. Alle Orte, die fie berührt, hatten fie
Bepländert und ftappelten nun die Beute auf dem Marktplatze zu Yeit-
meritz auf. Koſtbare Kirchenparamente dienten als Pferdededen und
Anter anderen trieben ſchwediſche Knechte ihre rohen Poſſen. Bald be-
gannen fie auch wirklich die Häufer zu plündern: Holz, Gewürze, und
Satz wurden den Bürgern faft unbekaunte Dinge”) Baner bejtimmte
den Ausmarſch auf den 19. März und befahl zuvor die Stadt zu
Plindern und dann anzuzünden, damit diefer Waffenplag nicht den
Raiferlihen zu Gute fäme. Diefer traurige Entſchluß wurde unter
Trommelfchlag in der Stadt ausgerufen und den Einwohnern er:
lobt, binnen einer bejtimmten Zeit fi) aus der Stadt zu flüchten.
Eine traurigere Frühlingsfeier war wohl jelten in Leitmeritz. So
Idien «6, als wenn das letzte Glied an die Kette des Unglücks angelegt
) Mila ubmwiärbiges Doran ©. 86.
— 446 —
im Iahre 1612 finden wir wieder eigene Verwaltungsbeamte, aber nicht
mehr bloß ſechs an der Zahl, wie vordem, fondern 2 auf den Rätben,
einen aus den Sechsrichtern, 3 aus den Gemeindeälteften und 3 aus
der Gemeinde, im Ganzen fomit neun, denen noch zwei Schreiber bei-
gegeben wurden. Im Jahre 1620 wurde verfucht die alte Ordnung
wieder herzuftelen Wie vordem crfcheinen twieder je zwei Beamte aus
dein Rathe. der Aelteften und der Gemeinde, über welche aber noch zivei
„Inſpertoren“, der eine aus dem Rathe, der andere aus dem Sechs⸗
rihtercollegium gefeßt wurden. Dieſe Ordnung hatte indeß feinen Be-
ftand. Bon 1620 bis 1628 ſchalteten die Kaiferrichter unumfchränft mit
dem Gemeindevermögen, bis die Verwaltung desfelben der Gemeinde am
11. Mai 1628 unter jehr befchränfenden Bedingungen wieder zurüds
geftellt wurde. Der ganze Verwaltungsorganismus wurde nun ein äußerft
compfizierter, die Dberaufficht aber behielt jih die Kammer felbit vor.
Vorerſt mußten zwei Inventare angelegt werden, das eine für die Stadt,
das andere zur genauen Orientierung der Kammer. Die neuen Ver—⸗
waltungsbeamten behielten nur die Manipulation; jede Ausgabe mußte
erft von dem gefammten Ratheförper beichlojfen werden. ‘Der genannten
Beamten waren vier, je zwei aus dem Rathe und der Gemeinde, über
ihnen ftanden wieder zwei „Superintendenten“” und über allen der jeweilige
Kaiferrichter als „oberfter Infpector“. Weber all das aber mußten von
nun an die Rechnungen nod alljährlich der Kammer vorgelegt und von
diefer geprüft werden Außerdem wurde die Stadt ftrengftens angewieſen,
die zurüderjtatteten Einfünfte zur Erhaltung der Priefter, Schulen, Armen
und Hofpitäler, nicht aber etwa zu Banquetten zu verwenden und ohne
Genehmigung der Kammer Feine Schulden zu machen.!) Seither war
auch nad) diefer Seite hin die Autonomie der (Gemeinde aufgehoben, die
Ueberwadhung durch die Kammerbeamten aber erweitert.
Außer den 25 Gcmeindeältejten fungierten nod) viele einzelne Com:
miflionen zur Beforgung der einzelnen Berwaltungszweige, die in der
Regel zur Hälfte aus den Ratheperfonen, und zur Hälfte aus der im
Rathe nicht vertretenen Bürgerfchaft genommen wurden. Solche Com⸗
miffionen wurden von Rathe eigejett über die Gemeindemühlen und den
Ruzower Hof (3 Perfonen), den Proſmiker Hof (2), über die
Werbiger und Nutſchnitzer Unterthanen (2), über das Gemeinde⸗
bräuhaus (3), das Weingelhäft im Hrad (4), über die Brüde und die
') Dekret Ferdinande IL vom 11. Mei 1628.
— 447 —
Zimmerlente (3), über die Unterthanen in Pokratitz, Piſtian, Se—
buſein, Libochowan und andere im Gebirge (4), über den Salz—
handel (2), über die Gemeindebanten und die Waſſerleitung (3), die
Ziegelhütten (2), über die Allerheitigenfirhe als Kirdyenväter (4), über
das Colleg (7), als Kirchenväter über die Klöfter von Sc. Michael
und Sct. Jakob, die Kirche zu Sct. Maria beim Kolleg und ct.
Sauren; (je 2), über das Spital (2), den Fiſchhandel (2), die Waifen-
rechnungen, die Nachtwächter (4), über den Handel mit getrodneten
Fiſchen (4), den Getreidemarkt (4), den Brodmarft (4), die Hoden (4).
die Maße (5), die Wege (2), die Cimmentirung (4), über die Zehente
auf der moftfta hHora und im Augezd (2), über die Birner Mein:
berge (4), über den Hain Bidnice und den Wald Wohre (llriche)
(4), die Marktbauden und ähnlidyes.
Die verfciedenen Semeindediener, wie wir jie bereits vordem
fennen lernten, fojteten dic Gemeinde bis zum Jahre 1588 moratlid)
22 Sch., die auf ihre Naturalverköftigung verwendet wurden, während
die Semeindeföchin noch mit 1 Sc. remunerirt murde. Im letztge—
nannten Jahre wurden dem Bürgermeiſter zu demjelben Zwecke 30 Sc.
angemwiejen. — Nach einem Miagiftratsbefchluffe von 1605 hatten ſämmt—
liche SGemeindebedienjtete in Waffen zu gehen.
Die Aufhebung der Zunftorduungen mit Ausnahme geringfügiger
Beftiimmungen war jedenfalls im Hinblicke auf die politiſche Stellung
der Zünfte gefchehen, die diefe in letzter Zeit in der Stadt felbft einge:
nommen hatten. Das Recht freier Zufammenfünfte und Verhandlungen
follte ihnen dadurch ebenjo aufgehoben werden, wie die allgemeine Ge—
meindeverfammfung, die vordem chenfall® nad Zünften berufen und ges
ordnet worden war. Nunmehr wurde eine folche nur auf Befehl der
fönigf. Regierung berufen, die Zünfte als ſolche hatten aber mit diefen
nichts mehr zu Schaffen. Vielmehr beruhte nunmehr die politifche Ein—
theifung der Bürgerichaft auf rein lokalen Grundlagen, die mit denen
des Zunftwefens nicht mehr zujanımenfielen, da das urfprüngliche Zu—
fammenwohnen der Zunftgenoſſen größtentheile nicht ınehr ftattfand. Die
Stadt zerfiel in ++ Viertel, gebildet durch eine Linie von Süd nad) Nord
(bei der Gollegpforte beainnend) und eine mitten auf diefe ſenkrecht ge-
ſtellte. Das 1. Viertel hieß der Theil von der genannten Pforte bie
zum Kloſter Sct. Michael, das 2. von da bis zum Zinngießerthore,
das dritte umfaßte die chemalige Judengaſſe und da® 4. den Reit.
Jedes Viertel hatte feinen oberften Hauptmann und war wieder
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Serien Vreden. Hörten gleich Plünde:
“re re r laitete Doc noch ein ungeheure
N. > ... u...
a guiae X inttigen Jahres auf der Stadt. Am
— 449 —
erhoben ohne Unterfchied der Gattung. Zur Einkaffierung wurden je
zwei Bürger als Einnehmer ernannt, die über fämmtliche Gebräue in
der Stadt ein Regifter führten und dieſes jedes Vierteljahr ſammt den
erhobenen Geldern einfandten. Die Richtigkeit der Negifter mußte der
Rath unter feinem Eide bejtätigen. Schrieb der Landtag nod) ein eigenes
Faßgeld für Landesbedürfniffe aus (in der Regel 2—4 gr. vom Kaffe),
fo hoben diefes diejelben Bürger mit ein. Das Erträgnis des Erbtatee
befief fih in der eriten Hälfte des Jahres 1577 auf 70 Sch, ohne daß
wir hieraus grade auf die Durchſchnittshöhe fchlieken könnten. -- In
derjelben Weife wurde nunmehr auch das Getreideungelt für die Kammer
durch zwei Bürger erhoben, deren Angaben der Rath eidlidy beftätigen
mußte. In der Regel verlangten dieſe von dem Händler felbft ein Ge—
ftändnis über die Größe der Yadung, mahen indeß von Zeit zu Zeit
einmal nad, um ſich von der Richtigkeit der Angabe zu überzeugen.
Stelite fi dann ein Uebermaß heraus, fo wurde dies zu Gunjten der
Gemeinde confiscirt. Auch die Regifter, die der Kaiferrichter über Heim»
fälle und Gerichtsbußen führte, mußte der Rath von Zeit zu Zeit be-
ftätigen. Seit Rudolfs 1. Zeiten wurde die Hälfte der Heimfälle
der Etadt wieder zugelaffen, durch Ferdinand II. aber wieder ent-
zogen. - - Den regelmäßigen Steuern giengen wie im früheren Zeitraume
die außergewöhnlichen beitändig zur Seite; ja feit Kerdinand 11.
konnten dieje den Namen „außergewöhnlich“ nur noch im Hinblide auf
ihre wechſelnde Höhe führen; im Uebrigen wurden fie bereit® von Jahr
zu Jahr ebenjo regelmäßig ausgejchrieben, wie jene. Doch waren die
Arten derjelben jehr verfchieden.") Unter anderen mußte gerade für Yeit-
meriß jene hohe Weinjteuer (10 gr. vom Eimer) drückend werden, die
1586 auf 5 Jahre ausgeſchrieben, nach den Angaben des Stadtichreibers
aber durch 23 Jahre erhoben wurde.
Außerdem wurde die Stadt auch noch von Zeit zu Zeit zu „freis
willigen“ Abgaben verhalten, wie 1579 zu einem zweimonatlichen Bier
tag, odır es wurden auch ohne Bewilligung des Landtages vom Könige
fogenannte Antecipationen ausgeichrieben, wie 1631 in Form einer Kopf»
und Hausjteuer zugleih. Dagegen wurde der tiefgefunfenen Stadt, fo
viel wir milfen, nur Einmal eine Steuer nachgelaffen oder vielmehr
zu Gemeindezweden gejchenft, nämlich 1637 der einjährige Wein: und
Biertap.
) Biche Tamıl, enemy.
20
— 450 —
Für minder drüdend kann man die Beiträge zu Kriegszweden in
fo fern anjehen, als außer zur Selbftvertheidigung die Stadt im Ganzen
doch nichts anderes, als Geld zu opfern hatte. Die Summen waren
freifich mitunter groß, indem fie für die gefammte Ausrüftung und Ver—
pflegung ihrer Mannſchaft felbjt forgen mußte und in den feltenften
Fällen mochten ihnen die Leiftungen nur einiger Maßen entiprechen, ba
die Söldner in der Regel zu den unverläßlichiten Menſchen gehörten.
Altjährlicd fanden zu wiederholten Malen Mujterungen ftatt, bald der
Stadtföldner allein, bald jener des ganzen Kreiſes, jährlich wurden
— wenigjtens in den Zeiten der Türkengefahr — die theuer gerüjteten
und gezahlten Häuflein zum Heere gefchiet, einzelne Bürger mußten oft
bi8 Ungarn mit. oder nachreifen, um den Sold in den richtigen Ter-
minen auszuzahlen, und all diefe Opfer machte fein fonderlicher Erfolg
erträglicher. Wie faner verdiente der Bürger das Geld, das er einem
Landftreiher in die Hand geben und an den Halo hängen mußte, und
wie wenig war der Chrijtenheit und den Staate in der Kegel mit
diefen Yeuten genügt. An Raufluſt fehlte es ihnen allerdings nicht; fie
brauchten nur wenige Zage auf Abmarfh und Muſterung warten zu
mülfen, jo gieng es wol ohne Todtſchlag und Gewaltthätigfeit aller
Art nit ab; kamen fie aber auch glüdlih aus der Stadt hinaus, fo
brauchte deshalb noch fein Zürfe zu zittern. Die Rotte, die beifpiels-
weife im Auguft 1594 zum Entſatze Raabe abzog, machte jchon vor
dem Thore Jagd auf friedliche Neilende, und die Stadt mußte den
Schaden bezahlen. (Befonders hoch kam fie die Beraubung eines Mönches.)
Minder gefährlich wurden fie befanntlid den Türken. Noch minder aber
wurden es jene Reiter, die am 5. Juli 1599 durch das lange Thor zogen.
Die Gemeinde hatte ihnen einen großen Frachtwagen beigejtellt, die Dede
gar zierlich mit dem Stadtwappen bemahlt und den ganzen Wagen ans
gefüllt nit theneren Rüſtungs- und Munitionsgegenjtänden. Schon in
Krkeſchitz begieng das Gefindel barbariihe Erzeife, in Nutſchnitz
aber trieben es die Stadtreiter jo arg, daß die Bauern Sturm läuteten
und die Reiter derartig mit Steinen bearbeiteten, daß ihrer zwei todt
auf dem Flecke blieben, die anderen aber das Weite fuchten und ben
Wagen in den Händen der Bauern lichen. Als ihn des andern Morgens
die Bürger fammt den zwei theuern Yeichen — in deren Nuchlafle fich
das Handgeld nicht mehr vorgefunden haben foll — in die Stadt holten,
war er leer uud niemand wollte wiflen, wo fein koftfpieliger Inhalt
hingefommen ſei. So bürfte fih Yeitmerik troß manchem großen
— 451 —
Opfer wol keines befonderen Antheils an den Siegen in Ungarn rühmen
dürfen. ') |
Die Veränderungen, weldhe wit den Grundlagen dev ftädtiichen
Einnahmsquellen jeit der legten Periode vorgiengen, find bereits aus der
Darftellung der Stadtgefchichte erfichtlich geworden. Nacd den großen
Befigperänderungen auf den Schoßgründen wurde es 1630 nöthig, voll:
jtändig neue Grundbücher über die Aecker und Weinberge, die zur Stadt:
gemeinde fchoßten, anzulegen. Auch der Erhöhung des Elbzolles geſchah
bereits Erwähnung. Kine ganz außerordentliche Finanzmaßregel der Stadt
beftand darin, daß fie in Jahren der Noth, wie 1628 und 1629 das
gefammte Erträgnis des ganzen Meifbiergebräues von den Bürgern für
Gemeindezwecke einzog.
Das Gerichtsweſen gieng feit 1610 im Allgemeinen denfelben
Entwidlungsgang, wie in allen andern königlichen Städten Böhmens.
Schon vor dem aber Lemerfen wir ein Streben de& Rathes, dem Richter:
ſtühle die Kivilgerichtsbarfeit möglichſt zu entzichen und ihm nur die
Griminalgerichtsbarfeit zu belalfen. In wie weit dieß gelang, können
wir nicht beſtimmen, doch hatte ſchon am Ende des 16. Jahrhundertes
der Echöppenjtuhl vorzugsiweife den Charakter eines Criminalgerichtes.
Der Screiber deafelben heißt ſchon geradezn „Blutſchreiber“. Uralte
Rechtebräuche erhielten jich dagegen immer noh im Schwunge.. So
finden wir noch 1581 die Sepflogenheit de8 Bahrrechtes und ähnliches.
Nebft den früheren Arten der Zodesftrafe wird neuerlich auch die des
Radflechtens erwähnt.
Auch die politifche Berechtigung des Bürgerthums wurde im
diefem Zeitraume noch vor der Verneuerung der Yandesordnung ge—
ſchmälert, nicht zwar durd) Geſetze, wol aber durch anderweitige Be—
einflußungen. Es war keineswegs ein Tonderlid zu lobender Brauch,
dem gemäß die gewöhnliche Vertretung der Stadt auf den Yandtagen
nunmehr regelmäßig lediglid aus dem Kaiſerrichter, alfo einem er»
nannten DBeantten, dem Prima und Ztadtichreiber beitand. Durch die
Ferdinandeiſche Landesordnung (1627) wurde zwar dem Bürgerjtande
die Berchhtigung, an den Yandtagen theil zu nehmen, nicht abgeſprochen,
allein diefer wurde durch Aufnahme des geiltlihen Standes nunmehr
in feiner Stellung der vierte Stand, feine Stimme wurde ohnmädhtig
und er enthielt ſich immermehr des geradezu nutzloſen Beſuches des Yand-
I Memoralb.
— 452 — \
tags, jo daB da® ganze Bürgerthum nun in der Regel durch einige
prager Rathsperſonen vertreten wurde.
Schließlich bleibt nody zu bemerken, daR zur Anlage eines jtädtifchen
Archives in jener Zeit die erften Maßnahmen gejchahen, inden 1501
Bürgermeijter Georg Zdidhny die große Yade anfertigen ließ, in der
von da ab die wichtigjten Urkunden und Bücher ber Stadt verwahrt
werden.
2. Rirche und Schule.
Auf dem Gebiete de8 Glaubens giengen in diefer Periode die
mannigfachſten Veränderungen vor fi. Aus dem conjervativen techifchen
Utraquis mus entwidelte fid gegen Ende des 16. Iahrhundertes das
radifafere deutſche Lutherthum, beficgte den Verfuch der Neaction in
den Zeiten Rudolf II., unterlag aber in volljtindiger Weife jenem
Ferdinands IL, nicht ohne den mannhaftejten Widerſtand gefeiftet
zu haben.
Den Gang biefer Umwälzungen erfenuen wir zunädit an den
Perjonen der Seelenhirten, die ihre Ordination bald von Wittenberg,
batd von Brag holten, jo wie aud deren äußere Yebensweife auf ihre
vehren fchließen läßt, die wir anders nicht keunen. Die geringe Kraft,
die zur Zeit Rudolfs Il. der Katholizismus in feinen Nejtaurirungs-
verfuchen äußerte, erflärt jid) vorzüglich aus der geiftigen und moralifchen
Unfähigkeit vieler jeiner damaligen Organe; entweder verjtand man es
nicht, die gecignetften Perföntichketen heranszufinden, oder es fand über-
haupt ein großer Mangel an folchen ſtatt. Wenn auch felbjt die pro-
teftantifchen Seclenhirten nicht immer auferbaulihe Beiſpiele boten,
fo üb:rtrafen fie doch durchſchnittlich in der Wahrung ihrer Würde die
wenigen Tatholifhen, die wir im diefem Zeitraume kennen lernen. Nach
der Gegenreformation war bei dem gejteigerten Bedarfe der Mangel an
tauglichen Priejtern noch fühlbarer, allein die damalige Allmacht dee Pric-
ſterthums geftattete wicht inchr wie vordem cin Uriheil der Menge; ſelbſt
in den verworfenen Minoritenguardian Sauzius durfte das Volk nım-
niche nur den Stellvertreter Gottes, nicht michr den verachteten Schlemmer
jchen. Die Stüte des Katholizismus war von da an die Staatégewalt,
das „brachium sacculare“ geworden.
Vom erjten Tedyant, der uns in diefer Periode aufftöht, haben
wir feine weitere Nachricht, al8 daß er Niko laus hieß und 1560 ftarb,
— 439 —
eine allgemeines böhmifches Stadtredt treten, wie dick nach Errichtung
eirzes einheitlichen Obergerichtshofes für alle Städte auch mit Rüdficht
auf die praftifche Seite wünſchenswerth erfcheinen mußte. Zur ſchleu—
nigen Durdführung diefer Idee fehlte es jedoch vor allem an cinem
Ge ſetzbuche, durch welches das neue Recht oftroyrt und allfeits vermittelt
werden konnte. Die Könige Ferdinand I, Marmilian I. und
Rudolf II. verfuhten es, eine derartige Vereinbarung aller Stadtrechte
m bewerfftelligen, und bereits 1555 finden wir unfern Primator Johann
Kotwa mit dem Raiferrichter Nikolaus Auftin auf der Reife nach
Brag, wohin fie berufen worden waren zur „Berbeflerung der Stadts'
regte.” ') 1571 befahl Marmilian II. der Stadt, ihre magdeburger
Rechtsbücher zur Vergleihung mit den pragern einzufchiden?) und erft
1579 wurde dem Yaudtage ein vom altjtädter Kanzler B. Ch. Koldin
verfaßtes Geſetzbuch vorgelegt und von diefem angenommen, das von nun
en als gemeinfames Stadtrecht in allen Städten Böhmens gelten follte.
Dasfelbe beftand aus einer Kompillation der verfchiedenen deutfch-böh- ‘
milhen und deutich-mährifchen Rechtsaufzeichnungen mit vorzüglicher Zu: :
grandelegung des früher genannten brünner Scöffenrchtes und Be—
nithung einzelner Formen des römiſchen echte.
Zrog der ebenfalls 1579 erfolgten Sanction Kaiſer Rudolfs 1.
ſeid indeß das neue Stadtrecht in Yeitmerik auch nach diefer Zeit
uch feinen Eingang, indem der altberühmte Schöppenftuhl nach wie vor
nech feinem „alten guten” echte urtheilte, und fi) um die Schöpfung
Loldins wenig kümmerte.
„Die Sade wollte”, jagt Stranafy?), „ich weiß nicht durch welches
werwärtige Schickſal, dennoch keinen rechten Fortgang nehmen, bis end-
6 jeder Gebrauch des magdeburger und aller andern fremden Rechte
ingleih mit dem ältejten Schöppenjtuhle, dem zu Yeitmerig, vollitändig
wighoben wurde.” Diefes geſchah durch den Vandtagsbeſchluß des Jahres
1810. Vielleicht war der damals eben obſchwebende Prozeß Yobojik
niht ohne Einfluß auf diefe durchgreifende Maßregel, da wir fahen, wie
M die Stadt in demſelben immer noch auf ihr altes ſächſiſches Recht
berief. An die Stelle der Schöffenbant trat nun durch Tönigliche Ans
"mung ein dem prager alt= und meuftädter Gerichte nachgebildetes Ser-
dirats- oder Sechömännergericht (priiwo Sestipanske). Dasjelbe follte
WR mehr mach den alten theils gefchriebenen, theils ungeſchriebenen
— —
) Geintb. *) Casopis è. mus. 1864. ©. 398. *) Rep. d. vr Eeoh. YI\
— 44 —
durch ihn zwiſchen den Pfarreien Allerheiligen und St. Adalbert aus—
gebrochen war, gieng auch auf feinen Nachfolger Stephan Loweanſkh
oder wie er gewöhnlich genannt wurde, Steffet Slowäk, über. Diefer
war zwar ein eifriges Organ der Reaction, aber auch ein ebenſo plum-
pes nnd ungelchictes, befonders wenn er, was nicht felten geichehen fein
muß, zu tief ins Glas gefehen hatte. Der Zwieſpalt zwifchen feiner Kirche
und der eifrig proteftantifchen der Zaſada gedieh unter ihm fchon fo
weit, daß er 1606 einer Frau deshalb das chriftliche Begräbnis ver-
weigerte, weil fie das Abendinaf bei St. Adalbert genommen hatte.
Dur ſolche unkluge Strenge brachte er ſich um allen Anhang in der
Stadt, gerietb fchließlih in offene Feindſchaft mit deren VBertretern und
machte in ungeſchickter Weiſe die Kanzel und die Kirche zum Kampfplatze,
wodurch er den fetten Reit der Achtung verlor. Das eine Mal klagte er
über fchlechte Bezahlung und bielt, wie er vorher gedroht, Sonntage
wirklich feine Predigt, da ihm der Rath den. verlangten Topf Butter
nit geihhict hatte, daB andere Dial aber (Weihnachten 1606) nicht,
weil ihm der Zehent ſchlecht gezahlt Wurde, fondern „er krächzte“, fagt
ber gleichzeitige Memorabilienichreiber , „al® ob ihm der Hals durd-
fihnitten wäre, des andern Zages aber konnte er bei St. Georg pre-
digen, weil ihm die Fiſcher dafür einen Yach8 gaben.” Noch fchlimmer
feierte er das nächſte Ofterfeft, wie derjelbe Autor fagt — in der Trunken⸗
heit. Er beitieg die Kanzel und fagte: Da die Bänke leer find, fo will
ich's laſſen — fie feien aber voll geweſen. Desjelben Tages hielt er
die bereit8 erwähnte ärgerliche Leichenpredigt, die das Volk fo erbitterte,
daß es laut dazwifchen rief und ihn endlich zwang die Kanzel zu ver-
laſſen. Hierauf erhielt er (1607) feinen Abfchied. Ihm folgte am 1. Mai
1607 auf kurze Zeit Wolfgang Zeller von Kaaden, an deifen Stelle
wir fchon 1609 Mathias Woſchitka als PVicedechant finden. Auch
mit diefem lebte Gemeinde und Rath nicht auf guten Fuße. Ad Grund
wird fein Geiz und fein anzügliches Predigen angegeben, das ihm am
13. December 1612 eine Auffündigung mit nur 4 Tagen Friſt zuzog.
Am 3. Feber 1613 erhielt die Stadt in dem proteitantifchen Prediger
Georg Sequenides von Chotebot, gewöhnlid Sequenz genannt,
wieder einen Seelforger nach ihrem Willen, ') der bis in die ſchweren
Zeiten der Gegenreformation ihr Yeiter blieb. Faſt gleichzeitig mit ihm
fhlih fi aber audy ein Gauner Namens Jalob in die Kirche ein, ber
— — —
) ureadius.
— 45 —
in Prag ans der „Bifarei” entlaufen war, fich für einen Briefter ausgab
und in der Allerheiligenkirche ſowohl die Saframente ſpendete als auch
predigte. Nebenher verführte er die Gemalin des Bürgers Jlutidy
and als er erkannt in die Schattelei geſteckt wurde, habe er auch dieſe
„zum Sodoma gemad)t.”
Den erſten in der feither umunterbrochenen Reihe der latholifchen
Dechante lernten wir in der Perjon des Andreas Damian Künel bereits
kennen. Nahdem ihn am 18. September 1633 die Peſt dahingerafft,
wurde am 19. Feber des folgenden Jahres M. Diartin Jakobides
von Bifchofteinig, vormals Pfarrer bei St. Heinrich in Brag,
eingeführt, der den Zitel eines Erzdechants führte. Er ftarb berits 1636
und es folgte ihin Rudolf Roder im Amte als Dechantsftellvertreter.
Die Bürger fchilderten ihn in ihren Klagichriften als einen äußerſt
rohen Menſchen, der die Nahbarn bis aufs Blut geprügelt, einem den
Bart abgebrannt und ähnfihe Dinge getrieben habe. Sein Zorn ſei
befonders daher gefommen, daß ihm die verarmte Gemeinde ihre Schul:
digkeit nicht ausfolgen konnte, wogegen dieje wieder über die Erpreſſung
ungerechtfertigter Gebühren klagte. Während der Anweſenheit der Schwe-
den (1639) mußte er jeine Einkünfte fogar noch mit feinem evangelischen
Collegen, dem Baftor Nikolaus Baſilius Knyer theilen, der 30 Sch.,
bie man bem Gantor und der Schule abzog, und einen Strih Deputat
erhielt, ben Roder geben mußte. Auf letzteren folgte 1641 ale fatho-
tifcher Dechant Agam Czudeckÿ.
Wie viel Geiftfiche "neben dem Dechant noch den Dienft in der
Hauptkirche verfahen, ift für jene Zeit wicht zu entnehmen. — Die Kir-
chenmuſik verfahen die beiden Brübderfchaften. Den Vermögen wie
der Thätigfeit nad) blieb die Brnderfchaft des lateiniſchen Gefanges
immer die wichtigere. Die des Cehifchen pfleate nady der Anordnung
des Dechants Tohann (c. 1560) nur Mittiwoh und freitag zu fingen.
Außerdem befoldete die Stadt einen Organiften, auf deſſen Pojten in der
Negel ein nicht Einheimifcher berufen wurde. —
Das alte Bermögen ber Kirche wurde auch in dieſem Zeitraunte
durch Schenkungen und Vermächtniſſe vermehrt. Im Jahre 1613 jchenfte
Duhoflfav Rind den „blauen Weingarten”, am Wege nah Schüttenig
gelegen, der Kirche, der fortan in der Regel „Rindopfa” genannt wird,
und 1617 vermachte Dorothea, Witwe des Georg Sedledy, derjelben
einen anderen in der Boſchka gelegen und fortan „Sebleda” genannt.
Ueberbieß erhielten beſondere 1621 faft fämmtlihe Kirchen mehr oder
— 438 —
einen freien Contrahenten einen Unterthanen des andern zu wahemc®.
Diefer Verſuch war im zweiten Zeitraume fhon nicht mehr ohne alle zu
Erfolg gemacht worden, nicht zwar vom Hofe aus, fondern von de mt
Ständen oder vielinehr von jener Oligarchie aus, die cbenfo wie die Hir
Schaft über den König jelbit, fo auch über das diefem anhängliche Bürgerthu ann
zu erringen jtrebte. Jener Contract wurde in vielen Buncten zernicht ei
und fchließlih der Weg gebahnt, ihn ganz zu beheben. Dieß geihemh
vorzüglich dur) die Sanction des neuen Geſetzbuches, der wladislavſcheen
Pandesordnung, in der feiner vorderhand nun feine Erwähnung geihattz ;
bald aber wurden alle ſtädtiſchen Rechte als nicht beitehend betradtet,
eben weil fie in jenen Geſetzbuche nicht vorfamen, wie wir beifpieleweufe
in dem Brozeife Tobojig zu zeigen Gelegenheit hatten. Ferdinand L.,
der das Königthum wieder erhob, fand feinen Grund, den Städten wieder
zu geben, was fie von ihrer Unabhängigkeit eingebüßt hatten, ja cr hob
auch noch den Reit der Vertragsbeſtimmungen nad) der Niederwerfung
dc8 Empörungsperfuches auf und verfegte die Bürger in den Stand Der
gemeinen Unterthänigfeit.e Was ihnen von ihren alten Sonderredten
noch zurüdgeftellt wurde, jollte von nun an nicht mehr auf jenem alten
Contracte, jondern lediglich auf königlicher Gnade beruhen. Ganz folge
richtig mußte Ferdinand fomit auch das Jahrhunderte alte Verhältnis
löfen, in dem Neitmerig zu Magdeburg jtand: nad der Auflöfung
des Vertrages mußte man fi) and) den Garantın vom Halje fchaffen.
Dieß that Ferdinand 1, indem er, wie bereits erwähnt, 1547
jede. fernere Appellation nad) Magdeburg verbot und bald darauf in
Brag einen eigenen Appellationshof errichtete, der von nun an für alle
fönigliden Städte Böhmens zugleich als letzte Gerichtsinſtanz galt. Be:
lehrungen über politijche und foziale Fragen irgend wo anzufuden oder
irgend woher anzunehmen, hörte num ganz auf; dus Bügerthum hatte
fih nun nicht mehr nach Belchrungen zu richten, fondern nur nach Befehlen
zu gehorhen. Den Borwand zu diefem bedentfanen Verbote gab die
confeffionelle Stellung Magdeburgs und die in Folge deifen über dad:
jelbe verhängte Reichsacht. —
Die einzige Neliquic, die an die frühere Stellung der Stadt erinnerte
war nunmehr mur noch das ſächſiſche Recht, das immer mod in
lebendigem Bewußtſein und in ununterbrochenem Gebrauche blich. „Au
dieſe Reliquie mußte fallen. So verſchieden vordem die einzelnen BT
träge fein Tonnten, fo uniform follte nun die AnterehA
die einzelnen Stadirechte follten aufgehoben r
— 457 —
unfenntlich wiederfinden. Zuerſt wurde es im Jahre 1570 nöthig, das
alte einfache Dad über dem Kirchenchore bis zum Thurme wegen feiner
Baufälligkeit abzutragen, nachden e8 wol an viertehalb Tahrhunderte die
Kirche geziert hatte. An deſſen Stelle wurden mit großen Koften, aber
feider geringem Gefchmade jene drei Dachſpitzen gejeßt, bie heute noch
der Kirche einen mehr abenteuerlichen als edlen Character geben. Der
Werkmeiſter war der Gemeindezinmermann Valentin Schneider. Auf
die erfte Spige vom Thurme aus wurde ein Stern, anf die zweite das
Stadtwappen und über der Paternc der dritten ein ſtark vergoldetes
Kreuz befeftigt, das Werk des Rathsherrn Sixtus Friſek. Die Koften
des Vergoldens murden durd freiwillige Gaben beftritten, Räthe und
Schöffen gaben ohne Ausnahme mindeſtens einen Goldgulden, ebenfo viel
mehrere Bürger. Ein Pergament im SKnopfe des letzten Thürmchens
enthält ihre Namen. 1584 wurde die folide fteinerne Brüftung unter
dem Dache des Glockenthurmes gebaut, diefer angeworfen und zmei
Jahre fpäter das Dad) desfelben aufs Neue verichalt. Hierauf feßte
(1587) der Gemeindezimmermeiiter Hans Nemec die zwei vergoldeten
Sterne auf die Spigen des Thurmes. Die Arbeit des Eindeckens mit
Kupfer währte vom Jahre 1587 bis 1591. Der Meifter war der bie-
fige Kupferihmied Koſtka.,) Im Jahre 1612 wurde der vordere Theil
der Kirche einer Entftellung unterzogen. Cine Jungfrau, jedenfalls jchen
in reiferen Jahren, Namens Anna Yucinta, hatte den Einfall, auf die
Fronte einen neuen Giebel und darüber abermals ein Thürmchen an-
bringen zu laſſen. Diefe „Verfchönerung” foftete nach einer detaillierten
Rechnung nicht weniger als 1097 Sch. 49 gr. m. Das überflüjlige
Thürmchen, im Jahre 1616 fertig geworden, heißt auch jekt noch der
Jungfernthurm. So war e8 endlih dem geichmadlofen 16. Jahrhun—
derte gelungen, den alten ehrwürdigen Bau bis auf weniges, das die
Folgezeit noch nachzutragen eilte, unkenntlich zu machen.
Auch im Innern fam mandes hinzu. 15894 ließ die „Lateinische
Brüderfhaft“ die Orgel durch Meifter Hans Koberſtein aus Zittau
neu bauen, Georg Melnicky von Greifenfels ließ 1602 auf
eigene Koften das mittlere Altarbild malen. Bei der Reftaurierung, die
nad beendeter Gegenreformation eintrat, betheiligte fid) befonders der
Kaiferrichter Wilyelm Herold von Stoda durd Stiftungen.
Im Iahre 1633 ſchenkte er der Kirche eine Menge Geräthe und
p) meqiobnq.
— 458 —
Bilder, unter anderen au die der Paſſion für den Altarfchrein des
Hauptaltares, die fi) dermafen im &emeindehansfaanle befinden. Die
heiligen Hieronymus, Katharina und Barbara waren auf Goldgrund.
Außer diefen gehörten noch hiezu die Bilder des h. Johannes, der heit.
Magdalena, Sct. Wenzel und zwei Chriftusbilder. Im Jahre 1630
aber (16. Sept.) ftiftete Bet. Sim. Aulik den Altar und die Kapelle
des heiligen Kreuzes, die jet noch fein Wappen trägt, durch Anweiſung
einer (der „nerhoffihen”) Schuldſumme.!)
Ein ähnliches Schidfal hatte die Sct. Georgs kirche. Auch ihr
wurden im Laufe der Zeit häufig Pegate in Geld oder Grund (befonders
Weinbergen) beftehend vermadht. Die gewonnenen Mittel wurden eben-
falls zur Reparatur und PVerfchönerung der Kirche verwendet ; obgleich
aber die Details der Arbeiten nicht ohne Kunftwerth find, jo entftellen
fie do den alten Bau dur den fremden Stil. — Im Jahre 1564
wurde die Dede der Kirche durch einen ſchlaner Künftler gemalt, 1582
erfauften die Fiſche in Jungbunzlau für ihre Kirche eine große
Glocke, die am Charfreitage desfelben Iahres anfam. Im Jahre 1606
wurde zu großer Entftellung der Kirche der Eingang zu derfelben von
Weften, wo er fich vordem befunden, auf die entgegengejegte Seite ver:
(egt und im Chore derfelben eine neue Thür angebracht, fo daß der im
Fahre 1607 kunſtvoll in Stein gemeißelte Hochaltar mit der Keiter-
ftatue des H. Georg zur Seite zu ftehen fam.?) Das neue Kirchhofs-
thor wurde mit hübſchen Reliefs, den reichen Fiſchfang und den Fiſcher⸗
patron Jonas darftellend, geihmüdt. An fi find alle diefe Arbeiten
in gefhmadvoller Rennaiſſance ausgeführt.
Auch Sct. Laurenz erhielt manche Legate.
Am unglücklichſten aber war die Sct. Adalbertskirche. Ihren
Pfarrer hatte die Gegenreformation vertrieben, ihre Mauern zerftörten
Baners Truppen bis in den Grund. So blieb fie Jahrzehente lang
ein Schutthaufen. Im Jahre 1648 theilten ſich in die Collatur derjelben
die Stadt, der Rector der Jeſuiten in Liebeſchitzz (als Beſitzer eines
ehemals henichſchen Gutes) und der Prior der Dominikaner zu
Maria Magdalena in Prag. Im genannten Jahre hielten die Bevoll⸗
mädhtigten die erften Beſprechungen über die Mittel zum Wiederaufbau
der Kirche.
Auch das Kirchlein des Heil. Nikolaus in den Weinbergen war in
2. Gonfilorielard. ?) Iufcgriften an den Kirchenwänden, Memerabb.
— 469 —
Trümmer geftürzt. Seit im Jahre 1636 am Tage Bonaventura's, der
fortan in befonderer Verehrung blieb, ein furdtbares Unwetter alle Hoff-
nungen des Winzers und Landmanns vernichtet hatte, zog an dem ver-
hängnievollen Tage (14. Juli) alljährlich eine feierliche Prozeſſion in die
Auine und feierte in deren ödem Raume die heil. Meife. Oft durch
Unmetter hieran verhindert, begann die Gemeinde zur Wiederherftellung
ber Kapelle milde Beiträge zu farnmeln.
Die beiden Klöfter der Stadt waren noch gegen Ende des 16.
Sahrhundertes ihrem vollftändigen Verfalle nahe. Erſt die Gegenrefor-:
mation erhob fie wieder. Ihre Schickſale lernten wir größtentheile ſchon
fennen. — Das Minoritenflofter war in der legten Zeit häufig nur
von Einem Bruder bewohnt, feine verfalfenen Räume aber waren an
erme Handwerker vermiethet. Zur Beauflichtigung desfelben wurden von
der Gemeindevertretung eigene Kirchenväter ernannt, obgleich ſich 1577
die Brüder biegegen fträubten und fogar deswegen bei der Kammer
Hagten. Die Bürger beriefen fid) dagegen auf das Alter des Brauches
und die zwingende Nothwendigfeit im Intereſſe der allgemeinen Sicdher-
beit, da „fi der Quardian (wie bei St. Michael der Prior) nicht immer
im KHofter aufhalte und überhaupt fait halbjährig gewechſelt werde.” ')
In der Revolutionszeit bewohnte es der deutfche Prediger, während das
Rirchlein von den dentfchen Protejtanten wieder aus feiner Verfallenheit
gehoben wurde.
Beim Eintritte der Reaction war Johann Ludwig Amuſus wieder
der erfte Quardian, der in das verlaffene Kloſter einzog; doch machte ſich
der Minorit und Commissarius apostolieus perpetuus Johann Bapt.
Sancius um bie abermalige Hebung des Kloſters beſonders verdient,
fo wenig er aud der Sache des Katholizismus im Allgemeinen nützte.
Dur feine Zähigfeit gewann er von der Gemeinde fünf Felder und
emen Weinberg, jo wie einen Schufldfchein von 1000 Cd. Mit Gewalt
nahm er ihr im Kinverftändnilfe mit dem dermaligen Stadtcommandanten
die Fleiſchbank und erwarb auf umnbefannte Weile das daran jtoRende
Haus der „Mlidlarfchen Erben.” Sein Yebenswandel war im hödhiten
Grade ärgerlih — die Dinge, die am 12. Feber 1642 eine Schaar von
Zeugen gegen ihn ausfagten, laſſen fih in unjerem Nahrhunderte nicht
wiederhofen.) Das Midlarjche Haus war damals das verrufenjte
in der Stadt. Später faufte Sancius den Bewohnerinnen desfelben
7) Gopialb. ?) Brotololl im I. St.⸗I.
— 460 —
einen Hof bei Melnik, um fie dem Gerede ber Bürgerfchaft zu ent-
ziehen. Der gute Quardian, P. Bartholomäus Kauderer, wußte zivar
um alles, fcheint aber an den pfiffigen Bruder gebunden gewefen :u fein.
Einem Bürger, der ihn einft nm das Befinden des Sancius gefrugt,
antwortete er verbrießlih: „Was wird er machen? — Kräuter kocht er
für feine H—“.
In gleihem Zuftande muß fi) vor der Revolution das Kloſter
der Dominilaner befunden haben. Wohl fehlte e® auch am Anfange
diefer Periode nicht ganz an Wohlthätern, wie 1557 der katholiſche Bürger
Jakob Zeleny fein Erbe demfelben fchenkte; allein die Stadt beftätigte
derlei Schenkungen nicht mehr wie vordem mit Bergnügen, fondern wider-
fette Sich ihnen vielmehr wegen des Entgange® des Schofjes. Im Uebrigen
aber ftand die Gemeinde trog der Confellionsverfchiedenheit mit dem
Convente auf guten Fuße, wie es jogar vorlam, daß fie jich bittlich
um Belafjung diefes oder jenes Priors an die Ordensvorjtände wandte,
wenn er es verftanden hatte, die Religionsüberzengung der Bürger zu
ihonen. ') Zur Aufficht über das Kfofter, angeblih um Feueregefahren
zu verhüten, ernannte der Rath ebenfalls eine Commiſſion von fogenannten
Kirchenvätern aus der Mitte der Bürger. — Almojen nnd Spenden
floßen aber immer fpärlicher und das ſchöne ftattliche Kloſter ſah ebenſalls
feinem Berfalle entgegen. Im Jahre 1583 ftürzte das Dad und die
Hälfte des Gewölbes über der Kirche ein, die Ereignifje der folgenden
Fahre verwandelten fie in eine Ruine Erſt Ferdinand Il. griff
dem ſinkenden Kloſter wieder unter die Arıne. Hatte die Thätigkeit der
Mönde im 15. Jahrhunderte faſt ganz aufgehört, To follte ſie ſich im
16. um fo wirkſamer erweilen und deshalb bejonders für Nachwuchs
von tüchtichen Geiftlichen gejorgt werden. Zu diefem Zwecke follte ein
eigened Noviziat beim Kloſter geftiftet werden, zu deilen Gründung
Ferdinand V. dem Convente amı 25. September 1630 das nahe ge-
legene Gut Großaujezd, das er dem früheren Befiger Adam Koſto—
mlatffy von Wrefowig zuerft in ein YVehen verwandelt, dann aber
ganz entzogen hatte. Am 8. November 1657 erhielten die Dominikaner
auch noch die Entlaffung diefes Gutes aus dem Yehensverbande. ?) Die
Reitauration des Kloſters nahm der neue Prior und faif. Rath Peter
) &o baten die Bürger 1560 den Provinzial um Welaffuug des Prioré Balentin
Dffmann, da er gut und friedlich ſei und dec Nachfolger den Yeuten vieleicht
minder treffen würde, „wenn er etwa nicht cehilh oder nicht dentſch lännte.“
2) S. Unersperg, Gerigtehöfe II., 193.
— 461 —
Canadilla in die Hände, der bereits 1630 mit faiferlihen Empfehlungs-
ſchreiben in Yeitmerig eintraf. Die Hauptſorge war die Wiederher-
ſtellung des Klofters und die Errichtung eines Noviciatsgebäudes, zu welchem
Zwede die Gemeinde nach und nad mehrere Emigrantenhäufer abtreten
mußte, fo daß die ‘Dominikaner nicht nur den Raum für das genannte
Inftitnt, fondern nebenher aud) noch einen großen Garten gewannen, der
bie an das Schloß reichte. ')
Bon den nen eingeführten Orden der Jeſuiten und Kapuziner,
jo wie den Plägen ihrer Anficdlungen war fchon die Rede. Der crite
Jeſuit, Bruder Conradus, ftarb dafılbit am 12. April 1638 und murde
bi St. Maria begraben. °)
In der Zeit des Herrichenden Yutherthums waren außer ben Be—
gräbnißplägen zu Allerheiligen, St. Georg, St. Laurenz und St. Adalbert
die übrigen außer Benügung gekommen. Die Dechrzahl der Bürger
wurde auf dem umhegten Plage um die Hauptlirdhe herum begraben,
Reichere kauften ſich auch einen Play in der Kirche ſelbſt. Selten blich
eine Leiche länger als cinen Tag unbegraben, häufig wurde der Yeichnam
noch am Tage de& Todes felbjt in die Erde gefenkt. Angefchenere Bürger
murden nicht ohne Yeichenrede begraben, die aud) von der Kanzel herab
gehalten zu werden pflegte. Nach Wiedereinführung des Katholizismus
famen auch die Höfe um die St. Michaels-, Jakobs- und Marienkirche
wieder in Verwendung, jo daB es in der Stadt felbjt nicht weniger ale
fünf Begräbnißplätze gab. Auch die kleineren in der Zeit des Vrotejtantis:
mus faft ganz verichollenen SKirchlein erhoben ſich nun wieder. Der
Bürger Georg Jelinek erlangte al® Pilger in Rom einen Ablaß auf
die Dauer von 7. Jahren für alle icne, die am St. Wenzeldtage das Kirchlein
diefea Patrones beſuchen und daſelbſt für die Einigkeit der Fürſten und
die Unterdrüdung der Selten beten würden (9. September 1647). So
309g andy dieſes verlaſſene Kirchlein wieder Beſucher an ſich.
Seit dem Jahre 1550 gab es in veitmeritz zwei Schulen, eine
afte elementare und eine neugegründete Yatcinfchule, fchlechtweg das „Golleg”
) Bon den Pıioren dee Michaelakloſters find uns belanut geworden: Jetrus
Martyr um 1518, Valentin Offinann 1560, Bernhard Lignarius 1675, Al-
bertus de Damianis 1582, Vincentins Bolzanus a 8. Neverino 1583, 1586.
Joh. Bap. de Wuinteriis 1584, Nillae Fechler von Frauenſtadt, 1587 uud
wieder 1603, Innoc. Catalanus 19090, Maffeus Romanus 1592, 1693, Mathäus
de Bonnonia 1594. 1596. Basilius de Gesena 1597, Christian Cherubivi
1614, Peter Canaditla 1630 ff., Franciscus Manea de Prado 1643, 1645,
2) Heliades Ephem.
— 442 —
gebühre. Bis zu diefer Entſcheidung hatte der Kaiferrichter dafür zu foreg © n,
daß die Bertujfenichaft in ihrem Stande bleibe und erſt nad erfolgt zn
Kammerbeſcheide durfte er der Verlaſſenſchaftsverhandlung jreien Yauf faf% ern.
Alle Strafgelder nnd Heimfälle hat der Richter au das Kammerrentant «rd.
zuliefern und halbjährig Rechnung vorzufegen. Damit aber and) er wieder
nicht ganz ohne Cotrolle bleibe, ınnßte wieder der Bürgermeifter und Ida eh
beftätigen, daß ihm von andern als den vom Kailerrihter angegeben en
Gebühren nichts bekannt fei. Zum dritten führte der Kaiferrichter nod) daR V
Ant der oberiten Stadtpolizeibehörde, zu welchem Behufe ihn der Stadtric Ey⸗
ter direft untergeordnet wurde. An diefer Eigenſchaft hatte er vor allem dara a 17
zu adıten, dag nichts gerhan, geſprochen oder gefungen würde, way geger 3
die Ehre Gottes oder die Majeſtät der Könige und jeiner Erben fe!
fünnte, die Heiligung der Sonntage überwachen, Gewichte und Maße z. 3
prüfen, Yandftreicher und uubefugte Bettler abzuſchieben, die Aufnahme E "1
die Spitäler die doch der Gemeinde gehörten — zu bewirken, für > de
Keintichleit der Gaſſen zu forgen und dergleichen mehr. Diefe Madtb -
ſnanſſe wurden in Seiten außerordentlicher Verhältniſſe noch vermehr 8-
So waren die Kaiferrichter von der Schlacht auf dem weißen Berge b 84
zur Wicderberftellung ordunngemäkiger Auftände in Böhmen (1628) 4 Le
Nubernatoren und Qerwalter der Gemeindegüter und Einkünfte grade z U
unumſchränkte Herren der Stadt. Ver Kaiterrigter Herold verjudte = ©
Ipater Vogar 16201, die Primatorewürde mit feiner Stellung zu verbi zT”
den, was indeß Die Regierung nicht duldete. Aber auch außerdem hier!
ne die Wemeinde an ang kurzem Zügel. Die königlichen Städte wurd en |
von Lodz am ale wahre Meiffihe der königlichen Kammer betradhtet ug = d
in einem halben Jahrhunderte waren fie vertrodner Wie viel indeß ve
den ſo neu gewonnenen Einfunften im den Händen des jedenfalls wolE® ©
ſoldelen Nurlerunbteid blieb, wiſſen wir nicht, doch beichränfte dick um ®
an hu untl der Angeger den Ertrag der neuen Qnellen gewiß weſentlic
mir nt des VKaneirichters gieng von der Nummer im Name!
ve Woltine ne, vor den Ramerräthen in der böhmiſchen Kanzlei ®
rn - chinfan miüßte er perſenlich Teinen Eid leiſten, ſowie dahin af id
re hl Abaneſandte ans dir Stadt berufen wurden, um dem ne Sirv
ernten tn kamen derielhen Mchortam zu ſchwören. u
Auf hen eirſten heitmeritzen Narnerricdter, den katholiſchen Anguftr uvn
Mama neh Kreſer genannt. deſſen noch 1558 Ermähnung geichieht er
late In iieſeur Amte Wenger IS icon, der c& bie 1575 foitführte. Bo a
on un baltsadite daoſelbe can Glird der veichjien und verbreitetfien Fumiie *
— 4635 —
die der böhmischen Brüdergemeinde angehörten, und die ganze Anftalt
erhielt bald den Charakter ciner ausſchließlich proteftantifchen. Trotz der
unabhängigen und nad dem Maßſtabe der Zeit ſehr anjtändigen Stellung,
die dem Nector fo gefchaffen war, wurde diejelbe dennoch dur.i gehende
ats feine definitive aufgefaßt. Faſt durchgängig (mir Tennen nur Eine
Ausnahme) beſetzten Fremdlinge die LXehrfanzel, alle Gegenden Böhmens
finden wir in ihnen vertreten. ‘Der Mehrzahl nad) waren e8 Männer,
die fih in ihrer Zeit Achtung, ja wohl auch den Ruhm ganz befonderer
Selehrfamkeit zu verichaffen mußten. Die Mehrzahl lieferte die Uni—
verfität Brag; ohne Liniverfitätsftudien und einen alademifchen Grad
wurde überhaupt niemand angeftellt. Wen es halbwegs glüdte, der
blieb indeß nicht lang bei der Schule. Der Yebensgaug diefer Männer
ift von ftaunenswerther Gleichförmigfeit, fait durchgehende derſelbe. Das
erite, was der neue Rector oder Magiſter that, war, daß er fih um
eine reihe Witwe bewarb — auf Jugend wurde weniger gefehen, — um
durch fie erjt eingeführt und aufgenommen zu werden in den Schoß der
Gemeinde unter Bettern und Gevattern — denn im befiglofen Schul:
meifter ſah die privilegienftolze Bürgerfchaft immer nur den Diener, im
Fremdling den Hergelaufenen. Hatte ſich ihm aber jo der Schoß einer
Famil ie aufgethan, fo konnte es ihm nicht mehr fehlen. In der Pegel
itrebte er dann zunächſt die Katheder mit dem Pulte des Stadtfchreibers
su vertaujchen, denn jo wie deifen Geſchäft ceinträglicher war, in dem-
jelben Maße galt es aud für chrenvoller, als das des Schulmeijters-
Da er nun mit feiner Gemalin and Haus und Hof erworben hatte —
denn dad beherridhte die Wahl, — jo war ihm bei feinen überlegenen
Renntniffen auch der Eintritt in das Schöffenamt oder das Nathe-
collegium nicht länger mehr verjchlojfen, ja er fonnte wohl gar nod)
Brimator werden. Nicht jedem gelang 18 indeß, diefen ganzen Weg der
Ehren zurüczulegen, faſt jeder aber verfuchte ſich daran; daß jich der
Renangefommene zunächſt durd eine Heirat verforge, ſchien gauz ſelbſt—
verſtändlich. Da aber im allgemeinen zur rientierung die Friſt eines
Jahres nöthig ſchien, To pflegte auch für dieje Zeit der Magiſtrat den
Neuling noch zu verföjtigen, imden er ihm beim Dechant den Tifch
beftellte.
Außer dem alten Adam find unter den alten Nectoren am be»
deutendjten: M. Sigmund Henich Michalowic (1577 ff.), M. An-
dread Lucinius (erft Rector, dann Stadtſchreiber, dann Primas T 1591),
Di. Geoig Bohdanedy oder Tichiftes (1596), M. Hierenymus
— 464 —
Netolidy (1603), M. Fabian Lipan Pleſchowskh, der fi 1607
in Wittenberg zum Priefter ordinieren ließ und dann Prediger in
Schüttenig wurde, We. Paul Stransfy aus Zap (1608) und
M. Wenzel Rokytansty (1613—1620). — Kine ziemlihe Menge
von Selehrtennamen aber ift uns vorgefommen, die wir nicht mit Ges
wißheit uuter die Rectoren zählen können, obwohl wir wilfen, daß fie
an dem Kolleg befchäftigt waren. Die untergeordneten Dlagifter nannten
ſich ſchlechtweg „Kollegen“ und es waren ihrer im 17. Nahrhunderte
jtet8 wenigftens zwei neben dem Rector. Zu den erſten Magiſtern ge=
hörte Nicolaus Cäsareus Leucopetra, dem der Magijtrat bereite
1558 zu den erzielten Zortfchritten im Studium der Mathematik gratu-
lierte und in feltener Großmuth aus freien Stüden 2 Sch. Gehalt
zuſetzte. DM. Johann PBolicky, Yehrer der grichifhen Sprache, ftarb
1583. Am Anfange des 17. Iahrhundertes wirkten die M. Thomas
Kochan von Prachow und Elias Styrstolfty von Wolowitz,
dem Paul Stransfy ftanden die Collegen Wenzel Arcadius von
Böhmifhhbrod und Martin Arnoldi von Duppau zur Seite,
Bald darauf (1615) werden Johannes Kninskh von Yaun und M
Tobias Lucinus von Bardubig (F 1615) genannt. Yegterer war
feiner von denen, die die volle Yaufbahn durchliefen, wie vielmehr fein
Teftament zeugt — feine Bücher vermachte er dem Sohne des Dechante,
den Mantel dem Arzte, Kleider und Wäjche einem Xerzianer — hatte
er nicht einmal das zweite Stadium erflommen. — So wie aus ben
Schülern auch eine Kapelle von Chorfnaben gebildet war, fo pflegte audy
eıner der Magifter die Chorrectoritelle zu befleiden, doch nicht in Folge
einer Verpflichtung, fondern befonderer Vereinbarung. Die ganze Anftaft
jerficl bloß in drei Elaffen.
Seit dem Jahre 1562 war auch die niedere Gemeindeſchule,
die ihren eigenen Rector und Magiſter befaß, äußerlich mit der Yatein-
ſchule auf mehrere Jahre verbinden, indem diefelbe auf 5 Jahre in das
Kolleg überſiedeln mußte, bis der Magiftrat die Schule umgebaut haben
wiirde, in welcher die Schüler dermalen „vor Geſtank“ nicht aushalten
fonnten. Das vehrperſonal diefer Schule beftand in der Regel aus
einem Rector, einen Cantor und einem Succentor. Diefe hatten auch
noch den Kirchendienit zu verfehen, der Succentor diente außerdem noch
bald als Yeibjäger, bald als Tafeldeder der „Herren“, beſonders wenn
hohe Säfte beimwirthet wurden.
Durch den Sieg der Geaenreformation nieng natfrlich das erftere
k
— 45 —
Rechte verhelfen. Die Gemeinde aber wird ermahnt, den Räthen ge-
horſam zu fein, die jüngern Bürger aber befonders dazu, daß fie wö—
chentlich wenigftens eine Stunde der Leſung des Rechtsbuches widmen
und die Sechsrichter um Erklärung desfelben bitten. Dieſe und ähnliche
Ermahnungen waren in jener Zeit nichts weniger als überflüffig.
Nachdem die Bürgerfchaft theil® durch die Segenreformation, theile
durch die Kriegsbedrängniffe ihrer aften rechtskundigen Bürger beraubt
Dorden war, wurde es änßerft fchwer, aus den neuen Elementen eine
Pürdige Stabtvertretung zufammen zu ftelfen und den Richterſtuhl zu
beſetzen. Es mußte die Erziehung der Bürgerjchaft allerdings wieder
von vorn beginnen; doc war die eingeführte Methode derjelben eine jo
engherzige, daß die erwünſchten Crfolge nimmermebr erreicht werden
tlonıten. Die Gemeinde mußte die veränderte Geftaltung felbit erkeunen
und es wurde für nöthig befunden, im Rückſicht auf die vielen Neulinge
im Amte und ungebildeten,, geihmwäkigen Yente die Norfchriften der
Kammer noch genauer zu erflären. So wurden die nenernannten Räthe
noch befonders crmahnt, fich affenthaften im Handeln und im Reden fo
wol und würdig zu verhalten, wie es jich für eine Ratheperfon geziente
und hiemit der Gemeinde ein gutes Beiſpiel zu geben. Vorzüglich follten
fie Schankhäuſer und jede Gemeinmachung mit dem Pöbel meiden, feine
Spaͤße treiben, nicht zechen, einander nicht ſchimpfen noch bereden u. dgl.
Im Rathhanſe ſollten fie ſich zur Sitzung zeitlich einfinden, allen Vor⸗
traa gen geſpannt zuhören und überhanpt auf Alles, was vorgeht, genan
Acht haben, einer den andern ausreden laſſen, bei Gegenreden aber nicht
ſchimpfen, fo wie auch nicht fern liegende Dinge in die Debatte bringen,
ohrre Auftrag des Vorfigenden nicht mit den Parteien verkehren, im ihren
Reden fih aller Weitfchweifigfeit enthalten und der Bündigkeit befleiken,
Unter einander aber nicht liſpeln und nicht ſchwätzen. Troß all diejen
Unzählige Male wiederholten und variierten Ermahnungen bradte man
doch weber die alte Ehrbarfeit in die Zitten, nod Erfahrung und Ein—
ſicht in den Kath. Was das Syſtem von 1547 begonnen, hat die (We-
genreformation vollendet.
Auch die Art der Verwaltung der Semeindeeinfünfte war in
dieſer Periode wie alle Grundlagen der Stadtverwaltung mehrfachen
Schwankungen unterworfen. Wie wir bereits ſahen, übergab ſie Fer
dinand 1. urſprünglich bloß den Rathmannen, in Wirklichkeit aber zog
fie der Kaiſerrichter an ſich, bis endlich 1607 die Gemeinde wieder we
nigftens einen Antheil an der Prüfung der Rechnungen erwarb. Erſt
— 46 —
3. Die Stadt und ihre Umgebnug, die Bürger und ihr Leben.
Die Veränderungen, die das äußere Anſehen der Stadt im
legten Zeitraume erlitt, find ſehr verjchiedener Art. Verhältnismäßig
wenig zahlreich und bedeutjam find jene aus der Zeit vor dem unglüd-
jeligen Kriege, die der Stadt zur Verſchönerung gereichten; großartig
aber jene, weldye am Ende der Periode uns entgegentreten — Ruinen
und Klöſter. Für die erjte Zeit bleibt jenes Bild fait unverändert, das
wir im legten Zeitraume gewannen. ur einige Privathäufer am Ring—
plage treten uns jet durch den Luxus ihres Baues überraſchend ent-
gegen. Es find zumeift jene, die der weitverzweigten Familie Mraz
gehören. Inter ihnen thut ſich wieder am meiften jenes neugebaute Haus
an der Südfeite des Ringes hervor, das durd feinen feltfamen telch-
artigen Thurm als Wahrzeichen der Stadt gilt. Johann Mraz von
Mileſchowka, jedenfalls ein treuer Utraguijt, hatte den Bau desfelben
noch vor den Jahre 1584 vollendet. Der Thurm mit feiner beherrichenden
Rundſicht über die Stadt und ihre Umgebung follte dasjelbe al8 Majorats
haus feiner Familie auszeichnen. Johann übergab es nebſt cinigen
Riegenfchaften feinem Bruder Sigmund al8 Fideicommiß. Seither hat
es wie feine Herren mannichfache Schidfale erlebt. Der meifterhaft
gebaute Kelchthurm hat alle überftanden und jteht heute noch in der alten
Form, ja in demfelben fteht noch der alte Tifh, an dem die Mraze
geſeſſen. Cechiſch wurde das Haus von nun an in der Regel „pod häni'
(unter der Kuppel) bezeichnet. Nach der Gegenreformation blicb das
utraquiftifche Wahrzeichen nur wie durch ein Wunder verfchont; man
begnügte fi, die Kelchform nicht zu erfennen und nannte das Haus
das „Knopfhaus“. Ihm gegenüber wurde das chemalige roönovskiſche
Haus, nunmehr ebenfalls im Befige der Mraze, al® ungewöhnlich
berrlicdy gebaut erwähnt, fo wie auch das nebenanliegende derjelben Fa
milie gehörige eines der fchönften der Stadt geweſen fein foll. Inter den
übrigen ragte noch befonders das des Dionys Hauſchka von Adlersberg
(jegt Gemeindehaus) durch Größe und Schönheit hervor. — Die öffent:
lihen Bauwerke jener Zeit find dagegen, von den bereit erwähnten
VBerunzierungen der Stirchen abgejehen, nicht von Bedeutung. Auf dem
Ringe war 1587 ein neuer kunſtvollerer Röhrlaften mit vier waller:
fpeienden Yörenköpfen aufgeführt und auch die lange Gafle war 1573
mit eimem hölzernen Nöhrkaften verfehen worden. An ber Haupt-
Zimmerfente (3), über die Unterthanen in Pokratitz, Piftian, Se—
bufein, Libochowan und andere im Gebirge (4), über den Salz:
handel (2), über die Gemeindebauten und die Wafferleitung (3), die
Ziegeihütten (2), über die Alferheitigenfirhe als Kirchenväter (4), über
da8 Kolleg (7), als Nirchenväter über die Klöjter von Sct. Michael
und Sc. Jakob, die Kirche zu Sct. Maria beim Colleg und Set.
Lau renz (je 2), über das Spital (2), den Fiſchhandel (2), die Waifens
rechanamgen, die Nachtwächter (4), über den Handel mit getrodneten
Fiſchen (4), den Getreidemarft (4), den Brodmarkt (4), die Boden (4).
die Maße (5), die Wege (2), die Cimmentirung (4), über die Zehente
auf Der moſtſkähora und im Augezd (2), über die Pirner Wein:
berge (4), über den Hain Bidnice und den Wald Wahre (Urſche,
(4), Die Marftbauden und ähnlidyes.
Die verfchiedenen Semeindediener, wie wir jie bereits vordem
lennen Ternten, fofteten die Gemeinde bis zum Jahre 1588 monatlich
22 Sch., die auf ihre Naturalverföftigung verwendet wurden, während
die Gemeindeköchin noch mit 1 Sc. venmmerirt wurde. Im leßtac-
nannten Jahre wurden dem Biürgermeijter zu demſelben Zwecke 30 Sch.
angewieſen. — Nah einem Magijtratsbefchlulfe von 1605 hatten Tämmt-
liche Gemeindebedieuſtete in Maffen zu gehen.
Die Aufhebung der Zunftorduungen mit Ausnahme geringfügiger
Beftimmungen war jedenfalls im Hinblicke auf bie politiiche Stellung
der Zünfte gefchehen, die diefe in letzter Zeit in der Stadt felbft einge:
Kommen hatten. Das Hecht freier Zuſammenkünfte und Verhandlungen
lolfte ihnen dadurch ebenfo aufgehoben werden, wie die allgemeine Ge—
Meindeverfammlung, die vordem ebenfall& nach Zünften berufen und ge:
Ordnet worden war. Nunmehr wurde eine joldhe nur auf Befehl der
fönigt. Regierung berufen, die Zünfte ale ſolche hatten aber mit diejen
nichts mehr zu ſchaffen. Vielmehr beruhte nunmehr die politiſche Ein—
theilung der Bürgerſchaft auf rein lokalen Grundlagen, die mit denen
des Zunftweſens nicht mehr zulanımenfielen, da das urſprüngliche Yu
Vammenmwohnen der Zunftgenoſſen gröktentheile nicht mehr ftattfand. Die
Stadt zerfiel in + Viertel, gebildet durch eine Linie von Süd nach Nord
(bei der Collegpforte beginnend) und eine mitten auf diefe ſenkrecht ge—
ſtellte. Das 1. Viertel hielt der Theil von der genannten forte bie
um Kfofter Sch. Michael, das 2. von da bie zum Sinngießerthore,
8 dritte umfaßte die chemalige Judengaſſe und das +4. den Reit.
Jedes Viertel hatte jeinen oberjten Hauptmann und war wieder
— 468 —
gaffe, obgleih man diefe auch ſchon Fleifchhauergaffe zu nennen beganı,
Tudengarten und Indenbad gebräudjlich. Yettercs beftand auch wirklich noch
al8 Bad, der Indengarten aber wurde bereits al8 Holzgarten verwendet.
Bon großer, aber trauriger Bedeutſamkeit waren dagegen die Der:
änderungen in unferer Stadt in der zweiten Hälfte des letzten Zeit:
raumes. Kurz vor Ausbrud des Krieges im Jahre 1618 zählen wir
noch 271 bewohnte Bürgerhäufer innerhalb der Diauern ohne die öffent-
(ihen und Nebengebäude ; der auf ftädtifhem Scofgrund liegenden
Häufer vor der Etadt waren etiwa 114. Hievon waren bereits im Jahre
1625 70 Häufer verlaffen und dem Berfalle preisgegeben. Nach Been
digung der Gegenreformation kamen noch 95 andere hinzu. Somit
waren in dieſem Jahre nur noch 120 Hänfer in gutem Stande. Durch
Herbeiziehung neuer fatholifcher Einwohner nahm die Anzahl der contri:
buirenden Häufer bis zum Jahre 1631 wieder bis auf 216 zu, fiel
aber von da bis 1635 in Folge der Invaſionen wieder bis auf 69
herab. Auch auf diefem Stande blieb die Stadt noch nicht, jondern die
Zahl contributionsfähiger Hänfer belief fid) nad amtlichen Angaben im
Jahre 1640 nur auf 52. — Wie 8 unter folden Verhältniſſen in der
Stadt ausjah, ijt leicht zu denfen. Ganze Häuferreihen lagen in Trüm
mern, bejonders in der Gegend der Laurenzikirche; viele erjtanden nie
wieder ans dem Scutte. Die Häufer der Vorftädte waren durchaus
ruiniert, die wmeiften ganz verlaffen. ‘Die Mühlen und Meierhöfe der
Stadt waren niedergebrannt; ganze Anfiedlungen verſchwanden ſpurlos,
jo die bei Sct. Niklas, die um den Hof Ruzopka (die ietzigen „Ge—
meindefcheuern*) am fchütteniger Wege, andere wurden zu Cinfchichten,
wie Zeletitz. Selbſt die koſtſpielige Waſſerleitung war durch die
Schweden zerſtört worden, die Gebäude und Anlagen auf der dermaligen
Schützeninſel, auf der die Schweden ſich feſtgeſetzt hatten, waren ganz
verſchwunden. Unter den verödeten Häuſern befanden ſich auch die ſchönſten
der Stadt, wie das gerühmte Ronowſky'ſche im Jahre 1646 zerſtört
worden war, ehe es noch vollſtändig ausgebaut war. Tas „Knopfhaus“
wurde in ein Proviantmagazin verwandelt und in das „mraziſche“ (Nr.
133) die Munition gelegt. Was in den kurzen Zeiten der Ruhe wieder
hergeſtellt wurde, gieng ſtets kurz darauf wieder zn Grunde. So erhielt
zwar die Stadt 1630 durch Landtagsſchluß den Betrag von 800 fl.
zur Miederheritellung des „Wafferthores” zwiſchen den Mühlen (genamıt
„nömeckä dira”) und des Wehres mit der Verpflichtung, dieß fünftig-
hin auf eigene Koften zu unterhalten, erbaute auch 1640 die Mühle
— 451 —
Opfer wol keines befonderen Antheils an den Siegen in Ungarn rühmen
Dürfen. °) |
Die Veränderungen, welhe mit den Grundlagen der ftädtiichen
Ginnahmsquellen feit der legten Periode vorgiengen, find bereits aus der
Darftellung der Stadtgefchichte erfichtlich geworden. Nad den grofen
Fefigveränderungen auf den Schoßgründen wurde e8 1630 nöthig, voll-
Frändig neue Grundbücher über die Aeder und Weinberge, die zur Stadt-
gemeinde Ihhoßten, anzulegen. Aud der Erhöhung des Elbzolles geichah
bereits Erwähnung. Kine ganz außerordentlihe Finanzmaßregel der Stadt
bejtand darin, daß fie in Jahren der Noth, wie 1628 und 1629 das
gefammte Erträgnis des ganzen Weißbiergebräues von den Bürgern für
Se mieindezwecke einzog.
Das Gerichtsweſen gieng ſeit 1610 im Allgemeinen denſelben
Emt wicklungogang, wie in allen andern königlichen Städten Böhmens.
Scheon vor dem aber bemerfen wir ein Streben des Rathes, dem Nichter-
ſtarh Le die Kivilgerichtsbarkeit möglichjt zu entziehen und ihm mur die
Cri mminalgerichtsbarkeit zu belaſſen. In wie weit dieß gelang, fünnen
wir nicht beitimmmen, doch hatte ſchon am Eude des 16. Jahrhundertes
der Echöppenjtuhl vorzugsiweife den Charakter eines Lriminalgerichtes.
Der Schreiber deeſelben heißt ſchon geradesu „Blutſchreiber“. Uralte
Rechtsbräuche erhielten ji) dagegen immer noh im Schwunge. So
finden wir noch 1581 die Sepflogenheit des Bahrrechtes und ähnliches.
Nebſt den früheren Arten der Todesſtrafe wird neuerlich auch die des
Radflechtens erwähnt.
Auch die politiſche Berechtigung des Bürgerthums wurde in
dieſem Zeitraume noch vor der Verneuerung der Landesordnung ge—
ſchmälert, nicht zwar durch Geſetze, wol aber durch anderweitige Be:
einflußungen. Es war keineswegs cin ſonderlich zu lobender Brauch,
dem gremäß die gewöhnliche Vertretung der Stadt auf den Yandtagen
Nunmehr regelmäßig lediglid aus dem Kaiſerrichter, aljo einem er—
nannten Beamten, dem Primas und Stadtichreiber beſtand. Durch dic
Ferdinandei ſche Yandesordnung (1627) wurde zwar dem Bürgerjtande
die Berechtigung, au den Yandtagen theil zu nehmen, nicht abgeſprochen,
allein diefer wurde durch Aufnahine des geiitlihen Standes nunmehr
in feiner Stellung der vierte Ztand, feine Stimme wurde ohnmächtig
und er enthielt ſich immermehr des geradezu nutzloſen Beſuches des Yand-
— _
N Memersis.
Am 5 .
— 4710 —
Den Rapuzinern wurde zum Bau ihres Klofters cine Gruppe
von 24 meift vermwüfteten Häufern abgetreten, die zwiſchen der eheimali-
gen Jungferngaſſe und der Stadtmauer lagen, darunter auch die alte
Pfarrei von Sct. Laurenz. (Die vormaligen Befiger waren Zalazek,
Dones, Martin, Korunfl, der Pfarrer mit zwei Häufern, Math. Sou-
fenil, Georg Liska, Kranz Mifchodt, Martin Tuneta, Georg der dumme
Bräuer, Magdalena im Winkel, Georg Hanufh, Michalek, Martin Preſl,
Peter Chamcherda, Halufa, Stephan Xenophil, Georg Kroupa, Johann
Jelen, Jakob Simeiet, Ludmilla Ianfa, Zeman und Antonin.) Ein
großer Theil der abgeräumten Bauftellen wurde zur Anlage des Klofter-
garten® verwendet, fo daß eine Gaſſe der Stadt feither ganz verfchwand.
Ein Theil der an Pet. Sim. Aulik gelangten Güter wurde durch
Ferdinand 11. aus dem Verbande der Stadt gezogen und im ein
landtäfliches Gut verwandelt. Es war dieß das große Haus der „Dis
wisichen Erben” fammt den hiezu gehörigen Feldern, da8 von nun an
als freies Nitterfchloß betrachtet werden und den Namen „Rönige-
burg“ führen follte, nebft einem Ader und vier Weinbergen (des Kolda,
ZTreitler, Ramboufet und Pazdera). Außerdem hatte er noh 5 nicht
befreite Häufer in der Stadt und eine Menge Scheuern, Häuschen und
Weinberge vor der Ztadt in feinen Beſitz erhalten (3 Hänfer des Treitler,
je eines des Zrupel und Franz, den Hof des Treitler auf der Woldana
— 50 Sır. — ein Häuschen des Rubin, die Aeder des Trupel im
Aujezd — 60 Str. — zwei Stüd des cheden Henichſchen Ackers
im Aujezd — 30 Str. — u. |. w. u. f. w.) Obgleih die zulegt
genannten Güter aus der Schoßpflicht nicht ausgeichieden waren, hoffte
Aulik dennoch, daß fie es werden möchten und verlagte deu Bürgern
jede Beiftener. Da dieje ſich ohnehin in der höchften Noth befanden, jo
fiel e8 ihnen fchwer, auf jo große Contributionskräfte verzicgten zu mülfen,
und fie wandten fich endlich mit ſehr heftigen Vorſtellungen an ihn, er
möge durch Erftattung feiner bedeutenden Kontributionsrefte der armen
&emeinde aufhelfen Weber diefe Berwegenheit führte aber Aulik Klage,
und die Gemeinde erhielt zwar feine Schoßgelder, aber einen ftrengen
Verweis ) — „fie jollten doch eines Hofrichters Stelung und feine
Verdienfte bedenken und —- fein Temperament ımd nicht fo plötzlich (von
1631 bis 1649), wenn fie etiwa® zu fordern haben, gegen ihn losfahren,
oder gar die Gemeinde berufen, fondern es ihm nah und nad bei-
») rag 31. Anguſt 1649.
worauf Johann Stribrsfy, vor dem Pfarrer zu Chrudim, bis an
feinen (am 24. Juni 1568 erfolgten) Tod das Amt befleidete. An
feine Stelle trat fodanı der fchon genannte Johann von Brod (Bropih)),
der bis dahin Pfarrer zu St. Heinrid in Prag gewefen war. Ilm
Feine Beftätigung wandte ji der Magiſtrat noch an das utraquiſtiſche
Sonfiftorium zu Prag: wir wijjen aber bereits, daß er nachmale ent-
Pehieden zum evangelifchen Vehrbegriffe übertrat und feine Gemeinde
zzıit hinüberführte. Zroß dem Ginfchreiten des Conſiſtoriums behielt ihm
Die DBürgerfchaft bis zu feinem 1586 (Bittdienjtag) erfolgten Tode in
Feistem Amte und ertlärte ſich in ihren Verwendungsjchriften bereits offen
als dem lutherifch-evangelifchen Glauben anhängend. Während Brod-
Ten eit in PYeitmeriß ein Weib nahm und damit feinen Ueber—
tritt dolumentierte, fam fein Nachfolger, Nikolaus von Chrudim
CE Hprudinjty) bereits als verheiratheter Paftor in Begleitung erwachſener
zZ Bchter nad Leitmeritz, woſelbſt er durch 9 Jahre in Vuthers Sinne
predigte Er ftarb Samftag nah Oculi 1405. Nach ihm berief der Ma⸗
Biftrat den damaligen Dlaſchkowitzer Pfarrer Johanun Gelaſins
(SS mise) gebürtig aus Trebnik, deffen zanfjüchtige Frau Dorothea
Die erſte unter der Heinen Zahl der hiefigen Paftorsfranen war, die zu
Aergeriß und Unzufriedenheit Anlaß gab. Mit den Kaplänen, denen
te Die Koft kündigte, gerieth fie in einen derartigen Streit, daß ſich der
Diagiftrat ind Meittel legen mußte und jie endlich von der Pfarrei wies.
ALS auch dadurch noch fein Frieden gefchaffen war, ſah fich der Rath
erndlich genöthigt, dem Paftor felbft fein Amt zu kimdigen. Cr überfchte
indeß den Gram nicht lange, fondern ftarb bereits am 7. Feber 1598,
Worauf Wenzel Rofatins von Bınzlan als PVicedechant bis zum
18, Aprif 1599 das Amt verfah, an welchen Tage als neuer Dechant
Nikofaus Othmar von Yaun (Yonufiy), vormale zu 2. Aegid in
Tag, eingeführt wurde. Diejer Scheint bereits ein geheimes Organ der
Wiedererwachenden Reaction geweſen zu fein, wie es jein Nachfolger
offentundig war. Wir hören, daß er im feinen Predigten der Gemeinde
durchaus nicht zu Danfe fprad, ja diefe endlich gradezu feine Kirche
mied und nach St. Adalbert in die Zaſada ſich wandte, wofelbft
ber Blarrer Johann Compater von Piſek das Abendinahl in pro-
teſtantiſcher Weife jpendete. Der Magiſtrat mußte ihm ſogar eine fürn
liche Müge ertheilen, ats er ſich in den Kopf fette, niemand zu kommuni
streng, der mit einem Barte zur Kirche käme, vielmehr drohte, einen ſolchen
ehem ändig zu fcheren. Er jtarb ſchon 1603, die Seindiägalt aber, Tr
— 46 —
weniger beträchtliche Legate — die Noth lehrte beten. — Durd die Ger -
wüſtungen des 30jährigen Krieges litt aber auch das tirchenvermögen bee —
deutenden Schaden. Schon 1619 wurden nicht bloß die baaren Geier
der Kirchen und Bruderfchaften zu Gemeindezweden in Anjpruc genommec— _
fondern auch die Schagfammer der Alferheiligenfirhe erlitt einen ſeih—
wol faum wieder ganz erjetten Verluſt. Zwei Monftranzen im Gewids ze
von 20%, Bf. und 12 Kelche mit 15 Zellern zuſammen 47 Pf. 2700 H
wiegend wurden um 1200 Sch. verfauft. Noch mehr aber wurde & ie
Kirche durch die Entvölferung der Stadt gefchädigt, indem dadurch viee le
Zinspflichtige ganz verſchwanden, viele Verpflichtungen aber in Vergeſſe z1-
heit geriethen, jo daß 1647 ganz neue Regifter derjenigen entworfen
werden mußten, die zur Stadtlire zu zinfen hätten, wodurd endlä ch
wieder Ordnung in die Sade fam. Wie fchon früher die Kirde zu S.
Georg, fo hatte jeit der Gegenreformatinon auch die von S. Adalbe ri
feinen eigenen Pfarrer mehr, fondern der Dechant von Allerheiligen verw m!’
tete am Schluße des Zeitraumes auch die beiden genannten, wie die Kirc#
des 5. Martin in Mlikojed. Als VBorjteher der Hauptkirche bezog MT
num jährlich wie vor dem, jedoch direkt 269 Sch. 35 gr. ale Geldzehe 1!
und Zinfen, 75 Strich Korn al8 Getreidezehent (wegen Verwüſtung Zt!
Gründe um 10 Str. weniger als vormals) und hatte außerdem für fer M
Perſon die Wiefe einer Infel, 2 Strich Weingärten und 4 Strid ge» e
zur Benützung. Aus den Kirchſpiele S. Laurenz bezog er Sch. 8 yw-
und aus dem von S. Georg 6 Sc. 34 gr., von S. Martin a"!
damals nichts. Anßerdem hatten die Stirchen noch folgendes VBermögeruse"
die Alterheitigenfirche an Stapitalien 1331 Sc. nebjt 22 Sch. der böhn- Ei
ſchen Brüderfchaft, 7 Strich Weinberg und 72 Strih Fed, S. Lauren E W
an Kapitat 119 Sch. 5', Strihb Weinberg und 5 Strich Feld, =.
Georg 296 Eh. Seid, 5 Strich Weinberg, S. Martin 40 Strich Tel 0
Die Einkünfte von S. Adalbert (32 gr. Geld und 30 Strich Korr # u
bezog inzwiſchen ein Kanonicus von S. Stephan. Die Kirde befae aß
448 Sch. Kapital, 6 Strich Weinberg und 12 Smid Feld. _
Ebenſo giengen an dem Aeußeren unſeres Gotteshauſes, wie im an
Innern dedfelben in dieſem Jeitraume große Veränderungen vor fi) ———
teider wenige zum beſſern. Zwar wurde mancher Werk mit großem Auf *
wande vollbracht, allein die meiſten entſtellten durch ihre äußere Forn— zw
den uriprünglid edlen Bau, bis wir ihn am Ende unjerer Periode ja N
u \
— 413 —
ber Brüderfchaft des Tateiniihen Gefanges, den Trancisfanern, der
Scufterzunft und der Gemeinde (Kaiferowsty), die übrigen Privaten
(darımter einer dem Maler Skreta). Aud von diefen waren viele
ganz eingegangen, wie überhaupt von den noch anzuführenden, wenn
and) die Verwüſtung nirgends fo groß war, wie um Sct. Nikolaus
herum, — Unter der Bidnice waren 32 Weinberge von der Gemeinde
nach der Weife der Zehentweinberge ausgejegt, deren Inhaber von jedem
erbauten Faſſe 42 fr. zu zahlen hatten. Zwifchen diefen und den Niklas-
weinbergen lagen fernere 36 in der Flur Strebinfy. “Der größte
Theil derjelben war bereit8 in Felder verwandelt, zehn Stüde Tagen
ganz brad. Ein Feld dafelbit gehörte den Dominikanern, zwei
(der weiland Formanek und Bitichmann) hatte der Domderhant an fid
gebracht. Der Reit der Flur Aujezd und „der Woldan“ waren mit
Getreide bebaut — im Ganzen 45 Felder. Hievon gehörten einige
Städe, wie der „Pruhon“ der Gemeinde, 4 den Francisfanern (am
Wege von Pokratitz nah Mitowig) und eines zu Sct. Adalbert, die
übrigen Brivaten. Der Brüdenberg (mostskä hora) war wieder
ganz mit Weinbergen bededt, in die fih 27 Beſitzer theilten, unter
denen ſich auch die Allerheiligenfirhe mit 2 und die Dominifaner mit
einem Antheile befanden. Auch unter dem Brückenberge befanden ſich
noch 10 Weinberge und hinter demfelben breiteten fid) abermals von der
Stadt ausgeſetzte Zehentweinberge aus, deren Befiker vom Faße nur
36 Er. zu zahlen hatten. An Zahl waren ihrer 12, einer davon ge:
börte der Dechanteilirche. Von den 13 Weinbergen über dem Fuhrwege
hinter dem Brüdenberge waren 1649 alle bis auf 2 verödet. Die
Gegend von der Zaſada gegen Polratig und zum Kamenatfen
und von da unterhalb dem ſchüttenitzer Wege hin bis zur Flur
Ruzomwla enthielt theils Weinberge (7), theils Felder (22) und Brad)-
pläge (3). In der Gegend von der Ruzowka zur Bozka bildeten
auch vordem Weinberge nurmchr Ausnahmen (2), hier war die eigentliche
Flur für Getreideban und Gärten (29). Dort hatten auch der Stadt:
dechant und die Fleiſcherzunft je ein Feld. Auch zwilchen dem ploſch—
fowiger und trnowaner Wege lagen bloß Getreidefelder (9), des-
gleihen von da bis zur „Bistupfa“ (18). Ebenſo waren aud dic 32
Srundftücde, die jenfeits der Elbe zum Stadtſchoße uchörten, zumeift
zum Aderbau verwendet. Die Weinberge in der Pirnai gehörten nicht
zum Stadtfchoße, fondern unter ein eigenes „Bergrecht“, ebenfo die
der gebliger Güter. Bor dem dreißigjährigen Kriege war ſomit der
— 460 —
einen Hof bei Melnik, um fie dem Gerede der Bürgerfchaft zu ent
ziehen. “Der gute Quardian, P. Bartholomäus Kauderer, wußte zwar
um alles, jcheint aber an den pfiffigen Bruder gebunden gewefen ;u fein.
Einem Bürger, der ihn einft nm das Befinden des Sancius gefragt,
antwortete er verdrieglih: „Was wird er machen? — Kräuter kocht er
für feine H—“.
In gleihem Zuftande muß fi vor der Revolution das Aloſter
der Dominilaner befunden haben. Wohl fehlte e8 auch am Anfange
diejer Periode nicht ganz an Wohlthätern, wie 1557 der katholiſche Bürger
Jakob Zeleny fein Erbe demſelben ſchenkte; allein die Stadt beftätigte
derfei Schenkungen nicht mehr wie vordem mit Vergnügen, fondern wider⸗
ſetzte Sich ihnen vielmehr wegen des Entganges des Schoffes. Im Webrigen
aber: ftand die Gemeinde trog der Coufeſſionsverſchiedenheit mit dem
Sonvente auf guten Fuße, wie es fogar vorkam, daß fie ſich bittlich
um Belaffung diefes oder jenes Prior an die Ordensporftände wandtt,
wenn er es verftanden hatte, die Weligionsüberzeugung der Bürger zu
Ichonen. ) Zur Auffiht über das Klofter, angeblih um Feuersgefahren
zu verhüten, ernannte der Kath ebenfalls eine Commiſſion von fogenannten
Kirchenvätern aus der Mitte der Bürger. — Almofen nnd Spenden
floßen aber immer fpärlicher und das fchöne ftattliche Kloſter fah ebenſallb
feinem Berfalle entgegen. Im Jahre 1583 ftürzte das Dad und die
Hälfte des Gewölbes über der Kirche ein, die Ereigniſſe der folgendea
Jahre verwandelten fie in eine Ruine. Erſt Ferdinand IL gril
dem. finfenden Kiofter wieder unter die Arıne. Hatte die Thätigkeit der
Mönde im 15. Jahrhunderte faft ganz aufgehört, jo follte fie fich im
16. um fo wirkſamer ermeifen und deshalb befonders für Nachwuchs
von tüchtichen Geiftlichen geforgt werden. Zu diefem Zwecke follte ein
eigenes Noviziat beim Kloſter gejtiftet werben, zu deſſen Gründung
Ferdinand]. dem Gonvente am 25. September 1630 das nahe ge
legene Gut Großanjezd, das er dem früheren Befiger Adam Koſto
mlatffy von Wreſowitz zuerſt in ein Yehen verwandelt, dann abe!
ganz entzogen hatte. Am 8. November 1657 erhielten die Dominilartt!
auch noch die Entlafjung dieſes Gutes ans dem Yehensverbande. ?) Die
Reſtauration des Kloſters nahm der nene Prior und kaiſ. Rath Pe #
) So baten die Bürger 1560 den Provinzial um Welaffuug des Priore Batıre !
Offmann, da er gut uud friedlich fei und der Nachfolger den Leuten vier ®
minder treffen würde, „wenn er etwa nicht cehifh oder nicht beutih Kinn
NG, Uurrsperg, Gerichtehöfe LI., 193.
— 45 —
305. 1603, 1610, Adam 1619, 1635); Fifcher (Georg 1627); Felber
(1627). -Gelazye (1630); Selen (Tod. 1637 zurüdgefehrt) Jelinek von
jeleni hora (Wenzel + 1568, Wenz. 1599, 1610); Gistra (Adam 1570,
1635) ; Gredel (Wolf, Joh. 1571, Simon 1566). — Hanufh (Iohann
1615, 1625); Haufchla von Adlersberg (Mathias, Binder, f. Sohn,
Martin, deſſen S. Joh. 1566, 1603, deifen S. Georg 1570 + 1603,
deſſen S. Joh. geb. 1584, 1625; Dionys 1568 F 1582); Heliades
(aus Kaurim, Joh. erhielt das Bürgerrecht 1628, 1655); Helwik von
Weljow (Thomas, f. S. Joh. F 1582; Georg + 1576, Paul 1592
t 1597, fein S. Adam geb. 1596 und Pauf geb. 1597, Joh. T 1585,
Wenz. T 1596; Joh. 1617, |. Bruder Wenz. 1617, 1631); Heniochus
oder Kameik (fiehe unten) ; Herold von Stoda (Georg Wil. 1630 T 1646) ;
Hilarius (NiEI. 1630, 1635); Hlawa (Adam 1609); Hohenburg (1603);
Horefy (Wenzel 1608); Holub (Martin 1615, 1618); Hostecky
(Wenzel 1606, 1625); Hrda (Taf. 1617, Kilian F 1611); Hradistify
(30. 1604, 1628). — Kandorsky von Kandorsfa Hora (Wenzel
1560, Adam 7 1572, Adam 1556 F 1611, Joh. 1574 5 1610, feine
S. Georg geb. 1574 und Adam geb. 1579); Klatowsky (Wenz. 1622,
gurüdgelehrt 1642); Kneiſel (aus Prag, Johann Bace. 1586 T 1633);
Kolda (Adaın der ältere 1572, 1614, Söhne: Adam geb. 1582, oh.
geb. 1586; Tobias T 1648); Koch (1625); Kolinsf) (Simon —
1603, 1606); Kober von Koberjtein (1630); Kochan von Prachow (aus
Strafonig, M. Thomas 1584 T 1614, Bruder des 1621 hingerichteten
Valentin); Kornyfel (1622); Krejti (Auguft 1549, Joh. 1619); Kralik
(1571); Kral (1635) ; Rralomic (1625); Kuchler (1613); Kundrat (1605);
KAytan 11630). — Yahowefi) (1620); Laufleck (1622); Yauneh) (Gallus
1604, 1612); Paurin (1606); Yeiny (Paul 1630 7 1643); von Lerchenfeld
Johann Jarosl. 1630): Yacinius (M. Andreas 1570 F 1591, ſ.
S. Sigm. geb. 1576); vukas (Mathias 1607, 1630, Jo h. 1606, 1635).
— Mantin (30h. 1604, 1620); Melaus (1611), Misinsy (Mathias
1600, 1613); Miller (1617): Mifchodt von Ried (Franz 1626 F 1635);
Mitys (Joh. 1615 T 1620); Moftnif von Nystig (Joh. 1614, 1626);
Mraz von Budin (Niklas 1618); Mraz von Mileſchowka (fiche unten).
— Nofydlo von Geblitz (Georg F 1572, Mathias T 1577, Adam F 1607,
deffen Söhne Martin geb. 1578, Adam geb. 1581; Johann F 1603);
Noſihlawſky (NiEL. 1615); Nimbursty (Beit 1603, 1619). — Pazdtraf
(Mathias 1610, 1617); Penizet (1571); Pernicet (Mathäus 1600,
1610) ; Petinla (1604); Betrarfa (1610); Pecolt (Adam } 1620); Perg:
— 46 —
mann (1622); Pitihan von Bellfort (Joh. Karl 1630, 1636, Eras
mus 1635); Pitſchmann (Balzer 1577, 1616); Plato (1627); Polaf
(1622); Bolenfa (Johann 1570); Prazak von Stomir geadelt 1561;
Joh. F 1580, Mathias 1578, |. S. Thom. geb. 1575). — Rako—
wnicty (Yinhart 1630); Rambaufef (Simon 1570, def. S. Mathäus
geb. 1577; Wenzel1619 T 1625); Reihel (1631); Rubelula (1622).
Rubin von Springsberg (Wenzel 1560); Ruka (1611); Rulck (1606);
— Santrusek (Georg 1630, 1635); Schultes Stephan 1626);
Fermer (Paul 1578, Jo h. 1625, 1636, Bictor 1635); Seiffert (Konrad
1607) ; Sedleckh (Georg 1603, 1616); Simeief oder Sisfa von Ceinov
(Georg 1572 7 1603, Mathias 1570 5 1620, f.S. Georg geb. 1579,
1630; Bartholomäns 1635; Andreas 1609, 1630, Yudwig 1620,
oh. 1621); Schindler (1622); Sfornidy (1610); Stolaty (Joh. 1570);
Sladek (1522) ; Sfotir (1622), Schmid (Wenzel 1613, 1620), Schneider
(1609); Soyfa (Joh. 1625); Sobotedy (Joh. Burian 1618, 1630);
Spiehy (1599); Stirskolſth (aus Wolin M. Elias 1584 F 1611);
Stendorf (1627); Stelzer (1627); Strobelius von Sternfeld (feit 1630);
Stipef (1638): Stransfy (fiehe unten); Ztudihrah (Thomas 1570,
Joh. 1630); Schwengfeld (1627); Suman (Roh. (1626); Swaiina
(1570); Sylwansty (Joh. Georg 1630). — Tetauer (M. Joh. 7 1621);
Tichy (Veit 1570); Trawiich) von Travcic (1579); Trnowaneky von jeleni
hora (30h. 1570 7 1590); Zruppel (Wenzel 1570. 1613, Wenzt.
Sigm. geb. 1583); Topinsty (1611); Zoman (1635); Turinskij (Dawid
1619, 1626). --- Bogl (1610). — Welik von Schönau (Iſaias 1612,
1639); Mefelsty (1617); Wilfer (Joh. 1630); Wider Auguftin
+ 1582); Wicen (Wen ;. 1570 7 1577, oh. 1578, 1610); Woboroki
(305. 1603, 1620); Weit (Georg 1630); Wokoun (Gregor
1628); Wrasjnit (Adam 1817); Misata 11603). - Xenophil (Stephan
1603, 1609). » Zaubek (Yaurenz 1570, Mathias 1612, 1628);
Zateckh oder Polensh) (Wenget 1599, Paul 1619, 1625, ſ. 5S. Mathias
1635); Zät (Georg, j. S. Prokop 1568, Joſ. 1570, Joh. 1624,
1636) ; Zdichna von jeleni hora (Georg 15447 1572, Mathias T 1580);
Zdarski (1572 aufgenommen, Simon 7 16013, Wenz. geb. 1573, Jakob
geb. 1575); Zebeda (1610); Ziegel (16301; Zluticky (2Georg 1570
T 1609); 3latohlawek (Wenzel T 1568, Zigm. geb. 1553 T 1610,
Joh.); Zwerina (1635); Zygele (1606).
Zur Vergleichung wollen wir auch die Hauebeſitzer vor und nad
dem 30jährigen Kriege in der Reihe aufführen, wie fie von Biertel zu
— 463 —
ie der böhmifchen Brüdergemeinde angehörten, und die ganze Anjtalt
ehielt bald den Charakter ciner ausſchließlich protejtantifchen. Trotz der
mabhängigen und nad) dem Maßftabe der Zeit fehr anftändigen Stellung,
ie dem Rector jo geichaffen war, wurde diejelbe dennoch dur.i gehende
als Feine definitive aufgefaßt. Faſt durchgängig (wir kennen nur Eine
Ausnahme) befettten Yremdlinge die Lehrkanzel, alle Gegenden Böhmens
finden wir in ihnen vertreten. Der Mehrzahl nad) waren es Männer,
die fih in ihrer Zeit Achtung, ja wohl aud den Ruhm ganz befonderer
Gelehrſamkeit zu verfchaffen wußten. Die Mehrzahl lieferte die Uni—
verfität Brag; ohne Lniverfitätsjtudien und einen alademifchen Grad
wurde überhaupt niemand angejtellt. Wem es halbwegs glücdte, der
blieb indeß nicht lang bei der Schule. Der Yebensgaug diefer Männer
it von ftaunensiwerther Gleichförmigkeit, fait durchgehends derjelbe. Das
afte, was der neue Rector oder Magijter that, war, daß er jih um
eine reiche Witwe beivarb — auf Jugend wurde weniger gefehen, — um
durch fie erft eingeführt und aufgenommen zu werden in den Schoß der
Gemeinde unter Bettern und Gevattern — denn im bejiglofen Schul—
meilter ſah die privilegienftolze WBürgerfchaft immer nur den Diener, im
Fremdliug den Dergelaufenen. Hatte ſich ihm aber fo der Schoß einer
damilie aufgethan, fo konnte es ihm nicht mehr fehlen. In der Pegel
Krebte er dann zunächſt die Katheder mit dem Pulte des Stadtfchreibers
A vertaujchen, denn jo wie deifen Geſchäft einträglidher war, in dem-
ſelben Maße galt es auch für chrenvoller, als das des Schulmeiftere-
Da er nun mit feiner Gemalin aud Haus und Hof erworben hatte —
denn das beherricdhte die Wahl, — fo war ihm bei feinen überlegenen
Lenntniſſen aud der Eintritt in das Schöffenamt oder das Rathe-
collegium nicht länger mehr verfchlojfen, ja er Konnte wohl gar noch
frimator werden. Nicht jedem gelang es indeß, dieſen ganzen Weg der
Ehren zurückzulegen, faft jeder aber verfuchte ſich daran; daß jich der
Rmangelommene zunächſt durch eine Heirat verjorge, jchien ganz ſelbſt—
vrftändlih. Da aber im allgemeinen zur Orientierung die Friſt eince
dahres nöthig fchien, fo pflegte aud für diefe Zeit der Magiſtrat den
Renling noch zu verköjtigen, indem er ihm beim Dechant den Tiſch
beftellte.
Außer dem alten Adam find unter den alten Rectoren am be-
bentenditen: D. Sigmund Henich Michalowic (1577 HE. M. An-
dreas Lucinius (erft Rector, dann Stadtichreiber, dann Primas T 1591),
Di. Geeig Bohdanedy oder Tichiftes (1596), M. Hierennmus
— 418 —
Bicmann, Waifen Kandorsty, Andreas Simeiel, Doroth. Simecet, Fabian
Beier, Wenz. Friſek, Hilarius.
III. Viertel: (bei S. Jakob) Joh. Hauska, Hauptmanı 1. Ma-
thäus uber, Wenzl. Adamowic, Waiſen Kiliau, Suf. Jiskra, - Beter
Steinbreder, Marianne Kotlat, Georg Kotlar, Wnz. Rated, Friedrich
Weiß; 2. Laurenz Berinfa, Kath. Botocel, Peter Deyemann, Walb. Burg-
graf, Joſ. Pichel, Alena Ziegel (altes Bad), Mathias Zoubel, oh. Ir-
man, Kafp. Koh; 3. Thom. Kral, Urſ. Bumbales, Jak. Droger, Joſ.
Hanuſch, Mar: Kral, Anna Perinka, Joh. Hanuſch, Hilarius, Mar. Blato,
Wenzel Jelinek; 4. Adam Friſek, Martha Spiwacel, Wuzl. Zebeda, Joh.
Sermer (2.9.), Barbara Küchler, Doroth. Simeiet, Math. Siska, Ma:
vie Nemec, Balz. Stauplach, 5. Ioh. Malinowsty, Mathias Deyimanıı,
Adam Pecolt, Ad. Bily, Georg Sindler, Waiſen Baumgartner, Eliſ.
Rambauſek, Daniel, Hoſlar, Marg. Skornicek; 6. Joſ Kominek, Wzl.
Slepicka, Joſ. Wobrsfy, Alena Ziegel, Jak. Zateckh, M. Georg Tichiſtes,
Georg Zatedh, Adam Mracek (2 Hſ.), Anna Moliſchek, Verona Kan-
dorsiy. —
IV. Viertel (lange Gaffe etc.) Theob. Kolda, Hauptmann 1. Joſ.
Jelen, Anna Treitler (2 Hf.), Joſ. Prokes, Ya. Simeẽek, Simon Frie,
Joh. Kneiſel, Wzl. Horskh, Joh. Jelen, ein Haus der Gemeinde; 2.
Martin Preſel, Maria Chamchrda, Georg Hanuſch, Georg Knizatko, Joh.
Klima, Joh. Jelen, Peter Deyemann, Georg Liste, Veit Soyka, Georg.
Rozwoda; 3. Adam Kolda, Martin Tunet, Laurenz Hloupej slädek, Ma-
thäus Hajek, Anna Patizek, Georg Hanuſch, Joſ, Soyla, Maria Beranek,
Wil. Zateckh; 4. Barth. Woſelskh, Wnuzl. Arkadius, Kath. Papacek, Joh.
Hradistſth, Anna Dousa, Joh. Mantin, Georg Holub, of. Wrajzek,
Adam Zät, Andr. Kos, Wil. Arkadius, 5. Wzl. Klatovsky. Jak. Hoset,
Wzl. Henich v. Kameik. Joh. Mitis, Waiſe Hrubes, Wit. Smidt, Nil.
Mraz von Budin, Daniel Rubekula, Chriſtoph Regenbach. Maria Soika
6. Barth. Smutny, Veit Soika, Wzl. Rambouſek, Joh. Mitis, Joh.
Bohr, Joh. Wicen, Math. Zoubek, Adam Launsky, Alena Ziegel (2. H.).
— Dagegen geftafteten fich die Befigverhältniffe in der Stadt 30 Jahre
Ipäter folgender Maßen: ') Nach den ſchon öfter erwähnten Häufern der
a) Biele der genannten Bürger, auf deren Ramen die Häufer geſchrieben erfcheinen,
waren jedoch nicht daheim, viele famen überhaupt nicht mehr in den wirklichen
Befig. Die zerflörten Hänfer bezeichnen wir mit (*), die am geiſtliche Geſell⸗
fhaften gelommenen mit (}). Diejenigen, die wenigflens nod den Namen der
Familie von 1618 führen, ohne baß fie grade demſelben Gliede derfelben ge:
— 467 —
fro rnte des Rathhaufes war nad) vielem Streiten ein neuer Pranger gebaı
weorbe. Sen Maurer und fein Steinmetz wollte fi) herbeilaffen, feine
Vecaarıen durd) ein derartiges Monument berühmt zu machen, jo daß endlid,
der meife Rath allen Maurern und Steinmegen der Ztadtzunft befahl,
ſich gemeinſchaftlich und gleichmäßig am Werke zu betheiligen, damit dann
nicht einer des andern ſpotten könne. Gezwungen verfammelten fi nun
zwar bie genannten Werkleute, allein nun weigerte fi) wieder jeder be-
barrlid, al8 der erjte Hand anzulegen, fondern fie verlangten, daß der
DBiirgermeifter felbft den erjten Stein lege, damit feine Auctorität fie vor
dem Zpotte ſchütze. Zu diefer aber fchien wieder der Bürgermeiſter ſelbſt
zu wenig Vertrauen zu haben und die Rathlofigfeit wurde noch größer,
bis endlich im NKaiferrichter der deus ex machina erfchien, der den
eriten Stein legend das Werk inaugnrierte. ) — Im Jahre 1580 wurde
das zweite innere Brücenthor aufgeführt, da® die gegenüber liegenden
Häufer des Georg Mraz und des Schmiede Zelezni verband. —
Die meiften Baukoſten verurfachte auch in diefer Zeit wieder die Er-
haltung der Brücke, deren einzelne Unglückfälle wir nicht aufzählen wollen.
Der bedeutendite Zubau gefhah im Tchre 1574 durch die Anlegung
einiger neuen Zteinpfeiler, welde dann die hölzerne Brüde mit den
übrigen verband. Erwähnt zu merden verdient das große Opfer, das
der Bürger Daniel Weleminsty der Stadt bradte, indem er der:
jelben zur Erhaltung der Brüde eine Schuldpoft von 3000 Sch. fchenfte
(1594). — Auch an Mühlen und Wehren litt die Gemeinde oft Schaden.
1580 verbrannte die Zägemühle auf der Brumneninfel und 1577 hatte
das Hochwaſſer das Wehr, das „Kleinod der Stadt” zerriſſen, jo daß die
Mühlen wochenlang ftill itanden. In diefen und gleichen Fällen war
der Bürger, Inwohner und Vorjtädter nach altem Brauche verpflichtet,
je felbft einen Tag lang Handdienfte zu leisten, oder auf dieſelbe Zeit
einen Taglöhner zu ftellen. -- Auch auf Hoden und Uhren hatte die
Gemeinde manches verwendet. Das Rothhaus erhielt eine Thurmuhr
im Jahre 1554, an deren Stell: fhon 1508 durd einen leitomiſchler
Uhrmacher eine neue nejegt wurde; auch die des Kirchthurme war 1545
Wermacht worden --- im Großen aber blieb alles jo ziemlich beim Alten.
Ind wie ſich auch ſchon die Dinge änderten, behielt man doch noch lange
* Namen. So hieß noch immer ein Theil der Neuftadt Hradisti
avzamku (im Schlofie), fo waren immer noch die Namen Juden
Ya. 0.
0*
— 4m — | \
um fih — mindeftens in alter Weife — nie wieder zu erholen. Eu
wollen daher an dieſem Wendepunfte angelangt no einmal die Za hl
und Yage der Weinberge im einzelnen durchmuſtern, die nod vor de «tr
Kataftrophe beftanden und zum ſtädtiſchen Schoßgrunde gehörten. We ir
beginnen unfere Wanderung vom Elbeufer weftlih von der Stadt, Ze er
fogenannten niederen Polabe ans. Dort erftredten fih bis an db wen
Fuß der Radebente hin in ununterbrochener Reihe 84 größere uw
fleinere Weinberge. Zwei davon (von der Stadt aus gezählt der u 3.
und 25.) gehörten der cechiichen Gefangsbrüderfchaft, einer (der 4.)
den Jeſuiten, einer (50.) den Franciskanern, einer (68.) den Stait>t-
dechant, umd einer (74.) der Fleiſcherzeche. Die Gemeinde felbft beſ Aß
daſelbſt 1 Weinberge (51. aus 3 Theilen — Kujella, Tijida und SCa :
movsfa beftchend — 58. --- Aronla, 70. — Brinstowa — und 75.
Melelni und Vozi); die übrigen gehörten einzelnen Bürgern. Ginzelizte
wenige berfelben waren zu einer beftimmten Jahreszahlung verpflidtet.
(So mußte Adam Zak - 20. — 6 Sc. für die Schule, und Beit
vech 67. ebenſoviel auf Tuch für die Armen zahlen; wahrſche ĩ n
lich hatten dieſe Weinberge einſt der Schule und dem Spitale gehört);
drei (5. 6. 7.) zahlten je 42 Er. vom Faſſe, die übrigen bloß den c& m:
fachen Schoß. Tiefe Flucht hatte im Ganzen noch am menigftn Se⸗
litten, obgleich wir auch hier bereits 1649 mehrere Weinberge (18., 2 6
30., 31., 40. 80.) theils nur als Brache, theil® als Aderland wied EU
finden. Wer ſchlinmmer war es den übrigen Weinbergen ergangen, wa BA’
ſcheinlich deshalb. weil die im ihrer Nähe befindlichen Wohnungen TI"
Soldaten als Quärtiere gedient hatten. Von den legten der genann AN
Weinberge aelangen wir nordwärto weiter wandernd zu den oft genau
ten Schenmveinberaen am eltlicben Fuße der Radebeule oberhalb m“
nunmehr verſchwundenen Anſiedlung um Zit Niklas Deren ware"
dor dem Kriege IS m dinhendem Sultande geweſen: bievon wurden 5 un
Aabte 1649 erit wieder 12 bebaut. Me ubrigen lagen ned verwuſ W N
und verwildert. Sie baten mit Auonahme eines cinzigen, den I# d
Mauern BAR. aue einzereen Worgern gebert. Neon da aus jenſei: 3 ai
ke Wened gegen Ne Radedente zu lagen perktald noch 7 ander ai
von denen genanueten AST PT N wien dergeitellt waren. Lich > u
BD nTımMUAUNEIBDEO NUN \ den Nm 16 Weinbergen nus z"
DIT OR SU velche zu SENSE Irzntederen SED mittieren Nut} 7 £
tits Me Wan der Weirderae TE Devon aederte ver malen je cine ⸗En
den Jeduzten. den Ninden Zur. dautenz. S. Wen and S. Naalberss =!
— 481 —
bier ſeltſamer Weife unter die Sattler eingereiht. — Die Zünfte der
Bäder, Fleifher, Bräuer, Schneider, Krämer, Schmiede, Binder und
Scuiter, hatten je vier jährlich neu gewählte Vorftände, die fogenannten
Bier» oder Zechmeifter (tyimistfi oder Cechmistri); die Tuchmacher,
Kürfchner und Lohgärber ‚ec drei, alle übrigen je zwei. Seit aud daß
Zunftwejen der befondern Oberaufficht der Regierung untergeordnet und
die Berbindung mit Magdeburg gelöft war (1547), wurden alle
Streitfragen, die vordem vor letzteres Forum gebracht zu werden pflegten,
von der Regierung felbjt gejchlichtet, wie fie beilpielsweife 1567 bie jtreitig
gewordenen Gränzen zwiſchen den Befugniffen der Kürſchner- und Echneider-
zunft ficher ftelfte.
Die neuen Zehordnungen, die ſich die einzelnen Zünfte nad) Außer-
kraftſetzung der alten im Yaufe der Zeit entweder felbft feftjtellten und von:
Stabtrathe beftätigen ließen, oder von anderen Städten entlehnten, ent-
baten außer den beionderen Beitimmungen für jedes einzelne Gewerbe
im Sanzen auch viel Semeinfames. Sie ermahnen in der Regel Ein-
gangs zur Gottesfurcht, FFriedfertigkeit, grömmigfeit, zum Beſuche der
Mefle und Predigt, geben dann die Beſtimmungen über das Verhältnis
der Vehrlinge, Jünger und Gefellen zu den Meiftern und fehließen mit
einer Art Comment für die gefelligen Zuſammenkünfte der Zunftgenoffen.
Sp bejtimmt beijpielsweile die neue Zechordung, die ſich die Meeifter,
Gefechten und Jünger (Junggeſellen) der Schloffer, Büchfenmader, Sporner,
Uhr- und Windenmacher zu Leitmerig am 15. Jäner 1614 felbft (und
merkwürdiger Meije im deutſcher Sprache) gaben, daß ſich die Geſellen
alfe vier Wochen zur Zeche und Auflage einfinden follten. Cin eigener
„Irtenjünger“ übernimmt die Pflicht, ſich für die zugewanderten Geſellen,
die ſich alſogleich nad ihrer Ankunft bei ihm zu melden haben, um
Arbeit zu erkundigen. Verſchafft er dent Geſellen einen Pla, jo erhält
er von ihm 6 fr. zum Vertrinfen und gibt diefem zu gleichem Zwecke
3 kr., falls ihm erjterea nicht gelang. Wer aber erjt Zanıftag nach der
Beiper zugewandert oder ohne „Gebindel und Wehr” anfümmt, dem folle
man als einem liederlichen Geſellen feine Arbeit verfchaffen, eben fo
wenig wie den, der nad jeiner Ankunft nicht den erjten Weg zur Her-
berge nimmt, fondern in der Stadt herumfpaziert, Pflafter tritt und
die Werkfjtätten durdhinuftert. Der Geſelle mußte Morgens 4 Uhr auf-
ftehen, Feierabend war um 7 Uhr. Dafür erhielt er wochentlich 36 fr.
Lohn und ein Neujahrsgeſchenk; der vohn des Jüngers betrug die Hälfte.
Ein „Ihmwarzes Buch“ enthielt die Namen der Geſellen, die ihren Pflichten
81
— 414 —
:harafter unferer Stadtumgebung entfchieden der eines Weinlandes -
‚er eigentliche Stadtfhoßgrund enthielt unter 505 Feldloſen überhaup —
350 Weinberge. Die Mehrzahl gewährte am Schluffe des Zeitraum
den Anblid der Verwüftung; viele wurden gar nicht mehr hergeitelll—
Die Waldungen der Stadt lagen faft ſämmtlich in größerer Ent
fernung im Gebirge. Ale ihren Mittelpunkt kann man beiläufig dem
Berg Warhofcht anfehen. Von den Benennungen der einzelnen dürfte —
fi wol nne nocd wenige im Volksmunde erhalten haben. Der Wal
unter dem Warhoſcht hieß „w lautkach“, bis an die Elbe reihwmr
der Wolfsberg („wii hora“), bis Tſcherſching die „Baba hora” +
Andere Theile bieken: „Rytina“, „Matura“, „Matoristi”, „tmawe haje —,
„Htibek“, „nad Kundracem“, „Bayeka“, „certomwe dremwice”, „na wranim —“,
„na dihadlech“, „Hradiote“ (Radiſchken) „na Mochne“ (Mache) u. |. wm.
Im 16. Sahrhunderte gränzten dieſe Wälder noch in ihrer größten Au S⸗
behnung an die der damals noch jekr begüterten Rameife vn P o-
kratitz. Neu entitanden war im 17. „Jahrhunderte eine Inſel Dei
Piotian die die Gemeinde 1638 in Beſitz genommen hatte.
Es wäre nicht unmöglich für iene Zeit ein nahezu vollitändige®
Bürgerverzeichniß aufzuftellen, wie and dic Beſitzverhältniſſe im Einzeln en
nachzuweiſen, doch würde gewiß die Weitichichtigfeit der Arbeit mit Der
Wichtigkeit der Sache in einem verkehrten Nerhättniffe ſtehen. Wr Be
gnügen uno daber nachſtehend nur die bedrutiameren Vürgerfamlien jer®'
Zeitraums anzuiühren. N Dieſe find Folgende: Adamowie ıNohar®
1603, 1617, Wenzel 1610, 16561: Arcadınd (Menzel Bac. tag
[EOS nach Yeimmerig 7 1632. fein Weib 1620 im Exil); Aunhosti
Wenzel 1608, E20): Auitin Nik. 1550 7 1574, Jakob 577°
80. - Balbin Andrea 7 1580, 1. Bruder Job. 1570, 7 150
Baumgarten (Med. 1599, Sobn Tob. 159%, Helena und Yudınil
Emigrantine: Beueſch Gallus. Johanu von Bukowna 1598; «
Best aus Prag. Heinrich 16550 2 Bohdanecky auch Tichiſtet, M. Geo
ins, else: Alm Adam 151% 1622 : Brückner : Martin 156°
Budinoky vor Wisetin aus Raudnitz. Wenzel 1592, 1608, Jobe
Inte ein, Ehtapa 15781, Vernn 15553: Shamdrda 161
ébochetzus 163608. Deutchmanz let: Dworstn Adam lv
Färie Simeon Te) 7 152%. Wenzel 16211: Xrviet Sirt 1
Die geiprrzz gedructen Brosmansmer bschumn Manzer die Kagiſtratt
Richtertelleu deeideteu Mi Ssyza edne weitete Sezehnung geden da
zur Late Auficeien deri⸗idea ar.
— 475 —
30%. 1603, 1610, Adam 1619, 1635); Fiſcher (Georg 1627); Felber
1627). :- Gelazye (1630); Selen (Joh. 1637 zurüdgelehrt) Jelinek von
eleni hora (Wenzel + 1568, Wenz. 1599, 1610); Gisfra (Adam 1570,
635); Gredel (Wolf, Joh. 1571, Simon 1566). — Hanufh (Johann
615, 1625); Hauſchka von Adlersberg (Mathias, Binder, |. Sohn,
Neartin, deilen S. 30H. 1566, 1603, deifen S. Georg 1570 + 1603,
eſſen S. Ioh. geb. 1584, 1625; Dionys 1568 F 1582); Heliadee
aus SRaurim, Joh. erhielt das Bürgerrecht 1628, 1655); Helwif von
BBelzow (Thomas, |. S. Ioh. F 1582; Georg + 1576, Paul 1592
Fr 21597, fein S. Adanı geb. 1596 und Paul geb. 1597, Joh. j 1585,
Wenz. T 1596; Joh. 1617, f. Bruder Wenz. 1617, 1631); Heniochus
oder Kameik (jiehe unten) ; Herold von Stoda (Georg Wil. 1630 T 1646):
Hilarius (Nil. 1630, 1635); Hlawa (Adam 1609); Hohenburg (1603);
Horeth (Wenzel 1608); Holub (Martin 1615, 1618); Hostech
Wenzel 1606, 1625); Hrda (Jak. 1617, Kilian F 1611); Hradistſty
(30h. 1604, 1628). — Kandorsky von Kandorsfü Hora (Wenzel
1560, Adanı + 1572, Adam 1556 F 1611, Joh. 1574 T 1610, feine
S. Georg geb. 1574 und Adam geb. 1579); Klatowskh (Wenz. 1622,
mrüdgefehrt 1642); Kneifel (aus Prag, Johann Bacc. 1586 F 1633);
Kolda (Adam der ältere 1572, 1614, Söhne: Adam geb. 1582, Joh.
geb. 1586; Tobias F 1648); Koch (1625); Kolinsth (Simon —
1603, 1606); Kober von Koberftein (1630); Kochan von Prachow (aus
Stralonitz, M. Thomas 1584 T 1614, Bruder des 1621 hingerichteten
Valentin); Kornyfel (1622); Krejti (Auguft 1549, Joh. 1619); Kralik
1571); Kraf (1635); Kralowic (1625); Kuchler (1613); Kundrat (1605):
Kytan (1630). — vahowéki (1620); Laufleck (1622); Launekh (Gallus
1604, 1612); Yaurin (1606); Yelny Paul 1630 F 1643); von Verdenfeld
Sohann Zarosl. 1630); Yacinius (M. Andreas 1570 F 1591, f.
S. Sigm. geb. 1576); vukas (Mathias 1607, 1630, Jod. 1606, 1635).
— Mantin (oh. 1604, 1620); Melaus (1611); Mestnsth (Mathias
1600, 1613); Miller (1617); Miſchodt von Ried (Franz 1626 7 1055);
Drime (30h. 1615 7 1620); Moftnif von Nystig (Joh. 1614, 1626);
a; von Budin (Niklas 1618); Mraz von Mileſchowka (ſiehe unten).
— Noſydlo von Geblitz (Georg 7 1572, Mathias T 1577, Adam * 1607,
deſſen Söhne Martin geb. 1578, Adam geb. 1581; Johann T 1603);
Rofihlawſky (RiEL. 1615); Nimbureh) (Veit 1603, 1619). — Pazderak
Mathias 1610, 1617): Penizek (1571); Pernicet (Mathäue 1600,
1610); Befinfa (1604); Petrarka (1610); Becolt (Adam X ICW) , Berg:
— 476 —
mann (1622); Pitſchan von Bellfort (Joh. Karl 1630, 1636, Trat:
mus 1635); Pitſchmann (Balzer 1577, 1616); Plato (1627); Polat
(1622); Bolenfa (Johanu 1570); Prazak von Stomit geadelt 1561;
Joh. T 1580, Mathias 1578, ſ. S. Thom, geb. 1578). — Rafo-
wnickh (Yinhart 1630); Rambanfet (Simon 1570, def. S. Mathäne
geb. 1577; Wenzel 1619 F 1625); Reichel (1631); Rubekula (1622)
Rubin von Springsberg (Wenzel 1560); Rufa (1611); Rnulek (1606) ;
— Santruseh (Georg 1630, 1635); Schultes Stephan 1626):
Fermer (Paul 1578, Jo h. 1625, 1636, Victor 1635); Seiffert (Konrad
1607); Sedledy (Georg 1603, 1616); Simeiet oder Sisfa von Ceinov
(Georg 1572 7 1603, Mathias 1570 F 1620, ſ. S. Georg geb. 157%,
1630; Ne 1635; Andreas 1609, 1630, Vud wig 1620
Joh. 162 ; Schindler (1622); Sfornidy) (1610); Skolskij (Joh. 15709:
ladet us: 2); Slotit (1622); Schmid (Wenzel 1613, 1620), Schneide
(1609); Soyta (Joh. 1625); Sobotedy (Joh. Burian 1618, 1630):
Splechh (1599); Stirskolſth (aus Wolin M. Elias 1584 7 1611);
Stendorf (1627) ; Stelzer (1627): Strobelius von Sternfeld (feit 1650) ;
Stipef (1638): Stransfi) (jiche unten); Studihrad (Thomas 150%,
Joh. 1630); Schwengfeld (1627); Suman (Joh. (1626); Swaind
(1570); Sylwansky (30h. Georg 1650). --- Tetauer (M. Joh. Tlu2lt:
Tichj (Veit 1570); Traweichy von Traveie (1579); Trnowanekh von jelem!
hora (Koh. 1570 + 1590); Zruppel (Wenzel 1570. 1613, Wenzl.
Sigm. geb. 1583); Topinsty (1611); Toman (1635); Turinsky (Dawid
1619, 1626). Vogl (1610). — - Wetif von Schönau (Iſaias 1617,
16391; Wefetsty (16171; Witfer (oh. 1630); Wider (Angujtin
+ 1582), Wicen (Wen;. 1570 7 1577, oh. 1578, 1610); Woborsll
(30H. 1603, 1620); MWetit (Georg 1630); Wokonn (Greg!
1628): Wrajnif (A dam 1817); Wisata (1603). - Xenophil (Stephan
1605, 1609). Zaubet (Yaurenz 1570, Mathias 1612, 162°"
Zateckh oder Polensth (Wenzel 1599, Paul 1619, 1625, ſ. S. Mathi ad
1635); af (Georg, ſ. S. Prokop 1568, of. 1570, Joh. 1624,
1636); Zdichna von jeleni hora (Georg 15447 1572, Mathias F 1550"
Bdarstı) (1572 aufgenommen, Simon T 1613, Wenz. geb. 1575, Ja kob
geb. 1575); Zebeda (1610); Ziegel (1630); Zlutickh (Georg 15 ‚u
T 1609; Slatohlawet Wenʒet 1568, Zigm. geb. 1583 7 16 10,
Joh.); Zwerina (1638); Zygele (16006).
Zur Vergleichung —* wir auch die Hausbeſitzer vor unden ach
oiahrigen Kriege in der Reihe aufführen, wie ſie von Viertel zu
— 49 —
Tie große Bedeutung der Weincultur in der Umgebung unierer
Stadt haben wir bereits bei der Durchmuſterung Ser Schofgründe kennen
gelernt. Faſt jeder Schoßgrundbeſitzer war anch Weindauer, zu den
älteren Beingärten kamen im Jahre 1559 noch die auf dem ueuerwor
benen Gute Geblig auf Anregung des Hürgermeiftere Georg Jdichun
von Jelenihora neu angelegten. Faſt jedes Bürgerhaus hatte feinen
Weinkeller und jeder Bürger in guten Jahren nicht nur feinen Daun
trunk, fondern auch die Befugnis, feinen Rein zu verſchenlen. Die Stadt
ſelbſt Hatte ihren Weinkeller und Weinſchank, wie vor dem in der „brade”.
— Bon einen eigenen Bergmeifter erfahren wir in dieſer Zeit ıichts
mehr. Im Jahre 1570 befahl Kaiſer Marmilian IL. der Gemeinde,
vor ber Weinleſe zwei Perfonen zu wählen, denen cr dann weiters be:
fehlen werde, wie jie fich bei der Erhebung des „Bergrechts“ (den „jus
fundi”) zu verhalten hätten. Bielleiht war dieje Scpflogenheit überhaupt
an die Stelle des alten Bergamtes getreten, das der Gemeinde entzogen
worden war. — Wie jehr die Weincultur und ſomit der Weinhandel
durch die Verwüſtungen des Krieges und die Folgen der Gegenreforma⸗
tion von ihrer Höhe herabjanf, ergibt fih aus dem obigen Ueberblicke
über die verlaffenen Weinberge. Die jüngſt angelegten, die bei Geblitz,
waren nad) der Ausſage eines Zeitgenoifen am Schluſſe unſeres eit-
raumes derartig verwildert und mit Gras und Gejtrüpp überwuchert,
daß es unmöglid” war, ihre alten Rainungen wieder herauszufinden.
Bis zum Jahre 1614 beſaß Yeitmerig angeblid) ganz eigene uralte
Maße für Geträuke (wahrſcheinlich jähjische), über die Georg Gert im
Jahre 1577 ein eigenes Werk ſchrieb;“) am 14. Juli 1614 aber nahm
die Semeinde gemäß dem Budweiſer Yandtagefchiniffe das Prager
Maß und Gewicht an, womit in dent mehrerwähnten Alfimilierungs:
proceife wieder ein neuer Schritt gethan war.
Höchſt ergiebig war in jener Zeit umd noch lange nachher bie
Elbfiſcherei, die jedoch gewerbemäßig nur von den zünftigen Fifchern
der Vorſtadt betrieben wurde. Au großen und edlen Fiſchen War die
Elbe damals allen Zchilderungen nad überreih. Am wichtigften aber
blieb immer der Yang des Yadjies, der Yamıprete und der Brike (EC.
„neynok“ —- Nemnauge:.
Außer diefen in großer Menge gefangenen Fiſchen werden noch öfter
Stöhre und Karpfen von ungewöhnlicher Größe erwähnt. Ju befonders
) Weiteres in Mittheil. dee Diih.chifl. Bereine, VI. 6. ©. 262. ') Balbin Boh.
docta 1.. 113.
— 486 —
glüdlihen Jahren (fo 1530 und 1541) wurden an einzelnen Tagen 60
bie 70 Lachſe gefangen. Einzelne follen von ftaunenswerther Größe
gewejen fein, fo jener, welche 1576 dem Pfalzgrafen Albrecht bei Rhein
bei feiner Gegenwart in Yeitmerit überreicht wurde, von welchem
wenigftens der Kaiferrichter in feiner feftlichen Anfprache behauptete, er
wiege — 55 Pfund. Das müßte indeß eine feltene Ausnahme geweſen
fein, wol aber ift von 2Opfündigen Lachſen fehr oft die Rede. Nichte
defto weniger aber fcheint die Erzählung, daß felbft die Dienftboten in
Leitmerig Fein Lachsfleiſch mehr gemocht Hätten, eine Lebertreibung,
denn das Lachsfleiſch blieb immer bei anftändigen Preifen, da ſich die
Fiſcher genügenden Abfag zu verfchaffen wußten. Im Jahre 1534 koftete
ein mittlerer Lachs 4 bi8 5 Sch. m., um 1578 etwa 3 Sch., im Jahre
1637 wurde das Pfund zu 1 fl. an bie faiferliche Tafel geliefert. Weber:
haupt giengen viele zu Lesiserig gefangene Fiſche nach Prag, Wien
und noch weiter. Die erftgefangenen Neunaugen wurden regelmäßig an
den König gefchickt, wo immer er fi auch aufhalten mochte. Im Jahre
1630 gab Ferdinand I. Befehl, während der Lachszeit allwöchentlich
einen Lachs auf Abſchlag der Kammerfchuldigkeit nah Prag zu fchiden,
von wo aus diefelben nad Wien weiterbefördert wurden. ‘Der Unter:
fämmerer, Hofrichter und andere Kammerbeamte erhielten in der Yaften-
zeit förmliche Deputate an Lachſen, fat alle höheren Beamten von Zeit
zu Zeit derartige „dona gratuita“ oder ſchlechtweg „gratulationes“ ; doch
galt auch ſchon ein halber Lachs als anftändiges Gefchent. Im Jahre
1575 befahl der Kaifer fogar, fänmtliche in den Herbitmonaten gefangene
Lachfe, Yampreten und Neunaugen bis Regensburg zu liefern, wo er fie
den verfammelten Churfürften vorjegen wollte Kine Yanıprete koſtete
um biefe Zeit (1577) 6 Groſchen. —
Während die übrigen Vorjtädte dem Magiſtrate der Stadt direkt
unterftanden, hatte die Fiſcherei immer uoch ihre alte beutiche Dorfver-
faffung. An der Spige ftand ein Richter mit 6 Aelteften, die durch den
Stadtrath eingeftt wurden und diefem den Eid feifteten. Die am häu—
figften genannten Fifcherfamilien jener Zeit find: Beranek, Curda, Girkolt,
Holda, Holay, Horäk Kekule, Kochan, Kolrant, Kaprit Kutera, Kocyan,
Lazarek, Mareſch (Martin, Aeltefter von 1609—1616) Mila, Pitanel,
Swarinit, Wlah und andere. Zum Nichteramte kam am häufigiten bie
Familie Bitanet. — Um ihr altes Recht Hatten aber auch in diefer Peri-
ode die Fiſcher beftändige Kämpfe zu führen. Zuerſt entfchied das Yand-
recht im Jahre 1559, daß die Fiſcher auch fernerhin oberhalb der Web!
— 487 —
den erften Zug des Jahres für die Stadt Yeitmerig machen jollten; 1568
aber vermittelte der Kaijerrichter zu Leitmeritz mit einigen Adeligen einen
Bergleih zwilchen ihnen und den Beſitzern von Yobofig, Haugold, Eruit,
Heinrih und Johann von Schleinig, wornad) dad alte Recht der Fischer
an beiden Ufern der Elbe bis unter Yobofig hinab zu filchen aufrecht
erhalten, dagegen den Befigern des genannten Drtes ebenfalls ein von
Alters her üblicher „Herrenzug“ vorbehalten, wie auch jede Regulierung
ber Ufer und Wehren freigeftellt wurden. Trotz diefen Vergleichen und
den Beftätigungen der Fifchereiprivilegien dur Maxmilian II. (1570)
und Rudolf II. (1577) hörten aber die Verlegungen derjelben burd
die Nachbaren nie auf. ")
Die Bewohner der übrigen Borftädte nährten jich theils von dem
Ertrage ihrer Keinen Grundſtücke, größtentheils aber durch Tagarbeit.
An der eigentlichen „bürgerlichen Nahrung“ hatten fie Feinen Antheit.
Dagegen wurden fie auch zu den den Bürgerjtand betreffenden Steuern
und Bernen nicht herbeigezogen; wol aber wurde ihnen 1601 (29. Juni)
verboten, jo lange irgend wo anderehin auf Handarbeit anszugehen, jo
lange bei der Stadt jelbft in den Meinbergen und dgl. Arbeit für fic
da fei, mwidrigenfalls ihnen wit günzlicher Ausweifung gedroht wurde.?)
Einzelne Vorjtädte, wie der Woldan, beſtanden überdieß zumeift aus
Yandhänfern ımd Defonomiegebäuden der grumdbejigenden Bürger, fo
daß dajelbit meiſt Meier und Knechte wohnen mochten.
Betreffs eines dritten Theils der Bevölfernng, der Duden, erhob
fih im diefer Zeit abermals Zank und Streit. Gegen das jeinerzeit er—
wähnte Privilegimm Ferdinands I. gejtattete Ferdinand II. durd
ein eigenes Privileg vom 24. Yun 1624 fpeziell zwei Juden, dem
Abraham Lvichtenſtädt und feinem Schwager Moſes, ſich in Yeit-
merig miethweiſe niedersulaffen, um den Handel mit Hamburg und
anderen Seeſtädten zu vermitteln. Yidtenjtädt miethete das Haug
unterhalb dem Rathhauſe und betricb von da aus feinen Großhandel
noch im Jahre 1635. As cr aber bald darauf ftarb, wurde fein
Scywager, angeblicd) wegen „Schlechten Yebenswandel8*, entfernt. Inzwifchen
batte zwar Ferdinand Il. 1628 das Stadtprivilegium von 1546 be-
jtätigt, zugleich aber aud) das allgemeine Indenduldungsgeſetz erlaffen,
das 1530 auf Befehl der Nreishauptleute der verjaummelten Gemeinde
vorgelejen wurde. In Folge deilen machten einzelne Juden, aus deren
) Ale auf die Fiſcherei bezuglichen Privilegien befinden fid noch im Original in
der „Fiſcherei.“ ?) Memoralb.
— 488 — ‚
Duldung mittlerweile die benachbarten Herrfchaften, wie Budin, Libo—
cho witz und andere, ein bedeutendes Einkommen an Schußgeldern zogen,
neuerlihe Verſuche, fih in Leitmeritz anzufiedeln,. ohne indeh den
Widerftand der Gemeinde breden zu können. Beide, Theile wandten
fih 1648 abermals an den Kaifer, der am 23. Jäner im inne der
Gemeinde und mit Rückſicht auf die Privilegien von 1546 und 1628
entfchied, fo daß die Juden fortan in Yeitmerig wirklich nicht mehr
wohnen durften; dagegen aber wurde der Stadt 1667 abermals das
Geſetz Ferdinand's I. eingefchärft, wornad) jene mindeitens die Jahr⸗
und Wochenmärkte frei befuchen durften, ohne befondere oder Höhere
Mauten bezahlen zu müſſen.
Den eintönigen Ernft des Handwerkerlebeus unterbrach To manches
Felt im Jahre. Dede Zunftverſammlung, jedes Quartal, jede Zeche und
Auflage geftaltete fich zu einem, wenn aud in gewilfen Grenzen befchräntten
Gelage ; jeder öffentliche Aufzug bedurfte feiner Nachfeier; zu den Pflichten
der zünftigen und außerzünftigen Gajtfreundichaft gehörte vor allem
die Darreihung eines Yabetrunfee, der nah Stransky's Verſicherung
in Leitmeritz durchaus nicht Targ bemeifen wurde. „Zu Yeitimerig muß
man Hunger leiden, während man im Weine ertrinkt,” fagte ein altes
Sprichwort. An die Zunftfeite reihten fich die Feite der bereits vordem
erwähnten Brüderfchaften und der Lagerſchützen. Auch das Titerfeft
wurde feierlich begangen, indem der Bürgermeijter ſammt den Rüthen
auf offenem Markte unter begreiflichem Volksgedräuge das Oſterlamm
zu verzehren pflegte. Grade diefes Feſtes halber ſträubte ſich feiner Zeit
die Gemeinde gegen die Einführung des gregorianifchen Kalenders,
indem die Leute behaupteten, die deutfchen Proteitanten hätten es fürder
beifer, indem fie das Oſterlaum 10 Tage Später und jomit voraus
fihtlid) bei wärmerem Wetter verzehren könnten. 7 — Auch an mehr
geijtigen Genüßen fehlte es nicht ganz, ſelbſt wenn wir den Geſang der
Brüderfchaften nicht hieher rehnen. Gewiß gehören aber hieher Comö
dien und Schaufpiele, die jeit dem Ende des 16. Jahrhunderte auf
geführt zu werden pflegten. Der Scaufpieldireftor war der jeweilige
Nector des College, feine Truppe beftand aus den begabteren feiner
Schüler, den Schauplag bildete der offene Ring. Die Bühne war in
der Regel vor dem jetigen Gemeindehauſe vder etwas weiter oben er:
richtet, fomit wahrjcheintich der Nachmittag die Zeit der Aufführung.
') Memoralb.
— 489 —
Als die eifrigjten Dramaturgen lernen wir die Rectoren Georg Boh—
danecki (Tichiſte) und M. Sigm. Heniohus kennen. Kine halb:
wegs originelle Dramatik entwicdelten aber dieje Nectoren nicht; die auf:
geführten Stüde jind von deutſchen Meiftern und wurden wenigſtens
den Titeln nad) zu ſchließen in Tateinifcher Sprache aufgeführt (z. B.
Comoedia Hildegardis Frischlini etc.). Der größere Theil des Pubfi-
fums verftand dann freilidy nichts davon, freute ſich aber gewiß an der
halb und halb errathenen Action. Auch an theatralifchen Aufzügen konnte
fih die Schauluft der Menge oft genug ergögen. Wer in feinem Jung—
geſellenleben nur halbwegs einen rechtfülligen Vers zu Stande gebradit,
dem fchritten bei feiner Hochzeit die neun Muſen in Brolat und Seide
geffeidet voran, Freunde und Schüglinge begrüßten ihn mit hochtrabenben
Reden in lateinischen Berfen. Dergleihen Dichter aber gab es im 16.
und 17. Sahrhunderte in Leitmerig eine genügende Zahl. Jeder Baccalar
machte feine Verſe, deren une in Tagebüchern („Ephemeriden“) jener
Zeit eine große Menge erhalten find. Das Latein, in dem fie gefchrie-
ben, iſt nicht Schlecht, die Füße find gut gezählt — aber der Stoff Lreht
fich diefen Kunftdichtern immer wieder um Geburt, Promotion, Hochzeit
und Tod. Die anfprudsloje Zeit erbaute fid) aber an jolchen Produc—
tionen, es wurden Dichterbündnifle gefchloffen, die der Poeſie wiederum
neue Stoffe lieferten in gegenfeitiger Becomplimentierung.
Zu allgemeinen Feſttagen geftalteten fid) die Tage hoher Beſuche,
die der Stadt mitunter zu Theil wurden. Ueber den bereits erwähnten
des Jahres 1575 wird uns nachſtehendes überliefert. Als Wa r-
milian 1. cine Reife zu Auguſt von Sachſen unternahm, führte
ihn fein Weg zunächſt über Budin nah Nobofik, von wo aus man
elbeabwärts zu fahren pflegte. Die Yeitmeriger liefen fi die Ge:
legenheit nicht entgelen, fondern jandten am 9. April ihren Rath ſammt
Schöppen und Aelteiten anf Wagen bis auf die Straße zwiſchen Sulowitz
und Schirowitz. Dort ftiegen diefe aus und ftellten ſich auf dem
Hügel auf, von dem aus man die Stadt Yeitmerig fieht, um hier
den Kaiſer zu erivarten. Diejer reifte in Begleitung feiner Gemalin
und der Erzherzoge Nudolf, Ernſt, Mathias umd Darmilian.
As er die Pürger jah und als ſolche erkannte, Tieß er halten, Tprad)
fie zu ihrem großen Vergnügen fogar eechiſch an, indem er ihnen „pojelte
sen!“ zurief, und reichte dann jedem einzeln die Hand. Primas Johann
Trnowanskh bewillkommete ihn fodanı in Tateinifcher Rede, bat ihn,
doch auch Yeitmerig zu befuchen und das ihm zugedachte Gefchent
\
— 4832 —
Schlecht nachfamıen und diefes wurde zu beſtimmten Zeiten anf der He
berge verleſen. Als Hanptfehler galt übermäßige Trinken, das nat
einem ganzen Wochenlohne gebüßt wurde. Ebenjo viel zahlte der, welch «
fi berühmte, zu wandern oder Geſelle zu werden und es nicht that nz \d
nicht wurde oder wer — nad) alter Sitte — am Montage feierte. — TI "ie
Hutmacher hatten ſich bereit8 1580 vom Stadtrathe eine neue Zunfter— d—
nung erbeten und am 2. Zeptember desfelben Jahres erhalten DT en
Hutmachern der Altftadt Prag hatte bereits Ferdinand]. (mn
Fahre 1562) die alte confiscirte Zechordnung — wol in Anbetra «art
ihrer vollkommenen Harmloſigkeit — wieder beftätigt und die Yeitmerik, str
ließen fich diefelbe 1654 übermitteln, als die ihrige in der Krieges, «it
in Verluft gerathen war. Ebenfo baten 1635 die Tuhmader zn Pet
merit jene in Prag um Iebermittlung einzelner Zechartikel. Im San en
gieng die Tendenz aller diefer Zunftvorfchriften darauf hinaus, das Harz d-
werk durch Pfufcherei und unfolide Sebahrung nicht herablommen zu
faifen, durch) das Gebot einer dreijährigen Wanderfrift Kenntniſſe ıw zıd
Vorteile zu vermitteln, zugleich aber auch die Kafte der Meiſter in
eine gewiffe Erwerbficherheit zu verfegen. Daher die beftimmte vVehr- ız 11d
Manderzeit, das Meiſterſtück und ähnliches, daher aber auh ein wer
fennbare Bevorzugung aller jener, die bereit einer Meifterfamilie ext 8
iproffen oder mit diefer anderweitig verbunden waren. Dem Meiſterſo E3 !
oder dem Gefellen, der eines Meeifters Witwe oder Tochter heiratky € f.
wird in dem meiften Zünften die Wanderfchaft abgekürzt, dag MefttetT
ſtück vereinfacht oder ganz gefchenft und die Gebühr herabgefegt. gott
und da zeigen fid) aud) Spuren einer gewiffen Geheimhaltung der Dia zıl
pulation, indem beifpielsweife wol die Töchter, aber nicht die Miggd*
de8 Meeifters zu gewiſſen Arbeiten zugelaffen werden u. dgl. m IM
Mefentlichen aber enthielten diefe alten Zunfteinrichtungen auch eine er 18°
fittlihe Richtung, fie waren Erzichung und Schule des Gewerbsman es
im Mittelalter.
Die nöthigen Geldmittel zur Beſtreitung der gemeinſamen Auslag en
— hiezu gehörte damals auch das „Zehen“ — gewann jede Körpe FT’
haft durd) „Nuflage” und ähnliche Beiſteuern; doch beſaßen einzef zeit
Genoſſenſchaften anfer dem baaren Vermögen ihrer „Lade“ aud) Heizmet
Fonde und fogar Grundbefig, der ihnen am häufigften durch Pega- 4€
irgend eines Mitgliedes zufiel. Wie die Wochenlöhne der Arbeiter, A o
waren auch die Breife der &“- miſſe wenigſtens feit der Ruboffinifcher **
— 491 —
Art von Seiten des Gemeindevorftandes ſchloßen. Bei der Vogelftange
ſchieden die Säfte und die Begleiter ). Als 1617 (1. Augujt) Kaifer
Mathias in Begleitung der Erzherzog Marmilian, Ferdinand
und Karl nad Loboſitz fam, wurde ihm zu Ehren auf dem Schloßhofe
dafelbft eine Stierhetze veranftaltet. ?) Beſuche benachbarter Fürjten
fanden öfter ftatt.
Die Sommerfreuden genoßen die reicheren Bürger großentheils außer
der Stadt in ihren Vandhäuschen und Weinbergen; die nichts von dem
befaßen, wanderten vielleicht Schon damals zur baumbeſchatteten Einfiedelei
zu Stalig, von der wir wenigſtens bereitö zum Jahre 1643 mit
Beitimmtheit willen, daß daſelbſt nicht nur Ein, fondern zwei Einfiedler
zugleich ihren Wohnſitz aufgeſchlagen hatten, die ſich ſomit wahrjcheinlich
gleich nach der Gegenreformation eingeniftet haben dürften. — In der
Zeit des dreißigjährigen Krieges jelbjt erftarrten allerdings oft auf Jahre
lang alle Lebensfreuden. Selbſt jene, die durch Nachgiebigkeit ihr Gut
erhalten oder wol auch durch Denunciation und auf andere chrlofe Weile
fogar vergrößert, fonnten ich eines wahren Genuſſes desfelben nicht erfreuen.
In der Stadt waren Todſchläge Feine feltenen Ereignijje mehr, vor bie
Stabt aber durfte fid) oft Monate lang Fein Bürger wagen. So un»
fiher war fchon 1633 die Gegend, daß ſich fein Fuhrmann mehr zur
Stadt getraute. Am Richtplatze ſelbſt knapp vor dem langen Thore
lauerten Gaunerbanden und plünderten bei hellem Tage die Frachtwagen.
Beitig und feft wurden die Thore der Stadt gefchlojfen und bewacht,
innerhalb der Mauern aber tönte von Stunde zu Stunde der Ruf ber
Radıtwächter. °)
Alles äußere Unglüd war aber dennoch nur felten im Stande die
Barteien in der Stadt ganz zu vereinigen. Wenn der Kampf zwiſchen
Katholiken und Protejtanten aud auf Zeiten, — das erfte mal durch
Ausschluß jener, das zweite Dial durch Ausweilung diefer — zur Ruhe
gelommen war, fo tauchte doch immer wieder jener zwifchen den zwei
freilich zu fehr ungleichen Zheilen in den Mauern vereinten Nationalitäten
af. Man mug Yeitmerig feit der Hufitenzeit allerdings fchlechtweg
eine dechiſche Stadt nennen. Wir fahen, wie die Deutſchen vertrieben
wurden, wie nachmals durch Gcmeindebefhluß die Wiederaufnahme
1) Memoralb. ) Arcadius Ephem. *) Tie einen fangen: „Päni mili, ta nowina;
jiz bila drubä hodina; die andern: „Chwal kazdy duch hospodina i Jezise
jeho syna: bila druhä hodina.“
— 42 —
derfelben verboten wurde und es ift allgemein befannt, wie die Pandtage-
Ihlüße des 17. Jahrhundertes durd eine Unduldſamkeit gegen alles
Deutfhe fi auszeichnen, die kaum irgend wo ihres Gleichen finder —
und troß allden fanden wir in Yeitmerig nicht nur das Yortwalten
des dentſchen Einfluſſes: wir finden dafelbjt auch in jenen Zeiten des
unduldſamen Cechismus eine Anzahl deutfcher Bürger. Auffallen
muß uns Schon die dentfche Sprache im Siegel der Sattler uud der
Hutmader, im Zunftjtatut der Schloſſer und ähnlichen Urkunden jener
Zeit; erflärlid) wird uns der Umſtand durch die bereits befannte That-
fache, daß c8 bereits um 1620 troß aller Unterdrüdung dennoch fo viele
Deutſche in Yeitmeriß gab, daß ihnen eine eigene Kirche eingeräumt
werden mußte, damit fie dajelbft in ihrer eigenen Sprache den Gottes
dient abhalten fönnten. Nachmals aber gereute die Mehrzahl der Bürger
diefer Schritt zur Verträglichkeit fehr, und fie jammerten darüber, daß
fie durch die unglückſeligen Deutfchen in all das Unglück gerathen jeien,
das die bewußte Katajtrophe über fie gebradjt hätte. Die Gegenrefornation
hat dem Deutſchthum in Yeitmerig nichts weniger ale Vorſchub geleiftet ;
vielmehr wurden grade, wie wir fahen, die wenigen Deutſchen daſelbſt
am härteften betroffen. Die nene Bevölferung aber war zunächſt wieder
der großen Mehrzahl nad) eechiſch.
| Ehe wir und zur Nachbarſchaft wenden, wollen wir in Kürze die
Schickſale einiger der hervorragemdften Bürgerfamilien kennen lernen
und einzelnen derjelben, die wir im Glücke nannten, auch ins Unglüd
nit einem flüchtigen Blicke folgen. Bielen der glaubenstreuen Bürger
ift es wahrlid) recht kümmerlich gegangen! Traurig iſt das Privilegium,
für das fie Johann Georg von Sachſen danken mußten: auf be
ſondere Konfiftorialzeuguilfe hin an den Kirchenthüren Meißens und
der Yaufig um Almofen bitten zu dürfen. ') Als die Auswandermig
nidyt nur gejtattet, jondern bereits geboten war, zogen größtentheila
ganze Geſellſchaften proteftantifcher Kamilien aus der Stadt und wandten
ſich zunächſt nad) Pirna, wofelbit ihrer befonders 1626 ganze Schaaren
von Yeitmerig ankamen.) Die zuerft anfommenden fanden im AU
gemeinen freundliche Aufnahme und es wurde ihnen ſogar ccchiſchen
(Hottesdienjt zu halten und einen eigenen Priefter zu haben bewilligt. *)
Auch in Dresden, wohin ebenfalls mancher Leitmeritzer 309, er
) Peſchel Gegenreformation II., 517. °) Desfelben bohmiſche Exulanten &. 8.
2) Ebendo. Beilage III., ©. 144.
— 43 —
langten fie dieſelbe Begünftigung, und in beiden Städten bildeten ſich
böhmijche Gemeinden.
Trotzdem fonnte den Böhmen die Fremde nicht zur Heimath
werden. Wir haben bereits gejchen, wie fie jede Gelegenheit benützten,
um in ihre alte Heimat wieder zurüczufchren. Mit dem Verlaufe ihrer
Süter war es faft durchwegs ſehr ſchlecht von ſtatten gegangen, wie wir
an Beifpielen zeigen könnten. Es iſt daher jener Wunfch doppelt erklär
ih. Der unglücklichſte Verſuch diefer Art war der, den die pirnaer
Erulanten 1639 wagten. Als damals die Echweden unter Stahl
hantſchke Pirna belagerten, bei der großen Anhäufung von Erulanten
Roth um Yebensmittel entſtand umd jene, die Schweden als ihre Er
loͤſer betrachtend, Anlaß zu verfeiicdenartigen Verdächtigungen gaben, wurde
ihnen ihr fernercs Verbleiben jchr verleidet. Sie beichloffen daher mit
Stahlhantſchke nah Böhmen zurüczuzichen: an 1500 rafiten alfe
igre Habjeligfeiten zufammen und zogen unter Rubel und Freudengeſängen
ihrem licben SHeimatlande zu. Nur 250, durch Alter und Krankheit
verhindert, blieben zurüd. Unter Wegs aber fielen die beutegierigen
Schweden über ihre Schüßlinge her und plünderten fie unbarmherzig.
Viele flohen nah Pirna zurüd, andere nah Dresden und in die
Lauſitz. Nod andere aber famen arm und bloß nah Böhmen,
rafteten in Schludenau, erwarteten daſelbſt die Verjpäteten und ver-
theilten fi dann nach den Städten Tetſchen, Yeitmerigß, VYeipa,
Kamnitz und Brandeis. Einzelne flohen in die Schluchten der ſäch
ſiſchen Schweiz und befeftigten ſich in der jekt jogenannten Baſtei
(Neurathen).
Die ſpäter answandernden fanden jene freundliche Aufnahme nicht
mehr, ja es kam fogar vor, daR ihnen bie und da mit Gewalt der
Cintritt in einen erwählten Zufluchtsort verehrt wurde. — Weber das
Schickſal einzelner Yeitmeriger fünnen wir folgendes mittheilen.
Die verbreitetite und reichte Familie des alten vorferdinandeifchen
Peitmeriß War umnftreitig die bereits vordem erwähnte der Mraze
von Mileſchovka (Donnersberg), deren immer noch lückenhaften Stamm
baum wir ftatt vieler anderer ala ein Beiſpiel reichen Familienſegens
bier anführen. (Hiezu A.). Wer hätte jih am Beginne des verhängnig-
vollen Jahrhundertes vorauszufagen getraut, daß noch lange vor Schluß
besfelben der Name Mraz in Yeitmeriß verichollen und vergejien,
das reiche Vermögen zerjtreut und zerfplittert fein würde? Hatte doch
erft Johann, der Sohn des alten Adam, furz vor feinen Tode zur
Iohann Sirtus
4 er —
erboſins
Dorothea (G. Adam
Matharina G. 15857 } Lehnar v. Rouba, 2.|Eirt Arnol
s ber Sirt v. Oftersdorf)) Johann Platteis von) Platteis
Aa elngrothen (h. 1575 | Battenftein)
ce | Gregor@ito.ggau) Regina
ening, er se jüngere (H.|Ratharina
Sammel geb] 59 Kudmilla
1503 4 1598)| Anna 1006 Qob./Mnna
Baumgartner) Sufanna
Georg} 1590 (9.157
Salomena Karpidet,Igelena g. 1591
1587 &upm. Stolety) :
gudmilla ($. 1670 Ge:
wen 1588] org Heimit d. Wels
i Heat
rina + 1593) Ana + 1875 |Grors g. 1578 + 1892
heaina + 1682 Samuel + 1582
Der „alte (Samuel + 1682 |3ohenn + 1582
Mray,” ein ‚öelena + 1582 Margaretha + 1582
Breuer DM. Hein + 1582| (. 1081 M. Wenzel
aus Prag (Gem. Anna h. 1584) Seniomus)
Ye Georg Hauöln von)Eumila + 1877
Adfersberg) Wenzel + 1575
Iohann + c. 1584 Npemer
jel 9.
den Brodet Pohane Sririg geb
[etifabeth, (6. 1602 Beten — %
Adam Kandorety v.
Anna Kandorsfa (G.
Kandorela Goro) (*Srephan Boramepit -Bohfenfen
perstpea Zlatohlawel
a "Strauskp)
Dorothea + 1582 ‚Regina + 1695
Daniel + 1576 Anna g. 1589 + 1590
Daniel + 1683 |Iohann Dionns g. 1590
Wenzel (h. 1588 — —X 159
milla Diwysorwic) udmille
m sch [Heinrich Wenzel geb.
. ie
RR 1595
Io
Iohann Sammel + 159131.
(b. 1590 XohannalAnı
Stolsty, diefe 1592|3tgm
Wenzel Budinsty) | + 1599
Bes Georg 9.1586; Elifabeih (@
Eyyran)
sim 9.1588 (Gem. Anse Doroihe
Johann Houdfa vong (Gem. I. S
Adlersberg) id)
Iohaun Georg g. 15 Gera Zlgmun!
6. Ludmilla + 1617) + 1
Katharina g. ass G. —R
Tobias Kolda
Dorothea g. 1596 bds
[Heinrich Georg g. 1697
Johann Ehrophil
Siegmund + 1601
Belns + 1686 Anne 9. 1678
(Die Leitmeriger einie der Famifie Mrez von Milefgewte)
— 489 —
Als die eifrigſten Dramaturgen lernen wir die Nectoren Georg Boh—
Danecky (Tichiſte) und DM. Sigm. Heniochus kennen. Kine halb-
wWegs originelle Dramatik entwidelten aber dieſe Nectoren nicht; die auf-
geührten Stücke jind von deutichen Meijtern und wurden wenigjtene
Den Titeln nad) zu Schließen in Tateinifher Sprache aufgeführt G. 2.
C>omoedia Hildegardis Frischlini ete.). Der größere Theil des Pubii-
Fass verjtand dann freilich nichts davon, freute ſich aber gewiß an ber
Kalb und halb errathenen Action. Auch an theatralifchen Aufzügen konnte
ach die Schauluft der Menge oft genug ergößen. Wer in feinem Jung:
gefellenleben nur halbwegs einen vechtfülligen Vers zu Stande gebracht,
Dem ſchritten bei feiner Hochzeit die neun Deufen in Brofat und Seide
gekleidet voran, Freunde und Schützliuge begrüßten ihn mit hochtrabenden
Moeden in lateinifchen Verſen. Dergleichen Dichter aber gab es im 16.
ward 17. Jahrhunderte in Yeitmerik cine genügende Zahl. Jeder Baccalar
machte jeine Berfe, deren uns in Tagebüchern („EKphemeriden") jener
Zeit cine große Menge erhalten find. Das Yatein, im dem fie gejchrie
ben, ijt nicht ſchlecht, die Füße find gut gezählt — aber der Stoff breit
ſich diejen SKunftdichtern immer wieder um Geburt, Promotion, Hochzeit
und Tod. Die anfpruchslofe Zeit erbaute ſich aber an ſolchen Produc
onen, es wurden Dichterbündniſſe gefchlojlen, die der Poefie wiederum
acue Stoffe lieferten in gegenfeitiger Becomplimentierung.
Zu allgemeinen Feſttagen geftalteten ſich die Tage hoher Beſuche,
die der Stadt mitunter zu Theil wurden. Ueber den bereits erwähnten
des Jahres 1575 wird ums macjftchendes überliefert. As Max
milian II. eine Reife zu Auguſt von Sachſen unternahm, führte
ihn fein Weg zunächit über Budin nad Yobofig, von wo aus man
elbeabwärts zu fahren pflegte. Die Yeitmeriger liefen fid die Ge—
legenheit nicht entgehen, Jondern fandten am 9. April ihren Rath ſammt
Shöppen und Aelteiten auf Wagen bis auf die Straße zwiſchen Zulowik
und Schikowitz. Dort ftiegen diefe aus und ftellten fich auf dem
Hügel anf, von dem aus man die Stadt Yeitmeriß fieht, um hier
den Kaiſer zu erwarten. Dieſer reifte in Begleitung ſeiner Gemalin
md der Erzherzoge Rudolf, Ernit, Mathias und Marmilian.
Mb er die Bürger jah und als ſolche erkannte, ließ er halten, ſprach
He zu ihrem großen Vergnügen ſogar cechifd) an, indem er ihnen „pojelte
en!” zurief, und veihte dann jedem einzeln die Hand. Primas Johann
Trnowanskij bewillkommete ihn ſodann in lateiniſcher Rede, bat ih,
dech auch Leitmeritz zu befuchen und das ihm zuaeodıe Seldaent
— 490 —
von & Lachien, 4 Yampreien und 10 Meunangen bulbenll amsımchm et.
Erfteres verierab der Mailer anf ĩciner Rückreiſe zu ıhun — zu une
heuchelter Areude der Bürger, Denen bei ſolchen Aeleaenheiien fein View 7-
arh enttam, ohne mir allerunterthänigier Zurrlicanonen überbin zu
werden. Ale er in Yobotig einfuhr, Ybwammın Die grſchentten Kick
vor dem Schloſſe Zpalier, und die Bürger erzählitn mis itolzer Ruben
redigkeit, wie fie der Kaiter wolgefällig betrachiet bäre. — Am 21. April
fehrte der ganze Hof zu Schiffe zurück und fuhr dem Veripreben m et
Kaiter& gemär bis an das Alier bei Yeinmerig heran. Gegenüber w
(Semeindeitallungen begrüßkien die Ziadivirireier Me Gaſiet, In 9-
mansfn wußte abermals in eine Ihmungnole Red 5 Fafßf Weakı,
k Lachſe, 30 Yampreicn, Neunaugen und andere ice einzurichten u Eid
ubergab dem Sailer aukerdem die Schlüſiſel der Stadt. Dirſer reicoit
wieder jedem Kinzelnen freundlidir dic Hand, ſagte der Kaiſerin em «m
ins Chr, worauf auch dieſe, vom Tragſciſel aus, ihr Händchen de MM
Handiwerferhänden anzuvertrauen ſich entſdilok. Durch Zpalıcre bemafine EN
Bürger gieng dan der Zug zu dem einzelnen Uuartieren Der Rai M'tc
wohnte mit feiner Gemalin im Haufe des Tionne Hauidfa (et
meindehane, Griherzog Mathias bei Johann Mraz von Wi *
Ihovfa ıNtnopfhaua,, die übrigen Erzherzoge in den übrigen Häuje M
der Familie Noöraz. Ob ſich der Kaiſer beim Anblide dca Rathhauf ce
daran erinnert haben mag, daß von da ans einſi cin rede eindringlich E
Ermahnungeichreiben an ihn, den ungerathenen Prinzen, datirt word Ei
war? —- Die Bürger waren entzüdt über jeine Leutſcligkeit und pe ii
Ehre, die er ihrem Weine, dem Ztolze der Zradt, erwies. Abende b €’
gehrte cr dieſen zu verfuchen und fand den Muskateller beſonders vo”
züglih. Mir Berwunderung fragte er, ob dick Gewächs hier wacht e—
wie weit von der Stadt und Aehnliches; was aber den Bürgern beſonder =
ſchmeichelte — er erklärte, daß er in Außig wol aud den berühmte 37
Podſkaler getrunken, den feitmeriger Diusfateller aber weit beiicr
finde. Des andern Tages fuhren die Säfte wieder fort und wurden:
von der Ztadtvertretuung bis über die Brücke begleitet. Der Bürger—
meijter fing fid) am Wagenjchlage des Kaiſers, um ihm theils die Koſt
Ipieligfeit diefes Bamverfes zu Gemüthe zu führen, theils ihm zu danken
für das, was er bereits beigetragen. „Was id) gethan, habe ich gern
gethan und will es noch thun,“ ſagte der Kaifer und erkindigte ſich an-
gelegentlich, woher man das Holz zur Brücke nehme, wie e8 herbejördert
werde und Achnliches, woran fi nun Sagen und Supplicationen aller
— 497 —
Sp nahm denn der Kaiferrichter Befig vom „Knopfhauſe“ fanım
dem daneben ftehenden und vermicthete es zunächſt an Frau Ratharina
Kapler; 1632 wurde es ald Provianthaus eingerichtet. Später fchals
tete der Kailerrichter Strobelius damit cigenmädhtigit, gedachte es jogar
an feinen Sohn zu bringen, während die Gemeinde die unteren Theile
ale Weinkeller in Beidylag genommen hatte. Noch jpäter wurde jogar
in den ſchönen Gemädern Getreide gedrofchen, fo dak die Gewölbe
iprangen, und das herrliche Haus vandaliſch verwüſtet.
Der andere männlihe Sproffe, der von dem mraziſchen Geſchlechte
noch übrig war, befaß denjelben Opfermuth nicht; er wurde vielmehr
fatholifch, 309 fich aber von Yeitmerik nah Prag zurüd, wo er ale
Erpeditor der F. Kammer angeftellt wurde. Als Johann Theophil
1643 im Eril geftorben war, fegte er es durch, daß das Verfahren
gegen deſſen Vermögen deßhalb umgejtoffen wurde, weil es cin Fideicommiß
gewejen fei, und daß ihm dieſes gegen die Lebernahme der haftenden
Laften zugejprodyen wurde. Er genoß ed aber nicht mehr lange, denn
er ftarb ſchon im Jäner 1646 ohne einen Erben zu hinterfalfen, da jein
noch in Leitmeritz geborener Sohn fhon vor ihn das Zeitliche ge-
fegnet hatte. Mit ihm mar die männlihe Yinie der Häuſer Mraz
erlofchen. ?)
Die weibliche Nachkommenſchaft und jonjtige Verwandtichaft war
aber noch ſehr zahlreih. Zu dieſer zählten aud die bekannten Kamilien
von Dttersdorf nnd Platteis. Die nächſten Anſprüche auf dag
Gut hatte nun Regina, die Zante des Georg Sigmund, die aber an
Johann Hauſchka vermählt und mit dieſem ebenfalls emigrirt war.
In Folge dejfen nahm die Gemeinde das Knopfhaus alfogleich wieder
in Bejig, das ihr aber Sixt Arnold Plattcis von Plattenjtein ala
Enfel ciner Katharina Mraz ftreitig machte. Für diefen entſchied am
8. Juli 1647 cin Schiedeiprud des altjtädter Gerichtes für den Fall,
dag ſich Reyina nicht rehabilitiren wolle. Kin Appellationefprud) vom
15. Jäner 1655 aber Iprad) der Regina das Erbe auch für den Fall
zu, daR ſie die freien Gründe verkaufe, über das Fideicommiß aber einen
12 Sch., Perdon 2 Sch. Quote 1 Sch. Eontribution 38 Sc. 35 gr., bleibt
fomit im Reſte mit 2: Sch. 35 gr.; Joſ. Stutzer ın 3. Kaffe: Schägung
1 Sch. 30 gr., Perdon 25 gr., Quote 7 gr., Contribution 18 Sch. 27 gr,,
ſchuldet fomıt noh 17 Sch. 20 gr. u. f. w.
ı) Zwar meldete fi 1688 nod ein Bartholomäus Hynel Mraz als Nahlomme
jenes Stammes, erlangte aber feine Anerfennung.
32
— 498 —
katholiſchen Bevollmächtigten einfege. Bon Regina kam letzteres an ihre
Tochter Anna Dorothea, die vermählt mit dem ehemaligen Yeitme:
riger Stadtfchreiber Iohann Sirt Moſtnik, der mittlerweile Quartier
meifter eines jchwedifchen Dragonerregimentes geworden war, als Exu⸗
lantin in Pirna lebte.
Auch diefer hatte 2 Häufer und viele Grundftüde im Stiche laſſen
müjfen, die theils an Private, theild an die Dominikaner, Franciskaner
und den Dechant gelangt waren. 1639 hatte er wieder auf kurze Zeit
fein Haus bewohnt; wie es ihm weiter ergieng, willen wir nicht. Nach
feinem Tode verbrachte feine Wittwe die Tage des Exils in Dresden.
Da aber das Fideicommißgut auf diefe Weile von Jocob Strobel ver-
waltet der Eigenthümerin nichts trug, vielmehr fie noch in Schulden
bradhte, fo verkaufte fie endlih am 12. Fehr. 1665 das Knopfhaus um
1200 fl. der Gemeinde, welchen Kaufichilling diefe bereits als feit 1622
rüditändige Contributionen und anderweitige Schulden auf dem genann-
ten Daufe haften hatte. Am 7. November 1669 verkaufte fie auch noch
das Nachbarhaus an die Gemeinde um — 60 Strih Weizen.
Baul Stranskh, den eingewanderten Magifter, können wir am
füglichſten an dieſe Familie reihen, der er durch feine Gemalin angehörte.
Auch er fuchte, vermuthlich wie Alle mit der Hoffnung baldiger Heimkehr,
zuerjt in der Gränzftadt Pirna Zufluht und Schug. Während aber
viele dafelbft eine wirflihe Heimath fanden, trieb den böhmifchen Bruder
fein ftarrer Slaubenseifer auch von da weiter noch von feinem fo ſchwär—
meriſch geliebten Baterlande. Nachdem dur den böhmiſchen Prediger
M. Sam. Martini das Yutherthum in der Krulantengemeinde die
Oberhand gewonnen, zogen die böhmifchen Brüder aus Pirna und fo
finden wir auh Stranski bald an anderen Orten, obwol wir über
jeine Wanderungen feinen genauen Aufſchluß haben. Bon jeinem ver:
faffenen Vermögen kam ihm fein Grofchen mehr in die Hände. -—- Seine
Miündel, Anna Kandorsty, die in feinem Hauſe erzogene Nichte feiner
Gemalin, theilte feine Schidjale nicht weiter, jondern blich im meißner
Yande zurüd, indem fie ſich dafelbjt mit einem prager Erulanten, Namens
Stephan Morawetz verehclichte Stransky aber jegte mit Weib
und Kind ſeinen Wanderſtab weiter, bis er endlich in der Gegend von
Thorn ein beicheidenes Ruheplätzchen fand. Er batte eine Feine Wirth⸗
haft gepachtet und lebte kümmerlich von feiner Hände Arbeit. Bei allem
Kummer blieb jein Hauptgedanke fein Vaterland und deſſen trauriges
Edidfal. In jenen Wanderjahren verfaßte er fein berühmt gewordenes
Verf „Respublica bohema“. Dieſes und ein noch ungedrudtes Wert
zogen ihn auch in der Fremde aus feiner dunkeln Stellung hervor, jo
daß er (nad) Pelzel 1647) zum Profeſſor am Gymnaſium zu Thorn
eruannt wurde. Er nennt ſich auch Bürger dafelbjt und visitator in
gymnasio. So verlebte er wenigjtens den Reſt feiner Tage in einer
feiner würdigen Stellung, hatte aber auch den Schmerz, feine von Alter
und Sorgen gebeugte Gattin erblinden zu jehen. — Zwar hatte dieſe
vor ihrer Abreife zwei katholiſche Bevollmächtigte, wie das Geſetz be-
ftimmte, zurückgelaſſen, allein erjt jegt, nach dem Friedensſchluſſe, lonnte
Stransfy mindejtens Nachricht von Stande der Dinge bekommen.
Dei dem allgemeinen Mangel an Käufern fonnten auc feine Bevoll⸗
mädhtigten feinen Verlauf bewerfftelligen. Es tief die Frift ab, man
fagte, Stransfy fei geitorben und Gemeinde und Kaiſerrichter theilten
fi um die Beute. Dan hielt dabei folgende Rechtsform ein: Zuerſt
nahm die Gemeinde für ſich die drei jtranefy’fchen, ihr unterthänigen
Höfe als hHeimgefallen in Anſpruch. Dann murde das Perdongeld
Stransky's nach der alten Schägung auf 466 Sch. 20 Gr., die Quote
auf 23 Sch. 22 Gr. bejtimmt, jeiner Gemalin aber eine Quote von
226 Sch. und beiden cin Contributionsreſt von 77 Sch. 10 Gr. und
ein nochmaliger Beitrag zur Stadtihuldentilgung von 200 Sch. auf:
gerechnet. Die Gemeinde, der joldye Gebühren im Allgemeinen vom Kaifer
geichenkt worden waren, beanfpruchte alfo nebit dem Heimfalle noch 992 Sch.
52 Gr. Auf Abjchlag diefer Summe jeßte fi die Stadt am 31. Augujt
1629 in den Beſitz von 4 Weinbergen und ließ fich die übrigen 525 Sc).
theils auf jeinem 4. Grunde bei Proſmitk, theils auf ſeinem Hauſe
(dem „prokowſchen“ im Rönigszwinger) verſichern. Dieſe Güter ſelbſt
nahm der Kaiſerrichte Aulik als den Reſt im Namen des Kaiſers
„Pro derelicto* in Beſitz. All die Briefe, die inzwiſchen der „ver-
ftorbene” Stransfi) jchrieh, blieben unbeantwortet. Einige jeiner fpäteren,
vol Beichwerden und Anklagen, liegen und nody vor. Am 4. Auguft
1650 wantte er ji brieflid au den Unterkämmerer Sfuhrovsfy
dem er in Kürze die Geſchichte einer Ausweiſung beridtet. Seiner
Gemulin und ihren Bevollmächtigten habe der Magiftrat alle möglichen
Hinderniffe in den Weg gelegt, bis die Käufer, mit denen jie in Ber:
handlung jtanden, erfuhren, dab das Gut zum Theile den Herren Michna,
zum Theile den Jeſuiten und dem Schretär Raphael geichenft, zum Theil
zur Gemeinde geichlagen werden jolle. Bekannt ſei es aber doc, daß
das Sut jeiner Gemalin weder wegen eines crimen majestatis verurtheift
32*
A (Johann
Johanna Bohdana
Sirtus Theodofins
Dorothea (@. Adam
Aeikerim $ 1007, dehnar y ‚Seube, 2. ein Ar
Sirt v. ter@dor| ohann Platteis von! latteis
Georg ber Alte — (9. 1875 | Biattenfein)
Tuaoeo S ( | GregerBirtv.gglau)|Regına
ging, On idee jüngere ($.|Ratharina
Samuel q Pudmilla
15094 1090) | Anna 0. 1608. 306. Anna
Baumgartner) Sufanna
(Georg + 1599 (b. 157:
Salomena Karpidel,/felena g. 1591
1587 an ‚Steteh)
endmilla =
Wenget + 1583
(Gem. Katha- or „geht v. Wel⸗
rina + 1505) Ama + 1875 |Grors 0. 1878 + 1692
Regina + 1582 Samuel + 1582
Der „alte Samuel + 1682 |Iohann + 1582
Deraz, “ein Helena + 1582 Margaretha + 1582
Beier m. Heinrid + 1582) (b. 1581 M. Menzel
aus Frag (Gem, Anna 1584) Seniodus)
Y 1526 Georg daudia von)Endmila + 1577
Adfersberg) Wenzel + 1575
Johann + c. 1584 Werjel g.
1607
Adan gen Probet detanı riet geb.
Zohan 8 ba rel
iabenn (6. 1002 rhan Aruıs ty 9-
1
dem Rondarefg voynya Handarete (G.fPanl Mcı
Kandorsta Hora) Stephan Mora { "
weg)) D.Bohle:
Katharina 9. 1879 (h. ei ®
1599 Jan Zlatohla:)
wet, 7. Gept. 161
DM. Stransky)
Dorothea + 1582
Daniel + 1576
Daniel 4 1583
Wenzel (h. 1588 Lud-
milla Diwysorwic)
Dorothea Zlatohlamwet
Regina + 1595
Anna 9.1889 + 1590
[Johann Dionps g. 1590
Adam g. 1591
£udmilla g. 1593
Adam ber Alte! eluri enjel geb.
G Sophie VE “
+ 1600 johann Georg g. 1604
Ri
Aobann Samuel 4 1581 Sigmund + 1574
(6. 1590 IohannalAnna g. 1579 + 1580
Stolsty, diefe 1592]Itgm. Georg g. 1581
Wenzel Bndinsty) | + 1599
Wenget Georg 9.1586; Eilfabeth
rl Ciyran)
—* abss Gem An Dor
Johann Hondta von? (Gem. I
Adlersberg) Moftnit)
|3ohann Georg g. 1590fGeorg Sig
\ (G.2ubmilla + 1617)) + 1646
Inattarina 9. 1593 (G.[Elifaberht
Tobias Kolda)
[Dorotheag.1595+1596
Heinrid) Georg g. 1597
Iohanu Theophil
Dorothea & 1564
Siegmund + 1601
Gallus + 1885
Regi
ae der Gamilie icay van Mlxiuuke)
Sicherung feiner Familie nnd ihres Beſitzes aus feinem Antheile ein
Fideicommiß errichtet und als würdigen Sitz des Majorathéherrn das
Ttattlihe Haus in der Ztadt aufgeführt und mit dem mächtigen Kelche ge:
ziert. „Johann, zugleich Bürger der Altitadt Prag, galt al& der benei-
Denswerteſte Dann, in jeinem Haufe hatten Sonveräne und Fürſten ihr
Abjteigequartier, der reihe Wilhelm von Nojenberg war fen Schuldner.
Das Fideicommiß mit dem Kelchhaufe vermachte er feinem Bruder Sig—
zrıund, die Weinberge und die prager Güter aber theilte er unter
feine übrigen Geſchwiſter.,) Sigmund vereinigte nun einen unge—
zu öhnlic großen Beſitz. Außer den Fideicommißhauſe gehörten ihm nod)
Die beiden nächtftgröften und ſchönſten Häuſer von Yeitmerig, das
O novstyſche und das Nachbarhaus. Erſteres (Nr. 135) baute er aus
werd bewohnte es Für gewöhnlich. Der Spruch, der heute noch deſſen
F Kur ziert, ijt höchjt wahrjcheinlich als fein Wahlipruch dahingekommen.
Das zweite Haus (Mr. 133) beabjichtigte er ebenfalls großartiger als je
herr zuitellen, vollendete aber den Ausbau nicht. Es hieß daher gewöhnlich
„IN edostaweny,“ galt aber auch fo ala das ſchönſte Haus der Stadt. Auch
mehrere Häuschen in der Borjtadt (eines bei St. Georg), viele Wein
berrge?) und Gärten, fo wic ein Haus in und Weinberge bei Prag
ge H örten ihm. Ihm überlebten (7 1601) von feinen zehn Kindern nur
dr ei Söhne und zwei Töchter. Mit dem Befige des Kelchhauſes, mit
denn er auch noch das Nachbarhaus vereinigte, wurde fortan Johann
Th eophiſ das Haupt der Familie, indeß die übrigen Geſchwiſter bis
1510 den Nachlaß gemieinſchaftlich beſaßen und erſt in dieſem Jahre jo
heitten, daß Johann Georg das Edhaus, Heinrich Georg aber das
Unausgebaute“ unter gegenjeitigen Servitutsverficherungen übernahmen.
Johann Theophil blieb zugleich der Vormund des jüngern Bruders.
Regina heirathete der Pürger Johann Hauſchka von Adleraberg,
Katharinen Thobias Kolda. Bon den vor Sigmumd verftorbenen
Geſchwiſtern hatten fich befonders Heinrich, Adam und Wenzel zu Bedeutung
za bringen gewußt. Letzterer gehörte durch lange Zeit Faft ununterbrochen
m Rathscolleginm an, Heinrich hatte die Univerſitätoſtudien zurück
gelegt und es zur Würde cines Magiſters gebracht, worauf er die höchſte
Eklle in feiner Baterjtadt, die eines Naiferrichters erlangte. Tielelbe
Seffeidete nachmals ſein Bruder Adam. Sigmunds beide Schweitern waren
— — —— —
) Teſtament im I. St. A. °) Die Muskatelka, Kreminskä, Sadha unter der
mostsk& hora, Klyn. Radobeyiskä, Chlumerkä, Eliaska, Hradeckä, Modra,
Bladkowakä.
— 502 —
und jeiner Gemalin gefammten Vermögen troß aller dieſen Vorftellungen
nichts mehr erhielt und daß er zu Thorn im 75. Jahre feines Alters
und Rath da® genannte Gut und defien Einrihiung verzeichnen, batd darauf
nahmen fie ea dem Bevollmächtigten ans den Händen, begannen es von 1627
bee 1630 gegen deren Willen an wen fie wollten zu verfchenten, zu zertheilen
und zn verfanfen und fo unter verfchrebenen Vorwänden die rechtliche Eigen:
thümerin darum zu bringen. Ale fie dieß in der Fremde erfuhr und perfönfich
nicht binfommen durfte, fragte fie dur Häufige Echreiben gleih damals nad)
frifher That und nod in der Zeit der Unruhen ſchonend, obſchon ihr das Recht
nicht dienen wollte, und bat um ſchließliche Auekunſt, warum und mit welchem
Rechte man ihr den Genuß nnd Nuten ihres Erbes wehre und warum man
dasfelbe gegen ihren Willen fo zerftitdie, verfhente und verkaufe. Sie Ionnte
und fann bi jet noch nichts darüber erfragen. Ihre genug ſchonenden Briefe
wollten fie entweder von den Boten gar nicht annehmen oder fie ſchwiegen zu
Allem und ſchweigen bis jettt noch wie die Stummen. Indeſſen bleibt ihr und
ihrer Tochter But und Erbe bis heute in fremden, wer weiß was für Händen
und in unrehtmäßigem Genuße. Da fid) alfo der genannte Bürgermeifler und
Rath der Et. 2. durch die freundlichen, vielfältigen, gründlichen Schreiben und
Nachfragen nicht rühren Taffen mochte nod; mag und au® Urfache der ihr 1608
verfiherten Forderung, die fie bi® heute nicht zahlen, und da niemand ihr die
Wegnahme ihres GOutes zur Kenntniß bradte no bringt, fonbern fie dieß alles
ohne Bericht ſchweigend vor ihr Amt ziehın und gezogen; — deßhalb kann
man ihnen anf feire andere Weife beitommen, als durd das, was auch jener
von unferem GErlöfer ſelbſt angeführte, Bott nit fürdtende und Menſchen nicht
achtende Richter jener Stadt von der Unrecht duldenden Witwe fürchtete (Luc. 18).
Wehrlich nad deren Beilpiel muß jetzt fchon meine Gemalin, Katharina Mraz
von Mileſchodka, ihre Widerfadher, den Bürgermeiſter und Rath von Leitmerig
behandeln. Gie iſt zwar im Zweifel, ob fie fie nicht mit jenem Namen be:
ſchuldigen könnte, mit welchem das böhmiſche Stadtrecht F. 26, 27, N. 3,
O. 26, jeden carentem justo titulo belegt — für jest aber achtet und hält fie
fie und wird überhaupt fie fo vor allen guten Leuten nennen, für ihre
offenen, heiliger Geredhtigfeit und Gottes jüngſten Berichtes vergefiene Feinde.
Sie klagt fie an, und wird fie mit ihren Kindern einft anllagen vor einem
mächtigeren Richter, ale fie find, vor dem gerechten Gotte. Diefer wird fie und
ihre Radhlommen an ihnen bier zeitlich und nad ihrem Tode mit unverlöfd-
lichem feuer ewig rächen. Da fie in großem Leid nnd im ihrem berzlichen
Schmerze dieß fchreiben ließ und da fie ütberdieß fo oft anf die früheren na:
mentlich on euh H. Hrliadee am 8. October 1651, an Jakob &Strobelius 1650
28. März und 2. September, an den Magiſtrat aber fat unzählige Mal, be-
fondere 1627, 16. Angufl, 3628, 25. März, 25. Mai, 31. Auguf, 1629,
25. Yänner, 8. Juni, 12. November, 1631, 7. Yäner, 22. Auguſt datierten
Briefe ſehnſuchtöopvoll aber umfonft auf Antwort wartet, fo bittet fie euch alle
inogemein und jeden insbefondere, der Bedacht hat anf ein gnt Gewiſſen und
julänftige Dinge, flehentlich, ſchönſtens und beflens, ihr möchtet old ehrliche und
gute Leute (weil ihr leicht Zutritt haben könnth die wirkliche gute Urſache fein,
daß arch jet noch der Bürgermeifter und Bath der St. 2. ihr Gerechtigkeit
widerſahren ließe und fie befriedige. Selbſt kann fir fih nad VBühmen wegen
— 503 —
im Erile ftarb, find die einzigen Thatfachen, bie wir nım von dem Leben
des bedeutenden Manncs noch kennen.
Anna Randorsty, nunmehr Gemalin des Paul Moramek
von Dohlenftein, konnte fi) nicht an den Gedanfen gewöhnen, ihr
ganzes reiches Erbe verloren zu haben. Ihr Vater Adam Kandorski
zählte zu den reichften Bürgern, ihre Mutter Elifabeth Mraz hatte ihr
ebenfall® ein bedentendes Vermögen hinterlaffen. Außer 2 Hänfern in
der Stadt (das Eckhans ‚Jelinkowskh“ und das Hans „Tiſicovskh“)
und einer Menge Weinberge hatte fie noch einen Hof in Zeletitz und
einen im Woldan verlaſſen müſſen. Mit Freuden begrüßte ſie 1630
die Gelegenheit, an dic einrückenden Sachſen ſich anſchließend ſammt
ihrem Gemale von ihrem Sute wieder Beſitz zum nehmen. Sie blieb
aber nicht in Yeitmerik, fondern 309g mit den Sachſen weiter bie
Brag. Dort blieb fie, bis fie nad Abzug der letzteren als renitente
Kekerin auf dem altſtädter Rathhanfe eingejperrt wurde. Morawetz,
ber Quälereien müde, wurde endlich Fatholiich und Anna mag fi we:
migftens fcheinbar gefügt haben. Weide Fehrten fo nad Leitmeritz
zurüd und die Gemeinde mußte ihnen den Hof in Zeletitz, den ſie
bereits eingezogen hatte, wieder ausliefern, während die übrigen Güter
als Pfand für rücjtändige Eontributionen und Schuldenquote in Beſchlag
blieben. Kurz darauf ftarb ſchon Stephan Moramer; die Witwe
aber verließ nun von Reue erfaßt zum zweiten Male Haus und Hof
und z0g mit ihrem Söhnlein Paul 1632 abermals nad Meißen, wo-
bin fie die Sehnſucht nad dem lang entbehrten Gottesdienfte trieb. Die
Stadt kam fontit wieder in den Befit der verfaffenen Güter. Häufig
erfcheint uns der Fall, daß die in der Fremde fern von Religionsver-
folgung aufgewachſenen Kinder die Glaubensinnigkeit und Zähigkeit der
des Altere Gebrichlichkeit nicht aufmachen, noch irgend einen andern wegen der
Weile des Weges und des Mangels der nöthigen Mittel an ihrer Statt ſchicken.
Ich bin deſſen fe verſichert, daß ihr nicht unterlaffen werdet, ihr diefen Freund:
ſchaſtedienſt in ihrer dringenden Noth zu ermeifen und ich werde mid an ihrer
Statt al® and aus eigenem Antriebe gern gebrauchen laffen, falle ih mich zu
irgend einem möglichen Dienfle euch allen gemeinſchaftlich oder jedem Einzelnen
eiguen ſollte. Wer mir von euch immer darüber nod etmae wird fchreiben
wollen, wird es mohl irgend wie nah Dresden zu fhiden wiſſen und mir
damit ein fehr liebes, hrififichee Merk thun. Ich werde nicht ermangeln ihm
gebührend zu tanten. Der Gnade des geredten Gottes eınpfehle ih Ench alle.
Datum aus Thorn am Freitage den 17. Moi im 3. d. H. 1652. Ener zu
jebem Freundſchaftedienſte bereitwillige M. P. Stranely von Zapffi Gtranfa
in Thorn Bitrger et in gymnasio visitator et professor.
— 502 —
ıd jeiner Gemalin gefammtem Vermögen troß alſer dieſen Vorftellungen ra
chts mehr erhielt und dar er zu Thorn im 75. Vahre feines Alters
und Rath da® genannte Gut und defien Eiarichtung verzeichnen, batd daran? we,
nahmen fie ea dem Bevollmästigten ans den Händen, begannen es von 1622” =
b’8 1630 gegen deren Willen an wen fie wollten zu verichenlen, zu zertheilez —
und zn verlaufen und jo unter verſchiedenen Borwänden die rechtliche Eigen mer,
thümerin darum zu bringen. Als fie dieß in der Fremde erfuhr und perſönlie —
nicht binfommen durfte, fragte fie durch häufige Schreiben gleih damals nom;
frifher That und noch in der Zeit der Unruhen ſchonend, obihon ihr das Reis:
nicht dienen wollte, und bat um ſchließliche Auekunſt, warum und mit welhemmen
Rechte man ihr den Genuß und Nuten ihres Erbe wehre und warum mem nz
da@felbe gegen ihren Willen fo zerftüchle, verfchenle nnd verkaufe. Sie lonre ®e
und kann bie jegt noch nichts darliber erfragen. Ihre genng fhonenden Briefe
wollten fie entweder von den Boten gar nicht annehmen oder fie ſchwiegen zu
Allem und ſchweigen biß jet nody wie die Stummen. Indeſſen bleibt ihr ward
ihrer Tochter But und Erbe bis heute in fremden, wer weiß was für Händen
und in unrechtmäßigem Genuße. Da fi alfo der genannte Bürgermeifler ız zıd
Rath) der Et. 8. durch die freundlichen, vielfältigen, gründlichen Schreiben ızrıd
Nachffragen nit rühren Taffen mochte noch mag und aus Urſache der ihr 1608
verficherten Forderung, die fie bi heute nicht zahlen, und da niemand ihr Die
Wegnahme ihres Butes zur Kenntniß brachte noch bringt, fondern fie dieß a Nes
ohne Bericht ſchweigend vor ihr Amt ziehen und gezogen; — deßhalb fan
man ihnen auf keire andere Weife beikommen, als durch das, was aud je rier
von unferem Grlöfer felbft angeführte, Gott nicht fürchtende und Menſchen mäſcht
achtende Richter jener Stadt von ber Unrecht dufdenden Witwe fürchtete (Luc. 2 8).
Wehrlich nah deren Beifpiel muß jetst fhon meine Gemalin, Katharina WE re}
von Milefhovka, ihre Widerfacher, den Bürgermeiſter und Rath von Leitmeriß
behandeln. Sie ift zwar im Zmeifel, ob fie fie nicht mit jenem Namen br:
ſchuldigen könnte, mit weldem das böhmifhe Stadtreht F. 26, 27, N. 9
O. 26, jeden carentem justo titulo belegt — fir jet aber achtet und hält fie
fie und wird überhaupt fie fo vor allen guten Leuten nennen, für uhr
offenen, Heiliger Gerechtigkeit und Gottes jüngfien Berichtes vergefiene ei z@dt
Sie Magt fie an, und wird fie mit ihren Kindern einft anklagen vor ei wi
mädhtigeren Richter, ale fie find, vor dem gerechten Gotte. Diefer wird fie zum
ihre Nachkommen an ihnen bier zeitlih und nad ihrem Tode mit unverli® 14
lihem feuer ewig räden. Da fie in großem Led nnd in ihrem berzis a
Schmerze dief ſchreiben lie und da fie überdieß fo oft auf die früßeren N®
mentlich an euh H. Heliades am 8. October 1651, an Jakob Strobeliue I
28. März und 2. September, an den Magiſtrat aber faſt unzählige Mat, be‘
ſondere 1627, 16. Auguſt, 3628, 25. März, 25. Mai, 31. Auguf, 18°
25. Zänuer, 8. Yuni, 12. November, 1631, 7. Jäner, 22. Augnuſt datie zit!
Briefe fehnfuchtsvol aber umfonfl auf Antwort wartet, fo bittet fie euch alt
insgemein und jeden insbefondere, der Bedacht Hat anf ein gnt Gewiffen æind
zukünftige Dinge, flehentlich, ichönſtens und beſtens, ihr mödhtet als ehrliche aind
gute Leute (weil ihr leicht Zutritt haben könnt) die wirkliche gute Urſache gen.
AR auch jetzt noch der Bürgermeifter und Rath der St. 2. ihr Brig fe"
fahren ließe und fie befciedige. Selbſt konn fir ſich nah Böhmen meg“”
— 505° —
gezogen haben. Dort ſtarb cr im Jahre 1610 als Primator.”) Das
„Dionyſiſche“ Haus gehörte fortan feinem unmündigen Erben, bis biefen
die Condennation traf und das Haus an den Kaiferrichter Aulik kam.
Erft die nachfolgend genannten Glieder der Familie führen das Prädikat
„von Adlersberg."?) So wird zuerft Wenzel um das Jahr 1572 ge:
nannt, deſſen Gemalin Anna von Springéberg war. Auch die Familien
Kohan, Welif und Nofydlo waren mit der von Adlersberg ver-
Ihwägeri. Vielleicht ein Bruder des Dionys war Georg Houſchka von
Adlersberg, der 1603 feinem Sohne Johann nebſt anderem Befige
ein Edhaus auf dem Ringe (Nr. 907) überließ. Durch feine Gemalin,
Regina Diraz, erlangte er cine weitere Ausficht zur Vermehrung eines
Gutes — doch vernichtete auch hier alle Ausfichten die Gegenreformation.
Auch cr verließ ſammt feiner Gemalin und feinen Töchtern Hab und
Gut und alle Anwartihaft, um ins Eril zu wandern. So verichwand
auch diefe Familie aus Yeitmerigß.
Dasjelbe Schidfal erreichte die weit ältere und berühmtere Patri-
zierfamilie der Kameike. Schon jeit dem vorigen ZJeitraume hatte diele
alte Ritterfamilie treu zum Bürgerthume und zur Stadt gehalten. Räthe
und Richter, Gelehrte und Zchulmänner hatte fie der Stadt erzeugt, fie
galt, die Vorzüge des Zufalls durd jene eigenen Verdienftes überbietend,
mit Recht ale eine hohe Zierde der Stadt — aber auch dieſe Zierde
ichonte der Sturm der Zeit nicht. Das ehemalige ritterliche Gut der
Familie, das ſich in jeinen Haupttheilen von Pokratitz aus über
die dermaligen Mentauer Forſte, Hlinai, Winterberg, Babina,
Ziherihing u. ſ. w. erfiredt hatte, war freilich im Yaufe des 16.
Sahrhundertes theils durch Theilungen an Berwandte, theils durch Ab-
verfäufe wejentlich gejchnälert worden. Jaroslav und feinen Sohn
Andreas haben wir bereits in VBerlaufeverhandlungen mit der Ge-
meinde gefunden. Letzterer hinterließ vier Cöhne, von denen indeß nur
Einer Zeuge des Untergauges feines Hauſes wurde. Paul jtarb früh,
M. Sigmund 1614, Gregor 16.6, M. Wenzel aber erlebte die
— — — — —
) Sein Deunkſtein in der Mariaſchneekirche. ) Es braucht kaum eigens erwähnt
zu werden, daß die Adelsmanie unter den Bürgern auch in dieſem Zeitraume
fi fehr bemerklich machte. Eine alte familie nannte fi bie 1598 fchlechtweg
Bench. Johann, der Sohn des alten Gallus aber nannte fi feit feiner
Banderfchaft „von Bulopna“, die Brüder Matbiad und Martin Stomidy und
Johann Prajat erhielten 1561 die Adelowürde mit dem 'Brädilate „von Stomic“
m. |. w.
Eltern nit befigen. Oft genug fehnten fie fich, gleichgiltiger geworden,
nit Noth md Entbehrung fämpfend, nad den Fleiſchtöpfen Aegyptens
zurück. So fehrte aud Paul Morawetz, nahdem er feiner Mutter
die Augen zugedrüdt, 1651 gebrochenen Muthes nad) Böhmen zurück,
um die Güter jeiner Familie, von denen er in mancher trüben Stunde
mag erzählen gehört haben, aufzufuchen, und wurde Fatholifch, um fie ing
Befiß nehmen zu können. Zrog allem Borfchub, den man folhen Con. —
vertiten zu leijten pflegte, war es doc nicht Leicht, wieder zu einem
Beſitze zu gelangen, der fih Ichon fo lange in fremden Händen befantm _
Morameg mußte, um das Ende eines langwierigen Prozeſſes abzumr -
warten, bei feinem Freunde Samuel Fednicky von Dohfenftei m
inzwifchen ein Unterfommen ſuchen und ftarb, jo aud) im Vaterlan Se
noch Erulant, ehe der Streit entichieden war. Der Sohn des erwähnt en
Lednicty, Johann Albrecht, ließ den Armen auf eigene Koften kei
Sct. Tafob in Prag begraben. Bald darauf wurde der Prozeß zu firmen
Gunſten entfchieden, und es trat nun ein Friedrih Place als Rec 8:
nachfolger an feine Stelle. Da aber Yednicky nun Forderungen erh ob,
die Placek nicht beiriedigen fonnte, jo trat er diefem mit Wiffen Der
Stadt den Hof in Zeletig unter Vorbehalt eines Dritteld ab, weliEye$
fegtere er 1662 dem Johann Wilhelm Skala von Zhor überligß. S on
Lednicky fiel das Gut nah Inteftatfolge an deſſen Gefchwifterfi rd,
den pifefer Bürger Georg Werbensfy von Dazom, der eg IE 65
iedodh ohne vorher erlangte Einwilligung der Stadt an den altſtäd zer
Bürger Mathias Kunſtat verfaufte. Gegen Kunſtat begann deßh ab
die Gemeinde aufs neue einen Rechtsftreit, in welchem ihr (6. Iuli 1660)
der genannte Hof gegen Erfag defien, was Kunftat auf feine Verbefſe⸗
rung verwendet hatte, als heimgefallen zugefprochen wurde.
Als ebenfalls verihwägert mit den Mrazen fernten wir die
Hauſchka von Adlersberg fennen. Die Familie zerfiel in mehrere
Pinien, deren Verhältnis uns nicht weiter befannt if. Im 16. Yahr:
hunderte treffeu wir bereits eine Binderfamilie diefes Namens: Mathias,
deffen Sohn Martin und deiien Sohn Johann. Doch führten diejelben
feinen weiteren Beinamen, ebenfo wenig nod) der alte Dionys Hauſchka,
unter dem die Familie anf den Höhepunkt ihres Reichthumes gekommen
zu fein ſcheint. Ihn Ternten wir ichon als Beſitzer des eriten Batrizier:
hauſes und Hotels kennen, che die Mraze ihre Häufer bauten. 1568
war Dionye Rathemann in Yeitmerig, muß aber nahmals jeine
Veſitzungen dafelbft jeinen Verwandten überlaffen und ſich nah Bubdin
— 507 —
Hauſchka Heirathete. Johann Nofydlo ftarb um das Jahr 1603 und
hinterließ Haus und Gut feiner Gemafin Martha und feinen neun
Rindern. Darunter waren Wenzel, Dorothea, Ludmilla, Katharina, die
auch noch eine Erbfchaft in Jeletik von Wenzel Hostecky aus Geblik
madten. Wenzel, das nahmalige Haupt der Familie, wurde in die
6. Kaffe der Majeſtätsverbrecher eingereiht und verlieh fein Haus und fein
Gütchen vor dem Neuthore, ) Im Erife fand er wie Stransfy Troft
in der Aufzeichnung der traurigen Schickſale Böhmens. Sein Werk befand
fih eine Zeit fang in Pirna, das aud ihn gajtfreundlich aufgenommen
zu haben fcheint, foll aber dermalen in der gräfl. Thunſchen Bibliothek
zu Tetfchen verwahrt werden. ?)
Zahlreich verbreitet und fehr begütert war die Familie der Simecet
oder Siska von Cejnov, die uns neben vielen andern ein Beifpiel
liefert, wie der religiöfe Zwiſt felbft in die Yamilien drang und Bruder
von Bruder riß. Am Ende des 16. Iahrhundertes Tebten nebſt andern
Stiedern der Familie vier Brüder: Baul, Laurenz, Mathias ımd
Jakob. Faſt jeder derfelben befaß mehrere Häufer in der Stadt. Ma—
thias ftarb (c. 1619) kinderlos. Sein Stammhaus war das Edhaus
gegenüber dem Kirchhofe (Nr. EC. 10), außerdem befaß er noch eines an
der Dftfeite des Ringes, mehrere Höfchen und Hütten bei der Stadt und
eine große Zahl Felder und Weinberge. Das Stammhaus nebft dem
größern Theile des Grundbeſitzes gieng an feinen Vetter Wenzel, ben
Sohn Jakobs über, der fortan die hervorragendfte Rolle in der Familie
fpielte. Einen Theil der Gründe erbte auch der Sohn jeines zweiten
Bruders Pauls, mit Namen Mathias, der nahezu 20 Jahre die
Würde eines Kaiferrichters bekleidete. Das zweite Ringhaus aber erhielt
ein entfernter Verwandter, Paul FJateckj. Anch der Sohn Yaurenz8,
ber armlofe Adam, wurde mit einigem bedacht. — Wenzels Bruder
war Bartholomäus. Andere „Vettern“, die um die Zeit des 30jährigen
Krieges lebten, hießen Yudmwig ı Stadtrat 1620), Simon (degl. 1630),
Georg (d8gl. 1626; Notar in Außig 1630). Weich begütert war aud)
Andreas Simeẽel, der außer dem Haufe neben dem 2. des Mathias
no zwei Häuschen vor der Stadt und eine Anzahl Gärten und Wein
berge bejaß. Auch er hatte wie fein Vetter Wenzel Jahre lang ehren:
volle Stadtämter beffeidet, Ietterer aber übertraf ihn an Neichthunt, feit
) Auf feinem verlafjenen Grunde und einem Theile desjenigen feines Nachbars
und Scidfalsgenofien, Rubin von Springsberg fleht dermalen das Real:
ſchulgebände. ?) Leider konnten wir zur Bentigung besfelben nicht gelangen.
— 506 —
Zelt der Verſuchungen durch die Neligion der Liebe — doch wiberftand
er Ihnen. In 2, Claſſe verurtheitt, ließ er fih dur die verheifent
Milckerſtattung eines auf 2410 Sch. gefhägten Gutes nit zum fall
bewegen, fondern griff fammt feiner Semalin Katharina und feinem
glelchnamigen Töchterlein zum Wanbderftabe, um gleich taufend anderen
In deutſchen Yanden eine Aufluchtftätte zu finden. Ein Theil feizuer
Wilter die Im Anjezd gelegenen — kamen an das unerſättliche Me—
ſormatlouswerkzeug Aulil, der fie durch die noch heute ſichtbare Sct.
Wenzelaſtatnue bezeichnete --- Ihrem letzten rechtmäßigen Beſitzer Wen zel
zu Ehren oder zum — Hohne? DM. Wenzel und fein Weib ertrugen
bie Muühſale des Exile, bie der Tod ihnen ein Ende madte, die ver
walfte Tochter aber, die ben Kampf, den ihre Eltern gelämpft, wohl
kaum au würdigen vermochte, befreundete fi) mit dem Gebanfen, heim:
zukehren und um dad Opfer des Glaubens ihr Familiengut wieder in
Weile zu nehmen,
Die Einführung in ihr Gut wurde ihr aber nicht fo leicht gemacht,
wie die in die katholiſche Kirche. Obgleich fie ala Gemalin eines praget
Aürners, Namens Nezbeda, einen neuen Herd gefunden hatte, gab fit
Ihre Auſprüche auf den alten um fo weniger auf, als ſich ihr Det
Umſtand von großen Mutzen erwies, dak der Name des unglüdlichen
Waters auf der idr zur Einſicht vorgelegten Criginallijte der Condemnirten
nicht vorlam. wädrend er in dem der Stadt übergebenen Exemplare fid)
allerdings vorinder Der diedurch entilandene Rechiäftreit zwiichen Ka”
idarina Nerdeda und der Gemeinde Yeitmerik 309 fih nahezu
ein daldes Jadrdundert lang din. bie ji die Parteien am 25. Jänet
LET dadin gautlich veraliden. ME Nutderina gegen eine Barentichäbigung
vor MO Ad. die idr die Stadt auszadlite. idre Aniprüde für inımer
auigad. werd Mir Schatungewertde nach dad Wut eigentlich zwiſchen
deiden Karteien gleich getdeilt erſcheint. Nuter Leorpold beftätigte
Mehr Vertrag amt LI. Auguſt L6Te, jedoed mit dem auedrücklichen Be
deuren MR der Sorfabren zu fernen: Noktudt, um mimdeiten gegen:
ud voor Wanlac rienger Simignaittenfindernm. werden Volle —
Weonzer war der ia. der den Nameit fer Naımeile wa Ro—
Prztıy gruget
Die Fant: Kr AP Er rar un ar grökens
Seren Yun den Soructeder ur Jabscdem VOreuer:. ur fie here
ergende: Tier Atx Oheerg Xvindto war hd U>7) zeteriem merizt
Ar Wurm Lu at Syrizgarerg Re mir pm Menzel
— 509 —
Anedla Niskowoth gewann 1612 der damals 28jährige Lehrer und Chor-
rector, was cr gewünfcdt, ein Haus in der Stadt und andermeitigen
Befig — daneben aud cine Frau. Die Inquifition aber bedrohte ihn
mit dem Berlufte der Hälfte des eben erworbenen, an das die Anhäng-
lichteit größer war al® an die Gemalin. Schon zu Weihnachten 1626
ergriff diefe, eine Greifin von 65 Jahren, den Wanderftab und gieng,
wie fie glaubte ihrem Manne voran, nah) Pirna. Diefer aber konnte
fih, als aud an ihn die Entiheidung trat, von dem liebgewonncnen
Gute und der bequemen Häuslichkeit nicht niehr losſagen. Der Schüler
des Troilus opferte Glauben wie Gemalin, die Begründerin feiner Exiſtenz,
wurde Tatholifch und blieb im Beſitze. Aus der Schule gelangte er aufs
Rathhaus und wurde Stadtridter. Seine alte Gemalin aber konnte ſich
nicht zur Umkehr verjtehen — fie blieb bis zu ihrem Tode (1629) zu
Birna im Eril. Arcadius aber erfreute ſich des geliebten Eigenthums
und feiner neuen jungen Gattin (Efifabeth Painhauer) nicht lange. Am
19. November 1632 erlag er den Mißhandlungen der einquartierten
Soldaten. Sein hiſtoriſches und autobiographiiches Tagebuch hat ſich
erhalten.
Zu Pirna lebten ferner noch nachweislich als Emigranten aus
Leitmerig Georg Donat, Wenzel Gottſchalt, der ehemalige Dechant
M. Scquenides, der Dealer Barthol. Reißmann,') eine Tochter
des Kochan von Pradov *), Helena und Ludmilla Baumpyarten,
Michael Bergmann, Aegidius Keller?) und Georg Danufd.
Jollann Aunostifh diente nachmals ale Cornet bei den Schweden *), ein
Wenzel Lohan als Kapitainlientenant.
Bon denen, bie das Elend nicht ertruigen, jondern wieder heim:
fehrten und katholifch wurden, find uns außer den bereits genannten noch
folgende befannt:
Johann Hanuſch, den fein Vater Georg mit nah Pirna ge—
nommen hatte, erlernte dort die Apotbeferei und fehrte 1644 nad) Böhmen
zurüd, um wenigitens das Vermögen feiner Deutter, von dem nur die
Quote abzuziehen gewejen war, wieder zu erlangen. Nach cinem Ur⸗
theile der Kammer wurde cr jedoch mit einem Sechstheile besjelben abge-
fertigt. — Johann Jelen wies bereite 1637 nad, daß er, nad Yeit-
merig zurüdgelchrt, ji von den Kapuzinern habe im Glauben unter:
) Piſchek Erulantın 37 f. ?) Deiſelbe, Gegenref. 11. 625. ®) Nach Kiefiger Quelle.
9 Bei. Begeuret. 11. 444.
— 510 —
richten laſſen und zweimal gebeichtet habe und bat um Wiederaufnahnte
in die Bürgerfchaft, was 1642 auch Wenzel Klatovsfy uud mehrere
Ungenannt: thaten.
Während von den legten weiblichen Nachkommen des einft reichen
Haufes der Kandorsky von Kandorsfa hora bereits berichtet wurde,
bleiben nur noch die bedeutenderen männlichen Angehörigen jener Familie
zu erwähnen. Schon 1560 finden wir einen Wenzel Kandorsty im
Rathskolleginm und 1576 cinen Johann, der 1610 mit Hinterlaflung
zweier Söhne, Johann Burian (geb. 1569) und Adam (FT 1612)
jtarb. Adam befaß außer dem Erbtheile feiner Gemalin Eliſabeth Mraz
zwei Häufer in der Stadt, darunter das dermalige Wr. C. 139. Mit
feine: Tode erlofch die Familie bie auf feine Tochter Anna, die mit
ihrer Muhme, der Gemalin Stranstye, ins Exil gieng. Das ge-
nannte Haus faufte 1643 Georg Opig. — Bon ber chenfalld er-
lofchenen Familie Kolda ijt bereits öfter die Rede geivefen. Die Daupt-
vertreter derjelben waren der alte Adam (7 c. 1607) und feine Söhne
Adam und Tobias, deren nahbarlihe Häufer im 4. Stadtviertel
jtanden, wo Tobias Hauptmann war. Beide wanderten aus.
Zu den erit in der Zeit der Reaction eingewanderten Familien
gehörte die des mehrerwähnten Nikolaus Mraz, die man zum Unter—
Ichiede von der ältern gleichnamigen Familie auh Mrazek oder Bu—
dinsfy nannte. Diefer Mraz war urfprünglid ein Unterthan der
alfzeit katholiſchen Herrihaft Haſenburg und diente unter dem letzten
Dajenburger als Wirthſchaftsbeamte auf der Herrfhaft Budin. Da:
ſelbſt heiratete er die Tochter des oft genannten Dionye Housta und
erlangte jamımt diejer von Johann Zbynek von Dajenburg die Ent:
laſſung aus der Unterthänigkeit. Als diefem 1613 feine Herrſchaft
Budin jchuldenhalber verkauft wurde, bejtätigte der Käufer, „wenngleich
ungern,“ dic geichehene Entlaſſung und Mraz überjiedelte nachmals nad)
Teitmerig, wodurch der angeführte Proceß hervorgerufen wurde. Wr
itarb ohne Erben zu binterlalfen. — Auch der Ephemeridenfchreiber Jo—
hann Heliades kam erjt zur Seit der Gegenreformation (um 1625)
nah Yeitmerig, erbeirathete einiges Vermögen, jein einziger Sohn
aber wurde Kapuziner. — Am glüdlichften im Erwerbe war unter den
neuen Familien unſtreitig die oftgenannte des S. Peter Aulil von
Trebuig, der Anfangs Kaiferrichter dajelbjt am 10. Juni 1629 zum
Secretär der bohmiſchen Kanzlei und nachmals zum Hofrichter ernannt
wurde, während er ohne dic Neiden des Krieges mit feinen neuen Diit-
— 511 —
bürgern theilen zu müflen, doc feine Beſitzungen dafelbft beftändig ver-
größere. Schon 1628 hatte Ferdinand 1. die durch Aulik erwor-
benen Emigrantengüter zum Nachtheile der Stadt aus deren Schoßpflicht
enthoben und fie zu freien und landtäflichen gemacht. Diefelben wurden
auf demfelben Wege weiter vermehrt und Ferdinand IL. erhob fchließlich
am 14. Juni 1650 das chemals „Dionyſiſche“ Haus zu einem Nitter-
fige unter dem Namen „Königsburg“ oder „Kralüv Hrädek nad
Labem,“ nad weldem fi Aulik von nun am fdhrieb und nannte.
Gleichzeitig wurde ihm aber gegen die Gemohnpeit geftattet, auf dieſes
Haus jährlich 8 Gebräu Bier zu brauen und mit Wein und Getreide
zu handeln wie anderer Bürger zwei. Seine Nachkommen aber follten
nur 4 Gebräu machen dürfen. Außer der „Königsburg“ befaß er da-
mals nod das Nachbarhaus des mweiland Franz (Nr. 12), das des
Trupel (Nr. 18) und das des Polabely in dem oberen Stadttheile.
Auch Schuldforderungen an die Gemeinde hatte Aulik an fid gebradt
(wie die nerhoff'iche), worüber lange Streitigkeiten entjtanden, die erſt
am 26. Sept. 1650 durch Vermittlung des Unterkämmerers beigelegt
wurden. Aulik jchenkte die Schuld der bereits erwähnten Kreuzkapelle
und die Gemeinde verpfändete ihm bie zum Ausgleiche die große Infel
(Schügeninjel), Ueber die ebenfalls jtreitige Schoßpfliht der nicht be-
jreiten Häufer vereinigte man fi dahin, daß Aulik jährlid 12 Sch.
auf die Häujer des weiland Treitler (im langen Thore) und Trupel
verfichern, dagegen aber von aller Schagung und Auflage frei ſein jolle.
— As Anlik am 6. Mai 1657 ftarb, hinterlich er, jo viel wir willen,
5 Söhne und 2 Töchter. Nur zwei der erjteren, Joſeph Ignatius und
Simon Paul werden wir ferner in Yeitmerig treifen. Johann Karl,
Sekretär in Brünn, vermählte ji) 1648 mit der Witwe dee dortigen
Kaiferrichters, Wenzel Franz lebte in Bardubig, Peter Georg in
Brag. Der Glanz des Haufes war aber von ſehr kurzer Dauer. Große
Schulden, die Folge leihtjinniger Verwendung des leichterworbenen
Gutes, drüdten bald alle einzelnen.
Verſchwägert mir diefer Kamilie waren die chen neu eingewanderten
Bitfhan von Bellefort und Strobel (Strobelius) von Stern:
feld. Erasmus Pitſchan vereinigte auf der Südfeite des Ringes zwei
Bairizierhäujer (jegt Ar. 19) und beſaß außerdem noch 2 andere Häuſer.
Durd feine Gemalin Eliſabeth wurde er der Schwirgerfohn S. 8.
Aulits. Sein Bruder Johann Karl Pitfchan, mehrmals Primatar,
befaß außer dem Echhauſe (Nr. 31) noch 2 Häufer in demſelben Stadt»
— 312 —
viertel. — Die Familie Strohel war gegen 1648 mit dem Rail
richter Jakob nah Yeitmerik gefommen ımd hatte da8 Haus erworbe «ur
das jetzt ala Fleiſchbank dient. — Ebenfo war die Familie Hero -|
von Stoda ſchon vordem in faiferlichen Dienften dahingefonmen.. (=)
Georg Wilhelm, wait. Raiferrichter und Primas, F 2. Jäner 1646.). _
Wie diefe ſtammten noch viele der neuen Samilien aus fremden Or- ten
(de Best aus Prag, Burian aus Sobotla, Yinhart aus Rafonig u. |. wem.)
andere hatten fic) aus chemaligen Inwohnern und Unterthanen zu Bürg «ern
und Beſitzern emporgefchwungen. ")
4. Die Nachbarfchaft.
Auch in der Nachbarſchaft giengen in diefem Zeitraume allent
halben große Veränderungen vor fi), minder bei geiftlichen, al bei
weltlichen Herrſchaften.
Nachdem das Stift auf der Neuſtadt eine höchſt gefährlicht
Kriſis glücklich überftanden, kamen für dasſelbe wieder in dem Maße
günſtigere Zeiten, als jie für die Stadt ungünftig wurden. Wir per:
ließen das Stift unter Johann Hafenberger, auf welden Kaſpar
von Yogau (1550 — 15671, ein geborener Schlejier, dann Wilhelm Br 28:
finewen (1562 41565 in der Probitei folgten. Jener wurde von
da aud Miichof von Wienerienftadt, dicer von Olmügp. —
Marcus, Freiherr von Kitlitz, ebenfalls cin Schleſier, führte die Yet:
tung des Kapitels von 1565 bie 1580 und mar eifrig bemüht, dasjelD*
emporzubringen. Für die Bürgerſchait war ce nidt ohne Bedeutung ⸗
daR cr zu jenem Zwecke im \Nahre 15609 die bereits im 13. Jahrhun
derte begonnene Enpbiteutifterung dr cm Chiftnom liegenden Gründe‘
um Emvernehmen mir Dem dermaltgen Domdechant Dr. Yarth. a Piczino
ard dem ganzen Kapttel vortẽetzte. india er 150 Zeil :funiculosi Ader
weldir unter erdlident Haldtadrzins zu GEcorgi und Galli) an leitme-
NEIN DBrondere Eirsit dererre Tdatasta beroben auf Actea dee |. St.
A urn der detenreret Burgen derdatrstez 18 an ber Ecwerdung:
eng der Adierederz mim) ZR DS ogr Sue, Iob. Zlaſobtadet
eur dt. Vadxa Amt mm) SE 5 Tr. Nie Drabdrarftn
RAN Nic Micdartirs de ia miegn Matun Boa mtl cc,
N Tremors vor Diary „de magic ccm" mt 1 Sb 280 ır.
ton io thrtiraem. hm Zarmre tr tr Bricodnung fulle,
PATRN, AS, Paadr N. gest Dig m. Er.
— 513 —
dem fogenannten „pernichen Weinbergrechte” jedenfalls bedeutend erweitert
wurde. — Dienftag nah S. Dionys 1580 wurde Dr. Wolfgang
von Bifhofteinig als Probſt inftalliert.”) Auch er war um bie
Emporbringung feines Stiftes beforgt. Unter feiner Regierung wurde
die Hauptglode bei S. Stephan angefchafft und aufgezogen. Der Aber-
glaube des utraquiftifchen Bürgerthums knüpfte an ein hiebei vorgefallene®
Ungläd die Sage von einem Wunberzeichen. Unten in der Stadt wurde
ber Todestag Hufens (6. Juli) als Feiertag begangen, oben auf dem
Dome aber ließ grade an diefem Tage der Probft die neue Glocke auf-
ziehen — fie fiel herab und erichlug den Zimmermann, worüber auf
lange Zeit viel Redens in der Stadt entitand.?) Dr. Wolfgang jtarb
am 13. Juli 1586 von den Bürgern wenig bedauert. Die Gehäfligkeit
fheint ihm fein Latholiicher Eifer zugezogen zu haben. Selbft die Art
feines fchnellen Todes legte man als Gottesurtheil aus. Schon am
14. Juni 1687 folgte ihm fein Nachfolger Ludwig Smwihonsty von
Riefenburg, ein Dann von 28 Iahren, ber bisher nur die Weihe
des Subdialonats empfangen hatte, auh im Tode nad. — Zhyndek
Berta von Duba fam ſchon 1592 von der Probftei zum erzbiſchöflichen
Stuhle. — Bis 1598 bekleidete Franz Freiherr von Dietridftein
und Niloisburg die Würde der Probftei, für die er die Auszeich-
uung der Iufel gewann, welche zuerft fein Nachfolger, der Dichter und
Mufiler Ialob Chimarrhäus, vormals Almofenier und Mufildireltor
Kaiſer Rudolf UI. trug. Er wurde am 21. Juli 1599 eingeführt
und ftarb am 24. Auguft 1604. Die Bürger von Xeitmerit lobten
fich ihn als einen freundlichen und verträglichen Nachbar, nur daß er
— ſetzt der Ehronift wie tadelnd hinzu — ein zu großer Liebhaber der
Muſik geweien fei. — Daniel von Jenitz, der ihm folgte, ift bekannt
als ein großer Freund der Jeſuiten, bie er zu Erben feines Ber:
mögens einfette, und zu denen fein Leichnam (F 29. Auguſt 1617) nad
feinem Wunfche überführt wurde. Er foll fogar im Sinne gehabt haben,
die Probjtei jelbit an den Jefuitenorden zu bringen. — Probft Johann
Sirtus von Rerchenfeld (1617, T 3. November 1629) ift ein berühmter
Forderer der Wiffenfchaften und Künfte. Er felbft war als Dichter nnd
Komponift thätig. ?) In feiner Probftei errichtete er auf eigene Koften
eine Onddruderei, in der er feine Werke ſelbſt zum Drude beförberte
ı) Memorabb. — Eine Series if gedrudt in Illnſtrierte Ehronit von Böhmen
IV., 505 fl. ) DMemorabb. „Jednuska“ war ber gewöhnliche Spottname für
bie Ratholiten. 3) Balbin Bohen. Doct. 1., 87 f.
83
— 614 —
(meift Siegeshymnen — 3. B. auf Tilly — Leichenreden ꝛc). Nicht lange
nad) ihrer Errichtung gieng fie durch Flammen ſammt der alten Probftei
zu Grunde. Das Feuer war am 31. Yäner 1627 durch die Unvor⸗
fichtigkeit eines Druckers ausgebrochen, nicht aber, wie nachmals behauptet
wurde, durd die ftändifchen Truppen angelegt worden. ') Drei Berjonen
follen in den Flammen umgelommen fein. Lerchenfeld baute das
Probfteigebäube wieder auf. Er war der erfte Probft, dem in Gemäßheit
der verneuerten Zandesordnung Sig und Stimme im Landtage als Landes⸗
prälaten zu Theil wurde. — An feine Stelle wurde der aus ber Ge—
fhichte der Gegenreformation vielfach bekannte Johann Ctibor Kotwa
von Freifeld bereit8 am 18. November 1629 feierlichft inftalliert.
Dalbin ?) rühmt ihn als ausgezeichneten Prediger und Förderer der cechi⸗
{hen Sprade. Schon zu feiner Zeit begannen die Conflicte zwilchen der
fi mählig wieder fammelnden Stadtgemeinde und dem Stifte, das den
Vortheif der Zeit auf alle mögliche Weile benügte. Er war bereits
für den in Leitmeritz zu errihtenden Biſchofsſitz beftimmt, als er
1637 ftarb und die Ehre, der erfte Biſchof von Leitmerig zu fein, feinem
Nachfolger Marimilian Rudolph Freiherrn von Schleinitz überließ.
Dur dieſen mehrte fi der alte Zwiſt zwifchen Bürgerfchaft und Kapitel
aus vielerlei Anläſſen. Schleinig wirkte mit ungewöhnlicher Energie
für die Emporbringung feines Stiftes und trachtete befonders, feit die
Erridtung eines Bisthums dafelbft nur mehr eine Frage der Zeit war, den
künftigen Bifchofsfig reich und würdig zu geftalten. Es ift kein Wunder,
daß feine Rüdfichtslofigkeit bei feinem befannten Abelöftolze häufig genug
verleßte, wie auch er zu Klagen fehr leicht zu reizen war. “Die häufigiten
Zwiftigleiten entiprangen durch die Erwerbung von Schoßgut feitens des
Stiftes. — Bereitd im Jahre 1643 wollte Schleinig zur Erweiterung
feines ziemlich engen Bezirkes ein zum Stadifchoß gehöriges Haus auf
der Neuftadt (Veit Lehe) kaufen, wie es fcheint, ohne die allerdinge
gebotene Rückſicht auf die Stadt zu nehmen. Dieſe wiederfegte ſich
dem Kaufe nnd bat um Schuß bei der kön. Kammer, die wirklich zu
ihren Sunften entfchied; doch kam der Prozeß dur Vermittlung des
Erzbifhofes bis vor den Kaiſer felbft. Bei diefem klagte der Probſt
noch fernere (24. Feber 1645), daB die Stadt feine eigenen Unterthanen
durch Einguartierung und ähnliche Yaften bejchwere, als ob fie unter ihre
Jurisdiction gehörten, während fie doch „zum Kreiſe geichlagen” jeien,
) Heliades Ephemerid. *) 8, a. DO. S. 80.
— 55 —
worauf Ferdinand II. am 27. October 1645 ein ftrenge® Edict zu
feinen Gunſten erließ. Der erfte Streit wurde dagegen erft ausgetragen,
ale 1648 der bereits erwähnte Tauſch gefchloffen wurde, wodurd der
Brobft nicht nur den großen Domplatz, fondern auch die nachmals unter
feine Herrihaft gehörenden Häuschen auf der Neuftadt in feinen Beſitz
erhielt. Mehrere Gärten und Häuschen, darunter auch das jtrittige,
faufte er nun gleichzeitig hinzu. Den ganzen Bezirk umfchloß er nad»
mals gegen die übrige Neuftadt zu mit einer Mauer. Der alte Streit
brach aber gleih darauf (1650) wieder aus, als ein ftädtifcher Unter⸗
than aus der Fiſcherei (Georg Kutfchera) fein Haus wegen angeblid)
fchlechter Behandlung von Seiten feines Sohnes dein Domitifte ſchenken
wollte, was die Stadt natürlich nicht zugab. — Biel langwieriger aber war
der Prozeß wegen der fogen. „Sejnowifchen Stiftung”... Simon Karl
Simeiet von Cejnow, ein Glied der uns befannten Familie, ſcheint
in jungen Jahren unter den Emigranten außer Landes gekommen zu ſein;
wenigſtens ſagt er ſelbſt, er habe ſich dort — des Dienſtes wegen auf⸗
gehalten. Wie andere mag ihn ſpäter der Wunſch nach dem in der
Phantafie des Knaben vielleicht ſehr vergrößerten Beſitze ſeines Hauſes
zum Katholizismus getrieben haben. Wieder heimgekehrt und convertiert
fand er das begehrte Erbe zum Theil in fremden Händen und wie es
fheint unmwiederbringlic verloren. Dieß mag ihn auf den Gedanken
gebracht haben, die allmächtige Gewalt jener Zeit in den Bund zu
nehmen. Gr ſchenkte daher 1647 feine Anfprühe und fein Bermögen
dem Domftifte als eine neue Ganonicatsftiftung, fich felbft bloß
den Nutzgenuß derfeiben für feine Lebenszeit vorbehaltend und begab ſich
„auf Studien”. Die Wiedererlangung des Berlorenen und die Rea⸗
fifierung fämmtliher Anſprüche war nun Sorge des Stiftes, das hin:
wiederum für den leiblichen Unterhalt Simekets zu forgen über-
nommen hatte. Die Art und Weiſe, wie das zu gefchehen habe, überließ
der Erzbifchof, der die Stiftung beftätigte, dem Gutbünlen des Stiftes
ſelbſt. „Wenn nur die Fundation“, fchrieb er 1652, „in ihrem Beſtande
bleibt, können die Sapitularen wie immer für des Stifters Unterhalt forgen,
und wenn fie etwa nicht wollten die Delonomen eine® andern fein, fo
mögen fie es ihm überlaffen, durch eigene Sorge daraus feine Nahrung zu
gewinnen, doch fo, daß fie darüber wachen, daß nichts davon veräußert
oder verfchlechtert werde." — Schwieriger war die Auseinanderfegung
mit der Stadt. Unter dem Fundationsvermögen, das das Stift wirklich
in Befig genommen, befand ſich auch ein Haus, oder vielmehr eine Bau-
85
— 516 —
fielle nebft einem Häuschen im Woldan, die, ehedem im Befite einer
Katharina Simecek, wegen der darauf haftenden Quote und Strafe
bereit8 der Gemeinde zugeiprochen war, ferner ein Weinberg in der
mittleren Bolabe, der ehedem dem Emigranten Andreas Simeiet
gehört hatte. Auch diefer war auf diefelbe Weife bereits der Gemeinde
zugefallen, die ihn an den zurüdgebliebenen Wenzel Simelet verkaufte.
Sie nahm ihn aber wieder zurüd, als diefer den Kauffchilling nicht er-
legte, um ihn an einen andern Bürger zu verlaufen. Die Gemeinde
war hierin im Haren Rechte, doch fteifte fih das Stift darauf, daß der
Kaifer bereits die gefammte Fundation und fomit auch einſchließlich die
befprodhenen Theile beftätigt habe und erklärte den erwähnten Kauf für
nichtig. Zu dem verlangte Simeiel (1653) nod von der Gemeinde
die Nachfiht der feit vielen Jahren aufgelaufenen Contributionsrefte.
Der Prozeß dauerte durch viele Jahre. 1658 ſchien ein Bergleid dahin
möglih, daß das Gut zwar im Befike das Stiftes, aber im Schoße
der Stadt bleibe, nur Handelte es fi) noch um bie Uebernahme von
510 fl. rüdftänbiger Eontribution. Schleinig war lange ſchon Biſchof,
Simetet Kanonikus, und immer noch ftritten die Parteien, bis endlich
1665 wieder bie Neigung zu einem Bergleiche hervortrat. ")
Aus den umliegenden großen Gütern hatten fich feit ben Hufiten:
zeiten durch vielfache Zerfplitterung unter den occupierenden Abelsfamilien
zahlreiche Meine Herrfchaften gebildet, die nach der weißenberger Schladht
nur zum geringften Theile an ihre vormaligen — geiftlihen — Herren
wieder zurüdgelangten.
Zu biefen wenigen gehörte das Gut Schüttenig, auf welchem
zu jener Zeit die Yamilie von Ruppan (z Roupowa) herrſchte und
wohnte. Mehrere Glieder und Berwandte derjelben ruhen auf bem Fried⸗
hofe bei St. Beter und Paul. Gegen Anfang des Zeitraums (um 1560)
lebten dajelbft die beiden Brüder Wenzel und Johann der ältere von
Ruppau. Mit Schüttenig hatten fie auch einen Theil von Trnowan
vereinigt und Johann wohnte dafelbft auf einem Schloße, das — nun:
mehr ein Schüttboden und ein Häuschen — fo mande Teitlichteit ſah.
Wenzel, ebenfalls der ältere genannt, war ein unfreundlider Nachbar.
Der Stadtfchreiber bemerkt bei feinem im Jahr 1578 erfolgten Tode:
„Seid froh! Befler als wenn er noch einige erſchlagen hätte." Sein
Grabmal, — nunmehr wie alle verfhwunden — ftand im Schüttenig.
ı) Memorabb.; Gapitularargiv, St. U.
— 517 —
Seine Gemahlin war Barbara, Gräfin Schlid. — Nah ihm wird
ein Iohann Adam von Ruppau genannt, der die Witwe Wilhelms
von Dafenburg, geborene Martinig, 1601 zur Gemalin nahn.') “Der
legte weltliche Befiger von Schüttenig und Trnowan war ber
befannte revolutionäre Kanzler Wenzel Wilhelm von Ruppan, feine
Gemalin Alena eine geborene Swihovskij. Weide vertrieb die Revo:
Intion aus dem Lande, und ihr Gut übergab Ferdinandll. den früheren
Beſitzern, den Pröbften von Wyſchehrad, die es feither ungeftört genießen.
Wenzel Wilhelm fah fein But nur nod einmal wieder, als er
1634 mit den Schweden nah Leit meritz zurüdfehrte — um bafelbft
von Irrfinn umnachtet zu fterben. Ein Augenzeuge, der Bürger Joh.
Heliades, fagt in feinem Tagebuche von dem Tode des Agitatord: „Am
10. September verfiel der wolg. Herr W. W. von Ruppau mit feinen
vielen Praktilen in eine Krankheit, wurde fo des Gedächtnilfes und Ver⸗
ftandes baar, daß er rohe Vögel aß und feinem Diener die Haare abzu⸗
fcheren befahl und die eigenen fi ausraufte mit furdtbarem Gebrüll.
Er ftarb im kandorskyſchen Haufe (alfo N. C. 139) und fein Leichnam
. wurde auf der Elbe nah Dresden geführt. ?)
Neben denen von Ruppau finden wir um 1578 nod einen Johann
Wendefteiner im Beſitze eines Tcheiles von Trnowan, deilen Beziehung
zu jenem Haufe wir nicht näher lennen. 1620 Tam auch diefes in andere
Hände, indem es Ferdinand IL. an Wolf von Wkeſowitz verſchenkte.
In Bodiwin treffen wir Heinrih und Sigmund Kauz von
Kauz (z Kaule). Der erjtere, zugleih Herr von Dubitz, ftarb 1577,
der andere 1578. Beſde ruhen bei ber Kirche zu Shüttenig. 1578
fernen wir als Herrn von Podiwin Joachim Kapler von Sulowig
fennen, ber 1582 mit Tode abgieng.
Deitlih von diefer Gegend war befonders die Nachlommenfchaft
ded im Hufitenkriege eingewanderten Jakob von Wrefowig in Erwer-
bungen glücklich geweſen. — In Ploſchkowitz finden wir 1566 nod
Albreht Dubansty als Herrn, bald aber mehrere Glieder der vor⸗
genannten Familie in gemeinfamem Beſitze diefer und einzelner umliegender
Güter. 1580 wird dafelbjt ein Karl Koftomlatsty von Wreſowitz,
um 1585 ein Wenzel aus berjelben Familie und faft gleichzeitig (1589)
Peter genannt, der 1603 ftarb. Wenzel, vermählt mit ‘Dorothea von
Blatna, hinterließ Plofhlomwig feinem (1585 geborenen) Söhne
— —
) Paprocky Diad. st. pans 94. ?) Vergleihe Slawata Pamèti bei Gindely
Monumenta I. ©. 869.
— 518 —
Johann Habart, den wir aus der Zeit des 30fährigen Krieges bereits
fennen. Auch er, obgleich) aufänglih auf Seiten des Kaifers, mußte nad):
mal® mit feiner Familie auswandern, und kehrte mit Ruppau zugleich
nah Reitmerig zurüd, erkrankte aber daſelbſt ebenfalls und ließ ſich
zu feiner Frau nah Pirna bringen, wojelbft er ftarb. *)
Gegen Ende des Zeitraumes finden wir Ploſchkowitz im Beſitze
ber Familie Schlid. |
Auf dem Gute Bitfhlomig war (um 1577) der genannte Peter
von Wreſowitz, jpäter (1578) Adalbert aus derſelben Familie geſeſſen;
durch Johann Habart wurbe es mit Blofhlomik in einer Hand vereinigt.
Auf Sobenig ſaß um 1577 Ulrih von Wiefowig. Das Fa—
milienbegräbniß befaßen die Wrefomwige in Bitſchkowitz, die Denk⸗
male desfelben find wie jene in Shüttenig fpurlos verfchwunden.
Auch Großaujezd in nächſter Nähe gehörte noch diefer Familie.
Um 1589 befaß es Iaroslav der jüngfte von Wrefomwig, zur Zeit des
böhmifchen Aufftandes aber Adam Georg Koſtomlatsky, dem es erft
ftrafweife in ein Lehen verwandelt, nachmals ganz entzogen wurde, worauf
e8 ber Dominilanerconvent zu Leitmerig vom 25. September 1630 bie
auf den heutigen Tag behielt.
Das öftlich davon gelegene weit gebehnte Gut Zahoran, das von
den Gränzen des Benediltinerftiftes Hrdly am linken Ufer der Elbe
im Bogen bis wieder an die Elbe bei Waltike reicht, befaß noch im⸗
mer die Familie Kinekij. Am längften refidierte dafelbft (um 1877
und 1613) der alte Radislav Kinskh, zugleich Herr auf Teplig, der
fih bald von Zahotan, bald von Petrowitz, mitunter auch von
Trabfhig nannte und fchrieb. Wilhelm Kinsky, den der böhmifche
Aufftand um das Gut brachte, war fein Rechtsnadhfolger. Nach der Con⸗
fiscation des Gutes Zahok an verkaufte es Ferdinand II. um 52000 fl.
an den DObriften Wenzel Freiherrn von Zahradek, der jedoch nur
40000 fl. ausgezahlt hatte, ala er e® am 28. Feber 1636 dem Grafen
Heinrich Schlid, der bereite auh Ploſchkowitzz erworben hatte, unter
der Bedingung verkaufte, die rüdftändigen 12.000 fl. an die böhm. Kam⸗
mer zu zahlen. Zum Gute gehörten damals bereits die Dörfer Za—⸗
hofan, mit dem Schlößchen, Ttebautig (zum Theile), Trabtfchig,
RKepfch (Tkeptice), Scheratſch (Wffehradiffte) Retaun Sababſch,
Neudörfel (Nowä wes), Pökl (Pellowe) Nieder: und Obertenzel,
) Joh. Heliades Cyhem.
— 519 —
(Teinic), Raatſch (Hradifftt), Loſchwitz (Lowackowice), Lukowitz,
Taſchow, Wittine, Witt al und Waltire An vielen dieſer Dör-
fer beſaßen aber auch andere Herrſchaften Antheile. Zahoktan ſelbſt be—
ſaß noch keine Kirche, ſondern war nach Bitſchkowitz eingepfarrt.
Die Herrſchaft Enzowan gehörte bis zur Zeit des Aufſtandes
der Familie Zeidlitz von Schönfeld. Seit dem Jahre 1566 nennen
und bie Eorrejpondenzen unferes Stadtardhivs häufig einen Herrn Os—
wald von Schönfeld, der 1589 ftarb und in Ruſchowan begraben
fiegt. Hierauf befaß Ladislav Zeidlig das Gut, bis es ihm confis-
ciert und am 26. März 1628 der Polyrena von Lobkowitz verkauft
wurde. Seither blieb es bis heute bei ber Familie Loblowig.
Die jetzige Herrſchaft Liebeſchitz war damals unter zwei Fami-
lien getheilt. Liebeſchitz felbit blieb bei der Familie Duban, wie es
ſcheint, bis zu deren Erlöfhen. Am Beginne des Zeitraung lebte noch
Karl von Duban auf Liebeſchitz, ſpäter wohnten hier zwei Brüder,
die fih Konrad und Leo (wit) Zichowetz von Duban und Liebe—
ſchitz nannten. Leo ftarb 1580 und fein Bruder ſcheint ohue Nachkom⸗
men geblieben zu fein, da fich diefer Theil der Herrihaft nachmals im
DBefige der Herren von Gersdorf befindet. — Der zweite Theil der
Herrſchaft, nämlich die Hälfte des Schloßes und ber Stadt Aufcha, die
Städtchen Levin und Wernftadt (Wermetice), Schloß Gernowes
und Nahowes (?) befand fich bereits vor dein im Beſitze der Herren
Zezima von Zezimova-Aufti. Um 1578 hielten ſich drei Herren aus
diefem Geſchlechte hier auf: Georg, Johann uud Karl. Letzterer wurde
1580 in Auſcha aus uns in unbekannter Veranlaſſung erfchlagen. Ein
Friedrich ftarb 1582 und mwurbe zu Yeitmerig hinter dem Hochaltare
der Stadtkirche begraben. Zur Zeit des Aufitandes waren die Bettern
Georg, Wilhelm und Adam Chriftoph die Herren von Auſcha und
Wernſtadt. Sie verloren diefen Beſitz durch Confiscation, worauf
ihn die Jeſuiten von Sct. Clemens in Prag durd Ferdinand II. zum
Geſchenke erhielten. ') ”
In demfelben Jahre (1623) war der Antheil Gerftorfs an der
jegigen Herrihaft Tiebefhig an den Grafen Johann von Merode
verlauft worden, von dem er 1630 an die Jeſuiten zu Keitmerig
fam. Diefe vergrößerten die neue Berrichaft durch Hinzufügung der
ehemals kameil'ſchen Güter, wodurch die Gränzen berfelben über
n 18. Mai 1628, 1. ©t. 9.
— 520 —
Babina, Tlugen, Rundratig, Hlinai und Pokratitz bis an
den Stadtſchoßgrund herangeichoben wurden. Auch das mentauer
Forfigebiet kam auf diefe Weife zur Herrſchaft Tiebefhig. So ge-
warmen die Jeſuiten einen großen Theil ber im Huſitenkriege fäculari-
fierten Landſtrecken wieber für die Zwecke ber Geiftliglet zurück. Wie
fie andererſeits auh Werbit nah langem Proceſſe mit dem Gute
Liebefchig vereinigten, wurde bereits erwähnt.
Weiter öftlich Tagen eine Menge Heiner Güter, von denen einzelne,
wie Zebnus und Brogen, ber Familie Kapler gehörten. (In Zebus:
Felix um 1600, Albrecht Woſterskh um 1578, in Brogen: Georg
Woftersty 1577 ff.) Wrich Woftersy Kapler von Sulowig war
der legte Befiger diefer Güter (Radaun, Botfheplig, Safſchowitz,
Medonofy, Zebus, Kiboch) aus der genannten Familie. Aus be-
fonderer Gnade wurden fie ihm noch ale Lehen für feine Lebenszeit zum
Nutzgenuſſe belafien, worauf fie an den Herzog von Friedland fallen
ſollten; dies gefchah bereits 1628.°)
Die beiden geiftlihen Herrfchaften füdöftlih und ſüdlich von der
Stadt, Hrdly und Doran, blieben fo ziemlich in dem alten Beftanbe.
Zwar raubte ihnen der Aufitand vorübergehend einige Befitzungen, zwar
litten fie, befondere Doran, unfägliche Noth im 3Ojährigen Kriege,
wie uns der Probſt Mika in feinem „ruhmmwürdigen Doxan“ des aus-
führlicheren mittheilt, dody war die neue Wendung, die die Dinge feit
1620 nahmen, ihnen hoöchſt günftig und ficherte ihren bereit8 zweimal
ſehr zweifelhaften Beftand wieder auf Lange Zeit.
Das reihe in Böhmens älterer Gefchichte viel genannte Geſchlecht
der Herren von Hafenburg überlebte nicht die legt gefchilderten Zeiten.
Wir verließen das Geflecht, das über einen mächtigen Theil der frudht:
baren und fchönen untern Egergegend herrichte, unter Johann, dem
Sohne des 1495 verftorbenen gleihnamigen Vaters. Seine Gemalin
war Diargaretba, die Tochter des aus den Zeiten bes Ständeftreites
wolbelannten Fürften Karl von Münfterberg und Grafen von Glag,
die ihm vier Söhne, Wenzel, Nikolaus, Georg und Chriftoph gebar.
Johann, ein großer Freund und Förderer der Wilfenfchaften und Fünfte,
hielt feinen wahrhaft fürftlihen Hof nicht mehr auf der unbequemen
Bergfeſte, fondern zu Budin, mofelbft er eine für jene Zeiten feltene
und berühmte Bibliothek anlegte. Libochowitz mit dem Stammfdhloße
) Auereperg, Gerichtehoſe IV. 206.
— 521 —
Haſenburg kam bagegen zu feiner Zeit durch Kauf an die Familie
Lobkowitz. Johann ftarb 1583, und den nunmehrigen Hauptſitz der
Herrfchaft übernahm Nikolaus. Seinen Antheil bildete nach ber Thei-
fung, bie die Brüder unter einander vornahmen,!) Schloß und Stabt
Budim nebft den Dörfern Pift, Wrbka, Raudnig, Bicjan und
Babowtest. — Auch er erwarb fih den Ruhm eines Mäcenaten der
Wiſſenſchaft und feiner Unterftügung erfreute fi ganz bejonders der
befannte Hiftoriograph Paprockh, deffen genealogifhe Mittheilungen
über bie Hafenburger eben deßhalb eine der reichjten und verläßlich⸗
ften Partien feines Werkes biloen.?) Georg wurde Herr auf Mſcheno
und fpäter auch auf Hoftenig. Erſteres erhielt nad feinem 1580 er:
folgten Tode fein Bruder Wenzel, das lettere fein eigener Sohn Wil«
beim. — Chriftoph, der frühere Herr auf Hoftenig, erfaufte 1569
noch das angränzende Gut Brozan, das nach feinem Tode (1572)
ebenfall8 an Wenzel fiel, der fomit nach George Tode Mſcheno und
DBrozan vereinigte. Wenzel ftarb 1591 ohme Erben und binterlich
die genannten Güter feinem Neffen Wilhelm, damals bereit8 Herrn auf
Hoftenig. Aber auch diefer ftarb fchon 1598 ohne Erben und fo
repräfentierte nun die Familie des Nikolaus das ganze Gefchledt.
Diefem Hatte feine Gemalin, Anna von Lobkowitz, eine Toter, Na—
mens Hedwig, und einen Sohn Johann Zhynkk geboren, welcher letztere
nad) dem 1585 erfolgten Tode feines Vaters Budin übernahm, im
Jahre 1598 aber ſämmtliche chedem hajenburgifche Herrichaften mit
Ausnahme des abverkauften Libochowitz noch einmal in einer Haud
vereinigte — leider in einer nur allzu leichtfertig freigebigen. Der reiche
Erbe erbaute zu Budin, Mſcheno und Brozan pradtoolle Schtöfler,
Ichenkte der Stadt Budin cin Rathhaus, hielt fürjtlih Hof und wollte
fih in Ausübung der koſtſpieligſten Pailion, der Alchymie jelbft von
Kaiſer Rudolf I. nicht übertreffen laſſen. Ehe er aber das erwünſchte
Geheimniß bes Goldmachens erforfcht, war fein ererbtes Gold ver:
ſchwunden; er mußte Schulden machen und verſchuldete ſich ſchließlich
fo tief, daR ihm feine Gläubiger beim Yandrechte Hagten und die Exe—
ention auf feine Güter führten. Kine vom Yandrechte aus Yandesbe-
amten zufammengefegte Commiſſion verkaufte in Folge deſſen im Jahre
i) Laudiäfl. Aſchgrauer Bedeulgn. 8.25. ) &. Diadochus. stav pansky. S. 86 ff.
Außerdem Balbin; Berzeihniß Ber Reichsbeamten bei Riegger, Materialien XI.
©. 28 fi. Hebers Burgen, Milowetz Alteriblimer u. a.
— 522 —
1613 7: die geſammte Herrſchaft Budin zu Gunſten der haſenburgiſchen
Hänbiger an den Oberfiburggrafen Adam von Sternberg als de
hödhftbietenden um 150.000 Sc. m., der es wieder mit Libochowitz
und Daienburg vereinigte. Außer dem prächtigen Schloſſe, der Stadt
und dem Hofe Budin umfaßte die Herrſchaft die Dörfer Jabowiest,
Brejan, Pift, Nizboch, Pteftavlt, Brbta, Rondnig, Kofte
feg, Lhota; Maierhöfe in Kofteleg, Thota, Rijebod und Pte
ſtawlk und eine Schente in Dufhnit. — Dem Appellationspräfi-
denten Johann Zbynek von Hafenburg, der felbft die auf feinem
Schloffe deponierten Waifengelder durchgebracht Hatte, blieb nichts, ale
das But Brozan, auf weldes die Mitgift feiner Gemalin Polyrena
von Müdwigburg nunmehr verfihert wurde. Das Schloß dajelbft
wurbe ber ausſchließliche, beichräntte Familienfig des einft fo reichen
Hauſee. Nur für feinen Leichnam hatte ſich Johann Zbynek ein Pläg-
hen in der Gruft der Ahnen zu Budin vertragsmäßig vorbehalten.
Um fo bemitleidensmwerther erjcheint diefer Fall, als allem Anfcheine
nad allzu große Gutherzigkeit ihn zumeift verfchuldet. Einer großen
Anzahl von ehemaligen Unterthanen hatte Johann Zbynek auf ihre Bitten
die „freiheit gefchenkt, zu deren Anerkennung fih Sternberg nur ſchwer
verftehen konnte. Bon dem Schloife über Brozan aus Teuchtete der
alte Glanz des Hauſes nimmermehr auf, vielmehr ſank auch diefes bald
in Trümmer, und der Name des Geſchlechtes haftete bald nur noch auf
den Mauerreften der alten, längft entfremdeten Stammburg. — Ale
Joh. Zbynek im Jahre 1616 fein mechfelvolles Leben fchloß, konnten
feine hinterbliebenen Söhne, Iohann und Jaroslav, auch Brozan nicht
halten und verfauften dasjelbe 1617 an Bolyrena von Bernftein,
die Semalin des Zdenek Adalbert von Vobkowitz. — Johann verfuchte
fein Glück im Kriegsdienfte, in den er als gemeiner Soldat eintrat, und
fiel 1631 als Oberftlieutenant vor den Schweden bei Breslau Ja—
ro8lap fchlug fi, auf den Beſitz des ererbten Titels eines böhmifchen
Erbtrugfeß allein beichräntt, bei Hofe durch, mußte aber eine Zeit lang
fein eben außer Yande friften, inbem er fich ber öffentlihen Vorladung
vor das Yandredht megen .eines begangenen Mordes durch die Flucht
entzon. ”) Als er 1663 ſtarb, waren ihm feine Kinder bereits im um⸗
iy Dienflag nad Anna. Lndt. Himmelb. Du. Nr. 27. Alle bisherigen Behand⸗
lungen dieſes Gegenſtandes nennen irrig 1616. ?) Er hatte anf der Brager
Kleinfeite einen Landkuticher, Namens Heinrich Erueft erſchlagen. Go beſagen
die Rorladungen vom 22. Auquſt 1646 und 22. Feber 1647, 1. St. 4.
— 523 —
münbigen Alter vorangegangen, und fo ſchloß er bie Reihe ber einft
ruhmoollen Hafenburger. Außer den immer noch imajeftätifchen
Ruinen ber Hafjenbug erinnert noch mander Dentitein an das erlo:
fchene Geſchlecht, fo fein fteinernes Wappenſchild auf den Thürmen zu
Libohomwig und Budin, ber Hafe im Wappen bes erftern Ortes
und die Refte des Schlofjes im Iegteren. — Das Gefchleht war aus-
nabhmelos alle Zeiten hindurch Tatholifch geblieben, ihre Güter waren
dem Hufitismus wie Proteftantisinus gleich verfperrt — zum proteitan«
tifhen Leitmeritz bildete das katholiſche Budin den jtrengiten
Gegenſatz.
Auch Libochowitzz war wieder an eine eifrig katholiſche Familie
gelangt. Johann der Aeltere Popel von Yoblomwig war ber erfte
Befiger von Libochowitz aus diefem Haufe. Unter ihm erhielt Yi
bodomig 1560 durch Ferdinand I. das Privilegium einer Stadt.
1569 folgte ihm fein Eohn Georg Popel, zugleih Herr auf Melnik,
Komotau und Litfhlan ALS diefem 1593 in Folge eines Hoch
verrathsprocelies ') feine Güter confisciert wurden, blieb die Herrſchaft
Libochowitz in der Regie der Kammer, bis fie 1602 dem entthronten
GSroßfürften von Siebenbürgen, Sigmund Bathory, zum Wohn:
füge und Eigenthume angewiefen wurde. Nachdem diejer am 18. März
1613 geftorben war, erfaufte der Oberftburggraf Adam von Sternberg
von der Lönig. Kammer bie genannte Herrſchaft und vereinigte fie aleich:
zeitig wieder mit Budin. Im Befige diefer gräflichen Familie von
Sternberg blieb nun diefe Gegend durch den ganzen Reit des Zeit
faumıes. — Hatten Shon die Hafenburge ihren Sig auf der hohen
Burg verlafien, fo berüdfichtigten die Vobkowitze das Bergſchloß um
fe weniger, jondern richteten fich vielmehr inYibodhomig prächtig cin.
©o verfiel die einft herrliche Burg von felbit und Balbin, der jie in
ver 2. Hälfte des 17. Tahrhundertes befuchte, zählt fie ſchon unter die
Ruinen. Der 30jährige Krieg verwüftete auch dieje Gegend im Ichredli-
Ger Reife; ganze Dörfer verfhwanden und noh am Schluſſe des 17.
Sehrhundertes mußten fie wie neu zu fchaffende Kolonien wieder ange
leg werben.
Das bereits genannte Brozan war por dem 3jährigen Nriege
fein unbedeutender Adelsſitz geweſen. Dafelbit wohnten bie zum Jahre
1569 Sigmund und Heinrich aus dem Geſchlechte von Wiejomwig, die
2 Sich. Casopis cesk. Mus. 1863. 2.
— 5214 —
fih auch, nachdem das Gut im genannten Jahre an die Haſenburg.
verfauft worden war, immer noch (Sigmund 1599) Brozanst
nannten. Bolyrena von Lobkowitz, die Brozan zufegt (1617) em
warb, war die Witwe des 1592 verftorbenen Wilhelm von Rofenber
von dein fie die Herrichaft Randntg geerbt Hatte, die fie ihrem zweites :
Gemale Zdenek Adalbert von Lobkowitz einbrachte. Seither bliebe
Raudnig und Brozan bis heute bei derfelden Familie. Das Schl
Brozan aber erhob fich feit der Zerjtörung durd die Schweden nidiH:
mehr; Heute fteht nur noch ein dürftiger Theil desjelben.
Bon dei übrigen Gliedern der Familie Wrejomwig, deren bas
Titulaturbuch von 1589 21 nennt, finden wir Johann den Aelteften als
Herrn auf Wchynitz, einen andern Johann aber (c. 1580—1602) auf
Podfedig.
Bon der fo vielverzweigten, uralten Familie Kapler von Sulowig
ließ uns die Gegenreformation nur zwei Zweige im Xande, und auch
diefe verſchwauden bereit8 am Beginne des nächſten Zeitraums. Unter
allen böhmiſchen Adelsfamilien ſoll fich diefe am zahfreichften an der
Emigration betheiligt haben. Bis zu diefer Zeit befaßen die Glieder
derfelben außer den entfernteren Gütern im Süden Böhmens immer noch
den füdlichen Theil des böhmifchen Deittelgebirges. — Auf dem Onte
C izkowitz finden wir um 1559 einen Jaroslav, der nebenbei noch Neu⸗
dorf (Nowa wes) befaß, fpäter (um 1560) einen Felix, Johann dem
Aeltern (c. 1579— 1589), Albrecht (c. 1589) und endlich einen Adam
aus derfelben Familie. Diefen traf das traurige Loos, ſein herrliches
Gut verlaffen und den Erulantenftab ergreifen zu müſſen. Das confiszierte
Cizkowitz aber wurde 1623 an Wolf Iburg von Wiefowig verkauft,
bei dejfen Familie es indeß nicht lange verblieb.
Auf Sulomwig, das auf gleiche Weile der Familie verloren gieng,
finden wir um 1567 (—1589) einen Tobias und fpäter deilen Sohn
Wenzel, zur Zeit des Aufjtandes aber Johann Burian; auf Koftial
(ec. 1559—1572) einen Niklas, fpäter Zdislav den Aeltern; — auf
Mileſchau und Nedweditz faß (von 1548—1579) Wenzel, der
zeitweilige Hauptmann des Kreifes, und 1589 ein Gamarit und um
1598 ein Georg Kapler. Yegterer hinterließ diefe Güter (c. 1608)
jeinem Sohne Bohuslav, dieſem folgte fein Sohn Johann Wenzel (c. 1629)
im Befige, von dem fie (1656) an feinen Sohn Karl gelangten. Auf
Yinai war no 1578 ein Kapler (Alexander) begütert. Auch die Güter
Hottau und Tuchokitz (legteres im ſaazer Kreife) gehörten bis 1620
— 525 —
diefer Familie. 1589 befaß fie ein Georg Kapler, 1620 Adam, dem
fie confisciert wurden. Als fonftige Befigungen der Kapler in unferer
Gegend lernten wir noch fennen: Stalla (1548 Iohann Koſtialowskh),
Bukowitz (1589 Georg), Tufohotan (1589 Wilhelm), Zalan
(1589 Zdislav der jüngere) und Netluf (1587 Wenzel), So wie
fernerhin nur zwei Familien diefes Geſchlechtes genannt werden, fo wiſſen
wir nur von ben Gütern Mileſchau und Hottau mit Beſtimmheit,
daß fie bei demjelben blieben. Aber auch Bohuslav von Mileſchau
war des letzteren bereits verluftig erfärt worden, als ee ihm gelang, in
fo weit Gnade zu erwirfen, daß ihm das Gut in ein Lehen verwandelt
zurüdgeftellt wurbe. Viele der erledigten Beſitzungen fcheinen nicht ſobald
Käufer gefunden zu haben. Die Burgen der feit Hiftorifchen Zeiten
von den Kaplern bewohnten Gegenden waren ebenfalls bereits in dieſem
Zeitraume wieder verlaffen und dem Verfalle preisgegeben worden; nur
von Koftial willen wir, daß es zur Zeit des 30jährigen Krieges noch
als eine Art Getreidemagazin diente
Der Befitz der Herrichaft Lo boſitz bleibt noch eine Zeitlang ein
ſchwankender wegen des üblichen Verkaufes derjelben „auf Wiederfauf“.
Doch kennen wir für die legte Periode nur die Schleinige und die
Waldſteine als Befiger. Im Jahre 1568 werden vier Brüder Schlei-
nit, nämlich Haugold, Johann, Erneft und Heinrich genannt, während
bereitö 1575 Johann von Waldftein als Befiger erfcheint. Diefem
folgte Adam der jüngere, dur deilen Fürforge Yobofiß zur Stadt
erhoben wurde (1600). Seither blieb das nachbarliche Verhältnis zu
Leitmeritz falt ein Jahrhundert Tang ein nichts weniger als freund:
ſchaftliches. Auch Karl Ferdinand, Graf von Waldjtein, trachtete die
Rechte der neuen Stadt vielfach zu vermehren und ſchürte dadurch aufs
neue ben nachbarfichen Zwiſt. Er blieb im Befite des Gutes bis ans
Ende des Zeitraumes. Seit dem 3Ojährigen Kriege gehörte zu bemfelben
bereits der alte Stanımfig der Kapler, Sulowig, offenbar in Folge
der Confiscation durch dic Waldſteine erworben.
Das Gut Tfchernofet iCernosek) fammt feinen Weinbergen blieb
bis zur NRevolutiongzeit im Befike der Elftibor. Nachdem Wilhelm
Kameitfty von Elftibot 1551 gejtorben war, folgte fein Sohn
Johann Wäebor vorerjt nur im Beige von Tſchernoſek. Nachdem aber
1554 auch feine Mutter Yudmilla von Sedeitz auf Kameik geftorben,
vereinigte Johann Woͤebor diefes Gut wieder mit Tſchernoſek. Seine
Gemalin Ludmilla Kapler von Sulowitz gebar ihm drei Söhne,
— 526 —
Wilhelm, Nikolaus und Albrecht und 2 Töchter. Von ihnen übernahm
Wilhelm die Herrichaften Tſchernoſek und Libochowan, nachdem der
Vater 1586 gejtorben war. Wilhelm jtarb 1614 und ruht In der St.
Tohannesfapelle unter dem Eisberge bei Kameik. Nah ibm übernahm
wahrfcheinlich fein 1590 geborner Sohn Johann Woebor die genannten
Herrſchaften, die ihm cofißciert und 1626 an Wilhelm von Wtefomis
verfauft wurden. Jedenfalls gieng Johann Wsebor aus dem Lande in®
Eril, wohin ihm auch feine Verwandten von Kameik folgten. Legtre®
hatte nah den Tode Wilhelms deſſen zweitgeborner. Sohn Nilolaus ES
Belig genommen. Er und feine Schweitern Anna, Dorothea und Katharire €
waren die legten Bewohner des alten Bergfchloffes, das Paprockh nod usw
1600 wolerhalten jah. Sein jüngerer Bruder Albrecht ftarb ohne Nudip
fommenjhaft. — Nikolaus vermählte fi) zum erften Male 1592 mit Meur”
garetha, des Chriſtoph Rabenhaupt von Sucha Tochter, und 1599 mit Po» °
(prena, der Tochter des Brozausky. Bereits ein Jahr daranf ereilte ip
der Tod. Yohann Georg, der zur Zeit der Revolution Kameik inne hielE8,
war vielleicht fein Sohn. Dieſer haufte bereits nicht mehr auf et
alten Burg, fondern hatte fein bequemeres Schlößchen an den Maierhe f
unterhalb jener angebaut. Obgleich er in den Aufftand nicht verwide£t
und fein Gut daher nicht verfallen war, fo entjchloß er fich dennod dx®
Land zu verlaffen, aus dem bereits feine übrigen Verwandten vertriebert
waren und das dem DBelenntniffe feines Glaubens nun keinen Raum
mehr ließ. Gr verkaufte deshalb fein Erbgut Kameik (Burg, Schloß
und Maierhof; die Dörfer Kameit, Mitomig, Repnig, Antheile
an Malitfhen, Sebufein, Babina und Hlinai) an den Grafest
Hermann Gernin von Chudenitz und ergriff gleichzeitig mit dem letzter
Sproßen jenes damals bereits bürgerlichen Gefchlechtes, das vordem hier und
überhaupt zuerjt auf der feither verfallenen Burg gehauft, den Exulanten⸗
ftab. Wie der Name Kameik von Bolratig, fo verfchwindet auch
gleichzeitig der Name Yitibor von Kameik aus der Gefchichte Böhnmen®-
Hermann Cernin aber blieb bis zu feinem Tode (} 1651) Herr auf
Kameit. Der Belud der Schweden hat zur Berwüftung des alter
Schloſſes jedenfalls das feinige beigetragen. !)
Tas nahegelegene Gut vViboch owan vereinigte wahrfcheinlich die
Familie Wiejomwig wieder mit Cernoſel, nachdem es feine Beſitzer
jo vielfach gewechſelt hatte, daß uns eine vollftändige Weberficht derjelben
ı) Eine fleißige Zufammenflelung der Belege für diefen Theil der Geſchichte von
Rebe bei Heber, Burgen IV., 178 £.
— 527 —
fehlt. Um 1577 hatte es den Befigern von Loboſitz, den Schlei-
nigen gehört, nachmals hatte es, wie jchon erwähnt, Wilhelm Elſti—
bot mit Tſchernoſek vereinigt und gegen Ende des \Tahrhundertes
(1591) werden uns die Brüder Stephan, und Georg von Ruppau ale
Herren derjelben genannt. ')
Die nördlicher gelegene Herrſchaft Schreckenſtein gehörte am
Beginne des Zeitraumes zwar unmittelbar der königlichen Sammer,
wurde jedoch regelmäßig an einzelne Adelige in Pfundbefit gegeben, bis
fie in der gleichen Weife an die Familie Lobkowitz kam. Im Jahre
160i löſte Kailer Rudolf IL das Lehensband und ſeitdem blieb
Sähredenftein ein Allobialgut der Lobkowitze. Die Burg wurde
verhältnismäßig länger als andere bewohnt und in Stand gehalten: noch
um 1569 batte Wenzel Bopel von Lobkowitz, der erjte Pfandbe
ger aus diefem Geſchlechte, Neubauten dafelbjt angelegt — erit der
Miährige Krieg verwandelte fie theilweife in eine Ruine.
Noch nördlicher breiteten fih im 16. Jahrh. die ausgedehnten
Serrigaften der weitverzweigten Familie Salhaufen aus (Schwaden,
Benfen, :c.), die der Familie entiveder ganz entrijfen oder (wie Ben-
fen) in ein Straflehen verwandelt wurden.
Die Herrfchaft Triebſch (zu der auh Wrbitfhan und Ro—
Ho» auf der anderen Seite der Elbe gehörten) befaß um 1573 Ulrich
deftalowsty von Arklebitz, zur Zeit des Aufftandes aber Zmil
Lapler von Sulowis. Nachdem fie diefem entzogen worden war,
werde fie an Paul Wenzel von Bochau verkauft.
Das Dorf Bolratig hatte von jeher eine Menge Herren, unter
denen jedoch. die Bürgerfamilie der Kameike uebft der ihr verwandten
kr Helwige die bedeutendften Antheile beſaßen, zu denen auch die
VCellatur von Sct. Adalbert immer nod gehörte. Wie erjtere ihren
Befig zum Theile der Stadt verkauften, haben wir bereits geliehen. Bor
der Revolution (1617) befaßen außer diefen noch Antheile an Polra
tig: der Probjt von Sct. Stephan, der Domdechant, die Herrichaft
on Sroßiermofek, die Stadt Yeitmerig, die dajelbjt einen eige
sen Richter und ein Gemeindebad hatte, und Johann Köchel von
Hollenftein. Als nämlid 1544 die kameikſchen Güter dajelbit
meter die Erben des Sigmund Henich von Kameit getheilt worden
naren, war der Antheil Eva's an ihren Gemal Beit Flavin von Ro—
2 Archiv öeukf IV., 59.
IV. Beitraum.
Tom wräphälischen Frieden bis zu den Seiten
Raiser Iosrphs I.
I. Die Schickſale der Stadt.
nn
1. Der Verfall derfelben.
Das GSepräge der Periode des Bürgerthums, in die wir nun den
Yefer einzuführen mehr die Pflicht al8 den Reiz Fühlen, iſt Altes in Alten
— Armfeligfeit. Arınfelig, bedeitungslos ijt num das Weſen des Bürger
thums und desgleichen feine politifche Stellung, armſelig ift feine mate
rielle Yage, armſelig, nichtig find feine Beltrebungen und Kämpfe, arm
jelig iſt fein Geiftesleben, fein ganzer Ideenkreis. AU die Armſeligkeit
aber izbertünchte eine Roſenkranzfrömmigkeit, in fich eben jo armſelig wie
altes andere — feine Bürger-, feine Mannestugend.
Wie konnte e8 anders jein? — Torfhandiverfer, erzogen im Sklaven
joche ber Leibeigenichaft, bildeten num den Kern der neuen Vürgerſchaft,
Habſucht erkennt man bei beiden als nahezu einzige Triebfeder des Dan
deine, gleifnerifche Frömmelei als Univerſalmittel, probat erfunden ſeit
den Tagen der Segenreformation.
Als in Böhmen zum erjten Male dag Bürgerthum Wurzel ſchlug,
um aus fich ſelbſt herans jo herrlich zu erblühen, da waren es tüchtige
Bürgersleute, Angehörige längſt geordneter deutiher Stadtgemeinden, die
ven Samen nah Böhmen getragen; als das Sechenthum in die Städte
drang, blieben die Grundfeſten desfelben unerichüttert, die Vertheidigung
es Rechten janımelte das Bürgerthum zu erhöhten Selbſtbewußtſein
am aber war der alte Schlag der Bürger bin und ihr altes Recht.
om inmen heraus entwidelte ſich jegt nichts mehr. Was nun geGoo.
u das Bürgerthum wieder einigermaßen zu heben, gejhoh von dex Re
— 538 —
ftelung der Befeftigungswerfe fchenkte der Kaiſer (12. Sept. 1661)
4000 fl. rhn., die in jährlichen Raten von 400 fl. aus dem Biertay
verabfolgt werden follten.
Auch die verloren gegangenen Rechte ſuchte ficy die Gemeinde wicder
zu erwerben. Dur einen VBergleih mit dem Domcapitel (29. Nov.
1659) wurde die Eincajfterung des durch das in Yobofig errichtete
Schütthaus lange Zeit nicht verabreichten Zolles dem Bifchofe über:
tajlen, den hieraus der alte Anteil des Capiteld am Elbezolle — ein
Drittet — verabfolgt werden follte. Erft 1660 wurde das alte Bri:
vilegium auf diefe Weife wieder in Wirffamfeit gefegt.
Im Innern der Gemeinde aber gieng die Neorganijation ſehr
ichleht vor fi. Gegen den Kaiſerrichte Jakob Strobel murden
Ichwere Anflagen erhoben, als verrathe er in felbitfüchtiger Weife die
Interejfen der Stadt, der ihm untergeordnete Stadtrath aber erfreute
jich Feines Anfchens und keiner Auctorität. Wenn früher ein Wort des
Rathes genügte, die unzufriedene Gemeinde zur Ruhe zu bringen, waren
jet Scenen der Widerfeglichkeit, ja des gemeinften Aergernijfes etwas
gewöhnliches. Umgekehrt wurde aber auch mit den Bürgern wenig Feder⸗
leſens gemacht, gleich) Unterthanen wurden fie ohne weiters eingejperrt,
ohne Verhör, ohne Sprud).
Verſchuldung und neuerliche Kinguartierungen feßten ihren Drud
fort, und die Gemeinde konnte ſich nur durch das traurige Mittel von
Abverkäufen retten, bei denen fie felbit am wenigften profitierte. Den
Jeſuiten gab fie ein Feld jenfeits der Elbe (bei der Marterfänfe)
taufchweile (12 Strih gegen 6) und geftattete ihnen alle Yaften mit
110 fl. baren Geldes abzulöfen;') am 22. Juni 1665 aber verkaufte
fie ihnen um 4000 Sc. ihren ganzen Theil des Dorfes Nutfhnik,
mm mit dem Erlöſe Schulden abzuzahlen, jo wie bald darauf (13. Juli
1665) die ganze Häuſerreihe, die fih von der Pforte beim alten Ma—
rienfirdlein zum inneren Brüdenthore 309. Dagegen hatte fie kurz vor:
ber (12. Feber 1665) das „Knopfhaus” von Anna Tor. Moſtnik um
1200 fl. fäuflih an fich gebracht, da die erilierende Beligerin den größ-
ten Theil des Kaufichillings der Gemeinde ala rüdjtändige Contribution
ſchuldete. Im Jahre 1669 kam auch noch das Heinere Nachbarhaus
anf gleihe Weile hinzu. Kin harter Berlujt traf dagegen die Gemeinde,
als am 10. Jäner 1665 das alte Schloß in der Stadt („Hrade*), da-
ı) 28, Nov. 1668.
— 539 —
mals bereit® der Gemeindemeierhof, ein Raub der Flammen wurde.
Der Verluſt war um jo größer, ale viele Bürger, der Dechant, die
Leute des Biſchofs, ihre Habfeligkeiten dort zu deponieren pflcgten, da
ihre eigenen unausgebauten Häuſer ihnen nicht Plag und Sicherheit
boten. Der Klagen über Mißernten und dgl. mollen wir bier nicht
erſt gedenfen; fie wicderhofen jich zu oft, ale dak mir ſie immer für
gleih begründet halten könnten; überhaupt gehörte cine gewiſſe Jammer
feligkeit zum Charakter der Zeit und des neuen Bürgerthums. Viel
hatte in der That die Bürgerfchaft von der Rohheit der cinquartierten
Soldatesla zu dulden, deren Führer ſich als Herren der Stadt benahmen.
Im Jahre 1665 wurde der Bürgermeifter dur einen Rittmeiſter —
einen Grafen Raimund von Thurn — mit dem Stode geprügelt, wor:
auf Graf Sporf die Gemeinde erfuchte, ſich gütlih auszugleihen. Nach
vielen Klagen nahm ſich die Yandeabehörde der Stadt infoweit an, daß
den Officieren verboten wurde, die Stadtichlüffel zu fordern, da fie nur
Eingquartierte und nicht Kommandanten der Stadt feien.
Endlich konnte fich die Regierung der Einſicht nicht verjchlichen,
daß troß allen angewandten Meitteln „alle königlichen Städte mehr und
mehr zu Grunde gehen” und folglidy eine nicht unbedeutende Einnahme-
quelle ihr mit ihnen verjiege. Sie erkannte das in einem Nammerdecrete
vom 5. April 1674 an und jeßte eine eigene Commiſſion ein, die ſich
Ipeziell mit dem Werke befalfen follte, dieſe Städte wieder empor zu
bringen. Um Einficht zu gewinnen in die Gründe diefes Verfalles — dem
Einen wahren Grunde gegenüber blieb die Regierung blind -- wurde
zuerft jede Gemeinde aufgefordert, ihre Belchwerden, die „Gravamina“
einzufenden. Alles was jo vorgebracht wurde, ließ ſich auf cine gewiſſen
lofe, nur dem eigenen Privatintereife dienende Verwaltung zurüdführen.
Aus dem Gemeindegrunde zogen nur die Stadtbehörden für ihre Perfon
Nutzen, der Bürger aber wurde fogar durch neue Einfuhrzölfe von Getreide,
Wein, Bier, ete. gedrüct, deren Ertrag wie jedes andere Einkommen
unter den Händen der Beamten verſchwand. Rührte ſich cin Bürger
dagegen, jo wurde er eingejpert und auch gegen Kaution nicht entlafjen.
Die PVerwaltungsbeamten waren nicht mehr beeidete Diener, ſondern fie
bildeten die (Sevatterichaft des Primators; in den Gemeindeſtallungen
ftanden ihre Kühe vor dem Heu der Gemeinde; für die Herjtellung ihrer
Häufer wurde das Holz aus den Gemeindewäldern neführt — die Ge—
meindegebäude aber verfielen. Und das geichah alles unter den Augen
einer fo vielfältigen Controlle — dies alles geftand die oberfte Controll
behörde, die Kammer, felbft jammernd ein.
Hehrhpeungen, veren ſich viele in ben Frotolollen vortmten, begannen ge:
wähnkd, so erster Mlaye uber die neuen Eimmohner, die Dee Stadtrechte
mt ſennten und Ihr altes „Zoldatenleben” fortſetzend Umgebühr ftifteten.
len one vor Allem Frommigleit empfohlen ; ihr Aludıen und Schelten
Jollten fir aufgeben, wie jedermann über die öfterlide Bricht alljährlid
lesen dein abliefern;; Den Seiftliden zum Kranlen begleiten, ſich nicht
ſcheuen, uber Ihn den Himmel zu tragen und audere Werke der From⸗
migleit zu ben. Alle Werke der Barmberzigleit wurden aber jtreng
rahmen, wenn ihr Kobjert ein Neger war. Kinen ſolchen zu beherbergen
murbe ala das ſchrecklichſie Verbrechen hingeſtellt und da man jich hierin
am bie cwigen Ztrafen doc) nicht ganz zu verlajfen fchien, mit harten
yeitlihen bedroht.
Auch Die Erziehung fir diefe Welt mußte ganz von vorn beginnen.
Im Meenfaße au den früheren waren die wmeilten der neuen Bürger
nieht eigrütliche Gewerholeute, fondern indem diefe ihre Ländlichen Be⸗
ſchaäftlgungen tortirleben, fehlen die einſt ſtolze Stadt auch äußerlich ver -
ment gu ſeln. Geflügel md Hornvieh vupfte das Sras in den ver —
abdeten Mayen amd das Worftenvich wälzte fich in ben verfumpften Win
delu. Eine unſanliche Muhe febeint es gelofter zu haben, diefen Ynfuc
ubnpiellen und den neuen Vürger überhaupt an Reinlichkeit und Ord—
nung vor und in dem Danfe zu gewohnen. Es war cin zweiter ſtehender
Punleem den ormahnnüugen a die Gemeinde, die Stadt rein zu halten, -
dad Veh nahe herundauſen, das Seflügel wenigjtens an Sonn: ud
telerianen nicht auf Die Gaſſe zu laſſen, beſonders aber das „unreine
ſtintende echweinevieh“ in Moben einzuſperren, damit die Kreisſtadt wieder
einander ein ſtadtiſches Ausſeden delomme. Man erinnert ſich un:
wanturtich der LReſtimmungen der alten deutſchen Stadtrechte des 13. Jahr⸗
dundertes. nur Dar dieie por jenen des 17. eine aroße Strecke voraus hatten.
Sohde Lieiedle daniten und ĩdariten irch beionderd um dic Zeit,
da man Me Ankurit des Unterkammerers erwartete. Die Bürgerver
animdinzgent der denen REGEN warden. dudeten narmebr die Höde
who Nr adden N v Nr} - Nor Si »2® die A“ > .2 ceide nur
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währen? des Renoanes der wubınz!äerds Nr NSomelkıriı m der St
Georgsfirche gebzlıen wert: I
den Beñt der Couatarrett: über fänmzuı auı Zuale zer irn
berief. Erii hicraui antwertete die Sertinde zur Wadrare tree Redres
und wandte ſich zugleid am Schrz 2m den Heerichter. der ide char
der Laiſer bitte dic Tollaturrebt: ur Zi 2
mir zur seimwetligen Admiriimation ühsrzzben om manden Zur wm.
Jungbunzlau, Praa — Reuſtadt. Kuttenderg dereité wieder uriiiertiatee,
was aber die Collaturen auf dir landtaftchen irre anbelense Vo ta
dieje mit den Gütern jelbit den Stadten wieder zutuckeritat:et worden
weshalb der Biſchof mit dein wchrs mehr zu ſchafien hade. Zelte cs
aber der Gemeinde gegen ihren Willen in de Stadidedanti eine Verien
anfdrängen, je ſolle jie dagegen erereitieren und ſich an din Natrer um
ausdrũckliche Rüderttartuna der Collatur wenden, Me dann zanz gewiß
erfolgen werde. Dahin kam ca in der That. Der Biiibot tegre trog dem
Proteſte der Gemeinde den Titularkanonikns Job. Hein. Beck ale Dechant
en (7. Te. 1662. Beinahe 4 Sabre blieb der aufoetronirte Dechant
trog allem Hin— ımd Herichreiben in ſeiner Würde, bie sich endlich der
Biſchof, dem der Ausgang eines Prozeſſes nicht zweifelhaft fein fonnte, am
6. Mai 1666 entſchloß, den „Bitten“ der Gemeinde nachzugeben und Ned
abzuberufen. Es jtand vielleicht im Zuſammenhange wir dieſem Vorialle.
daß ſich der Kaiſer entſchloß, mittels Reſerivt vom 4. Käner 1608 das
Präſentationsrecht über ſämmtliche der königlichen Sammer unterftchenden
Biarren dem Unterkämmerer zu übertragen. Erſt auf ein neuerliches
Majeſtätésgeſuch der Gemeinde bin gab ihr Leopohd :le. Juni Toms‘
das Patronatsrecht in aller Form und ohne alte Verkurzung zurüd
Tiefe Entſcheidung gelangte aber erit ipäter nad Leitmeritz. von wo
aus eine Bürgerdeputation am 7. Auguſt die verſiegelte Intimation in
die biſchöfliche Reſidenz trug. Der ſtolze Mann irug die Bürger, ob ſie
den inhalt deſſen kännten, das ſie ibm überbrächten. Sie verneinten ed.
Haftig ergriff er die Schcere, zerſchnitt das Band und las umwillig den
Kopf Ichüttelnd. Gleich gefaßt aber Tagte der Weltmann im frenndlichſien
Zone: gratulor. gratulor! — und begann none Wetter zu reden. Ei
wußte wol, daß er die auten Bürgerteute immer noch in der Dand
hatte — jie follten ihm noch Rechnung Iegen über das Kirchenvermögen,
in deilen Verwaltung ste dic ganze Zeit über belalfen worden waren.
elist, ihm cr tr met send nv
dte Fıınzı
— 538 —
ftelung der Befeftigungswerfe ſchenkte der Kaifer (12. Sept. 1661)
4000 Fl. ıhır., die in jährlihen Raten von 400 fl. aus dem Biertatz
verabfolgt werden follten.
Auch die verloren gegangenen Rechte juchte fich die Gemeinde wieder
zu erwerben. Durch einen Vergleih mit dem Vomcapitel (29. Nov.
1659) wurde die Eincaffierung des dur das in Voboſitz errichtete
Schütthaus lange Zeit nicht verabreichten Zolles dem Bifchofe über-
tajfen, dem hieraus der alte Antheil des Kapitels am Elbezolle — ein
Drittel — verabfolgt werden ſollte. Erſt 16650 wurde das alte Pri-
vilegium auf diefe Weife wieder in Wirkſamkeit geſetzt.
Im Innern der Gemeinde aber gieng die Reorganifation fchr
ſchlecht vor fih. Segen den Kaiferrihter Jakob Strobel wurden
ſchwere Anflagen erhoben, als verrathe er in jelbftfücdhtiger Weiſe die
Interejfen der Stadt, der ihm untergeordnete Stadtrath aber erfreute
Jich Feines Anfchens und keiner Auctorität. Wenn früher ein Wort des
Rathes genügte, die unzufriedene Gemeinde zur Ruhe zu bringen, waren
jet Scenen der Widerjeglichfeit, ja des gemeinſten Acrgernijfes etwas
gewöhnlihhes. Umgekehrt wurde aber auch mit den Bürgern wenig Feder:
leſens gemacht, gleich Unterthanen wurden fie ohne: weiters cingefperrt,
ohne Verhör, ohne Sprud.
Berfchuldung und neuerliche Einquartierungen jegten ihren Drud
fort, und die Gemeinde konnte ſich nur durch das traurige Mittel von —
Abverkäufen retten, bei deinen fie felbit am wenigften profitierte. Den
Jeſuiten gab fie ein Feld jenfeits der Elbe (bei der Marterſäule 5
taufchweife (12 Strid gegen 6) und gejtattete ihnen alle Xaften nimmer 1!
110 fl. baren Geldes abzulöſen; ) am 22. Juni 1665 aber verfauftaw -
fie ihnen um 4000 Sch. ihren ganzen Theil des Dorfes Nutfhnig S—
um mit dem Erlöfe Schulden abzuzahlen, fo wie bald darauf (13. Juls 3i
1665) die ganze Hänferreihe, die fid) von der Pforte beim alten Dia
vienfirdjlein zum inneren Brücenthore 32098. Dagegen hatte fie furz vor —'
her (12. Feber 1665) das „Knopfhaus“ von Anna Dor. Moftnif ur a
1200 fl. Fäuflid an fich gebracht, da die erilierende Beligerin den gröüß> #
ten Theil des Kaufſchillings der Gemeinde als rückſtändige Contributior se n
ſchuldete. Im Jahre 1669 kam auch nod das Hleinere Nachbarhause -*
auf gleiche Weife Hinzu. Ein harter Berluft traf dagegen die Gemeinde —,
als am 10. Jäner 1665 das alte Schloß in der Stadt („Drade“), da- —
1663.
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mal® bereits der Gemeindemeierhof, ein Raub der Flammen wurde.
Der Berluft war um jo größer, als viele Bürger, der Dechant, die
Leute des Biſchofs, ihre Habjeligfeiten dort zu deponieren pflegten, da
ihre eigenen unausgebauten Häufer ihnen nicht Play und Sicherheit
boten. Der Klagen über Mißernten und dgl. wollen wir bier nicht
erft gedenken; fie wiederhofen ji zu oft, ale daß wir fie immer für
gleich begründet halten könnten; überhaupt gehörte cine gewiſſe Jammer—
feligleit zum Charakter der Zeit und des neuen Bürgerthums. Viel
hatte in der That die Bürgerfchaft von der Rohheit der einquartierten
Soldatesla zu dulden, deren Führer ſich als Herren der Stadt benahmen.
Im Jahre 1665 wurde der VBürgermeifter durch einen Rittmeiſter —
einen Grafen Raimund von Thurn — mit dem Stode geprügelt, wor:
auf Graf Spork die Gemeinde erfuchte, fich gütlich auszugleichen. Nach
vielen Klagen nahm ſich die Yandesbehörde der Stadt infoweit an, daß
den Officieren verboten wurde, die Stadtfchlüffel zu fordern, da fie nur
Einquartierte und nicht Commandanten der Stadt feien.
Endlich Fonnte fi die Regierung der Einficht nicht verfchlichen,
daß troß allen angewandten Meitteln „alle königlichen Städte mehr und
melr zu Grunde gehen” und folglich eine nicht unbedeutende Einnahme-
quelle ihr mit ihnen verfiege. Sie erkannte das in einem Kammerdecrete
vom 5. April 1674 an und fegte eine eigene Commiſſion ein, die ſich
Tpeziell mit dem Merfe befaffen follte, diefe Städte wieder empor zu
bringen. Um Einficht zu gewinnen in die Gründe diefes Verfalles — dem
Einen wahren Grunde gegenüber blieb die Negierung blind -- wurde
äuerft jede Gemeinde aufgefordert, ihre VBejchwerden, die „Gravamina“
Einzufenden. Allıs was jo vorgebradjt wurde, ließ ſich auf eine gewiſſen
Tofe, nur dem eigenen Privatinterejfe dienende Berwaltung zurüdführen.
Aus dem Gemeindegrunde zogen nur die Stadtbehörden für ihre Perfon
Dutzen, der Bürger aber wurde ſogar durch neue Kinfuhrzölle von Getreide,
Verein, Bier, etc. gedrüdt, deren Ertrag wie jedes andere Kinfommen
unter den Händen der Beamten verihwand. Rührte fir) ein Bürger
Dagegen, fo wurde er eingelpert und auch gegen Caution nicht euntlaſſen.
Die Perwaltungsbeamten waren nicht mehr beeidete Diener, jondern fie
bildeten die Gevatterſchaft des Primators; in den Semeindejtallungen
ftanden ihre Kühe vor dem Heu der Gemeinde; für die Derjtellung ihrer
Däufer wurde das Holz aus den Semeindewäldern geführt — die Ge-
mseindegebäude aber verfielen. Und das geſchah alles unter den Augen
einer fo vielfältigen Controlle — dies alles geftand die where Tonttstt.
beßpBrde, bie Kammer, felbft jammernd ein.
— HA —
Stephan“ (3. Auguſt) zu feiern und an demſelben ſich jeder Arbeit zu
enthalten. Dagegen proteſtierten die Bürger vorzüglich unter Hinweis
auf den Ausfall an Contribution, der ſich durch die Menge von Feſt—
tagen bemerklich mache und berichteten zugleih an den Linterlämmerer,
der ihre Bedenken theilte. Nicht fo der Bifchof, der diefe unftichhaltig
fand und mit Strafen drohte. Etwas eingefchüchtert gaben fie in etwas
nach, indem fie ſich erboten, für diesmal die Yaden wol zu fperren, aber
die seldarbeiten nicht einzuftellen. Der Rath jollte ſich an der Prozeſſion
betheiligen, vom nächften Jahre an aber der neue Feſttag auf einen
Sonntag verlegt werden. Indeſſen aber langte der Befehl des Unter⸗
kämmerers ein, ber Rath folle dem Bifchofe vortragen: „es könne ohne
päpftlihe und landesfürftliche Bewilligung einiges neues festum fori
nicht eingefett werden.” Im Folge deilen verhinderte der Primator am
beftimmten Tage das Abgehen einer Prozeflion aus der Stadtpfarrfirdhe
und als der Bifchof befahl, zur Vesper mit der großen Glocke zu läuten,
widerfetste fich dem die Bütgerſchaft, indem einer dem andern zurief, der
Stadt gehöre die Pfarrfirhe, was gehe fie die Domkirche mit ihren
Batronen an; der Biſchof möge feine Kirche für fi) behalten u. dgl.
Beim Abendläuten entgieng es wieder dem aufmerffamen Ohre des
Hirten nicht, daß feine Schafe nit mit allen Glöcklein Flingelten, wie
er geboten. Tief entrüftet über das Mißlingen des Feſtes Hagte er (am
9. Auguft 1677) bei der höchſten Landesſtelle den Frevel diefes der
„Andacht vorhin wenig beigethanen Volkes,“ das die „Ichuldige Ber:
cehrung ihrer Haupt und Mutterfirche dem bifchöflihen Stuhl zu einem.
abjcheulichen Deſpect verhindert,“ indem er zugleih den allerdings nicht
erbrachten Beweis zu führen fuchte, daß das Feſt eigentlich Fein neues
fei, und von diefen „eigenfinnigen Yeuten” Abbitte verlangte. — Gleich:
zeitig fragte er beim Erzbifchofe an, „ob nicht rathſam wäre, wider die
contumaciam des allhiefigen Stadtrathe8 servato juris ordine mit
einem interdicto locali auf ihre Pfarrkirchen zu verfahren, damit fie die
Dependenz berfelben von der Kathedraltirde erkennen lernen.” Der Erz:
bifhof muß ihm wenigſtens nicht widerrathen haben, zog ſich aber nad):
mals aus der Schlinge.
Je mehr den Bifchof diefe Niederlage — das Feſt wurde nie
Öffentlich gefeiert — kränkte, deſto eifriger nahm er num wieder die Frage
der Rechnungslegung auf. Der Rath erklärte zwar (am 17. September
1677) unter allem möglichen Rechtsvorbehalt, die Rechnungen „pro hic
et nanc gleichfam gezwungen” legen zu wollen, hielt auch nachmals mit
Der vom Biſchofe ernannten Teputation gemeinichaftlih neue Sitzungen,
Brad aber alle Verhandlungen wieder ab, ald Sternberg endlih am
21. November 1678 mit feinen Anforderungen, die er noch dazu in Die
Form ciner „Verordnung“ fleidete, herausrüdte. In 19 Punkten ver
Langie er eine vollftändige Aufhebung des freien Verfügungérechtes über
Das Kirchenvermögen von Zeiten der Gemeinde zu Gunſten feiner Über
ausflihtsorgane, eine Nichtigleitserflärung aller Kontracte, die über das
Kärchenvermögen bisher ohne feine Zuſtimmung verfügt hatten, die Aus—
fieferung ſämmtlicher Dofmmente über das Kirdyenvermögen u. dgl. ın.
Dei Gelegenheit der üblihen Weihnachtsgratulation überreichte ihm der
Rath ein Schreiben, in welchem er ihm, gejtügt auf die Schenkungeur-
kunde Ferdinands I. und den Art. VI. der Stadtinftruction, cin Recht
der Inſpection fürnlicd) abſprach, welches „unartige” Schreiben den Reit
pastoraler Geduld erſchöpfte. Cr fonnte es nicht verwinden, dak Pie
Bürger „ihrem oberen Scelenhirten an demjenigen Tage, an weldem die
Engel der ganzen Welt den Fricden verfündet, einen Nricg ankündigten
und alfo mit den Munde den Frieden conteitierten, mit der Hand aber
das Schwert wider ihren Biſchof zücken thäten.” Kine feierliche Andro«
hung des Bannſtrahls folgte und die Bürger — cben noch grimmige
Wölfe — lagen wieder ale fronume Schäflein vor ihrem Hirten. Binnen
Dionatejrijt veripradhen fie gut zu hun. Raum aber waren fie achrümm-
tem Rüdens durd) das Michelsthor herein, verlor ſich wieder die Zer—
mirſchung.
Sie ſuchten wieder Schutz bei der Yandeeregierung und baten dieſe,
dapın zu wirfen, dar ihre Seelen durch die angedrohte Strafe wenigitend
Nicht zur Zeit des eben bevorftehenden Jahrmarkted gepeinigt werden
möchten. Die Sache erregte nun bereits die Aufmerkſamkeit der hochiten
Kreiſe und fand als Principienfrage auch auf dem eben tagenden Yand-
tage zu Brag Erwähnung, mo jih der Erzbiihof und die beiden Bi—
Ichöfe dahin erflärten, daß jie diesfalls ihre Meinung den Ständen er-
Öffnen wollten, werhalb die Gemeinde die trofttiche Verſicherung erhielt,
dag gar nicht zu vermuthen ſei, daR dem Biſchofe geitattet mürde, vor
Er laß einer faiferlihen Refolution „mit dem bierlande ungewöhnlichen
Imterdicte vorzueilen.“ Während dies Schreiben am 10. Feber 1679
don der Statthalterei ausgieng, unterzeihnee Sternberg am 11.
Feber das Interdiet über die Ztadt, ohne ca tedoch noch zu publizieren.
— Durch die weitere Berficherung des Unterfämmerere, daR die Zuzie
hung eigener Sommifjäre zu den Rechnungstagen in Feiner königl. Stadt
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üblich fei, ficher gemacht, verweigerte der Rath abermals jcdes Zuge:
ftändnis. Am 23. Feber wurde daher der Bannfludh über die ganze
Stadt am Thore der Stadtlirde angenagelt. Von diefem Tage an
verjtummten die Glocken, und die Menſchen mußten verfuchen, ihr irdi—
ſches Dafein ohne Unterftügung himmliſcher Gnaden zu friften. Darob
weinten und jammerten bie einen, die andern aber meinten, „man könne
des Biſchofs Brief fo gut vom Thore reißen, als er ihn hinaufgenagelt.“
Der Meinung war der Bilchof felber und Tieß die nächſte Nacht zwei
feiner Untertanen am Kirchthore wachen. Weniger Har hatte er aber
bedacht, welche Auffafjung feinem Vorgehen von Sciten der Taiferlichen
Regierung zu Theil werden würde. Kaifer Leopold felbft mußte ſich
hoͤchlich verlegt fühlen, dab es cin Biſchof wage, fich in einer feiner
Städte größere Herricherredhte anzumaſſen, als er ihm ſelbſt zugeftand.
Da die Bürgerfchaft an den Kaifer appelliert und dieſer erjt zu ent⸗
fcheiden hatte, wie viel Rechte er dem Confiftorium in Betreff cines
Verwaltungszweiges in feinen Städten zugeftehen wolle, hatte ficy der
Biſchof diefe Prinzipienfrage felbft in feinem Sinne zu löfen erlaubt.
Kaum hatten die Statthalter hievon die Nachricht erhalten, jo brachten
fie in zehn Artikeln eine energifhe Klage gegen den Bifchof bei deſſen
Metropoliten vor. Er habe fich, klagten fie, durch dieſes Vergehen gegen
die Grundgeſetze des Königreichs, die Privilegien des öſterreichiſchen Erz:
haufes, die Rechte eines Könige, gegen deſſen Referipte und Nefolutionen,
fo wie gegen alles Herkommen vergangen. Da die Stadt an den Kaijer
appelliert, fo hätte er mit jeinem Interdicte dem Beſchluſſe des legteren
nicht vorgreifen, auf dem Boden einer königlichen Stadt nicht durd feine
Unterthanen Wache Halten, fo wie auch den ungebührlichen Titel „gnä—
digfter Herr” ſich nicht anmaßen, fondern in alldem zur weltlihen De:
hörde feine Zufluht nehmen follen. Der Erzbifchof wies jedoch das
Begehren, alles wieder fogleih in den früheren Stand zu verfegen, mit
der Antwort zurüd (2. März), die Sache müſſe erſt unterfucht werden,
und übermittelte die Klagfchrift dem Bifchofe.
Domit war die Statthalterei nicht zufrieden, fondern jandte am
15. März dem Bilhofe den Befcht, das Interdict entweder binnen
zehn Tagen aufzuheben oder jich perlönlih in Prag zu ftellen. Ebenfo
entichieden erwiderte (am 27. März) der Biſchof: zur Aufhebung dee
Interdict® hätte er noch feine Urſache gefunden und das perföntiche
Erfcheinen vor einem weltlichen Gerichte verböten ihm die päbjtlichen
Bullen — er wolle ſich über die Sache erft bei der römifchen Curie
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Inſtructionen holen. Gleichzeitig aber lud er die Bürgerſchaft zu buß—
ſertiger Rückkehr ein, damit das nahende Oſterfeſt die Verſohnung bringe.
Indeſſen ſchickte der Kaiſer den Appellatiousrath Joh. Iſ. von
H ar tig nad Leitmeritz, um den Befehlen ſeiner Statthalter Nachdruck
u verſchaffen, während es der Biſchof verſuchte, ſich beim Kaiſer durch
einen ausführlichen Bericht zu rechtfertigen (28. März.)
Der Commiſſär ſuchte zuerſt den Biſchof umzuſtimmen, dem cr
zu verſtehen gab, daß ihn der Erzbiſchof nur aufs Eis führen und daun
ſtecken laſſen wolle; verſuchte aber hierauf mit mehr Erfolg ſein Glück
bei den Bürgern, als er ſich von der Unbeugſamkeit des Biſchofs über
jeugt hatte. Tie Bürger, zur Widerfeglichfeit wie zur Unterwürfigfeit
gleich bereit, übernahmen die ihnen vorgeichrichbenen tollen in der vom
taiferfichen Commiſſär arrangierten Komödie. Am 1. April beugten jid)
die Räthe Meißner, Shermer, Simonides, Hlaſiwec, Strobel,
Tyma und Strafa vor den Wilchofe im feiner Reſidenz und batcır,
für alle „Beleidigungen“ Abbitte leiftend, um Aufhebung der Stirchen:
ftrafe. Der Bifchof explizierte die Gründe feines Vorgehens, worauf
der Magijtrat in einer fateinifchen Formel bekannte, daß jenem ale dem
Ordinarius des Ortes die Ueberwachung der Gebahrung mit dem Nirchen-
vermögen zuftche und veriprady den zu Schaden gekommenen Kirchen jene
Genugthuung zu leiften, zu welder ihn S. Mai. verhatten werde. Zum
Schluße jeiner Rede gebrauchte der Rath in vorbeftimmter Weiſe die
Anfprache „guädigjter Herr,“ worauf das Schauſpiel mit einer feier
lichen Broteftantion gegen diefen Titel von Seiten des Biſchofs ſchloß
Das Yuterdict hörte auf, und der Wifchof reichte Tags darauf den
Räthen eigenhändig dag Vfterlamm. 9 Der Kailer rief ſeinen Kom:
miſſar am 21. Aprit mit dem Auftrage ab, alles bis auf weitere im
statu quo zu befajfen. Erſt am 16. Auguft nahm der Prozeß ein form
liches Ende, indem der Unterkämmerer ſelbſt durch feinen Adiuntkten
Samuel Strata die Kirchenrechnungen durchſehen ließ. Die gegemfeitige
derbitterung wurde aber noch oft bemerklid).
3. Die Bauern und die Peſt.
Das nachfolgende Fahr ı 1680) brachte wieder Ungluf genug — der
rühling den Baneraufſtand, der Herbſt die Peſt.
Inm Frühlinge kam Yeitmerig mut dein Schrecken davon, im Herbſte
Die Acten find theils im St. A., großtentheils aber im Conſiſtorialarchive zu
Leitmeritz.
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ließ ſich das Unglück daſelbſt ganz nieder. Wie aus dem Patente Kaiſer
veopolds (vom 28. JIuni 1680) erhellt, hatten die leibeigenen Bauern über
Veberbürdung mit Steuern und NRoboten, den Seitens der Herrfchaften
oft geibten Zwang zur Abnahme verborbener Wirtfchaftsfeilfchaften (ſchlechtes
Bier ect.) und das graufame Strafverfahren bei den Batrimonialgerichten
Klage zu führen, die indeß wie gewöhnlich nicht cher gehört wurde, ale
bis ein allgemeiner Bauernaufftand drohte.
Die Interthanen des Domdechants auf Gut Teinig hatten ſich
fhon 1652 gegen die Forderungen ihrer Herrichaft erhoben, indem fie
fih auf eine Urkunde ftüßten, die ihnen Probft Herbard 1269 ver-
liehen hatte. Der Domdechant erlärte aber die ans diefer Urkunde
hergeleiteten Rechte als durch die Ereigniffe von 1475 für verwirkt. Mit
dernfelben Entfcheidungesgrunde verurtheilte fie der Erzbiſchof, an den fie
fid) gewendet hatten. ") Aehnliche Urfachen erzeugten aller Orten eine große
Gährung im Pandvolke, die endlih 1680 in einen Aufitaud ausbrach.
And) nad) Peitmerig kam Ende März die Kunde von dem Heranrüden
der Bauernrotten und die bifchöflichen Unterthanen retteten bereits ihre
Habfeligkeiten aus den offenen Dörfern in die Stadt. Die Bauern
benahmen ſich indeß hier fehr maßvoll. In Polratik fand gegen
Anfang April eine Bauernverfammlung ftatt und ſetzte Loboſitz in
nicht geringen Schreien, als ſie dahin ihren Weg nah, um, wie man
glaubte, die Yente anf den Jahrmarkte zu überfallen. Das war jedoch
den Bauern nicht in den Sinn gefommen. Sie hatten nur die Richter
von Geblitz, Piſtian md Proſmik zu einer Derathung nach Po—
fratiß berufen und als diefe nicht erichienen, fie holen wollen. Sie
Ichenten aber die Ueberfuhr bei der Stadt zu paffieren und giengen deß⸗
halb auf Biftian zu, wodurch fie den Vobofigern fo viel unnöthigen
Zchreden verurfachten. Sie wurden, wie es fcheint, auf diefem Wege
anfgehoben und die Ztinimführer eigefperrt. Etwas bebrohlicher yienge
auf den bifchöflidyen Herrichaften ber. Zu Drum gerieth der bifchöfliche
Auchhalter Adam Nadonsfn in die Hände der aufgebrachten Bauern und
wurde von ihnen vier Wochen lang in ftreng bewachtem Gewahrſam ge:
halten und fo übel tractiert, daR er zur North mit dem Yeben davon faın.
Yeitmeriß erhielt eine Beſatzung zur ferneren Aufrechterhaltung der
Ordnung md der Kaifer regelte durch das erwähnte Patent einiger Dlaken
das traurige Yeibeigenfchaftsverhäftnie.
— — — — ——
n Dies und das folgende aus Acten bes 1. St. A.
Im Zomier Scart:
Lem Sasıca Fra hr ırz
Bie und da aus, Yenmins arfinstız ver!
mE mus rer nn
nah
wann Ts nam do 3
IchofT bereitä him: In Artak, Ya faum Snmlisier Zur n..nı
surehmen. Am =>. ur: Soiie Mer iblmerfaimumer, um Mr Wo
Partenahm. tar die Ziet nidr zesaben lemnn. In Nuroosı
und war beciie ın Yızak ana, nechm Fauna Bir!
den Eintritt in De Stadt anıer Hinwere urn cdı am !s.cne
Ber veriagıen, worauf er ohne ſemt:: Umminen gr vıbesun Ni ar,
männer nah Zaxı veichted ur da Me dem Bilhetr
aus dem Karhatoırer anettlor. Tier art man ans Seratmım >
ſtrengſien Mittel der Sarastaine und wies wietir in Urkerveriı st
der Tominitanır vor tem Thore ab.
Als aber irog alledem im Zertember 1ASc das Nandebars Kuda
Eingang fand, verimmmmme auf einige Zeit sur Streit. Tea Mai
einer Seuche wurde neh aröker durch die tarbauitn Wim, Moon
Zeit zu ihrer Abwehr erzrif. Auf Mefcht >
des stroalulnicinatise No
lowrat wurde jedes Haue griverrt, ın wela.ın >
Deldaı ad tet rad
wär. Der Erkrankte wurde hililos der Verzwriflunqg Acnlaflım Sons
geſunden Juwohner dis Hauies aber
Oder in den Wald getrieben, und dert ar nethduritig nur Vereine
derfehen, da jeder Vertehr mit ihnen verboten war.
beim Ginbruche der falten Jahreszeit -
Noch am 26. November Kınden
vor die Städi bua:s ine NN
wer Wander, wenn
Dctober diete alte eriagen.
die Gerichtsierien aut niert"
Derlängert und die Peſi muß ſomu noch iminzer fertgenanit baben
Erlegenen wurden auf den verödeten Gottedaaer bei
ſchafft. In dieſer Roth gelobte die Bürzerichaft den Degen. War.
Bartholomäus, Sebaſtian, Faverine md Rechnuo die Errichtung dm
Statue auf dem lage und der Biſchof legte hirzu am 15. Mer Test
feietlich den EGrundſtein, nachdem der Kaiſerrichter den erſten Stein ae
dem Pflajter geriſſen.
Nach überſtandener Gefahr horte die Freundichait bald ws me
Die gegenſeitigen Beſchuldigungen waren 1 ziemlich
“aroslan tagte am 25. Juner est
Wo.rbhen
—
x it
S. Adarbert ge
wieder dirleloen
neuerdings beit der Namen uber
die Anmaßung der Burger, die den Dechant wie ihren Amiinann br
dein wollten, ibm grobe Verweiſe andiheilten, die Kircheuordnung
Teformieren wollten und mit den Kirchengeldern wie vormals wieder un;
veraniwortlich wirtſchafteten. Der Kaiſerrichter wird beſonders ſchwer be
Wichtige, daB er die Stiftungacapıtalion als Darlehen un jid; brachte,
— 550 —
ohne fie fiher zu ftellen und zu verzinjen. ‘Der Magiftrat vermwalte
Ichlecht genug fein vigenes Vermögen, man möge daher die Werwaltung
des Kirchenvermögens dem Dechante übergeben. “Die Vertheidigungsichrift
des Rathes nahm dießmal der Unterfämmerer nicht an, weil fie zu viel
„anzügliche, fpigige und ungebührliche Worte und Dinge enthalte md
1687 ergieng vom Conſiſtorium an den Stadtdechant der Befehl, die
Kirchenrechnungen felbjt zu übernehmen. Auch dießmal muß bie Erbit-
terung bereit8 groß geworden fein, deun die Regierung legte 1684 eine
Einquartierung zur „Aufrechthaltung der Ordnung” in die Stadt.
4. Pfalz von Oſtritz.
In Betreff der fchlechten Gemeindeverwaltung hatte der Biſchof
gar nicht unrecht. Ob und wie das anders werden folfe, darüber waren
die Stimmen in der Bürgerfchaft lange nicht fo einig, als die Schle
tigfeit Mar zu Tage lag. Ein Deutſcher, der eben erft aus der Kaufik |
eingewandert war und fid) um wenig Geld einen ziemlichen Grundbeſit
erworben hatte, ftand an der Spite bes fehr Fleinen Häufleins jenen,
die der Regierung bei der Reform der Stadtverwaltung die Hand ji
bieten gewillt waren. Er trug den heute noch in feiner Stadt befannten
und nit Danfbarfeit genannten Namen Joſeph Pfalz von Oftrik |
Schon vor dem Jahre 1686 finden wir ihn im Amte des Primatord,
dag er num durch eine Reihe von Jahren als vielverlenmdeter und ge
Ihmähter Reformator mit unerfchütterlichem Muthe und im jener Zeit
ftaunenswerthem Freiſinne befleidete. Ihm zur Seite ſtand der eben
auch erft eingewanderte Joh. Grämling, den die Regierung zum Amt‘
manne, d. i. zum Nentenverwefer der Stadt ernannt hatte. Beide unteT’
breiteten 1686 der Kammer einen Entwurf zur Wiedererhebung der Stadt
in welchem fie eine NReorganifation des Bräuwefens, die Wiederherjtellu st!
des Wehrs und der Brücke, die Aufrechterhaltung des Schankrechtes 43
ehemaligen Stadtfhütthaufe jenfeit8 der Brücke gegen die Prätenfiorr €
des Biſchofs, den Wiederaufbau der Maierhöfe ımd deren Beſetzung mE
aller Art Vieh, die Hebung der Schafzucht und Weinfultur, fo wie d ĩ
Uebergabe der Verwaltung der geſammten Einkünſte an den Amtmar?
als nothwendige Vorbedingungen aufjtellten. Pfalz warf es dem Rat;
immer und immer wieder vor, wie unverantwortlic ei wirtſchafte. F
den Maierhöfen ftände fein Vieh, daher fein Dünger für die Gemeinde
felber: hei her Schäferei werde nur die Hälfte der nöthigen Schafe ge
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halten und bie Jungen an die Nathsherrn würden verfcheuft ſtatt verkauft
zu werben; die Weingärten feien mit Gras übermwuchert, die Brachfelder
nicht gewendet; oft liege die Ernte 6 Wochen auf dem Felde, weil der
Rath die robotpflichtigen Unterthanen gegen Gefchente von der Robot
(o83ähle, ja nicht einmal zum Wehr: und Brüdenban habe man ihn
die fonft übliche Hilfe geleiftet, fo daß die günftige Zeit unbenüßt ver-
jtrihen fe. Andererfeits giengen feine volfswirtfchaftlichen Beſtrebungen
noch weit über den Horizont feiner Zeit hinans. Voll VBegeifterung be»
glüdwünfchte er den Therftburggrafen Wratislam von Sternberg, daß
er den Plan gefaßt habe, den Handel zu Waffer zu Heben und entwirft
ihm ein ausführliches Verzeichnis aller Waaren, die die Elbe hinab aus
den öfterreichifchen Staaten zu großen Naben derfelben würden ausge
führt werden können; doch müßten vor allem die Waſſermauten — auf die
grade feine Zeit und feine Gemeinde fo viel hielt — fallen, die font
ewig das Haupthindernis des böhmiſchen Handels jein würden. Er war
nicht der erfte und letzte, dem folche Beftrebungen den Haß feiner Mitbürger
eintrugen. Vorzüglich war e8 der SKaiferrichter felbft, der mit den ge-
wünſchten Neuerungen unzufrieden zu fein allen Grund hatte. Er, der
vom unrehtmäßigen Beſitze des (Semeindegutes reich wurde, fühlte we:
nigftens fein Mitleid mit der Verarmung der Stadt und gleiche Gründe
ſchufen ihm Barteigenoffen genug — den Begriff von Gemeinſinn darf
man in jener Zeit überhaupt nicht ſuchen, und ſchließlich waren dieſe
Räthe eben nicht Schlechter, als fie die Bürger verdienten. Tiefes Be:
wußtfein lieh fie gegen die Männer auftreten, die aus der fremde zugereift,
der neuen Sprache kaum mächtig, alle „gute alte Sitte” nmftogen wollten,
wm durch neue Einrichtungen — etwas anderes konnte fich die Zeit gar
nicht denken — jelbit zu profitieren. Geheime Wühlereien mögen wol
ſchon lange jtattgefunden haben; als aber Pfalz im Däner 1656 in
derfolgung feiner Pläne nach Prag gereift war, verfammelten jich, wie
behauptet, auf Antrieb des Maiferrichters die Sechsrichter und (Ges
meindealteften, um gegen alles zu protejtieren, was der Primatar zum
meinen Welten zu Schaffen gefonuen war. Yieber wollten fie dem Biſchofe
Klällig fein, ale dem — Dentſchen, lieber jenem zu Gefalfen die Scent-
hauſer cajlieren, die diefer zum Gemeindebeſten geſchaffen hatte.
Ebenſo beichlofen sie, die Meierhöfe nicht zu bauen etc., und ver:
fefften eine Klageſchrift an die Kammer, der ſich auch die Rathsherren an-
Mohen. In allgemeinen Phrafen befchuldigten fie den Primator fchlechter
Birtiipaft, eigenmaͤchtiger wie eigenmügiger Gebahrung und der Rah wur
— 52 —
nichts ſchlimmeres hinzuzufügen, als daß er fi) von dem nie abbringen laife,
was er einmal in die Hand genommen, und es durchſetze felbft gegen
Aller Willen (25. Jäner 15 6). Gegen feinen Amtmann Iohann Gräm
ling aber wurde die ſchwere Auflage erhoben, daß er gegen alle alte
Sitte feine Rechnungen — deutſch Tege. Hier offenbarte ſich ein zweites
Motiv des Streitee. Pfalz antwortete, alle Angriffe kämen nur daher,
daß er die Gemeindewirtichaft in feine Hand genommen, er fei nun aber
einmal feft entichlojfen, der ruinierten Stadtwirtichaft aufzuhelfen, bitte
einzig ihm freie Hand zu laflen, indem er jeden Schaden zehnfach zu
erfegen verfpredhe. Die Kammer befahl der Gemeinde aufs ftrengfte, den
Primator vielmehr in feinen Verbefferungsplänen eifrig zu unterjtügen
und die Rechnungen anzunehmen, auch wenn fie deutſch gefchrieben feien.
Durch ſolchen Schutz und eine bewunderungswürdige Zähigkeit gelang
e8 dem Primator, fein Programm nad) und nach wenigftens theilweife zur
Durchführung zu bringen. Das erfte war ihm die Wiederherftellung der
Brüde, mit der er bereits vor dem genannten Jahre begonnen, die aber
noch mehrere Jahrzehnte zu ihrer Vollendung von Pfeiler zu Pfeiler in
Anſpruch nahm. Während er fi biezu die Hilfe des Landes ficherte,
borgte er bei feinem Bruder (Ehriftian Auguft, Scholafticne in Bautzen)
Gelder aus, um im Frühlinge 1687 einen neuen Steinpfeiler zu errichten.
An die Herrfchaften von Plofhfomwig, Schwag, Yiebshanfen,
Bilin, Yibefhig, Doran, Cijfomwig und Neuſchloß wandte er
fih bittlih um Leiftung von Meaterialzufuhr während des Winters, wäh-
rend er ſelbſt aus feinen Kalkbrücdhen den Baukalk fammt uhren um:
fonft lieferte. So bradite er es dahin, daß die Gemeinde die Brücke
am legten Dezember 1687 bereits wieder um 500 fl. verpachten fonnte.
Trotz allen Anfeindungen blieb Balz nahe an 40 Jahre der leitende
Geiſt in Yeitmerig. Seltene Ausdauer und das Glück eines langen Lebens
verbalfen ihm zum Triumphe über feine Feinde.
Während er das Grträgnis der Weinberge und Gemeindefelder zu
erhöhen fuchte, baute er an der Brüde noch von Jahr zu Jahr fort,
um der Gemeinde durch die einmaligen Kojten eines folideren Vaumwerfes
die von Jahr zu Jahr fich wiederhofenden zu erfparen. 1692 führte er
zwei neue fteinerne Pfeiler auf, 1693 den dritten, 700 den vierten. Erft
1712 ruhte die Brüde auf 7 Steinpfeilern.
1705 feßte er feinem Plane gemäß bei der 1704 unter der Ober⸗
leitung des Grafen Octavian Kineki neu zufammengeftellten „Empor-
bringungscommtiflion“ feine neue Bräuordnung und Wirthſchafteverwal⸗
— 553 —
tung durch und ſah feine Gefinnungsgenofjen Johann Wildhuim und
Wenzel Calderal als Verwaltungsbeamte bejtätigt. Im Jahre 1716
endlich fah er den längft projectierten profmifer Meierhof in impo-
fanter Weife aus den Ruinen erjtehen, nachdem der Mlikojeder wahr:
ſcheinlich ſchon früher in befcheidenerer Weije hergeftellt worden war.
Auch durch Firchliche Bauten verewigte ſich feine Zeit. Die Stadtlirdje
wurde renoviert, zur Tefuitenfirche der Grund gelegt, die Adalberts- und
Wenzelsfirche eritanden neu unter dem Primate diejes feltenen Mannes.
Auch den alten Streit um die Kirchenrechnungen legte er wenigiten® in
Hinfiht auf die Vergangenheit bei, indem er die Dechantei und Schule
aus Gemeindemitteln nen baute und dafür die Abfchreibung alter Sünden
feiner Vorgänger erlangte.
Bei all dem gelang es ihm freilich nicht, die Grundgebrechen in
der Gemeinde zu beheben, wie vorübergehenden Inglüdsfällen niemand
vorzubeugen vermochte. 1697 (8. Juni) brannte abermals die Gemeinde-
mühle, 1712 aber ein ziemlicher Theil der Stadt mit dem S. Jacobs:
kloſter vollftändig nieder. 1710 war die Stadt gezwungen, ihren Befig
in Libohomwan an ben Grafen Noftig zu verkaufen. Wie man aber
vordem mit folchem Gute umgefprungen war, beweift der Fall, daß fie
1717 einen Weinberg in Salefel von einem auffigen Bürger um
1050 fi. zurüdfaufte, den der Magiftrat von 1682 um 5 fl. verfauft
hatte. 1721 erfaufte die Gemeinde von Baron Chotek das Gut Lu⸗
kawitz, 1725 den eheinaligen Sudengarten vor dem langen Shore und
1726 das gegenwärtige Gemeindehaus, die „Königsburg“ von dem
ganz herabgefommenen Barone Ferdinand Aulik von Trebnig, deilen ſchon
früher Erwähnung gefchah.
Das durd) Pfalz neugehobene Bräuweſen erklärten feine vorma-
ligen Gegner — die Sehsrichter — im Jahre 1722 als der Stadt „beftes
Regale, von welchen die völligen Faiferlichen Präftanda gezahlt werden,”
und diefelben hatten Feine andere Bitte mehr, als die Kammer möge fie
bei der Brauordnung von 1705 erhalten, ihnen einen zweiten Mälzer,
aber aud) einen neuen Schulmeifter zu beftellen geftatten. Daß Pfalzen
bei all feinen Beſtrebungen der Schein des Wigennußes nicht treffen
könne, bewies er feinen Gegnern noch vor feinem Ende. Er hatte für
feinen Yeibeserben zu forgen und verwendete fo durch das Teftament von
1724 einen großen Theil feines Vermögens zur Stiftung einer Bürger-
verforgungsanitalt, den Reſt hinterließ er feiner Gemalin Rebeka mit
dem Wuftrage, feiner Zeit jene Stifung biemit zu vermehren, was viele
auch im Zahre 1781 that.
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in der Nacht des 23. November eine Abtheilung Panduren heimlich in
die Vorſtadt auf und verbargen fie auf dem Dachboden der Domkirche.
Tags darauf beihoß diefes Häuflein ohne Erfolg das Michaelsthor,
während die Hauptmacdht bereit8 vor das lange Thor gerüdt war. Am
25. nad) Mitternadht begann die Beſchießung desfelben durd 4 Feld-
ftüde. Die Franzoſen ftedten die nod übrigen Häufer beim langen und
beim Brüdenthore in Brand und vertheidigten beide Punkte, während
e8 den PBanduren gelang, zwiſchen denfelben die Mauer am Kapuziner-
garten zu erfteigen und von da in die lange Gaffe zu dringen. Grit
hierauf nahm D’Armentiere Capitulation. Den Officieren wurde freier
Abzug gewährt, die Mannſchaft mußte am 26. Nov. vor den Neuthore
die Waffen übergeben. Hierauf zogen 2 öfterreihiiche Regimenter als
Garnijon ein. Am 16. Dezember verließen die Franzoſen auh Prag.
Mehr nod litt Leitmerig im 2. und 3. fchlefiihen Kriege. Auf
dein Zuge Friedrichs II. gegen Brag im Augujt 1744 bildete die
Stadt eine Hauptftation. Am 26. Auguft erfihienen die erften Preußen
— 16 Mann — in Xeitmerig, am 30. nahmen 2 Compagnien Grenabiere
dafelbft ihr Quartier, tags darauf folgte ein ganzes Battaillon nad.
Hier erwarteten die Preußen Geſchütz, Munition und Proviant, die von
Magdeburg her am 4. Sept. eintrafen, jenfeits der Brücke ausge:
Ihifft und dann durd im leitmeriger, vafoniger und bunzlauer Kreiſe
requirierte Führer über Trebautig und Melnif nah Prag geſchafft
wurden. Nachdem auch dic Arınee Xeitmerig paffiert Hatte, blieb nur ein
Grenadierbattaillon zur Ueberwadjuung der weitern Transporte zurüd.
Der Commandant, Chrijtian von Stanger, legte ein Magazin an, für
das er ungeheuere Mengen von Diehl, Getreide und Stroh requirierte.
An der Eibebrüde ließ er eine Redoute errichten, in der Stadt felbft
eine Menge Berbarrifadierungen anlegen. Prag fiel befanntlich fchon am
16. September und e8 wurden nun die Magazine dorthin verlegt. Ale
fi die preußifche Armee nach Schlefien 309, langten am 30. Nov. von
Prag aus an 8000 Mann in Leitmerig an, fo daß manches Bürgerhaus
für 60— 70 Mann Platz machen mußte. Doc dauerte diefe Einquar⸗
tierung nicht lange. Am 4. Dez. war kein Preuße mehr in Leitmerig.
Den Proviant — 7000 Fäſſer Mehl — gab der Commandant den
Truppen preis, die ihn an die Bewohner verfauften; die Bauten jenfeits
der Brücke ließ er in Brand fteden, die Bontons durchbohren und fchließlich
die Hälfte der koſtbaren Brüde niederbrennen. Dann zog er ab, den
Rathmann Kopidlansty als Geifel für 70 zurüdgelaffene Kranke
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mit ſich führend. Doch wurbe diejer bereits in Böhmifch-Yeipa wieder
entlafjen. Gleich daranf rückten öfterreihif—he Truppen von Yobofig aus
Durch das Midyaelsthor ein. Den Schaden, den Yeitimerit in dieſer Zeit
erlitten hatte, berechnete man mit Ausfhluß der Brüde auf mehr als
-25.000 fl.
Bis zum Jahre 1756 blieb die Stadt vom Feinde verſchont, nicht
fo aber vom Freunde. Noch im Dezember 1744 wurde bei der Fiſcherei
cine Nothbrüde iiber die Elbe gefchlagen, un die Truppen in die Winter:
guecarticre transportieren zu Fönnen; fie ftürzte aber gleich wieder ein
ızrı & die Truppen mußten bei Yobofik überführt werben.
ders Halb an die Wicderherjtellung der Hanptbrüce,
wie Der bruudbar war.
Ztadt.
Dean giengq
die am 10. April
Mit Ende Mai 1745 verließen die Truppen bie
Um 5. Dezember aber bequartierte diefelbe den Prinzen Karl
vore YVothringen und den Feldmarſchall Lobkowitz jammt deren fehr
za h Creichem Generalſtabe und einigen taufend Pferden. Vom 5. bie 11.
Dez. paſſierten 14 verfdiedene Regimenter und 31 einzelne Pataillone
die Stadt. Am 9. rücte das Hauptquartier nach Loboſitz ab. Tod
bauertien die Durchmärſche noch faft das ganze nächſte Lahr fort. Zur
Abwechelung traf auch wieder einmal eine Truppe ale Executionsmannſchaft
er — denn bei der Yage der Dinge auch noch Steuern zu zahlen, war
vieler unmöglid. Für die faft ftändige Cinquartierung wurde zur Er-
feichterung der Bürger 1748 zuerft nach den fog. türrheimfchen
im Aulik'ſchen Hanfe eine Kaferne eingerichtet.
Der nicht ohne Opfer erfaufte Frieden dauerte nicht lang genug,
um Die Stadt fi wieder erholen zu laſſen. Zudem brachten e& bic
Kriegamirren mit ſich, daß die Rechte derfetben immer jchuploier preie
gegeben wurden. Gleichzeitig mehrte fich die Unficherheit des Beſitzes fo,
daR dem Rathe am 14. Octob. 1750 die Ausübung des Standrechtes gegen
Ränder und Diebe auf cin Jahr eingeräumt und dieie Friſt fpater ſtets
Syſteme
LF wieder verlängert werden mufte. Daß die Regierung der troftlojen Finanz-
es tage der Stadt durch Herabſetzung der Gehalte der jtadtifhen Beamten
ze und Diener (10. Jäner 1756) aufhelfen wollte, rief auch unter dieſen eine
we rohe Aufregung hervor und der gemeine Mann hatte ſchon längit feinen
TS rund, ſich zufrieden zu fühlen. Das Kriegénnglück raftete auch nur
lerze Zeit.
_ Der denkwürdige ficbeniährige Krieg eroffuete grade in unſerer
Gegend, an der vorüber die damalige Nauptitraße von Sachſen in dag
Saure des Landes führte, fein biutige® Schaufpiel. Dad nahe Bun
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— 561 —
die Zornauslaſſungen des „Freundes“ zu denen des Feindes nehmen.
Am nächſten Tage rückten noch 2 Regimenter Infanterie und einige
Hußaren in die Stadt. Obgleich dieſe alles aufbot, war es doch nicht
möglich, den Zorn des Commandanten zu beſchwichtigen. In Gegenwart
der Soldatesfa Fanzelte er den Rath ab und drohte ihm mit Eifen und
Banden, den jtädtifchen Filialcaffier jagte er aus der Amtsſtube und
verbot feinen Truppen ausdrüctich, den üblichen Schlaffreuzer an ihre
Wirthe zu entrichten. Lin etwaigen Klagen zuvorzukommen, verflagte er
die Gemeinde felbit, daß jie ihm die Ankunft des Feindes nicht ange-
zeigt, ihn felbft nicht rechtzeitig begrüßt, jo wie daß bei dem wegen bes
Breslauer Sieges abgehaltenen Tedeum faum 3 bis 4 Bürger zugegen
gewefen feien, „woraus der Stadt nieberträchtiges Gemüth genugfam an
den Tag trete.‘
Ein ähnlicher Einfall der Preußen fand Mitte April 1759 ftatt,
bei welchem die Magazine von Außig, Yeitmeriß und Budin ge
nommen und über dritthafbtaufend Mann gefangen fortgeführt wurden,
Zwei Domherren wurden als Geijel nah Yeipzig gebradt.
Bon da an ſchwieg zwar der Kriegslärm um unfere Stadt; bie
letzten Ereigniſſe hatten aber bereits dazu beigetragen, daß fie ſich volf-
ftändig verbiutet hatte. Kinquartierungen, eingefchleppte Krankheiten,
- Sontributionslieferungen und Rekrutenſtellung quälten die Bürger auch
weiterhin noch. Zwar belief ſich beilpielsweife 1761 das Nefrutencon-
tingent für Yeitmerig nur auf 5'Y,, Mann, aber auch diefe konnte die
Stadt bereit® weder ftellen nod) zahlen. 14 Häufer ftanden nun wieder
ganz leer, in 82 wohnten mır Witwen und Waifen. In Crmangelung
jtellungsfähiger Yeute griff man gewöhnlich zu feindlichen Deſerteuren,
deren einer nach der gewöhnfichen Taxe 80 Fl. zu foiten pflegte. Dies-
mal mußte man von den benachbarten Sütern 3 Nefruten borgen. Es
bfieb nichts übrig, als zur theilweiten Veräußerung des Gemeindegutes
zu fohreiten. Am 22. Tetober bot die Gemeinde die Dontinilalwirths-
häufer zu vVukawitz, Pofratig, Tlugen und Sebuſein, fo wie
die Schmieden zu Yufawig und Polratig zum Verkaufe aus. Aber
nur die Objecte in Vnkawitz fanden zwei Naufluftige, die das Wirthe-
haus und die Schmiede um 1550 fl. erfauften. Die Wirthehäufer zu
Bofratig, Tlugen und Sebuſein konnte die Gemeinde erft 1763
und 1767 an Paun bringen.
Große Koſten verurjachte immer wicder der alte Krebsſchaden, der
fojtfpielige und unfolide Bau der Brüde. Seit 1757 war an ihrer
96
— 560 —
in ftrenger Disciplin hielt —- der ſtets Häglich geftimmte Rath weiß in
feinem amtlichen Berichte wenigftens in diefem Puncte nicht zu Klagen
— jo murde diefe Einquartierung dennoch eine unfäglihde Qual. Zwar
bivouatierte die Mehrzahl der Truppen im Freien, innmerhin aber Tagen
außer dem Stabe oft noch mehr als 2000 Preußen in der Stadt, —
2800 Eimer Wein wurden aus den Gemeinde» und Bürgerkellern ge-
hoben, alles Ban⸗ und Brennholz verbrannt. Unter ſolchen Verhältniſſen
fam die Ernte — für die Preußen. Requifitiouen blieben Tängft ohne
Erfolg; deßhalb wurden Wieſen und Felder abgemäht, fo daß der Gemeinde
von allen fünf Höfen nicht ein Halm zur Fechſung übrig blieb.” Nun
ſchnitt die Faiferlihe Armee immer mehr und mehr dem preußifchen
Yager alle Zufuhr ab, und Yeitinerig fühlte den Schaden. Mangel an
Brennholz machte fid) am eheiten fühlbar. In der Noth griff der Feind |
zu jedem Mittel. Als die Weinpfähle nicht reichten, wurden einzelne -
bürgerliche Gebäude, die Hänfer von Brofmif, die Höfe von Yulawig &
uud Mlikojed abgededt und die Scindeln verbrannt.
Der 20. Juli endlidy erlöjte die Stadt — jo lange hatte daE fig —
reidhe Heer den gefchlagenen Feind im Yande gelaſſen. Früh um 8 Uhr —erır
zog der König mit feinem Heere aus über Delikojed auf die Straſſe ge
nah Wollendorf — hinter ihn wurde der größere Theil der Brücke Re
abermals abgebrannt.') — Hierauf nahm eine öfterreidhifche Abtheilunge ug
unter Kolowrat dajelbjt ihr Quartier und richtete, um die Berbindunge rg
beider Ufer zu erhalten, durch) von Raudnitz gebradhte Prahmen ein rm
Ueberfuhr ein. Che das Jahr noch Schloß, empfieng die Stadt noch einem —en
furzen Beſuch der Preußen. . Während fie gerade von Truppen entblöEg «it
war, überfiel fie am 26. November plöglih eine preußiſche Heeresate Ab⸗
theifung unter General Itzenplitz, obwol ein öjterreihifhes Her w in
nächſter Nähe ftand, an deilen Commandanten, Oberſten Sulkows sfi
alfogleidhh ein Bote abaieng. Sulkowski rüdte zwar auch in der Nacze di
desjelben Tages (11 Uhr) ein, fam aber fchon zu jpät. Die Preuß gen
hatten bereit wieder einen Theil der Brücke zerjtört und von der Stausr—madt
und Geiftlichfeit 8000 fl. erpreßt, beziehungsmeife durd Erhebung v zu
Wechfeln und Wegnahme von Geifeln fihergejtellt.. Um den Wechfel an
Itzenplitz zu zahlen, mußte die Gemeinde nadhmals den mlifojed «wer
Meierhof verpfänden. — Sullomwsti gebärdete ſich mwüthend, daß ii In
fo billige Yorbeeren entgangen waren, und nım mußte die Gemeinde n zumod)
— — — —
y Das roirang'ehinde und felgende ve amtlichen Berichten von 1758 im 1. Säit: 8.
’
— 661 —
Die Zornauslajjungen des „Freundes“ zu denen des Feindes nehmen.
Am nächſten Tage rüdten noch 2 NRegimenter Infanterie und einige
Hußaren in die Stadt. Obgleich diefe alles aufbot, war es doch nicht
möglich, den Zorn des Kommandanten zu beichwicdhtigen. In Gegenwart
der Soldatesfa kanzelte er den Rath ab und drohte ihm mit Eifen und
Banden, den ftädtifchen Filialcaffier jagte er aus der Amtsſtube und
verbot feinen Truppen ausdrücklich, den üblichen Schlaffreuzer an ihre
Wirthe zu entrichten. Um etwaigen Klagen zuvorzufommen, verffagte er
die Gemeinde felbft, daß fie ihın die Ankunft des Feindes nicht ange-
zeigt, ihn ſelbſt nicht vechtzeitig begrüßt, fo wie daß bei dem wegen des
Breslauer Sieges abgehaltenen Tedeum fauın 3 bis 4 Bürger zugegen
gewefen feien, „woraus der Stadt niederträchtiges Gemüth genugfam an
den Tag trete.”
Ein ähnlicher Einfall der Preußen fand Mitte April 1759 ftatt,
bei welchem die Magazine von Außig, Yeitmerik und Budin ge
nommen und über pritthalbtaufend Mann gefangen fortgeführt wurden,
Zwei Domherren wurden als Geifel nach Yeipzig gebradt.
Bon da an ſchwieg zwar der Kriegslärm um unſere Stadt; Die
Letzten Ereigniſſe hatten aber bereit® dazu beigetragen, daß fie ſich voll-
Ftändig verblutet hatte. Kinguartierungen, eingefchleppte Krankheiten,
Gontributionslieferungen nnd Rekrutenſtellung quälten die Bürger aud)
weiterhin noch. Zwar belief ſich beifpielaweife 1761 das Rekrutencon—
Kingent für Yeitmerig nur auf 5'Y,, Mann, aber auch diefe fonnte die
‘Stabt bereits weder ftellen noch zahlen. 14 Häufer ftanden nun wieder
ganz leer, in 82 wohnten nur Witwen und Waifen. In Srmangelung
ftellungsfähiger Yente griff man gewöhnlich zu feindlichen Dejerteuren,
Deren einer nach der gewöhnlichen Taxe 30 fl. zu foften pflegte. Dies:
mal mußte man von den benachbarten Sütern 3 Rekruten borgen. Es
bfieb nichts übrig, ale zur theilweilen Veräußerung des Gemeindegutes
zu fchreiten. Am 22. Tetober bot die Gemeinde die Dominikalwirths—
häufer zu Lukawitz, Pofratig, Tlugen mund Sebuſein, fo wie
die Schmicden zu Lukawitz und Polratig zum Berfaufe aus. Aber
nur die Objecte in Vukawitz fanden zwei Kaufluftige, die das Wirthe-
Haus und die Schmiede um 1550 fl. erfauften. Die Wirthehäufer zu
Bolratig, Tlugen und Sebuſein fonnte die Gemeinde erjt 1763
und 1767 an Mann bringen.
Große Kojten verurjachte immer wieder der alte Krebsichaden, der
Loftfpielige und unfolide Bau der Brüde. Seit 1757 war an ihrer
88
— 564 —
ſtrebens des Adels und des Unverſtandes der Bauern die Grundſätze für
Marimalleiſtung der letzteren und die ber Ablösbarkeit der Robotpflichten
aufrecht erhalten und lud nun die Unterthanen ein, von ihrem neuen
Rechte Gebrauch zu machen. Gegen den Unverſtand der lang Geknechteten
war freilich ſchwer zu kämpfen. Die Armen ſchwankten einſichtslos in
ihrer Wahl, oft verführt durch Neid und Bosheit, oft durch eigenen
Unverftand. Am 8. November erflärten die Bauern und Gartenbauern
des geblitzer Gutes ihrer Herrfhaft, von der Freiheit des Patentes
feinen Gebrauch machen, jondern Tieber bei der alten Robotfchuldigfeit
bleiben zu wollen. Noch an demfelben Tage aber müſſen fie Einzelne in
ihrem utfchluße ſchwankend gemacht haben, denn gleich den nächiten
Tag famen fie wieder aufs Wirtfchaftsamt mit der Erflärung, fie Hätten
erft jet, da fie auch ein eechiſch gedrucktes Batent ſich vorlejen Lafien,
dasfelbe recht verftanden und bäten um eine neuerliche Befragung. Somit
wurden fie auf den 11. November abermals berufen und erflärten fi
alfe für die Anahme der im Patente enthaltenen Begünftigungen. Dasfelbe
that auch der unterthänige Müller in Bolratig. Hiedurch wurde der
Berlauf der Stadtgüter, noch notwendiger, da die Hände zur Bewirth-
Ihaftung mehr al8 vorher fehlten, während die Verwaltung der neu ge
Schaffenen Einkünfte in die Hände Tailerliher Beamten übergieng, fomit
die Gemeinde wieder ein Reſtchen Autonomie verlor. Aber auch jet gab
es noch ſchwankende Bauern, die erjt durch Erfahrung Hug werden wollten.
Sechs gebliger Bauern famen bald wicder — wahrſcheinlich als
fie zahlen follten — beim Magiſtrate bittlich ein, man möge fie Lieber
wieder in das frühere Robotverhäftni® zurüdverjegen. Der Meagiftrat
that e8, am 6. Dezember 1776 aber fanıen dieſelben wieder mit der
Bitte, man möge ihnen einen Tag wöchentliher Robot und das Wein:
gartenrobotgeld nacjchen, da fie nun mit der alten Robot meit übler
daran wären al& ihre Nachbarn. Diesmal willfahrte ihnen aber der
Rath nicht mehr, da inzwifchen das Jahr der freien Wahl verftrichen fei.
Die Zerſtücklung der großen Gütercomplere der todten Hand wie der
Stadtgemeinden mußte nun fchon deßhalb im Intereſſe der Regierung
liegen, weil ſich durch fie aus den chen etwas erleichterten Unterthanen
ſelbſtändige Bauern machen ließ.
Mit den Jeſuitengütern wurde der Anfang gemacht — ganz im
Gegenſatze zu dem Begehren der Gemeinde. Durch ein Kriegsamte-
reftript vom 23. Dezember 1776 wurde befohlen, die Iejuitenrefidenz zu
»iner Caſerne zu adaptieren, die die Gemeinde übernehmen und in Stand
— 565 —
halten follte. Das Iejuitenfeminär aber (zu S. Joſeph) wurde um 941 fi.
einem Bürger (Karl Lippmann) verfauft. Die Yandgüter wurden dagegen
parzellweije an Unterthanen überlaffen. So zerfiel der große mlikojeder
Meierhof, einft Stransfy’s Sommerfig, dann Jeſuitenſpeicher, in eine
Menge Heiner Wirtfchaften. Liebefhiger Unterthanen fiedelten ſich
bier an und bauten fid) neue Häuschen (1777). Eine ähnliche Zerjtüde-
lung der Gründe war bereitd auf den meiften Faiferlihen Domänen vor:
genommen und mit den ehemaligen Ilnterthanen ein eigener Contract
geichloffen worden. Dieſes „Robotabolitionsſyſtem“ wünſchte nun die
Kaiſerin auch auf die Lönialichen Städte fo zu übertragen, daß der cine
Sontrahent wie dort die Kaiferin, fo hier die Stadt wäre. Die Abſicht,
die Gemeinde zu fchädigen, kann man der großen Raiferin um fo weniger
unterfchieben, als fie denfelben Contract ſelbſt geichlojfen hatte. Nichts
defto weniger lag eine Schädigung vor, die ihren Grund in ber bieherigen
Mißwirtſchaft Hatte, der zu Folge das Durdichnitserträgnie, das zum
Mapftabe genommen wurde, ein im VBerhältnijfe des jett unendlich ge-
fteigerten Wertes der Gründe verfchwindend Heines war. Man darf aber
nicht verfennen, daß dieſe Wertjteigerung großentheils eben durch jene
Maßregel herbeigeführt wurde. Der mit den umfangreichen Vorarbeiten
betraute Commiſſär, von Kichelburg, traf mit feinen Ereditiven am 13.
Dezember 1778 ein. Seinen Inftruetionen gemäß follte er zunächſt das
Erträgnis der obrigfeitlihen Renten in den legten 10 Jahren und hier—
nah den Maßſtab für die Umwandlung berechnen, dann die Kontracte
mit den einzelnen Unterthanen fchließen, das herrichaftliche Vieh verkaufen,
die Gründe vermeſſen und an die Unterthanen austheilen, fo wie den
neuen Zahlungsgang beftimmen und neue Rujtical: und VDontinicalgrund-
bücher anlegen. Gleich bei feiner Ankunft verfündigte er den Bauern,
daß ſich jeder derfelben, der einen Grund zu erwerben wünjche, binnen
dreier Tage bei ihm melden folle. Aus der Bürgerichaft, ale dem
zweiten Kontrahenten, wurde eine vielgliederige Deputation ernannt, —
doch ruhte die meiſte Arbeit allein auf dem Bürger Martin Dennevogel.
Die Gemeinde im Großen nahm an ihrem eigenen Schidjale ſchon feinen
Antheit mehr, was das Amt that, war wolgethan.
Die Bürgerichaft wurde auch nie mehr zur Berfammlung gerufen,
ſebſt nicht einmal, um Inſtructionen entgegen zu nehmen. Was die Ein:
zelnen unmittelbar angieng, wurde ihnen durch eine Currende einfad mit.
geheilt. Damit fi) der Rath bei Auffegung der Gontracte Rath wiſſe,
wurde ihm als Muſter einer foldhen Urkunde der Eontract der Stat
— 566 —
Kolin vorgetragen. Mit der Zerftüdlung der proſmiker Maierhof-
gründe follte der Anfang gemacht, hierauf das polratiger Bräuhaus
und das falefler Wirtshaus verkauft werden. Am 21. Dezember 1778
wurde der Contract unterzeichnet.
Die Kriegsereigniffe, die Leitmerig in diefem Jahre trafen, ftörten
den Verlauf diefer Unterhandlungen nur vorübergehend. Den Truppen:
aufftellungen nach mochte die Stadt wol das Schlimmſte, die Verlegung
des Rampfplages in diefe Gegend befürdten, e8 kam aber befanntlich zu
feinem bedeutenden Gefechte.
Schon am 13. März hatte die Stadt den Befehl befommen, fid
mit Pallifaden zu verfehen, was auch geichehen war. Zwiſchen dem
3. und 7. Auguft ließen ſich die erften preußifchen Hufaren blicken, die
Borboten einer Armee, die in und um Xeitmerig ihr Lager auffchlug.
Die Brüdenfchanze, die man bier aufgeworfen hatte, muß fi alfo als
unbaltbar erwiefen haben. Das Domkapitel allein follte 30.000 fl. Kriegs:
beiftener zahlen und mußte für deren Entridtung mit der Perfon des
Domdechants und eines Kanonikus bürgen, die vier Monate in Dresden
blieben. Das größte Unglüd aber traf die Stadt, al8 beim Ausmarfde
der Preußen am 19. Sept. 1778 die eben hergeitellte neue Brücke
abermals in Rauch aufgieng.
Ter Verkauf des Maierhofes zu Lukawitz gieng noch dasſelbe
Jahr von ftatten. Den Hof erjtand Joh. Wenzel Paul um 21.000 fl.
Am 21. Jäner 1779 begann die BVerfteigerung der einzelnen Gebäude bes
Mlikojeder Maierhofs, die von 6 Käufern erftanden wurden. Die
Bitte um Belajfung des pofratiker Bräuhauſes und des profmiler
Maierhofs wurde abgewiefen und in der Veräußerung fortgefahren, fo
lange fi) Käufer fanden. So wurde denn im Verlaufe diefes Jahres der
Maierhof Hrad an Chriftopp Franz und der proſmiker Schafftall
an 3 Käufer licitando veräußert. Das war das profaifche Ende ciner
alten Königeburg. Für die hrader und mlikojeder Hoffchenern, eine
Abtheilung des projmifer Scafftalles, dag Zalefler Wirtshaus,
die dortige Weinprejle und die pofratiger Schmiede hatte man feinen
Käufer gefunden.
Die Hofſcheuern zu Yeitmerig (Kuſchovka), Lukawitz, Mlikojed
und Proſmik waren als Magazine und der Gemeindeholzplatz zur Auf⸗
jtelung von Proviantbadöfen an das Aerar verpadtet, an Feldern, Wein:
gärten, Infeln und Wielen im Gangen 2.780 n. öft. Metzen emphiteutifch
— 567 —
verteilt worden, die einen jährlichen Erbpadtszins von 5578 fl. zur
Hälfte in Geld, zur Hälfte in Getreide lieferten.
Dem gemäß mußte natürlich aud) der Gemeindevichftand reduziert
werden. Das Biehhalten der einzelnen Bürger war ſchon durch eine
Berordnung vom 19. Octob. 1777 normiert worden. Diefer gemäß
mußten die der Stadt verfügbaren Hutweiden und Brachen gefhägt und
ermittelt werden, wie viel Schaf und Hornvieh fie ernähren könnten. Hie-
durch wurde berechnet, wie viel auf jeden Bürger fommen dürfe. Nun (10.
Jäner 1779) wurde auch der Verkauf der Zugochſen, Stiere, Pferde und
Schafe, die der Gemeinde gehörten, angeordnet. Dergleichen follte der
Gemeindewein verkauft und das Büſchelholz auf der Fafan- uud Wehr:
infel geichlagen werden — kurz es fchien, als beabfichtige die Regierung
den vollftändigen Ausverkauf der Föniglichen Städte, diefer durch frühere
Regierungsfünden wie durch unverfchuldetes Unglück herabgekommenen lä—
ſtigen Objecte.
Der Stadt blieb nun nichts mehr zu beſorgen. Die Wirtſchaften
waren weg, die Gelder verwalteten Cammeralbeamte; die Bürgermeiſter
hatten nur noch darauf zu ſehen, daß im März die Bäume beraupt, die
Spatzen gefangen und die Viehweiden gejätet würden, und das alles
nach Regierungsvorſchrift. Es gab Feine erträglicheren Objecte mehr, an
denen die Unredlichleit fi) in größerem Maße verfündigen konnte und
Raifer Joſeph mochte glauben „ durch dieſes radikale Mittel Ehr
lichkeit und Bürgertugend wieder zu wecken, nachdem die Scheinheiligfeit
der Gegenrefornationsperiode fie vernichtet hatte. Er erfcheint als der
erjehnte Erlöfer, der die Sünden feiner Ahnen hinwegnahm. Hatte
Serdinandll. unfer „Paradies“ entvölfert, die Werkjtätten gefchlojfen
durch die Vertreibung jo vieler taujend tüchtiger Arbeiter, hatten feine
Nachkommen bis ins 18. Jahrhundert derfelben Glaubensmarotte zu
opfern fortgefahren, fo lud der Edeljte der Habsburger dur ein Hof-
decret vom 15. October 1781 alle, die des Glaubens halber ihr Vater-
land einft verfallen, zur Rückkehr ein; ja er förderte aufs emfigite die
Einwanderung preußiicher und ſächſiſcher Unterthanen ohne Rückſicht auf
den Glauben, un auf diefen Wege jeinen verarınten Städte zu heben.
Freilich fühlte ſich auch durch dicfe humane Mafregel das Privilegium und
das Vorurtheil verlegt. Er verjprad (28. October 1781) jedem fremden
Gewerbsmanne, der fi in einer Stadt niederlajfen würde, für den Fall,
daß das Handwerk nicht fchon zu ftarf vertreten wäre, unbedingtes Bürger:
and Zunftrecht und 50 fl. aus dem Cammeralfonde zur Anfchaffung der
— 568 —
Werkzeuge. Die aber in Städten feine Aufnahme fänden, follten mitmer it
50 fl. Handgeld auf Cammeral- und ehemaligen Jeſuitengütern domi—= ——
zitiert werden und fo nahm nun in Wirklichkeit die Einwanderung fortan ar n
einen entgegengefeiten Weg. Diefe äuperft erfprießliche Verordnung nahır — n
der Gemeinde abermals ein Recht, das fie bisher befellen, da® der aus: =:
ſchließlichen Verleihung des Bürgerredts.
Auf die Ernennung der Magiftratsperfouen nahm fie ſchon lang umge
gar feinen Einfluß mehr, indem die Magiftratsitellen in der Regel al— &
definitive galten, auf die der Unterfämmerer Einzelnen die Anwartſchaf—7
fchon lange voraus zu ertheilen pflegte. Im demfelben Jahre wurde di €
fpäter oftmals eingeichärfte Verordnung erlafjen, bei der Beſetzung folde- T
Stellen vorzüglid auf :verdiente Militärperfonen Rüdjiht zu nehmer.
Dadurch erlofch der Jegte Schimmer der Gemeideautonomie, wie durch
die neue Gerichtäordnung (1. März 1782) das alte Rechtsweſen be:
jeitigt wurde.
Nach aufen zu wurde in der Zeit die Aufmerkſamkeit der Yeinme °’
riger vornchmiich auf zwei Gegenſtände gelenft, auf den Neubau det
abermals zerjtörten DBrüde und auf die im Thale der Cgermündung ne
erjtebende nach den Bedürfuiſſen temer Zeit befeſtigte Ztadt.
Die Brücke war noch nicht bezablı gemein, als tie die Preuße r
wieder verbrannt baften. Die Stadt gereute es nur, doch ſchon enwe!!
Rate zurudgezahlt zu Beben. Der Reit von 4000 fl. wurde ihr nad
geleben, ron den surüdoerlangten 12.000 alır nur weitere 4000 ——
surudferitarter. Ca musten nun 1779 nzuerdinge Kaditalien aufgenemmese
und Viren um Unteriigung an nad und fer auszelande werten Di —
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— 569 —
in diefer Hinficht haben fich die Verhältniſſe volfjtändig geändert. Waren
die DBefeftigungen von Leitmerig aud noch den Waffen des 30jährigen
Krieges fo ziemlich gewachſen, fo erwiefen die Kreigniffe des preußischen
ihre vollftändige Unzulänglichkeit. Es waren aber auch die alten Mauern,
wie fie das 13. Jahrhundert gefchaffen und das 16. vervollftändigt Hatte,
im 17. und 18. einfach nur geflidt worden — melde Ummwandlungen
waren aber mittlerweile auf dem Felde der Kriegskunſt vor fich gegaıt-
gen! Für die damaligen Verkehrswege blieb aber der Plat immer nod)
wie er es im 12. Jahrhnunderte geweſen fein mochte, ein ftrategifd) wid)»
tiger. Die Preußenfriege hatten das bewielen, deßhalb follte er nun cin
neues Bollwerk erhalten.
Schon 1764 wurden Vermeſſungen vorgenommen, 1780 aber be-
gann unter der Leitung des General: Feldzeugmeiftere PBellegrini und
des Oberſten von Steinmeg cine babe Stunde füdlic von Yeitmerik
der Bau einer Feitung, den Kaifer Joſeph dem Andenfen feiner großen
Mutter gewidmet wilfen wollte. Arbeiter aus allen Gegenden floßen hier
zufanımen und es erwuchs der Stadtgemeinde vorübergehend mancher
Nutzen. Bleibenderen aber wies fie von ſich.
Die zum Feftungsbaue nöthigen Ablöfungen betrafen zum Theile
auch die Gemeinde, größtentheils aber fremde Dörfer und ehemalige
Gemeinderujticalgründe. Die Stadt mußte das ehemals Kandorfce
Gut um 215 fl. 37%, tr. abtreten, in Mlikojed aber wurden die
kutſcheriſchen und ſchreieriſchen Felder abgelöft, um fie wieder
an Kopiiter als Entjchädigung zu übergeben. Die Dörfer Trabfdig
und Deutſchkopiſt wurden ganz abgebrochen, jenes an Zaduſchnik
angebaut, dieſes planmäßig neu angelegt auf den vom Aerar eingelöjten
Gründen zwifchen Yulawig und der neuen Feſtung — nur für die
Gefchüge jener Zeit aufer dem Rayon — wieder erbaut und die Bauern
dahin überfiedelt. Die neue Stadt wurde mit Anfiedlern bevölkert, die
große Vorrechte dahin lodten. Steuern und Wetrutenfreiheit für be-
ftunmte Zeiten, Vorſchüße aus dem Aerar mit 4°/, Berzinfung und 2°,
Kapitalsabjchlag bewogen auch leitmeriger Bürger, dort neue Häufer
unter ſehr günftigen Bedingungen zu bauen und hin zu überjiedeln.
Diefe Anfiedler blieben icdody wie die gefammte Bewohnerſchaft der neuen
Stadt unter der Nurisdiction des leitmeriger Magiſtrates, der zugleid)
die Aufnahme und Anfiediung derfelben zu beforgen angewieſen wurde.
Bürger, die fi) von Yeitmerig dort niederliehen, blicben gewöhnlich auch
noch bürgerberedtigt in der alten Stadt, um jo leichter, al® beide chen
— 570 —
nur Einen Magiftrat befaßen. Mit der Verwaltung hatte indeß dieſer
um fo weniger zu thun, als er aud daheim nichts mehr damit zu ſchaffen
hatte. Er fungierte vorzüglid; als Polizeiorgan. Generalfeldzeugmeijter
Pellegrini machte der Leitmeriger Bürgerfchaft einen fehr annehmbaren
Vorſchlag, indem er fie zu bewegen fuchte, in „Therefienftadt” gegen
Zufiheruug von 2Ojähriger Abgabenfreiheit auf eigene 'Koften wie zu
eigenem Nugen ein Bräuhaus zu errichten. Es wurbe Hin und ber ge-
fragt und endlich baute das Aerar das Bräuhaus, um dasjelbe der
neuen Bürgerfhaft von Therefienftadt zu überlaflen, nachdem die
Einkünfte die Baukoſten gededt haben würden. Am 10. October 1780
hatte Kaifer Joſef eigenhändig den Grundftein zum Cavalier Nr. IV.
gelegt, am 9. Dezember 1782 wurde Therefienftadbt zum Range
einer königlichen Stadt erhoben.
Welches Wehegeichrei hatte Leitmeritz bei der Erhebung des feiner
Zeit armfeligen Munizipalſtädtchens Yobofig angeftimmt; — die Rivalität
der Föniglichen Stadt mußte es nun fchweigend ertragen. Mancher Bor-
theil mag manden Nachtheil behoben haben, geſchwächt wurde aber die
alte Stadt abermals durch den Abgang mancher Bürgerfamilie und durch
Ablenkung der Coloniſation, die fie ſelbſt noch fo nothwendig zu ihrer
Kräftigung bedurfte. Welchen Sinn hatte es nun, wenn die Stadt nad
all diefen Beränderungen 1784 endlich die formelle Beſtätigung ihrer
alten Rechte erlangte!
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II. Geſchichte der Cultur.
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1. Das Redt.
Die Umgeftaltung der Rechtsverhältniſſe bildete den Hauptinhalt
der Geſchichte der Tetten Zeit überhaupt; wir haben daher hier nur ei-
nige Details Hinzuzufügen. Wenn wir auf das Ende der letten Pe-
riode Rüdficht nehmen, jo mülfen wir die Darftellung des Verwaltungs:
organisınus mit der Anführung des Kreisamtes beginnen, deſſen Wir:
kungskreis fi in der genannten Periode großartig erweiterte. Am Be:
ginne derjelben bejtanden die Kreishauptleute noch in der alten Einrich—
tung al8 Organe der Pandesregierung, je zwei an der Zahl, ohne be-
ftimmten Amtsſitz; doch wurde ihnen bereits damals die Kreisgerichts=
pflege von den Städten faft ganz überlaffen. Yeitmerig begab fid) immer
mehr des alten Nechtes derfelben, und wir finden, daß fi in den mei»
ften Fällen die Gemeinde damit begnügte, die Yandftreicher und ‘Diebe
in Verwahrſam zu nehmen, das Gericht über diejeiben aber ohne Ver:
weigerung den Streishauptleuten abtrat, wenn die Betroffenen nicht zum
Berbande der Gemeinde oder gar in die Kreiſe des Adels gehörten.
Diefe machten gewöhnlich fehr kurzen Prozeß und die Gemeinde hatte
nur wieder für die Vollftredung des Urtheils zu forgen. Wie die Haupt:
leute ferner überhaupt die Durchführung der Vandesverordnnungen auch
in den Städten zu überwachen begannen, nahmen fie bald auch die Stel:
fung und Dlontierung der ftädtifchen ZTruppencontingente felbft in die
Hände, was ihnen die Gemeinde gerne überließ. Je mehr fich ihre
Wirkſamkeit erweiterte, um fo häufiger pflegten fie von ihren ländlichen
Sigen aus die Stadt zu befuchen und in dieſem Falle deren Gaftfreund-
Ichaft zu beanfprudhen. Dem gegenüber verbot die Kammer (28. Juli
— 572 —
1652) den Räthen auf's entſchiedenſte, die Kreishauptleute bei ſolchen
Gelegenheiten zu tractieren oder ſonſt wie die Stadtrenten in dieſer Hin—
ficht zu befaften, und drohte fih im Uebertretungsfalle an den Beutel
der Räthe felbit zu halter. Das Amt des Kreishauptmannes hatte be:
reits aufgehört ein bloßes Ehrenamt zu fein, indem lettere vom Kreife
befoldet wurden. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts bezogen fie jährlich
4 fr. 1, D. von jeder Anfälligkeit des Kreifes. Da es deren damals
7047'/, im Yeitmeriger Kreife gab, jo entfiel auf jeden Kreishauptinann
ein Jahresgehalt von 250 fl., zu welchem die Stadt .O fl. 49 fr. beitrug.
Die Ernennung fiel in diefem Zeitraume am häufigſten auf die
Familien Salhaujen, Milefimo, Oudkicküi, Olbramomis,
Mireihovfty, Kolomwrat, Klary, Chotek, Kreffel und andere.
Dbgleid das Amt nur von Jahresdauer war, wurde doch gewöhnlich
diefelbe Perſon eine Reihe auf einander folgender Jahre hindurd wieder
beftätigt.. Durh M. Therefia’s KReorganijation erlangte dasfelbe eine
ganz neue Bedeutung. Von nun an (1751) wurden die Kreishauptleute
faiferlihe Beamte, die dem Yandesgubernium tntergeordnet und vor»
züglid) zum Schuge der Unterthanen, die bei den bisherigen Behörden
feine Vertretung gefunden hatten, bejtimmt waren. Leitmeritz wurde num
der Siß eines ſolchen Kreisamtes neueren Stils. Die Kreishanptleute
— nunmehr für jeden Streis nur einer — wurden jet von der kaiſerl.
Regierung als definitive Beamte ernannt und ihnen ein Hilfsperſonal
untergeordniet. Mit diefem Amte hatte nun die Stadt in erjter Injtanz
in adıminijtrativen Angelegenheiten zu verkehren; dieſem Tag die Durch—
führung der neuen Regierungsmaßregeln ob. Während dic Stadt den
alten Kreishauptleuten coordinirt geweſen war, war jie nun dem neuen
Kreisamte ganz untergeordnet, deſſen Machtſphäre durd) die Geſetzgebung
FofepHs noch erweitert wurde. In ihr gieng zunächſt die Autonomie
der Gemeinde anf. Als erſte Nreishauptleute diefer Art folgten Franz
Wenzel Reisfy von Dubnitz und Wolfgang von Schönau auf-
einander.
Durch diefe erhöhte Bedeutung des Kreisamtes wurde das des einjt
allmächtigen Kaiferrichters bedeutungs- und endlich gegenftandelos. Doch
waren die eriten Kaiſerrichter dieſer Periode nod) wahre Sultane ge:
weſen. Außer dem Geldeinfommen bezog er jein Deputat von Getreide
und das Erträgnis jeincd Zugebräu's; mehr als Alles aber mußte die
Wirthſchaft tragen, die er fih auf dem Gemeindegrunde eingerichtet hatte.
Der Kaiſerrichte Schmied hatte nicht weniger als 131 Strid Ges
— 573 —
meindegrund in eigener Benükung, Strobel hatte die Gegend unter
der Pforte (na rybnickäch), die dermaligen Gärten am Gänfehübel um
einen Jahreszins von 14 Fr. gepadhtet (1659). Bis zum Nahre 1670
bfieb in diefer Stellung der eben genannte Jakob Strobel von Stern:
feld. Ihm folgten nacheinander mehrere Deitglieder der feit jener Zeit
in Leitmeritz vielverzweigten Familie Schmicd (Mathias Eufeb, Johann
Franz und Franz Ignaz). Im erjten Viertel des vorigen Jahrhunderte
war Gottfried Ecbaftian Heinz Kaiferricter: der letzte war Philipp
Anton Biener von Bienenberg.
Der Rathsmänner bfieb diefelbe Zahl wie vordem, die Art ihrer
Ernennung aber änderte fich wefentlich. Anfänglich fam noch wie vor
dent der Unterkämmerer oder Hofrichter zur Ratheernenerung und be
ftimmte auf einen Ternovorſchlag der Wahlmänner die nenen Räthe.
Hänfig aber ſaudte er ſchon den bloßen Befehl in die Stadt, es jollten
zu einer gewillen Zeit drei „Fromme“ Wähler mit den Zaren verjehen
nah Prag kommen, und vollzog dort die Ernennung. So geichah es
auch noch zur Zeit der Regierung M. Thereſia's. Doch gieng die
Wahl wenigftens in gewilfen Fällen and jchon unter Kart VI. ein:
facher vor fih. Starb beifpielsweife ein Rat) während des Jahres, To
brauchten die Wahlmänner den Ternovorſchlag nur in verfiegelten Wahl:
zetteln an den Yandesunterfünmerer zu jchiden, der ſodann die Ernen-
nung vollzog, Schon damals aber zeigte fih eine gewilfe Beſtändigkeit
in der Ernennung, jo daß die Amtsdauer gewöhnlich nur durch die Ye-
bensdauer des Ginzelnen bedingt war. Zur Zeit M. Thereſia's war
dieß fchon aeradezu Regel geworden. Die jührlicen Erneunungen hör:
ten anf und es wurde nur noch im Falle des Abganges einer Rathe
perfon eine neue ernannt, anfänglich noch durch den Unterkämmerer, ſpäter
aber durch ein Hofdeeret. Zeitden war die Kathejtelle ein kaiſerliches
Amt, zugleich aber aud) eine Art Rubepoften für Yente, die der Regie
rung in irgend einer Weife — im Frieden oder im Nriege — Dienfte
geleiftet hatten. War für ſolche nicht gleich eine erledigte Stelle zu ha:
ben, fo wurden fie vorläufig als Supernumerarii mit der Anwartichaft
auf eine ſolche angeftellt. Dice rückten danı ganz regelmäßig in die
Rathejtellen, die nun den Range nad) von der erjten zur zwölften
unterfchieden und gezählt wurden, nad. Die nächſten Ausſichten auf
fofche Stellen hatten die Syndici und Advofaten der Stadt, wenn fie
alt und dienjtiintauglich wurden. Der Syndiens Körber unterjtüßte
(1776) fein Geſuch um eine folde mit der Angabe, daß er anfange blind
— 570 —
nur Einen Magiftrat befaßen. Mit der Verwaltung hatte indeß diefer
um fo weniger zu thun, al8 cr auch daheim nichts mehr damit zu Schaffen
hatte. Er fungierte vorzüglich als Polizeiorgan. Generalfeldzeugmeijter
Pellegrini madte der Leitmeriger Bürgerfchaft einen jehr annehmbaren
Vorſchlag, indem er fie zu bewegen fuchte, in „Therefienftadt” gegen
Zuſicheruug von 2Ojähriger Abgabenfreiheit auf eigene Koſten wie zu
eigenem Nuten ein Bräuhans zu errichten. Es wurde Hin und ber ge
fragt und endlich baute das Aerar das Bräuhaus, um dasjelbe der
neuen Bürgerfhaft von Therefienftadt zu überlaffen, nachdem bie
Einfünfte die Baukosten gedeckt haben würden. Am 10. October 1780=
hatte Kaifer Joſef eigenhändig den Grundftein zum Cavalier Nr. IV_
gelegt, am 9. Dezember 1782 wurde Therefienftadt zum Range
einer Föniglihen Stadt erhoben.
Welches Wehegefchrei hatte Leitmerig bei der Erhebung des feinen
Zeit armjeligen Munizipaljtädtchens Loboſitz angeſtimmt; — die Rivalitä MM
der Föniglihen Stadt mußte e8 nun jchweigend ertragen. Mancher Vor —
theil mag manchen Nachtheil behoben haben, geſchwächt wurde aber di —
alte Stadt abermals durd den Abgang mander Bürgerfamilie und durdik
Ablenkung der Colonifation, die fie felbjt noch ſo nothwendig zu ihre —
Kräftigung bedurfte. Welchen Sinn hatte es nun, wenn die Stadt na
all diefen Veränderungen 1784 endlid) die formelle Bejtätigung ihrer
alten Rechte erlangte!
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II. Geſchichte der Gultur.
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1. Das Red.
Die Umgejtaltung der Rechtsverhältniffe bildete den Hauptinhalt
der Geſchichte der Letzten Zeit überhaupt; wir haben daher hier nur ei-
nige Details Hinzuzufügen. Wenn wir auf das Ende der legten Pe:
riode Rüdfiht nehmen, jo müllen wir die Darjtellung des Verwaltungs-
organismus mit der Anführung des Kreisamtes beginnen, deilen Wir:
kungskreis fi) in der genannten Periode großartig erweiterte. Am Be—
ginne derjelben beitanden die Kreishauptleute noch in der alten Einrich—
tung als Organe der Yandesregierung, je zwei an der Zahl, ohne be:
ftimmten Amtsſitz; doch wurde ihmen bereits damals die Kreiagerichts-
pflege von den Städten faft ganz überlaffen. Yeitmerig begab fich immer
mehr des alten Rechtes derfelben, und wir finden, daß fi) in den mei»
ften Fällen die Gemeinde damit begnügte, die Yandftreiher und Diebe
in Verwahrfam zu nehmen, da8 Gericht über diejeiben aber ohne Ver
weigerung den Streishauptleuten abtrat, wenn die Betroffenen nicht zum
Berbande der Gemeinde oder gar in die Kreiſe des Adels gehörten.
Diefe machten gewöhnlich fehr kurzen Prozeß und die Gemeinde hatte
nur wieder für die Vollftredung des Urtheils zu jorgen. Wie die Haupt-
leute ferner überhaupt die Durchführung der Yandesverordnungen aud)
in den Städten zu überwachen begannen, nahmen fie bald aud die Stel:
lung und Deontierung der ftädtifchen Truppencontingente felbjt in die
Hände, was ihnen die Gemeinde gerne überließ. Je mehr ſich ihre
Wirkſamkeit erweiterte, um fo häufiger pflegten fie von ihren ländlichen
Sigen aus die Stadt zu befudhen und in diefem Falle deren Gajtfreund»
Ihaft zu beanfpruchen. Dem gegenüber verbot die Kammer (28. Is&
— 572 —
1652) den Räthen auf's entſchiedenſte, die Kreishauptleute bei ſolchen
Gelegenheiten zu tractieren oder ſonſt wie die Stadtrenten in dieſer Hin—
ſicht zu belaſten, und drohte ſich im Uebertretungsfalle an den Beutel
der Räthe ſelbſt zu halten. Das Amt des Kreishauptmannes hatte be:
reits aufgehört ein bloßes Ehrenamt zu fein, indem letztere vom Kreije
befoldet wurden. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts bezogen fie jährlich
4 fr. 1%, D. von jeder Anfälligkeit des Kreifes. Da es deren damals
7047°/, im Xeitmeriger Kreiſe gab, fo entfiel auf jeden Kreishauptinann
ein Jahresgehalt von 250 fl., zu welchem die Stadt :O fl. 49 Tr. beitrug.
Die Ernennung fiel in diefem Zeitraume am häufigiten auf bie
Familien Salhaujen, Milefimo, Dudricky, Olbramowitz,
Mireihovffy, Kolowrat, Klary, Chotef, Kreſſel und andere.
Obgleich dad Amt nur von Jahresdauer war, wurde doch gewöhnlich
diefelbe Perjon eine Reihe auf einander folgender Sabre hindurch wieder
beſtätigt. Durch M. Thereſia's Reorganijation erlangte basfelbe eine
ganz neue Bedeutung. Von mm an (1751) wurden die Kreighauptleute
faiferlihe Beamte, die dem YLandesgubernium untergeordnet und vor—⸗
züglid) zum Schuge der Unterthanen, die bei den bisherigen Behörden
feine Vertretung gefunden hatten, beitimmt waren. Leitmeritz wurde nun
der Sig eines ſolchen Kreisamtes neueren Stile. Die Kreishauptleute
— nunmehr für jeden Kreis nur einer — wurden jebt von der kaiſerl.
Regieruug als definitive Beamte ernannt und ihnen cin Hilfsperfonat
untergeordnet. Mit diefem Amte hatte num die Stadt in erjter JInſtanz
in adminiftrativen Angelegenheiten zu verfehren; dieſem Tag die Durch—
führung der uenen Negierungsmaßregeln ob. Während die Stadt den
alten Kreishauptleuten coordinirt geweſen war, war jie nun dem neuen
Kreisamte ganz untergeordnet, deſſen Machtſphäre durch die Geſetzgebung
Yof ephs noch erweitert wurde. Ju ihr gieng zunächſt die Autonomie
der Gemeinde auf. Als erſte Kreishauptleute dieſer Art folgten Franz
Wenzel Reisſsky von Dubnitz und Wolfgang von Schönau auf-
einander.
Durch dieſe erhöhte Bedeutung des Kreisamtes wurde das des einſt
allmächtigen Kaiſerrichters bedeutungs- und endlich gegenſtandslos. Doch
waren die erſten Kaiſerrichter dieſer Periode noch wahre Sultane ge-
weſen. Außer dem Geldeinkommen bezog er ſein Deputat von Getreide
und das Erträgnis ſeines Zugebräu's; mehr als Alles aber mußte die
Wirthſchaft tragen, die er ſich auf dem Gemeindegrunde eingerichtet hatte.
Der Kaiſerrichte Schmied hatte nicht weniger als 131 Strich Ge—
— 573 —
meindegrund in eigener Benükung, Strobel hatte die Gegend unter
der Pforte (na rybnickäch), die dermaligen Gärten am Gänfehübel um
einen Jahreszins von 14 fr. gepacdhtet (1659). Bis zum Jahre 1670
blieb in diefer Stellung der eben genannte Jakob Strobel von Stern:
feld. Ihm folgten nacheinander mehrere Mitglieder der feit jener Zeit
in Veitmerig vielverzweigten familie Schmied (Mathias Euſeb, Johann
Franz und Franz Ignaz). Im erſten Viertel des vorigen Jahrhunderts
war Gottfried Eebaftian Heinz Kaiferrichter: der letzte war Bhilivp
Anton Biener von Bienenberg.
Der Rathsmänner blieb diefelbe Zahl wie vorden, die Art ihrer
Ernennung aber änderte fich weſentlich. Anfänglich kam noch wie vor
dem der Unterfämmerer oder SHofrichter zur Ratheernenerung und be
ftimmte auf einen Ternovorſchlag over Wahlmänner die nenen Nüthe.
Häufig aber ſandte er jchon den bloßen Befehl in die Stadt, es follten
su einer gewillen Zeit drei „Fromme“ Wähler mit den Zaren verichen
nah Prag kommen, und vollzog dort die Ernennung. So geſchah es
auch noch zur Zeit der Regierung M. Thereſia's. Doc gieng die
Wahl wenigftens in gewilfen Fällen and ſchon unter Karl VI. ein
facher vor fi. Starb beifpielsweife ein Rath während des Jahres, To
brauchten die Wahlmänner den Ternovorichlag nur in verfiegelten Wahl
zetteln an den Yandesunterfämmerer zu jchiden, der ſodann die Ernen-
nung vollzog. Schon damals aber zeigte jid) eine gewiſſe Beſtändigkeit
in der Ernennung, jo daß die Amtsdauer gewöhnlich nur durch die Ye
bensdauer des Kinzelnen bedingt war. Zur Zeit M. Thereſia's war
dieß fchon geradezu Regel geworden. Die jährlichen Erneunungen hör:
ten auf und c& wurde nur noch im alle des Abganges einer Rathé
perfon eine neue ernannt, anfänglich noch durch den Unterlänmmerer, ſpäter
aber durd) ein Hofbeeret. Seitdem war die Rathoſtelle cin Faiferliches
Amt, zugleich aber aud) eine Art Ruhepoſten für VYente, die der Regie
rung in irgend einer Weife — im Frieden oder im Kriege Dienite
geleiftet hatten. War für ſolche wicht glei eine erledigte Ztelle zu ha
ben, jo wurden jie vorläufig als Supernumerarii mit der Anwarticaft
auf eine ſolche angeftellt. Dieſe rüdten dann ganz regelmäßig im die
Ratheftellen, die nun den Range nad) von der erjten zur zwölften
unterfchieden und gezählt wurden, nad. Die nächſten Ausjichten auf
ſolche Stellen hatten die Syndici und Advolaten der Stadt, wenn fie
alt und dienftintauglich wurden. Der Syndicus Körber unterjtüßte
(1776) fein Gefuh um eine ſolche mit der Angabe, daB er anfange blind
— 58 —
Oſtritz. 1703 war zeitweilig Gottfried Hainz Primator; eine lange Reihe
von Jahren aber bis zum Schluße der Periode Benedict Beutel.
Unter den Räthen kommen folgende Namen am häufigften vor:
Pitſchan (Joh. Karl F 1656, Erasmus Norbert feit 1657), Dworstn.
Heliades, Schmied (Mathias Eufeb 1652; Johann Franz feit
1660), Hilarius, Schermer, Schaffert, Neſſenius, Wotil,
Libertin, Fritſch, Zateckh, Kytan, Taypel, Klatovsküi, (ſeit
1655), Bohdalovsky (ſeit 1660) Donat, Meißner (um 1679),
Kordik, Beran, Simonides, Hlaſiwec, Strobel, Pfalz,
Tuna, Straka, Herold; am Anfange des 18. Jahrhundertes:
Schmidt (Johann, Ignaz), Pfalz, Olben, Pitſchan (Erasmus),
Kromer, Hilarius, Wifkocil, Herold, Riegel, Starek und
gegen Ende der Periode: De Benedictis (T 1753), Beutel, Bo-
tucet, Kutſchera, Often, Swetecky, Wolf (Ignaz, Xaver F 1782),
Krauß, Röffel, Ringelhbahn, Töffler, Damaske, Kallafdh,
Hennevogel, Körber.
Die Gemeindeälteften waren dem größeren Rathe zur Information
und Erecution beigegeben und wurden wie vordem von diefem ernannt.
Handhabung der Straßen- und Sicherheitspolizei gehörte zu ihren Haupt-
pflihten. 1739 wurde auch für fie eine eigene Inftruction entworfen,
1752 wurde ihre Zahl auf ſechs beſchränkt und 1775 jedem ein Iahres-
gehalt von je 10 fl. zugewieſen.
Das Gerichtsweſen erlitt mit Ende des Zeitraums ebenfalls eine
vollkommene Umgeſtaltung. Bisher amtierten indeß noch die alten Sechs⸗
richter nah altem Stile. Die Hanptgrundlage ihres Verfahrens war
immer noch das „böhmifche Stadtrecht,” in unzähligen Extracten, „Biür-
gerfpiegeln“ sc. dem Faſſungsvermögen der Richter angepaßt. Tiefe
wurden wie bie Räthe ernannt. Ihr PVorfigender, der Richterprimator,
erhielt wie jener der Räthe ein Deputat, alle aber hatten ihre Sporteln.
Dei Abgang der Richter binnen des Jahres machte ber Rath einen
Zernovorfchlag.. Das Gerichtöverfahren war barbarifcher als jenes des
dbreizehnten Jahrhunderts, und auch die therefianifche Hal sgerichts⸗
ordnung bat es nicht menfchlicher gemacht. Alle Arten von Todesftrafen
wurden mit erfchredender Yeichtfertigleit gehandhabt. Tie Abfchredung
fuchte ınan in möglichſt ftrengen Urtheilen, wenn auch die Vollſtreckung
oft ausblieb; ja biefelben Richter, Barbaren als ſolche, bewiefen ſich bald
rührend beforgt um die Nichtvollftredung ihres Urtheils. Bei jeder
Rleinigleit war Strang und Schwert da, regelmäßig aber wurbe ein
— 579 —
Rath ernannt, um aljogleid) Fur den Verurtheilten ein Guadrugeſuch zu
arbeiten, das oft von überrajchendem Erfolge war. So hatte, um nur
Ein Beiſpiel anzuführen, 1772 ein Florian Rehwald Getreide ausge:
ſchwärzt. Nach Yeitmerig eingebracht, wurde er alfogleich dajelbft zum
— Strange verurtheilt; auf das übliche Gnadengeſuch hin aber die
Zodesftrafe in — vierzchntägige Gemeindearbeit verwandelt. Außer den
gewöhnlichiten Todesſtrafen durh Strang und Schwert waren aud
andere immer noch üblid. 1658 wurde Johann Knout, der Schmicd
von Loboſitz, verbrannt, 1699 eine Nindsmörderin enthauptet und
im Grabe gepfählt, 1683 eine Brandftifterin enthauptet und dann ver-
brannt 3c. Im Concubinate lebende Perfonen wurden durd den Genfer
ans der Stadt geführt und verbrammt (1654); für Betrüger in Maß
und Gewicht wurde noch 1762 ein Korb in vier Ketten vor dem
Rathhaufe aufgehißt; für Unzüchtige war ein cigener Pranger. Kine
gewöhnliche Strafe für mindere Vergehen war das Kehren dee Ringes
in Ketten, jo wie Bußen an Geld, Wein und Wachs. Auch die öffent»
liche Kirchenbuße war noch üblih. 1705 ftand vor der Kirche ein Weib
mit fchwarzer Kerze, weil fie cinen Dann fälfchlih des gebrochenen
Eheverfprechens beſchuldigte. Bon den vielen in dem Stadtarrejte —
der Frohnveſte, Schatelei — infigenden Inquiſiten waren die meiften
bes Schwärzene, Bagabundierene, Stehlene und der Apoftafie anges
Hagt. Ihre Verfolgung gefchah feit der Neuorganifierung der Gerichte
durch die Gemeinde auf Koften de® „fundus eriminalium publicus.“
Im Iahre 1765 hob nämlich Maria Therejia die Gerichtöbarfeit
der Städte im Allgemeinen auf und fette an deren Stelle 24 Kri—
minalgerihte. In ein foldhes vom Staate bejegte® Nriminalgericht
gieng nun aud das leitmeriger Serviratögericht über, während bie
Inculpaten aus den umliegenden Städtchen in großer Menge nad) Veit»
merig transportiert wurden. Am 1. Mai 1782 trat eine neue Gerichts:
ordnung in Wirffamfeit.e Das Amt eine® Stadtrichtere aber, dem noch
ein Jungrichter beigefellt war, blieb mit der niedern Gerichtöbarfeit be-
traut. Der Stadtrichter wurde vom Rathe gewöhnlih aus der Mitte
jener Rathsdiener ernannt, die man die „fratres curiae“ nannte.
Das Servirat hatte auch die Verlajlenfchaftsverhandlungen zuge:
wiefen. Der Artikel V. der Inftruction für deſſen Schreiber Tautete:
„Wird felbter fo bald al8 er den Präpuls auf dem allhiefigen Stadt-
thurme oder der Filialkirchen S. Yaurenzii hören würde, wer des Tode
erblichen feie, fleißig nachfragen und alegleich im Ambt des Herrn Pri«
37°
— 576 —
genmert mußte der Rath auf die vielen Jchlecht erzogenen Bürgerſöhne —
haben. Bon Zeit zu Zeit wurde diefe ganze Gefellfchaft auf's Rathhaus m
befchieden, den einzelnen dort ihr Müßiggang und ihr faules Neben vor- —- -
gehalten und aufgetragen, fid) binnen einer Woche zur Erlernung eines
Handwerfes zu entichließen oder die Stadt zu verlaffen (1652). Hatte ern
fie bereit8 ein Handwerf gelernt und trieben fie trotzdem ihr Tiederlichem— 4
Leben fort, jo wurden fie auf drei Jahre zur Manderfchaft gezwungen —gn,
ohne binnen diefer Friſt heimkehren zu dürfen, um in der Fremde „Tugend,
Recht und Gehorſam zu erlernen” (1654). 1652 wurde den Bürger —ı
eingeichärft, bei 50 Sch. Strafe feinen fremden Unterthanen zu befe— r-
bergen und Feine Büchſen zu tragen ohne Waffenpäffe. Selbft die Weir—ı-
hüter muſſten ſich ſolche Päſſe verichaffen. Das Herumlaufen des Gm e:
flügel8 und Viehes, das Ausgießen des Spülwaljers, die hölzernen «-
mine u. ſ. w. waren ein bejtändiger Anlaß zu Rügen. Das Unterfude en
der Kamine, das Nachſehen, ob jeder vor oder im Haufe Waſſer gegg en
eine Feuersgefahr bereit hafte, wurde den Gemeindeälteften zur befc» 7-
deren Pflicht gemadt. Diefe follten auch fehen, daß die Inmwohner fe in
Vieh und die Bürger feine Raubbienen halten. Bürger aber durften
wol Vieh halten, das große aber nie, das Fleine wenigftens an Sorz n⸗
und Feiertagen nicht in der Stadt herumlaufen laſſen. 1654 wurden Yür
jede Woche je vier Bürger ernannt, die das Schließen der Stadt ort
zu beforgen Hatten. Vier andere muſſten im Herbfte zur Nachtzeit dız rd
die Weinberge patronillieren; jeit demfelben Jahre bildeten auch je ein
Rathmann und 1 Nichter, für je ein Quartal ernannt, die erfte Sch al:
commillion, Die Anregung zur Kinfegung derjelben war vom Dede zitt
ausgegangen. 1658 erhielten zwei Näthe den Auftrag, die in der Ex alt
übernadtenden Fremden mit allen möglichen ragen zu examiniren zn
von jedem Verdächtigen alfogleih Meldung zu machen. 1677 Hagten N
Erfäffe ganz bejonders über das Ueberhandnehmen von Gottesläſtern Ang
und Unzucht, zu deren Befchräntung die rohen Abfchredungsmittel weg
beitrugen. 1644 wurden, um den Himmel nicht für die Türken zu jtinn N
alle üblichen Masferaden, Comödien und öffentlichen Tänze in der Sea!
abgeichafft. Am 13. Juni 1663 war — unjeres Wiſſens — zum er ten
Male eine Art Feuerlöſchordnung aufgejtellt worden. Diele verſpue rach
jenem, der bei ausbrechendem Feuer zuerſt mit der Kanne beim Te” rot
wäre, eine Prämie von 45 fr., dem, der zuerft mit Waſſer zum je zu
füme, /, Thl. Die Vorftädter folften auch zum Nöfchen eilen, ber
Thorwächter aber gut acht haben, daB fi nicht Fremde mit her— rei?
— 581 —
mit 36 fl. Zu den &emeindedieneru der 1. uud 2, Nathsbedieunte mit
je 30 fl., der Serviratsbediente mit 7 fl., der Rathhäuſer mit 42 fl.,
der Röhrmeifter mit 25 fl., der Uhrjteller mit 26 fl., vier Thorwächter
— jeder mit 36 fr. wöchentlich, der Scharfrichter mit 26 fl., der po=
fratiger Mälzer mit 60 fl., der Rauchfangfehrer mit 80 fl., der hrader
Schaffer mit 20 fl., der miifojeder, profmifer und Iufawiger Schaffer
mit je 15 fl., der Heger mit 15 und der Wicjenauffeher (Louöny) mit
15 fl. Die Baargehalte betrugen jomit (1711) zuſammengenommen
1215 fl. Daß die Zahlen jo niedrig erjcheinen, beruft nur auf der
Borausfegung eines großen Nebeneinfommens, da andererfeitd der Ge—
meindefchafhirt (1777) einen Gehalt von 127 fl. bezog. Die Scarf-
richter wußten fich ein bedeutendes Nebeneinkommen al8 Aerzte eigen:
thümlicher Art zu verfchaffen. Selbjt hochgejtellte Perſonen bedienten
fi ihrer Hilfe. 1659 wurde der Scharfrichter zu einer adeligen Dame,
der Gräfin Truchſeß auf Ploſchkowitz, gerufen, um gegen großen
Kohn der Entdedung eines Geheimniſſes vorzubengen. Der Gräfin ſoll
auf dem Wege des Verbrechens ihre Abjicht gelungen fein, weniger wahr:
fcheinlichh ihrem „Kammermenſche,“ die fih bei der Gelegenheit von
Scharfrihter um 1 fl. ein Stüd Strid vom Halfe eines Erhängten
erfaufte, auf daß, durch diejen finnvollen Zalisman angezogen, ihr un-
treuer Liebhaber fie Heirathe.
Außer den genannten Beamten wurden am Beginn der Periode noch
jährlich 3 „Relatoren“ gewählt, weiche die neuen Werwaltungsbeamten in
die Verwaltungsobjecte einzuführen hatten. 1659 wurde noch ein jüngerer
Schreiber für das bereits nöthige deutſche Concept angeftellt.
Einmal im Jahre und zwar nach der Frohnleihnamsprozeilion
pflegte der Rath) ſämmtliche Beamte fo wie die Kanonict zu einem großen
Gaſtmale zu laden, das im Refectorinm der Kapırziner ftattfand.
Die Veränderumgen, die in der VBerwaltungsart der Ztadtgüter und
mit diefen ſelbſt vorgiengen, find jchon angegeben worden. "Das Ein—
fommen, das die Gemeinde vordem von dem großen Gemeindecomplexe
bezog, war ein unverhältnismäßig geringes. Obwol die Stadt um 1686
bereits wieder über 221 robotpflichtige Unterthanen ', verfügen fonnte,
jo ftanden doch höchſtens 125 in Verwendung. Die unterthanen Dorf-
fchaften waren im Sruppen vertheift, die jährlich auf dem Rathhauſe
) In Tſcherſching und Babina 23, Sebufein und Kolleben 39, Po:
fratig 26, Libochowan 9, Cirkowitz 5, Tlußen 22, Rundratiß 6,
Hlinal 2, Saleſel 17, Keblig 30, Brofmit 12, Stadt 15, Piſtian 18.
— 580 —
mators fleißig erſcheinen, von dannen aber mit denen deputierten Herrv
Commiſſarien in des Verſtorbenen Behauſung ſich verfügen mit ſich etliche
Bogen Papiers, paar Ehlen Schuüreln und ſpaniſchen Wachs mitneky :
mend, bei denen Sperrungen ſich in Allem wolerbaulich aufführen, dene
Herrn Commiſſariens in die Ned nicht fallen, no denen Leuten etwam..d
vor= ober einfchwagen, fondern fih in Allem fittfam verhalten.“
Auf den unterthanen Dörfern wurden gewilfe Rechtstage nach Gmmmme-
fegenheit der Zeit angefagt und eine Commiffion aus dem „großen Rath"
dahin entjfendet. Doch gab c8 auf den Dorficdaften auch eigene Nichte Tr,
die jedodh zum Meagijtrate in einem ſehr unterthänigen Verhältnii wie
ftanden. So cin Richter wurde von jedem KRathe nur mit Du ang ge:
redet; einen eigenen Namen führte er oft noch nit. Der Richter i Im
Stadihofe zu PBofratig wurde nody 1680 fchlechtweg „ze dworwe_ı"
(vom Hofe) genannt. Nachmals ſchricb fid) die Familie Sedtwora.
Unter den Gemeindebedienfteten ftanden die Stadtſchreiber, —wie
immer, obenan. Der eine hieß der ältere, der andere der jüngere, erfier—mmret
bezog (1711) 150 fl., legterer 100 fl. Gehalt. Vordem (1650) haar Atte
erfterer 35 fl. Gehalt, 4 Sır. Korn, 1 St. Gerjte, 1 St. Erbjen ur zaıd
von jedem Gebrän Weißbier 3 Kanunen bezogen. Mitunter gab es am ar ud
noch einen überzähligen Ztadtichreiber. So taucht um 1776 cin DT.
minicus Koſtetzky als „resolvirter supernumerarius Syndieus“ ars ul.
der im genannten Jahre die men eingeführte Prüfung in Prag ablegm |
und fpäter als wirklicher Syndieus erfcheint. Das Schömämtergerica 3 id
hatte feinen eigenen Schreiber mit dem Solde von 14 fl.
Die Berwaltung der Stadtgüter geihah zu Anfange des eis = Sei
ranmes noch wie vordem durch aus der Bürgerfchaft ernannte Beamts 2 a
denen die 1660 verfaßte Inftruction vorjchrieb, die Einfünfte zu beforgen > 2°
über Felder, Weinberge, Wälder, Unterthanen, Kretſchmer, Bräuhaus s F'
und Höfe die Aufjicht zu führen, in der Nobotzeit Samſtags die Zettee * u
dem Richter zuzufchiefen, die Viererzeugung zu übernehmen 3. Späters RXh
wahrjcheinlich feit den Reformmverfuhen Pfalzens, war für die Güter — "
verwaltung ein eigener „Burggraf“ aufgeftellt, während der Brinator *T
ale Wirthſchaftsinſpector die Üheraufficht führte. Der Burggraf erhiels 4
jährlidy nur 89 fl., wobei jedoch jedenfalls an das bibliihe Rort von
drefchenden Ochſen zu deufen ift. Der legte der Burggrafen war Jo—
hann Golitſchek, der jih ſchon 1770 um ein anderes Amt umſah,
da er das Los der Stadtgüter für entſchieden hielt. Zu den Beamten
aehörten ferner der Rentſchreiber mit 84 fl. Gehalt, der Waldbereiter
— 583 —
und Galli je 11 Pfennige Zins Ieiften, im übrigen aber wie Vorftäbter
gehalten werden. Darauf leifteten alle Zafader den Handſchlag.
Die bedeutendften Baareinfünfte Tieferten der Gemeinde die ver-
Ichiedenen Arten von Zoll und in geringerem Maße der Salz: und
Weinhandel. Das uralte Recht des Elbzolls, den die Stadt als Ent-
Ihädigung für die aufgelaffene Niederlagspflicht bezog, war durch die
Wirren bes dreißigjährigen Krieges ftarf beeinträchtigt worden. Adam
von „Wallenftein” Y) Hatte in Loboſitz vor ber Zeit des Krieges ein
Schutthaus errichtet, woſelbſt ohne Rüdficht auf das alte Recht der Stadt
Zeitmerig Getreide verladen wurde. Im Jahre 1659 aber wurde die
ganze Sache neuerdings durch das Domkapitel in Anregung gebradt.
Diefes beſaß nämlich — auf einem andern Nechtstitel beruhend — feit
nod längerer Zeit das Recht, einen beftimmten Zoll zu erheben. Diefer
war aber bereits feit den Hufitenzeiten in Vergeſſenheit gerathen. Später
batte fich die Gemeinde herbeigelaffen, den Kapitel auf Rechnung jener
Brätenfion ein Drittel ihres Zolles zu überlaffen, während das Kapitel
die Hälfte beanfprucht hatte. Da jene aber, wie das Kapitel fagt, im
Streite gegen den „allzuitarfen Widerpart” (Waldftein) nicht auflommen
fonnte, begnügte fie ſich mit einem geringen Metzpfennige, verlangte aber
fpäter von jedem Schiffe bei der angelauften Maute zu Salefel die
Quittung über den Erlag des ihr gebührenden Zolles, während das
Domtfapitel leer ausgieng. Da indeß die Erecutive nicht hinreichend war,
ließ fi die Stadt gern in Unterhandlungen mit bem Kapitel ein und
geftand diefem wieder das verlangte Drittel zu, wogegen der Bifchof die
Einkaffierung in Robofig — damals der Gräfin Cernin gehörig —
durch feine Leute zu bejorgen übernahm. Seither erhielt die Gemeinde
wieder regelmäßig von jedem Strich auf der Elbe transportierten Ges
treides 1 fr. und von jedem Faß Wein vor Katharina 1 Sch., nad
Katharina 2 Sch. Durd die erwähnten Neuerungen auf dem Gebiete
der Elbeſchifffahrt verlor die Stadt diejes Einkommen.
Das Erträgniß des Brüdenzolles war aus Anlaß ber unzähligen
Unglüdsfälle, die diefes Bauwerk trafen, ein fehr ſchwankendes und ftete
ungenügendes. Wach den von M. Therejia 1751 beftätigten Tarife
waren „Würdenträger“, Soldaten, hiefige Bürger und Unterthanen, wenn
fie an Sonn- und Feittagen zur Kirche giengen, fo wie durch Wappen
Maejeſtätegeſuch des Domtapitel® von 1669.
— 584 —
fegitimierte Herrichaftsboten befreit. Nach einer Verordnung vom 8. Mai
1750 waren dagegen SIefuiten, ‘Dominilaner und Minoriten ausdrücklich
zum Zollzahlen verhalten worden. In den Stadtthoren wurde ferner
auch noch ein „Pflafterzoli” erhoben. Von jeder Holzfuhre nahmen endlich
noch „nach altem Herkommen“ die Thorwächter im Thore und der Frohn⸗
diener auf dem Ringe je ein Scheit Holz. Auf der Brüde nahm es der
Soldatenpoften. Nur dem Frohndiener wurde (1776) diefer Brauch ein-
geftellt. Den Bezug der Hälfte der Heinfälle, die die Stadt früher
in Empfang genommen, verlor fie durd eine behördliche Entſcheidung
von 1674 als durd die Revolution verwirft und von 1629—1638 un-
rechtmäßig angemaßt. Kine eigene Steuer bildeten jene 2%, des Kauf-
fhillings, die bei Verkäufen aller Art an die Wirthichaftsrenten abge⸗
führt werden mußten. In diefer Steuer haben wir wahrſcheinlich eine
Adlöfung des alten Schoßes zu erbliden.
Der Salzhandel trug um diejelbe Zeit (1660) der Stadt nicht
mehr als 35 fl. jährlih. An einer Tonne Salz nämlidy, die an Bürger
oder andere Conſumenten verkauft wurde, gewann die Stadt 6 fr., an
dergleichen an Unterhändfer verfaufte 21 fr. Mehr mag der Weinhandel
getragen haben, den urfprünglih der Gemeindebinder über fich hatte.
Später wurde diefem ein Kellercontrolor und noch fpäter diefem wieder
der Burggraf vorgefeßt. Seitdem wurde das Erträgnis natürlic geringer.
Nach einer von der Kammer approbierten Rechnung betrug das
Geſammteinkommen der Stabt im Yahre 1675 an 12.000 fl. Hiebei
hätte die Gemeinde bei gewifjenhafter Verwendung noch Erſparniſſe er-
zielen müſſen.
Die Geſchichte des Steuerweſens jener Zeit kann hier begreiflicher
Weiſe feinen Plag finden, fie gehört der Landesgeſchichte. Nur fo viel
muß erwähnt werden, daß jene in uralten Zeiten durd) die Yandtage von
Fall zu Fall bewilligten außerordentlichen Yandesbeijteuern nun Längft
in eine regelmäßige Steuer — das Ordinarium — übergegangen waren,
während außerordentliche jchon neuerdings, wieder unter diefen Namen
— extraordinarium — zur Regel geivorden waren. Erſtere wurden
auf die Unterthanen repartirt, leßtere zahlte die Obrigkeit. Die Stadt
hatte zum Zwecke der Entrichtung beider ihre eigene Contributionskaſſe,
in welche die Abgaben der Einzelnen hinterlegt wurden. Die alten Ab:
gaben, die die Stadt als folche zahlte, waren gegen biefe neuen allge:
meinen Steuern im Berhältnifle des geſunkenen Geldwerthes verſchwin⸗
dend Hein. Alle Steuern wurden nad fogenannten Anfäfligleiten —
— 583 —
und Galli je 11 Pfennige Zins leilten, im übrigen aber wie Vorftäbter
gehalten werden. Darauf leifteten alle Zafader den Handſchlag.
Die bedentendften Baareinkünfte lieferten der Gemeinde die ver-
Tchiedenen Arten von Zoll und in geringerem Maße der Salz und
ZB einhandel. Das uralte Recht des Elbzolls, den die Stadt als Ent-
Tchädigung für die aufgelaffene Niederlagspfliht bezog, war durch bie
irren des dreißigjährigen Krieges ſtark beeinträchtigt worden. Adam
vor „Wallenftein” ') hatte in Loboſitz vor der Zeit des Krieges ein
Schutthaus errichtet, wofelbft ohne Rüdficht anf das alte Recht der Ztadt
Zeitmerig Getreide verladen wurde. Im Jahre 1659 aber wurbe die
ganze Sache neuerdings durch das Domfapitel in Anregung gebradıt.
Diefes befaß nämlich — anf einem andern Nechtstitel beruhend -- feit
noch längerer Zeit das Recht, einen bejtimmten Zoll zu erheben. Dieſer
war aber bereits feit den Hufitenzeiten in Vergeifenheit gerathen. Später
Hatte fi die Gemeinde herbeigelaffen, dem Kapitel auf Rechnung jener
Brätenfion ein Drittel ihres Zolles zu überlalien, während das Kapitel
die Hälfte beanfprucht hatte. Da jene aber, wie das Kapitel fagt, im
Streite gegen den „allzujtarten Widerpart” (Waldſtein) nicht auflommen
fonnte, begnügte fie fich mit einem geringen Metzpfennige, verlangte aber
Ipäter von jedem Schiffe bei der angefauften Maute zu Saleſel die
Quittung über den Erlag des ihr gebührenden Zolles, wührend das
Domlapitel leer ausgieng. Da indeh die Erecutive nicht hinreichend war,
ſieß fi die Stadt gern in Unterhandlungen mit dem Kapitel ein und
ftand diefem wieder das verlangte Drittel zu, wogegen der Bifchof die
Eintaffierung in Loboſitz — damals der Gräfin Cernin gehörig —
durch feine Leute zu beforgen übernahm. Zeither erhielt die Gemeinde
wieder regelmäßig von jedem Strid auf der Elbe transportierten Ge—
heides 1 kr. und von jedem Faß Wein vor Natharina 1 Sc., nad)
Latharina 2 Sch. Durch die erwähnten Neuerungen auf dem Gebiete
der Eibefchifffahrt verlor die Stadt diejes Einkommen.
Das Erträgniß des Brückenzolles war aus Anlaß der unzähligen
Ungiadefälle, die diefes Bauwerk trafen, ein jehr ſchwankendes und ftcte
Wemügended. Nach dem von M. Thereſia 1751 beftätigten Zarife
Bern „Würdenträger“, Soldaten, hiefige Bürger und Unterthanen, wenn
kan Eonn- und Fefttagen zur Kirche giengen, fo wie durd) Wappen
) Rejsßärsgefucd, de Dousfapitel® von 1689.
— 586 —
der Stadt einen Kalender fammt Gratulation zu überfenden pflegte,
reichlich verfehen werben. Viele erhielten auch „Grünbommerftagspräfente”.
Große Koften verurfachte auch die ftändige Befoldung von Advokaten,
die in Prag und in Wien die Geſchäfte der Stadt bei den Behörden
betrieben. Endlich kam am Ende des 17. Jahrhundertes auch noch der
Gebrauch des „gefiegelten Papiere” auf. 1688 wurde ber Stadt
wegen Umgehung des erwähnten Gebrauchs ein ftrenger Verweis zu-
geſchickt.
Ueberaus drückend war die beftändige Einquartierung in den Bürger-
häufern. Nicht bloß der Koftenpunct fiel dabei ins Gewicht, fondern
viel mehr noch die große Hemmung, die der Gewerbtreibende bei dem
Unftande erlitt, daß der Soldat in den meiften Fällen in der Stube
des Gewerbmannes felbft wohnte, und die große Entfittlihung, die dieſes
Verhältnis bei der zügellofen Rohheit der damaligen geworbenen Soldaten
mit fi führte. Durch die Einritung einer Kaferne in der Könige
burg (1761) und fpäiter (1776) in der vormaligen Zefuitenrefidenz
wurde dieſes Uebel wenigftend zum Theil "behoben, wenn aud für bie
Gemeinde die Erhaltung der Kaferne eine Laſt blieb.
De politifhen Rechte der Stadt haben wir zum Schluße gelaffen,
weil wir fie mit einem Worte abthun können — fie eriftiert.n nicht mehr.
Zwar durfte ſich Yeitmerig immer noch auf den Landtagen vertreten
laſſen, es that e8 aber faft nie mehr. Die gewöhnlichen Vertreter iraren
der Raiferrichter ---- alfo ein königlicher Beamte, der durch die Kamme
eingejegte Primas und der Synd.cus, der Diener beider. Gegenüber
der Bedeutung diefer Vertretung fand man die Koften für zu hoch und fo
fahen wir Leitmerig jelbjt auf dem denfwürdigften und zahlreichft befuchten
Landiege — dem zur Annahme der pragmatiichen Sanction einberufenen
— nit vertreten. Joſeph machte befanntlid auch diefem Scheinweien
ein Ende.
Das Stadtardiv wurde 1767 dur die Räthe Kraus und
Röſſel neuerdings geordnet.
9. Kirche und Schule.
Auf feinem Felde war die Thätigkeit im legten Zeitraume eine fo
große, als auf dem der Eonfellion, auf feinem war fie nach langem
Ringen fo vom Siege befrönt wie hier. Es fehien aber auch wahrhaft
nöthig, daß der Menſch den Schwerpunct feines Glückes ins Ienfeits
— 587° —
verlege, denn das Glück der Laienwelt ftand kaum in einer andern Zeit
in fo fchneidendem Gegenfage zu dem Glücke ber Kirche. Jeder neue Sieg,
den dieſe feierte, fchlug dem fozialen Leben ber Gemeinde eine neue
Wunde.
Wir haben fchon erwähnt, wie die neue Periode in diefer Hin-
fiht mit einer Wiederverlautbarung der Ketzerpatente begann und der
24. Feber 1650 als der letzte Termin geftellt wurde, bis zu welchem
jeder durch Empfang der Bußſakramente jeden Verdacht, daß er noch im
alten Adam ſtecke, von fich abwälzen follte. Keine Gemeindeverfanmlung
vergieng feither, doß nicht vor Allem darauf gedrungen worden Wäre,
daß jeder zur Beicht gehe und das Abendmal empfange. Beichten durfte
man in welcher Kirche immer — um nit den Stadtflerus zu jehr zu
überhäufen — communizieren aber mußte man bei Allerheiligen und ben
Empfang der Hoftie fi darauf befheinigen laſſen. 1653 wurde den
Bürgern nod aufgetragen, nicht zu fluchen, allen jenen, die ben Geift-
fihen auf dem Wege zum Kranken begegneten, diefen dahin proceifionaliter
zu begleiten und über ihm den Himmel zu tragen. Die ftrenge Heiligung
der Sonntage und der zahllofen Feiertage laſtete erdrüdend auf dem
Gewerbe und geitattete bei der ftrengen Ueberwachung feinen Auffchwung
desjelben. 1654 verlangte der Dechant fogar, daß die Arbeit jchon von
der Veſper des dem Sonn⸗ oder Feiertage vorangehenden Arbeitstages
zur größern Ehre Gottes eingeftellt werde, was felbft damals aligemeine
Indignation hervorrief. — In demjelben Jahre hatte ein kaiſerliches
Patent (22, October) die Sonntagefeier normiert. Die in den Schenk⸗
häuſern Sigenden follten zum Gotteßdienfte geholt werden. Beamte, die
durh Robotaustheilung, Verrechnung oder auf ähnlihe Weile einen
Unterthanen vom Gottesdienfte abhielten, wurden zu 10 Sc. verurtbeilt.
Aderte der Bauer, dem der Gutsherr die Wochentage nahm, am Sonn-
tage, follten ihm die Pferde gepfändet und ein Zehntel des Werthee
zurüdbehalten werden. Ein Drittel hievon erhielt der Angeber, zwei
der Pfarrer. Reifende durften zwar am Sonntage wandern, aber nicht
ohne die Meſſe gehört zu haben. Diefes Patent wurde am 19. Noveinber
1760 neuerdings repubfiziert. Jeſuiten, Kapuziner und Minoriten über-
ſchwemmten das offene Yand, denn überall, wo keine Pfarrer ſich befanden,
wurden diefe als Deiffionäre hingeſchickt, um die öjterliche Beicht abzunehmen.
Wie fie das Volk von der Arbeit fern hielten, fo wurden fie eine un»
angenehme Yandplage für die benachbarten Tandgeiftlichen, bei denen fie
einfpradhen. Dem Franziskaner Jacob Faſtinus a Muro ftellte der
— 58 —
Biſchof 1658 das Zeugnis aus, daß er fi lange Jahre in Leitmerig
aufgehalten und viele Alatholiten befehrt habe. 1667 erhielt eine Schaar
von 48 Kapuzinern die Erlaubnis, fi nach allen Richtungen über bie
Leitmeriger Didzefe zu ergießen und allenthalben Beicht zu hören. ')
Jährlich wurden Regifter über den Stand des anzuhoffenden Seelenheils
der Gläubigen angelegt und vom Biſchofe dem Kreishauptmanne zur
Einficht vorgelegt. An die gefährlichften Punkte wurden fodann eigene
Miffionen geſchickt und wenn die nichts ausrichteten, dann hatte der Kreis-
hauptmann „cum brachio saeculari“ dreinzufahren. So machte denn
die Belehrung immer weitere Fortichritte. 1656 waren folgende Gegen -
den der Leitmeriger Diözefe noch am tiefiten im Pfuhle der Ketzerei
geftedt: Schludenau (mit 299 veritablen Alatholifen und 165 wegen
nicht abgelegter Beicht Verdächtigten), Hainsbad (855 A.), Schürg s⸗
walde (178 Ak.) Rumburg (464 Af. 345 Berd.), Kamnitz (36 Ak.
301 Verd.), Wegftädtel (50 Af.). In andern Orten famen die Keßer
zerftreut vor. Bonsdorf (Pfarre Arnsdorf) auf der Herricaft
des Kinski wurde noch 1669 als ganz Iutherifch angeführt, in Folge
deifen dem Grafen ein Kapuziner gefchidt. Am fchwierigften gieng aber
die Belehrung in den Dörfern des Erzgebirges vor fich, wo die Leute
gewöhnlich zur Zeit der Verfolgung über die Gränze entwichen, um
hierauf — die alten Sünder — wieder heimzufehren. Im Yahre 1673
ließ fich der Bifchof befonders die Belehrung der Dörfer Müglig und
VBoitsdorf auf dem Erzgebirge angelegen fein. Aus feinen Briefen
geht hervor, daß hiebei da8 brachium saeculare die Hauptrolle fpielte.
Am 23. März 1673 erließ er an die Kreishauptleute die Anweifung,
die Herren Norbert von Sternberg (Herren von Müglig) und Grafen
Hran (Voitsdorf) für die bevorjtehende Mijfion zur weltlichen Aſſiſtenz⸗
leiftung aufzufordern, „wie denn die Erfahrung bewieſen hat, daß auf
ſolche Weile die Halsſtarrigkeit der Widerjeglichen am füglichften zu
bezwingen ſei.“ Da e8 aber den Herren darum zu thun war, feinen
Unterthanen zu verlieren, tröftete er fie mit der gemachten Erfahrung, daß
die etwa zur Zeit der Miſſion davonlaufenden nad) derfelben gewöhnlich
wieder zurüdkfehren. ALS die Kreishauptleute dem Eifer des Biſchofs zu
(au fchienen, wandte er ſich an die genannten Grundherren felbft mit der
nochmaligen Verficherung, daß die Bemühungen der Miffionäre ohne
weltliche Beihilfe erfahrungsgemäß ganz fruchtlos feien. Die Miſſion
— * -
) Im Sonfiftorialardjive.
— 589 —
begannbei dem nahen Ebersdorf; als aber die Bauern dafelbft fahen,
daß ihr Adminijtrater, Stephan Krupsty, auch auf der Seite der
Jeſuiten ftand, warfen fie ihn mit Steinen und mißhandelten ihn ander:
weitig. So wurde dießmal nicht viel gerichtet. 1676 finden wir wieder
den Yefuiten Tobias Reichel als Miffionär in Voits dorf. — Das
Kegerverzeihnis von 1677 bringt folgende Daten („dabei nicht zweifelnd
daß wider derjelben Ketzer brachiv saeculari regio der Gebühr und
Nothdurft nad) geziemend wird verfahren werden,“): in Benſen 2 ver-
dächtige Edelleute, in BProbofht 12 Stück Keger, in Triebih 2
Edelleute, in Ebersdorftein Shüß aus Sadjfen mit feinem Weibe,
der aber gute Hoffnung zur Belehrung gibt. In Voitsdorf find die
Männer meift ſchon katholiſch, Weiber und Kinder aber fteden noch tief
im Yutherthume — summa: 38 halsftarrige Weiber; in Müglig ift
bis dato Fein einziger katholiſch — summa auf der cheradorjer Filiale
63 Lutheraner. In Dur ift alles katholifch bis auf > übrigens hoffnunge-
volle Weiber; in Flöhau ift alles katholiſch bis auf das ſog. Ober
und Niederfehnhaus, in dem jähfiihe Foritleute haufen. Auf der Pfarre
Graupen ift Zinnwald ganz Iutherifh und hat jogar noch einen
lutheriſchen Prediger — „it auch folcher Gejtalt feine Hoffnung auf
Belehrung.” In Brozan 1 Ketzer, in Piſchkowitz 8, in Gaſtorf 18,
in Kloftegrab zwei Buchbindergejellen, in Karbitz 5, in Yeipa 5
Ketzer. In Melnik ſind 3 Yutherifche und 10 Verdächtige, in Trebnig
1 Luth. und 26 Verd. m Tſchochau 1luth. Tifchler mit ? Geſellen —
dem die Herrichaft deunoch Arbeit gebe! —-, in Rumburg 56 Berd., 13
Luth., n Shürgsmalde 116 Yuth., in Wegajtädtel 5, in Wtelno
4, in Arnsdorf 6 Yutheraner. — In Yeitmerig felbjt war mın Dank
den entichiedenjten Mitteln, deren die Kreisſtadt anderen zum Beiſpiel
gewürdigt worden war, fein rechter Ketzer mehr, aber immer noch waren
mehrere Perſonen — meiſt wieder Weiber — nicht dazu zu bringen,
durch Enipfang der Bußſakramente ihre Belehrung zn bejiegeln. Solcher
Berdädhtigen zählte man noch 14.1) — Zinnwald -- die lekte Zu—⸗
flucht des Evangeliums — wurde bekanntlich, erit 1726 und 1727
3) Die Namen dir letzten zähen Nichtlatholiken in der Stadt ſelbſt find: Dorothea
Schaffert, Witwe; Kranz Schaffert, ihr Sohn; Yudmıla diſſen Meib;
Auna Tym, Anna Dimid, Dorothea Gerns, Eurabeth Friich, Be
Kraupa, deſſen Weib und 3 Kinder: Kafpar Ran!, Darım Stribely, Tobias
Beh und Simon Mann. Das Borangehende nah Urkunden im leit. Kon:
ſiſtorialarchiv.
— 590 —
gewaltiam Tatholifiert, Müglig war endlich 1683 Tatholifch geworden.
Aber nicht blos hinter den Halden von Zinnwald, in der nächſten Nähe
des Bilchofsfiges tauchte hie und da trog allen Maßregeln immer wieder
das gefürchtete Gejpenft des Luthertums auf. Noch 1725 ftanden die
Bauern in Zlugen und Kundratitz in folhem Verdachte der Ketzerei,
daß der Stadtdechant unter Alfiftenz des Stadtrichters eine Hausdurch⸗
juhung hielt und in der That 9 Bücher „voller Gift des abfcheufichen
Quthertums, etwelche fogar cum abominabili efligie Haeresiarchae Lu-
theri* entdedte. ')
Wären die Pladereien nicht fo läſtig geweſen, die Individuen
- hätten gerührt und gejchmeichelt die Sorgfalt anerkennen müſſen, mit
der die Kleriſei jede einzelne arme Seele umſtrickte. 1719 war eine
Jüdin mit einem fünf Vierteljahre alten Knäblein wahrjcheinlich wegen
unbefugten Aufenthalts eingefperrt worden. Zwei miteingefperrte Gauner
machten fi den Spaß, das Knäblein zu taufen — hierauf kam ihre
Zeit, die lieben PBathen wurden gehänft. Niemand war, der Zeugenſchaft
von dem Acte der Taufe ablegen konnte, deflen Kunde bereits unter
die Bevölkerung gedrungen war. Man wollte Mutter und Kind ziehen
faffen, der Bifchof aber befahl, den all zu unterſuchen und wenn
ſich Anzeigen für die vollzogene Taufe finden Tießen, den Knaben ber
armen Mutter nicht mehr zurüdzugeben. — Der Dresdner Getreide
händler Aler. Tätzler hatte eine böhmiſche Emigrantin zur Frau. Am
10 Sept. 1730 war er arglos nach Xeitmerig gefommen, um Getreide
zu faufen, wurde aber auf Befehl des Kaiferrichters eingefperrt und ge»
drängt, den fatholiichen Glauben anzunehmen, jo daß fi der Dresdner
Magiftrat für feine Freilaffung verwenden mußte. Es war alfo fein
Wunder, wenn eudlich 1779 der Magijtrat rundmweg erklären konnte:
„Nun ift von Irrlehren hier feine Spur mehr.”
An pojitiven Beweifen fatholifcher Gefinnung fehlte es auch nicht
mehr. Bußfahrten nah Rom wurden wieder wie im grauen Dittel-
alter üblih. Selbft die Erften der Stadt machten fih auf den Weg.
So 1658 Franz Karl Pitſchan und Georg Ferd. Jelinek von
Hirschberg, der al8 Student einen rühmlichen Antheil an der Vertheidi:
gung Prags gegen die Schweden genommen. Als fih im Jahre 1664
die Türkengefahr näherte, wurde jeden Morgen ein eigenes Glodenzeichen
gegeben, auf das jeder, wo er immer gieng und ftand, auf die Knie
Hbf.
— 591 —
zu fallen und zu beten hatte. Im Jahre 1688 ftiftete die Gemeinde
bei dem neu emporgebradhten Gnadenorte Marienfheune im Kreuz
gange des Kirchhofs die ſogen. Leitmeriger Kapelle, jedoch nicht ſowohl
aus freiem Antriebe, al8 vielmehr auf unabweisbares ‘Drängen der Je:
fuiten, mit benen endlih nad) langem Verhandeln ein Contract dahin
gefchloffen wurde, daß ſich Leitmerig zur Erlegung von 1000 fl. verjtand,
jedoch fo, daß nur 500 fl. baar gezahlt wurden, das Lebrige in Wein
und zwar jedes Jahr zu 3 Faß erlegt wurde. Dafür bauten die Je—
fuiten felbft Kapelle und Altar nach ihrem Gefchinade. So mögen noch
manche diefer „freiwilligen“ Stiftungen zu Stande gekommen fein. Seit
ber gieng auch alljährlih eine Wallfahrt dahin ab, für weldye die Stadt-
renten die Predigt bezahlten. Als aber 1772 das Uebernacdhten des
Wallfahrtspublicums verboten wurde, Eonnte auch jene Prozeſſion nicht
mehr ftatt finden, und der Magiſtrat verlegte dieſelbe nah Kreichig,
worein aber der Biſchof nicht willigen wollte. Nach längerem Streite
verweigerte die f. Kammer überhaupt jeden Beitrag und jo wurde das
Ziel der frommen Reife beiden Parteien gleichgiltiger.
Die einzelnen Kirchen betrieben in diefer Zeit cine höchſt erfolg:
reihe Reftaurationspolitit. Alle alten vergeilenen Gichigfeiten wurden
wieder ausgeforjcht, neuerdings ficher geftellt und erhoben, alle Fonde in
Ordnung gebracht, jeder verlorene Einfluß wieder erobert. Zeit ein Bi-
ſchof feinen Sig in der nächſten Nähe von Yeitmerig aufgeichlagen hatte
(1656), fehlte es nicht an der ausgiebigiten Unterftügung.
Der Stadtfirde zu Allerheiligen, mit der nun die übrigen
bereits als Filialkirchen vereinigt waren, gelang e8 vor allen, ihre Ver—
mögensverhältniffe günftig zu ordnen. An das Jahr 1652 murden die:
felben durch Anlage neuer Regifter nad) jeder Richtung bin ficher geftellt.
Hiernach bezog die Kirche von den auf Zins ausgeſetzten Weinbergen und
Feldern jährlih 37 fl., an Stiftungen für beftimmte Zwede 406 fl.;
die große Glocke trug durdhichnittlih 10 fl, die Sammlungen 21 fl.;
an Kapitalien hatte die Kirche aueftchen 1360 fl., die Barbarabrüder-
Ihaft beſaß außer 3 Weinbergen ein Kapital von 183 fl.; die Yiteraten-
Höre beſaßen die früher erwähnten Felder.
Bon diefem Kirchenvermögen bezog der Dechant ſelbſt zu den Jahr⸗
marktözeiten in Summa 14 fl., zu Oftern, Weihnachten und Pfingſten
je 2 Sch. (1680 galt ein Sc. 1 fl. 10 fr.). Die Gemeinderenten aber
zahlten ihm jährlih 121 fl. 20 kr., feit den Zeiten des Dedants Se-
wera um 60 fl. 40 fr. mehr, für 12 Täler Ber (mM OA ı)
— 592 —
74 fl. 30 fr., für eine Tonne Salz 7 fl. 39 kr. für Brennholz 17 fl.
30 fl., an Weizen, Korn, Gerjte und Erbfen 22 Strich und als Zehent
von den Gemeindefeldern 25 Strid. Andere Zehente hetrugen noch an
42 Strid. Aus dem Kirchenverinögen von S. Laurenz bezog er jähr:
ih 7 fl. S. Georg hatte feinen altherkömmlichen Lachs mit 8 fi.
abgelöft und? S. Martin fteuerte 4 fl. bei. In eigener Benutzung
hatte er no 21 Strich Felder und den Moftnit’fchen Weinberg: Den
Getreidezehent gaben ferner aus Bolratis 36 Bauern, aus Miko—
wit 20, aus Kameik 17, Hlinai 12, Malitihen 8. Vordem
hatte er auch den von Welbin und Sfalig beanfprudt. Diefer Zehent
wurde meiſt in Getreide (bucchichnittlich zu 2 Viertel) geleijtet, doc auch
in Geld, Hühnern ze. abgeftattet. —- Ueber die Höhe des Stolacinfom-
mens fehlen uns nähere Angaben. Geregelt wurde diejes erjt durch die
Ipeziell für den Leitmeriger Sprengel geltende Stolatare vom 27. Aprif
1675, welche bie Bürger in drei, die Yandleute in 2 Klaſſen theilte,
und jpäter durch die allgemeine von 150.
Die Kirche von S. Vaurenz befaß nur 3 Weinberge und ein
Kapital von 122 fl. nebft dem Erträgniffe der jährlichen „Petition“ von
etwa 4 fl. Gottesdienft wurde hier nurmehr an den hohen Feſttagen
gehalten, wofür der Dechant jährlich 7 fl. bezog.
S. Georg ob den Filchern (nad rybaky) beſaß 2 Weingärten,
den Erbzins eines Häuschens (1 Sch. mı.) und ein Kapital von 1368 fi.
Die große Glode trug durhfchnittlih nur 2 fl., die „Petice* an den
Jahresfeſten nur 1 fl. Hievon erhielt der Dechant an dem Hauptfeite
und an S. Georg je 1 Sc.
Die zerjtörte Rirhe zu S. Adalbert befak 3 Weinberge und
10 Strich Feld, die dem chemaligen Pfarrer gehört hatten und nun vom
Stadtdehant benugt murden, an Napitalien 466 jl.
S. Martin (Miikojed) befar ein Feld, eine Keime Wirthichaft
und eine MWiefe; ein Mapital von 105 fl. Für den Gottesdienſt erhielt
hievon der Dechant jährlih 4 fl. 40 Er.
Der Energie der Bilchöfe und Seelforger gelang es, dieſes Ver⸗
mögen rvaftlo8 zu mehren. Während die Semeindewirthichaft zu (runde
gieng, mehrte fih der Reichthum diefer Stiftungen in hundert Jahren
ganz bedeutend. Im Jahre 1770 befaß die Allerheiligenfirde —
abgejehen vom Grundbefite - - ein Kapital von 19.781 fl, S. Adal—⸗
bertdesgleihen von 9.303 fl., S.Yaurenz 1110, S. Georg 791fl,
©. Martin 3574; die Varbarabrüberfchaft verfügte über 8.262 fi,
— 593 —
die Niklaskirche hatte 1941 fl. und das Wenzelskirchlein 809 fl. —
Ein bedeutenderer Aufwand wurde hievon nur bei der Allerheiligenkirche
gemacht, denn da feit der Gegen-Neformation in den übrigen Kirchen bei
der verringerten Bevölkerung fein Seelforger nöthig war, fo war es
möglich, daß die urfprünglich befcheiden dotierten Stiftungen im Laufe
der Zeit reicher werden fonnten, als die Hauptfirde. Kleinere Stiftun:
gen famen im Yaufe der Zeit noch hinzu. Als fich die Gemeinde endlich)
mit den Jeſuiten wegen des Dorfes Wrbitz verglich (1697), erhielten
die Kirche und das Spital von diefen 2.100 fl. als Entichädigung.
Georg Sedtwora aus Pokratitz vermachte 1727 der Kirche St.
Adalbert fein Feld in Kamenatken. 1775 gründete der Bürger Johann
TZollinger eine Stiftung zur Erhaltung eine® Kaplan bei Aller:
heiligen. —
An die Stelle des lateinischen Literatendhores traten aus den Ein⸗
fünften diefes Vereines befoldete Muſikanten. Der czechifche Chor verlor
fein Feld bei Kopiſt im Prozefje mit dem Brobfte von Doran.
Der Dechant von Yeitmeriß hatte jährlich) die Infpection in fol:
‚ genden Pfarren: Aufha, Yevin, Proboſcht, Piſchkowitz, Za:
horan, Baufhowig, Brozan, Trebnitz, Yobofig und Pras—
towitz.
Am Beginn des letzten Zeitraumes war Franz Janota Stadt—
dechant in Leitmeritz, der 1653 Canonicns daſelbſt wurde, worauf Tobias
Ignatius Brezina, bisher Pfarrer in Schüttenitz, an feine Stelle
fam. Als diefer 1662 ebenfalls Canonicus geworden war, entipaun
ſich der Schon erwähnte Streit um das Präjentationdrecht der Gemeinde
und der Biſchof nöthigte diefer den Heinrih Becker auf, um deſſen
Wiederenthebung die Stadt beim Bifchofe zu wiederholten Malen einkam.
Mögen auch manche Klagen aus alter Abneigung hervorgegangen fein,
jedenfalle war Beder ein fehr jähzorniger Mann, der aud in der
Kirche feinem Grolle die Zügel fchießen ließ. Viele arme Yeute Toll er
übel behandelt haben, befonders ſchlecht aber uieng es feinem Gantor.
Er behauptete, deſſen Geſang micht vertragen zu können, und zwang ihn
daher vom Chore abzutreten md Meſſnerdienſte zu verrichten. Eines
Tages aber erjah er ihn (Auguft 16651, während er fi beim Hoch—
aftare zum Wolfe wandte, wieder auf dem Ghore. Wie wiüthend |prang
er vom Altare herab, trat unter das Chor und fchalt den armen Cantor
fo ans, daß alle Anmefenden Aergernis nahmen. Das Hauptverbrechen,
deſſen er ihn beichuldigte, war, daR er ein Deutſcher fei. Endlich willtabrtr
N
— 594 —
1666 der Biſchof und ſetzte den Joſephh Ignaz Aulik von Trebnitz
ein, der 1674 Canonicus und Erzpfarrer am Tein zu Prag wurde.
Ihm folgte Sigmund Hieferle, Freiherr von Chodow etc., der in der
furzen Zeit feiner Amtsdauer (er refignierte 1679) nach einer enthufia-
ftifchen Aufnahme manderlei Kränfungen zu erfahren hatte. Seine beiden
Nachfolger, der frühere Dediant von Budin Samuel Bartholomäus
Severa und Wenzel Stanielaus Kratochvile blicben nur fürzere
Zeit im Genuße diefes Amtes, indem wir ſchon 1685 deu ehemaligen
Kaplan des Ueterkämmerers Georg Karl Sokolovskh an ihrer Stelle
finden. Die Wahl diefes Mannes war feine glüdliche.
Ceine 14jährige Dienftzeit verlief unter beftändigem Streite mit
der Gemeinde, die ihm niederen Eigennutzes und der Unterfchlagung der
Kirchengelder befchuldigte. Der Biſchof hielt ſchließlich die Entfernung
„des in großen Verbrechen befundenen Dechants“ für nöthig. Er ent-
hob ihn und betrante den Minoritengnardian Anton Bardetti mit
der Adminiftration der Stadtdechantei (von S. Georg bis Gulli 1699).
Nun beleidigte der Exdechant das Eonfiftorium in gröblicher Weife, fo
daß er zu einer Geldbuße von 24 Imperialen verurtheit wurde. Da er
diefe nicht zahlte, wurde die Buße auf 24 fl. landläufiger Münze ber-
abgemildert. Er jcheint ji) aber auch diefe zu zahlen nicht entfchloffen
zu haben, dem er wurde am 4. Dezember mit einer Friſt von nur 3
Tagen ang der Stadt und der Diöceſe ansgewielen. Bereits am 1.
Dezember wurde ein nener ehrmwürdiger Dechant in der Perſon des Dr.
Kottfried Hofer von Yobenjtein eingeführt, ar 25. Juni 1700
inveftiert. Er jtiftete eine der Brüdenftatuen, deren halb verfchütteter
Sodel jegt noch jein Wappen zeigt. Im Jahre 1716 refignierte er auf
die Stelle, die der Canonicus Johannes Baier einnahm, der indeß
Ihon 1719 ftarb. Ihm folgte wit längerer Amrsdauer Wenzel Anton
Grüner. Gegen Ende des Zeitraumes war Johannes Iynatius Teppich
Dechant, dem 1767 Ambrojius Strahl, der Sohn eines hieſigen
Seifenficders, folgte. Strahl war ein fleißiger und wiſſenſchaftlich gebildeter
Mann; jeine bedeutendjten Ztudien machte er auf dem Gebiete der
Sefchichte, woſelbſt er auch als Schriftjteller auftrat. Wir fennen von
ihm eine Vebensbeichreibung der eriten leitmeriger Bilchöfe und eine
gediegene Abhandlung über das merkwürdige leitmeriger Cancional im
Manuſkript. Wahrſcheinlich hat er indeh noch mehr geichrieben.
Die Dechante pflegten in diejer Zeit zwei Kapläue aus Cigenem
zu halten. 1663 wurde zum eriten Male die von Tolliuger fundierte
—, 595 —
Kaplansftelle und zwar mit Ignag Sommer befett. Außerdem halfen
auch die Orden in der Seeljorge aus.
Auh in Betreff des Aeußern der Fatholifchen Gotteshäufer mar
der verfloffene Zeitraum eine Weftaurationsperiode; er bat in jeiner
mehr vielgefchäftigen ale finnvollen Weife allen Kirchengebäuden ihren
gegenwärtigen oft zwiſchen Geſchmackloſigkeit und Barbarei fchwanfenden
Character aufgedrüdt. Die große Mehrzahl aller derartigen Bauten
in nahezu ſämmtlichen böhmifchen Städten ftamınt ihrer gegenwärtigen
Form nad) aus jener gegenreformatorifchen Zeit. Hatte ſchon früher das
Eindringen einer immerhin edleren Renaiffance die Reinheit des alten
Stile getrübt, indem fie fi mit ihm verband (jo beim Nathhaufe),
fo gieng man nun darauf aus, jede Spur der alten Gothik als ein
Denkmal einer bejiegten Zeit zu vertilgen. „Jeder ſpitze Bogen belei:
digte das Auge des neuen Pfarrers, der unermüdlih mit Sprengel
und Keſſel, mit Art und Haue den aften SKegergeift bannte. Jedes
gothiſche Yeufter wurde daher neu übermwölbt, jeiner Höhe nad) mindeſtens
halbiert, jede Gewölbrippe überkfeijtert; die Kirchen wurden entiweder zum
weltlihen Salon oder zur Rumpelkammer indiſcher Götenbilder, je nadı-
dem der Geſchmack des Landbaumeiſters fih emporzujchwingen vermochte,
In deifen Hand lag das Schickſal einer Gegend in meilenweitem Um—
freife, er war im Stande mit feinen Zwichelthürmen und Feuermauern
eine ganze VLandſchaft zu verumftalten.
In unferer Gegend war es die zugewanderte italienische Architelten:
familie Broggio, die derfelben das Ziegel ihres Geiſtes aufdrückte.
So nichtsfagend der durch ſie eingeführte Kirchenftil auch iſt, fo haben
Diefe Baumeiſter im Ganzen doch immer mehr Geſchmack bewiejen, als viele
ührer Zeitgenoſſen. Daß man wie bier jo aud anderwärts in jener
Zeit grade zu italieniihen Baumeijtern feine Zuflucht nahm, wird niemand
Wundern, der fich den Stand der einheimiſchen Kunjt nad) den Zeiten der
Aus den in die Stadt gezogenen Dorfleuten fonnte man kaum Maurer,
geichweige Baumeiſter bilden, die Connexionen der Jeſuiten, die Häufig
vermittelten, bezogen fid) aber zumeiſt anf Stalin. So fanden allent-
halben in der auf kirchlichem Gebiete äußerft baulujtigen Zeit Italiener
Unterkunft.
Nachdem fich die Kircheukaſſe von Allerheitigen nur einiger Maßen
erbelt hatte, gieng man daran, in der Hauptkirche einen neuen Altar
aufzuftellen. Mit dem Tiſchler Michael Raub in Graupen wurde
I*
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am 21. Juni 1671 der Contract auf Yicferung desjelben binnen 2'/,
Jahren abgefchlojfen. Der Meiſter erhielt 700 fl., 1 Faß Wein und
10 Strid Korn. Er muß ſchon beiläufig fo ausgejehen haben, wic
der jegige, wenigftens enthielt er die Bildfäulen derfelben Heiligen wie
der dermalige. Seither famen die älteren in dem dermaligen Rathe-
ſaale aufbewahrten Bilder außer Verwendung. Dieſer hölzerne Altar
ſoll aber ſchon 1686 während der Meſſe abgebrannt fein. Nun verzog
ſich die Herftellung der ganzen Kirche wieder durch viele Iahrzehente,
da zu den umfallenden Umbauten, die man vornehmen zu müſſen glaubte,
das Geld nicht reichte. Der Bau lag befonders dem Primator Pfalz
am Herzen, ber e8 endlih dahin brachte, daß er im Jahre 1719 begonnen
wurde. Die Stadt gab das Material, die Kirchenkaſſe zahlte die Arbeit.
Durch diefe Renovierung wurden die fetten Spuren der Gothik verwilcht,
das Gewölbe durch Stufatur unkenntlich gemacht und der Kirche ihr jeßiger
Charakter gegeben. Zur Wiebererbauung eines Hocaltars geftattete 1769
die E. Kammer, die eingehenden SKtirchengelder zu verwenden. Im den Jahren
1742 bis 1747 vollendete Ottavio Broggio den Bau derfelben. 1753
wurde die marmorne Kanzel verfertigt, deren Zeichnung und Material
der Bürger Wilhelm Hennevogel lieferte. Ein Jahr fpäter wurde
der gegenüber liegende Marienaltar vollendet. Im Dahre 1774 wurde
durch Johann Rufch die neue Orgel gebaut. Einzelne Bürgerfamilien
betheiligten fid) an dem Moderniſierungswerke durch Anlage einzelner Altäre
und Kapellen. 1697 erbaute Anna Rofina, Witwe des Johann Wolfgang
Wildhein von Tötting, au der Stelle des Katharinenaltare eine
Kapelle mit einen neuen Altar und eine Gruft für ihre und die Familie
ihres Schwiegerſohnes Franz Andreae Schmidt. Auch die Familie
Pfalz ließ fi eine Gruft in der neuen Joſephskapelle herftellen. Die
Maurer, Zimmerer, Steinmeger und iegeldeder ftifteten 1701 die
Nochuskapelle, und die Familie Hennevogel baute ihre Familiengruft
bei dem von ihr gejtifteten Altare der „Larlshofer Muttergottes.”
Die wichtigſte Bruderfchaft, die ihren Altar in der Kirche hatte, war
die Schon: früher gejtiftete zur heit. Barbara, die von Bapft Innocenz X
am 13. uni 1650 die Konfirmation erhielt. Ihr Zweck war hienadı,
den Kranken geiftig und leiblich bei zufpringen und für die Verftorbenen
die Suffragien zu verrichten.
Die minderen Glieder der menfchlichen Geſellſchaft erhielten immer
noch ihre Ruheftätte rings um die Kirche herum auf dem ummauerten
Mr Den Mann, der in den traurigiten Zeiten der Stadt von
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1618 bis 1658 am Spaten ſtaud und eine ganze ungfüdliche Generation
verfcharrte, wollen wir hier doc ınit Namen nennen. Selten hat wol ein
Mann fo viel Elend an fi vorüber gehen fehen, als diefer alte Todten—
gräber Martin Hrödlicka, der am 26. Ianuar 1658 felbft zu feinen
Kunden reift. Am Zodtenbette behauptete er, jede der durch ihn be-
grabenen Leichen genau gezählt und notiert zu haben, und fo fei feit 40
Jahren er die ?5.046fte Perfon, die auf dieſem Kirchhofe begraben werde.
Dazu gehörten viele erichlagene und an Seuchen hingeraffte Kriegsleute
bes 3Vjährigen Krieges. Wenn die intolerante Zeit aud) jeden Katho—
lifen das Ruheplätzchen gönnte, jo wurde aber doc) nicht iedem Herge:
laufenen das Geläute mit der großen Glocke, dem Stolze der Gemeinde,
für noch fo fchweres Geld zugeitanden. Um Ordnung in diefe zu jener Zeit
überaus wichtige Sadje zu bringen, hatte 1655 der Stadtrath befchlojfen,
daß dieſe Glocke den Rathsleuten, Richtern und Semeindeälteften ſammt
ihren Angehörigen umſonſt, alten lang in der Stadt angefiedelten Bürger:
familien um 45 fr., neu in die Bürgerfhaft aufgenommenen um 1 fl.
heimläuten folle. Inwohnern und Miethsleuten aber „gebührt diefe Ehre
gar nicht." —
Zum Wiederaufbau der von Grund aus zerftörten S. Adalberts-
firde waren ſchon frühzeitig refultatlofe Konferenzen der Koncollatoren
abgehalten worden. Biſchof Sternberg zählte die Verzögerung diejes
Baues 1678 mit unter die Gravamina, die er gegen die Gemeinde
erhob. 1659 nahm man die Sade etwas ernjtliher in Angriff; man
ließ den Schutt abräumen, durd) Julius Broggio einen Plan ent»
werfen und unter der Infpection des Chirurgen Johann Georg Schmidt
und des Johanun Wildheim eine Samınlung milder Beiträge einleiten.
Aber erit 1703 konnte man den Bau unter ber Auffiht des älteren
(Dttavio) Broggio beginnen. Der Bau dauerte viele Jahre, obgleich)
das Kirchlein in möglichjt befcheidenen und nüchternen Verhättniffen erbaut
wurde. Der Thurm wurde viel ſpäter gebant.
Die Laurenzikirche wurde im Jahre 1775 überbaut, dad alte
S. Wenzeslaifirchtein 1714 ceingeriffen uud auf Kosten der Stadt -«
renten bis 1716 an dem gegenwärtigen durd Oct. Broggio gebaut,
wodurch die Gemeinde ein in der Zeit der Pet gethanes Gelübde Töfte.
Für S. Martin in Mlikoied hatte der Rath 1691 in Schlag-
genmwert neue Glocken gießen laſſen.
Bei dem wicdererricgteten Niklaskirchlein in den Weinbergen
erbaute 1672 ber Stabtdehant cine Kapelle. Schon 1665 Hatte ſich
ww 2 m Im mie oe Sallfahrer aus Rom
zum mm = Zomer om Sem femer Fechtergange zu
ze Ze 2m 2 ze ar more. In 0. Mär; 1654 wurde
mr gu seen a Mırtıhetfan der Arefchiker
Im 0. 0m Moe Sem Zr: aus Eigenem jtiftete.
mp 7° mem eogT er Zitataoea Ürtchaften entſtammen
- mr zur "etinı mr br mo Ne merten darunter find Werke
wagrter Teer „in erzemeer Suomerterz.
Ile mm Busrerm tarer " s’22382 m Betreff der ent-
une re Tee om ee $ “ıarcenz, Wenzel und
-. 7: Mm gr Tuurmmefondes Iıfrtert wurden.
Ser Hr Demmepienm te Nee Ser Das der Jejuiten in
er: S mus Tmundideftlihes in dem Ver—
urn mern Item ir Wememe uu Buben wir jchon gejehen.
> sem za ur te wende ner Arlaf gab die große Er—
zıe.ge ne Dee ter iz meaiimen Note der Gemeinde eingriff
Wo. we or enter Sopramfer und Nengitlichfeit reizte.
= > "atorrnam am Aidtaelofung von Schoßpflichten, wegen
weg Summe 0 Deine ım) im. ateng der Zank nie aus,
lee me. wer N Warren 1 beitändiger Geſchäftsver⸗
na tm wir u wuger tz srünmde, bald pacdhteten und
zener pr am ungen Demußtiein übervortheilt zu
“en Ze. ar: war men NWumtche dieſes Ordens die Er-
engen Kummer munn Nele fo ausfchweifend, daß ein
sur Wera Ne Wurh age, zeim zu jagen. Der römijche
. re wider Schnmengenrat. Francesco Borgia, heilig
j ua tr. Zen drocimrger Jezteen 1671 ein großes Schau-
age weine Dex aeräwrgten ſie nun von der Gemeinde
ein de Petautn Frame un den Preis, daß jie diefe „in
. me “ De fein noch in dem Augen—
“ SS omm m Farm mare Slageı bervortrat, daß die Je- =
" .erpean ver.n Bier üchenften, die Ziegelhütte, die».
Lorn “0... Dorn des eigenen Bedarfes gelichen, ſich 5
u a ee desgder Zzeget zum Verkaufe ſchlugen, daff —
Nee Sinti Il lieferten, die ihnen gelichene God Fo
un . Sad na dirint a. DL m. Die Jeſuiten gaben kleim 3
ginn Na Mcikt dr Schi Zaufchyeichäfte, bei dem fie der =
f ur zutun IRA der eürmalt WCnckuſchen Infel ur
— 599 —
warben. — Im Yahre 1695 fchufen ſich die Jeſuiten einen neuen
Wirkungsfreis, indem fie für die zunehmende deutſche Bevölkerung die
ChHriftenlehren zu halten übernahmen. Diefe wurden in der Hauptkirche
noch cechiſch ertheilt; da aber viele Eltern wünſchten, daR ihre Kinder
deutfch unterrichtet würden, fo räumte der Meagiftrat zu diefem Zwecke
den Yefuiten die Kaurenzifirche unter der Bedingung ein, daB dajelbit
nur deutich gepredigt werde, die Jeſuiten fein echt auf die Kirche er-
heben, die Schlüffel ftetS beim Pfarrer deponieren und ven Lnterricht
nit über eine Stunde ausdehnen, damit die Jugend nicht vom Gottes:
dienfte in der Pfarrfirhe abgehalten werde. Am 26. November 1695
wurbe bie bijchöfliche Beſtätigung diefes Vertrages eingeholt. — Der
Jeſuiten waren mitunter vecht viele in Veitmerig, doch wedjjelten die
Berfonen jehr häufig. 1672 finden wir 14 außer dem Rector.
Die Bauten, die die Jeſuiten aufführten, find die bedentenditen,
ftifreinften der ganzen Periode. Mögen fie ſich auch desſelben Arditecten,
wie die übrigen Bauherren bedient haben, fo ijt doch ihr cigener maß—
gebender Einfluß nicht zu verfennen. — Zum Zwede der Erbanung einer
eigenen Kirche hatten jie ſchon i665 fünf Häufer gegenüber dem alten
Marienkirchlein gekauft, über deren Schoßablöſung cin Streit entjtand, der
erft 1712 beigelegt wurde. Im Jahre 1689 hatte man mit dem Grund—
graben begonnen, die Arbeit gieng aber wahrſcheinlich wegen der ſchlecht
einlaufenden Mittel langjam vor ſich. Erit am 28. Augujt 170) wurde
der ‚Srundftein gelegt und diefes Feſt durch eine auf dein Baupfage
aufgefüihrte Komödie gefeiert; am 16. September 1731 fand die feier:
liche Einweihung des vollendeten Baues jtatt. Sieben Jahre |päter wurde
das impofante Selnitencollegium der Kirche gegenüber au der ‘Stelle des
eingerijjenen alten Kirchleins und Spital vollendet und durch eine hölzerne
Brücke mit dem Empore der Kirche verbunden.
Die Jeſniten follten aber nit lauge im Genufe des prächtigen
Sites bleiben. Der Orden wurde befanntlih 1773 aufgetoit, feine
Befiungen wurden den KReligiondfonde zugewieſen. Das luxuriös gebaute
Collegium wurde amtlich auf 5000 fl. geichägt, mit Rückſicht darauf,
dar fich überhaupt Fein Känfer finden werde. Wie ſchon erwähnt, wurde
aus demjelben eine Kaſerne; dag Seminär wurde cinem Burger ver-
fauft, die Kirche aber vorderhand dem Dechant zugewicſen, bie fid) ein
Käufer finden würde. Die Jeſuiten blieben zum Theile in der Stadt.
Einige liegen ji in der Seeljorge verwenden, andere als Yehrer.
Der größten Belichtheit beim Volke erfreuten fih die Kapuziuer.
— 650 —
Mit Sachlenntnis verlegten fie ſich vorzüglich auf die niederen Schichten
und pflegten die cechiiche Stanzelberedfamteit, als ihr nirgends mehr in
der Stadt ein Alyl blieb. Wegen dieſes Predigens kamen fie öfter in
Colliſionen mit dem Rathe, der durch ein ihnen vom Erzbiſchofe Harradı
ertheiltes Privilegium feine Rechte als Patron gekränkt glaubte. Dieſes
vom Biſchof Sternberg am 25. Sept. 1676 beftätigte Privilegium
geftattete nämlih nur den Kapuzinern, den Dedant in der Stabilirdhe
und den diefer unterordnieten Kirchen und Kapellen zu vertreten, fo oft
diefer nicht felbft predigen wollte. Höchftens einen andern Weltgeiftlichen,
aber feinen andern Mönch durfte er an feine Stelle treten lalfen. Leber
dieſes Recht wachten denn aucd die Kapuziner mit großer Eiferſucht. Am
6. October 1657 wurde die fertige Kapuzinerkirche eingeweiht, 1661
ihenkte die Stadt dem Orden nod den Parkan hinter dem Klofter von
St. Yaurenz au, da dieſes bereits wieder erweitert worden war und bis
an die Stadtmauer reichte.
Die Kapuziner lebten als rechte Fechtbrüder von Almofen, die ihnen
Private wie Gemeinden verabfolgten. Die Stadt erlaubte ihnen jährlich
ein Zugebräu von 6 Faß zu machen, wozu fie die anderwärtig erfochtene
erste felbft gaben. Sie allein waren and von der Brüdenmaut befreit,
während Meinorite: und Doninifanern als ihren Mendicantenberufe
untren gewordenen Sapitaliften das Geſuch von der Kammer ubgeichlagen
wurde (1753), Wie echte Handiwerfsburfche führten fie auch feine Fa—
miliennamen, fondern nanıten ſich ach ihrer Heimat. So gab es bei-
ſpieloweiſe im leitmeriger Convente (1670) einen Ladislaus Bilinenfis,
Severinus Bohemus, Wenz. Yitomericenfis, Urban Bavarus, Mathäus
Berlinenfie, Damasene Budvicenus, 1672 einen Strakoniceuſis, Polo—
nenfiß, CErumlovienſis, Pragenfis, vincenſis, Tyrolienſis etc.
Die Minoriten zeigten ſich weder im Predigen noch im Betteln
der Rivalität der Kapuziner, noch weniger in anderweitigem Erwerbe der
der Jeſuiten gewachſen. Dem Volle gegenüber ſcheinen fie fidy mehr
verfehloffen zu baben als die Kapuziner, nach obenhin hatten fie ſich in
der Hegenreformation geringere Verdienft erworben ale die Jeſuiten, —
fie firten daher beim großen Examen der Klöſter am Ende des Zeitraumes
entichieden durch.
Der vreißigjäbrige Nrieg hatte ihre Vermögensverhältniſſe fehr
jerrüttet. Sie fuchten ibr Nlofter durch erbetene Almoſen nad) und nad)
wieder berzuftellen. Am 3. Müry 1662 befamen fie die biſchöfliche
— 601 —
Erlaubnis für den Wiederaufbau der Kirche, am 1. Mai 1677 für den
des Klofters ſammeln zu dürfen. So kamen fie denn mühſelig wieder
unter Dah und Fach, aber das Süd hatte ſich von ihnen feit den
Tagen des würdigen Sanzius fichtlid) abgemendet. Zu den Jejuiten waren
fie wol in die Xehre gegangen, als fie auf den Ausduck „Yan“, eines
Feldmaßes, das in einer Urkunde von 1408 gebraudt wurde, hin einen
Gemeindewald, der zufällig den Flurnamen Yan trug, für ſich reflamierten.
Sie verloren aber den Foftipieligen Prozeß (1672). 1679 brammte ihnen
ihr Höfcdyen in Pokratitz ab, und die eine Seite des Kloſters zer-
fiel fo, daß fie fi) 1680 wieder zu einem Neubau entidhließen mußten.
Nicht lange darauf aber brady Feuer dafelbft aus und verschrte den
Dachſtuhl des Klofters ſammt der Kirche, jo daR dieſe von nun an
viele Jahrzehente als Ruine daltand. Erft 1750 am 24. Juli konnte
das wiedererbaute Kirchlein neuerdings eingeweiht werden. Das herab:
gekommene Kloſter wurde ſomit, als Joſeph Muſternng hielt, zu den
Aufzulaſſenden gezählt (1785). Sein Gebäude erhielt der verjchonte
Dominifanerconvent.
Diefer Orden hatte es noch zu einer zweiten Blüthe in feinem
Spätfommer gebracht. Wie er gleih nad feiner Einführung die Ent-
defung und Berfolgung der Neger zu feiner Aufgabe machte, jo blieb
auch fernerhin der Spürhund mit der brennenden Fackel des Glaubens—
eifers fein trefflihee Embleme. Der Hund befam wieder Witterung in
den Zeiten der Gegenreformation, um ſich dann für immer zu behaglicher
Verdauung Hinzuftreden. Die dankbare Regierung hatte dafıır gejorgt,
daß der wolverdiente Ruheſtand ein behaglicher werde. Der Bettlerorden
war Großgrundbefiger geworden, er gehörte zum Adel gegenüber den
Broletariern von Kapuzinern und Minoriten. Der Appetit kam beim
Eſſen und der Convent wurde immer erwerbjüchtiger, was ihn mit der
Gemeinde in mandje Eollifion brachte. Beſonders oft hatte dieje über
fingirte Schenkungen zu Klagen, die nur den Zweck hatten, das angeblich
geſchenkte Gut der Schoßpflicht zu entziehen. “Der Orden gieng daranf
ein, weil fchlieklich doch etwas abfiel. Much wegen des Ausdſchankes
geiftiger Getränke gab es viel Streit und Yanf.
Am Ende des 17. Jahrhundertes batten die Dominikaner vellauf
mit Bauten zu thin, fie führten cine neue große in ihrer Art ſchöne
Kirche und mehrere Nebengebäude beim Kloſter auf, fo daß der Bezirk
ihrer Befigungen einen Heinen Stadttheil am weitlihen Stadtende bit
— MM —
dete Bm Year Ser zur: va IET2 1655 ae. Te mn
az ne bgten Karlıer Kari Kıivar zer Zune hei!
Ben ter Satan Zırzge Des Cormemıe geumaher des Atiıa
serdihtiger Vii: zliedert Hat ums der ertiichnm Tomiritaner Reint
aus irinen azrım Yıbnm zn ihredtider Bıl» binterlaticn Vieer
Manv, der iräter ven Zchweden aus feine polemiiden Schriften ergem
cie in Telterreih zur Tberhar> arfemmene Zeirtträmmg "hlenderrz,
verbrachte einige traurige Rohen in dem Mauerlohe eines Ber ;ahfreidgem
Seller dieſes Kloitere. *:
Ze ftreng aber der Monch im Motter lebte, fo frei ſebie mr
Abwrechslung ter Gutshter aut Grokanie;d. Tas liederliche Leben.
das baleibit beiender& der Prior Adeodatue "um 1660 führte, rügte das
biihorlihe Gonfittorium Telbit. ?)
Tas Schickijal aufgehoben zu werden jtand auch diefem Convente
ihon nahe bevor, als er jein Yeben noch durch die eingegangene Verpflich⸗
tung der unentgeltlichen Betheiligung an der Ztattieeliorge rettete.
AZuerft wurde die Anzahl der Georventwalen (1785: von 22 auf 14 ver
mindert, dann mußten auch dieſe (30. Mai 17881 ihren ſtolzen Palaf
mit dem beicheidenen Wohnhauje der aufgehobenen Minoriten vertauicdhen.
7.06 alte Toomnifanerflofter wurde zunähit als Friefterhaus nnter der
Obhut des Tomdehants verwendet, bis es 1810 dem Kreisamte über-
geben wurde.
Hielten die einen die Zahl der Klöjter in Yeitmerig ohnehin ſchon
für zu groß, fo war der Probft von Wyſchehrad, Graf Benno Mar-
tinig, wieder anderer Meinung. Er fand, daß zu ben Yefuiten, Mi⸗
) Ein Botıvbiid mit Porträten derfelben befindet fid) im Befige des Herrn Maler
Gruß. ?, Daß feine abenteuerlich Hingende Erzählung ſelbſt im Detail anf
=
Wahrheit beruht, har uns das Zutreffen einzelner Meiner Umflände gelehrt, von
dem wir uns aus Acten des Stadtarchivs überzeugen mußten. So fpielt das > a
von Holyf angeführte verhäugnißvolle Loch in der Stadtmauer Hinter dem wer
Klofter eine fo bedeutfame Role in feiner Leidenegrfhidte. Daß ein ſolche
Loch dort geduldet worden fein ſollte, ſchien uns ſehr unglaublich, bis wir ws
einem Rathéprotololl von 1655 folgenden Pafſus fanden, der alles erklärt: „Der > —
Herr Price Ad. Franz Seidter des Kloſters S. Michael verlangt in einer —
Schrift, daß rr in der Stadtmauer, da wo fie bei der hintern Baſtei fhon etwa u za
ſchadhaft ıfl, zum Hinauswerfen des vom Baue des Klofters gebliebenen Schutte
den er jegt megichofien fol, ein Loc durchbrechen lafjen dürfe etc.” — Diez <“
war alfo grade zur Zert, als P. Holyf, der durch das ihm übertragene Are 2%
"er Büchercenſur felbft zur Ketzerei hingelenft worden mer, im hiefigen Kloſ
ıfte, ?) Im Confiftorialardiioe.
— 603 —
noriten, Dominikanern und Kapuzinern grade noch Kapuzinerinnen fehlen
und forderte am 2. September 1864 von Schüttenig aus die Gemeinde
auf, einen geeigneten Pla für ein Kloſter der „Clarisinnen Capuci-
narum“, wie e8 in Salzburg beftehe, auszumitteln und zu — ſchenken;
dann wolle er aus Cigenem 5000 fl. hergeben. Die Leitmeriger hatten
Ihon zu viel „geeignete Plätze“ verfchenfen müſſen. Sie antworteten
abfchlägig, legten aber die Antiwort erjt dem Bifchofe zur Begutachtung
vor. Schleinitz lobte biefes Vorgehen — Yeitnerig fei fein Salzburg,
fagte er, und „ohnedieß gibt e8 hier Klöfter und Geijtliche genug und
manche eben ſchon recht Schlecht.“ So blicb denn die Einführung der
Nonnen der Neuzeit überlajjen.
Die Verbindung der Schule mit der Kirche war in jener Zeit
noch feine fo innige, wie fpäter; wol aber war diefelbe wenigſtens
äußerlich durch die Dienfte, die der Yehrer gleichzeitig der Kirche Leijtete,
hergeſtellt, weßwegen wir die Darftellung der Schulverhältrijje hier
anreihen.
Die Gemeindefchule befand ſich neben dem Kirchhofe im Eckhauſe
gegenüber der Dechantei, und war wie diefe gegen Ende des 17. Jahr:
hundertes aus Gemeindemitteln neu erbaut worden. Gewöhnlich war an
ihr nur ein Gantor thätig, obgleidh mehrere Lehrerſtellen ſyſtemiſiert
waren. In Folge der unregelmäßigen und oft fchlechten Belegung der
Stellen entſtanden bald mehr, bald weniger Winkelſchulen, gegen welche
die Regierung ftets, aber wie e8 fcheint mit wenig Erfolg, eiferte. Ihre
Eriften; mag mehr Folge als Grund des fchledhten Standes der Ge-
meindefchule geweſen fein.
1678 verlangte der Bijchof, die Gemeinde möge einen Lehrer für
die Stadtſchule präfentieren und ſämmtliche Winkelſchulen abjchaffen.
Unter den Winfellehrern war der fog. Regiümentelchrer, der Inſtructor
der Sarnifon, der gejährlidyite Rivale. Neben ihm hielt vor Einführung
der neuen Schulorganiſation noch der „Bettelrichter“ (Bettelvogt) eine
eigentliche Privatſchule. Solde Schulen verdankten ihre Exiſtenz zum
Theile auch dem Bedürfniſſe, die Kinder in der dentſchen Sprache unter-
richten zu laſſen, da die Stadtichule immer noch cehifh war. In Wire
digung deilen hatte der Magiſtrat etwa um 1664 befchlofjen, mit der
cehifhen Stadtichule eine eigene „deutiche Schreib und Rechenſchule“
in Verbindung zu bringen und berief aus dem deutfchen Nachbarlande
den Elias Herjchel als 2. Cantor, „zur Auferbauung der deutfchen
Sprad.” Er wurde zugleih als Schreiber deutfcher Acten und als
604 —
Kirchenfänger benügt. Seine Unlenntnis der cedhifchen Sprache zog ihm
aber den Haß des Dechants in ſolchem Grade zu, daß er fein Bündel
Ichnüren mußte. Wie fi) dabei der Dechant benahm, wurde eben er:
wähnt. Herſchel vertheidigte fid) angeblich damit, daß er ja eben der
dentfhen Spradye wegen berufen jei uud als Lantor überhaupt nichts
cechifches zu fingen habe, indem felbjt bei der Proceijion zur lieben Frau
(Mariaſcheune) bereite kein cchiiches Yied mehr gefungen würde und es
ſich höchſtens um eine Partie der Palfion im der Charwoche handeln
fünne. Der Dedhant litt ihn nun einmal nit. Der Magiſtrat aber
wollte feine Abſicht nicht aufgeben und fette ſich abermals in Unter—
handlungen mit Kaſpar Peſchel aus Bauen und präfentierte ihn der
Kammer. Diefe aber gieng auf die Ernennung nicht ein, jedenfalls aus
dem Grunde, weil auf diefe Art zwei Stadtfchulen, eine cechifche und
eine deutfche, entjtanden wären und cinen doppelten Aufwand erfordert
hätten. Anderfeits aber konnte fie die Intention des Dlagiftrats uur
billigen und befahl daher die Stelle eines 1. Cautors neu zu bejegen
und zwar mit einem Vehrer, der die Stinder „ex fundamento in der
musica, außerdem aber nicht nur in Arithmetik und cechifcher, fondern
auch deuticher Sprade unterrichten fönne.” Seither wurde alfo die
Schule utraquiſtiſch; nur der Religionsunterricht blieb eechiſch, bis die
Jeſuiten denjelben auch deutſch zu ertheilen begannen. Der Unterricht
in der Muſik |pielte — aber nur wegen ihrer praftifchen Bedeutung ale
Handwerk — cine viel größere Rolle als heutzutage. Lehrer aber, die
in der Muſik, wie in der eechiſchen und deutſchen Sprache gleich tüchtig
geweſen wären, fcheinen fich felten gefunden zu haben, daher dann be«
ltändige Klagen über die Schlechte Belegung der Lehrerſtellen laut wurden.
1722 wurde unter den Beichwerden der Stadt aud der Mangel eine
„Yudimagikters,” der die Kinder in der Muſik unterrichte, angeführt;
1739 hatten die Kinder gar „Leinen rechten Schulmeifter.” — Das Pa-
tronat der Schule hatte die Gemeinde, die den Anzuftellenden direct bei
der Kammer präfentierte. —
Es ift bekannt, dak die jofephiniiche Zeit dem Schulmwefen einen
bedeutenden Aufſchwung gab. Auch hier ftießen aber des Kaifers wol-
meinende Abfichten auf Apathie. Es fand fih 1774 Fein Yehrer in Yeit:
merig, der von der Wohlthat des in Wien errichteten Yehrcurfes Ge—
brauch zu machen ſich hätte bewegen laſſen; es fand ſich niemand, der
einen folchen unterftügt hätte. Am 1. Feber 1775 erhielt die Gemeinde
die Zuftellung der neuen allgemeinen Schulordnung und nod in dem:
— 605 —
felben Fahre wurde die Stadtfchule in eine Hanptfchule verwandelt. Die
beiden erjten Lchrer der Hauptfchufe waren Adam Andres und Franz
Müller, welcher legtere. fih 1777 dem (dreimödentlichen) Normal—
Ichullehrercurfe in Prag, fo wie der vorgeichriebenen Prüfung unterzog.
Die Hauptichule hatte min zwei Sahrgänge, aber vier Yehrenrje, begin-
nend zu Allerheiligen, Lichtueß, Ditern und Peterpaul. Im Ganzen
muß es noch ärmlich genug zugegangen fein. Am 5. Juli 1776 bat die
Gemeinde den Unterkämmerer um Scentung des 2. Yefebuches, der
Fröbefchreibung, der fatholifchen Lieder und des Rechenbüchleins für --
die beiden Pehrer. Die Winfelfchulen wurden jeßt ganz abgejteilt.
Dorfichufen befanden ſich auf den ganzen Gute Keblig 1774
nur zu Pokratitz, Sebnfein ımd Keblitz. Die Schulmeifter von
Pokratitz und Sebufein bezogen gar nichts außer dem wöchentlichen
Schulgelde (jährlid im Durchſchnitte 45 fl.), der zu Keblitz außerdem
noch 10 fl. aus dem Vermögen der Wenzelskapelle.
Die Vateinfchute blieb ein Iefniteninftitut, fo lange der Orden
ſelbſt exiſtiere. Durch die Auflöjung desfelben wäre die Anſtalt mo
mentan in Sefahr gerathen, hätten fich nicht die Erjefuiten wieder an-
ſtellen laſſen. So aber dauerte die Unterbrechung nicht fange, indem im:
October 1774 die Schule neuerdings durd drei Exjefuiten eröffnet
wurde, deren jeder 2 Klajfen zu verfehen hatte. In folge deſſen bat
die Stadt noch um die Anſtellnug eines Präfecten. Gin foldyer fam im
Dezember 1777 mit noch zwei neuen Profejforen daſelbſt an.
Das Bürgerfpital in der ehemaligen Judenſchule foll vordem
einen eigenen Hof befelfen haben, den die Schweden 1639 zerjtört hätten.
Am Ende dee 17. Tahrhundertes beſaß es noch 40 Strich Feldgrund,
den die Gemeinde bewirthidhaftete und von deſſen Erträgnis dasjelbe
größtentheile erhalten wurde. Es beherbergte durchichwittlich gegen 18
arbeitsunfähig gewordene Bürger, auf deren jeden mwöchentlih 1 Pfund
Fleiſch, monatlich 1 Viertel Korn, 1 Metze Erbien und eine Miete
Gerfte gerechnet wurde, jo dar fi die jährlichen Erhaltungstoften auf
etwa 160 fl. beliefen. Das Holz gab außerdem die Gemeinde aus ihren
Wäldern. Johann Heliades vermachte dieſem Spitale ein Napital von
100 fl. 1724 wurde die Kapelle des heit. Kreuzes in demſelben here
geftellt und 1770 das Gebäude umgebaut.
Zur Stiftung eine® zweiten Spital® hatte Iofeph Pfalz ein Vegat
von 4000 fl. gemacht (1724), das feine Gemalin Webecca 1731 um
1000 fl. erhöhte. Es wurde ein eigenes Gebäude vor dem lange
—, 606 —
Thore aufgeführt, defjen Kapelle (S. Anna) 1726 eingeweiht wurde.
Dafelbft konnten vorderhand nur zwei Arme erhalten werden.
1782 räumte die Gemeinde die Mohnungen im Gemeindehaufe
vorübergehend zur Unterbringung eines Deilitärerziehungshaufes für 48
unmündige Soldatenfinder des Regimentes Hohenlohe ein.
3. Stadt umd Bürger.
Nur die bereits erwähnten Bauten firhficher Art gaben dem Aeußern
der Stadt den Ausdruck des Wiederauflebens. Das neu—⸗katholiſche Leit—
merig erhielt aud) feine neue Phyfiognomie. Das allgemeine Gepräge
der Zeit, die prunfende Außenfeite, die Nichtigkeit de8 Wefens — den
Schmuck der Gräber — finden wir aud hier. Nicht mehr auf einen
hohen Berg wollen wir den Lejer führen — von da aus fieht man zu
tief hinein in das menfchlihe Elend — wir müſſen ihn dießmal auf:
nerffam machen auf die neue, ſchöne Yafade, die die Stadt gegen den
Strom zu gewonnen. Bon dem Thale aus, in dem eben taufende von
Arbeitern an einer neuen Landesfefte bancn, wollen wir die Stadt in den
Blick faſſen. Das alte Dorf Zeletig ftört nit mehr — es iſt bie
auf wenige Häuschen verſchwunden. Dort oben hat ein Geift, wie der
Potemlins, eine fpanifche Wand vor die Armut geftellt. Die große Brüde
ift zufällig einmal in brauchbarem Zuftande und fo fieht uns nicht gleid
von voruher das Nuinenhafte entgegen, Im Gegentheile, die Pfeiler der
beiderfeitigen jteinernen Anfahrtsbrüden find mit Statuen geſchmückt, die
lange nicht zu den chledhteften ihrer Art gehören, leider aber aus einem
Materiale beftehen, das dem Zahne der Zeit nicht lange trogen dürfte.
Ta ſteht ein Crucifix und der heil. Wenzel (aufgeftellt 1715), der heit.
Adalbert, gneftiftet 1714 durdy den Dedant Hofer von Robenftein, die
heil. Barbara, 1716 vom Banmeifter Det. Broggio geſchenkt, S. Lud⸗
uilla, ein Geſchenk der Gemalin des Unterfänmerere (1717), der Beit.
Anton von Wax Strobel (1719), der Heil. Joſeph 1720 durch of.
3falz und die heil. Katharina durch Anna Broggio zu gleicher Zeit
geltiftet, Den heiligen, oder eigentlich damals erft feligen Nepomuk fiek
“Hurfried Heinz 1721 aufftellen, den heil. Norbert fchenkte Brobft Mika
son Looyan (1723), der auch die Statue des h. Adalbert am Brunnen
her Zalada (1735) aufftellen ließ. Den heil. Michael beforgte endlich
4.36 der Wirthichaftsinfpector Krolupper. Durch diefe moderne
phinzallee führt der Weg zu dem Tempeldiftricte von Leitmerig. Rechte
— 607 —
präſentirt fih vom Sodel aus über die Baſtei ragend die doppelthür:
mige Jeſuitenkirche und verdedt die alte Stadtlirdhe, zum Theil auch
deren Thurm, der font der Stadt Character verliehen. Links verhüllt
das ſchloßähnliche TFefuitencollegium den ganzen weſtlichen Theil der
Stadt, die durch die neue Bilchofsrefidenz und Domkirche nad) diejer
Richtung Hin wie verlängert ansfieht. Hinter diefen Prachtbauten aber
mahnt noch manches verfallene Dad an die fchwerften Zeiten der Stadt.
Der Kailerrihter 3. Strobel gibt ung in einem Berichte von 1688
ein ziemlich anfchauliches Bild, wenn er über die Ilngerechtigfeit des
PBraumodus flagend jagt: „Auch das muß ich berühren, daß mande nadı
allerhöchſtem, auf die Hebung der Stadt abzielendem Willen gewijfer-
maßen gezwungen wurden, Häuſerruinen zu faufen; andere wurden in
große Ruinen gelockt und diefe ihnen nad ihrem Willen belaſſen. Dieſe
benügen nun das Braurecht wie andere . . . und fchenten in diefen Häu—
fern, wie fi) etwa da oder dort nod) eine Stelle oder ein Winkel in
dem Scutthaufen findet, der nothdürftig vor Regen geſchützt ijt, oder
fie deden ihn mit Stroh und auf ähnlihe Weife ein. Andere wieder
fangen an zu bauen, jtellen aber den Bau wieder ein und wohnen Jahre
fang in den Ruinen wie die Bären in ihren Yöcern, ja andere reiken
ihre Brandjtellen nieder und verfaufen die Ziegel, Steine und Ornament
ftüde den Geijtlihen oder fie führen fie aus der Stadt... . Andere,
die in guten Umſtänden find, ſitzen in ihren kleinen Häuschen, wie die
Bögel im Käfige, und find nicht zu bewegen, die zum Verkaufe ausge
botenen großen Häufer zu laufen, hindern aber dennoch Fremde daran,
die etwa in die Stadt ziehen wollten, und ſcheuen ſich nicht, höhniſch zu
äußern, daß fie bei neuerlichen Unruhen ihre Kleinen Häuschen leichter im
Stiche lafjen fünnten als große. Ja fie Haben das vordem auch gethan
und find vor den Soldaten ohne Noth davon gelaufen; und wenn die
Stadt etwas Leijten Toll, gedenken fie die Yajt anderen auf dem Halſe zu
laſſen“ Diefes nur zu begründete Gefühl der Unficherheit war es, das
die Bauluft der Bürger erftidtee Die Stadt weift daher aus jener Zeit
fein bedeutſames Denkmal weltlicher Baufunft auf; vielmehr trägt auch
diefe den Stempel der Armfeligkeit. Da wurde ein Winkel nothdürftig
überdadht, dort ein Kämmerlein angeklcht, die alte Architektur wie mit
fothigen Schwalbenneſtern übertündht - fo erjtanden jene planlos win
fefigen Häufer, die ihrerfeits wieder Architekten der fpäteren Zcit ale
Muſter dienten.
Das intereffante Huus unter dem Kelchthurme gieng 1665 (12.
— 610 —
rar; Jak. Strobel; Manſchik; Holewafy, *; Gras. Pitſchan, Fleiſcher;
Nozitk; Aluty; Fritſch; Plato; Wlaſath, *, *, *, *, *; vVudm. Kundrat;
Wenz. Krapa, Fleiſcher; Joſ. Karl Pitihan, Brimator; Hoelech, center:
Hosted), *; Kelbel; Holub: Sweteckhy; Valentin ; Simon Maley; Ig. Syl:
vefter, Bäder: Tob, Spib, Fleiſcher, *, *; goſ. M. Spineta, Maurer;
Joh. Fr. Schmidt; Joh. Kramner, Fleiſcher *, * Adam Jiskra, Seifen:
fieder; Toman; Jof. Holub; Kath. Swehl, *, *, *; Joh. Niapa, Fleiſcher:
Anna Strnad, Branntweinbrennerin ; Georg Coubek, Fleiſcher, *, *, *
* *, *, *; Euſ Jelinek; Math. Schmidt, *, * *, *; Joſ. Lukas, Fleiſcher,
x. ; Georg Wotif: Math. Tichh; Chriſt. Moudreh; uir. Schromer, Pfeffer⸗
tüchler; Joſ. Woif Wildheimb; Eliſ. Suchanek; Karl Fanta; Sof. Gabriel,
*, *, *, *, *; Auna Spib; Nik. Hilary, Seifenſieder, *, *, *; Veit
Kroupa, Satbenfüubie, *, *, *, *; Georg Santrude, Fleiſcher, * *; Georg
Bock, Krämer; Math. Fibig, Bäder; Wenzel Klatowskij; Vagd. Yatize,
Aüttnerin, *, *; Phil. Jung Shneiter; Men. Richter— Riemer; Victorin
Schermer, * Andt. Kordik, - Walb. Neſenius, Peinwandhändlerin, *;
Georg Opitz, Trödler; Sflenat; Wemg Klatovskh, Wirth; Kath. Fritſch,*;
Jak. Kübler, *, *; Doroth. Smofchfe ; oh. Jiri, Kaufmann; Joſ. Ehher
mer, *,*; Kath. Deler; Jak. Kytan, vohgarber,* ; Wen: Geite, *; Georg
Tyma; Sal. Salz, *, *, *; Georg Tonat, Keſſelſchmied, *, *, *. *. Jak.
Nratochwil; Mart. Hedric), Büttner, * *; Mart. Fleiſcher, Zimmermann ;
Sof. Motif, *; of. Noh, Büttner ; Marg. "Müller, Nrämerin; Öcorg, Paar,
Fleiſcher; Georg Kalaus, Schuſter, * *; Bernard Epineta ; Math. Zateckh.
Fleiſcher; Friſeks Erben; Stephan Bohdaloveth. *; Chriſt. Keller, Schuſter,
*; Elias Hillmaier, Sattler: Joh. Kroupa, Fleifcher, *; Anna Sat, Wirthin;
kKrejt; Joh. Otto, *; Adam Dworsky, Händler; Shrift. Fraupner, Schmied
Paul Bohdalovsky, Fradhter ; Math. Nautenftrand), Fleiſcher, *, * ; ‚Faul
Sermat, Schufter, *; Adam Benefeld, Tifchler. *; Samuel pmbursti, * ‚
*; And. Sena, Schneider; Simon Simeẽek, Fleiſcher, ẽ»,*; Roh. Hoffmann,
Fleiſcher; Veit Walnh, Schufter: Georg Knop, Schneider; Paul inter,
Schmied, *, *; Wem. Slocmann, Riemer; Georg Germenta Kürſchner;
Wenz. Pibertin: Chrift. Münzer, Scifenfieder: Weſelſt, * Wen; Swe—
teckh, Pfefferküchler; X. Iadro, Bäder, *; Joh. Sarywary, Säufter; Wem.
Schmidt, Lohgärber; Chr. Richter, Schmalzhändler, *, *, *; Benedict Pang;
Nafpar Tenbel; Joſ. Gabriel, Schufter ; Georg Czernei— Seiler; Joh. Peſchek,
Branntweinbrenner; Tob. Hübner, Trödler, *; Wenz. Bilek, Wirt, Nik.
Hrdlicka, Bäder, *, *; Daniel Feldſcher Georg Vogel, Hutmacher ; ‚oh.
Studihrach, Fleischer; Jak. Zander; Eultans Erben; anßerdem beſaßen noch
Häuſer die Familie Aulik und die Orden.
Diefe 134 Hausbefiger galten zufanmen ihrem Vermögen nad)
81 Angefeilene.
Nah der Eonfcription des Jahres 1754 gab es in ganz Leitmerig
jammt Borftädten nur 1.134 Bewohner, hierunter 545 männlihe und
589 weibliche; hievon ftanden 393 unter 20 Jahren; 183 waren älter
aber ledig und 558 verheirathet. Es gab alfo im Ganzen nur 279
Familien dafelbft.
Den Beſitzwechſel können wir hier begreiflicher Weife nicht ver
— 609 —
— Denken wir und dazu das vom LUnterfämmerer fo arg verfolgte
Borftenvich, die Schaaren badender Enten und Gänfe und die zerjtreuten
Bäume an den Häufern, fo gewährt das ein recht intereffantes Bild.
Die offenen Rinnen wurden erft 1713 cajfiert und auch das pofratiger
Wafler in unterirdiichen Holzröhren gelcitet und der Teich auf dem Ringe
entfernt. An Stelle des Sumpfes vor dem pfalz'ſchen Haufe wurde ein
Röhrtrog aufgeftellt. Am die Waſſermenge zu vermehren, ſchloß (26.
Auguſt 1760) der Rath mit dem wyſchehrader Probfte einen Vertrag
wegen Ueberlailung des Waſſers aus dem ffaliger Teiche. 1782 wurde
der ſchwarze Brunnen im Aujezd ausgemauert und der Wailerbe:
bälter am Beutel'ſchen Garten am Polratiger Wege durch Zuziehung
eines Stückes Dichanteifeldes reyulırt.
Zur Charafterifierung der neuen Bürgerſchaft wollen wir die in
den erjten Jahren des lekten Zeitraumes neu Aufgenominenen anführen
und dann eine Weberfiht der Hausbejiger vom Beginne und Schluße
der Periode anfügen. Ä
Im Jahre 1653 erhielten das Bürgerredt: Ardreas Walter,
Safer ans Außig, Georg Tyma, vordem Unterthan des Probftes,
Johann Bapt. Spineta, Maurer, Jakob Rybfa, Jakob Bilek,
Drganift aus Prag, Johann Yanger, Bräuer; 1654: Bernhard
Spineta (Stifter der Meariabilffapelle, Italiener), Johann Maria
Spineta, Martin Tefar, Joh. Nedbal, Joh. Kratochwil, Ziegel:
deder, Haus Engel, Soldarbeiter ; 1657: Adaın Jiskra, Joh. Mayer,
Jakob Bernaskoni, Maurer, Joh. Krukinski, Pole, Joh. Weiß:
bad, Wenzl Seita, Baltafar Böhme (Dialer, gegen Auffriicyung des
Barbarualtars) Wenz. Richter, Maurer, Franz Kardinal, Italiener;
1658: Joh. Ticiug, Feldtrompeter, Erasm. Mladsi, Fleiſcher, Audr.
Maier, Tiſchler, Joh. Perrtik, Marketender, Hans Widtmann,
Zimmermann, Hans Sommer, Dawid Rudolf und Georg Hegen—
bart, die letztern 3 Tuchmacher aus Reihenberg Math. Rul,
Siebmacher, oh. Meißner, Wenz. Kranz, Schwider aus Simmern,
Dr. Fried. Gottfried Bolkmann, Arzt; — 1659: Balzer Srumelt,
Yeinweber; Georg Piſchl, Rudolf Rumburger w.
Im Jahre 1667 bildeten folgende als Hausbeſitzer den Stern der
Bürgerſchaft.)
Kath. Biener, Weinſchenkerin; Math. Schaffert; Joſ. Petzolt, Zattler *;
Eva Bohdalowsky, Wirtin; Joſ. Helindes; Nemes, *; Sim. Simetek; Kath.
— — —— —
2) * bedeutet cin gerflörte® Haus in der fortlauſenden Reihe.
89
— 612 —
druder; 115. Joh. Weir, Amtfchreiber; 116. Joſ. Mühlſtein, Strumpf:
wirfer; 117. Ioh. Maier, Spengler; 118. Anton Ron, Tuchmacher; 119.
Adal. Salomon, Schneider; 120. Joh Hlawatſchek, Tiſchler; 121. Anton
Reim, Binder; 122. Renz. Beruſchka, Schneider: 123. Ant. Rößler, Schuſter:
124. Joh. Merber, Wagner; 126. Weinprefie, 125. Ant. Rohn, Tud;
mader; 127. Nifl. Pfeifer, Schenfer; 125. Binz. Lukas, Fleiſcher; 129.
Fr. Mühlfeit, Buchbinder; 130. Binz. Härtner, Weber; 131. Fr. Mühler,
Bäder; 132. Binz. Rupfa; 133. Mat. Iohn, Müller, 134. franz Schäf:
finger, Chirurg; 135. Jod. Fiſcher, Seifenjieder; 136. Joſ. Bradatſch,
Bräuer; 137. Ant. Nettner, Schneider; 138. Adalb. Koftedy, Bäder (deffen
Cohn, Syndicus): 139. harl Schermer, Schneider; 140. Joſ. Zeits, Fleiſcher:
141. Joſ. Beneſch, Fleiſcher; 142. Karl Pallauda, Rauchfangkehrer; 143.
Karl Ott, Binder; 144. Joſ. Kutſchera, in Prag bedienſtet; 145. Mladiſche
Erben; 146. Sebaſt. Rauch, Zeugmacher; 147. Ig. Weinert, Stafierer:
148. Joſ. Maſantz, Verwalter des Domdechants; 149. Pokratitzer Malz:
haus; 150. Karl Brenner: 151. Najp. Scharf, Wachszieher: 152. Fr. Dal:
laſch, Zalzverfilberer; 153. Mar. Schmerlin: 154. Joſ. Scunftler (2);
155. Aug. Warta, Lohgärber; 156. Ig. Koptik, Verwalter in Triebih; 157.
Mart. Hennevogel (Nreisamt); 158. Joſepha Schmidt; 159. Kath. Eder,
Weißgärber: 160. Peop. Nörber, Rath; 161. Witwe Hegenbart; 162. Phil.
Bienenberg, Raiſerrichter (deſſen Sohn Nreiecommillärd; 163. Fr. Tige,
Etrumpfwirker; 164. Leop. Ham, Müller; 165. Joſ. Becwar, Glödner;
166. Ant. Witkup, Bildhauer; 167. Anna Seifert, Wirtin beim „goldenen
Löwen“; 168. Iof. Wagner, Naufmann; 169. Joſ. Sweteckh, Rath; 170.
Anna Seifert, Garküche; 171. Rathhaue; 172. Ber. Erbe, Schenfin; 173.
Chrift. Keil: 174. Joſ. Molgethan; 175. El. Mengmann, Schenkin; 176.
Ant. Damaska, Zeifenfieder; 177. Joh. Pittrof, Nadler; 178. Kol. Mabder;
179. Ghrift. Joſ. Röffel, Rath; 180 Joſ. Holfeld, Handſchuhmacher; 181.
Wenz. Trenfler, Yeinwandicneider; 182. Joh. Mareih, Schmied; 183. of.
sicher, Vebzeltuer; 184. Mid. Sommer, Zeiler; 185. Wit. Profwedl; 186.
Fried. Gotta, Auchbinder; 187. Ar. Fügner; 188. Joſ. Itter, Koch; 189.
Anna Aſten; 190. Chr. Heckel, Bäder; 191. Joſ. Buchner, Spengler; 192.
Menz. Nober, Schuſter; 193. Paul Oſſowa; 194. dtto.; 195. Mar. Bau:
mann, Sechsrichter; 196. Wachtſtube (langes Thori; 197. Thonwädtere:
wohnung; 198. Anna Teppih; 199. Adalb. Niklas, Riemer; 200. Bernard
Eänger, Färber; 201. Kaſp. Hader, Schneider; 202. Joh. Daniſch, Wagner:
203. of. Syrowatka, Nupferichmied: 204. Tr. Juüſtel, Kürſchner; 205.
of. Glückſelig, Aranntweinbrenner: 206. Kapuzinerkloſter: 207. Franz Fuchs,
Hopfenhändler; 208. „of. Teppich, Yottocollecteur; 209. Wenz. Hrdlilka,
Fähndrich; 210. Joh. Nutfchera, Kath; 211. Koh. Mich. Nenn, Baumeifter ;
212. Ant. Rohn, Tuchmacher; 213. Joh. Hein, Schneider; 214. Ig. He—
genbart, Schneider; 215. Joſ. Herter, Ztrider; 216. Aug. Nrauf, Rath:
217. Mart. Hroß, Mayolifmader: 218. Joſ. Meinert, Ztadtriditer; 219.
Ant. Rohn, Tuchmacher; 220. Hegenbarth: 221, Thimel; 222. Partſch;
223. Berthold; 224. Lerch; 225. Stadtdechantei; 226. Frau Ferthin; 22%.
Bienenberg; 228. Weterif; 229. Praupner: 230. : eunevogel; 231. Vogel ;
232. Kovar; 233. Ztadtfhule; 254. Hollay; 235. Kunert; 236. Neuebe ;
237. Tite; 238. Seminarium.
— 613 —
Sonach gab es denn um biefe Zeit mit Ausichluß der öffentlichen
Gebäude in der Stadt bereits wieder 213 bewohnte Häufer, um 79 mehr
al8 100 Jahre früher. Wie fehr das Gewerbe barnieder Tag, zeigt
uns ein Blick auf die Beichäftigung der befigenden Bürger. Unter
den früher (zum Jahre 1667) aufgezählten Hausbefigern gab es nur 73,
die überhaupt ein Gewerbe trieben; die übrigen nährten ſich meift fümmerlich
von ihrem Stückchen Boden. Warum dieje ihr karges Einkommen nicht
mit einem Gewerbe erhöhten, hat feinen Grund jedenfall® nur darin,
daß fie keines verftanden. — Die ftärffte Zunft war die der Fleiſcher,
beftehend aus 15 Meiftern. Außer diefen gab es nur noch die not—
wenbdigften bürgerlichen Handwerler als: Schenter (6), Bäder (3), Händler
(12), Brantweinbrenner (3), Schufter (6), Schneider (4), Sattler (3),
Maurer (1), Seifenfieder (3), Yohgärber (3), Keflelichmiede (1), Zimmer-
mann (1), Schmiede (2), Tiſchler (1), Seiler (1), und Hutmader (1).
— 1658 waren in ber ganzen Stadt nur 26 Handwerksgeſellen und
65 Taglöhner beichäftigt geweien. Es mußte fomit die Kreisftadt, die
ehemalige Dietropole des Gemerbfleißes und Handel im nördlichen
Böhmen, den Charakter unferer Heinen Marktflecken tragen, in denen außer
dem Verkaufe von PVictualien nur noch die Verarbeitung von Yeder und
Kleiderſtoffen eine Rolle jpielte.e Bon einem Kunſtgewerbe ijt noch nicht
die Spur zu entdeden. Die Regierung M. Therefias und mehr
noch Kaiſer Joſphs that das möglichfte zur Hebung des Gewerbes
befonders an günjtigen Plägen. Bei der aın 4. Dezember 1761 gefchloffenen
„Sonfignation der in Leitmerig befindlichen Profellioniften und Künſtler“
ergab fih denn auch, daß die Zahl derjelben auf 257 gejtiegen war.
Die Fleifchhaner bildeten zwar immer noch eine Hauptzunft (17 Meiſter)
aber die Schneider waren ihmen bereits (mit 19 Meiftern) vorgefommen.
Im Uebrigen waren die Handwerker folgender Maßen vertreten.
Apotheker 1, Kaufleute 11, Kijenhändler 1, Weißbäcker 16, Wachy-
zieher 3, Strumpfwirker 5, Schwarzfärber I, Zattler 3, Huter 4, Riemer
5, Bildhauer 2, Goldſchmied 1, Nürjchner 5, Binder 8, Vohgärber 5,
Strumpfitrider 8, Wagner 2, Schmiede 2, Zeifenjieder 6, Weifgärber 5,
Schloſſer 6, Tuchmacher 2, Seiler 2, Tiſchler 8, Handihuhmader 4, (la:
fer 1, Drechsler 1, Schuſter 12, Buchdruder 1, Buchbinder 3, Feldſchere
‚und Bader 8, Kleinnuhrmacher 1, Yautenmader 1, Kammmacher 2, Rflajterer,
Zirkelſchmiede 2, Ztafierer 2, Tuchſcherer 1, Maurer 2, Zimmerlente 2,
Rauchfangkehrer 1, Gürtler 2, Pofamentierer 1, Steinmetzer 1, Zinngießer
2, Pfefferküchler 2, Yeinwanddruder 2, Müller 4, Mälzer 2, Gärtner 4,
Bühfenmader 1, Yaubjchneider (Nunfttiichler) 1, vVeinweber 2, Zeugmacher +4,
Kupferfhmied 1, Töpfer 2, DBranntweinbrenner 10, Yeinwandhändler 5, Yand:
fleiſcher 10, ZJuderbäder 1.
— 614 —
Bei Eingabe diefes Berichtes an die Kammer äußerte der Rath,
dab überhaupt alle PBrofeffioniften in Leitmerig eben könnten, wenn fie
nur fleißig genug wären, und daß es wünfchenwert wäre, wenn nod
mehr Handwerker in die Stadt gezogen würden. Kaiſer Joſephs
Sorgfalt war befonder& der Vermehrung der Danufacturgewerbe zugemwendet,
die denn, wenn auch langfam, vor ſich gieng. So arbeiteten fhon 1782
6 Tuchmacher mit 8 Gefellen und zwei Gehilfen, 8 Weber mit 3 Gefellen,
2 Bofamentiere, 2 Kleinuhrmader, 3 Glaſer, 7 Handfhuhmader. Die
Zahl der Hutmader, Strumpfwirker, Zinngicßer, Färber, Goldfchmiebe,
Drechſler und Tuchfcherer war gleich geblieben, die der Strumpfitrider
dagegen gar aufj2, der Lohgärber auf 4, der Kürſchner auf 3, der Shloffer
auf 4, der Gürtler auf einen herabgefunfen. Die Zirkelfhmiede waren
ganz ausgeftorben. Dagegen waren als Vertreter vordem noch nicht vor-
handener Gewerbe hinzulommen 1 Nadler, 2 Nagelſchmiede und 2 Spengler.
Der Buchdruder, der bereits 1761 in Xeitmerig arbeitete, war Joh. Karl
Yaube. Gröbel bejaß 1781 bereits dafelbft einen Buchladen, der
natfirlich unter Aufjicht des Dechants ftand. Außer den gewöhnlichen
Badern hatte Yeitmeriß 1677 auch ſchon einen Kreisphyfikus, M. Dr.
Thom. Franz Czapek. Die Apothefe blieb Eigethum der Gemeinde
und befand fich immer noch im Erdgeſchoße des Rathhauſes. Won dem
Jahrespachte (etwa 12 fl.) Hatte aber die Gemeinde wenig Nuten, da
fie denfelben wieder auf Inftandhaltung des Inventars verwenden mußte.
Bald traten die Jeſuiten mit einer eigenen Apothele in Concurrenz, die
viel Zuſpruch hatte, und ber Pächter der Gemeindeapothefe, der die
Vefreinng von allen Eontributionen und Laſten genoß, errichtete in feinense
Danfe noch eine zweite Privatapothefe, da die Gemächer und Keller deu”
Gemeindeapotheke zu fchlecht feien (1659).
Den Handel hatte jchon Ferdinand III. dadurch zu heben gefuht—
daß er die drei bejtchenden Jahrmärkte auf gelegenere Zeiten verlegte !)
und um einen vierten (Montag nah Chrijti Hünmelfahrt) vermehrte.
1757 foll der Stadt aud) die Berechtigung zur Abhaltung von Wolls
märften ertheilt worden fein. Um 1740 gab c8 zur Förderung der
Handelvintereffen aud) zu Yeitmerig cine „Handelscompagnic” oder „Son:
fraternität“. “ Als neuer Handelsartifel wurde deutfche Leinwand,
wahrfcpeinlich ans dem böhmischen „Niederlande“ durch deutihe Kaufleute
Mon S. Jakob auf Montag nad Ehrifti Himmelfahrt, von Allerheiligen auf
Montag vor Katharina und den Faſtenmarkt auf Montag nad) Quinquagesima.
Drig. im I. St. A. Nr. 8.
— 615 —
auf den Markt gebracht. 1652 geitattete der Rath den deutfchen Leinwand⸗
händlern, ihre Waare hHerzubringen, jedoh nur auf bem Rathhauſe und
in ganzen Stüden zu verkaufen. Wegen diefer Neuerung entjtand unter
den einheimifchen Kaufleuten bald eine große Gährung und diefe ver-
fuchten die Fremden ganz vom Marfte zu verdrängen. Nach langem Streite
entfchied jedoch der Rath zu Gunften der letzteren (25. Sept. 1654),
indem er den einheimifchen vorwarf, daß fie ſich felbft nicht an die In—
ftruction hielten. Hienach follten die Deutſchen Freitag vor jedem Markttage
von 21 bis 22 Uhr nur auf dem Rathhauſe und nur an Bürger ihre
Waare zu verlaufen gebunden fein, nad diefer Zeit aber an Fremde frei
verlaufen und in Leitmerit fogar eine Zunft bilden dürfen. Dagegen
- wurde ihnen das Haufieren unterfagt. Unter der Regierung M. Therefin’e
wurde das Yeinmandgefchäft befonders cultiviert. In Leitmerig murde
aus Staatsmitteln eine „Spinnfchule* errichtet, die unter einem eigenen
Kämmmeifter im Haufe der Anna Laube in der Vorftadt ihren Sig
hatte, 1768 aber in das Haus des Karl Ott in der Stadt verlegt wurde.
Die Stadtmühlen pflegten, fo lange fic noch nicht verfauft waren,
verpachtet zu werden und zwar jammt der Säge und dem Erträgnijle
des Woaflerthores — des „deutichen Loches.“ 1653 betrug der Jahres⸗
pacht 600 fl. Nebenbei mußte aber der Pächter da8 Gemeindemalz und
das Getreide der Wirthfchaftsbeamten und ‘Diener umfonft mahlen und
jedem Rathe jährlih 2 Strih Fußmehl geben oder dafür ein Schwein
mäften. Sonft zahlte der Bürger vom Stride 2 kr., die felbjt mahlenden
Bäder die Hälfte, Auswärtige aber zahlten ftatt der „Metze“ 4 Ir. Als
die Mühle fammt Brett- und Walfmühle und dem vorliegenden Werder
21737 verpacdhtet wurde, mußte ſich der Müller auch noch verpflichten, „fammt
Veinen Gefellen ein anftändiges Leben zu führen und ſich von der Trunken⸗
Heit fern zu halten.” In Betreff der Kundſchaft wurde eine Rangordnung
Feſtgeſetzt, wornach auch die letzte Spur deutfcher NRechtsfitte — wer früher
Eömmt, mahlt — aufgehoben werben follte. Zuerft follte immer den Bür⸗
gern gemahlen werden, dann den Kebligern, Proſmikern, Biftianern und
Dann erft anderen. Der Primator erhält den gewöhnlichen „Mühlſtaub.“
Die Prinzipien des Zunftwefens traten ſchon damals als reactionäre
Slemente in einigen Widerſpruch mit ihrer Zeit. Den Zünften gegen-
ber ericheinen die jojephinifchen Rathskörper al8 Herolde des Fortichrittes.
So viel Abjolutiftifches in ihnen lag, — diefer aufgeflärte Abfolntismus
Fchien wirklich das einzige Mittel, die in die Geſellſchaft eingealterten
Nrankheiten des Mittelalters zu heilen; verderblich wurde er erit, ala
— 614 —
Bei Eingabe diefes Berichtes an die Kammer äußerte der Rath,
daß überhaupt alle Profeſſioniſten in LXeitmerig leben könnten, wenn fie
nur fleißig genug wären, und daß es wünjchenwert wäre, wenn noch
mehr Handwerker in die Stadt gezogen würden. Kaifer Joſephs
Sorgfalt war befonders der Vermehrung der Dianufacturgewerbe zugewendet,
die denn, wenn auch langſam, vor ſich gieng. So arbeiteten ſchon 1782
6 Tuchmacher mit 8 Gefellen und zwei Gehilfen, 3 Weber mit 3 Sefellen,
2 Bofamentiere, 2 Kleinuhrmader, 3 Safer, 7 Handſchuhmacher. Die
Zahl der Hutmadıer, Strumpfmwirker, Zinngießer, Färber, Goldfchmiebe,
Dredfler und Tuchſcherer war gleich geblieben, die der Strumpfitrider
dagegen gar aufj2, der Tohgärber auf 4, der Kürſchner auf 3, der Shloffer
auf 4, der Gürtfer auf einen herabgefunfen. ‘Die Zirkelſchmiede waren
ganz ausgeftorben. Dagegen waren als Vertreter vordem noch nicht vor-
handener Gewerbe hinzulommen 1 Nabler, 2 Nagelſchmiede und 2 Spengler.
Der Buchdruder, ber bereit 1761 in Yeitmerig arbeitete, war Joh. Karl
Yaube. Gröbel befaß 1781 bereits dafelbft einen Buchladen, der
natürlich unter Aufficht des Dechants ftand. Außer den gewöhnlichen
Babern hatte Leitmeritz 1677 auch fchon einen Kreisphufifus, M. Dr.
Thom. Franz Czapek. Die Apothefe blieb Eigethum der Gemeinde
und befand fi immer noch im Erdgefchoße des Rathhauſes. Bon dem
Jahrespachte (etwa 12 fl.) Hatte aber die Gemeinde wenig Nuten, da
fie denfelben wieder auf Inftandhaltung des Inventars verwenden mußte.
Bald traten die Jeſuiten mit ciner eigenen Apotheke in Concurrenz, bie
viel Zuſpruch hatte, und der Pächter der Gemeindeapothefe, der die
Befreiung von allen Contributionen und Yaften genoß, errichtete in feinem
Hanje noch eine zweite Privatapothele, da die Gemächer und Keller der
Gemeindeapotheke zu Schlecht feien (1659).
Den Handel hatte ſchon Ferdinand III. dadurch zu heben geſucht,
daß er die drei beitehenden Jahrmärkte anf gelegenere Zeiten verlegte ?)
und um einen vierten (Meontag nad Chrijti Himmelfahrt) vermehrte.
1757 fol der Stadt aud) die Berechtigung zur Abhaltung von Woll:
märften ertheilt worden fein. Um 1740 gab es zur Förderung der
Handelsintereffen auch zu Yeitinerig eine „Dandel8compagnic“ oder „Eon
fraternität”. — As neuer Handelsartifel wurde deutſche Yeinwand,
wahrfcheinlich aus dem böhmifchen „Niederlande* durch deutſche Kaufleute
ı) Bon ©. Zalob auf Montag nad Ehrifti Himmelfahrt, von Allerheiligen auf
Montag vor Katharina und den Yaflenmarkt auf Diontag nad) Quinquagesima.
Orig. im I. St. U. Nr. 49.
— 615 —
auf den Markt gebracht. 1652 geitattete der Rath den deutſchen Leinwand⸗
händlern, ihre Waare hHerzubringen, jedoh nur auf dem Rathhaufe und
in ganzen Stüden zu verlaufen. Wegen diefer Neuerung entftand unter
den einheimifchen Kaufleuten bald eine große Gährung und diefe ver-
fuchten die Fremden ganz vom Markte zu verdrängen. Nach langem Streite
entfchied jedoch der Rath zu Gunften der lekteren (25. Sept. 1654),
indem er den einheimifchen vorwarf, daß fie ſich felbft nicht an die In-
ftruction hielten. Hienach jollten die Dentichen Freitag vor jedem Marfttage
von 21 bis 22 Uhr nur auf dem Nathhaufe und nur an Bürger ihre
Waare zu verlaufen gebunden fein, nach diefer Zeit aber an Fremde frei
verlaufen und in Leitmerig fogar eine Zunft bilden dürfen. Dagegen
- wurde ihnen das Haufieren unterfagt. Unter der Regierung M. Thereſia's
wurde das Leinwandgeſchäft beſonders cultiviert. In Leitmerig wurde
aus Staatsmitteln eine „Spinnfchule“ errichtet, die unter einem eigenen
Kämmmeifter im Haufe der Anna Laube in der PVorftadt ihren Sitz
hatte, 1768 aber in das Haus des Karl Ott in der Stadt verlegt wurde.
Die Stadtmühlen pflegten, jo lange fie noch nicht verkauft waren,
verpachtet zu werden und zwar ſammt der Säge und dem Erträgnifie
des Waſſerthoöres — des „deutichen Loches.“ 1653 betrug der Jahres⸗
pacht 600 fl. Nebenbei mußte aber der Pächter das Gemeindemalz und
das Getreide der Wirthichaftsbeamten und Diener umſonſt mahlen und
jedem Rathe jährlich 2 Strid Fußmehl geben oder dafür ein Schwein
mäften. Sonft zahlte der Bürger vom Stride 2 fr., bie jelbft mahlenden
Bäder die Hälfte, Auswärtige aber zahlten ftatt der „Metze“ 4 kr. Als
die Mühle ſammt Brett- und Walkmühle und dem vorliegenden Werder
1737 verpachtet wurde, mußte ſich der Müller audy noch verpflichten, „Tammt
feinen Gejellen ein anftändiges Leben zu führen und fi von der Trunken⸗
heit fern zu halten.” In Betreff der Kundichaft wurde eine Rangordnung
feſtgeſetzt, wornach auch die fette Spur deuticher Rechtsſitte — wer früher
fümmt, mahlt — aufgehoben werden follte. Zuerjt follte immer den Bür⸗
gern gemahlen werden, dann den Kebligern, Proſmikern, Piftianern und
dann erft anderen. Der Primator erhält den gewöhnlichen „Mühlftaub.“
Die Prinzipien des Zunftwefens traten ſchon damals als reactionäre
Elemente in einigen Widerfprucd mit ihrer Zeit. Den Zünften gegen-
über erjcheinen die jofephinifchen Rathskörper als Herolde des Fortichrittes.
So viel Abfolutiftifches in ihnen lag, — diefer aufgeflärte Abfolutismus
ſchien wirflih das einzige Mittel, die in die Geſellſchaft eingealterten
Krankheiten des Mittelalters zu heilen; verberblih wurde er erft, ale
— 616 —
er diefem Zwecke untreu wurde und den Ideen zu dienen begann, die er
eben bekämpft hatte.
Schon der angeführte Ausspruch des Stadtrathee, es möchten nur
noch recht viele Profeifioniften nach Yeitmerig kommen, jie würden alle
Yeben können — fteht im grellften Widerfpruche zu der in den Zünften
noch vertretenen mittelalterlichen Idee. Dagegen athmen aud) fämmtlidje
Zunftordnungen aus der Zeit Karls VI. und Maria Therefia’s jenen
mittelafterlichen Geiſt egoiftifcher Befchränttheit in einer dur die Süß—
lichkeit der Frömmelei noch widerlicher gewordenen Form. Alle Beltre:
bungen der Zünfte giengen auf die Erhaltung einer Sache aus, die den
Todeskeim fchon in fih trug. Kaiſer Joſeph hätte gewiß auch Hierin
dem Scheinwefen ein Ende gemacht, wenn feine Zeit gereicht hätte. Die
Reaction erhielt nachmals den fiechen Körper des Zunftweſens noch einige
Jahrzehnte hindurch am Yeben. Während die Regierung bemüht war, die
gefunfene Zahl der Bewohner durch alle Mittel zu heben, verfielen die
Schufter auf den Gedanken, die Bequemlichkeit ihrer Exiſtenz durd) die
Beſchränkung ihrer Zahl zu vermehren (1761). Ihrem Beiſpiele folgten
aljogleich die Schneider. Krftere verlangten die Herabfegung der Anzahl
der Scuiterbänfe auf 10, das Recht, diefe felbit zu beliebigen Preifen
zu verhandeln oder zu verteftieren und die Ausjchliefung aller auf bifchöf-
(ihem Grunde ſitzenden Schujter vom Markte. Der Stadtrath wies fie
mit Recht ab, inden er darauf hindeutete, wie dann die Bänke nur Ber-
wandten zugeſchanzt würden und fein Fremder zur Meifterfchaft käme.
Vielmehr behielt er fich vor, die Zahl der Bänke von zeit zu Zeit dem
Bedürfnijje nad) zu vermehren.
Von großer Wichtigkeit blieb immer das Braurecht der Bürger.
Im Beginne unferer Periode wurde wiederholt der vergebliche Verſuch ge:
macht, dieſes Recht jedes einzelnen Bürgers in Abftufungen nach dem
Verhältniſſe der fehr verfchiedenen Werte der Hänfer zu bringen. Aber
ſchließlich blieb doch wieder jedem einzelnen jein ganzen Gebräu. Nur
wurde die Ordnung, in welcher die Bürger abzubränen hatten, feſtgeſetzt
und durch eigene Inſpectoren überwacht. Ein allgemeines Bräuhaue gab
es noch nicht. Auch ſchenkte jeder ſein Bier in ſeinem Hauſe. Doch
gab es auch mehrere vom Rathe privilegierte Wirtshäuſer, zunächſt für
das Bedürfnis der Fremden. Dieſe hatten das Recht Jahr aus Jahr
ein von den einzelnen Bürgern Bier zu kaufen und zu verſchenken, während
ſonſt jeder nur fein eigenes Product verkaufen durfte. Die Bierſorten
waren Weißbier und Gerftenbier; letzteres, das theurere, wurde auch
— 617 —
Bitterbier oder altes Bier genannt. Das erſtere brante oft die Gemeinde
ſelbſt und vertheilte daraus die Deputate.') Der Bierausſchank betrug
im Sahre 1665 — 1044 Faß, darumter nur ein Zehntel Weißbier.
In der erften Hälfte des 18. Jahrhundertes gieng im bürgerlichen
Brauweſer eine große Veränderung vor ſich, ohne daß wir ihr Schritt
für Schritt folgen können. Die wichtigfte Veränderung aber war, daß
fih nad) langem Streite um das Recht des Antheils am Brauen, die
Zahl der brauberechtigten Bürger abſchloß und fo men angefiedelte, die
entweder nene Häufer bauten oder vorher nicht bewohnte herftellten, vom
Mitbefite des Braurechtes ausgefchlojfen wurden. Die Betheiligten aber
follten nad dem Maßitabe ihres Hauswertes participieren, wie dieß fchon
vordem verfucht worden war. Ermöglicht wurde es nun dadurd, daß
fämmtliche feither Brauberechtigte genannte in eine Art Genoſſenſchaft
traten, die Gebräue gemeinfchaftfich machten und in den Nuten ſich nad)
Verhältnis der Schäßung theilten. Die Gemeinde felbft betheifigte fich
nun in der Weife am Gebräu, daß fie gewille Braumaterialien lieferte,
diefe aber nachmals in eine Adminifelleiftung in Geld reluierte, wofür
fie auc) ihren Nugen bezog, Daneben machte nun aber die Gemeinde
auch noch ihre eigenen Gebräue als Herrichaft des Gutes Keblitz. Ihr
Bräuhaus befand fih in Pofratik, wurde aber 1767 in den Meierhof
Hrad verlegt, während die Braubürgerfchaft ihr eigenes Brauhaus nicht
weit davon befaß, das 1765 neu hergerichtet wurde. Seither gab es
nur 211 brauberechtigte Bürger. Der Gefammtfchägungswert betrug
1761 — 54,500 fl., der höchſte Antheil (Ph. Ant. Bienenberg) 900 fl.,
der niedrigfte 25 fl., der Braumugen 2.180 fl., die Bonification alfo 4%,.
Der Weinbau hob fi) alimählig wieder unter dem Schuge neuerer
Privilegien und Maßregeln. Um beffere Preife des einheimischen Pro-
ductes zu erzielen, wurde 1655 bejtimmt, daß von Katharina an fein
Bürger mehr Wein einfaufen und in die Stadt führen dürfe. 1764
verbot eine Gubernialverordnung, daß überhaupt öjterreichifcher Wein in
der Stadt gefchenft werde. Die Weinconfumtion muß eine bedeutende
gewefen fein. 1664 wurden daſelbſt 3.439 Eimer ausgeſchenkt, 1665
1.280 Eimer. Etwelcher wurde auch auf der Elbe hinab nad) Deutfch-
land, vorzüglid nad VWeagdeburg ausgeführt. Doc hHeminten die
vielen Zollftationen (Aufig, Schandau, Pirna, Dresden, Mei-
Ben, Etrehlau, Mühlberg, Torgau, Voetſch, Wittenberg,
— — — — —
N) Näheres über das Braumelen ſiehe in „Mittheilnngen“ etc. VIII. Jahrg. I. u. II.
— 618 —
Roßwing, Roßlau, Deffau, Ader, Topheim, Barbi, Grün-
wald, Schönbed und Magdeburg) den Handel merklich. Bis an
die legte Station mußte vom Eimer 3 Rthl. 4 gr. Zoll gezahlt werden;
hievon famen je 8 gr. zu Außig und Schandau auf den Grenzgoll.
Außerdem wurde beim Verkaufe 1 Rthl. Accis gezahlt. — Als Arbeiter
in den Weinbergen mußten ſich die nicht bürgerlichen Inwohner und die
Vorſtädter gegen eine tarifmäßig feſtgeſetzte Belohnung gebrauchen laſſen.
Auch die Arbeitszeit war feftbeftimmt und wurde durch cin Hornfignal
angezeigt. 1673 war der höchſte Lohn 8 fr. per Tag, der niedrigfte 5 fr.
Die Brantweinconfumtion war in hiefiger Gegend noch im 18.
Jahrhunderte eine verhältnismäßig ſehr geringe, obgleich es mehrere
Braniweinbrenner gab, die fih mit einem Pächter der Gefammtbrant-
weinerzeugung abfinden mußten. Die Gemeinde felbft brannte auch
Brantwein und zwang die propinationspflitigen Unterthanen zur Ab-
nahme einer Pinte zu jedem gelieferten Faß Bier. Die Schenker erffärten
aber einftimmig, daß fie hiefür Feine Abnehmer finden könnten (1774).
Dagegen wird der Zabalconfumtion ſchon im 17. Sahrhunderte
gedacht. Zuerft klagte der Kaiferrichter in ciner Gemeindeverſammlung
des Jahres 1660 (8. Novemb.) „daß gegen das Verbot des Landtags
und der Patente der unfelige und gefährliche Tabak von der Soldateska
ungeniert gebraucht werde.“ Durch die Soldaten fam er bald unter die
Bürger. Doc fträubte man fich größtentheil® nur der Feuergefährlich⸗
feit wegen gegen ihn.
Zu Zeiten Joſephs muß man auch fhon an die Einführung
des Seidenbaues gedacht haben, denn 1782 waren bier bereits Maul:
beerbäume gepflanzt.
Die Judenſchaft blieb auch in dieſer Periode aus der Gemeinde
ausgeichloffen. Kin einziger Jude hatte fi) am Beginne derfelben auf
irgend eine Weife in die Stadt einzufchleichen gewußt und einen Kram
dafelbft eröffnet. Am 10. Juni 1653 wurde er ausgewiefen; da aber
außer ihm niemand im Stande war, die Gärber mit Leder und Rohe zu
verjehen, mußte ihm dieß dennoch geftattet werden. Die Demüthigung
traf gewiß weniger den Juden, al8 die nunmehr „Latholifche” Lohgärber⸗
zunft. Am 26. Jäner 1655 baten die Juden von Raudnig, Prag
und? Tungbunzlau um dic Erlaubnis, die leitmeriger Jahrmärkte
befuchen zu dürfen und erboten fih zu 3 fr. Thormaut für die Perfon,
abgejehen vom Ungelt sc. Der Stadtrath konnte nicht umbin, den Vor-
teil zu erfennen, und war gefonnen, wenigjtens die raubniger Juden
— 619 —
auf je 3 Tage gegen eine Thormant von 15 fr. und Lieferung eines
Stüdes Tuch jährlih für die Räthe zuzulaffen; allein die Sechsrichter
und Aelteſten, die Vertreter des echten Spießbürgerthums, wollten fein
haarbreit von ihrem Privileg weichen und fo fiel der Antrag durch.
Dald darauf aber (1662 und 1673) ergiengen höheren Orts Befehle,
die Suden bei ſolchen Gelegenheiten frei zuzulaflen, ohne irgend cine
Zhormaut zu verlangen. Auch die jofephinifche Zeit brachte es nicht
weiter, als daß den Inden nah einem Kreisamtsbefehle vom 27. Aug.
1782 da8 Uebernachten zur Marktzeit geftattet wurde.
Bon Genoffenfchaften jener Zeit werden uns außer den Zünften,
der HDandelscompagnie, fo wie der religiöfen Bruderfchaften, auch eine
„bürgerliche Cavallerie- und Infantericcompagnie“ genannt.
Eine bedeutende Veränderung erfolgte im Verlaufe dieſes Zeit-
raums in Sprade und Nationalität der Bürgerfchaft.e Eine neuerliche
Germanifation ftand der gemaltfam £cdhifierten Stadt allerdings ſchon
bevor, als fih das Deutſchthum befördert dur einzelne deutjche Ge—
werbs⸗, nachmals Abdelsfamilien wieder von Sachſen her ins Land drängte
und deuticher Proteſtantismus durch Geiftlihe und Lehrer Böhmen mit
einem neuen Bande an Deutſchland ſchloß. Hätten ſich die Verhältniife
ruhig fortentwicelt, jo wäre Leitmerig zweifelsohne in nicht gar langer
Zeit wieder eine deutfche und diesfalls eine große deutiche Stadt ge
worden — das Scidfal wollte c8 anders.
Die Gegenreformation hat Leitmerig unmittelbar nicht germanifiert.
Nach ihr finden wir eine Mifchung von Nationalitäten, unter denen die
cechifche immer noch weitaus die Oberhand behält. Der größte Zuzug
aber erfolgte aus den nördlichen deutjchen Gegenden ; lange ſchwankte dic
Wagſchale, endlich fenkte fi) wieder die dentfche Schale herab. Es läßt
fi nicht läugnen, daR die Regierung mit ihren Gentrafifierungsbeftrebungen
ein bedeutendes Sewicht in die Wage warf — das Deutfchthum aber
braucht fich hiefür nicht zu bedanken. Hätte fie dem Geifte freie Bahn
gelafjen, da8 Deutfchthum würde, wenn nicht früher, fo entichiedener und
ſchöner gefiegt haben.
Wir fahen, daß bereits vor der Gegenreformation Dentiche in be:
trächtlicher Anzahl unter den Bürgern von Peitmerit ſich befanden. ad)
derjelben blieb gerade ein ganz cechiicher Kern von Bürgern, indem dic
Deutfchen vor Allen das Po8 der Auswanderung traf, und zu diefem
cechifchen Sterne gefellten ſich durch Zuwanderung foviel Cechen wie
Dentfche. Während aber aus Auſſig, Reihenberg, aus der Yau
— 620 —
fig und dem böhmifhen Niederlande vorzüglich Gewerbs⸗ und Handele-
leute nad) Leitmeritz kamen, beitand die Cechifche Zuwanderung aus Bauern
der Umgegend, die auch al8 Bürger größtentheil® nur vom Aderbau und
nothdärftig betriebener Vichzucht lebten. Welches Clement mit der Zeit
die Oberhand gewinnen würde, war faum zweifelhaft und konnte ſich nicht
bloß nah dem ZJahlenverhältniffe enticheiden. Im Zuſammenhange hiemit
fteht die Erfcheinung, daß gerade die zugewanderten Deutſchen, wic der
oft genannte Pfalz, der Gemeindeintereflen ji am eifrigiten und erfolg-
reichften annahmen und dadurch wieder zu den cinflußreiditen Stellungen
gelangten.
Die Verkehrs- und Amtsfpradye blieb noch lange die Cedhifche; doch
mußten bereits 1650 Ausnahmen gemacht werden. Aud die zugeman-
derten Italiener (meijt Baulente) und die au@ dem Heere in die Bür-
gerſchaft getretenen Feldfchere und Marquetender hatten auf ihren Wande-
rungen eher die dentiche als die. cedhifche Sprache gelernt und man mußte
fi) herbeilaflen, von ihnen ſowohl als von den Deutichen die Angelobung
in deutfcher Sprache entgegenzunehmen, jo wie ſchon 1657 deutiche Pro—
tofolfe mit deutschen Parteien aufgenommen wurden. Der Eid und die
Inftruction der Mälzer murde bereit® 1658 in beiden Spraden ent:
worfen. 1659 wurde ein eigener „jüngerer Schreiber” für den deutichen
Amtsverfehr aufgenommen, 1665 aud ein deutſcher Lehrer angeftellt.
Das Gonfiftoriun correfpondierte mit dem Stadtrichter bereit8 1663,
mit dem Magiftrate 1677 deutfch; 1672 fchrieb der Stadtrath an die
Dominifaner deutſch. Durd Pfalz und feinen Amtmann Srämling'
fam die deutfhe Sprade in das Nentamt, in die übrigen Aemter drang
fie erft anı Beginne des 18. Jahrhundertes. — Die Gerichtsverhand-
(ungen wurden bald öeechiſch bald deutſch geführt, jeit 1739 aber gewann
anch hier die deutſche Sprache die Oberhand und blieb fortan allent-
halben die herrjchende, obgleih Stadt- und Yandleute größtentheils aud)
der cechifchen mächtia waren.
Am fpäteften trug die Kirche den veränderten Verhältnilfen Rech—
nung. Die Hauptpredigten blieben fange noch Cchifch und deutſch wurde
nur ausnahmsweiſe und an beftimmten Zagen gepredigt, fo (1676) 2mal
des Jahres im Niklaskirchlein, Gmal bei Sct. Georg. 1715 waren auch
die Predigten in der Stephanskirche bereits deutich und 1719 murden die
Diatrifen des Stadtdechants deutfch geführt. — Am Schluße der Periode
war Yeitmerig eine zweifellos deutihe Stadt — nur für die Dienftboten
dann und wann aud einmal cedhifch geprebigt.
— 621 —
4. Die Uachbarſchaft.
Far die „Neuftadt” von Leitmerig brach feit der Erhöhung des
(eßten Brobites zum Bifchofe eine neue glänzendere Aera an. Die Erec-
tionsbulle des Bisthums ift von Alexander VII. am 3. Juli 1655 aue-
geſtellt. Schon Ferdinand U. hatte den Plan gefaſſt, mehrere Bis-
thümer in Böhmen zu gründen und zu diefem Zwecke an die congre-
gatio de propaganda fide in Rom einen jährliden Betrag von
15.000 fl. aus dem Einfommen des Salzregal® angewiejfen. Aus den
Intereffen diefer jo entftandenen „Salzcaffa” wurde nun das Gut Drum
für die „Tafel des Biſchofs“ angelauft und die Probftei mit dem Bis-
thum vereinigt. Probſt Schleinig war felbit in Rom und erhielt
am 9. Juli die feierliche Weihe. Am 25. Mai 1656 hielt er mit feinen
Bullen !) feinen Einzug in Yeitmerig. Meijt aus eigenen Mitteln führte
er die nothwendigen Bauwerke auf. Die alte S. Stephanstirche wurde
abgebrochen und der Bau eimer neuen begonnen; dag Schloß in Drum
ift fein Werk, fo wie die Refidenzhäufer für vier Canoniler. Der Maler
Streta muß lange Zeit nur für ihn gearbeitet haben, denn allenthalben
begegnen wir feinen Werfen. — Mit der Demolirung der alten Bafilica
wurde 1664 begonnen, die Leihen wurden in die Wenzelsfapelle über-
tragen, viele alte Denkmäler aber, wie Balbin Hagt?), barbariſch ver
wüftet. Zehn Jahre fpäter ftand der Neubau, den zwei Thürme an der
Hauptfront zieren follten, bis zum Kinwölben fertig da — nun aber ge-
trauten ſich die Bauverſtändigen nicht, die Gewölbe zu fchließen, da fie
fürdteten, die aufgeführten Mauern würden fie nicht tragen. Endlich
wagte fi) der Baumeiſter Domini! Orſi von Orfini an die gefährliche
Arbeit, mußte aber die Anfäge zu den Thürmen wieder abtragen und die
Front jo gut es gieng heritellen. ‘Die Einweihung konnte Schleinig
nicht mehr vornehmen. 1666 hatte er auch die alte Pfarrkirche zu Kre—
ſchitz mieder hergeftellt und mit einem Bilde Skreta's (S. Mathäns)
geſchmückt. Auch zwei neue Sanonicatsftellen wurden durch ihn gegründet.
') Auf Unfehlbarleit madt die betreffende Bulle wol keinen Anfprud, wenn fie
fagt, der „Flecken“ Leitnerik babe wenigſtens 4 Meilen im Umkreiſe und fei
dur Handel reich, duch die Menge und den Adel des Klerus und Bolles aus:
gezeichnet, und wenn fie fchließlih den Wleden (oppidum) zur Stadt (civitas)
erhebt. ?) Miscel. IX, ©. 111.
— 62 —
Die eine ftiftete er am 6. Mai 1671 aus eigenem Gelde, indem er
7000 fl. auf feinem Gute Trnoman verfiderte und den Weingarten
Homolka bei der Kopifter Ueberfuhr fchenkte, mit der Klauſel, daß die zu
wählende Perfon „non nisi de natione bohemica et nata in Bohemia”
ſei. Die Gründung der 2. Stiftung, der des ſchon erwähnten Sime.
cet von Ceynow, den er am 20. Dezember 1664 weihte und zum Ca—
nonicus ernannte, hat er wenigftend veranlaßt. Wie wegen des betreffenden
Stiftungsgutes, war auch wegen der Errichtung neuer Schenken, vor:
züglich wegen der „Zeufelefchenfe" in der Fiſcherei (mahrjcheinlich der
jetigen Bifchofafchenfe) von Seiten des Biſchofs viel Streit und Zank
mit der Gemeinde entftanden.
Unter den menſchlichen Schwächen des überaus thätigen Mannes
war wol die erjte jene übergroße Meinung von der Würde und dem
Alter feines eigenen Adels, dem zu lieb er lange mit Aufwand von
Zeit und Koften daran arbeitete, die böhmifche Geſchichte in ein zu feiner
vieblingsidee palfendes Syiten zu bringen. Seine merkwürdigen Werke
diefer Art — das berüchtigtjte ift feine Vandalo-Bohemia — bewahrt
die bifchöfliche Bibliothet, Balbin Hat fie bei Lebzeiten des Bifchofs
übermäßig gelobt, nad) deſſen Tode ſchonungslos gegeißelt. Dieſer erfolgte
am 13, Detober 1675. Sein Veichnam ruht vor dem Altare Maria
pandiosa in der Stephanskirche.
Den glei ftolzen Sim feines Nachfolgers Haben wir bereite
fennen gelernt. Naroslaus Kranz Ignaz Graf von Sternberg,
Domberr des Hofſtiftes zu Paſſau, wurde am 4. September 1676
inthroniſiert.
Die Empfangsfeierlichkeiten, gegenſeitig gegebene Tafeln, die Co—
möodie, die der Jeſuit Slubonius im Provianthauſe aufführte, konnten
den Herrn Grafen nicht beſtechen. Im übrigen wirkte er ganz im Sinne
feinen Vorgängers, indem ev deſſen Werke theils vollendete, theils ähnliche
hegann. Er bante (1677) das zerſtörte Johanneskirchlein unter dem
Dome wieder anf und vollendete den Bau der Cathedralkirche, dic er
am 1. Sept. 1681 coferrierte Das Kirhenvermögen bejtand einzig
ans einem Vegate des früheren Biſchofs im Betrage von 6666 fl.
Sternberg fuhlte nun zunächſt das Bedürfnis einer würdigeren Refiden;,
als bie alte Probjtei fie bot, zu der die Stadt 1678 eine Brandftelle
geſchenlt harte, damit der Graf nur feiner Säfte Pferde cinttellen könne.
Er begann daher 1680 die Vorarbeiten zum Bau einer ſolchen, die
“r einheimiſche Vaumeiſter Julius Broggio im Jahre 1701 vollendete.
— 623 —
Sternberg erbaute aud die erfte Kapelle über dem Wunderbrünnlein zu
Krkeſchitz (1708), die nachmals zur Wallfahrtskirche erweitert wurde.
Er farb am 12. April 1709. Sein Nachfolger war ſchon lange vorher
beftimmt: Hugo Franz Graf von Königsegg und Rottenfels, Herr
auf Aulendorf und Staufen — ein Prieiter, Kriegsmann und Diplomat.
In Wien um 1659 geboren, erfreute er fich vorzüglich wegen der Ber:
dienfte feines Vaters der befonderen Gunſt des Hofes und wurde mit
Canonicatoſtellen überladen, che er fi noch irgend welden geijtlichen
Weihen unterzogen Hatte. 1684 zum ‘Diakon geweiht wurde er am
5. Mai 1687 zum Commandanten der Feſtung Salzburg ernannt
und reifte hierauf in politifchen Gefchäften dur Deutfchland. Neue
Würden häuften fi) auf ihn und er wurde endlich durch Yeopold J.
zum Bifchofe von LXeitmerig beftimmt und dem noch rüftigen Sternberg 1700
(29. Juli) als Coadjunet aufoctroyirt mit der Anwartſchaft auf deſſen Amt.
Der Bifchof felbft machte gegen diefes Vorgehen feine Kinwendungen.
Erft 7. Juni 1711 wurde er geweiht, feine Herde konnte er aber fo
bald nicht beſuchen. Er fah fie zum erften Male am 10. October
1716, um fie gleich wieder zu verlaffen. Was ihn zuerjt verdroß, war der
wirklich häßliche hölzerne Glockenthurm, den Biſchoſ Schleinik an
feinen jetigen Ort Hatte fegen laſſen. Königsegg beſchloß einen
neuen fteinernen zu bauen und erhielt zu diefem Zwecke 16.000 aus der
Salzkaſſa. Am 23. Dezember 1716 wurde der Grund gelegt und aus
der Erde gemauert — dabei blieb es aber bis heute. Werner ftiftere er
ebenfalls aus den Beiträgen der Salzlalfa mit 24.000 fl. zwei neue
Sanonicatsitellen, fo daß es deren feither ſechs gibt. Der Domdedjant
und ein Canonicus ftchen unter Königlichen Patronate, die übrigen werden
durh Mahl befegt. Erwähnenswert erfcheint uns auch, daß Königsegg
in feiner Diözefe die öffentliche Kirchenbuße, mit der die Projtitution
bedroht war, abjchaffte und Geldftrafen hiefür einführte. Bald finden
wir ihn wieder in Rom, wo er den Prozeh des heil. Johannes urgierte,
bald in Bonn, wo er am 6. Sept. 1720 ftarb. — Im nädjitfolgenden
Jahre trat Iohann Adam Graf Wratislav von Mitrowitz fein Amt
an. Auch er fcheint feine Thätigkeit weniger der leitmeriger Diözeſe zu
gewandt zu haben, da er dald auch noch die Erzdiözefe zur Adminijtration
befam. Am 5. Deai 1733 ernannte ihn der Kaifer zum Erzbiſchofe,
doch ftarb Wratislav auf der Reife zum Hoflager (zu Mödling am 2.
Juni 1733). Sein Leichnam wurde nad) Leitmerig gebracht. Die Titel
und PBfründen feines Nachfolgers, des Moritz Adolf zu Sachen, können
— 624 —
wir hier aus Mangel an Raum uicht alle anführen. Er war der legte Sproß
der zeigiichen Pinie und wandte fid) al8 14jähriger Knabe vom Luthertum
zum Katholizismus und an den faiferlihen Hof. Der Lohn hiefür wurde
ihm ſchon hienieden reichlih zu Theil. 1731 wurde er Bifchof zu
Königgrätz und am 7. De. 1733 in Yeitmerig inthronijiert — es
war jeine achte Inthronifation auf verfchiedenen Eirdlihen Stühlen. Er
erbaute das GKonfijtorialgebäude und dag Seminärhaus zu S. Johannes
beim Dontinifanerklofter und erlangte durch päpitlihe Bullen eine neuc
Kleiderordnung für feine Canonifer. Im der Regel hielt er ſich außer
Zandes auf. Die legte Zeit ließ ihn der Krieg nicht auf feinem Site
und er ftarb am 20. Juni 1759 bei Znaim, wohin er fich geflüchtet hatte.
Seit dem 12. Juli 1760 ſaß Emanuel Ernſt, Graf von Wald:
ftein auf dem biſchöflichen Stuhle — ein ziemlid) getreues Abbild
Sternbergs. Jede Yapalie wurde Grund eines eruften Streites zwifchen
Hirten und Herde, indem es dem Biſchofe weniger darum zu thun war,
fein Recht zu erhaften, als er vielmehr in furdtbare Wuth darüber
gerathen fonnte, daß diefe Bürger überhaupt mit ihm einen Proceß zu
führen, oder ibm aud nur Gegenvorjtellungen zu machen für zuläffig
hielten. Solche Bürgerdeputationen war er im Stande ganz pöbelhaft
zu behandeln, indem er immer wiederholte, „Io etwas habe er fid) ale
Dechant nicht gefallen laſſen, gefchweige denn jegt. Man ſolle ſich nur
wieder einmal unterfangen, den Frohndiener in die Biſchofsſchenke zu
Ihiden, den werde er hinausprügeln laſſen etc.” Seinetwegen mußte
der Pranger am Rathhauſe auf die ZSüdfeite verlegt werden. Cr ftarb
am 7. December 1789.)
Dae Städtchen Yobofig, deilen Rechte zum großen Aerger der
Leitmeriger Karl Ferdinand von Waldjtein zu mehren beftrebt war, fam
fammt dem gleignamigen und dem Gute Sulowig 1655 durd Kauf
an die Gräfin Sylvia Kath. Czernin, geborene Caretto Milefimo,
Herrin auf Melnif, Koft, Yedfhig, Kameit, Kutomit, Dub»
kowitz und Anjezd, die fih nachmals mit Leop. Wilh. Diarkgrafen
zu Baden vermählte, der nach ihrem Tode (1664) die genannten Güter
erbte. Bon da an blieb Yobofig bis 1785 im Befige der Mark:
grafen von Baden. Nach langen Streite um das Recht der leber-
fuhr murde diefes durch ein Kammerdecret vom 5. November 1736 zu
Sunften Leitmeritz beſchränkt und die Brücke bei Leitmeritz als Com—
mercialzwangsftraffe erklärt.
y Conſiſt. Ar. — Strahls Nekrologien. Ma.
— 625 —
Tſchiſchkowitz war durd die 2. Hälfte des 17. Yahrhunderts
im Befige des Grafen Guſtav Adolf von Warrensbad, nad, deſſen
Zode (1707) es käuflich in den Befig des Klofters von St. Georg
fam, bei dem es mit Trebniß vereinigt bis zur Aufhebung des Klojters
blieb. Warrensbah — der nebenbei gejagt als alter Soldat ein
recht liederfiches Leben führte — ließ 1675 dur den hiefigen Bau—
meifter Broggio die gegenwärtige Kirche erbauen. Er ftarb ohne Erben.
Am Beginne des Zeitraumes werden von der einjt fo zahlreichen
Familie Rapler nur noch zwei Bettern, Karl Kaſpar und Kafpar
Zdenko Kapler von Sulomwig genannt. Ürfterer beſaß Medwe—
ditſch, leßterer Mileſchau, mit dem er nach des eriten Tode aud
jene® vereinigte. Der legte Kapler, Kaſpar Zdenko, erbaute 1680 bie
Kirche zu Yeinig (Milefchau), die durh den Dominikanerconvent zu
Leitmeritz adminiftriert wurde, und 1682 das ſchöne Schloß am Fuße
des Donnersbergee. Mit ihm ftarb am 6. Detober 1686 eine der
berähntejten, "altböhmifchen Familien aus — ein Opfer der Gegenre—
formation. Kaſpar Zdenko vermachte feine herrliche Herrichaft dem ihm
verfhwägerten Johann Peopod Hren, Grafen von Harrad mit der
Bedingung, ein Yegat im Betrage des Dritteld des Schägungswerthee
an das leitmeriger Domcapitel für Meſſen Ic. auszuzahlen, widrigen-
falls das ganze Gut an das Bisthum fallen follte. Am 24. April
1697 quittierte der Bilhof den Empfang von 13.000 fl. als Yegat.
Das Gut blieb feither im Beſitze des Grafen von Harrach.
Die Herrfchaften Yibohomig und Budin blieben bis auf den
heutigen Tag in einer Hand vereinigt, nur daß fie 1870 im Wege des
Ranfes von der fternbergfhen an die dietrichſteinſche Familie
übergiengen. Der erjte Beſitzer aus dieſem Geſchlechte, Sundader
Fürft zu Dietrichftein, erhielt am 22. Tctober 1689 durch Kaiſer
Xeopold den Conſens, aus jeinen böhmiſchen Gütern ein Fideicommiß
errichten zu dürfen.
Libohowig und Budin hatten in den Zeiten der preußifchen
Kriege befonders viel zu leiden, befonders diente die Gegend von Budin
fange al8 Xagerplag. Die Nachrichten, die wir über die Bemühungen
der Dietrichſteine befigen, in die noch feit dem 30jährigen Kriege
verödeten Dorfichaften wieder Bewohner zu ziehen, zeigen uns redt
deutlich, wie nachhaltig und unerjeglid der Schaden war, den damals
Böhmen erlitten, zugleich aber auch die Mittelchen, deren jich die Herr⸗
ihaftsbeamten zu bedienen pflegten. Das Dorf Weltan („Ukain”)\
NN
— 66 —
ſtand nebſt andern noch im Jahre 1690 ſo leer, daß ſich daſelbſt nur
ein einziger Häuffer befand. Fürſt Ferdinand Dietrichſtein beſtimnite
17 Unterthanen feiner mährifhen Güter Weißkirchen und Leipnik,
mit Vieh und Zeug nad) Böhmen zu überfiedeln, in Welfan nad
einem vorgezeichneten Plane ſich Hänfer zu bauen und den alten Häujler
unter fi jo aufzunehmen, daß jeder 60 Strich Ausfaat befäße. Das
Material zum Häuferban wollte cr felbjt geben, doch follten die neuen
Bauern nad cinem Termine von 3 Jahren die anderweitigen Auslagen
zurüdzahlen, fo wie auch das ihmen vorgeftredte Saatgetreide, das Korn
für fie und das Futter für ihre Pferde, das man ihnen im erjten Iahre
reihen müßte, zurüderjtatten. Ver Libodomiger Hauptmann änderte
aber den Contract dahin, daß die arınen Leute von diefer Verpflichtung
nicht® erfuhren, ſich durch ſchöne Hoffnungen getäufcht frohen Muthes
in das obdachloſe Dorf locken ließen und hinterher dennoch zahlen mußten.
Außerdem mußten ſie wöchentlich 3 Tage Robot leiſten. Wir wiſſen
Nnicht, woher in die übrigen Dörfer Bauern gezogen wurden, doch wan⸗
derten auch manche Deutiche ein, die in ihrer Vcreinzelung nachmals
wieder cedhifirt wurden. So konnten 1714 die Richter von Oppolau
und Chodolitz (Wetzſtein) nicht cechiich, während dort jet niemand
deutich kann. — Einen wichtigen Theil der Bewohnerſchaft im Städt-
hen Libochowitz bildeten die Juden, die daſelbſt gegen cin Schutzgeld
von je 6 Gulden jährlih an die Herrſchaft von dieſer micht mur ge:
duldet, fondern gern gejehen wurden Sic bildeten dafelbft cine cigene
Gemeinde mit einem Richter und Geſchworenen.)
Das benahbarte Doran, durch den tüchtigen Probit Joh. Mika
nicht nur in deifen „ruhmmwürdigem Doxan“ hiſtoriſch dargejtellt, ſondern
auch durch einen Umban der Kirche u. dgl. verjchönert, lebte nicht mehr
lange jein Stillieben unter dem Krummſtabe. — 1782 wurde das
Klofter, das die Satyre jener Zeit verherrlichte, aufgehoben und das Gut
Eigenthum des Religionsfondee.
Z3ahofan mit Tafchoo hatte anı Beginne unferer Periode der
Generalwachtmeiſter Johann Freiherr von der Kron (de la Corona)
von Franz Ernft von Schlick erkauft, und dafelbft, wie wir aus dem
jiegt vorhandenen Wappen fchließen, das gegenwärtige Schloß erbaut, fo
wie er auch die Dreifaltigfeitsfirhe auf dem Berge errichtete und cine
eigene Pfarrei fammt Schufe ftiftete. Die Kirhe wurde am 26. Mai
—
) Aus Ardivalien zu Libochowitz.
— 627 —
1657 eingeweiht. Der zweite Befiter aus berfelben Familie, Franz
Lakron, war fhon vor 1674 geftorben, in welchem Jahre die Witwe
Marg. Blondina das Gut für ihre Kinder verwaltete. Bon 1708 bie
1781 gehörte dasfelbe der Familie Ogilwi. Die verwittwete Gräfin
Efter Anna von Ogilwi verfaufte e8 1781 an Kaiſer Joſef II.
Von Pitſchkowitz wiſſen wir nur, daß ſich dasſelbe um 1660
mit Ploſchkowitz bereits vereinigt im Beſitze der Gräfin Maria Si»
donia, Gemalin des Grafen Otto von Truchſeß auf Waldburg und
Sriebberg, einer gebornen Schlick, befand, die in Abweſenheit ihres
Gemals mit Guft. U. Warrensbah auf ihrem Schloffe in einer
Weile baufte, dal fie der Biſchof mehrmals mit Tirchlichen Cenſuren
bedrohte. Sie hatte 2 Töchter und einen Sohn — dennoch aber kamen
die Herrfchaften bald in andere Hände Schon 1699 finden wir fie im
Befig: der Anna M. Francisfa, Prinzellin von Toskana, einer geb.
Herzogin zu Sachſen. Dieje treffen wir dajelbft auch nod 1736.
Später aber gehörte da8 Gut dem Churfürften Mar Joſ. von Pfalz—
baiern und Zweibrüden, der es 1784 an den Yürften Chriftian
Anguft von Waldeck verkaufte.
Ternowan bifdete vordem noch ein eigenes Gut, das Bilchof
Scleinig für das Bisthum angefaufı hatte. Um 1670 wird aber fchon
ein Herr Ferdinand Lhotski von Ptein als Herr dafelbft augeführt,
und fpäter muß es durch Kauf an Ploſchkowitz gekommen fein, deſſen
Beitandtheil es fortan bildete.
Schüttenig erlitt bi8 heute feinen weiteren Wechfel der Herrichaft
Bon der Vewüftung des 30jährigen Krieges erholte fi) das herrliche
Gut lange nicht. Noch 1657 hatte der adminiftrierende Sceljorger jeinen
romantijchen aber beichräntten Sig in der laufe zu Stalig.!) Nad
den Aufzeichnungen desfelben — Paulus Ferratins Bellinus de Görbed
nannte er fid) —, bie der Herr Pfarrer von Schüttenig verwahrt, fand er
bei feinem Antteantritte in Schüttenig 49, in Welbin 20, in Stalik 9,
in Truowan 17 Familien. Die von Scüttenig und Trnowan führen
bereit® meiſt deutſche Namen, die in Welbin find zur Hälfte deutſch, die
in den übrigen Dörfern gemifcht. Die Matriken werden bald lateinisch,
bald cehiich, 1659 auch deutfch geführt. Etwas fpäter (um 1664) trieb
ih in Schüttenig ein PB. Hieronymus Gladiſch herum, der ſich als
ı) „in eremiterio monte de bello“, wie er den Ort fehr paffend bezeichnete. Er
verſtand bdaruuter gewiß die „Ginfledelei aul dem ſchönen Berge“, während
Zommer (Il. 364 u. 869) daran® einen „Rriegeberg” machte.
40*
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Seelforger geberbete, in der That aber großes Aergernie gab. Dieß gab
dem Bifchofe dic Beranlaifung, am 30. Oct. 1664 beim Papite um Auf:
bebung der Eremption von Scättenig zu bitten, die aber erft nad
100jährigem Prozeſſe 1763 durch Clemens XII. erfolgte. Das Gut Ka⸗
meit, 1651 als Erbſchaft des Hermann von CTernin an jcine Witwe
Sylwia Kath. gelangt, wurde durch diefe in fchon erwähnter Weiſe mit
dem Gute Loboſitz (1655) vereinigt. Die alte Burg verfiel nun
ganz; 1664 wohnte ein armes Bäuerlein in den Ruinen.
Gernofet und Libochowan blieben bis heute bei. der Familie
Noſtitz.
V. Beifraum.
(Als Aubang.)
Der Abdfolufismus und die neuefle Zeit.
1. Schickſale der Stadt.
So war benn daß alte Bürgerthum in aller Form begraben. Ein
Freund der Wahrheit, wie Joſeph war, durfte nicht erzittern, wenn er
ihm den ZTodtenfchein fchrieb.. War auch dem Bürgertfume in Böhmen
der Aufſchwung nicht gegönnt, den es anderwärts erlebte, jo hatte es
einen wichtigen Theil feiner Aufgabe dennoch auch da erfüllt. Es Hatte
verhindert, daß in Böhmen nad afiatifher Weife Herren und Knechte
allein den Staat bilden, es hatte einer beſchränkten, durch Privilegien
geſchützten Freiheit zwifchen beiden Raum gefchaffen. In den Städten
hatte das geiftige Leben feinen Sik und Schuß gefunden und wenn die
Idee der Menſchlichkeit wenngleich Tangfam fo dennoch vorwärts gekommen
war, fo dankte man dieß vorzüglich den vielfeitigen Berührungspuntten,
die die Städte den Geiftern geboten. In Fofepbs Sinne war diejes
Ziel erreiht. Ihm genügte nicht mehr die befchränfte Freiheit eine
privilegierten Häufleins, er wollte dem ganzen Volke die Freiheit ſchenken
und entledigte den ſchmachtenden Bauernſtand feiner alten Ketten. Die
Vreiheit gewann an Raum, aber nicht ohne theilweife an Inhalt zu
verlieren. Der Bauer konnte nicht mit einem Dale zum Bürger er:
hoben werden, darum follte der Bürger in der Freiheit dem Bauer gleich
werden ;folche Gleichheit verlangte in Joſephs Sinne die Gerechtigkeit. Jede
dreiheit die nur bas Privlegium gewährt, mußte ihm eine Ungerechtigkeit
fcheinen, und fo fehen wir ihn allenthalben feindfelig gegen dieſes, ob es
num adelig oder bürgerlich, älteren oder jüngeren Datums war. Bei all
dem aber blieb das Bürgerthum in feiner Grundidee unverwüſtlich. Sein
Unglüd follte ein Päuterungsprozeß werden ; die Schl:den des Mittelalters
— 632 —
"züre es ausicheiden und wic ein Phönir herrlicher al8 je erftehen. Das
mochte wol Joſephs bee fein. — Die Auferjtehung erfolgte; — aber
acht nach drei Tagen, sie erfolgte nad langer, langer Grabesrube.
Dafbheiten und Reactionen jeder Art hemmten den Entwidlungsprozeß.
Tas Privilegium der Gemeinde fiel, die Privilegien der Cinzelnen
wucherten in Bürgerrecht und Zuuftzwang fort. Das Bürgerthum ftand
da wie eine armfelige Ruine, aber der Boden war vom Schutte nicht
frei gemaht, um neuen Schöpfungen Raum zu gewähren. Hie und da
regte es ſich wol wie ein Kampf zwiichen dem alten und dem neuen
Bürgerthume, aber ausgefämpft wurde derfelbe erft am Schluße der Periode,
deren Beginn er hätte fennzeichnen müſſen. Hente noch fteht manche
morfche Säule alter Zeit in unferer guten Stadt. Die Gährung ift
nicht gefördert, fie ift hundertmal unterbrochen worden und fo wird erft
die Zukunft zeigen, ob die Entwidlung unferer Stadt den natürlichen
VBorbedingungen entfpreden wird. Bis heute hat fie den unbejtrittenen
Ruhm, unfägliche Leiden zäh überdauert zu haben; aber das Unglück,
das ihre Blüthe nicht gebrochen, hat fie doch gefnidt.
Wir werden die Periode der Stagnation nicht eingehender beleuchten,
ale es eben unumgänglich nothwendig ift. — Im Vorangehenden haben
wir aus den Archiven gerettet, was der Zukunft vielleicht nicht mehr
zugänglich ift, die Materialien der legten Periode dürften erft von der
Höhe fernerer Zeiten überblidt ein bedeutfameres Bild gewähren, Licht
und Schatten recht gewinnen. 1leberdieß find die wenigen bedbeutfameren
Greigniffe, fo wie die Rechts: und Kulturverhältnilfe diefer Zeit den
Zeitgenoflen ohmedieß befannt. Wir faffen daher alles kurz zufammen.
Die Maßregeln Kaifer Joſephs, feine befondere Fürforge für
die Gewerbe bfieben nicht ohne wolthätige Folgen, es mehrte fich die
Zahl der Bürger und der Zünfte, doch waren die Regierungsjahre des
Neformators zu kurz bemeifen. Die Thätigkeit, die alle Negierungs-
organe unter feiner Aufficht entwidelten, wurde bald wieder vermißt.
Doch kehrte deßhalb die Autonomie der Gemeinde nicht wieder zurüd,
wenn auch Kaifer Kranz Il. am 23. Mai 1794 in bedeutungslofer
Weife die alten Stadtprivilegien wieder beftätigtee “Der allmädhtige
Regent der Stadt blieb fortan der Kreishauptmann, wenn fi aud
unter ihm der „regulierte” Magiſtrat, beftehend aus einem geprüften
DBürgermeifter und 5 geprüften Räthen mit einigen Nebenbeamten, einer
gewilfen Meachtfphäre erfreute; die Hauptfache bfieb doch inımer, dem
Kreishauptmanne gegenüber den unterthänigen Knecht zu fpieln —
— 633 —
an den Bürgerlichen konnte man ſich ſchon wicder ein wenig regreifieren.
Bon jenem hieng alles ab, fein Geift prägte fich felbft in der äußern
Phyfiognomie der Stadt aus.
Es läßt fi nicht verfennen, daß auch durch diefen Abſolutismus
manches Anerfennenswerthe gefchaffen wurde. War der Kreishauptmann
ein wolwollender und geiftvoller Manu, wie es deren gab, fo konnte er
um fo eher Großes und Heiffames vollbringen, als ihm alle Mittel zu
Gebote ftanden, feine Entſchlüße auszuführen. Doch Täßt fi aud
nicht Täugnen, daß diefe Periode der Erziehung des neuen Bürgerthums
viel zu lang dauerte. Daß die unglüdlichen Kriege Oeſterreichs am
Ende jenes und am Beginne dieſes Iahrhundertes auf die Fortentwicklung
des Bürgerthums ebenfalls nachtheilig wirkten, ift begreiflic, wenn auc
Peitmerig nicht direct von den SKriegswehen betroffen wurde. -—- Tag
Schütencorps bewahrt aus jener Zeit (1799), in der es jedenfalls min-
deftens in der Stadt die üblichen Dienfte verfah, eine ihm verlichene
sahne. 1800 rüdten auch von hier aus 19 Bürgerfchügen mit ins Feld,
die erft im April des nächften Jahres heimfehrten. Näher rückte die Kriege-
gefahr im Jahre 1813, da ſchon zu fürdten ftand, es werde ſich die
neue Feſtung erproben müſſen. In ſolchen Zeiten ift Yeitmerig immer ein
fehr unangenehmer Aufenthaltsort Die Feftung wurde in Vertheidigungs-
zuftand gefeßt und felbft diesfeits der Elbe Inapp anı langen Thore mit
dem Aufwerfen ausgedehnter Schanzen ein ‘Theil der Bürgerfelder ruinirt.
Das Kriegsglüd entfchied ſich aber ſchon bei Kulm, Veitmerig, das zwei
große Durchmärfche betroffen, mußte nun noch eine große Menge Ver-
wundeter verpflegen. Die caffierte Tefuitenkirche diente als Hoſpital.
Aus den nachfolgenden Zeiten der heil. Allianz ijt über die Ent-
widlung des Bürgerthums fo gut wie nichts zu berichten. Mas der
Primator Pfalz im 17. Iahrhunderte befürwortet, gieng erft im 19. in
Erfüllung. Am 1. März 1822 wurde die „freie Elbſchifffahrt“ mit
großer Feitlichkeit eröffnet. Im Jahre 1830 wurde dem Magiſtrate die
Sorge um XTherefienftadt abgenommen, indem dieſes von der Zeit an
feinen eigenen Magiftrat erhielt und von Yeitmerig in jeder Hinficht
(o8getrennt wurde.
Mit dem Jahre 1837 beaann in mancher Hinficht ein neues Yeben
in Leitmeritz durch die Anregung des neuen Kreishauptmannes Joſeph
Klezanskn, der am 8. Mai des genannten Jahres an die Selle feines
Borgängers Heinrih KFreiheren von Blumenkron (1814—1836) trat.
Klezansty blieb bi8 zum 16. Jäner 1848 in Peitmerig. Seiner Thätig-
— 638 —
Seelforge, al8 auch im Fechten. In neueſter Zeit find auch noch Nonnen
als Kranfenwärterinnen und Lehrerinnen eingeführt worden.
Die Hauptfchufe beftand- bis zum Jahre 1789 aus zwei Klaſſen;
im genannten Jahre wurden fie unter dem Oberlehrer Adam Andres
auf 3 Klaffen erweitert. Nach ihm wurde Bernhard Schirmer ber Leiter
der Anftalt, durch deffen Bemühungen im Fahre 1826 eine fog. 4. Klaſſe
(eine Art Unterreaffchule beftehend aus 2 Kurfen) errichtet wurde. Er
felbft Teiftete einen Beitrag von 500 fl. Nach ihm leiteten bis auf den
heutigen Tag geiftliche Directoren die Anftalt, die feit der Reorganifation
der Schulen in eine vierflalfige Hauptfchule verbunden mit einer unfelbft-
ftändigen Unterrealfchule verwandelt wurde in Theil der Scul-
fofalitäten befand fich bei dem Mangel an Raum im Haufe Nr. 233
in der ſehr ungeeignet gelegenen und baufälligen alten Kaſerne in der
Dubina. Ein Wofthäter, der verdiente Probft Alois Füftel, ein Sohn
der Stadt ſchuf endlich der Schule eine günjtigere Lage, indem er 1841
das ehemals pfalzifche Haus (N. 221) in der fangen Gaſſe kaufte und
der Stadt zum Gefchenfe machte. Diefe erbaute nun an Stelle dee-
felben ein neues geräumiges Schulhaus, das am 25. Mai 1846 eingeweiht
wurde. — Im Jahre 1852 wurde der Linterricht der weiblichen Kinder
den Schulſchweſtern übertragen, für welche der Bifchof die ehemalige S.
Paurenzfirche Faufte und zweckentſprechend umbauen ließ. ‘Die dermalige
Stadtvertretung wünſchte aber auch den Mädchenunterricht der feichten,
frömmelnden Richtung zu entziehen und in die Hände männlicher Lehrer
gelegt. Sie errichtete daher vorläufig eine Mädchentrivialfchule, die fo
eben, zu einer Hauptfchule erhoben, mit der Knabenjchule verbunden wird,
deren Yeiter mim wieder ein weltlicher Lehrer fein folt.
Unferem Gymnaſium, ebenfo berühint durch die Männer, die an
ihm gewirft und wirken, wie durd die, welche aus ihm hervorgegangen
find, gebührte eine eigene Monographie. Hier können wir aus den ung
von Freund Peters gefälligjt zur Verfügung geftellten Notizen kaum
das Weſentlichſte anführen. Wie ſchon erwähnt, Fonnte der Beſtand
unferer Lateinſchule nach der Aufhebung des Jeſuitenordens nur dadurd)
gefihert werden, daß es dem Stadtrathe gelang die Erjefuiten Joh. Eifel,
Adalbert Fiſcher und Franz Fröhlich zur Fortſetzung ihrer Lehr:
thätigfeit zur bewegen. Die größten Verdienjte um das Emporblühen
diefer gewilferinaßen neugegründeten Anftalt erwarb fi) der Erjefuit
Denhard Schirmer, ein Schüler Pubitſchka's, der dicfelbe vom
1778 bis 1826 als Präfekt Leitete. Effenberger rühmt ihm
— 6391 —
eine sichtige Würdigung ber modernen Riteratur nad. Aud Prof. Meinert,
ehedem fein Schüler, gedenkt feiner rühmend. (Vaterl. Blätter 1811.)
Er hat den Grund zu der gegemwärtig bedeutenden Bibliothek der Anftatt
gelegt. Sein Nachfolger, P. Franz Effenberger, von 1828 bis 1852
Präfekt, hat ſich befondere Verdienfte durch die Veförderung des Sinnes
für fchöne Literatur unter den Etudierenden erworben. Sein Wirken
fteht noch in gutem Andenken. Bon 1852 bis 1858 leitete die Anftalt
Anton Kolarit, von 1859 an der gegenwärtige Director Heinrich
Klutſchak.
Anfänglich war das Gymnaſium in Betreff feiner Bezüge an die
Renten der ehemaligen Jeſuitenherrſchaft Liebeſchitz angewieſen, feit
1809 aber übernahm der Studienfond diefe PVerpflihtung. Nach der
Vermehrung der Klaffen auf 8 (1849— 1850) mwilligte auch die Gemeinde
in einen jährlichen Beitrag. Was die Organifation anbelangt, zeigte fich
feit den Zwanzigerjahren mancher Rückſchritt. 1826 wurde die Unent—
geltlichkeit des Schulunterrichtes aufgehoben. Das feit 1808 durchgeführte
Fachlehrerſyſten fiel 1820 al8 Opfer der Reaction, um erjt wieder 1849
zu Ehren zu kommen.
In derfelben Beriode wuchs auch der Einfluß der Kirche auf
unfere Anjtalt. 1808 erhielten die Biſchöfe die Auffidyt über den Re—
ligionsunterricht, 1822 aber wird diefe Beauffichtigung ſchon auf die
„religiöjen Gefinnungen“ der Profeſſoren ausgedehnt, 1852 wird der
heil. Aloifius erfter Patron der Anftalt und endlich wird 1854 der
geſammte Unterricht der Aufficht der Biſchöfe unterjtellt, um das Ziel
der „Chriftianijierung* der Auſtalt zu erreichen. Hierauf wird 1855
S. Yohann von Nepomuf zweiter Patron des Gymmnaſiums.
Unter den Profefforen der Anftalt ragten neben anderen trefflichen
feiner Zeit hervor der Slaviſt Joſehh Jungmann (1799—1815 T zu
Prag 1847) und der Philolog Kranz Klutſchak (F 1841); von treff:
fihen Schülern der Anjtalt hat Effenberger eine ziemliche Reihe zufammen-
geftellt, von denen wir den Auiverfitätsprofeilor Alois Klar, den
gelehrten Schriftiteller und Dichter Johann Meinert, den berühmten
Kanzelreduer Ant. Krombholz, den Hofrath I. Jüſtel und den Ge
ſchichtsprofeſſor Karl Vieg nennen wollen.
Um aud) den Bedürfniffen des Gewerbs und Handelsmaunes Rechnung
zu tragen, fehlte der Stadt nur noch eine Oberrealſchule. Bier hundert
Bürger richteten im October 1862 eine Petition um Errichtung ciner
folgen an den damaligen Bürgermeifter, und obqleih KG vier iu Gun:
— 640 —
blicke auf die Koſten für die Idee nicht ſonderlich begeiſtern konnte, kam
dieſe dennoch, Dank der warmen Vertretung des Stadtraths, beſonders
des erwähnten Schwab zur Durchführung. Am 21 März 1863 erfolgte
die Mineſterialbewilligung zur Errichtung einer Communal Oberrealſchule
— am 1. Auguſt wurde die Stelle des Directors mit dem unglücklichen
Johann Pfohl beſetzt, den ein allzuhaftiges und ungeordnetes Studium
zu früh dem Yeben entriß. Zrog den fehr beicheideneu Gehalten hatte
die Gemeinde dag Glück, eine Anzahl tüchtiger Yehrkräfte zu gewinne.
Mit großem Kojtenaufwande wurde vor dem Neuthor ein treffliches Schul:
haus errichtet. Am die Bauleitung machten ſich beionders der Rath
Schwab und fein Better Anton Schwab verdient.
Roc einer andern Yehranjtalt müſſen wir bier erwähnen, die eben:
falls die Neuzeit geichaffen, des im Jahre 1858 ind Veben gerufenen
Zaubjtummeninftituts, in dem der Director PB. Demuth bie
Unglüdlihen mit inniger Yiebe lehrt und pflegt.
Der Schulrath P. Mar eſch gründete theil® auf eigene Rechnung,
theils durch Sammlungen ein Inſtitut, im welchen die Zöglinge der
VYehrerbildungsantalt gegen einen bejtinmten Miethzins bequartiert wurden.
Bald nad Einführung dev Bettelordnung wurde (1790) ein eigenes
Armeninjtitit gegründet, das im Yaufe der Zeit durch Yicitationeprocente,
Strafgelder, Winficalimpojt, vierteljährige Zanunlungen, Abnahme von
Entichuldigungsfarten un. drgl. zu einen bedeutenden Mapitale kam. Das
Pfalziiche Hoſpital wurde 1830 ale Krantenipital eingerichtet und nachmals
durch die Stiftung der Witwe Aranziefa Kranich (1861) bedeutend
(500U fl.) bereichert.
Am 5. Augujt 1845 wurde das Nonnenjpital an der Schütteniger
Straße geweiht, durch deſſen Errichtung jich der Bifchof ein großes Ver:
dienft um die Stadt erwarb. Endlich errichtete aud die Gemeinde
1857 cin eigenes allgemeines Krankenhaus in dem chemaligen Kaſern—
gebäude auf der Dubina.
3. Stadt und Bürger.
In Hinfiht auf die äußerliche Stadtverſchönerung ift die abjolute
Periode durchaus nicht unthätig geweſen. Beſonders was die Anlage
von Straßen betrifft, hat dieſelbe eine große Rührigfeit entwickelt, indem
der Entſchluß des Kreishauptmannes alle Einwendungen und Bedenken
der Gemeinde abſchnitt. 1812 wurde die neue Straße nad) Bohm. Leipa,
— 641 —
1839 die nad Schüttenig ımd die nah Pokratitz gebaut. Das
Material zu legterem Bane gewann Klezanskyh, indem er die alte S.
Mihaelslirhe vom Bürger Wenzel Beneſch für den auf feine Anregung
entftandenen „Terfchönerungsfond” aukaufte und demolieren ließ. An der
Stelle der Kirhe gewann er hiedurch weniger zu Hanten des Ber:
Ihönerungsfondes als eigenen einen Garten, mit dem Materiale aber
wurde die genannte Straße hergeftellt. Für diefe eröffnete er eine neue
Einfahrt in die Stadt, indem er die Stadtmauer neben dem Hrad
durchbrach und fo das nach ihm benannte „Sofephsthor” erichloß (1838).
Die meijten der Stadtichanzen waren ſchon in den legten Jahren des ver:
flojfenen Jahrhunderts abgetragen und mit deren Deaterial die Schanzgräben
gefüllt worden. Die fo enitandenen Gartenftellen wurden parzellenweiſe
verfauft. Die Gründe im Schanzgraben vor dem Michaelsthore traf diefes
Loos erit im Jahre 1812. So war and vor der „Hrade“ auf dem ſchon
etwas geebneteren Schanzengrunde cin Hopfengarten entjtanden, der nun
(1840) kaſſiert und durch den Verfchönerungsfond (eine Art Anpflauzungs—
verein) in eine Anfage verwandelt wurde. 1842 kaufte derfelbe Verein
die darangränzenden Gärten zwifchen dem Joſephs- und Neuthore und ver:
wandelte dieſelben in eine herrliche Anlage, die mitunter dic felteniten
Sträucher und Bäume aufwies. Leider hat ſich der Appell an den „Schuß
des Publikums“ nicht bewährt. Die Straße nah Pokratitz wurde mit
Flieder umfäumt und der Graben von dem genannten Dorfe durch den jet.
Stadtanwalt Berthold wit Erlen und Birken bepflauzt, daß er einen
prächtigen Hain bildete. Ueberhaupt hat fih Berthold, wie immer er
fonft war, durd) die VBerfchönerung der nächften Umgebung durch Anpflan—
zungen cin fchönes Denkmal geſetzt. Er hat den 1791 in der Polabe ange-
legten Friedhof 1842 in einen Garten umgeſtaltet: hoffentlich ift jetzt daſelbſt
auch der Bocksdornzaun gefallen, der verhüten follte, dar ſich am jüngiten
Tage die Böcklein mit den Lämmlein milchen. Berthold hat es ferner mit
Glück verfucht, die Nordjeite der kahlen Radebeule mit Fichten und
Birken zu bepflanzen. Obwol der Verſuch gelang, hat doch niemand
einen zweiten gemacht. — Aud aus dem ehemaligen Semeindeziegelichlage,
der gegen Schüttenitz zu lag, entitand eine ſchöne Anlage, nachdem
ihn die Gemeinde 1839 als Spielplaß dem Gymnaſium geſchenkt hatte.
Das angränzende Feld Ichenfte fpäter Schulrath Mareſch zu demfelben
Zwede der Hauptichule. Auf der Schügeninfel wurde 1827 ein neues
Schießhans erbaut, 1840 gegenüber derfelben der fog. Judenbrunnen
wieder hergeftellt.
1
— 642 —
Seit der Anlage der pofratiger Straße und der Eröffnung der
Stadt nad) dieſer Seite hin entitanden auch cine Reihe kleiner aber
netter Häuſer außer derjelben gegenüber dem Hrad. IN4L erhielt die
ſich bildende Vorſtadt dafelbjt aus Anlaß der Ankunft des Erzherzog
Stephan (11. Augujt) den Namen Stephansvorjtadt.
Auch die alte Dubina jollte einen Kreishauptmanne zu Chren
ihren hiftorifhen Namen verlieren. 1845 war das Kaſerngebäude dafclbjt
eingeftürzt. Bei deilen Herftellung (1849) wurde gelegentlid) auch die
Dubina reguliert und „Rudolfsſtraße“ wingetauft. Das Volk bfeibt
mit Recht bei feiner „Dubina*“ Die Iefuitenjtiege war ſchon 1828
umgebaut worden uud präjentiert ſich jeither dem Fremden, der von
diefer Seite aus Yeitmerig betritt, in würdigerer Weife, als der alte
Steig, der da herabführte. Der ehedem hölzerne Scwibbogen, der das
Seminär mit der \efuitenfirche verbindet, wurde zwar 1518 abgetragen,
aber der an feine Stelle gejegte jteinerne verziert die Stadt auch nid.
Dogegen gewann diejelbe auch äußerlich durd) den erwähnten Bau
der neuen Eiſenbrücke. Die alte ceingededte Holzbrüde war am 24.
März 1814 eingeftürzt. Drei Menſchenleben waren bei der Kataftrophe
zu beflagen. Seither begnügte fi die Gemeinde lange Zeit mit einer
fliegenden Fähre; erjt 1523 wurde wieder eine hölzerne Brücke erbaut,
die aber 1857 wieder Öefahr drohte. Da bemilligte S. Majejtät am
29. Det. 1857 den Bau einer ärarifhen Kifenbrüde, — die nad) Schiff:
kornſchem Syſtem conftruiert — 1850 dem Verfehre übergeben wurde.
Der Proceß um Entſchädigung für die fteinernen Anfahrtsbrüden ift fammt
feiner Entfcheidung nicht der unintereffantefte in den Annalen der öjterrei
chiſchen Juſtiz. — Jenſeits der Brüde erjtanden wieder um das 1820 er.
baute ärarifche Wachhaus einige Häuschen, 1841 faufte die Bräubürger-
Schaft den einzigen noch übriggebliebenen Hof des chemaligen Dorfes Ze—
letitz — das dermalige „Eiſendörfel“ und richtete dasſelbe zu einer
Reſtauration her.
Bon hier aus geſehen verſchönerte ſich die Stadt in großartiger
Weiſe, ſeit die Gebrüder Conrath aus Steinſchönau an der Stelle
der von ihnen gekauften ehemaligen Stadtmühlen (1862) eine Kunſtmühle
bon jeltener Größe fegten und ale «18601 ein Conſortium (Aug. Con:
rath, Dr. Aug. Stradal, Dr. Franz Stradal Dr. Joſ. Mikſch,
Tſchinkel etc, auf dem Uferhügel weitlich von der Ztadt ein Bräu—
haus von riefigen Dimenfionen erbauten, in dem Wurjter fein feiner
Zeit berühmtes Dier zu brauen begann. Bon da an gewann Yeitmerig
— 643 —
ein neues, ein modernes Gepräge — Kirchen und Thürme in ber Mitte,
zu beiden Seiten rauchende Schlotte.
Auh im Innern der Stadt fand mande Neuerung ftatt, die da
anzeigt, daR ſich Leitmerig wenigftens im Erheben befindet. Die Gemeinde,
bei der fi noch im 18. Jahrhunderte ein Einfluß der großen Bewegung
auf dem Gebiete deuticher Kunft nicht conftatieren ließ, ermannte fich
nun zur Erbauung eines Theaters, zu dem 1822 im großen Hofe der
alten „Königsburg“ der Grund gelegt wurde. Die Thorwachſtuben
wurden als nunmehr unnüg 1829 an Private verkauft und zum Theil
demoliert. Dasjelbe Schickſal Hatte die fog. Hauptwache auf dem Ringe
fammt den fie umgebenden Pinden (1838) ; das lange Thor fiel erft 1863.
Die fteinernen Brüden, die von den Thoren aus über die Gräben
führten, waren fchon dur die Ausſchüttung der letzteren verfchwunden,
nur bie des Michaelsthores beiteht heute nah. Dort fiel auch der letzte
Reſt des ehemaligen Chores, ein Steinfalz, erft nad) dem Brande von
1866. Die alten Stadtniauern find in neuerer Seit hie und da in Neu-
bauten einbezogen worden, zum großen Theile aber beftehen fie noch, hie
und da, wie beim Hrad, jogar in urfprünglicher Höhe. Auch einzelne Thürme
haben jich ganz erhalten. Das größte Denkmal blieb aber immer nod)
der alte ehriwürdige Stadtthurm, nur daR aud er e8 fich gefallen laſſen
mußte, von der Cultur beledt zu werden. Im Jahre 1836 wurden
feine obern Fenſterlucken durch die großen Uhrblätter verdedt. Das
Uhrwerk verfertigte ein fchiudenauer Meifter, die Schellen wurden von
der Rathhausuhr hieher übertragen. -— Das Rathhaus war falt dem
Sinfturze nahe gefommen. Schon 1838 getraute man fih nicht mehr,
in denifelben zu amtieren und verlegte die Magiftratsfanzleien in das
Knopfhaue (Provianthaus), hergejtellt aber wurde das herrliche Bau
denkmal nicht. Erſt der Bürgermeiſte Wotruba begann 1852 den
notwendig gewordenen Umbau, der mit möglichiter Schonung des charafte-
riftifhen Stiles ausgeführt wurde. Dasfelbe läßt fi von dem früher
erfolgten Imbau des Knopfhaufes nicht fagen. 1853 konnte das Bürger:
meijteramt wieder in das Rathhaus überfiedeln, mußte aber dasjelbe
1855 den fchon oben genannten Behörden einräumen und fich in das
mittlerweile (1853) ebenfall® hbergeftellte Gemeindehaus (Königsburg)
zwurüdziehen. — In den Iahren 1856 und 1857 wurde auch die Sana-
lifierung der Stadt durchgeführt.
Die Bevölkerung ift bejonders feit letzter Zeit in rafhem Steigen
begriffen, wenn aud die Wortfchritte denen der eigentlichen Gewerb⸗ und
41°
— 64 —
Fabriksſtädte Böhmens nicht gleich Tommen. Schaller zählte im Jahre 1787
in 515 Häufern 2830 Seelen, wobei die Vorftädte eingerechnet erſcheinen.
Nah der Volkszählung von 1831 wohnten in der eigentlichen Stadt
allein 2010 Seelen in 260 Häufern, in der Zaſade 270 ©. in 46 H.,
in der Dubina 336 ©. in 56 H., in ber Woldane 360 ©. in
51 9., in der Fifcherei 382 ©. in 54 H., in der Neuftadt 176 ©. in
28 9., in der Brüdenvorftadt 160 ©. in 27 H., in der Mühlenvorftadt
8 ©. in 11 9., in der Mariahilfftraße 210 ©. in 30 H., zufammen
aljo 3983 Seelen in 563 Häufern. ') Hatte fich alfo von 1787 bis 1831
dic Bevölkerung um 1158 Seelen vermehrt, jo jticg fie von 1831 big
1857 um mehr al8 3500. Die verhältnismäßig größte Zunahme ift
erft feit diefer Volkszählung eingetreten, indem die Bevölferung nad) der
neneften VBolfszählung von 1869 um 2536 Seelen gewadfen if. Im
fettgenannten Jahre zählte nämlich Leitmerig 10.023 Seelen.
4. Nachbarn.
Bon den Stadtnahbarn des Tetten Zeitraumes wollen wir nur die
nächften nennen. Sie nehmen ja im Ganzen feinen Einfluß mehr auf
die Entwidlung der Stadt. Biſchof Em. Ernft von Waldſtein ftarb
am 7. Dezember 1789. Sein Nachfolger Ferdinand Kindermann
don Schufftein, am 10. Dftober 1790 inftalliert, hat ſich durch feine
Berdienfte um das Schulweſen berühmt gemacht. Er ftarb 25. Mai 1801.
Ihm ift neueſter Zeit ein ausführliches biographifches Denkmal geſetzt
worden. Ihm folgten Wenz. Leopold Chlumlansty Ritter von Bre-
ſtawlk (1802—1816), Joh. Franz Hurdalek (1816—1823), Binz.
Eduard Milde (1823—1832), Anguftin Barthol. Hille (1832 bis
1865) und Auguftin Paul Wahala.
Das Gut Doran Faufte der Obrift Iafob v. Wimmer vom
Religionsfonde und verkaufte einen Theil desjelben (Brogen und Chu«-
dolas) an den Befiker von Liboch (Jakob DVeith), den größeren Reft
aber (1804) an oh. Ant. von Aehrenthal, bei dejjen Erben die Herr-
(haft fortan blieb. Brozan gehört noch Heute zur Herrihaft Raud-
nie (Vobfowig), die Güter Triebfh (Wrbitfhan und Rochov)
gelangten 1802 durch Vermächtniß des Staatsrathes Franz K. Kreßl von
L,waltenberg an die Yamilie BPuteani; Kibohowig mit Budin
rn Benaneres über die Bollszählung von 1881 fiebe Sommer, I. S. 8.
— 645 —
u. f. w. kam erft neuerer Zeit an die gräfliche Familie Herberftein,
Loboſitz behielt fortan diefelben Herren; nur Kameik wurde durch Ab-
verfauf an Dr. Bolaf wieder getrennt. Die Stadt Yobofik nahm einen
großen Aufſchwung befonders durch die inbuftriellen Unternehmungen ber
Familie Tſchinkel, die außer einer Menge Rujticalgründe neuefter
Zeit auch die Herrfchaft Tſchiſchkowitz durd Kauf erwarb. Einen
großen ©ütercompler von Zahoran bi wieder an dic Elbe bei
Schmwaden, die ehemaligen Güter des Deutſchen und Malteferordens,
vereinigt dermalen S. M. der Kaifer Ferdinand, der feinen Sommer—
fig in Ploſchkowitz zu nehmen pflegt. Libochowan, Gern ofet
ect. blieben bei der Familie Noftig, wie Schüttenik bei der Probjtei
Wyſchehrad.
Regilter.
X.
Abel 392.
Adalbert d. heil, 22, 111.
Adalbert, Probſt 46, 142,
Ndatbertfirdye 114 f., 122, 303, 383, 393,
410, 412, 431, 453, 456, 458, 540,
692, 597
Adam von Zaaz 462,
Adametz 408.
Adamowig 474, 477 fi.
Aderaftus, Probft 140,
Aehrenthal 614.
Albrecht II. 196 f.
Albrecht, Pfalzgrai bei Rhein 486.
Allerheiligentirche 36, 119, 122, 383, 393,
aa.
Alttein 18,
Altzell 133, 151 #., 344,
Amuſus, Tuardian 406, 459,
Andreas, Probft 139.
Andres, Yehrer 605, 698.
Anna ‚Königin 54.
Anichelin 35, 36.
Antonins ı Rürgerı 35,
Antoih von Yaun 192,
Arcadiur Mag. 3U1, 464, 474, 475, 508 ſ.
Arnim, General, 418,
Arnoldi Mag. 464,
Aromata 19,
Aroı Urſula 306, 309,
Aronka. Meinberg 306.
Arnsdori 580.
Audrickö 448,
Anguſt Wilhelm v. Preußen 559.
Anjezd Eljezd) 7, 20, 409, 447, 469.
470. 472, 609, 624,
Groß: 154, 157, 291, 311, 334,
1, 518, 602.
Frebnik, 392, 396, 404 f.,
415, 419, 428, 443 f.,
498, 510 . 594, 608.
Aulhorn 391,
Aunhostefy 382, 489, 474, 477, 479,
Auſcha 5, 7, 20, 203, 247, 255, 349,
406, 417, 519,
Außig (Auſig, Ouſchit, Lfti etc.) 7,48, 54,
122, 149, 166, 187 f., 198, 206, 258,
265, 272, 283, 320, 333, 360, 371,
375, 376, 418, 429, 490, 561.
Außig Menzel 135,
„ Nilolaus 135,
„ WMuaathias 135,
Anſtin 474, 439.
B.
Babié, Kabat von, 124.
Babina 21, 148. 149, 150, 164, 169,
343, 359, 520, 326,
Vachuch 18,
Aaden 624
Baier. Dechant 594.
Watalar 275,
Balbin 474,
=, Narbara 596.
Barchotti Quardian 594.
Varthonowits 392,
Kaſtei Meurathen in d. ſächſ.
493.
Bathory Fürſt v. Ziebenbitrgen 523,
Banbelik 477.
Baudener, Rittmeiſter 554,
Baner 424 ff., 430, 433,
Naumgarıner 392, 474, 478, 509,
Banſchowitz 7,8, 16, 20. 139, 196, 343.
. &ottiried v. 119.
VBautzen 604.
Bechin 348,
Ded, Dechant, 479, 541.
Deder, Dechant, 593.
Becwar 3W, 477,
Nedrihow 80,
Beier 413, 478,
Zxhiveiz)
—
Behem 235 f.
Behemb 392.
Bem, Obriſt 432, 434.
Beneda, Probſt 140.
Benedict, Probſt 140.
Beneſch 474, 641.
Beneſchau 257,
Benjaminfon 434
Benfen 154, 155, 369, 416, 539.
Beran 578.
Beranel 478,
Beraun 76, 83, 91,
Berge, Joh. vom 135,
Bergmann 407, 479, 509,
Berla 273, 282, 580,
Bernastoni 609,
Bernhard, Biſchof 37,
Bernikow SO,
Beridyen 35,
Berichlowig 34,
Berthold 641.
Bentel 402, 578.
Bidnice 247, 310, 447, 473,
Bielathal 182,
Biener 479,
Bilut 19,
Bilel 392, 477, 609.
Bilin 22, 122, 198, 283, 364, 552.
Bilinka (Pilinka) 346,
Billich 479.
Bily 474, 477 fi.
Birna 169, 172, 359.
Bilchofichente 622.
Blach 8, 15 ff,
Blahodule 143,
Blahow 342,
Blantenftein 199,
Planlhner v. 238.
Wvolfhart v. 247, 256,
Blas 19.
Blatua Dorothea v. 517.
Blumenkron 633.
Blymann 392,
Bober 339,
Bohdalowsti) 479, 578.
Bohdanedy Di. 463, 474, 489,
Böohme 60N.
Böhmische Brüder 303, 39. 414.
» Conieflion 379.
Bohnicky 253, 258.
Bohr 478.
Bohufch von Pardubitz 134, 143, 145.
Bojer 3.
Boleslaw 1. 11.
Bolesiaw II. 17, 22.
Bonn 623.
Boreslan 20.
VBoret 2U, 228.
Porey Emil von 241, 266.
Boriwoj 110.
Boruta 16.
Böflg 122.
648
Botherich, Biſchof 110.
Boza 12.
Bozeha 19.
Bozieh 12.
Bozka (Bojei, ſiehe and) Poſchka) 312,
455, 473.
Brandeis 283, 493.
Brandenburg 79.
Branunaun 83.
Braunſchweig 372.
Breslan 73, 88 f., 522.
Yretislaw II. 12 f.
Brewnow 3, 17, 22, 24f., 42, 169, 266,
343
Brezan 165, 166, 521 f.
Brezi 21, 80.
Brezina, Dechant, 540, 598.
Brieg 88 f.
Bınian 7, 9, 168, 196, 320, 343.
Brod, Böhmiſch- 83, 191.
„ Zentich: 132.
„Wenzel v., Dechant 378, 153.
Broggio 606 ff., 622. 625, 695 Äf..
Brotzen 168, 520, 614.
Brown 558.
Brozan 122, 344, 347, 521 ff. 589, 644.
„ Dohanıı v. 172.
„Jaroslav dv. 234.
Brüdner von Briüdftein 373, 474.
Brünn 44, 72.
Yriinner Schöffenbuch 282.
Yrür 39, 56, 166, 183, 188, 198, 283,
304.
Brynſtowka 204, 296.
Buch 119.
Budin 35, 836, 162, 163, 164 f., 167,
204 f., 255, 269, 347 f., 364, 369,
488 f., 504, 510, 520, 555, 557 ff.
558 ſf, 561, 626, 644.
Budinsky 332, 391, 474,
Bubnowka 311.
Budweis 182, 272, 419.
Buff 479.
Bilhna 80.
BVuno 8, 16.
Vunzlau 122, 145, 45%
„ ‚sung: 74, 83, 193, 283, 4568.
„ Kuno, Brobft von 40.
Burg in Yeitmeriß, Rade, Hrad ı(fiehe
auch dieſes 33, 127. ,
Burg bei Yeitmerig (Hradistẽe, Neuftadt
etc.) 128,
Burghart 35, 147.
Bilrgftein 200, 423.
Gac 12.
Kampsor 135.
Canadilla Frior 411, 461.
—
Cancional 204.
(Sapet 892.
Kardinal 609.
Caelau 76, 88 f., 191, 198.
Caelad 15.
Geb 19.
Geiat 392.
Eeielig 341.
Gecen 18.
Seite 609,
Germat 4
Gernin 421, 448, 526.
Gernomwes 189, 168, 406, 519
Cernutz 169.
Gernojet 1Zernofet, Tihernofet ſ. d.) 6, 8.
Gerny 309, 391, 474.
Gerwenta 477.
Ceyt 479.
Chamdyerda 302, 454
Chimarrhäns, Probit
Chisnow Gieſcho.
Chliftnowfa 147, 344.
Ehtumet 311.
Cblumezanetij. Bi
Chocholius 474,
Chodaneti 477.
Chodan 202.
Chodolius 391.
Thodũb 626,
Chodolit 20, 344, 347.
Thodom 167, 8.
Chodowety 4
Chotel 553, 572.
‚Shotejchau Pe soreihau) 16,
167 72, 848,
Ahaem, "Seine v. 173,
d., 139,
hof, GH.
4,
Giepinn 477.
Gijet 425
649
Dottor, Domdehant 251, 301
D.
Dalibor 312.
Damaste 578.
Danfcha 391,
De Benedictis 578
De Left 474,
Divibab W.
Dela 224.
Telas 18.
Temuth 640.
Zeurfpherrnorden 21, 31, 169, 340, 542
Denimann 474, 478.
Diatowa 158.
Dieny 477.
Diftinctionen 281.
* Dietrihflein 625.
Dietrihftein, Probft 513.
Majblowip 7, 175,
Dobromir, Probſt 140.
Dohna, Jeſchet v. 187 f
- Dolanet 7, 8, 16, Is, 106, 343
' Zomdedant 144.
Cijtowit (Tidifchtowit) 347, 524, 552. ,
Johann v. 241.
Clemens. Minorit 37.
Sollen (Collenius) 477, 479.
Colloredo 433.
Gompater. Piarrer 453.
Conrath 642,
Sonftanz 78.
Corambus,
Coruowa
Sramolin 3
Eriepin, vrobn v. Doran 411.
ort 392
Etinowes 80,
Gzelat 135,
Ciernin 583, 624, 628.
Ciudedij Tedant 415,
glarrer nað.
Dubina 47,
Dombügel 4,
Tominifaner «fich and 2. Wlidacl)
” 22. 158, 1606, 4
:fhankhans
Domtapitel Yeitmerig 113.
TDonat 09, 577 f.
Donatus %
Donneräberg 625.
Tonga 478.
Donsta 47:
Prrblaig Trabigig 17.
Zrabonig Adam dv. 218, 338, 342.
Teftlat 300.
Drum 241. 349, 417, 543, 621.
Tuba 165, 172, 343.
8.
Paul v. 348.
» Qalob 348
„ Mrid 319,
„ Albredt 51
278,
640, 642, 614,
" Dubig 173, 341, 317.
‚320, 424, 431,
Dubkowitz 624.
Duppau Erhard v. 372.
Duſchnik 20, 80, 167, 196, 343, 522.
Dur 205, 241, 589.
Diworedy von Dlbramowic 382.
Dworsty 474, 479, 578,
Dwrikow 80.
E.
Ebersdorf 361, 589.
Effenberger 658 f.
Eger 6, 7, 161, 167 f., 310, 321.
„ Stadt 420.
„Mühle 168.
Egnar 365.
Eifendörfel |. Zeletitz.
Eiſel 638.
Eicht 416.
Elbe 56, 167 f., 206, 310, 314, 319, 321,
421, 485, 617.
Elbekoſteletz 283.
Elbogen 39.
Eiftiibor 228, 258, 525 #.
„ Wilhelm v. 245, 247 f., 256.
„ Beter Klenowoth von 345.
Engel 609.
Enzowan 372, 519.
Eppenftein, Siegf. v. 145.
Erbridter 34, 93.
3.
abri 342.
Fabrizius v. Hohenfall 405.
elber 475.
endau 135.
erdinand I. 51, 264 ff., 337, 348, 356,
358 f., 373, 377, 438, 445, 462,
482, 487, 621.
II. 378. 384 f., 389, 398, 404,
406, 411, 414, 443, 44°,
460 484, 487, 510, 517, 567.
„LVII. 428, 465, 470.
" der Gütige 645.
Ki far 392.
ibif 479.
r. Fleiſcher 635.
Bor 475, 480, 638,
iiherei 47, 120, 286, 291, 320, 337,
383.
löhau 148, 150, 589.
olter 287.
ormanel 392.
örfter 391.
rantfurt 132.
ranz II. 567, 632.
Friedland, Herzog v. 520.
riedri II. Kailer 39.
von der Pfalz 381 f., 384, 398,
402
”
443,
unig v. Breußen 556 f., BER.
650
452,
| rifet 457, 474, 478.
ritſch Frich 382, 392, 474, 477, 478,
479, 578,
| $röfich 638.
Frumelt 609.
ulfftein 141.
ürftenberg, Burggraf 563.
G.
Gabel, Joh. v. 135.
Gabler 392.
Gallus, Pfarrer 115.
Gaſſonato 433.
Gaſtdorf 83, 256, 283, 589.
Geblit, (Kebli) 106, 292, 310, 357, 405,
436, 485, 548, 564, 535, 605.
Geiersberg 234.
Geiftmann 477.
Gelaſius (Smisel) Dedant 453.
Gelazye 475.
Selen (Selen) 475
Gelinek 324.
Geltih 170.
Genivo 324.
S. Georg, Stift, 20, 22, 24.
irche 53, 120, 122,172, 303, 306,
383, 393, 410, 454, 456, 458,
592, 598.
Georgsberg (Rip) 61.
Gersdorf, Georg v- 337, 519.
Gießhof (Gishof, Chiftnow) 7, 8, 36,
383, 512, 634.
Giskra 392, 475, 479.
Giwian 80.
Gladiſch 627.
Glatz, Yorenz v. 288,
Glogau 135.
Goldberg 88 f.
Golitſchel 580.
Görlik 88 f, 223.
„ Johann v. 62.
Grabern 168, 417.
Grämling 550 f., 620.
Graupen 360, 358, 383, 555, 557 ff., 561,
59.
Gredel 475.
Grüner 135, 594.
Griinmwald 416.
Gug 19.
Günfterberg, Abt v. Strahow 395.
Guſtav Adolf 417.
| Gutenftein 80.
| Gymnaſium 638.
E H.
— — — — — — —
Habelt 392.
Had 402.
Hainsbach 588.
Hajet 478.
Sadenbrunn, Probſt 145.
Halle 89, 94.
Halliihes Recht 88.
Samburg 487.
Hammerſtein 169.
Haniſch 382.
Hanuſch 3, 410, 475,
Haras 199.
Harbert 35.
Harrach, Erzbiſchof 393, 395, 396.
Harrach 625
Hartig, Appellationsgerichtsrath 547.
Sartwig 35, 109, 152.
Hafenberger, Probſt 342, 512.
Halenburg 3, 72, 161, 164, 175, 182,
184, 205, 347, 349, 520 ff
„b Sbumet 78, 119, 145, 162,
163, 164 f., 202, 343, 348,
„ Budielav 145.
»„ Wilhelm 145, 163, 164.
„ Johann 150, 164, 205, 206,
348, 521 f.
„ Nikolaus 150, 163, 164, 345,
348, 521.
„ Uri 164 t,
n Saroslav 164 f.,
„ Anna 164.
n Zitla 164.
„ DIohann Zbynet 369, 521.
Baffenftein 198.
Haſsmann 391.
Hauſchka von Adlersberg 323, 382, 389,
405, 412, 448, 466, 475, 477, 478,
484, 4W, 495, 504 ff., 510.
Hawella 228, 258.
Hebrowa U.
Hegenbart 609.
Heinrih Prinz v. Preußen 559.
Heinrich v. Kärnthen 46, 49, 105.
Heinz 573, 578, 606.
Helfenburg (Hradel bein Auſcha) 88, 349.
Helfline 391.
Heliades 427,
Heller 391.
Helwik v Welſow 389, 361,469, 475, 477
Hening 35. 90
Henich (ſiehe auch Kameil von Pobkratitz)
463, 469, 477, 479, 489.
Hennevogel 565, 596.
Henze 391
Herbard, Probſt 548.
Serberftein 645.
Herbert 35.
Hermann 479.
Hermann de porta 35 f.
Hermann, Brobft 40, 141.
Hermesmeifter 149.
Herſchel, Kantor, 603 f.
Hertelin 85.
Herold 578.
exold v. Stoda 457, 442 f.,
ng 185.
477, 478, 509.
1 72, 348.
522.
475,
479, 510, 877 f£.
475, 512,
651
' Heudorf 416.
Hieſerle, Dechant 594.
Hilarius 324, 475, 478 f., 578.
- Hildebrand 119, 135,
Hille, Biſchof, 644.
Hilfcher 636.
Gladik 392.
Hlaſiwetz 80, 547, 578.
Hlawa 475.
Hlawſa 232, 237, 262.
Hlemey;d 392.
Slinai 21, 145,
592,
Hlinka 135.
149, 150, 359, 520,
Slodat 392.
Hloset 372.
Hloupij 392.
Hlupehlaw 20.
Hoc 18.
Hodkowitz 345
Hofer, Dechant 594, 606.
Soffmanı 991,
Sobenburg 479.
Sohenmaut 33.
Holei 310.
Bolluftein 65.
Holtau 324.
Holub 475, 489 f.
Holij 392,
P. Holyk 602.
Horeſchowitz 0.
Horſtij 475, 478.
Hosa 477.
Hodet 478.
Hoſlar 391, 473.
Bostech) 3832, 389, 403, 475, 477,
Softenig 20, 168, 521.
Horwnowe (vd. Wchynitz) 161.
Hoyer, Commiſſionsrath 563.
Hradel bei Aufcha ſ. Helienburg.
„Tſchernoſel 350. 151.
Hradel bei Diakowa (ſJ. a. Titarit) 159.
Hradiste (ſ. Neuftadtı SO, 167.
Hradistſtij 382, 391, 398, 409,420, 427
411, 478.
Sranidy 465.
Hrbowatij 254.
Hrda 390, 391,
Hrdlicta 497.
Hrdly 17, 518, 520.
Hronomety 262, 32$.
Hroznata, Probſi 16, 20, 140, 162, 169.
Hrubes 178.
Hrusowanetij (ſ. a. Sequenides) 389.
Hudif 892.
Hurdalel, Riſchof, 644.
Sue 68, 78, 117, 304.
„ Nillas v. 77, 31.
Yufinansky 392.
ten 67 ff. 184 f.
pbele 392.
479,
392, 475, 477, 479.
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— 668 —
Kaupſtein 424.
Kautim 83, 84, 191, 209.
Kamta 391.
Keifmann 384, 509.
Keller 384, 392, 407, 479, 509.
Kelch, Burg 84, 169f,, 183 f., 190, 312.
Nerber 384, 477.
Kilian 478.
indermann, Biſchof. 644.
Kinehy (fieh. a. Wehynik) 161, 552.
„ Rabisiav 882, 518.
» Wilhelm 417.
„ Adam 425,
Johonn 369.
Kingener 138.
Kiötow fich Giehhof.
Kitlig, Probft 512.
Madno, Wiafchet v. 153, 172.
„ Setti) ©. 198, 344, 851.
Kladrau 81.
Kladrubet 80.
&lapai #, 20, 162 f., 348.
Klar 639,
Klary, Oberftmünzmeifter 863.
Mary) 672.
Klatiau 71
latowotij 391, — 577.
Klaus * 41, 4
Klemm 4
Kenowsty 345, 270 f.
Ktetfhen 340.
ezanety 521 ff., 632 f., 641.
Kicet 469.
Bi
Nlingeuber; 39,
Klinftein,
Kloboucnil 392.
Kioftergrab 555, 589.
Llucow 80.
Auticat 639.
Kmetinowes 169.
Kueifet 382, 390, 413 f., 465, 475, 477,
478.
Kuterd, Paflor 480.
Kninsty 464.
Rnijatla 478, 479.
Knoblod) v. Birnedorf 324.
Kuyer, Baftor 456.
Kober 475.
Koberſtein 457.
Kocanda 138.
Koch 389, 412, 477, 478.
Kodan M. 369, 382, 386, 418, 464,
475, 609.
Köcel von Hollenftcin 412.
Kohomwig 19.
Kobedto 324.
Kojedig 169.
Kojetitg 20.
(ig, Racel v. 346.
Kolater 185.
Lolatit 68
Lolbel Ein "361, 370, 479.
Kolda 383, 389, 411,425, 426, 478, 495,
510. 475.
Koldin 429.
Rofdig 200
Hans
Bolten, en 173, 266, 276, 292,
356,
deli 70.88, 84 191, 195 5, 559, 865.
566.
KRolinat; 47.
Köln 335.
Koloſetſch 344.
Kolowrat 8, 448, 519, 560, 5
Abrecht v. 4 f.
” Bengel
» Zbenet eo 401, 416, 423.
» Wilhelm Albrecht v. 485.
Kolftein (Waldftein) Hynei v- 85f.. 182,
184 f., 186, 188 f.
Komator 80.
Kominet 478.
Romotau 83, 122. 184, 198, %
König 35, 9.
Königgeäg (Rönigingeät) 71, 73, 184,
191, 198, 195, 402.
— 624.
Königinbof 63, 191,
Königfaal 74.
Königsberg 168.
Königeburg (Gemeindehaus) 470, 511,558,
586,
KRönigseng, "Bifchof 623.
Xönigemart 434 f.
Königemwalde 283.
Konit 345.
Konojeb 7, 19, 416.
Konrad, Erzbiſchof 83, 146.
Konrad v. Leitmerig 119, 124, 126, 135.
Konrad, Probft 142.
Konrad, Richter 24,
Kopidlanshj 224, die, 06.
Kopiſt 17,1 f., 119, 168, 376 ff., 6569,
, 523.
598.
„ Deutfchs 196, 3:3, 333.
Koptima 891.
Körber 573.
KXordit 479, 878.
Lotinet 477, 479.
gorngfel 475.
Kos 391.
Koft 164 f., 347, 621.
Kofteleg 7, 9, 156, 522,
gefenblai 234.
Rofiar 194 104 L, 169, 204, 209, 966, 347,
Koftta Fe
Botefgan 7,8.
Rotlad 478.
dibochowan Johann v. 172.
” Sigmund 172
” Drüit 172.
” Vitet 172.
Fibohomwig 0, 162, 16
348, AB, 220
Yiboteinig 2),
Yichtenburg 2:
Fichtenftein Karl
393, 395, 404.
” Dar. v. 877.
vidig 80.
tiebihhauien 161, 417, 552.
Lulienblatt 477, 479.
illie Axel 434.
324, 161.
eb) 173, 341, 351.
ne 308 ff.
Fithanen With. v. 182.
ritſchtau 528.
221, 148, 198, —J an,
Löffler "578,
Logau Probft 512.
Yomar &0.
Yomnicte 3).
roſchwitz >19.
Yorbringeu, Narı d. 5
Younety Tehant #5
Yöwenberg 10.
Yozjos dir.
Yucca v., Biſchof 74.
Yucinin®
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Yırtamın
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Lunacet 391.
Yurrhertium 4
Yuhold
Lwoweanstij va Mani 4.
Lyſina 80.
&pıl 392.
"391, 470, 487, 4m.
167, 185, 347,
373, 377, 385, 387,
655 —
Mad 18.
Macacel 477, 39:
Magdeburg
; 556
Mogpeburger „Nedt 31, 48,88, uf,
Wantin 15, 19,
an —ãA P. (Groß) 395 f.
daten 40. 234. 385.
145
biichof v. M.
Majestas carolina 282.
Maier GM,
Mathoftig 154, 157.
Malic 19.
Dalinoweh; 391, TR.
Malitfhen 161, 331. 349, 526, 592.
Malnidy 389.
Malowey 448.
Malidin 19.
Maltheierorden (fiche a. Nohannıterorden /
20, 169.
Maly 392, 479.
1, 475, AIR.
Marada Dun Baltassar 421, 427.
Mareſch, Fiſcher 186.
VWareſch. Saulrath, 610, 641.
Wartin
S. Margarerh Benno), 130.
Maria Therefia >72 tk,
583, 618 ff.
Mariahilfstapelle 598.
Doriaiheune +91,
Wariengafle 412.
Marienlirhe 33, 126, 300, 415, 447
461 f.
Vartomaunen 3.
Marquard v. Hradet 395.
Martin V.
ini, Prediger 408.
Krobſt 140.
Martinig, Yotita v. 346, 305.
Martini, Vrobſt 6
Martinowes 188.
che (Miitoied) 120, 122, 393,
F , 567.
i afftahern mostskä hora) 204, 334,
447, 469, 47.
Nafhlowit 3.
Mathias Corvinne 2.
Mathiae, König 34x,
Erzherz.
Maucha 3m.
Marmilian II. 358f., 438, 185, 157, 189,
”- Erzherzog 369, 378, 130.
Mayer 609,
Mecholup 0.
Wedel 186.
| Redonofg 520.
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ww. A0PPeB Gampern en Super 0 wm,
Medwedic (f. a. Nedwedig) 160, 161.
Meinert 639.
Meißen 22, 31. 35. 79, 182, 183, 200,
«06 256, 281, 314 402.
Meißuer 184, 224, 333, 479, 547, 578,
609.
Melans 475.
Melnickij dv. Greifenfeld 539, 457, 477.
Meint 54, 74, 77, 80, 83, 122, 145,
164, 191, 209, 223, 344, 433,
460, 523, 356, 589, 621.
„ Nlrid, Probſt von 36.
„ to 500 MW.
„. BZbindt „ „119.
Mensit 470.
Menftit 300.
Mentan 520, 563.
Merode 4106.
Mertendorf 416.
Merunitz 154. 157, 161, 316.
n Makowitz v. 189.
Meoͤtanskij 475, 477.
Metelslo 80.
Methud 110.
Mezecek 392.
S. Michael (Dominikanerkloſter) 37, 347,
417.
Michaelsthor 75, 206, 314.
-gaſſe 315.
Michalec 303.
Michelsberg 311, 334, 349.
Sigmund v. 341.
Michna v. Wacinow 337, 407, 412, 199.
Midlar 459.
Mies 189, 105. .
n Joh. v. 78.
Mila, Probſt v. Toxan 343, 520, 606.
Mikeſch 300.
Mikowitz 502,
Tr. Mitih 636, 632.
Milde, Viſchof, 644.
Mileſchau 157, 181, 346, 924 f.. 625.
n Buſchek v. 347.
Mileſimo 386, 403, 972.
Milgoſt 19, 19.
Milie d. Nreinfier 68.
willer 475.
Millner 372.
Minichhof 158.
Wie 161. .
Minoriten (1. a. S. Satob) 37, 122 f.,
>16, 376, 3814, 406, 408, 459, 469.
Mireſchowely 572.
Wirowig 56, 164, 276, 292, 311 5326..
„ Kento v. 119, 172.
Miſchodt 475.
Mites 382.
mie 390, 475, 478.
Pitrowib, Wratiolav v. 385, 305, 406.
Miadota v. Zolopiel 386.
Miadei 600.
Mlilojed (Diielowidy) 106, 120, 224, 291,
320, 357, 390, 469, 393, 418, 456,
560 fl. 563, 566, 569.
iyniste 321.
Mohaes 264.
Molicet 392.
Moliſchel 47
Morawek 508.
Moris Adolf v. Sachſen, Riſchof 621.
Moſtnik v. Nystit 383, 359, 407, 410,
475, 477, 479, 408, 538, 608,
Motſchidelbach 312.
Moudry 179.
Mozel 135.
Draz aus Budin (oder Drazeb 380 f.,
382, 385, 388, 380, 393, 410, 4119,
443, 475, #78.
Mraz dv. Mileſchowka 275, 317, 324, 361,
364, 380, 30, 301, 463, 110. +18,
466, 475, 477, 479, 484, 490, 493 fl.
Mſcheno 233, 521.
„Heinrich v. 164.
Müglitz 588, 589 ff.
Mitller, Yehrer 605.
Mitller 402.
Mukow 157.
Munker 416.
Miüntwitburg, Polyxena dv. 522.
Münſterberg.
⸗0 Karl v. 520, 251.
Bartholomäus v. 233, 236 ft.,
239 f., 246, 248, 268.
Mur 20, 108, 168.
Mutina 12 f.
I.
Nachod 402.
Nadrenec 300.
Nahowes 4086.
Nakel 31.
Naſchwitz 116.
Nedbal 609.
Redwedig 521.
Nedwetkow, Adalb. Twoch v. 3-44 350,
Nemee 457, 478.
Nemecek 392.
Nemoi 16.
Nemſchen 350.
Nerad 19.
Nerta 19.
Neſel 7, 20, 169, 312.
Neſſenius 978.
Neſtarejſe 480.
Neſtomiß 169.
Netlut 173, 347, 529.
Netolickij M. 464.
Neudorf 390.
Neudörfel 518.
Neuhaus 428.
„Heinrich v. 208.
Neuhof 348.
Renmarft 88 f.
Neurodt, Graf v. 396.
Renicloß 552.
Neuftadt Veitmeri 129, 225, 254, 312,
ae 3 f.. 398, Man 512, 621.
euthor (Zinngießerthor) 296, 314.
Rezbeda 306.
Ne —* 19.
Nifofaibrunnen 608.
Nilolaus, Dedjant 452.
” Bilhof v. Brag 40.
» Bilrger, 169.
» Rirdlein (Mit. in den Weine
bergen) 54, 115, 120, 122, 308,
458, 468, 472, 598, 597.
NRimburg 77, 83f., 122, 191, 193, 283.
— 382, 389, 475, 477.
Wollendorf 560.
Mofet 477, 479.
688.
Bio v. Gebtip 274, 206, 923, 300,
392, 475, 4°9, 506
gahllanen 476
Rojir 324.
Rutfhnig (Nunice) 6, 8, 19, 106, 168,
202, 3:6, 351, 357, 418,
348, 486, 446, 450, 538, 538.
» SIohann v. 178.
» Michalet v. 119, 178.
. Michael v. 351
Nyce 391
Obrynit 80.
Sen 205, 237, 244, 461.
Diben 578.
Sihramowic 572.
Oltarit (Hradel)
Dpatowitg 2}.
Dpi 479, 480,
Oppolau 344, 347, 626.
Drefiy 144.
Irfi, Yaumeifter 601.
Dffet 41, 188, 263.
Veneſch v. 344.
Dstas 19.
Dtteradorf 382, 386, 497.
Otto 135.
Otto v. Brandenburg 42 f.
Ottolar I. 23 f., 58, 108.
Ottotar H. f, ® 54, 59, 137, 142,
145, 158.
Dubtidy 572.
158, 348, 349.
Oztlow 20.
R.
Pabenitz. Ulrich v. 125,
jachta, Oberfi landrigpter 568.
jadelal 392.
Baba 144.
657
: Bilfenberg,
Batofta 391.
Valcet &0.
Balec 80, 78.
palitich 157.
Bana (j. Jungfrau) 169 ſ., 184.
Panzer, Miles 200.
Bapaiet 478.
Fapouset 341.
Barbubig. 172.
Batizet 391, 478.
Vaffauer Xriegevolf 376.
Batacet 392,
Batiheplik 520.
Baydiraf 391, 406, 476, 477.
Beda 304.
Pecowic 392.
Betat 324.
Beteini 294, 296.
Belitan 392.
Pellegrini Gen. 569.
Venizet 475.
Pernicet 475.
Pernftein Wilhelm dv. 261.
Polyrena 522.
Peſche 604.
Peier, Biarrer 303.
Peters (Petters) 633.
Beterfapelle 120, 122.
Betrarfa 475.
Vettit 609.
Betrowig Carda v. 349.
Bezold 391, 392, 475, 479.
Balz d. Oftrig 550 ff., 577, 578, 596,
605 ft., 620.
Pal; «Zweibriiden 627.
Bfaßzifhes Hofpital 640.
Bfohl 640,
Pflug v. Rabftein, Probſt 841, 142.
” - Protop 341.
Philipp, Biſchof 306.
Bil 75, 478.
Bilfen 71 f., 81, 191, 289, 272.
Bilfen Georg v .
Quardian 418.
Pirna 6, 8, 18, 20, 54, 56, 272, 407,
A414. 425, 480, 492 f., 498, 607, 609.
Birnai (Brna) 291, 312, 383, 447, 473.
Pifaritowig 306.
Bifhhel 609.
Silhtowit, 589.
a 7ı f. IE «182, 191, 193, 568.
gi
Piſtian 6. 8, x 36, 145, 152, 172, 241,266,
276, 292, 350, —8 417,474, 548, 558.
witanel 486.
Bitfhan 677 £., 582, 59:1.
Pitfhan v. Bellefort 419, 482,448, 476,
479, 511
Fitfehfomig (Bitfomice) 7, 20, 21, 109f.,
176, 842, 417, 618, 827.
— 658 —
Pitſchmann 873, 392, 470, 476 f., 478.
Plahow 169.
Platteis 497.
Platiwoj 19.
Plato 334, 389, 476, 477, 478.
Planen, Georg v. 278.
Pleſchtowelij M. 464.
Pleſſing 135.
Ploſchkowitz 3, 7, 8, 20, 169, 218, 338,
312, 369, 386, 401, 416, 425, 517 £.,
h52, 581. 627. 645.
Plotho, Tbſtlientn. 550.
Plychta 392.
Podebrad 23.
Georg v. 201 f., 317 f.
Podiwin (Podwini, Podewin etc) 6,19,
517.
„ Niklas v. 115.
n Johann 241, 358.
„ Bernhard 850.
Bodleichin 20.
Podſeditz 7, 369, 624.
Podſtaler (Wein) 490.
Bodwirsty 266.
Bohor 157, 169.
Bohori 20.
Bohotig 80.
Bol 518.
Pokornij 992.
Polratits (fiehe a. Kameit) 6, 9, 18, 115,
124, 180, 148, 149, 150, 175,
196, 266, 276, 291 f., 811, 341,
345, 356, 359, 405, 412, 418,
436, 447, 469, 520, 548, 561,
568, 566, 573, 580, 592 ff., 601,
605, 641.
„ — bad 4, 5, 33, 311, 320.
Polabe 143, 306, 311, 405, 464, 472,
516.
Polacet 608.
Bolaf 389, 476, 477, 645.
Bolenla 476.
Polensk Ludmilla 234 f.
„ Sans 284 f., 238, 245, 247,
253 ff., 349.
„ Nitdiger 124, 158.
„ Yaurenz 124.
⸗⸗ Niklas 349.
Polep 20.
Bolicta 88.
Polickij M. 464.
Polliter 135.
Vonocnij 479.
Popp 392,
Roppele 162.
Prag 43, 46, 48 f., 53, 58, 65, 69 fi.,
72 £., 77, 81 f.. 81 ff, 130 £,
181 f., 184, 189, 191, 194 f.,
198, 205, 209f., 220 f., 224, 226,
232,236, 239 ff., 244, 216, 251 ff.,
263, 265 ff, 277, 297, 308, 3236
332, 331, 336 f., 341, 364, 368,
373, 401 f., 416, 423, 425, 439,
452, 458, 482, 486, 546, 555 f.,
559, 573, 605.
„ Ntleinfeite 393, 40.
Brager (Ürraguiften) 185, 187 f.
Praſchilius 391.
Praskowitz 18.
Prajat 176.
Prehow 168.
Preſtawlt 168.
Preftel 384, 478.
Prefburg 218.
Breußen 556, 558 f., 568.
Briefen 20.
Prieſen, Groß: 401, 410, 169.
„ Schön: 169.
. Prieien Johann v. 238.
— — — — .
Primda 80.
Proboſcht 169, 522, 38.
Protes 478.
Brotop der Große 189 f.
⸗ Markgraf 64.
„Birrger 200.
Proſmit 7, 8, 19, 106, 109 f., 224, 291,
418, 446, 499, 548, 558, 560, Sb,
684.
Pruhon 473.
Prusa 477.
Brufinowety, Probit 512.
Pfar, Berg 130.
Ptacek von Nuttenberg 307.
Put 479.
Pilrglig 47, 198.
Purggraf 478.
Purkrabek 302.
Purtyne 330, 402, 477, 489.
: Buteant 644.
Qualin W.
D.
R.
Raab 450.
Poſchta (Hosta, Na Bozii co) 6, 8,9. 18. '
Poftelberg 75, 167.
Goftig 20.
Potocet 478.
Potſchapel 17.
Botucel 678.
Prahatig 198.
Rachlabskij 306.
Radaun 520, 7.
Rade ıf. a. Hrad und Yurg in Yeitmerig)
08, 318, 446, 485, 538, 566, 641 fl.
Radebeule fiehe Radobil.
Radnickij von Zezhor 368, 370 f.
Radobil (Radebeule) 546t., 120, 131 f.,
273, 310, 405, 472, 550, 55.
Radoſitz 346.
Kodeſe (Gaudentius) Probſt 140, 342,
889.
Radomefig 162, 164, 166.
Radwitz 146.
- 659 —
Rofelmühle s08.
405, 407, 409, Roficaneh) 391, 177.
Kefitanet M. 164.
134,
— Vchani 153.
Rona 369.
Rottenburg 435.
Rojmital, Yeo v. 4.
Roiron 19
a Rogtodi,
Royıwoda
Amerager 23. Indeif wu,
“Rudolf 1. v. 4.
Rudolf u. 376 f.. 379,
4 521, 609.
Rumburg 588 f.
Rumburger Gm.
Ruppau (Roupom) 342, 516, HIN, 527.
„ Wen. Biden v. AR2
„ Mena
Ruprecht v. d. Hal 6, 66.
Rufhowan 519.
Rıriila 4
B Rujorofa ‚Be und (ur) 201,
Aus, 478, 5
In.
76, 83, 122, 183,
19, 211, 223,
3 Sabarih 5ir.
Sadjen 419.
nm Georg o. 2, 258, 117.
' Friedrich 2ER.
Sachſen Morig 272.
i Auguſt 273, 318, 379, 489.
„ 90h. Georg 417, 492.
| Sadienhäuferberg 132.
7. Sahfenfpiegel 281.
ı Zad 47°
, Sadita 40, 80.
° Zaleiel ıfiche auch Zaleſeh, 558, Muß, 533.
Salhauſen 369, 416, 420, 433, 448, 527,
57
5. | Zaljburg 623.
a. Sancius, Minorit, 406 f., 108, 452, 459.
! Sandau 96, 1
4. Zantrudet 176,
Sar 391.
as
Zarlarla 342.
Zalhjomig 520.
Zaflert 579.
Eanbernig 341, 343, 416, 149.
9.
Zchebine 166, 4
een, 197, 154, 157
Scheratſch SIR.
Schermer 476, 477, de, 479, 517, 578,
Ehiema 157, 158.
Schindler 391. 476, 478.
@=djirmer 638 ,
Schirſchowitz (Zitewic, Eirjewic) 20, 157,
154, 161, 171 £, 175, 344 £., 347,
369, 469.
Schlan 76, 74, #3, 187, 191, 192, 209,
28, 370.
Egleinig Fr? 344, 364, 6525.
Pr Biſchof 465, 514 M., 540, 682,
603, , 628.
Schlefien 189 f., 204.
Schlid 517, 518, 626.
Sdludenau 418, 493, 688.
Schmaltaldifher Krieg 268.
Shnedowig 417.
Schmied 572 f.,
Scmud 634.
Sqhneider 457, 476, 477.
Ei 31, 94 f., 283, 439.
578, 596.
Schönau 572.
jönburg 46
Schrabal 47 f., 250.
Schredenftein 54, 161, 171 £.,
350, 351, 527,
Scjulies 476.
Schuhmann 476, 392,
Schirgsmwalder di
Scylitienig (Zitenice) 6, 9, 18, 19, 130,
145, 188, 305, 311, 342, 382, 417,
425, 455, 416, 627, 641, 645.
Schwabenfpiegel 282.
Schwaben 20, 645.
Schwaniberg 80, 184.
Schwag 551, 552.
Schweden 169, 171, 416, 424 ſ. 427 f.,
125, 112.
108, 344,
493.
Schwengfeld 391, 476, 407.
Schwob 636. 610.
Sebaftian, Prob
Sebnjein 120,
418,
Sedledi 455, 476.
Sedlep 20, 145.
Seifert 391, 476.
Selau Ki 276.
Selz
Seauenides Pfarrer 360, 454, 509.
Sernig: (Wald) 361, 370.
Sewera, Dechant, 504.
Severus, Miſchof 111.
=
—
170, 182,
Aaijer. 64, ” f.
PETER
194. 187, 193, . 311, 342.343, 341.
t. 18
443, 351.
Ziegmmd Roribud 123, 185
Eifoehier 4.
443, 476, 478,
622.
Zimmern 609.
Zimonides 517. 578.
Ztalfen (Ztaltaı }
Stalitz 335, 49), 627.
Stolstij 476.
Stornicet 478.
Stornidy 478.
Sireia 382, 473, 601.
Strwit 324, 39.
Sladet 476 f.
Sı
Sleben (Sliwno) 40, 162, 163.
Stepiöta 991, 478.
58.
misei
Smimadet 391.
Sms 479.
Smutmy 478.
Snit 477
Sobenz (Sobenie) 3, 20, 173, 417.
Sobeslaus 1
Sobitanettj
Sobotedi)
Sotolowehi, Dedjant, 54
Solan 154, 156 £.
Soul 477.
Sofa 891, 476 f.,
Spata 380,
Spineta 609.
Spital 367.
Spitihnew II. 18 f.,
<pig 479,
Spiwaet 478.
Spiehy 470.
478, 479.
112, 139.
. Sport 539,
|
Sprimbi
Sibitz 347.
Stahlhantſchte (Stalhane) 439 f., 493.
Stanger 556, 589.
Stauplah 478.
Steinbredjer 478.
Steinme, Oberft 569.
Steinihönau 642.
Stelzer 476, 391.
Stenborf 176, 479.
Stephan, Dechant. 380,
Stephan, der Jude, 8, 21.
Stephausberg 7, 36.
Stephanshügel (fiehe Burg Yeitmerig) 103.
Stephaustixche 114, 122,128, 302, 313,
Stephansfift 18, 112.
Stephansvorftabt 642.
Sternberg X
Oherftnurggraf 557.
348, 819, 5221.
2)
Stradal aa, 324, 612,
Strahon 15)
Strafa PA 578.
Stranich; 477.
Stransfö M. Paul 139 f., 381, 382 f.,
385, 390, 396 ff, 412, 443, 464, 469,
476, 477, 479, 496, 498 f., 565.
Ctrafhnig 47,
Sıtraz 19,
Stiebineti 473.
Stredonius ©. 9, 412,
bern 324.
Stiiberöfj, Dechant, 458. .
Sirnad 477, 479.
Strobel (Strobelius) von Sternberg 448,
Pe 511 ff, 588, 647, 673, 576,
Stubihrah 476, 477, 479,
Ötyrötoleh; 364, 868 £., 391, 464, 476.
Sub
Subitan 47°
Subta 3
Eudjanet 479,
Sut 275.
Gultowet; 560.
Eulowit
N 72, 80, 184, 238,
Emalina
Swarow
Swatopluf
Swenda 47
Smetedi 480, 479, 578.
Swetlit 303,
Swihowei, Propſt 518.
Sylwanetw.
Tabor 73, 191, 195, 568.
Zaboriten —* i 188, 188, 189.
Tachau 80, 189.
* . Rapler.) |
(ehe a. Kaplan) | Trebnit” 20, 166,288, 344, 347, 364,
625.
661
Talenberg 39.
Zarlata 135.
Taſchov 169, 519, 626.
Zaubernig 7, 19, 163, 342.
Zauß 188.
Tehobufits 144, 173.
Teinig 406, 548.
Teipel 578.
Zellnit 360, 370.
Telz 158.
— 19, 518.
Tepel 16, 20, 30, 162.
zei 188, 239, 243, 258, 283, 364,
— "392. w
Tetauer 476, 477.
Zerfchen 22, 54, 115, 149, 161, 1831, 187.
1m, 283, 349, 350, 393, 402, 418°
zefenderf 34.
Zeufel
Epson, Dechant, 420,
Therefienfladt 17, 570.
oma 19.
Thomas 307.
Thorn 498 ff.
Thun 448.
Tichiſtes 391, 478,
Tichlowig 157.
Ticlus 609.
Tima 609.
Ziugen 6, 19, 106, ,
369, 418, 520, 561, 501.
zT Bildof 48.
Tocuit 74, 372.
Tolinger 593, 59,
Toman 476, 479,
Topinstg 476.
Zorftenfon 432 f.
Zostana 627
Trabidit 518, 569,
Trautenau 83.
Zravcidh 476.
Zrita v. Yipa 131,
262.
229, 238, 246 M.
Zeebantig 6, 8, 18, 196, 276, 291, 383,
, 556.
Ziebinta 291, 311.
370, 458, 589, 6;
Tiebuticta 6
Treitler — 402,
Ziemfchig 161,
Zriblig 157, 154, 347, 426.
za 7, 16, 169 £., 417, 627, 542, 589,
47a, 712.
Ttin 124.
Trnowan 6, 9, 19, 56, 342, 516, 555,
622, 627.
Trank d. Trnowan 323, 889, 476,
ge a7 477, 479.
Zruppel 321, 476.
Tſchaloſitz (Caloſic) 416.
Tſchapel 416
Tſchernoſek 150 t., 151, 153, 228,
350, 408, 415, 525, 6428, 645.
Tſcherſching (Cerseniste) 106, 266,
292, 306, 359, 436, 474.
Tſchinkel 642, 645.
Tſchiſchkowitz 558, 625, 645.
ihodan (Ntehlowit) 154, 157, 206, 347,
Zuhokit 402, 524.
Tuna 578.
Tunet 389, 478, 479.
Tünſcht 169, 342.
Tupadl 80,
Turet 324.
Turinstij 391, 476.
Zürmig 241.
345,
276,
Turnau 288,
Tyma 547, 609, 647.
U,
lcet 392.
Uhonitz 157.
uUiſſera 19.
Ujezd (ſ. Augezd) 53.
Ulermarf 559.
Urid) 391.
Ungarn 239, 243, 264, 308, 450.
Urban 382.
Urihe (Wohre) 447.
Utraquismus 378 ff.. 452.
Utraquiften 81 ff., 302.
d,
Veith 644.
Vietz 639.
Pittum 238
Voff 81.
Bogel 476.
Bogtland 190.
Volkmann 609.
Vorſtädter 338.
W.
Wacel 18.
Wachsmann 434.
Wahala, Biſchof, 644.
Wahl, von der 405.
Waldeck 161.
Waldenburg 16.
Waldhauſer 68, 117.
Waldſtein 258, 283, 344, 433, 525.
" Benedict 341.
" Senik 343.
Adam 963 fi., 425.
Johann 365.
Albrecht 396, 420 f.
. Biſchof 624, 644.
(fiehe Kolftein) 184, 188.
662
— — — — — — —— — —
Walowitz 80.
Walter 609.
Waltike 416, 518, 819.
Warhoſcht 474.
Warrensbad) 625, 627.
Wartenberg 171, 199 f., 224, 315, 349,
351, 448.
n Fohanı 65, 149, 150, 161,
163. 171, 334, 3411, 343.
„ Janet 161, 171.
n Wenzel 161, 163.
, Sigmund 170, 183, 184,
188, 342.
Pan Bencfd) 171.
„ Cenek 71 £., 83.
Heinrid) Abraham 369.
Watisiaw 346.
Wawra 250.
Wchinitz (Wchynic, fehe Kinskij) 159 £.,
345, 371, 524.
„ Protima v. 160, 346.
„Chaotibor 160.
„Smil 160, 345.
FJeſchel 161, 371.
„Zdenẽt 161.
„H.abart 161.
» Margaretha 161.
„ Wenzel 161.
„ Anna 161.
„Johann 245, 346.
„ Dobrs 346,
Dlask 346,
Weblut 19.
Wedlitz 144, 341.
Weichbildredt 88, 281, 287.
Weinban 35, 130 ff., 485, 9.
Beinbergicöffen 286.
Weisthiimer 282.
Weiß 478.
Weißbach 609.
Weißkirchen 416, 626.
Meitmiühl 266, 269.
Wejwoda 392.
Welbine (Lbin) 7, 19.
Welehow 169.
Welehrad 110.
Welemin 20, 154, 344, 347.
Weleminskij 275, 325, 467.
Weleslawin 130,
Welhota (Fhota) 135, 1
Welkan 625 f.
Welik v. Schönau 382, 389, 413, 476, 477.
Weltrus 80.
Welwarn 73, 232, 283, 370, 375.
Welwarskij 389.
Wendeſteiner 517.
Wenzel I. 29 £., 34, 49, 141, 217, 387 £.
Menzel II. 43, 49, 54.
Wenzel DI. 44.
Wenzel IV. 57, 59 f., 62 ff., 69, 71, 88,
91, 106, 121, 184, 145, 153, 165,
172 f., 350.
52, 558.
Wenzel, Bürger 324.
Wengelötirdje 120, 122, 897 f.
Wepreẽ 80.
Wernftadt 4 519.
Wefelshj 3 476.
Weiet 156.
Wefiele 152,
Weitel 80,
Wicemilitz 182.
Wicen 324. 391, 442, 476, 478.
Wicena 275, 306.
Wiilow. Probft 142.
Wider Ang. 278, 442, 476.
Widtmanı 609.
Bien 94 f., 4236.
Witlef 75.
Wildheim
Wildner 391.
Wilhelm v. Holland 39.
Wilier 476,
Wimmer, Obrift, 64.
Winterberger Arfued 494.
. Törting 596 f.
—A 476.
Brain) 80.
ars 168, 172, 247,
446.
grättihen 64.
Brbta 521.
Wiefowig 289, 108,
Pr Habart 38
” ũlrich 518.
Pr Jaroiaw 240, 5IN.
Man Georg
.datoubet 192 f., 1
on Wilhelm (burg) 217, 342,
343, 349,
” Zaroslanı Vrozanshi 344.
318.
„ Albre Kysperetj 346.
” 369, 517,
” Natob 375, 517.
innai 124, 161, 173. vcöiſ 817.
Winter 30 ” Adam 160.
Winterberg 151, 156, 386. » ‚Kart 517.
. Wildehrad 42, 74, 76 f.. 86, 107, 180, Wenzel 234, 240,
, 7
166, 169, 340, 34:
Wiſcheſtudy 80.
Wıfterihan 157.
Wit, Pfarrer 380.
Bital 510.
Wittenberg 452, 464.
Wiach 8.
Wiadislaw I. 108, 167.
241 2 L, 248, : 2
Wladislav v. Polen 36, 1er 260,
Wlajak 479.
Wlafath 477.
Mobora 312.
Moboreti 382, 476, 478.
Wodnian 191, 193.
, 517, 645.
Woldan (Wolbano) 225, 291, 382, 311 M.,
, 64. 4
Wolfgang, Probit is,
Rolinetg dv. Kopift 323.
Boltenftein 416.
Voloun 476.
Boparu (Oparn) 160, 345, 346.
Koihitka, Dehant 380, 454.
Roſchit LH 187.
Bojelstv 478.
Kofi 218, 346, 347.
Botit 478, 57
Botruba 635, 643.
Brabey 392.
Brabin 156.
Seahente 31.
Sraſchtow 168.
Wratislav dv. Witromig, Biſchof 628.
Johann 199, 34
Brfhomege 11, 2
Wridowig 158, 349.
Wröel 321.
Wfgeborig 80, 172.
Wieino 589.
: Wurfter 642.
Andata 3A, 476, 477, 479.
Wofepchrad, |. Milhehrad.
. Xenophil 476.
Zabta 273.
Zabowiest 165, 168, 521.
Zadufchnit 17, 569,
Zahora 124.
Bahoran 150, 173, 176, 291, 206, 338,
342, 351, 356, 302, 417, 402,
512, 626, 64
» YIohann v. 1
» Dunet 173,
| Heinrich 351.
Zaiejd 80.
Jat 228, 276, 324, 801, 302, 476, 478.
Zalan 241, 624.
Balefel Safeiel) 7. 19, 2
436, 553, 556, 398.
Zalufd) 148, 149, 1:0.
Bafada 5, 6, &, 9. 10, 16, 21, 114,
130, J4l, 148, 149, 291, 303,
316, 382, 452, 471, 473, 64
Sat 389, 391, 476, 477, 478, 507 #.,
57
ı Baubet 476 £., 478.
169, 376,
— 664 —
Zichowetz 848.
Ziegel 889, 476, 478.
Zinnwald 589 ff.
Zirtowig 3, 350, 376.
Zittau 35, 36, 199, 457.
eine. 107, 109 f.
Zaubka 275, 324.
bil 19,
dara 391.
Zdarski 364, 869, 476.
Sein 392, 476.
dicynt) dv. Hirichberg 328, 462, 486.
ebeda 479, 478,
”
„ aftalom 40.
Zebrak 65, 74, 162. „ Smil 40. F
— 620. „Martin 316. u
Zednik 391. i \, 83 ff., 156, 169 f£,
Zeibler v. Schönfeld 372, 875, 519. | Tine Kan „1888,%
een vn Zlatnit 145, 306, 324. *
Zeller, Dechant 454, 479. Zlatohlawel 398, 476, 496.
Zeletitz (Eifendörfel) 106,144, 224, 254, | Zlutidy 455, 4/6.
289, 281, 294, 321, 357, 418, 468, | Bnaim 624.
, 508, 507, 606, 642. Zuaton 19.
Zeleznij 467. Zuber 413, 415, 478.
Zernoſek (j. Tſchernoſet) 161, 124. Zunfte 480.
Berotin 198. Zwiretig, Zdislav v. 77 f., 145, 841.
Jeydlit 392, Bwitina 476 f.
— — — — — —
Zezima v. Zezimowa Auſti 849, 405, 448, won 17.
371, 376, 384, 406. ygele 476.
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